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Stadt Karlsruhe | Grundsätze für die Förderung von Bürgerzentren Amt für Stadtentwicklung Büro für Mitwirkung und Engagement
1. Allgemeines
1.1 Die Stadt Karlsruhe fördert im Rahmen der im Haushaltsplan zur Verfügung stehenden Mittel
Bürgerzentren in den Stadtteilen mit Mietkostenzuschüssen und mit Zuschüssen für die Erstausstattung.
Bürgerzentren sind Begegnungsstätten, in denen sich Menschen jeden Alters und jeder
sozialen, ethnischen und konfessionellen Herkunft begegnen, engagieren und entwickeln können. Bürgerzentren sollen die Identifikation mit dem Stadtteil stärken und bürgerschaftliches Engagement fördern und entwickeln. Das Angebotsspektrum und die Dienstleistungen des Hauses sollen Teilhabe, Partizipation und Begegnung ermöglichen und kostenlos oder gegen einen geringen Kostenbeitrag zugänglich sein.
Die Bürgerzentren und deren Angebote stehen vorrangig den Einwohnerinnen und
Einwohnern der Stadt Karlsruhe zur Verfügung.
1.2 Für die Förderung gilt insbesondere die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in
Verbindung mit der Gemeindehaushaltsverordnung Baden-Württemberg sowie diese Grundsätze. Soweit die einschlägigen Vorschriften nichts anderes bestimmen, besteht auf die Förderung nach diesen Grundsätzen kein Rechtsanspruch. Es handelt sich um Freiwilligkeitsleistungen der Stadt Karlsruhe. Über die Bewilligung des Antrags entscheidet der Hauptausschuss.
Die Zuschüsse der Stadt Karlsruhe stehen unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der
veranschlagten Haushaltsmittel. Rechtsansprüche auf finanzielle oder sonstige Förderungsmaßnahmen werden durch diese Grundsätze sowie durch die Veranschlagung der Mittel im Haushaltsplan nicht begründet. Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe kann im Rahmen der Haushaltsplanung und unterjährig gemäß der Gemeindehaushaltsverordnung des Landes Baden-Württemberg sowie nach der Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung der Stadt Karlsruhe haushaltswirtschaftliche Sperren beschließen, wovon auch Zuschüsse im Rahmen dieser Grundsätze betroffen sein können.
1.3 Antragstellende sind verpflichtet, eine angemessene Eigenleistung zu erbringen. Mögliche
Zuschüsse anderer Stellen (z.B. Europäische Union, Bund, Länder, Landkreise, Umlandgemeinden, Verbände etc.), sind gegenüber einem Zuschuss der Stadt Karlsruhe grundsätzlich vorrangig in Anspruch zu nehmen.
1.4 Zum Grunderwerb (Bodenwertanteil) wird kein Zuschuss gewährt.
1.5 Zuschüsse der Stadt sind wirtschaftlich und zweckentsprechend zu verwenden.
Grundsätze für die Förderung von Bürgerzentren in Stadtteilen gültig ab 1. Januar 2019
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2. Antragsberechtigte
2.1 Träger und somit Antragsberechtigter eines Bürgerzentrums muss eine juristische Person, zum
Beispiel ein Bürgerverein, ein Trägerverein, eine Institution oder ein Zusammenschluss von freien Trägern und Vereinen sein.
Grundvoraussetzungen sind zum einen die Initiative und die Mitarbeit der Stadtteilbevölkerung
und zum anderen, dass der Träger insbesondere die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt, die Gewähr für eine zweckentsprechende wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet, gemeinnützige Ziele gemäß Abgabenordnung § 52 Abs. 2 verfolgt, grundsätzlich eine angemessene Eigenleistung erbringt und die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet. Der Träger muss die Gewähr für eine Kontinuität und Solidität der Arbeit bieten.
2.2 Von den Antragstellenden wird vorausgesetzt, dass eine ordnungsgemäße Geschäftsführung
und eine in fachlicher, organisatorischer und finanzieller Hinsicht ordnungsgemäße und wirtschaftliche Durchführung des Betriebs des Bürgerzentrums gewährleistet ist. Die Antragstellenden müssen in der Lage sein, die Verwendung der Mittel ordnungsgemäß nachzuweisen.
3. Antragstellung
3.1 Förderanträge sind schriftlich bei der Stadt Karlsruhe einzureichen. Die Förderung beginnt ab
Genehmigungszeitpunkt. Eine rückwirkende Förderung ist grundsätzlich nicht möglich.
Förderanträge müssen ein tragfähiges Nutzungskonzept beinhalten. Dieses ist im Stadtteil mit
wichtigen Akteuren der Stadtteilgesellschaft inklusive Bürgerverein bzw. Ortsverwaltung abzustimmen. Ebenso muss der Antragstellung eine frühzeitige Abstimmung mit der Stadtverwaltung vorausgehen, um vorhandene Ressourcen und Bedarfe im Stadtteil prüfen zu können.
Ein Bürgerzentrum kann ein individuelles Profil und eigene Schwerpunkte entwickeln, muss
jedoch grundlegende Kriterien erfüllen, um eine städtische Förderung zu erhalten. Diese sind:
1) Als Stätte der Begegnung soll in einem Bürgerzentrum das bürgerschaftliche Engagement
gefördert werden. Hierbei kann auf die Angebote der Stadt Karlsruhe zur Förderung und Ausübung bürgerschaftlichen Engagements (z. B. Fortbildungsangebote, Online- Freiwilligenbörse, Lesepatenschaften etc.) zurückgegriffen werden.
2) In einem Bürgerzentrum sollen ferner die sozialen Anliegen der Bevölkerung koordiniert
und unterstützt werden. Hierfür sind Angebote zur Förderung der Integration sowie Angebote zur Förderung des Miteinanders (Alt und Jung, Familien und Senioren, verschiedene Herkunftsländer) aufzulegen. Darüber hinaus sollen Initiativen, Vereine, Organisationen, Hilfsangebote und Bürgerinnen und Bürger vernetzt werden.
3.2 Nutzungskonzept
3.2.1 Folgende Punkte müssen im Nutzungskonzept enthalten sein:
- Die verlässliche Trägerschaft für das Bürgerzentrum durch eine juristische Person, zum
Beispiel einen neu gegründeten Verein, den Bürgerverein oder eine andere Träger- konstruktion.
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- Angebote für unterschiedliche Alters- und Zielgruppen.
- Die Erfüllung von mindestens einem der nachfolgenden drei Kriterien:
Kooperationen mit sozialen oder kulturellen Einrichtungen, Kooperationen mit Gewerbetreibenden,
Offener Treff für alle, offen für neue Initiativen, Projekte, Zielgruppen.
- Ein Belegungsplan mit geplanten Nutzungen für die ersten Monate (mindestens zwei bis fünf regelmäßige Termine pro Woche für die Anfangsphase). Ab dem zweiten Jahr ist eine angemessene Auslastung der Räumlichkeiten Voraussetzung für die weitere Zuschussgewährung.
- Eine Kalkulation der Miet- und Mietnebenkosten gemäß § 2 Betriebskostenverordnung sowie der Reinigungskosten für die anzumietenden bzw. genutzten Räumlichkeiten.
- Konditionen für die Untervermietung der Räume (wenn Untervermietung vorgesehen ist).
- Prüfung von Lage, Zugänglichkeit, ÖPNV-Anbindung, Stellplatzsituation.
3.2.2 Bei Räumen, die angemietet werden und nicht bereits im Besitz des Trägers sind, sind ein
entsprechender Mietvertrag sowie ein Grundriss des Gebäudes bzw. der Räume vorzulegen. Eine etwaige Mietvertragsänderung ist anzuzeigen.
Bei Räumen, die sich im Eigentum des Trägers befinden, sind ein Gebäudegrundriss sowie die
geplante Nutzungsdauer der entsprechenden Räumlichkeiten vorzulegen.
Bei den Mietkosten wird maximal ein Quadratmeterpreis für die Kaltmiete übernommen, der
die zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Stadt Karlsruhe übliche Mietkostenobergrenze nicht überschreitet. Hierbei wird zwischen neuen und gebrauchten Immobilien unterschieden. Die Reinigungskosten werden auf der Basis des bei der Stadt üblichen Kostenschlüssels berechnet. Für die Berechnung des Zuschusses für die Mietnebenkosten gemäß § 2 Betriebskostenverordnung ist die aktuelle Nebenkostenabrechnung vorzulegen.
Der Mietkostenzuschuss beinhaltet folgende Punkte nicht:
Zuschüsse für Investitionen, Zuschüsse für Instandhaltungskosten.
3.3 Kosten für die Erstausstattung eines neuen Bürgerzentrums beziehungsweise bei Umzug in
neue Räumlichkeiten können auf gesonderten Antrag mit einem Betrag von maximal 10.000 Euro je Bürgerzentrum bezuschusst werden, wenn die Anschaffungen für den Betrieb eines Bürgerzentrums notwendig und die Kosten angemessen sind. Notwendige Anschaffungen können insbesondere Möblierung (z.B. Tische, Stühle, Schranksysteme) und Präsentations- und Moderationstechnik (z.B. Pinnwand, Flipchart, Beamer, Leinwand) sein. Das Zuschussverfahren für die Erstausstattung ist unter Ziffer 7 gesondert dargestellt.
3.4 Eigenmittel und Zuschüsse anderer Stellen sind detailliert aufzulisten.
3.5 Größere Investitionsvorhaben und die Finanzierung der daraus entstehenden Folgekosten sind
anzuzeigen.
3.6 Projekte mit anderen Zuschussgebern sind der Stadtverwaltung vor Beginn der Maßnahme zur
Kenntnis zu geben.
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4. Prüfung der Anträge, Entscheidung
4.1 Die Stadt Karlsruhe behält sich eine Überprüfung der Antragsangaben vor; dabei haben die
Antragstellenden mitzuwirken.
4.2 Die Prüfung ist nach dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit vorzunehmen und
umfasst insbesondere folgende Gesichtspunkte: a) ob das zu fördernde Bürgerzentrum den Vorgaben gemäß den Ziffern 1.1 und 1.3
dieser Richtlinie entspricht; b) ob das zu fördernde Bürgerzentrum den inhaltlichen Kriterien gemäß den Ziffern 3.1 bis 3.6 entspricht; c) dass sämtliche andere Zuschussquellen vorrangig in Anspruch genommen sind; d) dass Eigenmittel und Eigenleistungen in angemessener Höhe nachgewiesen werden; e) dass bei größeren Investitionsvorhaben die Finanzierung des Vorhabens und die Finanzierung von Folgekosten gesichert ist.
4.3 Sind Förderanträge für dieselben Aktivitäten oder Projekte auch bei anderen Stellen gestellt worden, behält sich die Stadt eine Kontaktaufnahme mit diesen Stellen vor.
4.4 Über einen Förderantrag ist auf Grundlage der im Haushaltsplan der Stadt Karlsruhe zur
Verfügung stehenden Mittel zu entscheiden. Über die Bewilligung des Antrags entscheidet der Hauptausschuss.
5. Zur Förderung im Einzelnen
5.1 Über die Förderung ergeht ein schriftlicher Bescheid, der von den Zuschussnehmenden
anzuerkennen ist.
Dabei legt die Stadt insbesondere die Zweckbestimmung der Zuschüsse sowie die Art der
Förderung und der Finanzierung fest und teilt dies den Antragstellenden mit. Darüber hinaus können im Bewilligungsbescheid sonstige Bedingungen festgelegt und Pflichten (z.B. Mitteilungspflichten) auferlegt werden. Mit der Annahme des Zuschusses werden diese, soweit nichts anderes bestimmt wird, vom Zuschussnehmenden akzeptiert.
5.2 Förderungsart
Es wird in der Regel die Förderung der Mietkosten sowie der Mietnebenkosten inkl. Reinigung
gewährt. Die gewährten Zuschüsse begründen keinen Anspruch auf eine dauerhafte, künftige Förderung. Die Dauer der Förderung ist grundsätzlich auf das jeweilige Haushaltsjahr beschränkt.
5.3 Finanzierungsart
Es erfolgt in der Regel eine Fehlbedarfsfinanzierung. Der Zuschuss wird dabei bis zu einer
festgesetzten Bewilligungshöhe zur Deckung eines Fehlbedarfs gewährt, der insoweit verbleibt, als der Zuschussnehmende die zuschussfähigen Ausgaben nicht durch eigene oder fremde Mittel decken kann. Der Zuschuss ist gegenüber Finanzierungsmitteln, die der Zuschussnehmende von anderen Stellen erhalten kann, subsidiär.
6. Bewilligungsbedingungen
6.1 Die Zuschussmittel sind wirtschaftlich und sparsam zu verwenden.
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6.2 Verwendungsnachweis
6.2.1 Entsprechend den Hinweisen im Zuschussbescheid ist über die Verwendung des Zuschusses
Rechnung zu legen und ein Verwendungsnachweis zu erbringen. Der Verwendungsnachweis besteht aus einem sachlichen Bericht und einem zahlenmäßigen Nachweis. Darüber hinaus sind - wie bei der Antragstellung - die Vorgaben gemäß Ziffer 3.1 sowie Ziffer 3.6 dieser Grundsätze darzustellen.
6.2.2 Die Zuschussnehmenden sind grundsätzlich verpflichtet, den Verwendungsnachweis bis zum 1.
März des auf den Zuschusszeitraum folgenden Jahres der Stadt Karlsruhe vorzulegen. Kann ein vollständiger Verwendungsnachweis innerhalb dieser Frist nicht vorgelegt werden, ist auf begründeten Antrag eine Fristverlängerung möglich.
6.2.3 Die Stadt ist berechtigt, die Verwendung der Zuschüsse oder Einnahmen durch eventuelle
Untervermietungen (siehe Ziffer 6.3.2) durch Einsicht in die Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen sowie durch örtliche Erhebungen selbst zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Die Zuschussnehmenden sind verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Unterlagen bereitzuhalten. Sind Zuschüsse auch von staatlichen oder anderen kommunalen Stellen bewilligt worden, wird die Stadt in der Regel nur in Absprache mit diesen Stellen von ihrem Prüfungsrecht Gebrauch machen.
6.2.4 Wird der Verwendungsnachweis nicht ordnungsgemäß geführt oder nicht rechtzeitig
vorgelegt, kann die Stadt Karlsruhe die Bewilligung des Zuschusses nach pflichtgemäßem Ermessen widerrufen, bereits ausgezahlte Beträge zurückfordern sowie die weitere Verwendung ausgezahlter Mittel untersagen und von der Auszahlung neuer Mittel absehen.
6.3 Zuschussbedingungen
6.3.1 Zweckgebundene Spenden, die in Rücklagen eingestellt werden, bleiben bei der
Überschussberechnung zunächst unberücksichtigt und sind entsprechend als solche dem Amt für Stadtentwicklung schriftlich anzuzeigen. Ist diese Rücklage nach drei Jahren nicht aufgebraucht, wird sie bei künftigen Zuschussgewährungen angerechnet.
6.3.2 Etwaige Einnahmen (z. B. durch Untervermietung der Räumlichkeiten, Teilnahmegebühren,
Eintrittsgelder) sind im Sinne des Bürgerzentrums zu verwenden. Sie können entweder für Aktivitäten des Bürgerzentrums eingesetzt werden oder zur Bildung einer Betriebsmittelrücklage verwendet werden. Diese ist bis zu einer Höhe von bis zu 6/12 des jährlichen städtischen Zuschusses förderunschädlich. Darüber hinausgehende Betriebsmittelrücklagen müssen grundsätzlich vorrangig zur Finanzierung der Mietkosten eingesetzt werden. Bei Untervermietung der Räume sind die Konditionen hierfür vorher mit dem Amt für Stadtentwicklung abzustimmen und in einer Entgeltordnung festzulegen.
6.4 Werden Zuschüsse nicht zweckentsprechend verwendet, sind sie in voller Höhe
zurückzuerstatten. In diesem Fall kann die Bewilligung widerrufen und der Zuschuss unverzüglich zurückgefordert werden. Dasselbe gilt, wenn die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzt sind oder sich Voraussetzungen für den Zuschuss geändert haben.
6.5 Die Zuschussnehmenden sind verpflichtet, Änderungen in der Zweckbestimmung geförderter
Einrichtungen unverzüglich der Stadt Karlsruhe mitzuteilen.
6.6 Die Zuschussnehmenden sind verpflichtet, die von der Stadt geförderten Einrichtungen auch der Stadt Karlsruhe im Rahmen der Zweckbestimmung der Einrichtung unentgeltlich zur
Verfügung zu stellen, wenn dafür ein Bedarf besteht.
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6.7 Der Zuschuss wird grundsätzlich monatlich überwiesen, frühestens jedoch nach Bestandskraft
des städtischen Förderbescheides.
6.8 Die Zuschussnehmenden sind verpflichtet, in geeigneter Weise auf ihrer Homepage und in
ihren Veröffentlichungen auf das Bürgerzentrum und dessen Nutzungsmöglichkeiten hinzuweisen. Dies beinhaltet den Hinweis, dass das Bürgerzentrum mit Mitteln der Stadt Karlsruhe gefördert wird. Hierbei ist der Zusatz: "Unterstützt durch die Stadt Karlsruhe“ und das städtische Logo zu verwenden. Die Stadt stellt das Logo zur zweckgebundenen Verwendung zur Verfügung. Ferner sollte der aktuelle Belegungsplan auf der Homepage angegeben sein.
7. Zuschussverfahren für Erstausstattung
7.1. Antragstellung
7.1.1 Der Antrag auf Erstausstattung ist schriftlich und gesondert bei der Stadt Karlsruhe zu
stellen. Die Antragsstellung ist unterjährig möglich.
7.1.2 Mit der Antragsstellung ist eine Kostenaufstellung mit Angeboten für die notwendigen
Anschaffungen zur Erstausstattung einzureichen. Insbesondere sind bei Lieferungen und Leistungen die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.
Das heißt, dass die Kostenaufstellung folgende Vorgaben zwingend beinhalten muss:
- Bei geplanten Lieferungen und Leistungen mit einem Gesamtauftragswert von bis 1.000 Euro netto sind eine formlose, z.B. telefonische, Preisermittlung bei mindestens drei Anbietern und eine entsprechende schriftliche Dokumentation erforderlich.
- Bei geplanten Lieferungen und Leistungen mit einem Gesamtauftragswert ab
1.000 Euro netto ist eine schriftliche Einholung von Angeboten bei mindestens drei Anbietern zur Preisermittlung erforderlich.
Es ist grundsätzlich das günstigste Angebot zu wählen. Geplante Abweichungen von diesem
Grundsatz sind bei der Antragstellung schriftlich zu begründen.
7.2 Prüfung des Antrags, Entscheidung
7.2.1 Der Entscheid zur Zuschussbewilligung für Erstausstattung erfolgt nach individueller
Einzelfallprüfung. Die Zuwendung wird zweckgebunden bewilligt. Erfolgt die Anschaffung vor dem Erhalt des Bewilligungsbescheids, wird kein Zuschuss gewährt.
7.2.2 Die Anschaffungen für die Erstausstattung müssen für den Betrieb eines Bürgerzentrums
notwendig und die Höhe der Kosten angemessen sein. Die Zuschussmittel sind wirtschaftlich und sparsam zu verwenden.
7.2.3 Eine nachträgliche Erhöhung der Zuwendungen ist ausgeschlossen. Reduzieren sich die
nachgewiesenen Kosten gegenüber der Bewilligung, verringert sich der Zuschuss entsprechend.
7.3 Zuschussbedingungen
7.3.1 Die bewilligten Fördermittel sind noch innerhalb des Kalenderjahres der Antragstellung
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auszugeben.
7.3.2 Für die Auszahlung der bewilligten Fördermittel sind bei der Stadt Karlsruhe, Amt für
Stadtentwicklung, Zähringerstraße 61, 76133 Karlsruhe, die Originalrechnungen vorzulegen. Auf Verlangen sind weitere Unterlagen vorzulegen.
7.3.3 Die Stadt ist berechtigt, die Verwendung des Zuschusses für Erstausstattung durch Einsicht
in die Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen sowie durch örtliche Erhebungen selbst zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Die Zuschussnehmenden sind verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Unterlagen bereitzuhalten.
7.3.4 Die Mittel für Zuschüsse für eine Erstausstattung werden aus dem vorhandenen
Transferkostenbudget bereitgestellt. Zuschüsse für Mietkosten sind vorrangig zu gewähren.
7.3.5 Werden Zuschüsse nicht zweckentsprechend verwendet, sind sie in voller Höhe
zurückzuerstatten. In diesem Fall kann die Bewilligung widerrufen und der Zuschuss unverzüglich zurückgefordert werden. Dasselbe gilt, wenn die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzt sind oder sich Voraussetzungen für den Zuschuss geändert haben.
7.3.6 Ansonsten gelten die Ziffern 1., 2., 3.1, 3.2.1 und 5.1 entsprechend.
8. Inkrafttreten
8.1 Die vorstehenden Grundsätze gelten ab 01.01.2019. Gleichzeitig treten die bisherigen
Verfahrensweisen außer Kraft.
https://www.karlsruhe.de/b4/buergerengagement/buergerzentren/foerderung/HF_sections/content/ZZmthAThMLRswD/ZZmthB5elBLSZM/20190101_Grunds%C3%A4tze%20BZ_NEU.pdf
Förderrichtlinien 2019.indd
Grundsätze für die Förderung von Bürgerzentren in Stadtteilen gültig ab 1. Januar 2019
Förderrichtlinien 2019
Stadt Karlsruhe Amt für Stadtentwicklung | Büro für Mitwirklung und Engagement
2 | Förderrichtlinien 2019
Impressum
Stadt Karlsruhe Amt für Stadtentwicklung Zähringerstraße 61 76133 Karlsruhe
Leiterin: Dr. Edith Wiegelmann-Uhlig
Bereich: Büro für Mitwirkung und Engagement Christian Fulda
Bearbeitung: Fabienne Deck
Layout: Stefanie Groß
Telefon: 0721 133-1270 Fax: 0721 133-1279 E-Mail: bme@afsta.karlsruhe.de Internet: www.karlsruhe.de/bme
Stand: August 2019
©Stadt Karlsruhe Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Herausgebers ist es nicht gestattet, diese Veröffentlichung oder Teile daraus zu vervielfältigen oder in elektronischen Systemen anzubieten.
Amt für Stadtentwicklung | Büro für Mitwirklung und Engagement | 3
Inhalt
Seite
1. Allgemeines 4
2. Antragsberechtigte 4
3. Antragstellung 5
4. Prüfung der Anträge, Entscheidung 6
5. Förderung im Einzelnen 7
6. Bewilligungsbedingungen 7
7. Zuschussverfahren für Erstausstattung 8
8. Inkrafttreten 9
4 | Förderrichtlinien 2019
1. Allgemeines
1.1 Die Stadt Karlsruhe fördert im Rahmen der im Haushalts- plan zur Verfügung stehenden Mittel Bürgerzentren in den Stadtteilen mit Mietkostenzuschüssen und mit Zuschüssenfür die Erstausstattung.
Bürgerzentren sind Begegnungsstätten, in denen sich Menschen jeden Alters und jeder sozialen, ethnischen und konfessionellen Herkunft begegnen, engagieren und entwickeln können. Bürgerzentren sollen die Identifi kation mit dem Stadtteil stärken und bürgerschaftliches Engagement fördern und entwickeln. Das Angebots spektrum und die Dienstleistungen des Hauses sollen Teilhabe, Partizipation und Begegnung ermöglichen und kostenlos oder gegen einen geringen Kostenbeitrag zugänglich sein.
Die Bürgerzentren und deren Angebote stehen vorrangig den Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadt Karlsruhe zur Verfügung.
1.2 Für die Förderung gilt insbesondere die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in Verbindung mit der Gemeindehaushaltsverordnung Baden-Württemberg sowie diese Grundsätze. Soweit die einschlägigen Vorschriften nichts anderes bestimmen, besteht auf die Förderung nach diesen Grundsätzen kein Rechtsanspruch. Es handelt sich um Freiwilligkeits- leistungen der Stadt Karlsruhe. Über die Bewilligung des Antrags entscheidet der Hauptausschuss.
Die Zuschüsse der Stadt Karlsruhe stehen unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der veranschlagten Haushaltsmittel. Rechtsansprüche auf fi nanzielle oder sonstige Förderungsmaßnahmen werden durch diese Grundsätze sowie durch die Veranschlagung der Mittel im Haushaltsplan nicht begründet. Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe kann im Rahmen der Haushalts- planung und unterjährig gemäß der Gemeindehaushalts- verordnung des Landes Baden-Württemberg sowie nach der Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung der Stadt Karlsruhe haushaltswirtschaftliche Sperren beschließen, wovon auch Zuschüsse im Rahmen dieser Grundsätze betroffen sein können.
1.3 Antragstellende sind verpfl ichtet, eine angemessene Eigenleistung zu erbringen. Mögliche Zuschüsse anderer Stellen (zum Beispiel. Europäische Union, Bund, Länder, Landkreise, Umlandgemeinden, Verbände und weitere), sind gegenüber einem Zuschuss der Stadt Karlsruhe grundsätzlich vorrangig in Anspruch zu nehmen.
1.4 Zum Grunderwerb (Bodenwertanteil) wird kein Zuschuss gewährt.
1.5 Zuschüsse der Stadt sind wirtschaftlich und zweckentsprechend zu verwenden.
2. Antragsberechtigte
2.1 Träger und somit Antragsberechtigter eines Bürger- zentrums muss eine juristische Person, zum Beispiel ein Bürgerverein, ein Trägerverein, eine Institution oder ein Zusammenschluss von freien Trägern und Vereinen sein.
Grundvoraussetzungen sind zum einen die Initiative und die Mitarbeit der Stadtteilbevölkerung und zum anderen, dass der Träger insbesondere die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt, die Gewähr für eine zweckentsprechende wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet, gemeinnützige Ziele gemäß Abgabenordnung § 52 Abs. 2 verfolgt, grundsätzlich eine angemessene Eigenleistung erbringt und die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet. Der Träger muss die Gewähr für eine Kontinuität und Solidität der Arbeit bieten.
2.2 Von den Antragstellenden wird vorausgesetzt, dass eine ordnungsgemäße Geschäftsführung und eine in fachlicher, organisatorischer und fi nanzieller Hinsicht ordnungs gemäße und wirtschaftliche Durchführung des Betriebs des Bürgerzentrums gewährleistet ist. Die Antragstellenden müssen in der Lage sein, die Verwendung der Mittel ordnungsgemäß nachzuweisen.
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3. Antragstellung
3.1 Förderanträge sind schriftlich bei der Stadt Karlsruhe einzureichen. Die Förderung beginnt ab Genehmigungszeitpunkt. Eine rückwirkende Förderung ist grundsätzlich nicht möglich.
Förderanträge müssen ein tragfähiges Nutzungskonzept beinhalten. Dieses ist im Stadtteil mit wichtigen Akteuren der Stadtteilgesellschaft inklusive Bürgerverein beziehungsweise Ortsverwaltung abzustimmen. Ebenso muss der Antragstellung eine frühzeitige Abstimmung mit der Stadtverwaltung vorausgehen, um vorhandene Ressourcen und Bedarfe im Stadtteil prüfen zu können.
Ein Bürgerzentrum kann ein individuelles Profi l und eigene Schwerpunkte entwickeln, muss jedoch
grundlegende Kriterien erfüllen, um eine städtische Förderung zu erhalten. Diese sind:
1) Als Stätte der Begegnung soll in einem Bürger- zentrum das bürgerschaftliche Engagement gefördert werden. Hierbei kann auf die Angebote der Stadt Karlsruhe zur Förderung und Ausübung bürgerschaftlichen Engagements (zum Beispiel Fortbildungsangebote, Online-Freiwilligenbörse, Lesepatenschaften und weitere) zurückgegriffen werden.
2) In einem Bürgerzentrum sollen ferner die sozialen Anliegen der Bevölkerung koordiniert und unterstützt werden. Hierfür sind Angebote zur Förderung der Integration sowie Angebote zur Förderung des Miteinanders (Alt und Jung, Familien und Senioren, verschiedene Herkunftsländer) aufzulegen. Darüber hinaus sollen Initiativen, Vereine, Organisationen, Hilfsangebote und Bürgerinnen und Bürger vernetzt werden.
3.2 Nutzungskonzept
3.2.1 Folgende Punkte müssen im Nutzungskonzept enthalten sein:
Die verlässliche Trägerschaft für das Bürgerzentrum durch eine juristische Person, zum Beispiel einen neu gegründeten Verein, den Bürgerverein oder eine andere Trägerkonstruktion.
Angebote für unterschiedliche Alters- und Zielgruppen.
Die Erfüllung von mindestens einem der nachfolgenden drei Kriterien:
Kooperationen mit sozialen oder kulturellen Einrichtungen,
Kooperationen mit Gewerbetreibenden,
Offener Treff für alle, offen für neue Initiativen, Projekte, Zielgruppen.
Ein Belegungsplan mit geplanten Nutzungen für die ersten Monate (mindestens zwei bis fünf regelmäßige Termine pro Woche für die Anfangsphase). Ab dem zweiten Jahr ist eine angemessene Auslastung der Räumlichkeiten Voraussetzung für die weitere Zuschussgewährung.
Eine Kalkulation der Miet- und Mietnebenkosten gemäß § 2 Betriebskostenverordnung sowie der Reinigungskosten für die anzumietenden bzw. genutzten Räumlichkeiten.
Konditionen für die Untervermietung der Räume (wenn Untervermietung vorgesehen ist).
Prüfung von Lage, Zugänglichkeit, ÖPNV- Anbindung, Stellplatzsituation.
3.2.2 Bei Räumen, die angemietet werden und nicht bereits im Besitz des Trägers sind, sind ein entsprechender Mietvertrag sowie ein Grundriss des Gebäudes beziehungsweise der Räume vorzulegen. Eine etwaige Mietvertragsänderung ist anzuzeigen.
Bei Räumen, die sich im Eigentum des Trägers befi nden, sind ein Gebäudegrundriss sowie die geplante Nutzungsdauer der entsprechenden Räumlichkeiten vorzulegen.
Bei den Mietkosten wird maximal ein Quadrat- meterpreis für die Kaltmiete übernommen, der die zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Stadt Karlsruhe übliche Mietkostenobergrenze nicht überschreitet. Hierbei wird zwischen neuen und gebrauchten Immobilien unterschieden. Die Reinigungskosten werden auf der Basis des bei der Stadt üblichen Kostenschlüssels berechnet. Für die Berechnung des Zuschusses für die Mietneben- kosten gemäß § 2 Betriebskostenverordnung ist die aktuelle Nebenkostenabrechnung vorzulegen.
6 | Förderrichtlinien 2019
Der Mietkostenzuschuss beinhaltet folgende Punkte nicht:
Zuschüsse für Investitionen,
Zuschüsse für Instandhaltungskosten.
3.3 Kosten für die Erstausstattung eines neuen Bürgerzentrums beziehungsweise bei Umzug in neue Räumlichkeiten können auf gesonderten Antrag mit einem Betrag von maximal 10.000 Euro je Bürgerzentrum bezuschusst werden, wenn die Anschaffungen für den Betrieb eines Bürgerzentrums notwendig und die Kosten angemessen sind. Notwendige Anschaffungen können insbesondere Möblierung (zum Beispiel Tische, Stühle, Schranksysteme) und Präsentations- und Moderationstechnik (zum Beispiel Pinnwand, Flipchart, Beamer, Leinwand) sein. Das Zuschussverfahren für die Erstausstattung ist unter Ziffer 7 gesondert dargestellt.
3.4 Eigenmittel und Zuschüsse anderer Stellen sind detailliert aufzulisten.
3.5 Größere Investitionsvorhaben und die Finanzierung der daraus entstehenden Folgekosten sind anzuzeigen.
3.6 Projekte mit anderen Zuschussgebern sind der Stadtverwaltung vor Beginn der Maßnahme zur Kenntnis zu geben.
4. Prüfung der Anträge, Entscheidung
4.1 Die Stadt Karlsruhe behält sich eine Überprüfung der Antragsangaben vor; dabei haben die Antragstellenden mitzuwirken.
4.2 Die Prüfung ist nach dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit vorzunehmen und umfasst insbesondere folgende Gesichtspunkte:
a) ob das zu fördernde Bürgerzentrum den Vorgaben gemäß den Ziffern 1.1 und 1.3 dieser Richtlinie entspricht;
b) ob das zu fördernde Bürgerzentrum den inhaltlichen Kriterien gemäß den Ziffern 3.1 bis 3.6 entspricht;
c) dass sämtliche andere Zuschussquellen vorrangig in Anspruch genommen sind;
d) dass Eigenmittel und Eigenleistungen in angemessener Höhe nachgewiesen werden;
e) dass bei größeren Investitionsvorhaben die Finanzierung des Vorhabens und die Finanzierung von Folgekosten gesichert ist.
4.3 Sind Förderanträge für dieselben Aktivitäten oder Projekte auch bei anderen Stellen gestellt worden, behält sich die Stadt eine Kontaktaufnahme mit diesen Stellen vor.
4.4 Über einen Förderantrag ist auf Grundlage der im Haushaltsplan der Stadt Karlsruhe zur Verfügung stehenden Mittel zu entscheiden. Über die Bewilligung des Antrags entscheidet der Hauptausschuss.
Amt für Stadtentwicklung | Büro für Mitwirklung und Engagement | 7
5. Förderung im Einzelnen
5.1 Über die Förderung ergeht ein schriftlicher Bescheid, der von den Zuschussnehmenden anzuerkennen ist.
Dabei legt die Stadt insbesondere die Zweckbestimmung der Zuschüsse sowie die Art der Förderung und der Finanzierung fest und teilt dies den Antragstellenden mit. Darüber hinaus können im Bewilligungsbescheid sonstige Bedingungen festgelegt und Pfl ichten (zum Beispiel Mitteilungspfl ichten) auferlegt werden. Mit der Annahme des Zuschusses werden diese, soweit nichts anderes bestimmt wird, vom Zuschussnehmenden akzeptiert.
5.2 Förderungsart
Es wird in der Regel die Förderung der Mietkosten sowie der Mietnebenkosten inkl. Reinigung gewährt. Die gewährten Zuschüsse begründen keinen Anspruch auf eine dauerhafte, künftige Förderung. Die Dauer der Förderung ist grundsätzlich auf das jeweilige Haushaltsjahr beschränkt.
5.3 Finanzierungsart
Es erfolgt in der Regel eine Fehlbedarfsfi nanzierung. Der Zuschuss wird dabei bis zu einer festgesetzten Bewilligungshöhe zur Deckung eines Fehlbedarfs gewährt, der insoweit verbleibt, als der Zuschuss- nehmende die zuschussfähigen Ausgaben nicht durch eigene oder fremde Mittel decken kann. Der Zuschuss ist gegenüber Finanzierungsmitteln, die der Zuschuss- nehmende von anderen Stellen erhalten kann, subsidiär.
6. Bewilligungsbedingungen
6.1 Die Zuschussmittel sind wirtschaftlich und sparsam zu verwenden.
6.2 Verwendungsnachweis
6.2.1 Entsprechend den Hinweisen im Zuschussbescheid ist über die Verwendung des Zuschusses Rechnung zu legen und ein Verwendungsnachweis zu erbringen. Der Verwendungsnachweis besteht aus einem sachlichen Bericht und einem zahlen- mäßigen Nachweis. Darüber hinaus sind – wie bei der Antragstellung – die Vorgaben gemäß Ziffer 3.1 sowie Ziffer 3.6 dieser Grundsätze darzustellen.
6.2.2 Die Zuschussnehmenden sind grundsätzlich verpfl ichtet, den Verwendungsnachweis bis zum 1. März des auf den Zuschusszeitraum folgenden Jahres der Stadt Karlsruhe vorzulegen. Kann ein vollständiger Verwendungsnachweis innerhalb dieser Frist nicht vorgelegt werden, ist auf begrün- deten Antrag eine Fristverlängerung möglich.
6.2.3 Die Stadt ist berechtigt, die Verwendung der Zuschüsse oder Einnahmen durch eventuelle Untervermietungen (siehe Ziffer 6.3.2) durch Einsicht in die Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen sowie durch örtliche Erhebungen selbst zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Die Zuschuss- nehmenden sind verpfl ichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Unterlagen bereitzuhalten. Sind Zuschüsse auch von staatlichen oder anderen kommunalen Stellen bewilligt worden, wird die Stadt in der Regel nur in Absprache mit diesen Stellen von ihrem Prüfungsrecht Gebrauch machen.
6.2.4 Wird der Verwendungsnachweis nicht ordnungsgemäß geführt oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann die Stadt Karlsruhe die Bewilligung des Zuschusses nach pfl ichtgemäßem Ermessen widerrufen, bereits ausgezahlte Beträge zurückfordern sowie die weitere Verwendung ausgezahlter Mittel untersagen und von der Auszahlung neuer Mittel absehen.
8 | Förderrichtlinien 2019
6.3 Zuschussbedingungen
6.3.1 Zweckgebundene Spenden, die in Rücklagen eingestellt werden, bleiben bei der Überschuss- berechnung zunächst unberücksichtigt und sind entsprechend als solche dem Amt für Stadtent- wicklung schriftlich anzuzeigen. Ist diese Rücklage nach drei Jahren nicht aufgebraucht, wird sie bei künftigen Zuschussgewährungen angerechnet.
6.3.2 Etwaige Einnahmen (zum Beispiel durch Untervermietung der Räumlichkeiten, Teilnahmegebühren, Eintrittsgelder) sind im Sinne des Bürgerzentrums zu verwenden. Sie können entweder für Aktivitäten des Bürgerzentrums eingesetzt werden oder zur Bildung einer Betriebsmittelrücklage verwendet werden. Diese ist bis zu einer Höhe von bis zu 6/12 des jährlichen tädtischen Zuschusses förderunschädlich. Darüber hinausgehende Betriebsmittelrücklagen müssen grundsätzlich vorrangig zur Finanzierung der Mietkosten eingesetzt werden. Bei Unter- vermietung der Räume sind die Konditionen hierfür vorher mit dem Amt für Stadtentwicklung abzustimmen und in einer Entgeltordnung festzulegen.
6.4 Werden Zuschüsse nicht zweckentsprechend verwendet, sind sie in voller Höhe zurückzuerstatten. In diesem Fall kann die Bewilligung widerrufen und der Zuschuss unverzüglich zurückgefordert werden. Dasselbe gilt, wenn die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzt sind oder sich Voraussetzungen für den Zuschuss geändert haben.
6.5 Die Zuschussnehmenden sind verpfl ichtet, Änderungen in der Zweckbestimmung geförderter Einrichtungen unverzüglich der Stadt Karlsruhe mitzuteilen.
6.6 Die Zuschussnehmenden sind verpfl ichtet, die von der Stadt geförderten Einrichtungen auch der Stadt Karlsruhe im Rahmen der Zweckbestimmung der Einrichtung unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn dafür ein Bedarf besteht.
6.7 Der Zuschuss wird grundsätzlich monatlich überwiesen, frühestens jedoch nach Bestandskraft des städtischen Förderbescheides.
6.8 Die Zuschussnehmenden sind verpfl ichtet, in geeigneter Weise auf ihrer Homepage und in ihren Veröffentlichungen auf das Bürgerzentrum und dessen Nutzungsmöglichkeiten hinzuweisen. Dies beinhaltet den Hinweis, dass das Bürgerzentrum mit Mitteln der Stadt Karlsruhe gefördert wird. Hierbei ist der Zusatz: „Unterstützt durch die Stadt Karlsruhe“ und das städtische Logo zu verwenden. Die Stadt stellt das Logo zur zweckgebundenen Verwendung zur Verfügung. Ferner sollte der aktuelle Belegungsplan auf der Homepage angegeben sein.
7. Zuschussverfahren für Erstausstattung
7.1. Antragstellung
7.1.1 Der Antrag auf Erstausstattung ist schriftlich und gesondert bei der Stadt Karlsruhe zu stellen. Die Antragsstellung ist unterjährig möglich.
7.1.2 Mit der Antragsstellung ist eine Kostenaufstellung mit Angeboten für die notwendigen Anschaffungen zur Erstausstattung einzureichen. Insbesondere sind bei Lieferungen und Leistungen die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.
Das heißt, dass die Kostenaufstellung folgende Vorgaben zwingend beinhalten muss:
Bei geplanten Lieferungen und Leistungen mit einem Gesamtauftragswert von bis 1.000 Euro netto sind eine formlose, z.B. telefonische, Preisermittlung bei mindestens drei Anbietern und eine entsprechende schriftliche Dokumentation erforderlich.
Bei geplanten Lieferungen und Leistungen mit einem Gesamtauftragswert ab 1.000 Euro netto ist eine schriftliche Einholung von Angeboten bei mindestens drei Anbietern zur Preisermittlung erforderlich.
Es ist grundsätzlich das günstigste Angebot zu wählen. Geplante Abweichungen von diesem Grundsatz sind bei der Antragstellung schriftlich zu begründen.
7.2 Prüfung des Antrags, Entscheidung
7.2.1 Der Entscheid zur Zuschussbewilligung für Erstausstattung erfolgt nach individueller Einzelfallprüfung. Die Zuwendung wird zweckgebunden bewilligt. Erfolgt die Anschaffung vor dem Erhalt des Bewilligungsbescheids, wird kein Zuschuss gewährt.
7.2.2 Die Anschaffungen für die Erstausstattung müssen für den Betrieb eines Bürgerzentrums notwendig und die Höhe der Kosten angemessen sein. Die Zuschussmittel sind wirtschaftlich und sparsam zu verwenden.
7.2.3 Eine nachträgliche Erhöhung der Zuwendungen ist ausgeschlossen. Reduzieren sich die nachge- wiesenen Kosten gegenüber der Bewilligung, verringert sich der Zuschuss entsprechend.
Amt für Stadtentwicklung | Büro für Mitwirklung und Engagement | 9
7.3 Zuschussbedingungen
7.3.1 Die bewilligten Fördermittel sind noch innerhalb des Kalenderjahres der Antragstellung auszugeben.
7.3.2 Für die Auszahlung der bewilligten Fördermittel sind bei der Stadt Karlsruhe, Amt für Stadtentwicklung, Zähringerstraße 61, 76133 Karlsruhe, die Originalrechnungen vorzulegen. Auf Verlangen sind weitere Unterlagen vorzulegen.
7.3.3 Die Stadt ist berechtigt, die Verwendung des Zuschusses für Erstausstattung durch Einsicht in die Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen sowie durch örtliche Erhebungen selbst zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Die Zuschussnehmenden sind verpfl ichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Unterlagen bereitzuhalten.
7.3.4 Die Mittel für Zuschüsse für eine Erstausstattung werden aus dem vorhandenen Transferkostenbudget bereitgestellt. Zuschüsse für Mietkosten sind vorrangig zu gewähren.
7.3.5 Werden Zuschüsse nicht zweckentsprechend verwendet, sind sie in voller Höhe zurückzuerstatten. In diesem Fall kann die Bewilligung widerrufen und der Zuschuss unverzüglich zurückgefordert werden. Dasselbe gilt, wenn die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzt sind oder sich Voraussetzungen für den Zuschuss geändert haben.
7.3.6 Ansonsten gelten die Ziffern 1., 2., 3.1, 3.2.1 und
5.1 entsprechend.
8. Inkrafttreten
Die vorstehenden Grundsätze gelten ab 1. Januar 2019. Gleichzeitig treten die bisherigen Verfahrensweisen außer Kraft.
https://www.karlsruhe.de/b4/buergerengagement/buergerzentren/foerderung/HF_sections/content/ZZmthAThMLRswD/ZZodyjX8f4j1du/F%C3%B6rderrichtlinien%20_BZ_neues_Layout_2019.pdf
Karlsruhe: Stadtgeschichte
Blick in die Geschichte Nr. 82 vom 20. März 2009
Eine Frage der Mehrheitsverhältnisse
Karlsruher Bürgermeisterwahlen 1961 -
1983
von Manfred Koch
Als "lokalen Bismarck" sehen ihn die einen, als potentiellen
"örtlichen Diktator" machen ihn andere aus und manche halten
seine Stellung für "fast gottähnlich". Die Rede ist von den
durch die Bevölkerung direkt gewählten Bürger- bzw.
Oberbürgermeistern (OB). Tatsächlich stattet die
Gemeindeordnung Baden-Württembergs (GO) den
(Ober-)Bürgermeister als uneingeschränkten Chef der lokalen
Verwaltung, als Mitglied und Vorsitzenden des Gemeinderats
und als ersten Repräsentanten der Stadt mit einer Aufgaben-
und Kompetenzfülle aus, die einen multifunktionalen
Allround-Amtsträger erfordert. Eine vergleichende
Untersuchung über das Machtgefüge in den deutlich
unterschiedenen deutschen Kommunalverfassungen aus dem Jahr
2000 kommt zu einem klaren Ergebnis. Sie ermittelte für
Baden-Württemberg rechnerisch einen Anteil des OB an der
"kommunalen Macht" gegenüber dem Gemeinderat von 83%. Am
nächsten kommt ihm der Kollege in Sachsen mit 79% und am
wenigsten "Machtanteile" hat der niedersächsische OB mit
42%.
Die Komplexität und Fülle der Aufgaben der OB größerer
Städte haben schon die Verfasser der Städteordnungen des 19.
Jahrhunderts dazu veranlasst, für Fachkräfte die Position
besoldeter Stadträte (z. B. Syndikus, Kämmerer, Baurat)
vorzusehen. In der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 fand
die Bezeichnung "Beigeordneter" schließlich Eingang, und so
lautet auch heute noch die offizielle Bezeichnung der
Vertreter des OB. In der Regel machen die Städte von der
Möglichkeit Gebrauch ihnen die Amtsbezeichnung Bürgermeister
(BM) zu verleihen.
Die BM werden vom Gemeinderat für acht Jahre als
hauptamtliche Beamte gewählt. In Gemeinden, deren
Hauptsatzung mehrere Beigeordnete vorsieht, "sollen" diese
gemäß dem Proporz der Fraktionen im Gemeinderat nach deren
Vorschlägen gewählt werden (GO § 50, 2). Parteipolitische
Gesichtspunkte spielen daher bei den BM-Wahlen eine wichtige
Rolle. Vor allem für die Parteien, denen der OB nicht
angehört, ist die Wahl "ihres" Vertreters in die Verwaltung
von Bedeutung. Über ihn können sie frühzeitig Einblicke in
die Projekte und Planungen erhalten und entsprechende
politische Handlungskonzepte entwickeln. Unausweichlich
kommt es deshalb immer wieder zu Auseinandersetzungen im
Gemeinderat über die Besetzung von BM-Stellen.
Die Bürgermeisterwahl 1961
1959 entstanden erstmals heftige kommunalpolitische
Spannungen im Karlsruher Gemeinderat über die Wahl der
BM. Die Hauptsatzung der Stadt sah vier Beigeordnete
vor, gewählt wurden jedoch seit 1948 nur drei. Jede der
Fraktionen SPD, CDU und FDP stellte einen BM. Damit sie
gemäß GO im Bürgermeisteramt angemessen vertreten sei,
forderte die CDU OB Klotz damals auf, ihr das
Vorschlagsrecht für diese vierte Stelle zu überlassen.
Der OB stimmte zu, aber seine Partei, die SPD, wandte sich
schließlich dagegen. Sie wies das CDU-Argument, diese sei
nicht ausreichend im Bürgermeisteramt vertreten zurück.
Die GO spreche nur im Hinblick auf die BM von einer
proportionalen Berücksichtigung der Parteien. Der OB
beziehe seine Legitimation aus der direkten Wahl durch
die Bevölkerung und könne daher nicht mitgerechnet
werden. Angesichts der Verteilung der Ratssitze - SPD 24,
CDU 17, FDP 4 - schienen in der Tat zwei CDU-BM und je
einer der SPD und der FDP nicht angemessen. Das bisher
gute Einvernehmen der Rathausparteien war damit
verloren, in den nächsten beiden Jahren artikulierte die
CDU ihre anhaltende Verärgerung mit Enthaltung bei den
Abstimmungen über den städtischen Haushalt.
Als dann 1961 die Wahl eines Nachfolgers für den FDP-BM
anstand, brachte OB Klotz bei seiner Haushaltsrede den
vierten BM wieder ins Spiel. Da die Mehrheitsverhältnisse
unverändert waren und der von der FDP präsentierte
Nachfolgekandidat in und außerhalb der eigenen Partei
viel Kritik erfahren hatte, stellte die SPD einen eigenen
Kandidaten auf. Gewählt wurde, wie nicht anders zu
erwarten, mit deutlicher Mehrheit der SPD-Kandidat und den
vierten BM-Sitz erhielt ebenfalls mit großer Mehrheit die
CDU. Damit war, wie es ein FDP-Stadtrat formulierte, der
Scherbenhaufen von 1959 auf dem Rücken der FDP gekittet
worden.
Erneute Auseinadersetzungen gab es 1966, als der Erste
Bürgermeister (EBM) neu zu bestimmen war. Bei dieser
Gelegenheit reklamierte die CDU das Vorschlagsrecht für
sich unter Hinweis auf die demokratische
Gepflogenheit, dass die zweitstärkste Fraktion auch den
"zweiten Mann" stelle. Diese "Gepflogenheit" der
Nachkriegszeit hatte die SPD allerdings schon 1953
beendet. Aus Verärgerung darüber, dass die CDU im
OB-Wahlkampf Günther Klotz unterstellt hatte, er würde
von den Kommunisten unterstützt und sei somit ein
Landesverräter, hatte sie einen SPD-BM zum EBM gewählt.
1966 setzte sich die SPD mit ihrer Mehrheit knapp durch
und bestimmte wieder einen Sozialdemokraten zum
EBM.
Die Bürgermeisterwahl 1970
Als 1970 erneut BM-Wahlen anstanden, geschah dies in einer
grundlegend veränderten politischen Situation im
Rathaus. In den Fraktionen hatte seit Mitte der 1960er
Jahre ein Generationenwechsel stattgefunden. Die
jüngeren Gemeinderäte verlangten im Zeichen eines
allgemeinen kritischeren Demokratieverständnisses
mehr Mitsprache. Anstelle des inhaltliche Gegensätze
überbrückenden Konsenses setzten sie stärker auf die
Profilierung durch eigenständige politische
Zielsetzungen. Auch die Öffentlichkeit erwartete mehr
Transparenz der Entscheidungsprozesse.
Entscheidend war aber, dass sich im Zeichen dieses
generellen politischen Klimawandels zwischen 1968 und 1970
in Karlsruhe ein "Machtwechsel" im Rathaus vollzog. 1968
verlor die SPD bei der Gemeinderatswahl ihre absolute
Mehrheit. Sie verfügte mit dem OB noch über 24 Stimmen,
ebensoviel wie CDU und FDP zusammen, die mit dem einen
Gemeinderat der NPD eine Mehrheit hatten. Dieser Gemeinderat
verweigerte OB Klotz 1968 die Veranstaltung einer zweiten
Bundesgartenschau im Jahr 1975 nach der so überaus
erfolgreichen von 1967. Mit einem Jahr Verzögerung erklärte
er daraufhin, nicht mehr zur OB-Wahl 1970 antreten zu
wollen. Was aus der Sicht der SPD nur ein "Wachwechsel"
werden sollte, geriet zu einem "Machtwechsel" an der
Rathausspitze. Neuer OB wurde der CDU-Bürgermeister Otto
Dullenkopf.
Die Wahl eines CDU-Kandidaten auf die nun freie BM-Stelle
schien angesichts der Mehrheitsverhältnisse unproblematisch.
Selbst wenn sich die SPD verweigert hätte, wäre dem
CDU-Kandidaten mit den Stimmen des OB und der FDP die Wahl
sicher gewesen. So sah es die CDU, aber es kam anders.
In der SPD überlegte man - immer noch unter dem Eindruck des
Machtverlustes -, der CDU den zweiten BM-Posten streitig zu
machen. Da ein eigener Kandidat keine Erfolgsaussichten
gehabt hätte, kam das Gesprächsangebot der FDP recht, über
die Unterstützung eines Kandidaten aus deren Reihen zu
verhandeln. Nach internen Auseinandersetzungen trat die SPD
in Verhandlungen mit der FDP ein, die zu einer schriftlich
fixierten "Vereinbarung" führten.
Dieses Papier enthielt drei Punkte: 1. Sachprogramm, 2.
Dezernatsverteilung, 3. BM-Wahlen. Das Sachprogramm listete
Verpflichtungen und Vereinbarungen auf zur Ausarbeitung
einer neuen Hauptsatzung der Stadt und Geschäftsordnung des
Gemeinderats, zur Durchsetzung des Modells einer
Ganztagesschule, zur Entwicklung neuer Methoden in der
Sozial- und Jugendarbeit, zur Fortführung der
Verwaltungsrationalisierung, zur Förderung des sozialen
Wohnungsbaus, zur Durchsetzung des Mitspracherechts des
Gemeinderats bereits bei der Aufstellung des städtischen
Etats und zur Abstimmung in allen bedeutenden
kommunalpolitischen Angelegenheiten auf Wunsch der einen
oder anderen Seite mit dem Ziel einer Einigung. Zur
Dezernatsverteilung wird festgestellt, dass den vom OB
vorgeschlagenen Plänen nur zugestimmt werde, wenn sie den
Vorstellungen beider Parteien Rechnung tragen. Zur Frage der
BM-Wahlen verpflichtet sich die SPD den FDP-Kandidaten bei
der anstehenden Wahl zu unterstützen. Die FDP bekundet ihre
einmütige Auffassung, wonach der EBM einer anderen Partei
angehören soll als der OB. Demgemäß werde die FDP einen
SPD-Kandidaten für dieses Amt voll unterstützen. Nach der
nächsten Gemeinderatswahl sollte das Papier neu verhandelt
werden.
Es handelte sich bei dieser "Vereinbarung" in der Tat um die
Verabredung zu gemeinsamer politischer Arbeit im
Gemeinderat, im Prinzip also um eine Art
Koalitionsvereinbarung. Mit dem jetzt vorliegenden Text kann
auch die 1998 publizierte Karlsruher Stadtgeschichte in
diesem Punkt korrigiert und präzisiert werden.
Im Vorfeld der BM-Wahl im Juli 1970, die der OB als
"Machtprobe" ansah, beharrte die CDU auf ihrem
Vorschlagsrecht und verwies auf die erforderliche
parteipolitische Ausgewogenheit im Bürgermeisteramt, da der
OB nicht mitgerechnet werden dürfe. 1959 hatte sie noch
genau das Gegenteil behauptet. Die SPD behauptete ebenfalls
das Gegenteil dessen, was sie 1959 erklärt hatte und die FDP
schloss sich an. Die Wahl selbst ging dann ohne jede Debatte
über die Bühne. Dennoch brachte sie eine Neuerung in der
Geschichte des Gemeinderats. Der OB hatte angeordnet, für
die Stimmabgabe Kabinen aufzustellen, um die absolute
Wahrung der Geheimhaltung zu garantieren. Tatsächlich dürfte
in der CDU darauf spekuliert worden sein, damit
SPD-Mitglieder zur Enthaltung oder zur Stimmabgabe für den
CDU-Kandidaten zu veranlassen. Gewählt wurde mit der
SPD/FDP-Mehrheit der FDP-Kandidat. Die FDP hatte damit die
unverhofft sich bietende Chance genutzt, als kleinste
Fraktion wieder einen BM zu stellen, der ihr eigentlich nach
dem d'Hondtschen Auszählverfahren nicht zustand. Die
sozialliberale Kooperation blieb im Gemeinderat jedoch nur
eine kurze Episode mit allerdings langfristigen Folgen, denn
die FDP stellt bis heute einen BM. Die Fraktionsstärke war
demnach nicht das entscheidende Kriterium für die Wahl der
BM. Hier sind, wie die Entwicklung bis zur Gegenwart zeigt,
von den Mehrheitsverhältnissen abhängige und damit
politische Erwägungen ausschlaggebend.
Mit der Wahl Dullenkopfs zum OB entstand erstmals wieder
seit 1953 die Konstellation, dass der EBM einer anderen
Partei angehörte als der OB. Gemäß der Absprache zwischen
den beiden Kandidaten im OB-Wahlkampf blieb der unterlegene
Sozialdemokrat auch nach Ablauf seiner Amtszeit 1973 bis zum
Ausscheiden 1983 EBM. 1973 ließen die Mehrheitsverhältnisse
und die Vereinbarung zwischen SPD und FDP auch gar keine
andere Option offen.
Die Bürgermeisterwahlen 1978 und 1983
Als 1978 die Neuwahl der von der FDP besetzten BM-Stelle
bevorstand, hatte sich Situation im Gemeinderat weiter
drastisch verändert. Seit 1975 besaß die CDU die absolute
Mehrheit der Sitze. 1977 gab es nach Änderung der
Hauptsatzung zudem mit dem parteilosen Kämmerer einen
fünften BM. Unter dem der CDU angehörenden OB amtierten
damit zwei Sozialdemokraten eine Christdemokrat, ein Freier
Demokrat und ein Parteiloser. Da die CDU mit nur einem -
1978 neu gewählten - BM als stärkste Fraktion
unterrepräsentiert war, musste die FDP befürchten, ihre
Bürgermeisterstelle an die CDU zu verlieren.
Da eine Absprache zwischen FPD und SPD wegen der absoluten
Mehrheit der CDU keinen Sinn hatte, verhandelte die FDP mit
der CDU. Die "sozialliberale" Vereinbarung von 1970 war
längst ad acta gelegt, zu groß waren die Unterschiede in
vielen Fragen der Lokalpolitik. Bei OB Dullenkopf, selbst
gerade mit guter Zweidrittelmehrheit im Amt bestätigt, fand
die FDP offene Ohren. Er wünschte keine weiteren
Veränderungen und rechnete zudem insgeheim schon mit dem
kurz danach tatsächlich erfolgten Beitritt des parteilosen
Bürgermeisters zur CDU. Der FDP-Kandidat wurde - dieses Mal
mit den Stimmen der CDU - wiedergewählt.
Von Spannungen geprägt verliefen wieder die Monate um den
Jahreswechsel 1983/84, als die Bestimmung eines neuen EBM
bevorstand. Es gab die bekannten Argumente, nur dass sie
jetzt von der anderen Seite benutzt wurde. Die SPD forderte
diese Position wieder für sich mit dem 1966 von der CDU
benutzten Argument, die zweitstärkste Fraktion solle den
Stellvertreter stellen. Damals hatte die SPD sich mit ihrer
Mehrheit darüber hinweggesetzt. Jetzt ignorierte die CDU
gemeinsam mit der FDP, die sich in der Vereinbarung mit der
SPD von 1970 noch dafür ausgesprochen hatte, diesen
Grundsatz. Die CDU/FDP-Mehrheit wählte den CDU-Kandidaten
zum EBM. Entscheidend waren demnach wie auch bei den zuvor
geschilderten Wahlgängen die für demokratische
Entscheidungen grundlegenden Mehrheitsverhältnisse und nicht
vermeintlich "demokratische Spielregeln".
Zwischen Konkordanz und Konkurrenz
Der kurze Überblick zu den Bürgermeisterwahlen in Karlsruhe
in den Zeiten des Dreiparteiensystems bestätigt zumindest
für diese Entscheidungssituationen im Gemeinderat die
Befunde kommunalpolitischer Forschung für die Großstädte.
Festzustellen ist, dass das anfängliche Bestreben nach
konfliktloser Zusammenarbeit im Gemeinderat sowie zwischen
Rat und Verwaltung seit dem Ende der 1960er Jahre abgelöst
wird durch stärkeren parteipolitischen Wettbewerb. In der
Fachterminologie eine Entwicklung von der Konkordanz- zur
Konkurrenzdemokratie. Allerdings halten die Vertretung
möglichst aller Fraktionen im Bürgermeisteramt und die lange
Wahlzeit für das Amt eine andauernde politische
Polarisierung in Grenzen.
Damit einher ging ferner, dass die BM in der
Selbstwahrnehmung und der Außensicht stärker als politische
Mandatsträger, als "Botschafter" ihrer Parteien und weniger
als Fachkräfte wahrgenommen wurden. Ihre Wahl durch den
Gemeinderat und der damit verbundene Rückhalt in diesem
Gremium erschwerte es dem OB, sie durchweg als Untergebene
zu behandeln. Dieses Recht stand und steht ihm zwar nach der
GO weiter uneingeschränkt zu, und OB Klotz hat daran im
Umgang mit seinen Bürgermeistern keinen Zweifel gelassen. OB
Dullenkopf leitete jedoch 1970 mit der Einrichtung der
Bürgermeisterkonferenz, er nannte sie "Kabinettssitzungen",
zur Abstimmung der Rathauspolitik eine zeitgemäße
Verwaltungsarbeit und einen neuen Politikstil ein, womit er
der Komplexität kommunaler Aufgaben und der
Machtverhältnissen auch in der Verwaltung Rechnung
trug.
Dr. Manfred Koch, Herausgeber/Redaktion Blick in die
Geschichte
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OB Günther Klotz (Zweiter von rechts) mit seinen Bürgermeistern Hermann Ball, Franz Gurk und Emil Gutenkunst (von links) im Jahr 1960. Foto: Stadtarchiv/Schlesiger
OB Günther Klotz (Zweiter von rechts) mit seinen Bürgermeistern Hermann Ball, Franz Gurk und Emil Gutenkunst (von links) im Jahr 1960. Foto: Stadtarchiv/Schlesiger
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Erstmals 1970 im Bürgersaal Wahlkabinen zur Stimmabgabe. Fotos: Stadtarchiv, Schlesiger
Erstmals 1970 im Bürgersaal Wahlkabinen zur Stimmabgabe. Fotos: Stadtarchiv, Schlesiger
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OB Otto Dullenkopf (Dritter von rechts) mit seinen Bürgermeistern Gerhard Seiler, Paul Hugo Jahn, Kurt Gauly, Walther Wäldele und Horst Rehberger im Jahr 1978.
OB Otto Dullenkopf (Dritter von rechts) mit seinen Bürgermeistern Gerhard Seiler, Paul Hugo Jahn, Kurt Gauly, Walther Wäldele und Horst Rehberger im Jahr 1978.
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick82/aufsatz1
. AUS DER REGIONFreitag, 4. Mai 2018 Ausgabe Nr. 102 – Seite 29
„Kinder müssen teilhaben können“ Vetreter aus dem Stadt- und Landkreis feiern fünf Jahre Sozialregion
Kreis Karlsruhe. Dass den Menschen im Großraum Karlsruhe mit der Sozi- alregion ein besonderes Angebot zur Verfügung steht, das wurde am Don- nerstag gleich mehrfach deutlich. An- lass war ein Fachtag zum fünfjährigen Bestehen des Zusammenschlusses, das Vertreter der Stadt Karlsruhe, betei- ligter und interessierter Gemeinden und Vertreter des Landkreises im Bei- sein von Bärbl Mielich, Staatssekretä- rin im Landesministerium für Soziales und Integration, feierten.
Dass der Karlsruher Pass und der Kinderpass – die sozial schwachen Menschen und Kindern die Teilhabe an Freizeitangeboten und -einrichtun- gen ermöglichen – damit nicht mehr nur in Karlsruhe, sondern derzeit auch in acht Kommunen im Landkreis ver- fügbar sind, sei eine einzigartige Ant- wort im Kampf gegen die Armut, sagte
Mielich in der Spechaahalle in Stuten- see-Spöck.
Dass Armut in einem Land wie Ba- den-Württemberg, in dem es derzeit fast keine Arbeitslosigkeit gebe, The- ma ist, sei quasi unvorstellbar. Dass aber beinahe jedes fünfte Kind und fast die Hälfte der Alleinerziehenden mit Kindern davon betroffen sind – das ergab der erste Armuts- und Reich- tumsbericht des Landes – das brauche Konzepte wie das der Sozialregion. Deswegen wolle sie dem Projekt ihre Wertschätzung entgegenbringen und andere Regionen anregen, Ahnliches
auf die Beine zu stellen. „Denn dass Kinder am sozialen Leben teilhaben und nicht ausgegrenzt werden, ist wichtig für ihre persönliche Entwick-
lung“, so Mielich. Stutensees Ober- bürgermeister Klaus Demal sagte, der Kinderpass stelle genau das sicher: „Kinder können sich im sportlichen und kulturellen Bereich entfalten.“
Staatssekretärin Mielich sprach au- ßerdem den mangelnden Wohnraum für sozial schwache Familien an. Das griffen auch Landrat Christoph Schnaudigel und Peter Kappes, Leiter des Dezernats Mensch und Gesell- schaft im Landratsamt, auf. Sie ver- kündeten, dass die Kreisverwaltung sich vorstellen könne, den Kommunen jene Immobilien anzubieten, die der Kreis zur Flüchtlingsunterbringung gebaut hat und jetzt nicht mehr benö- tigt. Dort könnte bezahlbarer Wohn- raum entstehen. „Denn wir dürfen den Blick auf die Quartiere nicht verlie-
ren“, sagte Schnaudigel. Der Karlsru- her Pass und der Kinderpass seien nur Symptombekämpfung. Es gelte, vor Ort für die Menschen zu arbeiten.
Karlsruhes Sozialbürgermeister Martin Lenz bezeichnete den Fachtag als Meilenstein für die Sozialregion, die es gelte, weiterzuentwickeln. „Dass Vetreter interessierter Gemein- den da sind, zeigt, dass wir heute auch in die Zukunft blicken.“ Die aktuelle Hartz-IV-Debatte führe zu Angeboten wie den Karlsruher Pässen. „Das sind keine Almosen. Wir fördern Potenzia- le“, so Lenz. „Wichtig ist, dass sich die Menschen als Kunden verstehen“, pflichtete ihm Elisabeth Peitzmeier, Geschäftsführerin des Stadtjugend- ausschusses, bei. Sie sollten annehmen können, was ihnen angeboten wird, so Pfinztals Bürgermeisterin Nicola Bod- ner. Laura Fischer
Kreis will Gemeinden Immobilien anbieten
„Unten muss man richtig reinbuttern“
Podiumsdiskussion zum Abschluss des Fachtags
Kreis Karlsruhe (eki). Für Bürger- meisterin Nicole Bodner war der Bei- tritt in die Sozialregion ein logischer Schritt bei der Armutsbekämpfung in der Gemeinde Pfinztal. „Als kleinere Gemeinde werden wir von den größeren Kommunen oft nicht wahrgenommen. Aber die Armut ist auch im Pfinztal schon lange Reali- tät, und deshalb braucht es eine funktionierende Kooperation mit den Nachbarge- meinden“, betonte die Pfinztaler Rat- hauschefin am Ende des Fachtags „Fünf Jahre Sozialregion“ bei einer Po- diumsdiskussion mit der Karlsruher Stadtjugendausschuss-Geschäftsfüh- rerin Elisabeth Peitzmeier, Verkehrsbe-
triebe-Chef Alexander Pischon, dem Karlsruher Sozialbürgermeister Martin Lenz sowie mit Sozialdezernent Peter Kappes vom Landkreis Karlsruhe.
Vor allem einen Kinderpass zur För- derung von Mädchen und Jungen aus sozial schwächeren Familien sollte es nach Bodners Einschätzung eigentlich
in jeder Gemeinde geben. „Mit dem Karlsruher Pass und dem Karlsru- her Kinderpass schaffen wir bisher
vor allem Teilhabemöglichkeiten“, be- tonte Peitzmeier. Für den wirklichen Kampf gegen die Armut und das Um- setzen einer gemeinsamen Vision für mehr soziale Gerechtigkeit brauche es aber noch weitaus mehr starke Partner aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung.
Für Kappes ist die Entwicklung der Sozialregion ein stetiger Prozess. „Manche Diskussionen wie etwa um die Standorte für die Methadon-Sub- stitution und die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flücht- lingen sind sicherlich nicht einfach“, so Kappes. Am Ende könnten einzelnen Kommunen in der Sozialregion aber von den Erfahrungen der jeweils ande- ren profitieren.
„In Bruchsal gibt es schon seit länge- ren Probleme mit jungen Menschen, die sich außerhalb aller Systeme bewegen“, so Kappes. Früher oder später stelle sich aber überall die Frage, ob solche Jugendlichen außer dem Weg in die So- zialhilfe auch eine andere Perspektive erhalten könnten.
„Wir werden die Angebote der Sozial- region künftig weiterentwickeln“, ver- sprach Pischon. Bereits heute könnten die ermäßigten Tickets des Karlsruher Verkehrsverbunds in der Sozialregion besser verrechnet und der Fehlbetrag von der Stadt Karlsruhe erstattet wer- den.
„Mobilität ist ein wichtiger Eckpfeiler der Sozialregion“, betonte Lenz. Des- halb werde er sich auch künftig für ein landkreisweites Sozialticket stark ma- chen. „Die soziale Integration gelingt
schließlich nur in den Kommunen“, stellte Lenz klar.
Zum Nulltarif sei eine Sozialregion allerdings nicht zu haben. „Die Schere zwischen Arm und Reich ist in den ver- gangenen 25 Jahren noch weiter ausei- nandergegangen und deshalb muss man unten richtig reinbuttern“, so Lenz. „Aber mit mehr sozialer Gerech- tigkeit bekommt man vielleicht auch das AfD-Problem gelöst“.
Jürgen Kegelmann appellierte bei sei- nem Vortrag über „Region, Zusammen-
arbeit, Zukunft, Partizipation“ an eine „intelligente Vernetzung“ der einzel- nen Beteiligten zur Weiterentwicklung der Sozialregion.
„Dann wird es neben der Technologie- region und der Wirtschaftsregion auch eine überregional bekannte Sozialregi- on geben“, sagte der Prorektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. „Aber ohne ein nachhaltiges Konzept murkst jeder nur vor sich hin, und am Ende kommt nichts Vernünfti- ges dabei raus.“
Mobilität als wichtiger Eckpfeiler
GRUPPENBILD MIT STAATSSEKRETÄRIN: Vertreter der Städte, Gemeinden und des Landkreises haben am Donnerstag die Charta Sozialregion unterschrieben, mit der sie bekräftigen, gemeinsam gegen Armut kämpfen zu wollen. Foto: stst
Zahlen und Fakten
• Die Sozialregion deckt momen- tan 400 000 von 750 000 Einwoh- nern im Stadt- und Landkreis ab • In Karlsruhe sind 11,8 Prozent der unter 15-Jährigen von Armut betroffen, im Kreis 6,7 Prozent • 44 417 Arbeitnehmer pendeln aus dem Landkreis nach Karlsruhe • Karlsruhe hat 2017 177 Einwoh- ner an Rheinstetten verloren • Im Landkreis bilden die Zwei- Personen-Haushalte die größte Gruppe lfi
„Immer unterwegs“ Schülerkunst von den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren
Von unserem Mitarbeiter Ekart Kinkel
Karlsruhe. Die Viertklässler der Fors- ter Astrid-Lindgren-Schule haben sich auf einen malerischen Surf-Trip bege- ben, Mädchen und Jungen der Karlsru- her Hardtwaldschule waren auf bildge- waltiger Tauchreise und die Kinder der Ettlinger Gartenschule fertigten für die Fernreisen das passende Schuhwerk aus Pappmaschee an: Zahlreiche Aquarelle, Zeichnungen und Collagen bringen fer- ne Sehnsuchtsorte sowie die dazu pas- senden Transportmittel ins Landrats- amt. „Unterwegs“ lautet das Motto der Ausstellung im Foyer des Verwaltungs- gebäudes, und gefertigt wurden all die Kunstwerke von den Mädchen und Jun- gen aus den Sonderpädagogischen Bil- dungs- und Beratungszentren des Land- kreises Karlsruhe.
Bereits zum sechsten Mal geht im Landratsamt eine Ausstellung mit Wer- ken von förderbedürftigen Kindern und Jugendlichen über die Bühne. Noch bis 6. Juni können die Werke der sechs be- teiligten Bildungs- und Beratungszent- rum dort in Augenschein genommen werden. „Das Foyer eignet sich hervor- ragend für eine solche Ausstellung“, be- tonte Landrat Christoph Schnaudigel bei der Ausstellungsvernissage am Mitt- wochabend. „Denn hier laufen immer wieder Leute durch, und der eine oder andere bleibt nach dem Verlängern des Führerscheins einfach stehen und setzt sich mit der Kunst sowie der Arbeit in den sonderpädagogischen Einrichtun- gen auseinander.“
Die Bildungs- und Beratungszentren bräuchten sich nämlich nicht zu verste- cken, sondern sollten ihre gute Arbeit so oft wie möglich ins Licht der Öffentlich- keit stellen, sagte Schnaudigel, der bei seiner kurzen Begrüßung bewusst auf
große Worte verzichtete und stattdessen den Musik- und Kulturgruppen aus den einzelnen Förderschulen die Bühne überlies. Dass in den Einrichtungen zur Vorbereitung auf die Ausstellung nicht nur Bilder gemalt wurden, davon konn- ten sich die Besucher der Vernissage mit eigenen Augen und Ohren überzeugen. Der fetzige Rap „Kunst ist klasse“ zur Melodie von Queens „We Will Rock You“ von der Percussion-Gruppe der Eduard- Spranger-Schule in Oberderdingen war ebenso Teil des Eröffnungsprogramms wie eine Zaubershow der Hardtwald- schüler sowie die rockigen Rhythmen von der Schülerband der Bruchsaler Karl-Berberich-Schule. Und wie man trotz körperlicher Beeinträchtigungen Lebensfreude ausstrahlen kann, machte
eine 13-jährige Schülerin der Karlsba- der Ludwig-Guttmann-Schule deutlich. Für den Vortrag wurden die Augenbe- wegungen des im Rollstuhl sitzenden schwerbehinderten Mädchens von ei- nem Sprachcomputer in Worte über- setzt.
„Hinter all diesen Bildern und Vorfüh- rungen stecken sehr viel Zeit, Arbeit und vor allem Motivation“, betonte Eli- sabeth Groß, Leiterin des Staatlichen Schulamts Karlsruhe. Das Motto der Ausstellung solle auch die langen Schul- wege von manchen Kinder zu den Bil- dungseinrichtungen symbolisieren. „Diese Kinder sind immer unterwegs“, so Groß. „Und zwar jeden Tag zur Schu- le und das ganze Leben beim Erlernen neuer Fähigkeiten.“
ROCKIGE RHYTHMEN zur Ausstellungseröffnung bot die Schülerband der Bruchsaler Karl-Berberich-Schule im Landratsamt Karlsruhe. Foto: Kinkel
Newsletter zu Elisabethenwört
Kreis Karlsruhe (BNN). Das Regie- rungspräsidium Karlsruhe hat den mittlerweile dritten Newsletter zum Rückhalteraum Elisabethenwört ver- öffentlicht. Darin wird das Ergebnis des Variantenvergleichs skizziert und es werden häufig gestellte Fragen zu den Auswirkungen einer Dammrück- verlegung beantwortet. Der nächste
Newsletter ist für Anfang 2019 ge- plant.
Interessenten finden den Newsletter und den Zwischenstand der Planung auf der Projekt-Homepage Elisabe- thenwört unter https://rp.baden-wu- erttemberg.de/Themen/WasserBoden/ IRP/Seiten/Elisabethenwoert.aspx.
i Kontakt Wer den Newsletter direkt erhalten
will, kann sich per E-Mail anmelden: rhr.elisabethenwoert@rpk.bwl.de.
Wurzeln gefährden Mauern Land fördert Pflegearbeiten in Klosterruine Frauenalb
Marxzell (kdm). Die Bäume, die sich auf und am Mauerwerk der Klosterruine Frauenalb „eingerichtet“ haben, sind ein bemerkenswerter Blickfang. Doch insbesondere ihr Wurzelwerk schädigt die betagten Mauern. Mehr noch: Brei- ten sie sich unvermindert aus, kann das Mauerwerk zerstört werden. Jetzt geht es den „Mauer-Bäumchen“ an die Wur- zeln. Laut Kostenschätzung sollen die entsprechenden Arbeiten rund 92 000 Euro kosten. Rund 61 000 Euro davon übernimmt das Land. Den dafür not- wendigen Bescheid brachte nun Staats- sekretärin Katrin Schütz (Wirtschafts- ministerium) direkt in die Klosterruine. Die verbleibenden 31 000 Euro steuert die Stiftung Frauenalb bei.
Seit 1959 ist die Stiftung nach Aus- kunft von Gerhard Stöckle – kaum je- mand kennt die Klosterruine so gut wie er – im Besitz des Klosters. Stiftungs- zweck ist der Erhalt der Klosterruine. Seit dieser Zeit seien rund zwei Millio- nen Euro in den Erhalt der noch beste- henden Gemäuer des vormaligen Bene- diktinerinnen-Klosters geflossen, be- richtet Landrat Christoph Schnaudigel, Vorsitzender des Stiftungs-Verwal-
tungsrates. Zur Erinnerung: Die Stif- tung wird gleichermaßen von der Stadt Karlsruhe und dem Landkreis Karlsru- he (jeweils 45 Prozent) sowie der Stadt Ettlingen (zehn Prozent) getragen. Mit 15 000 Euro jährlich halten sich die be- reitgestellten Mittel für die notwendigs- ten Arbeiten in Grenzen.
Als „einzigartiges und besonderes Kul- turdenkmal“ bezeichnete Katrin Schütz die imposanten Überreste des um 1180 erbauten Klosters. Vergleichbare Pfle- gearbeiten gab es nach Auskunft der zu- ständigen Denkmalpflegerin, Ute Fahr- bach-Dreher, letztmals 1985. Anstatt immer wieder Geld für solche Pflegear- beiten in die Hand zu nehmen, sollte man vielleicht über eine Art Mauerkro- nendach nachdenken, ist immer mal wieder aus Marxzell zu hören. Technisch dürfte das gar nicht so einfach sein, zu- mal, so die Gegenrede, die Gefahr be- steht, dass unter dem Dach sich die Mauer langsam auflösen könnte. Erst gar kein Thema ist laut Schnaudigel eine komplette Überdachung des Ge- samtensembles. Dies sei wirtschaftlich nicht darstellbar und nicht vereinbar mit dem Stiftungszweck.
https://www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/sozialplanung/fachtag%202018/HF_sections/content/1534837491438/ZZnJjXOD52qpjE/BNN%20SozialRegion20180504_130.pdf
Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit
Stadt Karlsruhe Kulturamt und Büro für Integration
Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit
Oktober 2023 Verfasser: Runder Tisch Antirassismus und Antidiskriminierung | Karlsruhe,
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Zusammenfassung Von Juli 2021 bis Juli 2023 haben Vertreter*innen der Stadt Karlsruhe, ihrer Tochtergesellschaften, der Zivilgesellschaft und Interessensgruppen am „Runden Tisch Antirassismus und Antidiskriminierung“ (RT ARAD) in immer wieder wechselnder Zusammensetzung zusammengefunden. Ein Positionspapier ist entstanden, das eine klare Aussage trifft: wir alle tragen zu Strukturen bei, die rassistisches und diskriminierendes Verhalten aufrechterhalten und nur gemeinsam können wir am Abbau von Rassismus und Diskriminierung arbeiten, um eine lebenswertere und gerechtere Stadt für alle zu schaffen.
Das folgende Positionspapier erläutert ausführlich die Themen struktureller Rassismus und strukturelle Diskriminierung, um deutlich zu machen, dass Ausschluss-Mechanismen in und durch Institutionen reproduziert und aufrechterhalten werden. Das Papier macht deutlich, dass diese Erkenntnis uns nicht von der Pflicht entbindet, als Individuen dagegen zu wirken, dass wir allerdings auch in komplexen zusammenhängenden Systemen arbeiten und leben, die unser individuelles Handeln einschränken.
Auf Grund dessen haben die Autor*innen des Papiers 3 Leitprinzipien entwickelt, die das künftige Handeln prägen sollen und die auf eine Haltung abzielen, die sich die Autor*innen des Papiers bei künftigen kommunalen Strategien gegen Rassismus und Diskriminierung wünschen. Sie sollen bewirken, dass Menschen, die bisher von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen wurden, ab jetzt bewusst mit eingebunden werden.
1. Nichts über uns ohne uns
2. Fokus auf Bedürfnisse
3. Repräsentation macht den Unterschied
Diese Leitprinzipien bilden das Fundament, auf dem die Ziele und Maßnahmen aufbauen. Insgesamt 8 Wirkungsfelder, 27 Ziele und 86 Maßnahmen wurden in dem partizipativen Prozess entwickelt und hier zusammengetragen.
Im intensiven Austausch ist deutlich geworden, dass Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit Ressourcen erfordert – sowohl um eine Koordinierung der weiteren Prozesse zu gewährleisten, als auch um die Synergien mit weiteren Akteur*innen effektiv und gewinnbringend für alle zu nutzen. Die Bereitstellung von Ressourcen wie auch die Bereitschaft, sich zu einer diskriminierungssensiblen und rassismuskritischen Haltung zu bekennen, sind die Säulen, auf denen eine nachhaltige Strategie gegen Rassismus und Diskriminierung aufgebaut werden kann.
Inhaltsverzeichnis
0. Vorab: Wer sind „Wir“, Impressum 4
1. Präambel 5
2. Strukturen erkennen 6
3. Strukturierter Dialog 10
4. Wirkungsfeldbezogene Ziele und Maßnahmenkatalog: 11
5. Partizipative Evaluation 22
6. Eine Zusammenfassung der bisherigen Arbeitsschritte,
Beteiligungsveranstaltungen und Ausblick für das Jahresende 2023 23
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0. Vorab: Wer sind „Wir“
Seit 2021 traf sich in regelmäßigen Abständen der RT ARAD. Knapp 200 Personen aus der Stadtgesellschaft – darunter Verwaltung, Interessensverbände, zivilgesellschaftliche Organisationen und Bürger*innen in immer wieder wechselnder Zusammensetzung – haben sich in 6 Arbeitstreffen zusammengefunden. Dabei wurden die Themen Rassismus und Diskriminierung aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und es wurde gemeinsam an einem Ziel gearbeitet. Begleitet wurde die Arbeit am Runden Tisch von einer Begleitgruppe, in der Vertreter*innen aus der Verwaltung und ehrenamtliche sachkundige Bürger*innen die Inhalte aus den Runden Tischen aufgriffen und einordneten.
Das „Wir“ in diesem Papier sind die Akteur*innen des Runden Tisches, die ihre fachliche und persönliche Expertise in den Prozess eingebracht haben und durch die Positionierung im Papier zu einem gesellschaftlichen Mehrwert für die Stadt Karlsruhe beitragen.
Impressum
1. Präambel
Unsere Vision ist eine Welt frei von Rassismus und Diskriminierung. Wir streben eine Stadtgesellschaft an, in der alle mit ihrem Wissen und Können dazu beitragen, dass Karlsruhe eine diskriminierungssensible und rassismuskritische Stadt wird. Wir sind uns bewusst, dass Deutschland eine pluralistische, sprachlich und kulturell vielfältige Migrationsgesellschaft ist. Wir erkennen an, dass wir alle bewusst und unbewusst zu Strukturen beitragen, die rassistisches und diskriminierendes Verhalten aufrechterhalten. Wir erkennen aber auch, dass, wenn wir gemeinsam am Abbau und Aufbrechen von Rassismus und Diskriminierung arbeiten, wir eine lebenswerte und gerechte Stadt für alle schaffen können. Macht und Privilegien erkennen, rassismus- und gendersensible Sprache bewusst verwenden, Barrieren abbauen sind nur einige der Dinge, die wir sowohl als Individuen als auch in Gemeinschaften und Institutionen angehen können.
Alle Menschen profitieren von einer Umgebung, in der sie nicht diskriminiert werden und sich willkommen und sicher fühlen. Wir wissen, dass eine gerechte Ressourcenverteilung nur dann stattfindet, wenn Chancengleichheit besteht.
Öffentliche Politik muss einen wirkungsvollen Beitrag dazu leisten, die ungerechte Verteilung von Entscheidungsgewalt, den ungleichen Zugang zu Ressourcen und die ungleichen Machtverhältnisse abzumildern.
Es geht hierbei um die Sicherung von Rechten, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN, im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechts-Konvention deutlich formuliert wurden: Das Recht auf Wohnen, auf gesellschaftliche Teilhabe, auf Arbeit, auf Bildung und auf Meinungsfreiheit.
Um wirkungsvoll dazu beizutragen, bedarf es sowohl konkreter Handlungsempfehlungen als auch kontinuierlicher Begegnungs- und Dialogräume, eines respektvollen Umgangs mit Unterschieden und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.
In dem vorliegenden Positionspapier erläutern wir unser Verständnis von dem Prozess, an dem die Akteur*innen des RT ARAD beteiligt gewesen sind. Wir beschreiben unsere Erkenntnisse und stellen Ziele und Maßnahmen dar, auf die wir uns in einem partizipativen Prozess geeinigt haben. Dabei ist uns allen bewusst geworden, dass langfristige Veränderungen notwendig sind, um die gesellschaftlichen Strukturen und das Denken der Menschen zu verändern. Dies erfordert nachhaltige Formate des Miteinanders. Einander zuhören, die eigene Haltung reflektieren und in den Dialog treten sind bereits erfolgt, der Prozess muss allerdings fortgesetzt werden.
Dafür benötigt die kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit Ressourcen für die wirkungsfeldbezogene Arbeit, für die Fort- und Weiterbildung und für die Koordination der entsprechenden notwendigen Schritte.
In diesem Positionspapier benennen wir klare Ziele und Maßnahmen, die als erste Ergebnisse zu verzeichnen sind. Diese Ziele und Maßnahmen können aber nur dann verwirklicht werden, wenn die Bedeutung dieser Aufgabe von Verwaltungsspitze und Gemeinderat anerkannt und die Bewältigung dieser Aufgabe gefördert wird. Wir wollen der Arbeit, die mit diesem Papier angestoßen wird, einen Rahmen geben, damit dieser Prozess kontinuierlich in einer Atmosphäre der bedeutsamen Partnerschaft1 fortgesetzt werden kann.
1 Die OECD schlägt das Wort bedeutsam (significant) vor, um Partnerschaften zwischen Behörden und Zivilgesellschaft zu beschreiben. Diese Partnerschaft beschreibt eine Zusammenarbeit, in der die Partner*innen gemeinsam an einem Produkt oder einem Ziel arbeiten, für das sie gemeinsam Verantwortung übernehmen und in der Rechte und Ressourcen in Absprache verteilt werden. Siehe: oecd.org/cfe/leed/36279186.pdf
Herausgeberin: Stadt Karlsruhe, Kulturamt und Büro für Integration
Verfasser*innen: Mitglieder des Runden Tisches Antirassismus und Antidiskriminierung
Projektleitung: Christoph Rapp
Projektbegleitung: Lila Sax dos Santos Gomes, Moderation – Beratung – Prozessbegleitung www.lilasaxdossantosgomes.de
Redaktion: Tabea Bomar, Claudia Lahn, Dominika Szope
Layout: Goetzinger + Komplizen Werbeagentur GmbH, Bahnhofstr. 16, 76137 Karlsruhe
Titelbild: Aktionstag gegen Rassismus am 23.03.2022, Foto: Stadt Karlsruhe, Enderle
Druck: Rathausdruckerei, Recyclingpapier
Stand: Oktober 2023
https://www.oecd.org/cfe/leed/36279186.pdf
http://www.lilasaxdossantosgomes.de
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2. Strukturen erkennen
In diesem Positionspapier und den hier formulierten Zielen und Maßnahmen geht es in erster Linie darum, strukturellen Rassismus und strukturelle Diskriminierung sowie deren Folgen sichtbar zu machen und nachhaltig daran zu arbeiten, damit Karlsruhe eine diskriminierungssensible und rassismuskritische Stadt wird. Wir sind uns dessen bewusst, dass Institutionen Rassismus und Diskriminierung reproduzieren und verstärken.
Menschen sind auch in und durch städtische Ämter, Behörden und stadteigene und stadtnahe Gesellschaften und Einrichtungen direkt und indirekt von Rassismus und Diskriminierung betroffen.
Die Auswirkungen davon betreffen uns alle. Vor allem aber werden rassifizierte und diskriminierte Menschen durch diskriminierende und rassistische Strukturen an gleichberechtigter politischer, sozialer und ökonomischer Teilhabe gehindert und damit in ihren Menschenrechten beschnitten.
Im Rahmen des Prozesses haben wir gesehen, dass jeder Mensch ein unterschiedliches Verständnis von Rassismus und Diskriminierung hat, geprägt durch sein Umfeld, seine Erlebnisse und seine Sozialisierung.
Am Runden Tisch haben wir mit unterschiedlichen Definitionen von Rassismus und Diskriminierung gearbeitet und uns bei den daraus entstehenden Zielen und Maßnahmen vor allem auf strukturelle Gegebenheiten fokussiert, die Rassismus und Diskriminierung begünstigen.
Struktureller Rassismus
2 Nachzulesen unter: amadeu-antonio-stiftung.de/rassismus/was-ist-rassismus
3 Über die Bedeutung der verschiedenen (Selbst-)Bezeichnungen empfehlen wir hier nachzulesen: diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch und mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Infopapier_Alternativen_Migrationshintergrund.pdf
4 Nachzulesen unter: duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00075438
Beim strukturellen Rassismus handelt es sich um rassistische Strukturen, Prozesse und Routinen in der Gesellschaft, die vorwiegend Schwarze Menschen, People of Color und Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit Fluchterfahrung3 benachteiligen und ausgrenzen. Solche Routinen führen beispielsweise zu Benachteiligungen im Schulsystem, etwa wenn es um die Versetzung von Schüler*innen, Diskriminierungen am Arbeitsmarkt oder wenn es um die Besetzung von offenen Stellen geht. Struktureller Rassismus führt zu Ausschluss aus zentralen Bereichen der Gesellschaft und zu sozialer Ungleichheit im Bildungssystem, beim Zugang zu Arbeitsplätzen oder beim Wohnraum, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Durch die immer wiederkehrende Ausgrenzung und das Gefühl von „Anderssein“ sind die Betroffenen einer ständigen psychischen Belastung ausgesetzt. Eine aktuelle Studie der Universität Duisburg zeigt, dass rassistische Denkmuster in deutschen Behörden keine Ausnahme darstellen und dass Rassismus in der Polizei, in der Arbeitsverwaltung und in der Gesundheitsversorgung strukturell eingebettet und institutionell (re-)produziert wird4 . Darüber hinaus hat die explorative Studie Afrozensus (2020) herausgearbeitet, dass Schwarzen Menschen häufig nicht geglaubt wird, wenn sie von strukturellen Rassismuserfahrungen sprechen. Mitunter werden diese auch als besonders emotional oder hysterisch bezeichnet, wenn sie ihre Erlebnisse schildern. Diese Art des Herunterspielens von traumatisierenden Erlebnissen erschwert das Nachverfolgen von rassistischen Übergriffen.
Die Antonio Amadeu Stiftung2 definiert Rassismus als „eine Ideologie, die Menschen aufgrund ihres Äußeren, ihres Namens, ihrer (vermeintlichen) Kultur, Herkunft oder Religion abwertet. In Deutschland betrifft das nicht-weiße Menschen – jene, die als nicht-deutsch, also vermeintlich nicht wirklich zugehörig angesehen werden. Wenn Menschen nicht nach ihren individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften oder danach, was sie persönlich tun, sondern als Teil einer vermeintlich homogenen Gruppe beurteiltund abgewertet werden, dann ist das Rassismus“. Dies inkludiert auch den Antisemitismus als besondere Form der Menschenverachtung.
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/rassismus/was-ist-rassismus/
https://diversity-arts-culture.berlin/diversity-arts-culture/woerterbuch
https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Infopapier_Alternativen_Migrationshintergrund.pdf
https://duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00075438
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Strukturelle Diskriminierung5
Strukturelle Diskriminierung beschreibt die Benachteiligung oder den institutionalisierten Ausschluss von Menschen aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit oder einem zugeschriebenen Merkmal. Human Rights Watch schreibt dazu: „Von struktureller Diskriminierung wird gesprochen, wenn die Benachteiligung einzelner Gruppen in der Organisation der Gesellschaft begründet liegt. Die über Jahrzehnte und Jahrhunderte gewachsene Art des Zusammenlebens (Arbeitsteilung, Verteilung der Entscheidungsbefugnisse etc.) geht in der Regel mit patriarchalen, postkolonialen, homophoben, religiösen oder wie auch immer gearteten und begründeten Konventionen, Gebräuchen und Traditionen einher, welche die Privilegierung einzelner Gruppen bzw. die Schlechterstellung anderer Gruppen als ‘normal‘ und vorgegeben erscheinen lassen“6. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden sechs Merkmale aufgelistet, die zu einer Benachteiligung führen können: Benachteiligungen aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Aber auch andere Merkmale können zu einer Diskriminierung führen. Strukturelle Diskriminierung ist nicht immer einfach zu erkennen, da sie in bestehenden Strukturen eingebettet ist und oft von diesen reproduziert wird. Auch Betroffene erkennen bestimmte Aussagen oder Handlungen nicht immer als diskriminierend.
5 Weitere Infoseiten zu den Themen Rassismus und Diskriminierung: vielfalt-mediathek.de/kurz-erklaert-struktureller-rassismus, afrozensus.de/reports/2020/#start, rassismusmonitor.de
6 Eine Auflistung verschiedener Diskriminierungsformen ist unter anderem hier zu finden: humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/diskriminierung/diskriminierungsverbot-dossier/juristisches-konzept/formen-der-diskriminierung
Eine rassismuskritische und diskriminierungsfreie Stadtverwaltung
Rassismus und Diskriminierung ist in Karlsruhe leider gelebte Realität. Aus diesem Grund setzen wir uns für eine Stadt ein, in der eine rassismuskritische und diskriminierungssensible Einstellung unsere Haltung, unser Verhalten und unseren Umgang miteinander prägen. Dabei muss die Stadtverwaltung als Vorbild vorangehen, unterstützt von den politischen Gremien, die ihrer Arbeit einen Rahmen geben. Denn um eine nachhaltige Veränderung zu erreichen, ist eine offene Haltung in den politischen Gremien und in der Verwaltung nötig. Konkrete, messbare Ziele sollen durch professionelle Maßnahmen erreicht werden. Ämter, Behörden und stadteigene und stadtnahe Gesellschaften und Einrichtungen werden dazu aufgefordert, diese Maßnahmen zu übernehmen und umzusetzen. Die Überwindung von Rassismus und Antidiskriminierung muss zur Chef*innen- Sache erklärt und konsequent gelebt werden.
Nachhaltiges Arbeiten erfordert Ressourcen
Es ist absehbar, dass zur Verwirklichung des durch uns angestoßenen Prozesses ausreichende personelle und finanzielle Mittel für die Maßnahmen und deren Koordination im Rahmen der kommunalen Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit benötigt werden. Das Aufbrechen von Diskriminierung und Rassismus ist ein Langzeitprojekt, das einen Dialog zwischen verschiedenen Akteur*innen erfordert.
Die Umsetzung der kommunalen Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit erfordert:
ausreichende finanzielle Mittel, um die Vernetzung und den Dialog der Akteur*innen zu fördern sowie Sachmittel, um weitere Veranstaltungs- und Weiterbildungsangebote zu realisieren.
personelle Ressourcen für die Koordination der Aufgabe, Rassismus und Diskriminierung innerhalb der Strukturen sichtbar zu machen. Diese Koordinierung soll die im folgenden Abschnitt aufgeführten Ziele und Maßnahmen in Zusammenarbeit mit städtischen Ämtern, zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, Interessensgruppen und weiteren Institutionen des Runden Tisches umsetzen. Die Koordination sichert die Weiterführung des kontinuierlichen Prozesses und unterstützt die hier entstehenden Aktionsbündnisse zwischen Verwaltung, Stadtgesellschaft und Interessensgruppen sowie koordinativ und methodisch innerhalb der Verwaltung.
Ausreichende eigene personelle Ressourcen und Sachmittel ermöglichen darüber hinaus das Beantragen von Drittmitteln, die für die Umsetzung und Auswertung der Ziele notwendig sind.
Nur so – davon sind wir überzeugt – kann die Positionierung der Stadt im Hinblick auf Rassismus und Diskriminierung untermauert und fortlaufend den gesellschaftlichen Bedingungen angepasst werden, um für eine nachhaltige Veränderung in den Strukturen zu sorgen.
Intersektionalität
Wenn eine Person mehrere diskriminierungsrelevante Merkmale in sich vereint, kann sie auf vielfache Art und Weise Diskriminierung erfahren. Frauen mit Migrationsgeschichte, die ihre Kinder allein erziehen und in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten, sind zum Beispiel aus mehreren gesellschaftlichen Bereichen strukturell ausgeschlossen. Diese Mehrfach- Diskriminierung vermindert sowohl die Teilhabechancen der Mütter, als auch die ihrer Kinder. Ein intersektionaler Blick muss in allen Diskussionen über Rassismus und Diskriminierung im Mittelpunkt stehen.
https://www.vielfalt-mediathek.de/kurz-erklaert-struktureller-rassismus
https://afrozensus.de/reports/2020/#start
https://www.rassismusmonitor.de/
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/diskriminierung/diskriminierungsverbot-dossier/juristisches-konzept/formen-der-diskriminierung/
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3. Strukturierter Dialog
Durch die Erfahrungen unseres gemeinsam erlebten Prozesses sind wir überzeugt, dass wir als pluralistische Akteur*innen in einer demokratischen Ordnung, die gleichzeitig von Machtungleichheiten geprägt ist, neben dem Ziel- und Maßnahmenkatalog auch Leitprinzipien benötigen. Diese dienen als Handlungsrahmen, der im Umgang miteinander Orientierung bietet.
Folgende Leitprinzipien sollen bei allen nachfolgenden Zielen und Maßnahmen mitgedacht werden:
1. Nichts über uns ohne uns7: Die Zivilgesellschaft, Vertretungen von Betroffenen und städtische Akteur*innen sind als bedeutsame Partner*innen in die Planung, Umsetzung und Auswertung der Ziele und Maßnahmen eingebunden.
2. Fokus auf Bedürfnisse: Sowohl der Prozess als auch die daraus resultierenden Ergebnisse stellen die Interessen und Bedürfnisse derjenigen Menschen in den Mittelpunkt, die durch Rassismus und Diskriminierung abgewertet und ausgegrenzt werden.
3. Repräsentation macht den Unterschied8: Bei zentralen Entscheidungen muss es zur Normalität werden, dass unterschiedliche Menschen eingebunden sind und bisher unterrepräsentierten Gruppen eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird.
Unsere Vision: Karlsruhe ist frei von Rassismus und Diskriminierung. Dafür müssen wir erkennen, wie wir alle bewusst und unbewusst, individuell wie gemeinsam zu Strukturen beitragen, die rassistisches und diskriminierendes Verhalten aufrechterhalten. Wir müssen mit unserem Wissen und Können dazu beitragen, dass diese Strukturen sichtbar und kontinuierlich abgebaut werden. Unser Ziel muss es sein, Rassismus und Diskriminierung in Karlsruhe zu eliminieren.
7 „Nichts über uns ohne uns“ stammt ursprünglich aus der UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahr 2006 und besagt, dass Menschen mit Behinderungen als Expert*innen in Beratungsprozesse einbezogen werden müssen. Inzwischen wird dieser Leitsatz auch genutzt, um die Bedeutung von effektiver Beteiligung von Betroffenen in Policy-Prozessen hervorzuheben.
8 Der englische Satz „Representation matters!“ wird inzwischen genutzt, um Forderungen nach Vertretungen von Minderheiten in Entscheidungsprozessen, aber auch in Bildung und in den Medien zu bündeln. Das World Economic Forum vermerkt hierzu folgende zentrale Fragen: „1. Wer ist hier und was wissen sie? 2. Wessen Stimme fehlt? und 3. Wie kann anwesenden Minderheiten zugehört werden?“ Mehr unter: weforum.org/agenda/2023/03/representation-knowledge-sharing-indigenous
4. Wirkungsfeldbezogene Ziele und Maßnahmenkatalog
Einige strukturelle Veränderungen können nur auf Landes- oder Bundesebene umgesetzt werden. Auf kommunaler Ebene gibt es jedoch auch Bereiche, auf die Politik und Verwaltung deutlichen Einfluss haben. Wie können also die Handlungsmacht der Kommunalpolitik und die Gestaltungsräume der Verwaltung so genutzt werden, dass alle Bürger*innen der Stadt die gleichen Teilhabechancen haben?
Die vorliegenden Wirkungsfelder, ihre Ziele und Maßnahmen bieten einen Denkanstoß für Bereiche, in denen es dringender Veränderungen bedarf. Sie sind als ein Startpunkt zu sehen, von dem aus, bestimmte Bereiche konkret angegangen werden können. Zugleich eröffnen sie die Möglichkeit, weitere Felder auszumachen, in denen der Einsatz von Maßnahmen notwendig ist.
Wirkungsfeld A: Öffentlichkeitswirksame Aktionen
Die Öffentlichkeits- und Pressearbeit muss vielfalts-, rassismus- und diskriminierungssensibel gestaltet werden. Dazu gehört unter anderem, dass Informationen in leichter Sprache und auf Englisch sowohl gedruckt als auch online zur Verfügung gestellt werden. Im Hinblick auf die wirkungsfeldbezogenen Maßnahmen wurden drei Bereiche identifiziert, in denen sofortige Maßnahmen ergriffen werden können.
1. Vorhandene Strukturen nutzen und stärken
Bereits bestehende Akteur*innen mit eigenen Ressourcen wie die Karlsruhe Marketing und Event GmbH (KME) und das Büro für Engagement des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik sollen beratend hinzugezogen werden.
Kostenlose Ressourcen der Stadt für das Marketing von Events sollen genutzt werden, um auf den RT ARAD aufmerksam zu machen.
Die Stadt Karlsruhe soll sich zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus klar positionieren.
2. Der Bekanntheitsgrad des RT ARADs soll gesteigert und Transparenz für die Öffentlichkeit hergestellt werden.
Eine Ausstellung der Zwischenergebnisse sowie auch eine Verbreitung der Ergebnisse durch Newsletter, Infoblätter und Flyer findet statt.
Durch Vernetzung mit der Presse und städtischen Bibliotheken sowie mit Infoständen auf städtischen Veranstaltungen werden Schlüsselinformationen an die Öffentlichkeit und an Mitarbeiter*innen der Verwaltung und der Tochtergesellschaften weitergegeben.
Der RT ARAD ist mit eigenem Logo, Homepage und Social-Media-Kampagne (#runderTisch) wiedererkennbar.
Multiplikator*innen sprechen über den RT ARAD.
3. Weitere öffentlichkeitswirksame Maßnahmen sind in die Wege geleitet.
Eine Internetseite mit geltenden und für uns nicht änderbaren Gesetzen mit verständlichen Erläuterungen wird erstellt.
Ein rassismus- und diskriminierungskritischer Referent*innen-Pool wird in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen lokalen Akteur*innen generiert und ist online zugänglich.
https://www.weforum.org/agenda/2023/03/representation-knowledge-sharing-indigenous/
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Wirkungsfeld B: Arbeit und Lebensunterhalt
Im Wirkungsfeld Arbeit und Lebensunterhalt soll auf lange Sicht ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sich diskriminierende und rassistische Strukturen auf die Arbeit und den Lebensunterhalt der Bürger*innen der Stadtgesellschaft auswirken. Nur durch ein breites Bewusstsein können diese Strukturen nachhaltig verändert werden. Am Runden Tisch haben weitere Akteur*innen gefehlt, um hier ein vollständiges Bild abzugeben. Vor allem der Lebensbereich Lebensunterhalt und die Diskriminierung, die aus Care-Arbeit entsteht, wurde unzureichend behandelt und die Punkte sind stark auf die Stadt als Arbeitgeberin konzentriert.
Damit erste Schritte in diese Richtung unternommen werden können, wurden folgende Ziele und Maßnahmen formuliert:
1. Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung sind über diese Ziele und Maßnahmen informiert.
Durch Infomaterialien werden die Schlüsselelemente dieses Positionspapiers für die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung und der Tochtergesellschaften zugänglich gemacht unter anderem im Intranet, durch Informationsveranstaltungen und konkrete Ansprechpartner*innen.
2. Handlungsmöglichkeiten für Mitarbeiter*innen und Führungskräfte werden in Schulungen und Workshops erarbeitet.
Sensibilisierungsschulungen zu den Themen Rassismus und Diskriminierung werden für alle Hierarchieebenen als Pflichtschulungen wiederholt durchgeführt.
Die Dringlichkeit und Notwendigkeit dieser Trainings werden vom Oberbürgermeister, den Amtsleitungen und der Leitungsebene der Tochtergesellschaften untermauert.
3. Spielräume für die Integration von Bewerber*innen mit ausländischem Abschluss werden umfänglich genutzt.
Eine zentrale Stelle unterstützt bei der Durchführung von Anerkennungsmaßnahmen, unter anderem durch ein International Department, das ausländische Bewerber*innen begleitet und Wissen über verschiedene Anerkennungsprozesse bündelt und koordiniert.
Bestrebungen werden unterstützt, um die Stufen des Deutschen Qualifikationsrahmens zu erweitern.
Städtische Bewerbungsverfahren sollten zweistufig aufgebaut werden, so dass besonders diskriminierte Individuen respektive Gruppen nicht in der ersten Runde rausfallen9.
9 Studien haben gezeigt, dass anonyme Bewerbungsverfahren diskriminierendes Verhalten reduzieren können, indem zum Beispiel Menschen mit migrantisch klingendem Namen zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Siehe: sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/integration/anonymisiertes-bewerbungsverfahren
Allerdings werden statistisch gesehen mehr Menschen mit Migrationsgeschichte oder Frauen zwischen 30 und 35 – um nur 2 Beispiele zu nennen – dann nach dem Vorstellungsgespräch „aussortiert“. Siehe: wol.iza.org/articles/anonymous-job-applications-and-hiring-discrimination/long
Um dieser Diskriminierung entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, ein zweistufiges Bewerbungsverfahren und positive Maßnahmen, wie zum Beispiel Quoten, einzuführen.
4. Rassistische und diskriminierende Strukturen in der Verwaltung und in den Tochtergesellschaften sind benannt. Verwaltung und Tochtergesellschaften verpflichten sich zu einem respektvollen und bedürfnisorientierten Umgang mit Mitarbeiter*innen mit Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen.
Eine handlungsorientierte Beschwerdestruktur ist in der Stadtverwaltung und in den Tochtergesellschaften vorhanden. Dabei geht es darum, dass jede*r, der Rassismus und Diskriminierung erfahren hat, ohne Scham und Angst sich an fachlich ausgebildete und vertrauenswürdige Personen wenden kann.
Bei dieser Beschwerdestruktur wird darauf geachtet, dass hier arbeitenden Personen über ausreichende Sprachkenntnisse, Sprachverständnis und Empathie verfügen. Außerdem wird auf eine entsprechende Repräsentation in der Besetzung von Stellen geachtet. Beschwerdestellen sollen mit ausreichend Personal und Reichweite ausgestattet sein.
Führungskräfte werden in das Vorgehen bei Diskriminierungs- und Rassismus-Beschwerden geschult und es ist ein einheitlicher Leitfaden für Beschwerden entwickelt worden, an dem sie sich orientieren.
Bestehende Schulungen, zum Beispiel zum AGG, werden auf ihre Aktualität und ihren Einsatz hin überprüft.
Rassismus- und Diskriminierungsfälle werden anonymisiert aber transparent kommuniziert und konsequent verfolgt. Dabei wird das bestehende Recht (vor allem das AGG) einschließlich Sanktionen angewendet und ausgeschöpft.
Gewerkschaften und Personal-/Betriebsrat werden in den Prozess einbezogen.
https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/integration/anonymisiertes-bewerbungsverfahren
https://wol.iza.org/articles/anonymous-job-applications-and-hiring-discrimination/long
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Wirkungsfeld C: Politik und Verwaltung
Im Wirkungsfeld Politik und Verwaltung ergaben sich zahlreiche Erfahrungsberichte, die eine kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Machtstrukturen in der Stadt erfordern. Eine Bestandsaufnahme bestehender intersektionaler, diskriminierender und rassistischer Verhaltensweisen innerhalb der Strukturen der Stadt Karlsruhe ist notwendig. Auch sind der Austausch und die Vernetzung mit Nachbarstädten wie Freiburg, Aalen, Mannheim und anderen wichtig. Hier sieht man die Möglichkeit eines Wissens- und Erfahrungsaustauschs über geeignete und effiziente Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung und Rassismus in kommunalen Strukturen. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, ist es wichtig, einwanderungsfeindlicher Rhetorik entgegenzuwirken. Hierfür ist die Einbindung sowohl der Zivilgesellschaft und Migrant*innengruppen als auch der Politik unentbehrlich.
Vier Ziele konnten zusammenfassend formuliert werden:
1. Die Stadt Karlsruhe lebt den Servicegedanken: Verständliche, nachvollziehbare Prozesse und kompetente Beratung.
Anträge können an einem Ort und digital abgerufen und eingereicht werden.10 Die Schreiben von Verwaltungsstellen werden in einer Sprache formuliert, die den
Empfänger*innen das Verstehen erleichtert. Unverständliche Formulare werden überarbeitet, dabei wird der Integrationsausschuss einbezogen.
Verpflichtende Kurse in Einfacher Sprache11 werden für Mitarbeiter*innen eingeführt.
2. Zugangshürden zu Schlüssel-Institutionen, wie zum Beispiel Bürgerbüro und Ausländerbehörde, werden aktiv abgebaut. Dazu gehört eine kritische Auseinandersetzung mit der Stereotypisierung von Kund*innen und eine rassismus- und diskriminierungsfreie Sprache.
Kompetente Beratung bedeutet verständliche, nachvollziehbare Prozesse in einem Haus. Bei Umstrukturierungsprozessen sitzen alle beteiligten Dienststellen und gesellschaftlich relevanten Akteur*innen an einem Tisch (Sozial- und Jugendbehörde, Ausländerbehörde, Einbürgerungsstelle, Bürgerbüro sowie Akteur*innen aus den Bereichen Wohnraum, Ausbildung, Arbeit und Spracherwerb).
An dem Gemeinderatsbeschluss Willkommenshaus 2021 wird weitergearbeitet. Auf eine Vereinfachung von Vorgängen wird hingearbeitet.
10 Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine konnten innerhalb kurzer Zeit schnelle und unkomplizierte Aufnahmeverfahren für Geflüchtete aus der Ukraine eingerichtet werden. Aus dieser Erfahrung kann geschöpft werden.
11 Einfache Sprache ist eine sehr vereinfachte Form der Alltagssprache. Sie wird vor allem in geschriebenen Texten verwendet. In Texten in Einfacher Sprache wird die Alltagssprache oft als „schwere Sprache“ bezeichnet, weil sie deutlich komplizierter aufgebaut ist. So sollten zum Beispiel keine Fremdwörter oder Abkürzungen verwendet werden und die Sätze sollten kurz sein.
3. Die Partizipation aller Karlsruher*innen an politischen Entscheidungsprozessen wird aktiv gefördert
Bemühungen auf kommunaler Ebene, ein kommunales Wahlrecht für Menschen ohne deutschen oder EU-Pass einzuführen, werden unterstützt.
Informationsveranstaltungen über das aktive und passive Wahlrecht und zu Fragen der Beteiligung in Parteien und politisch wirkenden Organisationen werden abgehalten.
4. Bei der Belegschaft der Stadtverwaltung werden Maßnahmen ergriffen, damit Mitarbeiter*innen für ihre eigenen unbewussten Vorurteile sensibilisiert werden.
Die Stadtverwaltung richtet Beförderungsprozesse ein, die sowohl Fachkompetenzen als auch Gender- und Diversity-Kompetenzen in die Bewertung einbeziehen. Dafür werden Gender- und Diversity-Kompetenzen in allen Stellenprofilen abgebildet und bei Ausschreibungen abgefragt. Vor allem bei der Besetzung von Führungskräften fließen diese Kompetenzen in die Auswahl ein.
Im Klimacheck werden Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung abgefragt und ausgewertet. Diese Fragen decken sowohl die eigene Betroffenheit als auch das Erleben von rassistischem und diskriminierendem Verhalten als Nicht-Betroffene ab. Bei der Erstellung des Klimachecks sowie bei der Auswertung der Ergebnisse wird auf externe Kompetenzen zurückgegriffen.
Antirassismus-Training mit Expert*innen aus der Karlsruher Zivilgesellschaft findet Eingang in das städtische Fortbildungsangebot.
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Wirkungsfeld D: Community-Stärkung und Förderung des Dialogs
Alle Karlsruher Communities sollten Möglichkeiten haben, sich miteinander zu vernetzen und in einen regelmäßigen, gemeinsamen Austausch zu gehen. Dafür ist es notwendig, Orte zu schaffen, an denen sowohl Austausch als auch öffentliche Präsentation möglich ist. Genauso wichtig sind auch langfristig gesicherte Schutzräume, in denen Community-Mitglieder untereinander sein und in die sie sich zurückziehen können.
Innerhalb wirkungsfeldbezogener Maßnahmen wurden drei Bereiche identifiziert, in denen sofortige Maßnahmen ergriffen werden können.
1. Vorhandene Plattformen und Angebote werden vernetzt und an Bedürfnisse angepasst.
Eine allgemeine Online-Präsenz in Form einer interaktiven Karte für Communities wird geschaffen. Eine Verknüpfung zu anderen Seiten und Homepages, wie zum Beispiel AniKa12 und geoportal.karlsruhe.de13 wird ermöglicht. Communities haben hier die Möglichkeit, ihre eigenen Räume für andere Communities anzubieten, um sich untereinander organisieren und unterstützen zu können.
Sozial- und Jugendbehörde, Amt für Informationstechnik und Digitalisierung, Presse- und Informationsamt und das Liegenschaftsamt sollen bei der technischen Umsetzung unterstützen und zur Beratung hinzugezogen werden.
2. Die Stadt fördert, stärkt und unterstützt Communities.
Langfristig geplante und finanziell gesicherte Veranstaltungen, bei denen die vielfältige Stadtgesellschaft zusammenkommt, sind Teil des Karlsruher Stadtlebens. Diese dienen dem Austausch zwischen den Communities und der Stadtgesellschaft und werden öffentlich ausgetragen und von Seiten der Stadt finanziell unterstützt. Dadurch soll auch langfristig die gesamtfinanzielle Situation für Communities verbessert werden (Beispiele: CSD, Mondo etc)
Ein regelmäßiges Storytelling- und Begegnungsformat wird durch die Stadt organisiert und finanziert. Vorschläge des Runden Tisches sind:
– Mondo14 wird ausgebaut und zu einem Festival der Vielfalt für alle Communities und Kulturen erweitert.
– Ein neues Festival der Vielfalt wird ins Leben gerufen, bei dem sich Communities präsentieren können.
– Die Infomeile bei Das FEST wird ausgebaut, sodass sich verschiedenste Communities vorstellen und präsentieren können.
– Das in Pforzheim umgesetzte Fest der Vereine15 wird auch in Karlsruhe veranstaltet.
12 Das Bündnis AniKA – Ankommen in Karlsruhe – ist ein Bündnis aus integrationspolitisch arbeitenden Akteur*innen in der Stadt Karlsruhe. Siehe: anika-net.de
13 Das Geoportal Karlsruhe ist die zentrale Sammelstelle von Stadtplänen und Geodaten der Stadtverwaltung.
14 Ein Fest, das die kulturelle Vielfalt der Karlsruher*innen zeigt. Ausländisch-deutsche Vereine und Institutionen präsentieren sich mit Ständen und einem vielseitigen Kulturprogramm. Sie informieren über aktuelle Projekte, Aktivitäten und Veranstaltungen zur interkulturellen und internationalen Arbeit in Karlsruhe. Siehe: ibz-karlsruhe.de/ibz-projekte/mondo
15 Siehe: pforzheim.de/veranstaltungen/ansicht-veranstaltungen/event/d/s/eventDetail/2023-07-07_1400/fest-der-vereine.html
Die oben genannten Storytelling- und Begegnungsformate werden von der Stadt ausreichend gefördert, sodass eventuell anfallende Teilnahmegebühren der finanziellen Realität der teilnehmenden Organisationen entsprechen.
Karlsruhe agiert in Zusammenarbeit mit Best-Practice-Städten und ist Teil standardisierter Projekte, zum Beispiel Rainbow-Cities16 wie Heidelberg.
Die Beteiligung von Communities an politischen Entscheidungsprozessen ist gesichert und erwünscht. Ein Diversity-Beirat wird ins Leben gerufen.
Da einige Communities noch keine Schutzräume haben, werden neue geschaffen. Hierfür werden in künftigen Haushalten explizit Räumlichkeiten wie auch finanzielle Mittel bereitgestellt. Diese müssen unbürokratisch verteilt werden können.
3. Die Kommunikationsstrategie der Stadt wird angepasst, um die Sichtbarkeit der Beteiligung von verschiedenen Communities am Stadtleben hervorzuheben.
Als großer Kritikpunkt wurde der aktuelle Imagefilm der Stadt Karlsruhe genannt. Bei der Umsetzung des Filmes wurden einzelne Akteur*innen der Karlsruher Stadtgemeinschaft nicht hinzugezogen. So fühlen sich viele Communities nicht ausreichend oder auch falsch dargestellt. Zudem wird die Darstellung einzelner Communities stark kritisiert, da ihre langjährige (ehrenamtliche) Arbeit teilweise als rein spaßiges Miteinander oder gar als ein Verdienst der Stadt dargestellt wird. Somit wird die zugrunde liegende (soziale und politische) Ernsthaftigkeit nicht wahrgenommen, und die Stadt macht sich das Engagement, das sie teilweise nicht ausreichend unterstützt oder gefördert hat, zu Eigen.
Bei zukünftig geplanten Imagekampagnen und allen ähnlichen Werbemaßnahmen der Stadt soll die Zivilgesellschaft beratend bei der Planung und Durchführung des jeweiligen Vorhabens hinzugezogen werden. Dies könnte durch eine Fokusgruppe umgesetzt werden.
Es wird auf Diversität in der Besetzung von Rollen bzw. dargestellten Menschen geachtet, so dass nicht weiterhin ein überwiegend cis-weiß-männlicher Typus von Karlsruhern dargestellt wird. So soll ein realistischer Durchschnittsmensch dargestellt werden, der in Karlsruhe wohnt – und nicht nur herausragende Persönlichkeiten.
Werden gewisse Themen oder Engagements beleuchtet, wird zum einen um die Erlaubnis der Communities gebeten, zum anderen wird die Darstellung vorab an- und durchgesprochen, um Stereotypisierungen oder Falschdarstellungen zu vermeiden.
16 Das Netzwerk der Regenbogenstädte – das „Rainbow Cities Network“ – ist ein internationaler Zusammenschluss von Städten, die sich der Akzeptanz von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queerer Menschen (LSBTTIQ) verpflichten. Mehr dazu: heidelberg-marketing.de/service/barrierefreiheit-gleichstellung/rainbow-city und rainbowcities.com/the-rainbow-cities
https://www.karlsruhe.de/mobilitaet-stadtbild/bauen-und-immobilien/geoportal-karlsruhe
https://www.anika-net.de/de/
https://www.ibz-karlsruhe.de/ibz-projekte/mondo/
https://www.pforzheim.de/veranstaltungen/ansicht-veranstaltungen/event/d/s/eventDetail/2023-07-07_1400/fest-der-vereine.html
https://www.heidelberg-marketing.de/service/barrierefreiheit-gleichstellung/rainbow-city
https://www.rainbowcities.com/the-rainbow-cities/
18 | Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit | 19
Wirkungsfeld E: Kunst und Kultur
Kunst und Kultur soll allen Menschen zugänglich gemacht werden. Das bedeutet sowohl, bei bestehenden Angeboten auf Teilhabe-Möglichkeiten zu schauen als auch den Kunst- und Kultur- Kanon zu hinterfragen. Ein breites Kulturverständnis wird anerkannt und gelebt.
Dazu benötigt es folgende Schritte:
1. Finanzielle Ressourcen, Räume und Material werden für Kunst- und Kulturprojekte bedarfsorientiert verteilt, mit einem besonderen Blick für bisher unsichtbare respektive unterrepräsentierte Gruppen.
Eine regelmäßige Bedarfserhebung bei Kunst- und Kulturschaffenden findet statt. Kostenfreie kulturelle Angebote mit niederschwelligem Zugang werden ausgebaut, zum Beispiel
indem sie an freie Tickets des Karlsruher Verkehrsverbundes gekoppelt werden. Durch Bereitstellung von Checklisten werden Veranstalter*innen darin unterstützt, ihre Angebote
barrierefrei zu gestalten. Auf einen intersektionalen Werkzeugkasten wird hingearbeitet. Eine Filterfunktion des städtischen Veranstaltungskalenders in mehreren Sprachen ermöglicht
Zugang und Informationsweitergabe in Fremdsprachen.
2. Eine kritische Auseinandersetzung mit Quellen von Kunst und Kultur in Karlsruhe findet statt, um zu thematisieren, welche Geschichte von wem erzählt wird. In diesem Zusammenhang wird die Stadtgesellschaft für Themen wie Respekt und kulturelle Aneignung sensibilisiert.
Mitarbeitende des Kulturbüros durchlaufen Schulungen zur Sensibilisierung für Rassismus und Diskriminierung.
Finanzmittel werden bereitgestellt, um Projekte zur kulturellen Aufarbeitung zu ermöglichen. Das Kulturamt stellt im Jahresbericht die geförderten Projekte vor.
3. Antidiskriminierung wird (in Anlehnung an das Best Practice Arts Council UK)17 als Benchmark bei der Förderung von Projekten und Institutionen etabliert und durch das Kulturbüro entwickelt.
Parameter zur Antidiskriminierung im Berichtswesen werden im ersten Schritt für das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien und das Badische Staatstheater aufgesetzt.
Die Verwaltung geht als Beispiel voran und überträgt Erkenntnisse auf private Einrichtungen und Projektträger*innen.
Fortbildungsmöglichkeiten zur Umsetzung von Antidiskriminierung im Kulturbereich werden mit Einbezug von lokalen Expert*innen entwickelt und umgesetzt (zum Beispiel Beantragung von Fördermitteln; Fachthemen; Sprache)
Die Anerkennung der künstlerischen Leistungen und künstlerisch tätigen Menschen wird ermöglicht. Die Stadtgesellschaft arbeitet aktiv daran, dass Künstler*innen von ihrem künstlerischen Dasein leben können, indem sie zum Beispiel aktiv dem Gender Pay Gap entgegenwirkt und angemessene Honorare in Aufträgen vergibt.
17 Siehe: artscouncil.org.uk/dycp
Wirkungsfeld F: Wohnen
Im Bereich Wohnungsvergabe und Stadtplanung wird bereits einiges in der Stadt Karlsruhe realisiert. Die bisherigen Maßnahmen und Ergebnisse sollen für ein breites Publikum und vor allem für bisher nicht erreichte Gruppen zugänglich gemacht werden.
Ergänzend dazu wurden drei Themenbereiche bearbeitet:
1. Kommunikation bündeln und aktives Zugehen auf Beteiligte
Die Quartiersplanung achtet auf eine diverse Stadtlandschaft und bezieht Sozialmanager*in als Beschwerdestelle und Ansprechpartner*in sowie andere relevante Akteur*innen in die Planung ein.
Volkswohnung und Wohnungsbau-Genossenschaften nutzen: Gerechtere Verfahren durch Anwartschaften / Losverfahren ermöglichen.
Eine Vermittlungsstelle für internationale Studierende bei der Wohnungssuche wird eingerichtet.
2. Wohnungssuche professionell begleiten
Eine öffentlich zugängliche Beschwerdestelle für Beschwerden im Wohnbereich nach dem AGG wird geprüft.
Eine Selbstverpflichtung der Entscheidungsträger*innen auf allen Ebenen, rassismus- und diskriminierungssensibel zu handeln, wird gemeinsam entwickelt und von Beteiligten unterschrieben.
Anreize für die private Vermietung werden entwickelt. Eine sozialpädagogische und sozialökonomische Begleitung für neue Zugewanderte wird angeboten.
3. Die Unterbringung für Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften soll verkürzt werden
Eine „vorläufige Unterbringung“ bis maximal 6 Monate wird angestrebt.
https://www.artscouncil.org.uk/dycp
20 | Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit | 21
Wirkungsfeld G: Öffentlicher Raum
Das Wirkungsfeld hat deutlich gemacht, dass es bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes nicht nur darum gehen kann, Begegnungen zu gestalten sondern, dass es auch darum gehen muss, den öffentlichen Raum für alle angstfrei zu machen.
Entlang dieser zwei Ziele wurden Maßnahmen formuliert:
1. Begegnungsraum als angstfreier Raum gestalten
Öffentliche Verkehrsmittel, Straßen und öffentliche Dienstleistungen müssen barrierefrei und wertneutral gestaltet werden.
Bürger*innen-Trainings im öffentlichen Raum (für Zugewanderte und für Ansässige), sowie auch rassismus- und diskriminierungskritische Trainings für Polizei, Therapeut*innen, private Sicherheitsfirmen und weitere in der öffentlichen Infrastruktur Tätige werden angeboten.
2. Begegnungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum aktiv gestalten
Die Idee eines interkulturellen Hauses / Global Village18 als Begegnungsort wird erörtert. Alternative Wohn- und Bauformen sowie Orte der zivilgesellschaftlichen Beteiligung und weitere
Dritte Orte wie zum Beispiel Co-Working in Selbstverwaltung, Intergenerationale Räume und Werkstatträume oder Reparaturcafés werden geprüft19.
Die Mehrfachnutzung öffentlicher Räume, wie zum Beispiel Schulen, Kirchen, Jugendzentren und Familien-Zentren, wird ermöglicht.
Auch die Mehrfachnutzung privater Räume wie zum Beispiel durch die Kooperation zwischen privaten Firmen mit NGOs wird gefördert und auch kostengünstige Lösungen angeboten.
Die temporäre Nutzung von Leerflächen und Tauschgeschäfte (Räume gegen Dienstleistung zum Beispiel) wird ermöglicht.
Wirkungsfeld H: Bildung und Schule
Im Bemühen, eine gerechte und inklusive Bildung zu schaffen, sind verschiedene Maßnahmen und Strategien geplant. Dazu gehören die Stärkung der Partizipation und Mitbestimmung in Schulen und Kitas, die Umsetzung von Vielfalt in allen Bildungsbereichen sowie die Bereitstellung finanzieller Mittel für innovative Bildungsprojekte. Gleichbehandlung, Gewaltprävention, Medienkompetenz und kulturelle Sensibilisierung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
1. Partizipation und Mitbestimmung in Schulen und Kitas
Schulleitungsteams, Lehrer*innen und pädagogischen Fachkräften wird kontinuierliche Fortbildung zur Förderung diversitätssensibler und rassismuskritischer Schulentwicklung ermöglicht.
Es findet eine Beratung durch pädagogische Fachkräfte und Expert*innen im Bereich Rassismus sowie eine Stärkung der Partizipation durch Vertrauenslehrer*innen-Positionen statt.
18 Als Beispiel ist hier das Berlin Global Village zu nennen. Hier arbeiten ca. 50 entwicklungspolitische und migrantisch-diasporische Vereine und Initiativen zu unterschiedlichen Themen globaler Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Diversität. Siehe: berlin-global-village.de
19 Das Haus des Engagements in Freiburg ist ein gutes Beispiel für einen Dritten Ort, an dem zivilgesellschaftlich Engagierte zusammenkommen können. Auf deren Webseite sind weitere ähnliche Projekte aufgeführt. Siehe: haus-des-engagements.de/ueber-uns/aehnliche-projekte
2. Gewaltprävention und Medienkompetenz
Es wird eine flächendeckende rassismus- und diskriminierungskritische Schulung und Sensibilisierung von Lehrkräften, Mitarbeitenden, Schüler*innen, Eltern und Studierenden angeboten.
Präventionsangebote mit dem Fokus auf Rassismus und Diskriminierung durch externe Expert*innen sowie von der Polizei für alle am Schulleben Beteiligten werden bereitgestellt.
Es werden Möglichkeiten geschaffen, innovative Projekte zu entwickeln und umzusetzen.
3. Gleichheit, Vielfalt und Inklusion im Bildungssystem
Es gilt eine Gleichbehandlung für alle und klare Maßnahmen gegen rassistische Äußerungen. Inklusive Bildung und Schaffung von Schutzräumen für Schüler*innen, Eltern usw. an Schulen
wird fest verankert. Zugangsbarrieren werden abgebaut und gleiche Bildungschancen unabhängig vom Elternhaus
realisiert. Diversity wird in allen Bildungsbereichen umgesetzt und Mehrsprachigkeit anerkannt und
gestärkt.
4. Kulturelle Sensibilisierung und Aktivierung der Eigenidentität
Es werden Sensibilisierungsmaßnahmen zur diskriminierungssensiblen Sprache für alle am Schulleben Beteiligten durchgeführt.
Eigenidentität, Selbstbeschreibung und Eigenkultur wird konsequent gefördert.
5. Aufbau einer unabhängigen, übergreifenden Beratungsstelle
Durch eine Beratungsstelle für Bildungseinrichtungen in Karlsruhe könnte eine Vielzahl der oben genannten Maßnahmen umgesetzt und könnten bestehende Angebote zusammengeführt werden. Diese Beratungsstelle sollte:
vielfältig aktiv gestaltet werden, Diversitätskompetenz vermitteln, eine kritische Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit im Bildungsbereich umsetzen und
etablieren, vertrauensvolle Ansprechpartner*innen und Unterstützung für Schüler*innen stellen, Sprachenpolitik vermitteln, institutionenbezogene Sensibilisierungsprogramme für alle am Schulleben Beteiligten
durchführen, systematische Fortbildung von Lehrkräften zum rassismus- und diskriminierungskritischen Lernen
und Lehren durchführen, einen interreligiösen Dialog gestalten,
und unterschiedlichste Akteur*innen so miteinander vernetzen.
https://www.berlin-global-village.de/
https://haus-des-engagements.de/ueber-uns/aehnliche-projekte/
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5. Partizipative Evaluation
Eine fortlaufende, partizipative Prozessevaluation soll durch eine unabhängige Monitoring-Gruppe aus Beteiligten des RT ARADs stattfinden. Partizipative Prozessevaluationen geben Rückschlüsse über die Qualität der Kommunikation zwischen einer Verwaltung und den Bewohner*innen einer Stadt oder Kommune. Erkenntnisse über Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung können, auch über den Gegenstand des Prozesses hinaus, gewonnen werden. Evaluationen, die einem intersektionalen Ansatz folgen, geben auch wertvolle Informationen darüber, wer durch Beteiligungsprozesse erreicht wird und wer nicht. Solche Erkenntnisse geben wiederum wichtige Rückschlüsse über den Grad des Vertrauens der und in die Verwaltung und stärken seitens der Bürger*innen die Akzeptanz und Unterstützung für politische Entscheidungen.
6. Eine Zusammenfassung der bisherigen Arbeitsschritte, Beteiligungsveranstaltungen und Ausblick für das Jahresende 2023
Januar – Juli 2021
Nach Beratungen im Karlsruher Gemeinderat und seinen Ausschüssen beschließt dieser im Juli 2021 einstimmig, den Runden Risch kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit zu etablieren. Diese Entscheidung greift gesellschaftspolitische Debatten auf und geht auf Forderungen der Zivilgesellschaft ein, die in der Stadt eine diversitätssensible und rassismuskritische Haltung erwarten. Sie zeigt den starken politischen Willen, sich mit strukturell verankertem Rassismus und Diskriminierung auseinanderzusetzen. Die Federführung des Runden Tisches liegt zunächst beim Kulturamt, ab 2021 tritt das Büro für Integration gleichberechtigt hinzu.
Juli 2021
In einem ersten Schritt sammeln 30 Teilnehmende aus der Verwaltung und der Zivilgesellschaft im Bürgersaal des Rathauses über 100 Ideen und Vorschläge zu Herausforderungen und Bedarfen im Bereich Antirassismus und Antidiskriminierung. Die Schlüsselrolle von Menschen in Entscheidungspositionen wird betont, ebenso die Bedeutung der Verfügbarkeit von Ressourcen für die Arbeit in den Bereichen Antirassismus und Antidiskriminierung. Genannt werden Beispiele, in denen die Arbeit gut läuft, wie bei den Wochen gegen Rassismus und die Antidiskriminierungsstelle.
Januar 2022
In einer Online-Veranstaltung mit den 17 Teilnehmenden wird über verbindende Elemente des Zusammenlebens gesprochen und es werden konkrete Visionen für die Zusammenarbeit formuliert.
Februar 2022
In einer Umfrage wird erhoben, wie sich der Runde Tisch zusammensetzt. Gleichzeitig werden weitere Menschen eingeladen, am Runden Tisch teilzunehmen.
April 2022
Der Prozess wird im Kulturzentrum Tollhaus fortgesetzt. Es wird an einem gemeinsamen Verständnis über die Begriffe Rassismus, Migrationshintergrund und Diskriminierung gearbeitet und darüber gesprochen, welche Veränderungen erforderlich sind und wie sie sich bemerkbar machen. In einem zweiten Schritt diskutieren die Teilnehmenden in einem Open Space an vier Metaplanwänden zu vier gleichen Fragestellungen.
Das Organisationsteam des Runden Tisches wird um ehrenamtliche, aus der Zivilgesellschaft kommende Teilnehmer*innen des Runden Tisches erweitert. Diese Begleitgruppe übernimmt die Aufgabe, den Runden Tisch inhaltlich und methodisch zu unterstützen und die Zusammenarbeit zu stärken.
24 | Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit | 25
Mai 2022
Der Runde Tisch trifft sich im Foyer des Badischen Staatstheaters. Die Anwesenden schärfen in Kleingruppen ihr Verständnis zu den Begriffen Rassismus und Diskriminierung. Geleitet durch ehrenamtliche Moderator*innen aus der Begleitgruppe werden übereinstimmende Ideen und Definitionen gebündelt. Anschließend wird in Gruppenarbeit an den insgesamt acht Wirkungfeldern Kunst und Kultur, Bildung und Schule, Community-Stärkung und Förderung des Dialogs, Öffentlichkeitswirksame Aktionen, Arbeit und Lebensunterhalt, Öffentlicher Raum, Wohnen sowie Politik und Verwaltung gearbeitet.
Oktober 2022
Der Prozess wird im Foyer des Badischen Staatstheaters fortgesetzt. Die Arbeit an den 8 Wirkungsfeldern wird fortgeführt. Die Teilnehmenden befassen sich näher mit Rassismus und Diskriminierung in den einzelnen Wirkungsfelder sowie mit wirkungsvollen Maßnahmen, ebenso mit wirkungsvollen Maßnahmen in diesen Bereichen.
Dezember 2022 und Januar 2023
In 2 Sitzungen der Begleitgruppe werden die Ziele der einzelnen Wirkungsfelder ausformuliert und als kurz-, mittel- oder langfristig eingestuft. Schlüsselakteur*innen werden genannt und Meilensteine für das kommende Jahr besprochen.
Februar 2023
Der Prozess wird im Kulturzentrum Tollhaus fortgesetzt. Die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele werden in Kleingruppen mit allen Teilnehmenden besprochen, erweitert und ergänzt, ebenso der Kreis der zusätzlich für die Umsetzung erforderlichen Schlüsselakteur*innen.
April 2023
In 2 Begleitgruppensitzungen wird der Entwurf eines Positionspapiers besprochen und eine Redaktionsgruppe gebildet. Erfahrungen und Anregungen aus den Karlsruher Aktionen zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus werden für die weitere Arbeit aufgegriffen. Gemeinsam wird der kommende Runde Tisch für Mai 2023 geplant und die Arbeit am Positionspapier beginnt.
In 2 Begleitgruppentreffen wird der aktuelle Stand des Positionspapieres besprochen. Teile der Begleitgruppe arbeitet in mehreren Treffen und auch privat an dem Positionspapier, das von der Projektgruppe fertig gestellt wird.
Mai 2023
Der Runde Tisch wird im Festsaal des Studentenhauses fortgesetzt. Zusätzlich zu den bisherigen Mitgliedern des Runden Tisches sind die von dort benannten Schlüsselakteur*innen eingeladen, ebenso erstmals Vertreter*innen der Fraktionen des Karlsruher Gemeinderates. Gemeinsam werden Maßnahmen für alle entwickelten Ziele zusammengetragen.
In 2 Begleitgruppentreffen wurde das Positionspapier ausführlich besprochen und bearbeitet. Zusätzlich fanden weitere Einzelbesprechungen mit Begleitgruppenmitgliedern statt, um die einzelnen Wirkungsfelder und ihre Ziele bestmöglich zusammenzufassen und darzustellen.
• Zivilgesellschaftliche Organisationen • Migrationsbeirat • Nichtstädtische Organisationen • Tochtergesellschaften der Stadt • Stadtverwaltung
Teilnehmer*innen - Zahlen und Diversität
Monat Zivilgesellschaftliche Organisationen Migrationsbeirat Nichtstädtische Organisationen Tochtergesellschaften der Stadt Stadtverwaltung
0 25 50 75 100
Juli 202118 1 4 10
Januar 20222 2 6 6
April 202223 10 12
Mai 2022
Oktober 202237 1 0
Februar 20234 13
Mai 2023
26 | Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit | 27
Der Runde Tisch in Zahlen Dynamik des Prozesses – Organigramm
Projektteam
Kulturamt Büro für Integration
Begleitgruppe
Ergebnisse
RUNDER TISCH
Methodische und inhaltliche Arbeit am Prozess
Gemeinsame Planung und Durchführung
Teilnehmende
Politik und Verwaltung
Community Stärkung und Förderung des
Dialogs
Wohnen
Bildung und Schule
Öffentlicher Raum
Arbeit und Lebensunterhalt
Öffentlichkeits- wirksame Aktionen
Kunst und Kultur
Runde Tische an insgesamt vier Veranstaltungsorten in Karlsruhe
7x
Beratungsstunden in der Begleitgruppe
80über
Wöchentliche Meetings der Projektgruppe und stetiger dezernatsübergreifender Austausch
Kulturamt Büro für Integration
Stadtjugend- ausschuss
Gleichstellungs- büro
RUNDER TISCH
28 | Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit Positionspapier kommunale Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit | 29
Runder Tisch #6 27.02.2023
Februar
Erstellung des Positionspapiers
Juni
Runder Tisch #7 03.05.2023 Maßnahmen- Formulierung
Mai
Positionspapier- Entwurf,
Wirkungsfelder, Ziele und Meilensteine
März
Der Runde Tisch als Modell – Was wir im bisherigen Prozess von- und miteinander gelernt haben
1. Wir haben gelernt, dass die Vielfalt der Teilnehmenden und Themenfelder eine Chance für einen ganzheitlichen und dynamischen Prozess darstellt.
2. Die Intersektionalität in den Themenfeldern Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit hat gezeigt, wie wichtig es ist, sie in ihrer Gesamtheit zu betrachten.
3. Wir haben erkannt, dass ein politischer und zivilgesellschaftlicher Wille auf verschiedenen Ebenen notwendig ist, um strukturellen Rassismus und Diskriminierung nachhaltig zu bekämpfen.
4. Die Zusammenarbeit und der gemeinsame Dialog sind zentrale Faktoren für den Erfolg des Prozesses. Wir haben festgestellt, dass wir uns auch in unserem gemeinsamen Projekt des Runden Tisches nicht in einem machtfreien Raum bewegen. Wir lernen Spannungen auszuhalten und uns mit uns selbst, unserer Position und unserer Arbeit kritisch auseinanderzusetzen.
5. Wir haben ein besseres Verständnis füreinander entwickelt und Netzwerke aufgebaut, die den Prozess nachhaltig tragen werden.
6. Wir haben gelernt, wie strukturell verankert Rassismus und tägliche Diskriminierung auch in kleinen Schritten bekämpft werden können, und welche Rolle partizipative Zusammenarbeit dabei spielt. Unser Bewusstsein für strukturelle Benachteiligungen wird sowohl im zivilgesellschaftlichen, politischen als auch städtischen Alltag gestärkt.
7. Der Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb der Gruppe haben uns gezeigt, dass Veränderungen möglich sind und, dass wir gemeinsam etwas bewegen können.
Durch den Runden Tisch entsteht ein Modell, welches unsere Stadtgesellschaft verstärkt und in einen zivilen Zusammenhalt fördert. Dieses Netzwerk und die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Prozess können als Grundlage für zukünftige Entscheidungen und Handlungen in Richtung einer inklusiven und diskriminierungsfreien Gesellschaft in Karlsruhe dienen.
Die Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft, stadtnaher und städtischer Institutionen ist ein zentraler Motor für Veränderung. Gemeinsam wird ein unverzichtbarer Beitrag zur Stärkung der Demokratie und zur Förderung von Partizipation und Inklusion geleistet.
Zeitstrahl Runder Tisch 2023
Positionspapier am 24. Oktober im Gemeinderat
Abschlussveranstaltung Runder Tisch #8
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Apell, städtische Akteur*innen
(auf allen Ebenen) in den Prozess mit einzubeziehen
17. März Kulturauschuss
informieren
Information an Gemeinderats- Mitglieder über den bisherigen
Prozess
Gemeinderats- Mitglieder waren zur zweiten Hälfte der Veranstaltung
des Runden Tisches eingeladen
Fortsetzung des Prozesses bei entsprechendem Mandat und
Verfügbarkeit der erforderlichen Ressourcen
Februar
Oktober
März
November
April Mai Juni
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Vorstellung der bisherigen Arbeiten bei Bürgermeistern
2024
19. Oktober Gemeinsame Sitzung Integrationsausschuss und Kulturausschuss
0. Vorab: Wer sind „Wir“
1. Präambel
2. Strukturen erkennen
3. Strukturierter Dialog
4. Wirkungsfeldbezogene Ziele und Maßnahmenkatalog:
5. Partizipative Evaluation
6. Eine Zusammenfassung der bisherigen Arbeitsschritte, Beteiligungsveranstaltungen und Ausblick für das Jahresende 2023
https://web1.karlsruhe.de/ris/oparl/bodies/0001/downloadfiles/00652483.pdf
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann Portraits von Männern in Teilzeit
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann Portraits von Männern in Teilzeit
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Vorworte
Dr. Hans Endl Dr. Christa Sedlatschek 4
Teilzeiterwerbstätigkeit von Männern Tanja M. Brinkmann, Rena Fehre, Götz Richter, Margareta Steinrücke 6
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann Portraits von Männern in Teilzeit
„Männer müssen mutiger sein, und Frauen müssen fordernder sein.“ Matthias Eck 12
„Ich verbinde mit männlich sein oder Mann sein eben nicht 15 Stunden am Tag zu arbeiten.“ Markus Zimmermann 18
Im Einsatz als aktiver Vater: „Ich habe es nie bereut. Es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht und macht auch noch viel Spaß.“ Christian Reil 24
„Führungskräfte müssen nicht die Ersten sein, die kommen und die Letzten, die gehen. Sie müssen aber für ihre Mitarbeiter da sein, wenn es offene Fragen gibt.“ Tim Landgraf 32
„Männer müssen ihre Wünsche und Ansprüche gegenüber ihrem Vorgesetzten klar äußern.“ Jürgen Kolbe 40
Arbeit auf mehrere Schultern verteilen und Zeit für eigenständige Kunst gewinnen Dr. Thomas Steidel 46
„Wir haben immer zugesehen, dass wir trotz der Kinder unser Fortkommen in der Karriere ungefähr gleich gestalten.“ Christof Ronge 52
Aus Elternzeit in Teilzeit Peter Heuschötter 58
Inhaltsverzeichnis
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Vorwort
Hand aufs Herz: Kennen Sie einen „Teilzeitmann“? Einen, der nicht 40 oder 50 Stunden die Wo- che an der Werkbank steht, im Büro sitzt oder in der Produktionshalle schuftet? Der freiwillig sei- ne Arbeitszeit reduziert hat, um sich mehr für die Familie oder für das Ehrenamt zu engagieren? Wahrscheinlich nicht, denn noch immer sind es in erster Linie Frauen, die im Beruf einen Schritt zurücktreten, um die Kinder zu betreuen, Angehörige zu pflegen oder sich anderen gesellschaft- lichen Aufgaben zu widmen. Fast die Hälfte der berufstätigen Frauen in Deutschland arbeitet in Teilzeit, bei den Männern sind es nicht einmal zehn Prozent. Es gibt sie also doch und wir haben welche gefunden, die wir Ihnen vorstellen wollen. Die acht Teilzeitler gewähren uns einen Einblick in ihr Leben – sowohl beruflich als auch privat. Und sie beweisen, dass Teilzeitarbeit nichts für Feiglinge ist und durchaus Platz hat für den „Vollzeitmann“.
Dass Teilzeit auch im Jahr 2009 noch überwiegend weiblich ist, hängt gleich mit mehreren Faktoren zusammen. Einer der Gründe ist das Einkommen. Auch heute verdienen Frauen im Durchschnitt deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen – und das bei gleicher, teils sogar höherer Qualifikation. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und stagnierender Löhne können die meisten Familien nicht auf den Hauptteil ihres Einkommens verzichten. Um auf dieses Ungleichgewicht aufmerksam zu machen und es zu beseitigen, beteiligt sich die Arbeitnehmer- kammer Bremen auch an dem in diesem Jahr in Deutschland zum zweiten Mal stattfindenden „Equal Pay Day“.
Wenn wir über Teilzeitarbeit von Männern sprechen, spielt aber auch ein anderer Faktor eine entscheidende Rolle – die Verteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern. Wer übernimmt Familienaufgaben, wer widmet sich dem Beruf oder wie lässt sich beides „gerecht“ verteilen? Und welchen Stellenwert hat in unserer Gesellschaft die Erwerbsarbeit, die Familienarbeit und ehrenamtliches Engagement? Als erfolgreich gilt noch immer, wer sich im Beruf profiliert. Das wiederum spiegelt sich im Arbeitsalltag wider: Wer Vollzeit arbeitet und Überstunden leistet, qua- lifiziert sich für einen guten Job, eine aussichtsreiche Position und ein angemessenes Gehalt.
Können Männer, die Teilzeit arbeiten, angesichts dieser Voraussetzungen auch „ganze“ Männer sein? Den Beweis liefert die vorliegende Broschüre. In diesem Sinne wollen wir als Arbeitneh- merkammer mit diesen Beispielen anderen Männern Mut machen und ein Stück dazu beitragen, dass Arbeit – im Beruf wie in der Familie – künftig auf alle Schultern gerecht verteilt wird.
Dr. Hans Endl Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Vorwort
Männer in einem Teilzeitjob gehören noch immer zu einer Minderheit, die besonders mutig und innovativ oder aber den Umständen gehorchend sich dem traditionell vorherrschenden (Vor-) Bild entziehen (müssen) und nicht mehr den (alleinigen) Familienversorger abgeben. Die Umsetzung dieses Veränderungsprozesses in der realen (Berufs-) Welt scheint aber mühsam und zäh, wie die Erfahrungen aber auch die Zahlen und Fakten zeigen.
Nur die Zeit drängt. Der demographische Wandel ist schon lange bei uns angekommen, die Mehrzahl der Beschäftigten wird immer älter, die Gruppe der jungen Menschen immer klei- ner. Gut ausgebildete Frauen sind am Arbeitsmarkt stark nachgefragt, gleichzeitig kommt es aber durch die Folgen von Globalisierung und damit einhergehender Flexibilisierung von Ort und Zeit zur Entgrenzung von Beruf und Privatleben. Die Geburtenzahl in Deutschland ist weiterhin fallend, was nicht nur an der sinkenden Einwohnerzahl liegt, sondern vor allem an den seit Jahrzehnten vorherrschenden kinder- und familienfeindlichen Rahmenbedingungen. Eine Verbes- serung dieser Situation ist erkennbar, aber der große Durchbruch ist noch ausgeblieben. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns vor Augen halten, dass für eine signifikante Verbesserung sehr rasch die gesellschaftlichen und sozialpolitischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen.
Die INQA Studie „Was ist gute Arbeit“, basierend auf der Befragung von mehr als 7400 Beschäf- tigten, zeigt sehr eindringlich, was Beschäftigte motiviert, gute Arbeit in einem Unternehmen zu erbringen und welche Voraussetzungen sowohl physisch als auch psychisch förderlich sind: ne- ben Existenzsicherung und ergonomisch gestalteter Arbeit steht die Mitgestaltung und Einfluss- nahme auf Arbeitsorganisation und Arbeitszeit im Mittelpunkt der Wünsche. 63% klagen über Nichtberücksichtigung privater Belange, 49% über übermäßige Mehrarbeit und Überstunden, 41% über Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit.
Wie könnte nun das Leben von selbstbewussten Männern und Frauen aussehen, die beschlos- sen haben, nicht mehr nach traditioneller Art ihr Leben zu gestalten, sondern einen neuen Weg gefunden und ein Stück Freiheit wieder gewonnen haben?
Wie derartige Lebensmodelle aussehen könnten, darüber erfahren Sie mehr in acht Geschichten, erzählt von Männern, die ungeschminkt ihren Weg mit all den Höhen und Tiefen beschreiben und bis dato (fast) Nichts bereut haben. Es geht dabei nicht nur um Familie und Beruf, sondern auch darum, eigene Träume zu realisieren, die vielleicht weit außerhalb von Beruf, Karriere und Familie liegen.
Die Geschichten erzählen von Männern und Frauen, die aus tradierten Rollen heraustreten und neue Verantwortlichkeiten, Einsichten und Handlungsmuster übernehmen. Sie machen Mut, ge- ben Denkanstöße, zeigen ungewöhnliche Lösungsansätze auf und motivieren vor allem, keine Angst vor Neuem zu haben.
Dr. Christa Sedlatschek INQA Geschäftsführerin
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Männlichkeit und Vollzeiterwerbstätigkeit sind in der Vorstellung vieler Menschen eng mitein- ander verknüpft. Für die Mehrheit der Männer, aber auch für viele Frauen und die Kultur der meisten Unternehmen in Deutschland ist Vollzeiterwerbstätigkeit von Männern immer noch eine Selbstverständlichkeit, die kaum in Frage gestellt wird. Deshalb hat Teilzeiterwerbstätigkeit von Männern in Deutschland nach wie vor Seltenheitswert. Dass es sie dennoch gibt und dass sie erfolgreich und zur Zufriedenheit aller Beteiligten praktiziert werden kann, zeigen acht Männer, die in dieser Broschüre zu Wort kommen. Sie haben ihre Erwerbsarbeit aus den unterschied- lichsten Gründen reduziert, arbeiten in Teilzeit und fühlen sich trotzdem als vollwertige Männer und werden auch zu Hause und im Betrieb so wahrgenommen. Da acht Portraits aber kein repräsentatives Bild abgeben, soll zu ihrer besseren Einordnung zunächst ein kurzer Überblick über Teilzeiterwerbstätigkeit von Männern in Deutschland gegeben werden.
Teilzeiterwerbstätigkeit von Männern – Wunsch und Wirklichkeit
Teilzeiterwerbstätigkeit ist ein relativer Begriff. Viele verbinden damit eine sog. halbe Stelle, also eine wöchentliche Arbeitszeit von ca. 20 Stunden. Nach dem Gesetz sind Beschäftigte aber immer dann teilzeiterwerbstätig, wenn ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kürzer ist als die von vergleichbaren Vollzeiterwerbstätigen. Teilzeiterwerbstätigkeit besteht einzig und allein darin, dass die Arbeitszeit unterhalb des jeweils gültigen Vollzeitniveaus liegt. Deshalb ist Teilzeiterwerbstätigkeit sehr vielfältig. Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse gibt es sowohl knapp unterhalb des Vollzeitstandards, auch bekannt als „Vollzeit light“ oder „kurze Vollzeit“ (Spitzley 2005). Aber auch Arbeitsverhältnisse mit nur wenigen Stunden in der Woche gelten als Teilzei- terwerbstätigkeit (Troost/Wagner 2002: 2).
Knapp 40 Millionen Menschen sind in Deutschland erwerbstätig, 25,7 Prozent von ihnen in Teilzeit. Deutschland hat damit im EU-Vergleich die zweithöchste Teilzeitquote1, nur in den Nie- derlanden ist Teilzeiterwerbstätigkeit noch ausgeprägter. Während im EU-Durchschnitt nur knapp jede/r Fünfte Teilzeit erwerbstätig ist, ist es in Deutschland mehr als jede/r Vierte (Statistisches Bundesamt 2008: 101).
Bei der Teilzeiterwerbstätigkeit zeigen sich jedoch wesentliche Geschlechterunterschiede: Die Teilzeitquote von Frauen liegt bei 46,2 Prozent, die der Männer bei 8,9% (eigene Berechnungen nach Statistisches Bundesamt 2008c: 72-74). Teilzeiterwerbstätigkeit ist also keine Männerdo- mäne. Wenn Männer in Teilzeit beschäftigt sind, dann vor allem bis zum Alter von 30 Jahren und die letzten zehn Jahre vor der Verrentung.
Teilzeiterwerbstätigkeit von Männern
1 Die Teilzeitquote ist der Anteil der Teilzeiterwerbstätigen an allen aktiv Erwerbstätigen.
Tanja M. Brinkmann, Rena Fehre, Götz Richter, Margareta Steinrücke
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Quelle: Eigene Berechnungen nach Statistisches Bundesamt 2008c: 72
Während die Teilzeitquote von Müttern mit Kindern unter 14 Jahren 2007 bei 72,9 Prozent liegt, beträgt sie bei Vätern 5,4 Prozent (Statistisches Bundesamt 2008b: 16). Absolute Zahlen zeigen, dass die durchschnittlich geleistete Wochenarbeitszeit von Männern mit Kind(ern) sogar höher ist als die von Männern ohne Kind(er) (Klenner/Pfahl 2008: 9).
Männer, die Teilzeit arbeiten und Kindern unter 14 Jahren haben, geben folgende Gründe dafür an: • 51,3% finden keine Vollzeiterwerbstätigkeit. • 26,7% nennen persönliche bzw. familiäre Gründe wie die Betreuung von Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen oder gehandicapten Personen. • 20,8% führen sonstige Gründe wie Aus- und Fortbildung, Krankheit, Unfallfolgen an (Statistisches Bundesamt 2008b: 17).
Es zeigt sich also, dass familienbedingte Teilzeit bei Männern selten ist. Die meisten Männer ver- wirklichen mit einer Teilzeitbeschäftigung nicht den Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben, sondern können (noch) kein Vollzeitarbeitsverhältnis finden. Obwohl 94,6% aller Väter in Vollzeit erwerbstätig ist, entspricht die tatsächliche Arbeitszeitlänge jedoch in der Regel nicht ihren Wünschen. So geben ca. zwei Drittel der Väter mit Kindern unter 18 Jahren an, dass sie ihre Arbeitszeit gern absenken würden (Klenner/Pfahl 2008: 24). Sie würden durchschnittlich gern 7,2 Stunden in der Woche weniger erwerbstätig sein, als sie es derzeit sind (Klenner/Pfahl 2008: 18). Weiterhin plädieren Väter zu 82,5 Prozent dafür, dass Arbeitgeber/innen mehr Teilzeitarbeitsplätze einrichten sollen (Zerle/Krok 2008: 12).
Wirkungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes
Im Jahr 2001 trat in Deutschland das Gesetz für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) in Kraft (Arbeitnehmerkammer Bremen 2004). Ziel dieses Gesetzes ist es, „Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu
Teilzeitquote von Männern nach Alter
Männer nach Alter
Prozent
15,8
13,6 12,6
7,6 6,0 5,4 5,6
6,2 8,0
15,5
8,9
18,0 16,0 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0
15-20 20-25 25-30 30-35 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 60-65 alle Männer
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
verhindern“ (TzBfG, § 1). Wer mindestens sechs Monate in einem Betrieb erwerbstätig ist, in dem mehr als 15 Arbeitnehmer/innen beschäftigt sind, hat einen Rechtsanspruch auf Teilzeiter- werbstätigkeit.
Bis zum Jahr 2001 war Teilzeit mit zahlreichen rechtlichen Benachteiligungen sowie vor allem mit einem eingeschränkten Berufsspektrum und niedriger Entlohnung auf den unteren Ebenen der betrieblichen Hierarchie verbunden. Ziel des neuen Rechtsanspruchs ist es, auch in Füh- rungspositionen reduzierte Arbeitszeiten zu ermöglicht (Koch 2008). Obwohl nicht explizit in den Wortlaut des Gesetzes aufgenommen, sollen darüber hinaus die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben und die Gleichstellung von Frauen und Männern gefördert werden.
Zwar gibt das TzBfG einen Rechtsanspruch auf Arbeitszeitreduzierung, jedoch keinen garantierten gesetzlichen Anspruch auf eine Rückkehr von der Teilzeit in eine Vollzeitbeschäftigung.2 Aufgrund dessen ist es möglich, dass insbesondere Männer ihren Wunsch nach zeitweiser Teilzeiterwerbs- tätigkeit nicht realisieren, weil sie befürchten, nicht wieder in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis zurückzukommen. Nichtsdestotrotz ist die Teilzeitquote von Männern seit der Einführung des Gesetzes langsam gestiegen, wie die nachstehende Grafik verdeutlicht. Mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ist es also etwas leichter geworden, Arbeitszeitwünsche zu äußern und diese auch umzusetzen.
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt
Das bisschen Haushalt, das macht doch mein Mann? – Beteiligung von Männern an Kinderbetreuung und Hausarbeit
„Neue bzw. moderne Männer zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie nicht mehr so ausschließlich berufsorientiert sind wie traditionelle Männer; der Übernahme häuslicher Pfle- gearbeiten und einer damit zusammenhängenden Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit aufge- schlossen gegenüber stehen; sich als partnerschaftlich wahrnehmen und dass sie aktive Väter sind.“ (Döge/Volz 2004: 13). Diese neuen bzw. modernen Männer haben aber ebenfalls noch Seltenheitswert.
2 Es wurde lediglich ein Vorrang bei der Besetzung offener Stellen aufgenommen. Teilzeitbeschäftigte, die eine Verlängerung ihrer Arbeitszeit wünschen, müssen bei gleicher Eignung vorrangig berücksichtigt werden, wenn ein entsprechender Arbeitsplatz besetzt wird.
Teilzeitarbeit von Männern im Zeitverlauf
Jahr
Prozent
2,2 3,1
4,3 5,2
6,2
8,9
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
1992 1995 1998 2001 2004 2007
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Um einen Eindruck von der Arbeitsteilung von Frauen und Männern in Haushalt und Familie zu gewinnen, ist der Umfang der von Männern geleisteten unbezahlten Arbeit im Verhältnis zu der von Frauen aufschlussreich. Die Unterschiede sind in den alten Bundesländern stärker als in den neuen. Im früheren Bundesgebiet leisteten Frauen 2001/2002 1,6-mal soviel unbezahlte Arbeit, in den neuen Bundesländern 1,4-mal soviel. Im Vergleich zur Arbeitsteilung Anfang der 1990er lässt sich eine (leichte) Tendenz hin zur stärker gleichberechtigten Teilung von unbezahl- ter Arbeit feststellen. Allerdings sind es nicht die Männer, die ihre unbezahlte Arbeit seit Anfang der neunziger Jahre wesentlich erhöht haben, sondern die Frauen haben ihren Zeitaufwand im Vergleich reduziert. Für die Betreuung von Kindern wenden erwerbstätige Frauen sogar etwas mehr als das doppelte der Zeit auf, die erwerbstätige Männer aufbringen (BMFSFJ/Statistisches Bundesamt 2003: 14f). Zudem belegen Studien, dass junge Paare oft ihren Wunsch nach gleich- berechtigter Aufteilung der Reproduktionsarbeit nur bis zur Geburt des ersten Kindes verwirkli- chen können.
Arbeits-, familien-, wirtschafts- und sozialpolitische Zusammen- hänge
Es gibt Gründe, die traditionelle Abstinenz von Männern gegenüber Teilzeit in Frage zu stellen. Neben politischen und moralischen Fragen der Geschlechtergerechtigkeit erfordern der demo- graphische Wandel, das heißt die Alterung der Erwerbsbevölkerung bei niedriger Geburtenrate und die zunehmende Integration der Frauen in das Erwerbsleben eine neue Arbeitsteilung in der Familie. Die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen führt zu zeitlichen Engpässen im Alltag und zu Koordinationsproblemen bei vielen Paaren. Einige der hier vorgestellten Teilzeitmodelle stellen individuelle Lösungen für dieses Dilemma dar. Dabei bleiben jedoch die Regelungen der Einkommensbesteuerung (Ehegattensplitting) und der sozialen Sicherung, die sich am Haupter- nährermodell orientieren bestehen, und führen zu sozialen Benachteiligungen.
Der 7. Familienbericht der Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sich andere europä- ische Länder in einer besseren demografischen Situation als Deutschland befinden. Die Gebur- tenzahlen sind dort höher und die Balance zwischen Familie und Beruf ist leichter herzustellen. Eine entscheidende Ursache liegt in der spezifisch deutschen Lebenslaufsplanung. So ist in Deutschland das Zeitfenster, in dem sich für Kinder entschieden werden kann, besonders eng. Ein Drittel des Lebens verbringen die Deutschen in der sehr langen Ausbildung. Dann erfolgt der Berufseinstieg. Die sog. „Rushhour des Lebens“, in der Karrierestart und Familiengründung zusammenfallen, ist in Deutschland ein ausgeprägtes Phänomen.
Eine weitere wesentliche Ursache ist die finanzielle Einschränkung, die Eltern bisher nach dem Elterngeldbezug hatten sowie die defizitäre Betreuungsinfrastruktur insbesondere für unter Drei- jährige. Nach dem Elterngeldbezug erleben viele Familien in Deutschland nicht selten einen öko- nomischen Achterbahneffekt oder eine Abwärtsfahrt durch das Erziehungsgeld. Die hinter dem Bedarf zurückbleibenden Betreuungseinrichtungen für unter 3-Jährige führen dazu, dass viele Eltern mit nur noch einem Einkommen haushalten müssen. Politische Steuerungsinstrumente wie das 2007 eingeführte Elterngeld und der begonnene Ausbau der Betreuung für Kinder unter drei Jahren zielen auf Entlastung. Das Elterngeld bedeutet für die meisten Eltern eine finanzielle
0 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Verbesserung im Vergleich zum vorher wirksamen Erziehungsgeld. Männer wie Frauen, die in Elternzeit gehen, erhalten 67 Prozent ihres vorherigen Nettoeinkommens für 12 Monate, maxi- mal jedoch 1.800 Euro im Monat. Nimmt der/die Partner/in mindestens zwei Monate Elternzeit, verlängert sich der Elterngeldbezug auf 14 Monate. Die Beteiligung von Männern an der Eltern- zeit ist seitdem kontinuierlich gewachsen. 2008 waren ca. 16 Prozent aller Elternzeitler/innen Männer.
Eine klug durchdachte, politische Neuorganisation von Erwerbsarbeitszeit und privater Zeit steht noch aus. In Deutschland dominieren kurzfristige und kurzsichtige ökonomische Erwägungen innerhalb der Politik. Es wird mit ökonomischen Verkürzungen operiert, ohne die Konsequenzen für das Privatleben zu bedenken. Bei den Debatten um verlängerte Arbeitszeiten z.B. werden die negative Wirkung für Familien selten mitdiskutiert, genauso wenig wie bei den verlängerten Ladenöffnungszeiten. Kurzum: Die deutsche Arbeits-, Wirtschafts-, Sozial- und Familienpolitik hat noch erheblichen Modernisierungsbedarf.
Teilzeiterwerbstätigkeit als Wirklichkeit – zum Inhalt der Broschüre
Trotz all dieser Mängel, gibt es, wie sich gezeigt hat, Männer, die in Teilzeit erwerbstätig sind, auch wenn sie 2009 noch rar sind. Acht Beispiele, wie Teilzeiterwerbstätigkeit umgesetzt wird, wie die Reaktionen der Kolleg/innen und Vorgesetzten waren, wie sie heute funktioniert und welche Vor- und Nachteile sie den teilzeiterwerbstätigen Männern bringt und gebracht hat, stellt diese Broschüre vor. Ziel ist es, Beispiele für Teilzeiterwerbstätigkeit von Männern darzustellen, die in Positionen und Funktionen erwerbstätig sind, wo landläufig große Vorurteile bestehen, Teil- zeit einzuführen und erfolgreich umzusetzen. Dadurch wird es gegebenenfalls möglich, Männer zu ermutigen, neue und ungewohnte Wege einzuschlagen, um durch eine Teilzeitbeschäftigung zumindest zeitweise andere Prioritäten zu setzen und eine veränderte Balance zwischen Er- werbstätigkeit und Privatleben zu erfahren.
In der Broschüre kommen sehr unterschiedliche Männer zu Wort. Die portraitierten Männer arbeiten in verschiedenen Branchen, Funktionen und Unternehmen. Der überwiegende Teil der Männer ist im Land Bremen erwerbstätig und lebt auch dort. Die Mehrheit von ihnen sind Väter. Sie haben die Arbeitszeit reduziert, um sich mehr der Kinderbetreuung und dem Haushalt zu widmen. Lediglich ein Mann ist kinderlos und teilzeiterwerbstätig, um sich neben der Arbeit in der Malerei zu verwirklichen. Einen Mann, der Pflegeaufgaben übernimmt, haben wir für die Broschüre leider nicht gewinnen können, obwohl die Übernahme von Pflegeaufgaben sicherlich in Zukunft immer größere Bedeutung, auch für Männer, erlangen wird.
Ohne die Offenheit und Zeit der acht Männer wäre diese Broschüre nicht das, was sie ist. Als Redaktionsteam danken wir Matthias Eck, Peter Heuschötter, Jürgen Kolbe, Tim Landgraf, Chris- tian Reil, Christof Ronge, Dr. Thomas Steidel und Markus Zimmermann für Ein- und Ausblicke in den privaten wie beruflichen Alltag. Auch den Unternehmen, in denen diese Männer arbeiten, sei gedankt – zum Teil konnten die interviewten Männer die Interviews während ihrer Arbeitszeit geben.
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Literatur:
Arbeitnehmerkammer Bremen (2004): Teilzeit im Aufwind – Neue Arbeitszeitmodelle in der be- trieblichen Praxis. Bremen.
Döge, Peter/Volz, Rainer (2004): Männer – weder Paschas noch Nestflüchter. Aspekte der Zeit- verwendung von Männern nach den Daten der Zeitbudgetstudie 2001/2002 des Statistischen Bundesamtes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 46, S. 13-23.
Klenner, Christina/Pfahl, Svenja (2008): Jenseits von Zeitnot und Karriereverzicht – Wege aus dem Arbeitszeitdilemma, Arbeitszeiten von Müttern, Vätern und Pflegenden. Online im Internet: http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_diskp_158.pdf [Zugriff: 21.02.2009].
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Statistisches Bundesamt (2003): Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung der Bevölkerung in Deutschland 2001/02. Wiesbaden. Koch, Angelika (2008): Elternzeit – Teilzeit – Aus(zeit)? Teilzeitrechte in Führungspositionen. In: WSI-Mitteilungen 61. Jg., Nr. 11+12, S. 613-617.
Spitzley, Helmut (2005): „Kurze Vollzeit“ – eine Grundlage für gute Arbeit. In: Gute Arbeit. Zeit- schrift für Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung, 17. Jg., Nr. 5, S. 21-23.
Statistisches Bundesamt (2008a): Wirtschaft und Statistik. Wiesbaden.
Statistisches Bundesamt (2008b): Familienland Deutschland. Wiesbaden.
Statistisches Bundesamt (2008c): Mikrozensus. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Stand und Entwicklung der Erwerbstätigkeit. Wiesbaden.
Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Online im Internet: http://www.gesetze-im-internet.de/ bundesrecht/tzbfg/gesamt.pdf [Zugriff: 21.02.2009].
Troost, Axel/Wagner, Alexandra 2002: Teilzeitarbeit in Deutschland. Online im Internet: http:// www.piw.de/doc/tz2002.pdf [Zugriff: 21.02.2009].
Zerle, Claudia/Krok, Isabelle (2008): Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft. Online im Internet: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID- 0A000F0A-7BF51779/bst/xcms_bst_dms_26376_26377_2.pdf [Zugriff: 21.02.2009].
2 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Matthias Eck, Jahre, Maschinenbau- ingenieur, Führungskraft bei Windwärts Energie GmbH in Hannover
Als Matthias Eck 1996 bei der Windwärts Ener- gie GmbH als Maschinenbauingenieur anfängt zu arbeiten, ist das Unternehmen gerade mal zwei Jahre alt und hat sechs Beschäftigte. Alternative Energieerzeugung ist Mitte der 1990er Jahre in Deutschland noch nicht son- derlich verbreitet. Rückblickend „war das eine sehr spannende Zeit“. Durch die geringe Größe des Unternehmens sind alle Mitarbeiter/innen in sämtliche Tätigkeiten und Entscheidungen eingebunden. Matthias Eck arbeitet 40 Stun- den und mehr in der Woche. Er ist aktiv daran beteiligt, dass das Unternehmen wächst.
Die Windwärts Energie GmbH entwickelt, finan- ziert und betreibt Wind-, Solar- und Bioenergie- anlagen im In- und Ausland. 2008 hat das Unter- nehmen 56 Beschäftigte und gliedert sich in die fünf Bereiche (1) nationale Projektentwicklung, (2) internationale Projektentwicklung, (3) Marke- ting und Kommunikation, (4) Finanzierung sowie (5) Betriebsführung und Verwaltung realisier- ter Projekte. Matthias Eck leitet die Abteilung internationale Projektentwicklung. Seine Auf- gabe und die seines Teams ist es, im Ausland Standorte für Wind- oder Solarenergieanlagen zu finden, den Kontakt zu den Landeigentümern aufzunehmen, über Landnutzungsrechte zu verhandeln sowie die technische Bauplanung und Genehmigungsverfahren zu koordinieren. Zurzeit werden Projekte in Frankreich, Italien, Griechenland, der Türkei sowie in Südamerika geplant bzw. umgesetzt. Mehrmals im Jahr ist Matthias Eck für seine Firma im Ausland tätig.
„Nicht nur Wochenend- und Feierabendvater“
2004 ändert sich einiges im Leben von Matthi- as Eck. Er und seine Frau, die ebenfalls bei
der Windwärts Energie GmbH beschäftigt ist, werden Eltern von Zwillingen. Zunächst ist klar, dass seine Frau nach der Geburt der Kinder zu Hause bleibt: „So ganz raus aus dem Beruf wollte ich nicht. Das ist mir damals nicht in den Sinn gekommen. In meiner Funktion als Teamlei- ter hätte ich es mir schwer vorstellen können.“ Nachdem seine Frau einige Zeit in Elternzeit ist, vermisst sie den Job. Obwohl sie durchgängig Kontakt zu Kolleg/innen hat, in Entscheidungen eingebunden ist und auch mal mit den Kindern im Unternehmen ist, fehlt ihr der tägliche Kon- takt zu den anderen Mitarbeiter/innen und die Arbeit selbst, mit der sie sich sehr identifiziert. Nach neun Monaten Elternzeit kommt es zu einer Veränderung: „Meine Frau wollte wieder arbeiten gehen, und ich konnte es mir einfach gut vorstellen, tageweise zu Hause zu bleiben.“ Somit steht fest „den Job, aber auch die Erzie- hung und die Zeit mit den Kinder zu teilen. Sie hatte den Wunsch wieder zurück in den Beruf zu gehen, ich hatte den Wunsch nicht nur Wo- chenend- und Feierabendvater zu sein.“ Das gewählte Arbeitszeitmodell der Ecks, dass bei- de Teilzeit arbeiten, ist in Deutschland extrem selten: Nur 1-2% aller Paare mit Kindern unter 18 Jahren wählen es.1
„Männer müssen mutiger sein, und Frauen müssen fordernder sein.“
1 Klenner/Pfahl (2008): Jenseits von Zeitnot und Karrie- reverzicht - Wege aus dem Arbeitszeitdilemma, Arbeits- zeiten von Müttern, Vätern und Pflegenden. S. 16-17.
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Familienfreundliche Unterneh- menskultur unterstützt
Nach diesem persönlichen Entschluss tritt das Paar ans Unternehmen heran: Frau Eck will mit zwei Tagen in der Woche wieder einsteigen, Matthias Eck seine Arbeitszeit auf drei Tage in der Woche reduzieren, „sodass jeden Tag je- mand von uns zu Hause bei den Kindern war“. Die Windwärts Energie GmbH stimmt diesem Wunsch zu. Matthias Eck stand vor seiner eige- nen Arbeitszeitreduzierung einer Teilzeitarbeit durchaus kritisch gegenüber: „Ich selber habe mich früher auch schwer damit getan, als bei uns im Unternehmen die ersten Kollegen in Teil- zeit gegangen sind.“ Mit seiner Entscheidung für Teilzeitarbeit ist Matthias Eck kein Pionier bei der Windwärts Energie GmbH: „Es war bei uns im Unternehmen nicht ganz neu, dass Vä-
ter in Teilzeit gegangen sind. Vor mir gab es schon Männer in Leitungspositionen, die nur vier Tage in der Woche gearbeitet haben.“ Neu ist vielmehr, dass Matthias Eck zunächst nur drei Tage in der Woche erwerbstätig sein und gleichzeitig weiterhin Teamleiter für die internationale Projektentwicklung bleiben will. „Natürlich gab es eine Diskussion darüber, ob das funktioniert, aber es war ziemlich schnell Konsens, dass wir das machen wollen.“ Die Teilzeitarbeit von Matthias Eck hat für die Wind- wärts Energie GmbH ja auch den Vorteil, dass seine Frau wieder ins Unternehmen zurück- kommen konnte: „Windwärts hat natürlich bei mir Arbeitszeit verloren, auf der anderen Seite aber Kapazitäten gewonnen. Vielleicht hat es das auch ein wenig erleichtert.“
Dass die Windwärts Energie GmbH die Arbeits-
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
zeitwünsche der Ecks verwirklicht, hat auch mit der familienfreundlichen Unternehmenskul- tur zu tun. Von den 56 Beschäftigten haben 26 Kinder unter 18 Jahren. Mit einem Alters- durchschnitt von 38 Jahren befinden sich viele Beschäftigte noch in der Familiengründungs- phase. Die Arbeit bei der Windwärts Energie GmbH erfordert ein mittleres bis hohes Qualifi- kationsniveau. Das Unternehmen arbeitet von Anfang an daran, eine Unternehmenskultur zu entwickeln, bei der Kompetenz und Motivation einen hohen Stellenwert haben und durch die es gelingt, Mitarbeiter/innen nachhaltig an das Unternehmen zu binden. Seit 2005 trägt die Windwärts Energie GmbH das Zertifikat des audit berufundfamilie® und baut seitdem ihre familienbewusste Personalpolitik kontinuier- lich aus. 2006 gewinnt die Windwärts Energie GmbH den 1. Preis als „Familienfreundlicher Betrieb in der Region Hannover“.
Reaktionen der Kolleg/innen
Während die Führungsebene hinter dem Teil- zeitwunsch von Matthias Eck als Führungskraft steht, ist die Umsetzung auf der Kollegenebe- ne zunächst nicht ganz reibungslos. Vereinzelt sind die Kolleg/innen skeptisch, wie die an- spruchsvolle Projektarbeit mit einer Dreitage- woche funktionieren soll. Matthias Eck leistet Überzeugungsarbeit und bezieht eine klare Po- sition: „Ich habe Kinder zu Hause und möchte auch zeitweise bei diesen Kindern sein. Das ist
auch meine Verantwortung und nicht nur die meiner Frau. Wir müssen meine Arbeit eben so organisieren, dass es funktioniert“. Da geht es dann auch ein bisschen um die grundsätz- lichere Diskussion von Frauen- und Männerbil- dern. Und: Darf man das auch in Leitungsfunk- tion machen oder darf man es nicht? „Ich habe deutlich gemacht, dass es keine Alternative dazu gibt. Insgesamt hat es aber einen großen Kampf nicht gegeben. Die Widerstände waren nur vereinzelt vorhanden“. Unter anderem liegt das an der besonderen Unternehmenskultur der Windwärts Energie GmbH, wie Matthias Eck betont: „Es geht bei uns nicht nur um die Nachhaltigkeit in der Energieversorgung, son- dern auch um die Nachhaltigkeit in Bezug auf die Beschäftigten. Klar, wir machen Projekt- arbeit, da kann es sein, dass man auch mal sechzehn Stunden arbeiten muss, um etwas fertig zu bekommen, aber das ist nicht die Regel. Wir versuchen es mit den Überstunden nicht zu übertreiben, da uns klar ist, dass die Leute das auf Dauer nicht durchhalten würden. Wir legen viel Wert auf Mitarbeiterbindung und haben eine sehr geringe Fluktuation bei Wind- wärts.“
Der Alltag mit Teilzeit und Kinderbetreuung
Die Arbeitszeitreduzierung von Matthias Eck hat eine Aufgabenumverteilung zur Folge. Zwar ist er überzeugt, dass er seit seiner Vaterschaft „stringenter arbeitet“, dennoch ist es notwen- dig, Aufgaben an andere Mitarbeiter abzuge- ben. Zudem sind die Kolleg/innen gezwungen, die Kommunikation mit ihm besser zu organi- sieren, weil sie nicht jederzeit zu ihm kommen können, um Rücksprache zu halten. Gleichwohl kommt er seinen Mitarbeiter durch Erreichbar- keit und Flexibilität entgegen: „Meine Kollegen können mich in dringenden Fällen und zu nor- malen Arbeitszeiten jederzeit bei mir zu Hause oder auf dem Handy anrufen. Wenn es gerade
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
nicht passt wegen der Kinder, dann rufe ich sie zurück. Außerdem rufe ich auch zu Hause re- gelmäßig meine E-Mails ab.“ Moderne Kommu- nikationsmedien wie Mobiltelefon oder Laptop unterstützen sein Arbeitszeitmodell positiv.
Die Zwillinge wurden zwischenzeitlich an einem Tag in der Woche von einer Tagesmutter be- treut und haben mittlerweile einen Ganztages- platz im Kindergarten. Die Kinder genießen die professionelle Betreuung und das Zusammen- sein mit anderen Kindern offensichtlich sehr: „Wenn wir sie nachmittags abholen, würden sie manchmal gern noch ein wenig länger bleiben. Obwohl die Kinder bis 17 Uhr im Kin- dergarten bleiben könnten, ist das nur eine Option für den Fall, dass doch mal Termine dazwischenkommen.“ In der Regel werden die Zwillinge um 15 Uhr abgeholt. Wer die Kinder aus dem Kindergarten abholt, ist klar geregelt: Dienstags und freitags ist es Matthias Eck. „Ich möchte mir die zwei Nachmittage, die ich jetzt bei den Kindern zu Hause bin, auch nicht nehmen lassen.“ An einem Tag in der Woche werden die Zwillinge von ihrer Tante abgeholt, an zwei Tagen von ihrer Mutter.
Kinderbetreuung als „gemein- same Aufgabe“ und „geteilte Verantwortung“
Die professionelle Kinderbetreuung ermöglicht es Inna und Matthias Eck, ihre Arbeitszeiten
Stück für Stück wieder aufzustocken. 2008 arbeitet Inna Eck 65 Prozent, Matthias Eck 80 Prozent. „Wir haben eine klare Regelung, wann ich für die Kinder verantwortlich bin und wann meine Frau. Und wenn die Kinder an einem Tag krank werden, an dem ich verantwortlich bin, dann bleibe ich zu Hause.“ Montags, mittwochs und donnerstags steht er dem Unternehmen den ganzen Tag zur Verfügung. Ein bis zwei Tage die Woche arbeitet er halbe Tage. An diesen Tagen arbeitet er in Absprache mit sei- nem Team entweder im Unternehmen oder zu Hause. Dieser aufgeteilte Rhythmus der Tage wird nur durch Auslandreisen unterbrochen. Acht bis zehn Wochen im Jahr ist Matthias Eck beruflich im Ausland unterwegs. In dieser Zeit übernimmt seine Frau die Kinderbetreuung komplett und kann ihre Arbeitszeit dement- sprechend kurzfristig reduzieren. Ansonsten herrscht bei Inna und Matthias Eck das Prin- zip der „geteilten Verantwortung“ vor, sowohl die Kinderbetreuung als auch die Hausarbeit teilen sie sich relativ gleichberechtigt. Zum In- terview treffen wir uns an einem Donnerstag: „Heute hat meine Frau die Verantwortung für die Kinder, deshalb kann ich ganz entspannt arbeiten.“
Anstrengend findet Matthias Eck manchmal die „Rollenklärung“ innerhalb der Familie. „Mei- ne Frau und ich haben nicht so stark unter- schiedliche Rollen: Sie hat nicht die klassische Mutterrolle, und ich habe nicht die klassische Vaterrolle. Die Kompetenzen sind dadurch manchmal nicht ganz klar.“ Ab und zu hat er den Eindruck, dass es seine Kinder etwas ver- wirrt, dass sie mehrere Ansprechpartner ha- ben, die das gleiche Gewicht haben und dass nicht einer von beiden immer da ist: „Aber ich glaube, sie lernen dadurch auch. Und ich glau- be, sie schätzen es, dass wir unterschiedliche Dinge mit ihnen machen und unternehmen. Das bedeutet für sie mehr Vielfalt. Die kann auf der einen Seite anstrengend, aber sie kann
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
eben auch sehr bereichernd sein.“
Das private Umfeld von Matthias Eck reagiert sehr positiv auf die Teilzeitarbeit von ihm und seiner Frau: „In meinem Freundeskreis haben die meisten gesagt: „Es ist ja toll, dass ihr das machen könnt. Viele haben es außergewöhn- lich gefunden, dass das geht, aber nicht im negativen Sinne.“
Wie erklärt Matthias Eck es sich, dass Teilzeit- arbeit von Männern noch nicht zum Megatrend geworden ist? „Ich glaube, es fällt vielen ein- fach schwer loszulassen und es wird ihnen im Job auch schwer gemacht. Teilweise sind da- mit auch finanzielle Nachteile für die Familien verbunden. Und manchmal sagt die Ehefrau oder die Partnerin vielleicht auch nicht deut- lich genug ‚Du bleibst auch zu Hause und ich geh auch arbeiten.’ Wenn die Mütter wieder erwerbstätig sein wollen, müssen sie selbst die Kinderbetreuung organisieren. Die Männer lassen die Frauen machen, aber sie nehmen ihnen auch nicht nichts ab. Sie sehen es nicht als gemeinsame Aufgabe, es zu organisieren, dass beide arbeiten können.“
Teilzeitarbeit als Karrierebrem- se? „Man kann irgendwie nicht alles haben“
Welche Auswirkung hat die Teilzeitarbeit ei- gentlich auf die Karriere von Matthias Eck? „Ich würde schon sagen, die Karriere ist nicht ge- stoppt, aber gebremst.“ Wenn er sich nach den vier Jahren, in denen er Teilzeit erwerbstätig ist, mit Kolleg/innen vergleicht, sieht er dass die Kolleg/innen weitergekommen sind. Ihm fehlt oft die Zeit, sich in neue Themen einzu- arbeiten oder eine Weiterbildung zu besuchen. „Ich sehe schon, dass andere Leute einen be- ruflichen oder fachlichen Sprung gemacht ha- ben und sich mit neuen Themen beschäftigen können. Das merke ich, dass ich das in der
Form nicht kann. Aber gut, man kann irgend- wie nicht alles haben.“ Eine enge Bindung zu seinen Kindern ist Matthias Eck wichtiger als Karriere um jeden Preis: „Ich weiß eben, dass ich dafür mehr Zeit mit meinen Kindern habe. Da ist eine ganz starke emotionale Bindung da. Ich möchte gerne Zeit mit ihnen verbrin- gen, ich möchte auch im Alltag für sie da sein und natürlich bekommt man so auch sehr viel mehr mit, wie sie groß werden, wie sie sich entwickeln, wie sie lernen. Kinder können auch anstrengend sein, gar keine Frage. Wir haben zwei Jungs, die haben reichlich Energie, und die können einen manchmal auch schon zur Verzweiflung bringen, aber ich würde es nicht anders machen, auf keinen Fall.“
Teilzeitarbeit ein Modell für alle? „Die Leute müssten nur mehr Mut haben, es würde gar nicht so viel Widerstand geben.“
Matthias Eck plant gegenwärtig nicht, in nächster Zeit wieder in Vollzeit erwerbstätig zu sein. Der Alltag mit Kindern und Erwerbstätig- keit füllt ihn voll aus. „Letztendlich bleibt dann neben Kindern und Beruf extrem wenig Zeit für einen selbst übrig.“ Er würde gerne einen Tag in der Woche komplett frei haben, um eigenen Bedürfnissen nachzugehen und Zeit für sich zu haben: „Dazu fehlt mir im Moment einfach komplett die Zeit.“ Matthias Eck arbeitet ge- rade einen neuen Mitarbeiter ein, der einen Teil seiner Aufgaben übernehmen soll, damit
dieser Wunsch nach mehr Zeit auch für sich selbst die Chance auf Verwirklichung hat. Matthias Eck ist überzeugt, dass mehr Män- ner Teilzeit arbeiten würden, wenn sie erstmal auf den Geschmack gekommen wären. Bisher ist Vollzeiterwerbstätigkeit aber noch eine große Selbstverständlichkeit bei Männern: „Ich könnte mir vorstellen, dass viele Männer nach einer Auszeit gerne in Teilzeit weiter arbeiten würden. Es ist eher schwer, ohne konkreten Anlass aus der Vollzeitstelle auszubrechen, sich vielleicht auch einzugestehen, dass man auch einen Tag in der Woche ersetzbar ist und dass andere Leute einen Teil des eigenen Jobs erledigen können.“ Befürchtungen von Män-
nern in Bezug auf die Arbeitgeber hält er nicht immer für gerechtfertigt: „Die Leute müssten mehr Mut haben, es würde oft gar nicht so viel Widerstand geben.“ Natürlich muss man sich eine Teilzeitarbeitsstelle als Paar auch leisten können. Aber nicht nur die Männer müssen sich bewegen, sondern genauso die Frauen. „Woher kommt die Selbstverständlichkeit, dass Frauen zu Hause bleiben und Männer arbeiten gehen?“ Damit gleichberechtigte Er- werbstätigkeit, Kinderbetreuung und Hausar- beit in zunehmendem Maße Wirklichkeit wer- den, müssen sowohl Frauen als auch Männer sich verändern: „Männer müssen mutiger und Frauen müssen fordernder sein.“
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Markus Zimmermann, Jahre, Pflege- manager und Public Health M.A., Quali- tätsmanager bei der Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven
Eigentlich wollte Markus Zimmermann nie hei- raten. Und er wollte keine Partnerin, die raucht, Krankenschwester und jünger ist als er. Es ist anders gekommen: Melanie Zimmermann ist jünger, hat eine Ausbildung als Krankenschwes- ter und raucht. Jedoch nicht zurzeit, denn sie stillt Anneke. Anneke ist im September 2008 geboren und das zweite Kind von Markus und Melanie Zimmermann.
Lust an Teilzeiterwerbstätigkeit – „Dafür sind mir andere Sachen zu wichtig“
Teilzeiterwerbstätigkeit ist für Markus Zimmer- mann nicht erst seit der Geburt seiner Kinder von Bedeutung. Sie hat eine lange Tradition in seiner Berufsbiografie. Nach einer Ausbildung als Krankenpfleger arbeitet er zwölf Jahre auf einer Intensivstation mit dem Schwerpunkt Dia- lyse am Universitätsklinikum Göttingen. Parallel macht er in dieser Zeit eine Fachweiter-bildung für Intensivkrankenpflege. 1998 startet er sein Studium „Internationales Pflegemanage- ment“ an der Hochschule Bremen. Ebenso wie Melanie, die Frau, für die er den Vorsatz nicht zu heiraten, aufgegeben hat. Nach einem Aus- landsaufenthalt in Südafrika und dem er-folg- reichen Abschluss als Pflegemanager fängt Markus Zimmermann ein zweites Studium an. Von 2002-2005 absolviert er das berufsbe- gleitende Aufbaustudium Gesundheitswissen- schaft an der Universität Bremen. Während seiner Studienzeiten ist er weiter in Teilzeit er- werbstä-tig. Nach dem Pflegemanagementstu- dium und während des Public Health Studiums ist er beim Arbeitersamariterbund im Bereich Qualitätsmanagement erwerbstätig. Teilzeiter- werbs-tätigkeit war also für ihn die Möglich-
keit, sich weiterzuqualifizieren und gleichzeitig ein Einkommen zu haben.
„Ein Auswahlkriterium für einen Arbeitgeber ist für mich einfach auch, dass er familienfreundlich sein muss.“
Seit vier Jahren ist Markus Zimmermann bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bremerhaven in Teilzeit beschäftigt. Dort steigt er zunächst ein im Bereich Gesundheitswirtschaft und wech- selt dann zum Qualitätsmanagement, einer Stabsstelle, die direkt bei der Geschäftsfüh- rung angesiedelt ist. Durch den Zuwachs an sozialen Problemen und Armut in Deutschland ver-sucht die AWO Bremerhaven Menschen, die von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Behinde- rung, Diskriminierung oder Pflegebedürftigkeit betroffen sind, zu stärken und zu unterstützen. Die AWO Bremerhaven erbringt Dienstleistun- gen der verschiedensten Art: in der Kindergar- tener-ziehung, der Sprachtherapie für Kinder und Erwachsene, der Kinder- und Jugendhilfe, der Sozialberatung für Migrant/innen und der Flüchtlingsarbeit. Auch Sucht- und Drogenar- beit, Sozialpsychiatrie, Altenhilfe und Qualifi- zierung sind Kernaufgaben der AWO Bremer- haven. Mit über 1.000 Beschäftigten und mehr
„Ich verbinde mit männlich sein oder Mann sein eben nicht 15 Stunden am Tag zu arbeiten.“
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
als 70 Diensten und Einrichtungen ist die AWO Bre-merhaven einer der großen Arbeitgeber/ innen Bremerhavens.
Die Aufgabe von Markus Zimmermann bei der AWO Bremerhaven ist, dass die vielfältigen Dienstleistungen professionell auf einem hohen qualitativen Niveau erbracht werden. Dazu gehören beispielsweise Zertifizierungen und Audits im Qualitätsmanagement. Diese sind häufig zwingende Voraussetzung, um die Dienstleistungen erbringen zu können und um Projekt- und Drittmittel zu beantragen. Zudem analysiert und optimiert er Arbeitsprozesse innerhalb der Einrichtungen und treibt die Organisationsentwicklung der AWO Bremer- haven voran.
Obwohl Markus Zimmermann mit seiner Fa-
milie in Bremen wohnt, hat er die AWO Bre- merhaven bewusst als Arbeitgeberin gewählt. Dass die AWO Bremerhaven nicht nur eine teilzeit-freundliche, sondern auch ein familien- freundliche Arbeitgeberin ist, zeigt sich für ihn spätestens bei der Geburt von Neele im Jahr 2006. Nach der Geburt bleibt zunächst seine Frau zu Hause. Sie leitet einen ambulanten Pflegedienst, „sie ist da die Chefin“. Drei Mo- nate nach der Geburt von Neele steigt sie mit einem Tag in der Woche wieder beruflich ein. Das funktioniert, weil Markus Zimmermann oh- nehin in Teilzeit erwerbstätig ist. 2007 macht er dann vier Monate „Vollzeit Elternzeit“ und fängt dann wieder mit zwanzig Stunden an. Das annährend gleiche Gehalt der beiden El- ternteile und der Erwerbswunsch von Melanie Zimmermann sind aber nicht die einzigen Grün- de für die Elternzeit von Markus Zimmermann
20 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Elternzeit: „Für mich war immer klar, dass ich zu Hause bleibe und auch nicht wenig.“ Und: „Ich würde nicht bei der AWO arbeiten, wenn die etwas gegen meine Elternzeit hätten.“
„Das neue Elterngeld ist echt klasse.“
Von Mai bis Oktober 2009 wird Markus Zim- mermann erneut in Elternzeit gehen, diesmal fünf Monate für seine zweite Tochter Anneke. Während seiner ersten Elternzeit 2007 bezie- hen die Zimmermanns bereits kein Erziehungs- geld mehr, sodass sie die vier Monate Eltern- zeit mit einem Gehalt überbrücken müssen. Das ist nicht einfach, denn vor drei Jahren haben sie sich ein Haus gekauft. Bei der zwei- ten Elternzeit stellt sich die finanzielle Situation durch das 2007 eingeführte Elterngeld deut- lich besser dar.
Besonders freut sich Markus Zimmermann auf den Mai 2009. Da haben seine Frau und
er nämlich noch einen Monat überlappend El- ternzeit und werden mindestens drei Wochen mit den beiden Kindern im Wohnmobil seiner Schwiegereltern unterwegs sein, „weil wir wahrscheinlich nie wieder so lang am Stück gemeinsam Urlaub machen können.“ Im Juni 2009 wird Melanie Zimmermann wieder in Voll- zeit die Leitung des ambulanten Pflegediens- tes übernehmen.
Der Alltag der Zimmermanns - „Man muss mir auch nicht sa- gen, dass der Windeleimer voll ist.“
Momentan arbeitet Markus Zimmermann durchschnittlich dreißig Stunden pro Woche für die AWO Bremerhaven, manchmal gibt er zudem als freiberuflicher Dozent Unterricht. Seine Frau ist während ihrer derzeitigen Eltern- zeit nicht erwerbstätig. Trotzdem ist Markus Zimmermann nicht in Vollzeit erwerbstätig: „primär wegen der Fahrtzeiten“. Jede Woche muss er für den Arbeitsweg ca. zwölf Stun- den investieren. Die Wochentage beginnen mit einem gemeinsamen Frühstück, dann bringt er Neele in die Krippe. Neele geht mit Vergnügen in ihre Kinderbetreuungseinrichtung: „Ihr tut das gut, die braucht das. Die geht da total ger- ne hin. Neele hatte jetzt gerade eine Woche Windpocken und gestern war sie schon wieder so gesund, dass sie sich mit uns langweilt. Wir können ihr nicht das bieten, was die Kita ihr bietet. Die braucht die Auseinandersetzung mit anderen Kinder.“
Während sich seine große Tochter in der Krippe vergnügt, steigt er von Montag bis Donnerstag in den Bus und Zug Richtung Bremerhaven. Er versucht immer gegen 17 Uhr wieder zu Hau- se zu sein, da Neele um 19 Uhr ins Bett geht, „da würde ich gern einfach noch mal was von mitbekommen.“ Die verbleibenden Stunden seiner 30 Stunden Stelle kann er am Freitag
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
von zu Hause aus erledigen. „Mein Chef lässt mir sehr viele Freiheiten, was die Arbeitszeit- gestaltung angeht. Ich kann zu Hause arbei- ten. Erfahrungsgemäß ist die Arbeitszeit de facto dann meistens etwas mehr“ als 30 Stun- den in der Woche. Es gibt auch Phasen, in de- nen Projekte abgeschlossen werden müssen, z.B. Qualitätsmanagementzertifizierungen von Einrich-tungen der AWO Bremerhaven, wo er auch mal 50 Stunden in der Woche arbeiten muss. Er versucht dann trotzdem um 17 Uhr zu Hause zu sein und arbeitet „dann eben von acht bis elf von zu Hause, wenn die Kinder im Bett“ sind. Dann gibt es aber Phasen, wo er wieder etwas „runterfahren“ kann. Erleichtert wird seine Arbeitszeitflexibilität durch seinen Laptop, der sein täglicher Begleiter ist.
Bei der Hausarbeit haben die Zimmermanns keine Hilfe von außen. Während der Eltern- zeiten engagiert sich immer der Partner stär- ker bei der Hausarbeit, der nicht oder gerin- ger erwerbstätig ist. Da Melanie Zimmermann zurzeit zu Hause ist, heißt das, sie macht den überwiegenden Teil der Hausarbeit. Wenn er wieder in der Elternzeit geht, übernimmt er das. Beide haben ihre favorisierten Bereiche in der Hausarbeit: „Sie macht die Wäsche besser, ich koche besser.“ Putzen tun sie häufig auch gemeinsam: „Ich putze eigentlich total gerne, ich finde das angenehm, weil ich bei der Arbeit nur Kopfarbeit machen muss.“ Vorteilhaft ist, dass sie ähnliche Vorstellungen von Ordnung
haben. „Man muss mir auch nicht sagen, dass der Windeleimer voll ist. Was mich z. B. immer nervte bei den anderen Vätern, dass die Frau- en denen sagen mussten: ‚Jetzt geh mal das Kind wickeln.’ So was wollte ich nie.“
Reaktionen auf den Vater in El- ternzeit im Unternehmen und im Privaten
„Mein Chef fand das gut, begrüßt das“ kom- mentiert Markus Zimmermann die Reaktion sei-nes Chefs auf die Elternzeit. Der Geschäfts- führer der AWO Bremerhaven und gleichzeitig sein direkter Vorgesetzter unterstützt auch die zweite Elternzeit erneut.
Die Reaktionen auf seine erste Elternzeit bei den anderen Kolleg/innen der AWO Bremerha- ven sind „eher positiv“. Die AWO Bremerhaven fördert einen frühen Wiedereinstieg von Frauen nach der Geburt und akzeptiert den Wunsch von Vätern nach Elternzeit. Der ist aber noch selten. Circa siebzig Prozent der Belegschaft sind Frauen. Schmunzelnd sagt Markus Zim- mermann: „Jetzt kennen sie auch mal einen Mann, der zu Hause geblieben ist. Die meisten Männer bleiben ja doch nicht zu Hause.“ Als sich jetzt Anneke ankündigte, war es für die Kolleg/innen „schon selbstverständlich, dass ich wieder in Elternzeit gehe.“
Während seiner viermonatigen ersten Eltern- zeit und seiner kommenden fünfmonatigen Elternzeit wurde bzw. wird niemand für seine Position eingestellt. Kolleg/innen übernehmen bestimmte Aufgaben, und er selbst übergibt den Einrichtungen und Diensten während sei- ner Elternzeiten mehr Aufträge, damit sie ihr Qualitätsmanagement auch ohne seine direkte Unterstützung vorantreiben. Elternzeit bedeu- tet für Markus Zimmermann, noch besser wesentliche von unwesentlichen Dingen zu un- terscheiden: „Es bleiben dann einfach Sachen
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22 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
liegen, von denen ich denke, die sind auch nicht so relevant.“
Jedoch kennt er Männer, denen es der Arbeit- geber nicht so einfach macht, in Elternzeit zu gehen. Ein guter Freund von ihm, der Arzt ist und vor fünf Jahren plante eine familienbeding- te Auszeit zu nehmen, wurde von Seiten des Unternehmens gefragt, ob er private Probleme hätte, dass er zu Hause bleiben müsste. Er hat dann keine Elternzeit gemacht. Frauen und Männer sind in Bezug auf Elternzeit aus Markus Zimmermanns Perspektive überhaupt nicht gleichberechtigt. Elternzeit bei Männern birgt immer Konfliktpotenzial oder zumindest Dis-kussionsstoff: „Bei Frauen stellt sich die Frage nicht, ob sie zu Hause bleiben oder nicht. Oder sie müssen eben zu Hause blei- ben. Bei Frauen diskutiert das gar keiner. Da ist es okay, wenn sie in Elternzeit gehen und länger nicht da sind.“
In seinem privaten Umfeld ist niemand über- rascht, dass Markus Zimmermann Elternzeit in Anspruch nimmt. „Die Reaktionen waren im- mer nur positiv, aber ich strahle auch nichts anderes aus. Selbst als ich noch keine Kinder hatte, noch nicht verheiratet war, war immer die Aussage, wenn ich Kinder habe, dass ich dann auch einen Teil zu Hause bleiben will.“ Für ihn ist es ein kostbarer Schatz, die Entwick- lung intensiv mitzuerleben: „Mir war immer wichtig, wenn wir Kinder haben, dass ich dann
auch da bin, um das auch mitzubekommen.“ Die Entwicklung der zweieinhalbjährigen Neele verläuft gerade so schnell, dass er es nicht verpassen will, welche neuen Wörter sie be- nutzt oder jetzt schon ganze Sätze bildet.
Markus Zimmermann selbst hatte bis zu sei- ner Pubertät einen „Wochenendvater“. Sein Vater war unter der Woche auf Montage, so- dass seine Mutter hauptsächlich die Erziehung übernahm. Durch die größere Präsenz seines Vaters ab der Pubertät verbesserte sich auch ihr persönliches Verhältnis. Seine Eltern finden seine Art des Lebens positiv.
Teilzeiterwerbstätigkeit und Elternzeit – ein Modell für alle Väter? „Ich glaube, ein Großteil der Männer will es nicht.“
„Das Argument von vielen Männern ist ja im- mer: ‚das geht bei mir nicht im Betrieb’.“ Mar- kus Zimmermann meint, dass dieses Argument von vielen Männern nur vorgeschoben ist. Für ihn hat das primär mit dem Wollen zu tun: „Ich glaube, ein Großteil der Männer will es nicht. Dann gibt es Studien, die sagen, dass Männer in Schichten heiraten oder sich eine Partnerin aussuchen, die sozial schlechter gestellt ist. Dann stellt sich die monetäre Frage erst gar nicht. Das Hauptargument früher war ja immer: ‚meine Freundin bzw. meine Frau verdient ja viel weniger als ich.’ Wenn Männer sowieso immer in niedrigere monetäre Schichten heira- ten, mag das sein. Mein Eindruck ist aber, dass das ganz oft nur vorgeschoben ist.“ Aber die Gründe für die fehlende Beteiligung der Män- ner sind auch bei den Frauen zu finden. Auch hier entdeckt Markus Zimmermann, dass viele Frauen traditionelle Rollen gar nicht aufbrechen wollen: „Meine beste Freundin findet es auch ganz schön, zu Hause sein zu dürfen und der Mann bringt die Kohle ran.“ Viele Frauen „finden das Mutterleben ganz schön, so anstrengend
2Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
es auch ist.“ Aber auch wenn Markus Zimmer- mann in seinem Freundeskreis der Einzige ist, der zu Hause geblieben ist und Teilzeit arbeitet, findet er doch, dass es mehr „engagierte Vä- ter“ als früher gibt, die nicht nur für ihren Beruf leben und sich nicht nur hauptsächlich in der Rolle des Geldverdieners sehen.
Teilzeiterwerbstätigkeit passt nicht zum vor- herrschenden Lebensentwurf und Selbstbild von Männern, von dem sich Markus Zimmer- mann abgrenzt: „Ich verbinde mit männlich sein oder Mann sein eben nicht 15 Stunden am Tag zu arbeiten. Auch früher habe ich schon ge- dacht, wenn ich eine 70 Stunden Woche habe, dann kann etwas nicht stimmen. Viele machen sich so unentbehrlich, dass sie meinen, sie müssen da 70 Stunden abhängen.“ Was ver- bindet er selbst stattdessen mit Mannsein? „Zu Hause eben auch eine aktive Rolle zu überneh- men und einen aktiven Teil an der Erziehung meiner Kinder mitgestalten zu können und das beinhaltet letztlich in bestimmten Bereichen für einen gewissen Zeitraum zurückzustecken.“ Ganz anders als andere Männer sieht er sich jedoch nicht, denn er ist beispielsweise be- geisterter Werder Bremen Fan und trinkt auch gerne mal ein Bier.
Seine eigene zukünftige berufliche Entwick- lung sieht Markus Zimmermann selbstsicher und gelassen. Aus seiner Erfahrung und Beob- achtung geht Karriere durch Teilzeiterwerbs- tätigkeit nicht so schnell, da er zum Beispiel nicht so viele Projekte machen und sich dem- entsprechend nicht ständig profilieren kann. Mittelfristig möchte er in eine Position, in der er noch mehr Verantwortung übernehmen kann. Die AWO Bremerhaven entwickelt sich ständig weiter, insbesondere der Qualitätsma- nagementbereich. Er ist optimistisch, dass sich etwas Positives für ihn ergibt. „Ich kann nicht sagen, dass ich so eine richtige Karriere- planung habe, aber bis jetzt hat das immer gut
geklappt, was ich mir vorgenommen habe.“ Wird Markus Zimmermann eigentlich je wie- der in Vollzeit erwerbstätig sein? „Nein, ich glaube, ich werde nie wieder Vollzeit arbeiten. Dafür sind mir andere Sachen zu wichtig.“ Bei einem Lottogewinn würde er sofort aufhören, erwerbstätig zu sein und stattdessen „in Ruhe promovieren und mindestens zwei Jahre mit meiner Familie wegfahren, vielleicht auch län- ger.“ Für ihn ist frei verfügbare Zeit ein kostba- res Gut: „Freizeit ist mir wichtig und Freizeit im Moment heißt Zeit mit der Familie. Am wenigs- ten Zeit bleibt gerade für mich.“ Er freut sich schon auf die Zeit, wo seine eigenen Hobbys Carrerabahn fahren, Laufen, Rennradfahren und Klettern wieder an Bedeutung gewinnen.
2 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Christian Reil, Offizier und Kapitänleut- nant bei der Deutschen Marine, ist Jahre alt.
Seine Frau ist Anwältin für Steuerrecht in ei- ner Bremer Anwaltssozietät. Sie haben einen gemeinsamen Sohn, Alexander Charles. Er ist fast drei Jahre alt. Alexander wächst zweispra- chig auf, sein Vater spricht ausschließlich eng- lisch mit ihm seine Mutter deutsch.
Seine Laufbahn bei der Deutschen Marine beginnt Christian Reil 1989, direkt nach dem Abitur, bei der Bundeswehr als Offizieranwär- ter an der Marineschule Mürwik in Flensburg. Die Deutsche Marine ist eine Teilstreitkraft der Deutschen Bundeswehr.
Ab 1990 studiert Christian Reil dreieinhalb Jah- re Betriebswirtschaft an der Bundeswehruni- versität in Hamburg, wo er das Studium 1994 erfolgreich beendet. Nach der Ausbildung für Marineoffiziere zum Führungstraining sowie taktisch-operativem Training fährt er ab Ende 1995 für zwei Jahre auf der Fregatte „Rhein- land-Pfalz“ zur See. Die Fregatte „Rheinland- Pfalz“ ist ein Schiff der Bremen-Klasse mit der Hauptaufgabe U-Boot-Bekämpfung. Zunächst dient Christian Reil als Decksoffizier in einem Bereich mit etwa 25 Soldaten, die ihm unter- stellt sind. Im Anschluss ist er zwei Jahre als deutscher Soldat bei der niederländischen Marine tätig, um sich danach als U-Boot-Jagd
Offizier zu qualifizieren. In den kommenden Jahren bis 2000 ist Christian Reil erneut auf einem deutschen Kriegsschiff als Offizier in der Operationszentrale tätig, wo er die Haupt- verantwortung für den Bereich der U-Boot-Jagd inne hat. Im Jahre 2001 wechselt er an die Marineoperationsschule nach Bremerhaven, um dort seine Lehrtätigkeit zu beginnen. Die Marineoperationsschule ist die zentrale Ausbil- dungseinheit der deutschen Marine für Taktik und Operation. Schwerpunkt seiner hochqua- lifizierten Tätigkeit ist die Ausbildung von Of- fizieren als Führungsorgane der Deutschen Marine.
Arbeitszeitverkürzung: ein ge- meinsamer Entscheidungspro- zess
Die Entscheidung, seine tägliche Arbeitszeit zu verkürzen und jenseits des tradierten Modells der männlichen Vollzeiterwerbstätigkeit ande- re Arrangements zu finden, ist ein langwieriger Prozess. Er beginnt bei Stephanny und Christi- an Reil schon weit vor der Geburt ihres Sohnes Alexander. Im Rahmen der Offizierausbildung bei einem weiterbildenden Lehrgang qualifiziert sich Christian Reil 2002 für die Auswahl zum Admiralsstabsoffizierlehrgang. „Danach stand die Frage, Admiralstabsausbildung oder nicht im Raum, und da sind meine Frau und ich so ein bisschen ins Grübeln gekommen. Wie stel- len wir uns eigentlich unsere nicht nur nähere, sondern etwas fernere Zukunft vor?“ Christian Reil und seine Frau sind sich einig, dass sie gerne ein Kind haben möchten. Sie sind beide als Einzelkinder aufgewachsen und möchten dieses für sie positiv geprägte Familienbild fortführen. Für die Familie stellt sich die Frage, was die beste Option sein wird, ein zwischen beruflichen Verpflichtungen und Möglichkeiten sowie familiären Wünschen ausgeglichenes
Im Einsatz als aktiver Vater: „Ich habe es nie bereut. Es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht und macht auch noch viel Spaß.“
2Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Leben zu führen. Die Admiralstabsoffizieraus- bildung als hochqualifziertes Training für stra- tegische Führungsaufgaben sieht einen häu- figen Wechsel von Dienstorten vor. Das gibt den beiden zu denken: „Da haben wir einfach mal geguckt, was passiert, wenn jetzt meine Frau Karriere macht, und wir haben festge- stellt, dass das höchstwarscheinlich besser bezahlt und definitiv deutlich ortsstabiler ist.“ Und die Reils wollten unbedingt im Großraum Bremen bleiben. Das ist der erste Schritt zu der Entscheidung für Christian Reil, die Admiralstabsoffizieraus- bildung nicht anzustreben. Nach der Geburt von Alexander Charles im Jahre 2006 ist die logische Konsequenz dieser Entscheidung, dass es der Vater sein wird, der fünf Monate Elternzeit nimmt. „Es hätte vom Denken her nicht gepasst, zu sagen, meine Frau macht
jetzt drei Jahre Elternzeit, da wir gemeinsam entschieden haben, dass sie sich ganz auf ih- ren Beruf konzentrieren kann und ich darauf verzichte, als Stabsoffizier von Pontius nach Pilatus versetzt zu werden.“
Es ist für die Reils dann ganz normal, dass Stephanny Reil direkt nach dem gesetzlichen Mutterschutz gleich wieder arbeiten geht. „Dann habe ich hier zu Hause das Regiment mit dem Zwerg übernommen.“ Christian Reil war am Anfang sehr überrascht, wie anstren- gend das ist. Er hatte sich seinen Einsatz als aktiver Vater deutlich entspannter vorgestellt. Vor allem die ersten Wochen erlebt er als große Herausforderung und ist abends froh, wenn seine Frau endlich nach Hause kommt. „Man muss erst lernen, auf die Signale eines Kindes zu achten. Da hatte meine Frau natür-
2 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
lich drei Monate Wissensvorsprung, den man auch nicht so vermitteln kann.“ Aber nach ein paar Wochen erkennt auch Christian Reil die Signale und deren Bedeutung, weiß, wann es Hunger ist, irgendwo piekst oder einfach nur Müdigkeit ist. „Ich habe es nie bereut. Es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht und macht auch noch viel Spaß.“
Die fünf Monate beruflicher Auszeit von Chris- tian Reil setzen sich aus gespartem Urlaub so- wie zwei Monaten regulärer Elternzeit zusam- men, in denen Christian Reil auf den Lohn ver- zichtet. So sind die finanziellen Auswirkungen relativ gering. Im Jahre 2006 ist noch nicht das jetzt gültige Elterngeld verfügbar, bei der seit 01.01.2007 der Staat in Form einer Lohner- satzleistung zwei Drittel des Nettoeinkommens erstattet. Im Anschluss an die familienbedingte Auszeit kehrt Christian Reil in Teilzeit mit 85% der vorherigen Vollzeitstelle wieder in seinen Beruf zurück. Der neun Monate alte Sohn Alex- ander kommt in eine Krippe. Überrascht ist die
Familie von den hohen Krippenkosten. Werden die Krippenkosten mit dem geringeren Lohn durch die Teilzeit sowie den anfallenden Fahrt- kosten nach Bremerhaven gegenüber gestellt bzw. aufgerechnet, verbleibt nur ein deutlich geringerer Anteil an verfügbarem Lohn. Dabei verdient Christian Reil nicht schlecht. Es wird klar, dass für viele Geringverdiener/innen ein Ausstieg eine attraktive Variante wird. „Für die 500 Euro netto kannst du auch zu Hause blei- ben,“ gibt anfangs seine Frau zu bedenken. Sie entscheiden sich dann aber doch für einen Krippenplatz, da der Sohn als Einzelkind dort die Chance bekommen soll, das soziale Mitein- ander zu lernen. Gleichzeitig scheint ein kom- pletter Ausstieg für Christian Reil zu riskant, zu viel müsste wieder nachgeholt werden. „Dann müsste ich ja fast mit der Grundausbildung wieder anfangen.“ Sohn Alexander geht von nun an täglich von 7:30 bis 15.30 in eine Krip- pe. „Dort fühlt er sich auch pudelwohl“ so der Vater. Er führt es darauf zurück, dass Alexan- der noch vor der Fremdelphase, wenn Kinder bei keinem anderen als bei den Eltern auf den Arm sein wollen, den Krippenplatz bekommt. „Mama geht zur Arbeit, Papa geht zur Arbeit und Alexander geht zur Arbeit – jeder hat sei- nen Job“ sagen die Reils. Und das kommt an und lässt die Stunden in der Krippe für Alex- ander zu einer ganz normalen Angelegenheit werden.
Christian Reil hat mit seiner Teilzeittätigkeit auch einen Tag Telearbeit ausgehandelt, den er sich auf den Freitag legt. Dafür hat er von der Dienststelle einen Arbeitsplatz mit Laptop eingerichtet bekommen. Den Tag genießt er sehr, da ihm das noch mehr Zeit für das Zu- sammensein mit seinen Sohn ermöglicht.
2Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
„Wäre doch gelacht, wenn wir nicht noch ein paar Windmühlen finden würden.“
Teilzeit in Kombination mit Teleheimarbeit hat es bis dahin bei Offizieren der Deutschen Marine noch nicht gegeben. Obwohl es ein
Präzedenzfall ist, bekommt Christian Reil volls- te Unterstützung von seinen Vorgesetzten bei der Umsetzung seines Wunsches, Teilzeit zu arbeiten und gleichzeitig einen Tag in der Woche Teleheimarbeit praktizieren zu dürfen. „Mein Vorgesetzter griente mich zuerst an, er hat so eine ‚Don Quijoten Mentalität’ und meinte scherzhaft: „wäre doch gelacht, wenn wir nicht noch ein paar Windmühlen finden würden.“ Reils Vorgesetzter entpuppt sich als einer der- jenigen, die gerne dabei sind, wenn was Neues passiert. Er formuliert ausführliche Kommen- tare und Stellungnahmen zur Begründung des Anliegens, opfert die eine oder andere Stunde seiner Freizeit und kommt zu dem Fazit: Teil- zeit ist auf dem Dienstposten umsetzbar.
Kritischer betrachtet wurde die Angelegenheit von der personalbearbeitenden Stelle in Köln. Man hatte dort Sorge, bei der Präzedenz et- was falsch zu machen. Das Antragsprocedere ist daher langwierig und führt dazu, dass dem Elternteilzeitantrag erst nach dem ersten Ge- burtstag des Sohnes stattgegeben wird. Der gesamte Prozess vom Erstantrag bis zur Be- willigung dauert schließlich 19 Monate. Viele rechtliche Details sind zu prüfen wie beispiels- weise das Vollzeitvolumen, das zur Berechnung der Teilzeitstelle zu Grunde gelegt werden soll, da die Marine unterschiedliche, einer Vollzeit- stelle entsprechende, Grunddienstzeiten hat. Insgesamt charakterisiert Christian Reil das Vorgehen als „richtigerweise“ sehr vorsichtig, was der mangelnden Erfahrung mit der Umset- zung von Teilzeit bei der Marine geschuldet ist. „Das neue Spielfeld musste erst einmal abge- steckt werden, wir mussten alle was lernen.“
Christian Reil beschreibt seinen Präzedenzfall als logische Konsequenz einer Öffnung der Ma- rine für Frauen. Viel hat sich in der Bundeswehr geändert, seit 2000 die erste deutsche Frau ihre Klage, in die Streitkräfte aufgenommen zu werden, bis zum Europäischen Gerichts- hof in Luxemburg vorgebracht hat. Ihr Anwalt, den ihr der Bundeswehrverband an die Seite gestellt hatte, klagte unter Berufung auf das europäische Gebot der Gleichbehandlung der Geschlechter. Und gewann: Der Europäische Gerichtshof verwarf die Personalpolitik der Bundeswehr als Frauendiskriminierung. Seit 2001 sind Frauen nun zum Waffendienst zuge- lassen. Vorher war es den Frauen nur möglich, im Sanitätsdienst oder im Militärmusikdienst Soldatin zu werden. Insgesamt dienen heute rund 13.600 Frauen bei den Streitkräften der Bundeswehr, das sind etwa 8%. Damit wur- den die Rahmenbedingen geschaffen, dass sich die Frauen bei der Bundeswehr nach der deutschen Sozialgesetzgebung verhalten kön- nen und ihre Rechte etwa bei Elternzeit oder
2 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Elternteilzeit voll ausschöpfen können. „Frauen die Türe zu öffnen und im nachhinein zu sagen, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen gilt hier aber nicht, das ist natürlich nicht mög- lich.“ Und da konnte es auch nicht mehr lange dauern, bis der erste Kerl – und das war eben ich – sagt, stopp mal, wie sieht das eigent- lich für mich aus?“ Christian Reil beruft sich auf das Soldatinnen- und Soldatengleichstel- lungsgesetz, das Ende 2004 in Kraft trat. Die Verwaltungsvorschriften besagen, dass auf einem Dienstposten, der im Marinefall ein nicht See gehender Posten ist, Teilzeit nicht ausge- schlossen werden darf. Nach dem Gesetz ist die Dienstelle aufgefordert, Arbeitszeiten und sonstige Rahmenbedingungen anzubieten, die Soldatinnen und Soldaten die Vereinbarkeit von Familie und Dienst erleichtern, soweit wichtige dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Bei einer Tätigkeit, in der die Umsetzung nicht möglich ist, ist die Marine gehalten, eine Quer- versetzung auf einen gleichwertigen Posten zu ermöglichen. Das war bei Christian Reil aber gar nicht notwendig.
Hat sich das Aufgabenvolumen von Christian Reil geändert mit dem Übergang in Teilzeit? „Of- fiziell heißt es, dass im Rahmen der Teilzeit von 85% einer Vollzeitstelle nicht 100% gemacht werden dürfen.“ Die Umsetzung der Teilzeit fällt bei Reil in eine insgesamte Umstrukturie- rungsphase der Personallandschaft bei den Dienstposten der Marine. Alle Dienstposten erfahren eine Veränderung ihres Aufgaben- spektrums. Seine persönliche Quintessenz ist: Seine aktuellen Aufgaben sind in 85% Teilzeit gut zu schaffen. „Es passt einfach.“ Teilzeit kann bei der Marine bis zu 12 Jahre ausge- übt werden, ob Christian Reil diesen Zeitraum ausreizen wird oder vorher wieder in Vollzeit zurückkehrt, ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht entschieden.
„Den ‚bunten Hund Status’ habe ich natürlich schon hier.“
Einige Kollegen belächeln am Anfang das neue Teilzeitmodell, aber der „Faulheit“, wurde Reil nie verdächtigt. „Die Standardsprüche waren
2Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
dann: ‚Wie du noch hier?’ Da muss man dann ganz tapfer sein. Aber dafür werden wir hier ja bezahlt.“ Es sind vor allem die älteren Kollegen, die damit nichts anfangen können, bei denen das Modell nicht in die Rollenvorstellung und in den eigenen Erfahrungshorizont passt. Ganz anders die nachrückende, jüngere Generation, die sich (fast) von Anfang an aufgeschlossen gegenüber Christian Reils Arbeitszeitmodell zeigt. Mehr noch: Er ist als Präzedenzfall in der Deutschen Marine schon so bekannt, dass ihn zurzeit ein bis zwei Anrufe pro Woche von Kameraden erreichen, die sich nach seinen Erfahrungen mit Elternzeit und Teilzeit erkun- digen, Informationen zum rechtlichen Rahmen bekommen möchten oder einfach nur neugie- rig sind. „Ich hab das schon mal gehabt, dass hier Lehrgangsteilnehmer vorbeigekommen sind, die sagen, ‚Oh, Sie sind das also!’“
Wie wirkt sich die Erfahrung einer aktiven Va- terschaft mit viel Engagement im Haushalt auf den Beruf aus? „Man wird viel gelassener, viel ruhiger der Hektik auf der Arbeit und den scheinbar dringenden Sachen gegenüber. Ich hatte schon immer viel Spaß bei der Sache. Nur jetzt macht es mir noch mehr Freude. Man betrachtet das Leben noch mal aus einer ganz anderen Perspektive.“
Zur eigenen Weiterentwicklung beschließt Christian Reil, sich mit seiner langjährigen Er- fahrung an der Marineoperationsschule in die Schulplanung und Schulentwicklung mit einzu- bringen. Seit einem halben Jahr ist er Teil des Personalrats. Ein erfreulicher Nebeneffekt ist auch der damit einhergehende Versetzungs- schutz. Denn die Sicherheit, vor Ort bleiben zu können, ist Christian Reil nach wie vor aus familiären Gründen wichtiger, als durch eine Ortversetzung auf förderliche Dienstposten zu kommen. „Wenn das Geld, was ich durch die Beförderung bekommen würde, dann kom- plett durch den Auspuff geht, weil der Posten
in Potsdam ist, haben wir auch nichts davon in der Familie. Im Gegenteil: wir sehen uns nur weniger. Wenn hier beide die Ambition hätten, Karriere zu machen, dann bleibt bei unseren Berufen die Familie auf der Strecke. Der Zwerg braucht Zeit, braucht Aufmerksamkeit und Muße. Die können sie ihm nicht geben, wenn sie abends um acht nach Hause kommen. Da muss der nämlich schlafen.“ Reils Überzeugung ist es, dass vor dem Hin- tergrund der beruflichen Herausforderungen einer hochqualifzierten Tätigkeit in einer An- waltskanzlei und einer bei der Deutschen Marine nur eine/r der beiden Karriere in Voll- zeittätigkeit machen kann. „Aber ich stecke ja dadurch nicht zurück, ich komme mir ja nicht minderwertig vor. Man muss halt das Wir-Den- ken in der Familie einführen. Und das bedeu-
tet, am Ende des Monats muss eine schwarze Null auf dem Konto stehen. Von wem das nun kommt, ob von ihm oder von ihr, das ist doch egal, wenn man in Gemeinsamkeit denkt.“
0 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Umgekehrte Rollen: „that’s daddy-duck“
Christian Reil ist ab sechs Uhr früh auf dem Weg zur Arbeit und kehrt gegen 15:00 Uhr zu- rück. Gerade zur rechten Zeit, um Alexander um 15:30 Uhr aus der Krippe abzuholen. Je nach Wetter und Jahreszeit machen Vater Reil und Alexander dann noch Programm: von Kin- derspielplatz über Freunde einladen bis zum Flugplatzbesuch. Das fasziniert Alexander be- sonders. Vom Starten und Landen der Flug- zeuge kann er gar nicht genug bekommen. So ein Besuch lässt sich vor allem am Freitag gut einplanen, wenn Christian Reil Telearbeit von zu Hause macht. Dann können die beiden auch manchmal vormittags auf den Flughafen gehen, um danach zu Mittag den „fast food fri- day“, wie sie es nennen, zu zelebrieren. Dann werden zur Freude des Kleinen ausnahmswei- se Menus bei Fastfood Ketten in dicken Tüten mit zur Arbeitsstelle der Mutter genommen, um sie dort gemeinsam zu verspeisen. Dies sind für die Familie die ersten Anzeichen des nahenden Wochenendes.
Da Stephanny Reil jeden Tag erst gegen 19:30 Uhr zu Hause ist, haben die Reils eine Methode gefunden, damit Alexander und sei- ne Mutter wochentags noch etwas voneinan- der haben in den Abendstunden. Um 18 Uhr gibt es für Alexander eine frühabendliche Schlafpause bis 19 Uhr. Danach freut er sich auf seine Mutter und kann mit ihr noch eine gute Stunde spielen, bevor es endgültig zur Nachtruhe geht. Das genießen alle gleicher- maßen.
Die Hausarbeiten erledigt Christian Reil zum größten Teil, denn er möchte nicht, dass sich seine Frau bei der langen Arbeitszeit abends oder auch am Wochenende noch viel im Haus- halt engagieren muss. „Die wenige Zeit, die meine Frau aufgrund ihrer hohen Arbeitsin-
tensität hat, die soll sie nicht auch noch mit Putzen verschwenden. Ich sage manchmal scherzhaft, meine Frau weiß, dass wir eine Waschmaschine haben, aber wie man die so richtig bedient, da wird es kritisch.“ Einige Hausarbeiten hat Christian Reil zum Spiel um- funktioniert, wie das gemeinsame Ausräumen der Waschmaschine oder das Saugen. Dabei sitzt Sohn Alexander gerne mal auf dem groß- en Staubsauger, während Vater Reil die Woh- nung durchsaugt. Diese Erfahrungen lassen andere Rollenbilder bei Alexander Charles entstehen, so Christian Reil: „Auf unserem Liederbuch ist vorne die Entenfamilie für das Lied ‚Alle meine Entchen’ abgebildet. Irgend- wann wollte ich mal wissen, wen er da so al- les sieht. Und bei der Ente in der Mitte, um die sich alle Küken scharen, sagte er dann: „that’s daddy-duck.“
Bei der Erziehung sind die Zuständigkeiten verteilt. Christian Reil fühlt sich für das „Gro- be“ verantwortlich. Er ist derjenige, der Re- geln vorgibt und liebevoll Grenzen setzt. Das ist ganz bewusst so arrangiert, da er damit seine Frau entlasten will, ihr in der wenigen Zeit, die ihr neben der Arbeit zur Verfügung steht, Ärger ersparen möchte. Sie soll sich möglichst nicht mit den belastenden Dingen der Kindererziehung konfrontieren müssen. Einige Freunde staunen über diesen konse- quenten Erziehungsstil. Bei einem befreunde- ten Pärchen, mit denen sich die Reils öfter treffen, ist die Konstellation dann so: Frau Reil trifft sich mit ihm zu Mittag, um über Ju- risterei zu sprechen, Christian Reil geht mit ihr auf den Spielplatz und turnt mit den Kin- dern. „Das ist dann halt so gespiegelt, die Rollen sind genau umgekehrt.“
Wieso ist dieses Modell nicht verbreiteter? Welche Rahmenbedingungen wären nötig, da- mit mehr Männer in qualifizierten Positionen oder sogar als Führungskräfte zumindest für
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
eine Phase ihres Erwerbslebens in Teilzeit er- werbstätig sein könnten? Neben der Offenheit für neue Rollenmodelle bei gleichzeitigem Denken in Gemeinsamkeit ist es für Christian Reil ganz klar, dass der finanzielle Hintergrund stimmen muss: „Die Einkommenssituation
muss das schon möglich machen. Wenn die Frau, ich sag mal, im Verkauf arbeitet und er in Führungsposition, dann ist das doch klar, wer da aussteigt oder Arbeitszeit reduziert. Bestimmt nicht er.“
2 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Tim Landgraf ist 0 Jahre und arbeitet in der Präsidialabteilung der Polizei Bre- men. Er leitet dort den Bereich IT-Strate- gie, Organisations- und Personalentwick- lung.
Tim Landgraf und seine Frau, Kerstin Kinner, haben drei Kinder: Jule ist 10 Jahre alt, Jonte 13 und Lisa 17.
Tim Landgraf beginnt 1996 nach einem dreijährigen Studium an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung den Dienst bei der Kriminalpolizei Bremen. Die Möglichkeit des Direkteinstiegs in den gehobenen Dienst ist zu dem Zeitpunkt eine einmalige Gelegenheit, die Tim Landgraf gerne nutzt, da ihn das zu- vor begonnene Lehramtstudium nicht zufrie- den stellt bzw. eine zu unsichere Zukunfts- aussicht bietet. Er bricht daher das Studium vorzeitig ab. Ganz anders seine Frau, die das Lehramtstudium absolviert und gerne Lehre- rin ist. Tim Landgraf ist froh, bei der Polizei eine Alternative zu finden, zumal neben dem Interesse für die Arbeit bei der Polizei auch die Notwendigkeit einer festen und sicheren Beschäftigung besteht, da er 1991 das erste
Mal Vater einer Tochter wird.
Die Polizei Bremen besteht aus den Direkti- onen Schutzpolizei, Kriminalpolizei/Landesk- riminalamt, Wasserschutz- und Verkehrspo- lizei, Zentrale Einsatzsteuerung und Bereit- schaftspolizei. Darüber hinaus umfasst sie die Stabsbereiche Präsidialabteilung sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und die Fachdirektionen Logistik, Recht und Personal sowie Informations- und Kommunikationstech- nik. Ende 2008 sind insgesamt 2.547 Mitar- beiter/innen für die Polizei Bremen tätig. Der Anteil der Frauen liegt bei 21 Prozent. Etwa 6 Prozent der Belegschaft sind in Teilzeit be- schäftigt. Einer davon ist Tim Landgraf.
Erste Erfahrung mit der Erzie- hungszeit: „Um meiner Frau den Einstieg in den Lehrerin- nenberuf zu ermöglichen.“
Die Entscheidung, zur Polizei zu gehen, hat Tim Landgraf nie bereut: „Ich bin sehr ger- ne bei der Polizei und würde das auch immer wieder machen.“ Nach dem Studium arbeitet er zunächst Vollzeit im Bereich Spurensiche- rung. Zu dem Zeitpunkt ist er aber schon zum zweiten Mal stolzer Vater - diesmal ist es ein Sohn, der im Jahre 1995 geboren wird. Das ist auch der Grund, warum er 1997 ein Jahr Erziehungsurlaub beantragt, um sich um die zwei Kinder zu kümmern, die die jungen Eltern nun stark fordern. „Das war damals schon Exotenstatus bei der Polizei.“ Wesent- lich trägt zur Entscheidung auch bei, dass seine Frau in diesem Jahr ihre erste Stelle im Schuldienst findet. „Um ihr diesen Einstieg zu ermöglichen, habe ich das damals gemacht. Ich habe das auch gerne getan, obwohl ich auch froh war, danach wieder anfangen zu
„Führungskräfte müssen nicht die Ersten sein, die kommen und die Letzten, die ge- hen. Sie müssen aber für ihre Mitarbeiter da sein, wenn es offene Fragen gibt.“
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können. Ich bin ja voll ausgestiegen und nicht nur in Teilzeit.“ Grund, sich auf die Rückkehr in den Job zu freuen, ist, dass „man doch recht schnell aus den Routinen herauskommt bzw. riskiert, Entwicklungsmöglichkeiten bei der Arbeit zu verpassen.“ Das Arbeitsumfeld der Polizei beschreibt er als sehr „dynamisch und vielfältig“, innerhalb eines Jahres entwickelt sich die Organisation ständig weiter. 1998 nimmt er seinen Dienst wieder auf, arbeitet zunächst in einem Ermittlungskommissariat der regionalen Kriminalitätsbekämpfung und anschließend in einer Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung von Falschidentitäten bei Men- schen mit Migrationshintergrund. Er ist nach dem einjährigen Erziehungsurlaub wieder in Vollzeit tätig bis zum Jahr 2000, um dann in den Bereich Controlling zu wechseln.
Ergebnis- statt anwesenheitso- rientiertes Arbeiten erleichtert Teilzeit
Der Wechsel vom so genannten Kerngeschäft (Schutzpolizei, Kriminalpolizei etc.) in den Be- reich Controlling erleichtert den Wechsel von Vollzeit in eine Teilzeittätigkeit, so Landgraf. Sein damaliger Chef vertritt die Einstellung, dass vor allem das Ergebnis und nicht in ers- ter Linie die Anwesenheit zählt: „Es ist mir relativ egal, wann du arbeitest und auch re- lativ egal wo, Hauptsache du bekommst die Arbeitsaufträge in der entsprechenden Qua- lität und Zeit abgeschlossen.“ Es ist diese „positive Grundeinstellung“ gegenüber der Leistung und Einsatzbereitschaft seiner Mit- arbeiter, die Tim Landgraf nutzt, ohne, wie er präzisiert, sie auszunutzen. Er beantragt
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
eine Arbeitszeitreduzierung auf 32 Wochen- stunden, die er zwar noch als „geringe Re- duzierung“ definiert, die aber im Bereich des Polizeidienstes zumindest für männliche Po- lizeibeamte eine Ausnahme darstellt. Die 32 Stunden arbeitet er in einer Fünftagewoche. Obwohl es bei der Umsetzung keine Hinder- nisse durch den direkten Vorgesetzten oder die Kollegen gibt, unterstützt die Tatsache, weiterhin an fünf Tagen anwesend zu sein, seine Entscheidung und „legitimiert“ seine Wahl. „Denn eigentlich passte in diesem Be- reich die Teilzeittätigkeit nicht zum Aufgaben- anfall. Das war damals schon so und ist es heute erst recht.“ Zunächst ist er im Bereich Controlling/Finanzen als Sachbearbeiter tä- tig. Der Bereich wird neu aufgebaut, es gibt dadurch viel Arbeit, um das Leistungs- und Finanzcontrolling zu professionalisieren. „Und da habe ich auch schon sehr viel zu Hause erledigt, auch abends und am Wochenende, und bin in der Summe häufig über meine 32 Stunden gekommen.“ Er gleicht die Über- stunden dadurch aus, dass er sich „auch mal einen Tag frei genommen hat, wenn es nun gar nicht passte zu Hause, wenn plötzlich Un- terstützung gebraucht wurde.“ Auch vergnüg- liche Momente können durch die freien Tage ab und zu genossen werden. So kann er die Kinder, die damals noch im Kindergarten wa- ren, gelegentlich zu Ausflügen mit begleiten.
Tim Landgraf wird 2005 zur Führungskraft. Er übernimmt die Leitung eines Sachgebiets in der Präsidialabteilung, zunächst für den Bereich Organisationsentwicklung und IT- Strategie, später zusätzlich für den Bereich strategische Personalentwicklung. Die Aufga- ben als Sachgebietsleiter sind in erster Linie geprägt durch die Bearbeitung von komple- xen Vorgängen oftmals in Projektarbeit. Im Bereich der strategischen Personalentwick- lung ist Tim Landgraf beispielsweise befasst an der Erstellung von Konzepten zur Auswahl
und Qualifizierung der zukünftigen Führungs- kräfte. Im Bereich IT-Strategie erarbeitet er Empfehlungen für die strategische Schwer- punktsetzung und Finanzplanung.
Diese berufliche Weiterentwicklung wird ihm trotz seiner Teilzeitbeschäftigung ermöglicht. Der Aufgabenanfall ist nach wie vor groß. Sei- ne Führungsaufgaben kann er momentan auch nicht delegieren, da der stellvertretende Sach- gebietsleiter in einem Auslandseinsatz ist. Er kompensiert stattdessen die reduzierte Zeit durch einen „intensiveren und produktiveren Arbeitsstil und weniger Pausen“ und vermei- det es, sich durch Unterbrechungen ablenken zu lassen. Dass ihm als Führungskraft nicht deutlich weniger Aufgaben zugeteilt werden, um auf seine Teilzeitbeschäftigung Rücksicht zu nehmen, empfindet er als normal und ge- rechtfertigt.
Tim Landgraf hat Personalverantwortung für fünf Mitarbeiter/innen, die alle hoch qualifi- zierte Sachbearbeiter/innen sind und damit sehr selbstständig agieren. An diese Mitarbei-
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ter/innen kann er die anfallenden Aufgaben und Vorgänge delegieren.
Reaktion der Kolleg/innen und Übertragbarkeit von Teilzeit auf andere Bereiche
Teilzeitbeschäftigung von Frauen, sowohl im Angestelltenbereich als auch bei den Vollzugs- beamten, ist bei der Polizei mittlerweile Alltag. Daher gibt es keinen Grund, warum dies nicht auch gleichermaßen für Männer gelten soll. Die Vereinbarkeit von Führungsaufgaben und Teilzeitbeschäftigung ist eine grundsätzliche Frage und hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, so Tim Landgraf. Informierte und sensi- bilisierte Führungskräfte tragen mit dazu bei, das Thema Teilzeitbeschäftigung von Männern zu versachlichen. Das audit berufundfamilie® leistet heute bei der Polizei Bremen einen wichtigen Beitrag dazu. Die Polizei Bremen ist seit März 2007 durch die Hertie-Stiftung mit dem audit berufundfamilie® als familien- bewusste Behörde zertifiziert.
Seine unmittelbaren Kollegen respektieren seine Entscheidung. Andere Kollegen wun- dern sich auch schon mal über einen späten Arbeitsbeginn und ein frühes Ende. Dann er- läutert er den Grund seiner Teilzeittätigkeit und „dann ist das auch okay so.“ Und Tim Landgraf wird zum Vorbild: Im Laufe der Jah- re haben sich diverse männliche Kollegen mit Fragen zum Thema Teilzeit an ihn gewandt.
Tim Landgraf orientiert sich einerseits an den Bedürfnissen der Kollegen und Kolleginnen, denn es ist ihm wichtig, dass sie keine Nach- teile durch sein Arbeitszeitmodell erfahren. Andererseits bringt er aber auch seine Wün- sche in den Arbeitsalltag mit ein, beispiels- weise wenn es um die Verlegung von Bespre- chungsterminen geht. Arbeitszeitflexibilisie- rungen lassen sich in der Regel recht gut
in der Präsidialabteilung umsetzen. Die Füh- rungstätigkeit von Tim Landgraf unterschei- det sich von den klassischen Führungsaufga- ben im Kerngeschäft des Polizeidienstes.
Im Einsatzdienst der Schutzpolizei etwa könnte die Wahrnehmung von Führungsaufga- ben in Teilzeit, so seine Einschätzung, schwie- riger realisierbar sein. Dort wird in festen Dienstgruppen gearbeitet. Der Dienstgrup- penleiter hat während der gesamten Schicht durchgehend Führungsaufgaben zu überneh- men. Eine Arbeitszeitreduzierung lässt sich daher schwer über die tägliche Reduzierung von Arbeitsstunden umsetzen. Möglich wäre es, ganze Schichten abzugeben und statt ei- ner Fünftagewoche beispielsweise eine Drei- tagewoche zu arbeiten. „Die Polizei ist ein 24-Stundenbetrieb, das ist ein großer Vorteil, da ist insgesamt viel denkbar. Das Thema Teilzeitarbeit kann mit flexiblen Arbeitszeit- modellen gelöst werden, deren Schwächen - erhöhter Planungsaufwand, ständig wech- selnde Zusammensetzung der Teams - man jedoch in den Griff bekommen muss.“
Als Sachgebietsleiter ist er der Einzige, der in Teilzeit arbeitet. Im Prinzip wäre in dem Be- reich auch ein Jobsharing als Führungskraft möglich, es gibt nur keine Interessenten für das Modell. In seinem Bekannten- und Freun- deskreis wird seine Tätigkeit als Führungskraft
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in Teilzeit mitunter mit Erstaunen wahrgenom- men. Die Reaktionen sind nicht negativ, aber die wenigsten Männer können sich vorstellen, ihre eigene Tätigkeit zu reduzieren. „Es ist durchaus üblich, dass die Frauen arbeiten, dass sie zum Teil auch qualifizierte Aufgaben haben. Aber um der Frau den Einstieg oder die Karriere zu ermöglichen, selber zurückzu- stecken, das ist eher selten.“
Führung in Teilzeit ist machbar, hat aber ihren Preis
Die Frau von Tim Landgraf, Kerstin Kinner, ist nämlich zwischenzeitlich Schulleiterin ge- worden. Sie ist auch in Teilzeit an einer Bre- mer Schule nahe der Wohnung der Familie erwerbstätig. Auch sie arbeitet fünf Tage pro Woche, da ihre Anwesenheit als Schulleiterin jeden Tag nötig ist. „Führungskräfte müssen nicht die Ersten sein, die kommen und die Letzten, die gehen. Sie müssen aber für ihre Mitarbeiter da sein, wenn es offene Fragen gibt. Führung hat etwas mit Präsenz zu tun, und Teilzeit widerspricht dieser Präsenz - das
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ist einfach so - das ist in der Schule so und auch bei der Polizei“, so Tim Landgraf. „Kol- legen oder Mitarbeitern wird damit schon mal die Möglichkeit genommen, mich dann zu er- reichen, wenn sie gerade Bedarf haben. Das ist dann aber so. Es ist der Preis dafür.“ Wich- tig ist ihm, hier einen Ausgleich zu schaffen, durch die private Erreichbarkeit zu Hause oder auf dem Handy. Das gehört bei Tim Landgraf als auch bei seiner Frau ganz selbstverständ- lich zu ihrem Arbeitsverständnis und wird in den Familienalltag integriert.
Wie sehen die Weiterentwicklungs- und die Karrierechancen von Tim Landgraf aus? Er ist für die Ausbildung zum höheren Dienst aus- gewählt worden. Nach einem langen und aus- führlichen Abwägungsprozess gemeinsam mit seiner Frau entscheidet er sich gegen diesen Weg, obwohl viele Kollegen ihn dazu ermutigen. Er möchte nicht mehr auf die Tä- tigkeit in Teilzeit verzichten. Bereits die Aus- bildungsphase ist nicht familienfreundlich, da sie einen längeren Aufenthalt in einer anderen Stadt erfordert. Seine Frau hätte sich dafür beurlauben lassen müssen. Zu dem Zeitpunkt steht sie aber selber vor dem Karriereschritt, Schulleiterin zu werden oder mit halber Stun- denzahl als Lehrkraft weiterzuarbeiten. Daher fiel die Entscheidung gegen die Ausbildung für den höheren Dienst bei der Polizei aus. Die Kombination seiner Position im geho- benen Dienst in Teilzeit mit der Schulleitung seiner Frau scheint beiden auch heute die beste Möglichkeit. Zumal die Familie finanziell ebenso gut dasteht: „Dann verdient eben mei- ne Frau A13 und ich nicht.“
Zur persönlichen Weiterentwicklung und Er- gänzung seiner beruflichen Qualifikationen entscheidet sich Tim Landgraf 2005 für ein zweijähriges Fernstudium im Masterstudien- gang „Öffentliches Management“ an der Uni- versität Kassel. Die Polizei beteiligt sich an
den Kosten, und er bekommt eine Teilfreistel- lung für das Studium. Obwohl sich das Stu- dium momentan noch nicht direkt auf seine Karriere bzw. Bezahlung auswirkt, wird es auf die weitere Karriere sicher „positiven Einfluss“ haben, so Landgraf. Geplant ist nämlich die Rückkehr zur Kriminalpolizei, voraussichtlich nicht in ein Ermittlungskommissariat, son- dern in den Stab der Kriminalpolizei. Seine Teilzeittätigkeit möchte er zunächst beibehal- ten „Perspektivisch soll es aber in Richtung Vollzeit gehen. Die Kinder sind ja auch schon recht groß, die Jüngste ist zehn Jahre alt, und sie werden alle immer selbstständiger.“
Der Familienalltag: „Ich mache alles was anfällt, da habe ich auch keine Berührungsängste.“
Wie kann man sich den Familienalltag mit drei Kindern zwischen zehn und siebzehn Jahren und zwei berufstätigen Eltern in Führungspo- sitionen vorstellen? „Ich mache alles was an- fällt, da habe ich auch keine Berührungsängs- te. Es gibt keine besonderen Schwerpunkte oder Dinge, die ich nie mache oder machen würde. Außer wenn es in den klassischen Handwerkerbereich geht, da darf und soll ich auch mehr machen. Aber da meine Frau während des Tages öfter zu Haus sein kann, wie beispielsweise in der Mittagszeit, macht sie im Haushalt definitiv mehr als ich. Sie ist belasteter, dass wissen wir beide.“
Am intensivsten war die Zeit mit den Kindern für Landgraf während des Erziehungsurlaubs und zu Beginn der Teilzeit, wo die Kinder noch kleiner waren. Der Einsatz von Tim Landgraf spielt sich heute eher nach 16.30 ab, das heißt: „Einkaufen, Wäsche zusammenlegen, die Kinder von den unterschiedlichsten Frei- zeitaktivitäten abholen.“ Auch morgens ist ganz klar seine Zeit: „Ich kümmere mich mor- gens um das Frühstück und darum, dass alle
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gut zur Schule kommen, das ist mein Ding. Beim Frühstück müssen sich die Kinder um nichts kümmern, das ist so ein bisschen wie im Hotel.“ Diesen Service machen die Eltern ganz bewusst, denn der Alltag ist für die Kin- der schon herausfordernd genug. Sie müssen selbstständiger sein durch die Erwerbsarbeit beider Eltern.
So entstehen aber auch Freiräume für die ei- gene Entwicklung: „Die Kinder sind auch ganz froh, dass sie vieles selber machen können. Das merken wir vor allem an der Kleinsten, die musste sich ja Gehör verschaffen und hat sich schon im Kindergarten selber Lesen und Schreiben beigebracht, weil wir ihr nicht genü- gend vorgelesen haben.“ Das sei immer eine Gradwanderung, betont Tim Landgraf, denn die Eltern bemühen sich sehr, so viel Zeit wie möglich für die Erziehung aufzuwenden.
Der Alltag ist gut organisiert und „durchgeti- med.“ Wenn etwas mal nicht nach Plan läuft, etwa weil ein Kind krank ist, wird es gleich eng. Dann stellt sich die Frage, wer zu Hause bleibt, wer die wichtigeren Termine hat und bei wem etwas verlegt werden kann. Manch- mal kommt es dann vor, dass Tim Landgraf später oder erst mittags ins Büro fährt und so lange wartet, bis seine Frau nach Hause kommt. Die gemeinsame Zeit zum Spielen mit den drei Kindern ist rar in der Woche, trotz
Teilzeit. „Aber im Vergleich zu anderen Vätern, die morgens früh weg sind und abends erst wieder da sind, wenn schon gegessen wur- de und die Kinder vor dem Fernseher sitzen, kriege ich viel von ihrer Entwicklung mit.“
Nützliche Sozialkompetenzen durch Familienarbeit
„Ja klar bringt es Vorteile im Beruf, wenn man als Vater gelernt hat, ein kleines Fami- lienunternehmen mit drei Kindern zu mana- gen.“ Menschen, die sowohl Verantwortung im Beruf als auch in der Familie übernehmen, verfügen über ein hohes Maß an Organisati- onstalent, Zeitmanagement und Pragmatis- mus. Die Organisation profitiert davon, dass diese Mitarbeiter strukturiert vorgehen und wichtige Dinge von unwichtigen allein schon deshalb unterscheiden müssen, weil sie an- sonsten nicht in der Lage wären, die Aufga- ben in der vorgegebenen Zeit abzuschließen, so Tim Landgraf. Führungskräfte, die selber Kinder haben und sich um diese kümmern, haben ein anderes „Standing, sie haben ei- nen andern Umgang mit Menschen, der ge- prägt ist durch die eigene Erfahrung mit Kin- dern.“ So der letzte Satz von Tim Landgraf, bevor er sich auf sein Rennrad schwingt, um seine Familie im 12 Kilometer entfernten Haus eines Bremer Vorortes rechtzeitig zu erreichen.
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Jürgen Kolbe, Jahre, ist gelernter KFZ Schlosser und arbeitet bei der Daimler AG im Mercedes Benz Werk Bremen.
Jürgen Kolbe und seine Frau Danuta Ley-Kol- be haben einen gemeinsamen Sohn, Sebasti- an, der 16 Jahre alt ist.
Jürgen Kolbe und seine Frau sind beide seit 1989 bei der Daimler AG erwerbstätig. Auf einer von Kollegen selbst organisierten Fahr- gemeinschaft haben sie sich kennen gelernt. Beide arbeiten zunächst „ganz klassisch Vollzeit“, was in der Fertigung üblich ist. Jürgen Kolbe arbeitet in Schicht- und Grup- penarbeit in verschiedenen Bereichen der Fahrzeugendmontage, während seine Frau als gelernte Schneiderin in der Näherei tätig ist. Als 1992 der gemeinsame Sohn zu Welt kommt, nimmt Danuta Ley-Kolbe Erziehungs- urlaub in Anspruch. Nach dem dreijährigen Erziehungsurlaub beschließt sie, sich noch vier weitere Jahre ganz der Erziehung von Sebastian und dem Haushalt zu widmen. Diese Möglichkeit besteht durch eine Be- triebsvereinbarung bei der Daimler AG. Die Familie kann nicht auf die Unterstützung von Großeltern oder Verwandten setzen. Sie wohnen nicht vor Ort bzw. sind selbst noch berufstätig. Dass Jürgen Kolbe der “Alleinernährer“ ist, scheint in der Zeit ganz normal im Familienbild der Kolbes, schließ-
lich verdient er ja den Familienlohn bei der Daimler AG.
Die Daimler AG ist ein Hersteller von PKW und Nutzfahrzeugen sowie Anbieter von Finanz- dienstleistungen mit Firmenzentrale in Stutt- gart. Die Anfänge des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1883 zurück. Im Werk Bremen laufen jährlich circa 300.000 Fahrzeuge vom Band, 12.800 Mitarbeiter finden Ende 2008 im Mercedes Benz Werk Bremen Arbeit. Daimler ist damit einer der größten Arbeitge- ber in der Region. Der Männeranteil im Werk beträgt 94,6 %, der Frauenanteil 5,4 %.
„Männer müssen ihre Wünsche und Ansprüche gegenüber ih- rem Vorgesetzten klar äußern.“
Als sich 2000 für den Sohn Sebastian Kol- be der Beginn der Schulzeit ankündigt, ent- schließt sich Danuta Ley-Kolbe zur Daimler AG zurückzukehren. Wunsch des Ehepaars Kolbe ist es allerdings, weiterhin viel Zeit mit dem Sohn verbringen zu können, um ihn vor allem in den ersten Jahren der Grundschule begleiten und bei seiner Entwicklung unter- stützen zu können. Um seiner Frau eine Wie- dereingliederung in den Beruf zu ermöglichen und gleichzeitig möglichst viel Zeit zu Hau- se verbringen zu können, beschließt Jürgen Kolbe im Jahre 2000 gemeinsam mit seiner Frau, ein anderes Arbeitszeitmodell zu erpro- ben. Er möchte Teilzeit arbeiten. Jürgen Kolbe spricht seinen Meister daraufhin an und nach anfänglicher Skepsis, da er befürchtet, dass Abläufe gestört werden und so die Funktions- fähigkeit der Organisationseinheit gefährdet wird, erarbeiten sie ein Teilzeitmodell. Für den reibungslosen Ablauf in der Produktion ist es dem Meister wichtig, nach wie vor mit dem Volumen eines vollen Arbeitsplatzes von 35 Stunden zu kalkulieren. Mit einem Kollegen, der zu dieser Zeit einem berufsbegleitenden
„Männer müssen ihre Wünsche und Ansprüche gegenüber ihrem Vorgesetzten klar äußern.“
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Studium nachgeht, findet er seinen „Gegen- part“, mit dem er sich die Arbeitsstelle von „490 Minuten am Band“ teilen kann. Zwischen 2000 und 2003 arbeitet Jürgen Kolbe zwi- schen 20-27 Stunden wöchentlich. Dass ihm Teilzeit ermöglicht wurde, empfindet er im nach hinein als positives Entgegenkommen des Betriebes.
Eine gesetzliche Grundlage, die Arbeitnehmer/ innen eine Reduzierung problemlos ermögli- cht, gab es im Jahr 2000 noch nicht. Erst seit 2001 ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBFG) in Kraft, das den Arbeitnehmer/innen sowohl einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit eröffnet und unter anderem zum Ziel hat, Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern.
Die Daimler AG bietet im Jahre 2000 nicht von sich aus Teilzeit-Modelle an, daher muss Jürgen Kolbe seine „Reduzierung auf Zeit“ selber verhandeln. Sein Vorteil ist, dass er einen Kollegen findet, der Interesse an einem Teilzeitmodell hat. Hätte es diesen nicht ge- geben und hätte der Meister nicht ein offenes Ohr für dieses Experiment gehabt, „wäre es schwierig geworden“, so Jürgen Kolbe. Als große Unterstützung empfindet er den Einsatz des Betriebsrats, der „teilweise mit Engelszungen auf meinen Vorgesetzten ein- geredet.“ hat. Auch die Umsetzung wird vom Betriebsrat immer wieder sachkundig beglei- tet. Es ist alles eine Frage des Willens und der Ausdauer: „Männer müssen ihre Wünsche und Ansprüche gegenüber ihrem Vorgesetz- ten klar äußern.“
2 Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
Reaktion der Kolleg/innen
Und wie haben die Kolleg/innen reagiert, wie wurde die Teilzeittätigkeit von ihnen wahrge- nommen? Im Prinzip hat Jürgen Kolbe sich verstanden gefühlt, viele konnten seine Grün- de gut verstehen, aber „Nachahmer“, die hat er damals nicht gefunden. „Natürlich gab es da auch mal die Bemerkungen von der Sei- te, die einem ständig nach Schichtende ein ‚schönes langes Wochenende’ gewünscht ha- ben. Als ob man zu Hause nur die Füße hoch- legen würde.“
Seine berufliche Weiterentwicklung hat Jürgen Kolbe durch seine Teilzeitbeschäftigung nicht behindert gesehen. Allerdings war in der Zeit die Übernahme von Sonderfunktionen schwer umsetzbar, wie etwa die des Vertrauensmannes oder des Multiplikators für die Anlernung der Kollegen/innen auf neue KFZ-Modelle.
Die Kombination zweier Teilzeit- tätigkeiten im Hause Kolbe: Ein “Gegenschichtmodell“
Frau Kolbe gelingt der Wiedereinstieg bei der Daimler AG in Teilzeit. Ihren bisherigen oder einen vergleichbaren Arbeitsplatz in der Nä- herei kann sie allerdings nicht wieder einneh- men, da die gesamte Abteilung im Zuge von Reorganisationsmaßnahmen ‚outgesourced’ worden ist. Daher wird sie für die Arbeit am
Band angelernt und arbeitet von nun an als angelernte KFZ Schlosserin. Jürgen Kolbe und seine Frau teilen sich die Schichten so auf, dass immer eine/r von beiden zu Hau- se bei Sebastian sein kann. Außer ein- bis zweimal wöchentlich, wo ihr Sohn bei Klas- senkameraden privat zu Mittag ist, gelingt es dem Ehepaar Kolbe, ihre Arbeitszeiten so aufeinander abzustimmen, dass auch mit- tags immer zu Hause gekocht werden kann. Hier sind die flexibel organisierbaren Schich- ten bei Daimler ein großer Vorteil, in einigen Bereichen wird im Dreischichtmodell rund um die Uhr gearbeitet. Unterstützend ist auch die Tatsache, dass beide im 3-Schicht- Modell in Gegenschicht arbeiten. Nach der Nachschicht beispielsweise schlafen Herr oder Frau Kolbe anschließend vormittags und stehen auf, wenn Sebastian aus der Schule kommt und der Partner sich zur Spät- schicht verabschiedet. Das Arrangement hat zwar für Danuta-Ley Kolbe und Jürgen Kolbe den Nachteil, dass sie sich während der Wo- chentage seltener sehen. Ein gemeinsame Wochenende genießen sie dann aber umso mehr.
„Die Lebensqualität ist definitiv gestiegen. Ich habe mein Kind richtig aufwachsen gesehen.“
Für Jürgen Kolbe ist die Zeit mit seinem Sohn eine wichtige und prägende Erfahrung gewe- sen: „Klar, ich habe viel von Sebastians Ent- wicklung mitbekommen. Im Sommer, nach der Frühschicht, hatten wir beispielsweise ein kleines Schwimmbecken im Garten aufgebaut. Da ich soviel mit meinem Sohn unterwegs war, dachten einige Nachbarn schon, ich hätte immer Ferien.“ Die gemeinsamen Erlebnisse beschreibt Jürgen Kolbe als Bereicherung für sein Leben: „Wir haben einmal lange an einem Drachen gebaut, der schließlich auch geflogen ist. Wenn man dann die Augen von dem Jun-
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gen gesehen hat, das ist unbezahlbar.“
Im Haushalt engagieren sich Danuta-Ley Kol- be und Jürgen Kolbe zeitlich gleichberechtigt. Es gibt aber persönliche Prioritäten bei den Aufgaben: „Saugen, Wischen, Garten – das machen wir alles gemeinsam. Nur an die Wä- sche lässt mich meine Frau nicht ran. Fenster putzen und alle handwerklichen Reparaturen sind mein Job, das habe ich ja auch gelernt.“ Jürgen Kolbe möchte die dreijährige Erfahrung mit der Teilzeit nicht missen. „Die Lebensqua- lität ist definitiv gestiegen. Ich habe mein Kind richtig aufwachsen gesehen, andere Kollegen sehen ihre Kinder oft gar nicht oder nur am Wochenende oder wenn sie schon schlafen.“ Ende 2003 kehrt Jürgen Kolbe in Vollzeit zurück und arbeitet zunächst nur im Nacht- dienst. Heute arbeitet er nicht mehr am Band sondern ist für die Instandsetzung von Hand- maschinen zuständig und in einem Gleitzeit- system Vollzeit tätig.
Teilzeit als Möglichkeit für Män- ner? „Verbreitung klappt nur dann, wenn das Geld stimmt.“
Auch wenn Männer, die Teilzeit aus eigenem Wunsch beantragen, bei der Daimler AG noch nicht sehr verbreitet sind, hat sich die Kultur heute etwas gewandelt. Einige Füh- rungskräfte sind sensibilisiert für das Thema und erkennen, dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch für Männer ein wichtiges Thema sein kann. Dazu trägt auch das audit berufundfamilie® der gemeinnützigen Her- tie-Stiftung bei. Die Daimler AG, Mercedes Benz Werk Bremen ist seit August 2006 als familienfreundlicher Betrieb zertifiziert. In den Zielvereinbarungen zur Weiterentwicklung der Familienfreundlichkeit finden sich neben An- geboten, die eine Kinderbetreuung betreffen, auch viele Ziele zum Thema Arbeitszeit und Arbeitsorganisation.
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Eine Arbeitszeitverkürzung, auch wenn es nur temporär sein sollte, funktioniert nur dann, wenn die finanzielle Seite stimmt, so die Über- zeugung von Jürgen Kolbe. Familie Kolbe ist finanziell mit zwei Teilzeitstellen auf die Ent- lohnung der Vollzeitstelle von Jürgen Kolbe gekommen, die für das Familieneinkommen ausreichte. Sie befinden sich im mittleren Be- reich der Eingruppierung. „Kollegen und Kol- leginnen, die in den unteren Einkommensbe- reichen eingruppiert sind, können sich sicher- lich Teilzeitmodelle nicht leisten. Zumal wenn diese ein abzuzahlendes Haus und Familie ha- ben.“ Jürgen Kolbe würde es durchaus begrü-
ßen, wenn es mehr Männer in Teilzeit geben würde. Nur müssten die Rahmenbedingungen stimmen und eine Reduzierung nicht eklatant auf Kosten des Lebensstandards gehen.
Und wie sieht es mit Teilzeit in Führungspo- sitionen aus? Für die bislang noch geringe Akzeptanz und Umsetzung von Teilzeitarbeit in Führungspositionen liegen die Gründe für Jürgen Kolbe in der hohen Verantwortung und Präsenz am Arbeitsplatz, die eine Füh- rungsposition ausmacht. „Obwohl das finan- ziell ja gerade im Führungspositionen gut machbar wäre.“
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Dr. Thomas Steidel ist leitender Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendme- dizin des städtischen Klinikums Delmen- horst.
Das Klinikum Delmenhorst ist ein Krankenhaus mit Tradition. Im Jahr 1879 gegründet ist es heute ein modernes und leistungsfähiges Krankenhaus der Regel- und Schwerpunktver- sorgung mit derzeit 272 Betten. Rund 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen in den unterschiedlichen Fachkliniken und Abtei- lungen täglich für das Wohl der Patienten. Stei- gende Patientenzahlen und der medizinische Fortschritt ermöglichten in den letzten Jahren die Entwicklung zu einem modernen Gesund- heitszentrum mit einem Einzugsgebiet weit über die Stadtgrenzen hinaus. In der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin werden Kinder mit allen Erkrankungen des Kindes- und Jugendal- ters - also von Geburt bis zum 18. Lebensjahr – behandelt. Schwerpunkte sind neben der Versorgung kranker Früh- und Neugeborener aus der geburtshilflichen Abteilung des Hauses sowie des benachbarten St. Josef-Stifts, ins- besondere Erkrankungen der Atemwege, der Nieren und ableitenden Harnwege, der Bauch- organe, des Herz-Kreislauf-Systems, des Ner- vensystems sowie des Blutes. Eine große Be- deutung haben die von Fachärzten betreuten umfangreichen Ambulanzen der Kinderklinik, die häufig eine stationäre Aufnahme unnötig machen. Die Klinik für Kinder- und Jugendme- dizin versorgt pro Jahr etwa 1.400 Patienten stationär sowie etwa 9.000 Patienten ambu- lant im Rahmen einer großen Notfallambulanz und diversen Ambulanzen.
Als Kinderarzt mit der Zusatzqualifikation Neu- ropädiatrie und Rettungsmedizin hat Dr. Stei- del vielfältige und unterschiedliche Aufgaben in der Kinderklink. Zur Kinder- und Jugendmedi- zin gehören Primär- und Sekundärprävention, Erkennung und Behandlung von Störungen
und Erkrankungen, die hauptsächlich oder ausschließlich im Kindes- und Jugendalter auf- treten. Fachärzte und -ärztinnen für Kinder- und Jugendmedizin untersuchen nach einer einge- henden Anamnese untersuchen sie die jungen Patienten, diagnostizieren die Erkrankungen und erstellen entsprechende Therapiepläne. Zu ihren Aufgaben gehören auch die Gesund- heitsberatung sowie die Betreuung der Reha- bilitation. Sie behandeln darüber hinaus auch umwelt- und milieubedingte Schäden sowie Suchtkrankheiten. Wichtig dabei ist die Zusam- menarbeit mit Kindertherapeuten sowie der der Sucht- und Drogenberatungsstelle Delmen- horst. Fachärzte und -ärztinnen für Kinder- und Jugendmedizin beurteilen die körperliche, so- ziale, psychische und intellektuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Sie erkennen und behandeln angeborene sowie ausschließ- lich oder hauptsächlich im Kindes- und Jugend- alter vorkommende Erkrankungen. Darüber hinaus veranlassen sie die Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten. Diese beginnen be- reits im Säuglingsalter. In Kooperation mit der benachbarten Kinder- und Jugendpsychiatrie im Wichernstift in Ganderkesee bietet die Klinik eine ‚Säuglingssprechstunde‘ an. Eltern und Säuglinge werden interdisziplinär von einem Pädiater und einem Kinderpsychiater ambulant betreut, um frühe Bindungsprobleme, die sich häufig in Unruhe, Schreien und Schlafproble- men äußern, zu erkennen und diesen entge- gen zu wirken. Im weiteren Verlauf des Kindes- alters können sich Aufmerksamkeitsdefizite, Konzentrationsstörungen und Schulschwie- rigkeiten zeigen. Diese Themen beschäftigen Dr. Steidel neben der Epileptologie im Rahmen seiner Ermächtigungsambulanz.
Aufgaben auf mehrere Schul- tern verteilen
Als leitender Oberarzt gehört die Vertretung des Chefarztes in Gremien und bei einer Viel-
Arbeit auf mehrere Schultern verteilen und Zeit für eigenständige Kunst gewinnen
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zahl von organisatorischen und klinischen Fragestellungen sowie die Mitwirkung im kli- nischen Alltag zu seinen Aufgaben. Als Ober- arzt ist Dr. Steidel zudem Ansprechpartner für die in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte der Klinik. In seinem fachlichen Spezial- gebiet, der Neuropädiatrie stellt er in Delmen- horst die ambulante Versorgung von Epilepsie kranken Kindern sicher. Neben seinen fach- lichen Kompetenzen muss er sich darüber hin- aus in die wirtschaftliche und organisatorische Entwicklung der Klinik für Kinder- und Jugend- medizin einbringen.
Dr. Steidel ist 58 Jahre alt und arbeitet seit 2001 in Teilzeit. Er hat die Arbeitszeit um ein Viertel auf 30 Wochenstunden reduziert. Der Kinderarzt hat eine feste tägliche Arbeitszeit und zusätzlich eine Woche pro Monat Rufbe-
reitschaft. Zwei wichtige Motive haben zur Ent- scheidung für Teilzeit geführt: „Zum einen hat die berufliche Belastung, vor allem die Zunah- me der bürokratischen Aufgaben, zu einer zu starken Beanspruchung geführt. In der Klinik bedeutet eine volle Stelle eine Arbeitsbelas- tung von 60 Stunden in der Woche. Das führt dazu, dass kaum Zeit und Raum für mich selbst und meine Hobbies geblieben ist. Deshalb kam mir die Idee, Teilzeit zu machen. Es erschien sinnvoll, die vielfältigen Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen. Ich habe einen Teil der Aufgaben abgegeben und dafür ist jemand in den oberärztlichen Bereich nachgerückt. Es war in sofern ein günstiger Moment, weil eine erfahrene Kollegin im Team war, die über die entsprechende Zusatzqualifikation verfügte und die nachrücken wollte.“ Zeitgleich hat eine andere oberärztliche Kollegin ebenfalls eine
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Viertelstelle abgegeben und zusammen mit ei- ner weiteren, bislang unbesetzten Viertelstelle konnte die Klinik für Kinder- und Jugendmedi- zin einer erfahrenen Fachärztin dann eine Drei- viertelstelle als Funktionsoberärztin anbieten. Die Neuverteilung der Arbeitszeit ist in Abstim- mung und mit voller Unterstützung durch den Chefarzt entwickelt und umgesetzt worden.
Zeit und Raum für Kreativität im Alltag
Die freiwillige Arbeitszeitverkürzung bedeutet natürlich einen Einkommensverzicht für Dr. Steidel. „Das war mir klar, aber war für mich nicht entscheidend, weil ich nicht schlecht ver- dient habe. Ich habe keine Kinder und habe deshalb geringere materielle Belastungen als andere. Für viele ist Teilzeit aus materiellen Gründen nicht tragbar.“ Die Hobbies von Dr. Steidel sind vor allem Sport und Malen. „Ich betreibe mehrere Sportarten und die Malerei ist schon mehr als ein Hobby. Ich mache das sehr ambitioniert und mit nicht geringem zeit- lichen Aufwand. Ursprünglich war die Malerei Freizeitbeschäftigung und ein Ausgleich zum
Beruf. Ein Ausgleich, der mich intensiv be- schäftigt, mich ausfüllt und neue Erfahrungen mit sich bringt. Ich male seit über 25 Jahren. Je mehr man sich damit beschäftigt um so mehr wachsen die Ansprüche – sowohl an die handwerkliche Technik als auch an Originalität und Eigenständigkeit. Schrittweise entfernt man sich von der ‚Hobbymalerei‘. Zuspruch über Ausstellungen und Verkäufe haben mir deutlich gemacht, dass ich eine eigenständi- ge Malerei entwickelt habe.“ Dr. Steidel hat Ausstellungen in Bremen, Hamburg und Berlin gemacht sowie im Jahr 2007 einen zweiten Katalog heraus gegeben. Zum malen bleibt hinreichend Zeit, es fehlt weiterhin an Zeit, um sich zu vermarkten und im Kunstbetrieb zu po- sitionieren. „Als Künstler malt man die Hälfte der Zeit - die andere Hälfte der Zeit sollte man sich ins Gespräch bringen, an Wettbewerben teilnehmen – diese Seite des künstlerischen Arbeitens kommt nach wie vor zu kurz.“
Die Teilzeit ermöglicht es ihm, im Alltag Raum und Zeit für den kreativen Prozess des Malens ‚einzurichten‘, anders als dies in einer Vollzeit- beschäftigung möglich ist. „Früher habe ich gemalt, wenn ich von der Arbeit gekommen bin. Doch das geht mittlerweile nicht mehr. Ich habe festgestellt, dass ich mehr Abstand von den Anforderungen in der Klinik brauche und mich auch auf die Aufgabe des Malens einlassen muss. Jetzt male ich nur noch wenn ich Freizeit habe. Am gleichen Tag gewisser- maßen parallel zu arbeiten und zu malen, das geht nicht mehr, wenn man bestimmte Ansprü- che an technische Perfektion und die Größe der Arbeit hat. Wenn ich in mein Atelier gehe, nehme ich mir vier oder sechs Stunden Zeit, um mein Vorhaben vorzubereiten und umzu- setzen.“
Die Aufgaben im Krankenhaus haben stark zugenommen. „Der Arbeitsanfall in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin hat sich für die
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oberärztlichen Aufgaben in den vergangenen zehn Jahren bestimmt verdoppelt. Aus meiner damaligen 60-Stunden-Woche wäre bestimmt eine 80-Stunden-Woche geworden.“ Die freiwil- lige Verringerung der Arbeitszeit hat zu einer Verdichtung der Arbeit von Dr. Steidel geführt. „Zudem gehen bestimmte Informationen an mir vorbei, weil ich nicht mehr so kontinuierlich präsent bin wie früher. Vorher war ich jeden Arbeitstag bis 16.30 Uhr präsent und war in alle Prozesse eingebunden, war an jeder Rück- sprache beteiligt und jetzt bin ich eben doch in der Regel einen Tag in der Woche gar nicht da. Damit kommt es ganz automatisch zu Lücken und zu Kontinuitätsverlust.“
Vorgesetzte und Kollegen akzeptieren die Teilzeit von Dr. Steidel. Anfangs haben einige Kollegen irritiert reagiert, weil die Arbeitstei- lung noch nicht an die Teilzeit angepasst war. Einige Assistenten haben von einem Qualitäts- verlust gesprochen. „Ich glaube nach wie vor, dass es sinnvoll ist, die vielfältigen Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen.“ Es gab aus dem Haus keinen Widerstand. „Manche meiner männlichen Kollegen haben es nicht verstanden, wieso ich von einer vollen auf eine dreiviertel Stelle zurück gehe.“ Diese Barriere, die andere Männer von freiwilliger Teilzeit ab- hält, ist eher kultureller Natur. „Es passt auch nicht ganz zum männlichen Selbstbild: Wie kann man mit einer Dreiviertelstelle zufrieden sein und ist doch nicht krank? Da gibt es Vor- urteile von männlicher Seite, während Frauen Zustimmung zu erkennen geben: Alles gut und wunderbar.“
Die fachliche Entwicklung im medizinischen Bereich ist von der Arbeitszeitreduktion nicht beeinträchtigt. „Mir war damals klar, dass ich auf dieser Position langfristig verbleiben will. In eine Praxis zu wechseln habe ich nicht an- gestrebt und auch der Wechsel in ein anderes Krankenhaus stand für mich nicht auf der Agen-
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da. Ich habe immer wieder versucht, was Neu- es zu machen. Bestimmte Dinge kann man, die werden dann Routine. Es macht aber immer wieder Spaß etwas Neues zu machen und nicht immer das Gleiche.“ Gerade für spezialisierte Experten mit viel Verantwortung wie Oberärzte kann Teilzeitbeschäftigung Möglichkeitsräu- me für die Persönlichkeitsentwicklung öffnen. Wenn die gewonnene Zeit bewusst und gezielt genutzt wird, um sich weiter zu entwickeln und nicht nur mit anderen Verpflichtungen wieder ‚zugestellt‘ wird. Die intensive Beschäftigung mit der Malerei eröffnet Dr. Steidel eine Erfah- rungswelt, von der auch seine Arbeit in der Kli- nik profitiert. „Es ist ein ganz anderer Bereich, mit dem ich mich beschäftigte. Ich setze mich mit dem Kunstmarkt auseinander und treffe einen ganz anderen Schlag Menschen als im Krankenhaus. Ich setzte mich mit Ideen aus- einander, die völlig verschieden von dem sind, was uns im Krankenhaus beschäftigt. Das ist ein Bereich, der ganz anders strukturiert ist und funktioniert als das Krankenhaus. Das gibt
mir in beiden Bereichen Abstand. Auf der ei- nen Seite gegenüber den Eitelkeiten im Kunst- markt und gibt mir auf der anderen Seite Ge- lassenheit im Krankenhaus, wenn ich frustriert bin von der ausufernden Sitzungskultur und kleinlichem Streit. Ich weiß, dass ich autark in meiner Kunst sein kann und in diesem Bereich Selbstbestätigung ernte.“ Die Malerei eröffnet Dr. Steidel eine künstlerische Gegenwelt, die ihm hilft, die Zwänge der bürokratisierten Kran- kenhausmedizin zu ertragen.
Das Modell freiwillige Teilzeit und Aufgaben- verlagerung auf mehrere Köpfe sollte nach Dr. Steidel auch in anderen Krankenhäusern über- nommen werden. „Man kann heute als Chefarzt oder leitender Oberarzt die vielfältigen Aufga- ben nicht mehr alle allein bewältigen.“ Die viel- fältigen fachlichen Aufgaben im oberärztlichen Bereich sind effizienter und sinnvoller zu lö- sen, wenn sie auf mehrere Schultern verteilt werden.
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Christof Ronge, Jahre, Facharzt für Anästhesie, Master of Public Health, Arzt für Palliativmedizin und Schmerztherapie am Klinikum Links der Weser
2008 bekam Christof Ronge die Anfrage, ob er ins Klinikum Links der Weser wechseln möchte. Dass das Klinikum Links der Weser in Bremen für seine familienbewusste Perso- nalpolitik mit dem audit berufundfamilie® zer- tifiziert ist, wusste Christof Ronge nicht. „Es sollte und konnte auch keine volle Stelle sein.“ Seit Mitte 2008 arbeitet er dort mit einer 75 Prozent Stelle.
Eine Dreiviertelstelle war für ihn ein Kompro- miss, „wobei dieser Kompromiss anstren- gend für die Familie ist“. Zuvor war Christof Ronge von 2004 bis 2008 als Oberarzt für Anästhesie und Intensivmedizin am Klinikum in Bassum tätig. Das heißt er führte viele der 6.000 jährlichen Narkosen am Klinikum durch und war verantwortlich für die Intensivstation. Die ersten beiden Jahre hat er Vollzeit gear- beitet und dann ein Jobsharing-Modell prakti- ziert, sodass er zwei Jahre mit einer halben Stelle arbeiten konnte: Eine Woche stand er der Klinik voll zur Verfügung inklusive Nacht- diensten und Wochenenden, die nächste Wo- che hatte er frei. „Das war das Gute daran: Eine Woche war eine Woche, und die andere Woche war ich weg.“ Die Gefahr von entgrenz- ten Arbeitszeiten war nicht gegeben. Dieses
Arbeitszeitmodell hat ihm und seiner Familie gut gefallen.
Teilzeiterwerbstätigkeit, um einen guten Kontakt zu den Kindern zu haben und der Partnerin ebenfalls die Fortführung ihrer Karriere zu ermöglichen
Christof Ronge ist 1995 Vater von Miriam ge- worden, 1999 kam Zora zur Welt und 2003 ist Noemi geboren. Seine Frau Rebekka Alte ist ebenfalls Ärztin. „Wir haben immer zugesehen, dass wir trotz der Kinder unser Fortkommen in der Karriere ungefähr gleich gestalten. Also, dass wir das nicht so auseinanderdriften las- sen. Der eine oder die eine macht die Karriere und geht alle Schritte durch und hinten bleibt jemand zurück mit den ursprünglich gleichen Ambitionen.“
Dieser Wunsch nach gleichzeitiger beruflicher Entwicklung und Kindern hat geklappt. Christof Ronge wurde 1998 Facharzt für Anästhesie, Rebekka Alte ist Fachärztin für Psychiatrie, Neurologie sowie Psychotherapie und seit 2007 selbstständig in einer Gemeinschaftspra- xis tätig. Sie arbeitet zurzeit ca. 40 Stunden in der Woche und kann lediglich administrative Arbeiten innerhalb ihrer Tätigkeit flexibel am Abend oder am Wochenende machen.
Gleichzeitig war und ist es dem Paar wich- tig, trotz beruflicher Entwicklung genügend Zeit für ihre drei Töchter zu haben. Mit ihren beiden Einkommen könnten sie sich eine aus- geprägtere Betreuung ihrer Kinder durch Dritte leisten, tatsächlich haben sie aber nur einmal wöchentlich nachmittags eine Betreuung für ihre Kinder. An den anderen Tagen wechselt sich das Paar mit der Kinderbetreuung ab.
„Wir haben immer zugesehen, dass wir trotz der Kinder unser Fortkommen in der Karriere ungefähr gleich gestalten.“
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Erziehungsurlaub als Mann : „Was soll jetzt aus Ihnen werden, wenn Sie aufhören zu arbeiten?“
Vor 2004 hieß Elternzeit noch Erziehungsur- laub und die Männerquote lag bei unter zwei Prozent. Einer dieser wenigen Männer war Christof Ronge, der für Miriam anderthalb Jahre Erziehungsurlaub nahm. „Als ich 1997 das erste Mal Erziehungsurlaub genommen habe, da war das mit richtigen Widerständen verbunden.“ Zwar war die Möglichkeit, Erzie- hungsurlaub zu nehmen, gesetzlich fixierter Anspruch. Dennoch ist sein Wunsch „mit Ver- wunderung quittiert worden, das überhaupt zu machen. Das fand ich recht eindrücklich.“ Christof Ronge war damals auf dem Weg zum Facharzt. Er hatte konsequent Medizin studiert und seine berufliche Laufbahn vorangebracht.
Seit 1992 war er als Assistenzarzt an einem großen Klinikum im Bereich Anästhesie und operative Intensivmedizin beschäftigt. Seine Verträge waren immer befristet. Bei der An- kündigung, dass er jetzt in Erziehungsurlaub gehen würde, fragte sein Chef: „Was soll jetzt aus Ihnen werden, wenn Sie aufhören zu ar- beiten?“
Christof Ronge war damals Anfang dreißig und Fragen wie diese haben ihn verunsichert. Trotz der Frage seines Chefs hat er nicht ein- gelenkt: „Die Entscheidung war klar, aber sie war nicht ohne innere Schwierigkeiten. Oder die kamen erst hinterher: Was habe ich mir damit angetan? Habe ich mir die Karriere da- mit total ruiniert? Ist mein Fortkommen nicht gesichert? Dazu muss man ja wissen, dass ich mich zu der Zeit immer in Verträgen bewegt
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habe, die befristet waren. Das war der große Knackpunkt. Es gab ja immer die Befristung. Und daher war nie klar und wurde von meinem Arbeitgeber auch nicht klar formuliert, wenn ich jetzt in Erziehungsurlaub gehe, wird mein Vertrag später auch verlängert.“ Seine Frau bringt es wie folgt auf den Punkt: „Er hat auch etwas riskiert damit. Es herrschte für einen Mann noch weniger Verständnis. Bei Frauen ist das anders. Denen wird eher Verständnis ent- gegengebracht. Die werden zwar auch nicht mehr gefördert, aber bei Frauen hat es eine andere Normalität.“
Ende der 1990er Jahre herrschte noch kein Mangel an Ärzt/innen, sondern starke Kon- kurrenz untereinander um die wenige Stellen. Chefärzt/innen spielten damit und haben Druck gemacht, Nachwuchskräfte zu fördern oder eben auch nicht. „Mich hat auch die Angst rich- tig umgetrieben, die Stelle nicht wiederzukrie- gen“, so Ronge.
Die anderthalb Jahre Erziehungsurlaub mit sei- ner Tochter Miriam hat er als sehr bereichernd erlebt. Die besondere Bindung zwischen Vater und Tochter wurde z.B. den Erzieherinnen in Miriams Krippe daran deutlich, dass Miriam, wenn sie sich wehgetan hatte, nicht wie die an- deren Kinder nach der Mutter sondern „Papa, Papa“ gerufen hat.
Sein privates Umfeld hat seine Erziehungsur- laube „komplett akzeptiert. Und ich habe nie von anderen Männern gehört: ‚Warum machst du das überhaupt?’ Aber auch nicht ‚Ich bin ja neidisch auf dich, dass du das so machst.’“ Als merkwürdig haben ihn dagegen die Mütter aus Miriams Krippe empfunden: „Ganz am Anfang bei Miriam war es schwierig, wie die Frauen darauf reagiert haben, also die anderen Müt- ter. Dass da ein Vater ist, der sein Kind im- mer bringt und immer holt. Das war bei Miriam ungewöhnlich und wurde auch so aufgefasst. Wir waren zwei Väter, die das so gemacht ha- ben, und die anderen Mütter haben häufiger
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mit Unverständnis reagiert. Ich habe das so interpretiert, dass sie sich das eigentlich auch wünschen würden.“
Teilzeiterwerbstätigkeit – „Was bin ich denn, wenn ich nicht voll arbeite?“
Nach dem Erziehungsurlaub wollte Christof Ronge wieder in Teilzeit beruflich einsteigen. „Mir hatte der Erziehungsurlaub gut gefallen, ich war Facharzt geworden und meine Frau war noch keine Fachärztin. Deshalb musste das jetzt möglich sein, dass ich reduziere.“ Das war allerdings nicht so einfach möglich. „Das Wiederkommen in den Beruf nach dem Erziehungsurlaub mit dem Wunsch auf Teilzeit, das war richtig schwierig.“ Das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das heute in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten allen einen ge- setzlichen Anspruch auf Teilzeiterwerbstätig- keit ermöglicht, gab es noch nicht. Es hieß: „Das machen wir nicht. Obwohl in der Abteilung schon viele Frauen da waren, die Teilzeit gear- beitet haben. Da war das deutliche Ansinnen, das nicht zu dulden“, wenn Männer in Teilzeit erwerbstätig sein wollten.
Letztendlich hat es doch geklappt, weil eine Kollegin eine Viertelstelle aufgestockt hatte, sodass er mit einer dreiviertel Stelle wieder einsteigen konnte. „Es war eng. Ich weiß nicht, was gewesen wäre, wenn die Kollegin nicht re- lativ schnell gesagt hätte: ‚Wenn das hier nicht geht, dann mach ich das möglich.’ Dann wäre es nämlich in jedem Fall zu einer Konfrontati- on gekommen und dann weiß ich nicht, wie es gewesen wäre.“
Auch für seine Tochter Zora hat er 2001-2003 erneut Erziehungsurlaub genommen. Dieser Erziehungsurlaub gestaltete sich noch mal ganz anders, weil Christof Ronge ein Aufbau- studium aufgenommen hatte. Wenn es auf-
grund seines Gesundheitswissenschaftsstudi- ums eng mit der Betreuung von Miriam und Zora wurde, kam der Großvater aus Hannover und übernahm die Betreuung. Christof Ronge wurde zum Ende des Aufbaustudiums eine hal- be Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bremen angeboten. Die Stellen- konkurrenz unter Ärzt/innen hatte sich leicht entspannt, und Christof Ronge ging nach dem Ende seines Erziehungsurlaubs von Zora das Risiko ein, seinen Vertrag am Klinikum zu kün- digen, wo er zehn Jahre gearbeitet hatte. Statt der Arbeit mit Patient/innen widmete er sich anderthalb Jahre der Versorgungsforschung. Er genoss es, seine Arbeitszeiten so einteilen zu können, dass sie mit der Kinderbetreuung vereinbar waren, denn während dieser Zeit ar- beitete seine Frau Vollzeit in einer Klinik. Sein Chef an der Uni hat dieses Konzept unterstützt und in bewundernswerter Weise akzeptiert.
2003 bekamen Rebekka Alte und Christof Ronge Noemi, ihre dritte Tochter. Nach dem Ausflug in die Wissenschaft fing Christof Ronge 2004 als Oberarzt an der Klinik in Bas-
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sum an. Mit 41 Jahren hatte er zum ersten Mal in seinem Leben einen unbefristeten Vertrag, zunächst in Vollzeit. Nach zwei Jahre redu- zierte er seine Stelle um die Hälfte, um wieder mehr für die Kinder dazusein und seiner Frau den beruflichen Wiedereinstieg zu erleichtern. Der Wechsel von Voll- auf Teilzeit in Bassum war kein Problem, denn sein dortiger Chef sah „dass das was Wichtiges im Leben ist, obwohl er selbst ein ganz anderes Modell hatte.“
Der heutige Alltag – „Das Zeit- korsett ist enger als früher ge- worden“
Christof Ronges heutige Tätigkeit als Arzt am Klinikum Links der Weser ist vielseitig. Haupt- sächlich arbeitet er auf der Palliativstation. Hier werden Menschen mit unheilbaren Erkran- kungen aufgenommen, um ihre Symptome zu lindern und mit möglichst guter Lebensqualität wieder nach Hause entlassen zu werden. Nicht selten bleiben die Patient/innen aber bis zu ih- rem Tod auf der Palliativstation. Des Weiteren arbeitet Christof Ronge in der Schmerzam- bulanz des Klinikums, und es wird versucht, einen ambulanten Palliativdienst aufzubauen, damit Palliativpatient/innen weniger in statio- näre Betreuung müssen und zu Hause beglei- tet werden können. Weiterhin übernimmt das ärztliche Palliativteam die medizinische Betreu- ung von sterbenden Patient/innen des Hospiz
Brücke im Stadtteil Walle.
Innerhalb seiner Tätigkeit muss er monatlich an einem Wochenende arbeiten und durchschnitt- lich acht Rufdienste absolvieren. Das bedeutet, an acht Nächten im Monat von 18 Uhr abends bis 8 Uhr am folgenden Tag telefonisch er- reichbar zu sein und bei Notfällen in die Klinik zu fahren. Seine normale Arbeitszeit erfolgt im Schichtdienst. Mit zwei Kolleginnen haben sie ein für alle drei individuell passendes Arbeits- zeitmodell gefunden, sodass sich Berufliches und Privates trotz Schichtdienst einigermaßen kombinieren lassen. Wenn Christof Ronge Frühdienst hat, muss er spätestens um 14 Uhr Noemi aus dem Kindergarten abholen. Zora ist meistens schon seit 13 Uhr allein zu Hause und erwartet die beiden. Christof Ronge ge- fällt es nicht so gut, dass Zora jeden Tag eine Stunde allein ist, wenn sie nach Hause kommt. Zora selbst kommentiert das so: „Manchmal ist es gut, manchmal aber auch doof.“
„Ich finde, dass es jetzt schon eine stressig- ere Zeit ist als vorher mit einer halben Stelle und einer für die Kinder übersichtlicheren Ar- beiteinteilung. Wir haben das vorher auch mit den Kindern abgesprochen. Im Moment habe ich in die Waagschale geworfen, dass mich die Palliativmedizin so interessiert, dass ich dafür persönlich auch in Kauf nehme, zeitlich ange- spannter zu sein mit meiner Familie.“ Durch seine Arbeitszeiterhöhung sieht er bei allen in der Familie eine „gewisse Anstrengung“. Ge- rade Zora signalisiert ihm, dass sie die halbe Stelle wesentlich besser fand. Auch er selbst findet, dass die Abgrenzung und psychische Belastung durch die wochenweise Arbeit gerin- ger war als heute, wo er an allen Wochentagen arbeiten muss.
„Das Zeitkorsett ist enger als früher gewor- den“, seitdem er seine Arbeitszeit aufgestockt hat und seine Frau Vollzeit erwerbstätig ist.
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Lästig ist vor allem die Hausarbeit. Rebekka Alte: „Das ist auch das, was uns beide nervt. Das mit der Kinderbetreuung machen wir ja beide sehr gerne, das macht ja auch Spaß. Der Haushalt ist das, was nervt oder was zu Spannungen führt. Das ist eher ein anstren- gendes Thema.“ Samstags werden auch die Kinder regelmäßig in die Hausarbeit mit einbe- zogen, Rebekka Alte ist für die Einkommens- steuererklärung zuständig und Christof Ronge „begnadeter Bäcker“. Ansonsten versuchen sie die Hausarbeit gleichmäßig zwischen sich zu verteilen und die größeren Kinder zum Mit- helfen zu motivieren.
„Grundsätzlich finde ich Teilzeit unglaublich attraktiv, auch für Menschen ohne Kinder.“
Christof Ronge meint: „Teilzeit hat einfach un- glaubliche Vorzüge.“ Teilzeiterwerbstätigkeit gibt ihm einen besseren Ausgleich zur Arbeit. Er fühlt sich dadurch interessierter und moti- vierter für Dinge, die außerhalb der Arbeits- welt liegen. Vollzeiterwerbstätigkeit ist für ihn momentan nur für kürzere Zeit denkbar: „Ich kann mir zur Zeit nicht vorstellen, ständig voll zu arbeiten, immer diesen anderen Part zu ha- ben, weil mir dann letztendlich zu viel verloren gehen würde. In unserem Beruf kommen ja auch noch Wochenenddienste, Nachtdienste und Bereitschaftsdienste dazu. Ich würde die Kinder dann nicht mehr genug kennen.“ Durch seine Erziehungsurlaube hat er die Erfahrung gemacht, dass er es sich für eine gewisse Zeit erlauben kann, voll zu arbeiten, weil die Bezie- hung mit den Kindern das über eine bestimmte Zeit trägt. „Dadurch, dass wir uns bei vielen Dingen gut kennen gelernt haben, kommen wir mit weniger Zeit aus. Aber das trägt nicht für immer, weil die Kinder sich so schnell verän- dern, dass dann bestimmte Situationen es er- fordern, sich wieder neu kennen zu lernen und das nicht nur in dieser verkürzten Zeit abends
kurz vorm Zubettbringen.“
„Man wird als Mann so erzogen, sich über seinen Beruf zu definieren und wenn man das nicht tut, was tut man dann oder was bin ich dann?“ Christof Ronge versucht auch anderen Männern entgegenzubringen, dass sie durch neue Rollen profitieren können. „Das ist noch mal so ein Schritt, wo ich in Gesprächen mit anderen Männern dahin komme, dass es inter- essant ist, dass sie sich damit was wert sein können, weil es einen Sinn hat.“
Christof Ronge hätte es allerdings auch nicht als gutes Modell empfunden, wenn er immer zu Hause gewesen wäre und seine Frau aus- schließlich gearbeitet hätte. Für ihn ist Teil- zeiterwerbstätigkeit auf jeden Fall zurzeit der richtige Weg: „Ich bin gern bei der Arbeit, und es gibt durchaus Situationen zu Hause, wo ich mir wünsche, auf der Arbeit zu sein. Aber das gleiche gibt es für die Arbeit auch. Ich finde dieses Wechselseitige gut. Ich mache das ja, mit Unterbrechungen jetzt seit zehn Jahren, und ich würde es nicht anders machen wollen solange wir noch soviel Zeit für unsere Kinder brauchen.“
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Peter Heuschötter ist Jahre alt und im Werk Bremen von Airbus beschäftigt.
Bremen ist nach Hamburg der zweitgrößte Standort von Airbus in Deutschland. Rund 3200 Beschäftigte sind in der Entwicklung, in der Produktion, im Programmmanagement und im Bereich Finanzen tätig. Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung, Konstruktion und Produktion von Hochauftriebssystemen für die Tragflä- chen fast aller Airbus-Programme. Im Rahmen des Fertigungsverbundes von Airbus ist Bre- men das Zentrum für Flügelausrüstung aller Großraumflugzeuge und das Zentrum für die Herstellung der Landeklappen für alle Airbus- Programme. Weiterer Schwerpunkt ist die Her- stellung von jährlich 2,5 Mio. Komponenten für den Rumpf und die Tragflächen. Die gesamte Prozesskette von Hochauftriebssystemen (z. B. Landeklappen), d. h. die Entwicklung, die Konstruktion und Erprobung, ist eine Kernfä- higkeit des Standortes Bremen. Außerdem stellt die Entwicklung und Konstruktion der Frachtladesysteme für alle Airbus-Programme ein schwerpunktmäßiges Arbeitsgebiet dar. In der Ausrüstungsmontage werden die Trag- flächen der Programme A340/A330 und A300/310 mit allen Systemen versehen und getestet. Dazu gehören alle elektrischen Kom- ponenten sowie Systeme zur Enteisung und für die Flügelsteuerung. In der Strukturmonta- ge werden die Landeklappen und deren Unter- gruppen für alle Airbus-Programme montiert. Mit modernsten Fügeverfahren werden hier Hochauftriebssysteme aus Metall- und Kompo- sit-Werkstoffen montiert. An der Entwicklung und Produktion des neuen A380 ist Bremen mit allen seinen Kernkompetenzen beteiligt. In der Zukunft wird der Standort maßgeblich an der Entwicklung und Fertigung der A400M be- teiligt sein. In Bremen ist daher der deutsche Anteil des Programmmanagements für die A400M angesiedelt.
Peter Heuschötter arbeitet im Bereich IT. Sei- ne Aufgaben liegen in der Bereitstellung und Anpassung von Softwarelösungen für Rech- nungswesen und Controlling. Gegenwärtig besteht die Aufgabe in der Entflechtung der Werke Nordenham und Varrel aus den Airbus IT Systemen. Nach einer Ausbildung zum Bü- rokaufmann hat er später noch eine Berufs- ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann absolviert. Bei Airbus ist er seit ca. 16 Jahren beschäftigt. Gegenwärtig ist er als Projektlei- ter deutschlandweit für einen bestimmten Auf- gabenbereich zuständig.
Flexibel durch Arbeitszeitkonto
Peter Heuschötter hat seine Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden reduziert. Es gibt bei Airbus ein klassisches Gleitzeitkonto mit +100 Stun- den, ein Langzeitkonto und ein Lebenszeitkon- to. Die wöchentliche Arbeitszeit schwankt je nach Arbeitsanfall ziemlich stark. Im kaufmän- nischen Bereich spielen Stichtage eine große Rolle, der Arbeitsanfall in der unterstützenden IT schwankt parallel dazu stark. Im Winter häuft sich in den sechs bis acht Wochen vor Jahres- schluss die Arbeit, dafür gibt es im Sommer auch Phasen mit geringerem Arbeitsanfall.
Für die Abteilung ist es also wichtig, dass Peter Heuschötter seine Arbeitszeit flexibel auf den Arbeitsanfall ausrichtet. „Wichtig ist, dass ich meine Arbeit fertig mache. Mein Chef spricht mich regelmäßig darauf an, ob ich nicht wie- der zu Vollzeit zurückkehren möchte.“ In den letzten Jahren ist die Abteilung personell ge- schrumpft, weil Stellen nicht wieder besetzt worden sind. „Es gibt den Bedarf, dass die verbliebenen Mitarbeiter auch die 40 Stunden arbeiten. Für einen Vorgesetzten ist es eher schwierig, über eine Planstelle zu verfügen und diese dann ‚nur‘ mit einem Teilzeitmitarbeiter besetzt zu haben. Wobei auch nicht nur nach ‚Köpfen‘, sondern auch nach full-time-aequiva-
Aus Elternzeit in Teilzeit
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lents kalkuliert wird. Dies schon deshalb, weil in einem internationalen Unternehmen wie Air- bus die Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern unterschiedlich lange Arbeitszeiten haben. Ich habe Kollegen aus dem tariflichen Bereich, die eine vertragliche 35-Stunden-Woche haben, andere haben eine vertragliche 40-Stunden- Woche und zudem gibt es noch außertarifliche Kollegen mit Vertrauensarbeitszeit auf Grund- lage eines 40 Stunden-Vertrages. Ich mit mei- ner vertraglichen 30-Stunden-Woche zähle als Teilzeitmitarbeiter, obwohl es sich nur um eine Abstufung handelt.“ Das Arbeitszeitkonto flexi- bilisiert die Länge der wöchentlichen Arbeits- zeit, Peter Heuschötter arbeitet die vertraglich vereinbarten wöchentlichen 30 Stunden nur im Durchschnitt eines längeren Zeitraumes. Gleichwohl besteht ein Interesse des Unter- nehmens an seinen Kapazitäten. Heuschötter
hat das Angebot eines AT-Vertrages vorliegen. Er möchte jedoch auch als außertariflich Be- schäftigter seinen 30-Stunden-Vertrag behal- ten, aber das möchte die Firma nicht. „Ich kann meine Arbeit auch mit einem AT Vertrag machen, auch mit der Besoldung, die ich jetzt habe, aber die Firma möchte Ziele auf Grund- lage einer Vollzeitbeschäftigung und nicht auf Grundlage einer Teilzeitbeschäftigung verein- baren. Das würde bedeuten, dass ich länger in der Firma bin. Und dann würde das hier bei uns nicht mehr klappen, dass wir beide arbei- ten gehen und uns um die Kinder kümmern.“ Gegen die Anfrage des Unternehmens besteht Heuschötter auf der verkürzten Arbeitszeit.
Sein Arbeitsgebiet ist nach der Arbeitszeitre- duzierung im wesentlichen unverändert ge- blieben. Die Arbeitszeitverkürzung hat also
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zu einer Arbeitsverdichtung geführt. „Es gibt natürlich ein Limit, den man dann nicht mehr schafft. Das passiert meist zu den bereits er- wähnten Spitzenzeiten – aber das hat es frü- her, als ich noch in Vollzeit gearbeitet habe, auch gegeben. Dem kann man sowieso kaum gerecht werden. Wenn sich alles ballt, dann ist Land unter und dann muss man bestimmte Aufgaben strecken, dass ist jetzt nicht durch meine Teilzeit verschärft worden. Jetzt die letz- ten Wochen habe ich ja dann auch 40 Stunden in der Woche gearbeitet.“ Bei Arbeitsspitzen bleiben Teilaufgaben unerledigt, allerdings ist dies keine Folge der Teilzeitbeschäftigung. Da er seine Arbeitszeit zu Spitzenzeiten auf 40 Stunden hochfährt kann er das normale Maß bewältigen.
Neues Gesetz ermöglicht Teilzeit
Peter Heuschötter ist nicht unmittelbar aus Vollzeit in Teilzeit gewechselt, sondern erst nach einer Phase in Elternzeit. „Ich habe nach der ersten und nach der dritten Tochter Eltern- zeit gemacht und bin anschließend in Teilzeit gegangen. Das bahnte sich langsam an. Man darf in der Elternzeit arbeiten und ich wollte das machen. Dadurch sind wir in einen ähn- lichen Rhythmus rein gekommen wie heute. Und dann nach drei Jahren endet die Elternzeit plötzlich und wir haben eine externe Betreu- ung zur Unterstützung gesucht und gefunden und seit sechs Jahren läuft das Modell.“ Der Einstieg in die Teilzeitbeschäftigung war eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nach der Geburt des ersten und des dritten Kindes. „Wir zwei als Eltern haben uns zusammen gerauft – und das Teilzeitgesetz der Regierung Schröder wurde damals gerade verabschiedet und dann bin ich zu meinem Boss gegangen und habe gesagt: Auf dieses Gesetz berufe ich mich und das möchte ich machen. Mein damaliger Be- reichsleiter sagte: Dann kannst Du hier keine
verantwortungsvolle Tätigkeit mehr ausüben. Doch ich bin hartnäckig geblieben und das Gesetz hat mir geholfen, dem Druck Stand zu halten. Ich hatte keine berufliche Alternative, um in einem anderen Betrieb in Bremen mei- ne Teilzeitbeschäftigung zu verwirklichen. Da war das Gesetz schon wichtig.“ Am 1. Januar 2001 ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz in Kraft getreten. Die Bereiche Teilzeitarbeit und Befristung wurden unter Berücksichtigung eu- roparechtlicher Vorgaben zusammenfassend geregelt. Die Regelungen schaffen nicht nur Flexibilität für die Unternehmen sondern auch größere Zeitsouveränität für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Peter Heuschötter nutzt das gerade verabschiedete Gesetz, um die Reduzierung der Arbeitszeit durchzu- setzen.
Flexibel durch Absprachen
Mit seiner Frau hat Peter Heuschötter drei Kin- der im Alter von neun, elf und vierzehn Jahren. Die Kinder gehen in eine öffentliche Schule mit Halbtagsbetreuung und ohne Mittages- sen und werden nachmittags von den Eltern und einer Betreuerin versorgt. Die Betreuerin kommt montags, dienstags und mittwochs in das Haus der Familie – sie kommt mittags und bleibt in der Regel bis 16.00 Uhr. Donnerstags übernimmt der Vater die nachmittägliche Be- treuung, freitags die Mutter. Diese feste Re- gelung ist Kollegen und Vorgesetzten in den Betrieben der Eltern bekannt. „Bei mir auf der Arbeit ist es so, dass alle wissen Donnerstag Nachmittag gehe ich weg. Das habe ich in der Anfangszeit so konsequent gemacht, dass sich heute auf der Arbeit keiner mehr groß fragt: Ist er da oder nicht?“ Heuschötter ar- beitet mittlerweile seit sechs Jahren in Teilzeit – Vorgesetzte und Kollegen haben sich mitt- lerweile damit arrangiert und kalkulieren seine nachmittägliche Abwesenheit am Donnerstag ein. Die Verteilung der Arbeits- und Betreu-
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ungszeiten zwischen den Eltern orientiert sich an der Notwendigkeit, die Kinder zu betreuen, also morgens zur Schule zu schicken und mit- tags nach der Schule bzw. im Anschluss an die Betreuerin zu versorgen und für die Kinder und ihre Bedürfnisse präsent zu sein. Das ist das Ziel der Eltern besteht darin, die Kinder im familiären Rahmen und mit möglichst großer persönlicher Betreuung durch beide Elternteile aufwachsen zu lassen. Dieses Ziel ist verbun- den mit dem gleichwertigen Ziel, beide Eltern- teile im Berufsleben zu halten. Nachmittags sollen die Kinder nur (nicht zu lange) fremdbe- treut werden. Länge und Lage der täglichen Arbeitszeit sowie der wöchentlichen Arbeits- zeit balanciert er zwischen Arbeitsanforde- rungen, Kinderbetreuungsanforderungen und den Arbeitsanforderungen seiner Frau aus. Die Kinderbetreuung teilt er sich mit seiner Frau und einer Betreuerin. Diese übernimmt drei Nachmittage in der Woche, die Eltern je- weils einen Nachmittag. Die Betreuerin küm- mert sich an drei Nachmittagen bis ca. 16.00 Uhr um die Kinder und wird dann von einem Elternteil abgelöst. Donnerstags ist Vater-Tag, da übernimmt Peter Heuschötter die Kinder- betreuung nach Schulschluss. Neben diesem festen Tag stimmt er sich mit seiner Frau über die Ablösung der Betreuerin ab. „Je nachdem, wer an diesem Tag eben mehr tun muss in der Firma, der löst die Betreuerin eben nicht aus – so funktioniert das.“
Planung ist wichtig
Dieses Modell bildet jedoch nur die ‚normale‘ Woche ab. „Wenn jemand von uns reisen muss übernimmt der andere den Betreuungspart.“ Dienstreisen gehören bei beiden Partnern zum beruflichen Alltag, wenn auch in unterschied- licher Häufigkeit und mit variierender Länge. Peter Heuschötter war über einen längeren Zeitraum in einem Projekt engagiert, dass häu- figere Arbeitstreffen im Airbus Werk Toulouse
erforderte – auch diese Herausforderung hat Kinderbetreuungsnetzwerk bewältigt. Auch bei der Mutter gehören häufigere Dienstreisen zum Arbeitsalltag. Kollisionen zwischen den zeitlichen Anforderungen an die Eltern führen zu Konflikten zwischen den Zielen ‚Betreuung der Kinder selbst übernehmen‘ und ‚berufliche Anforderungen erfüllen‘. Die Eltern haben für diesen Zielkonflikt mit ihrem Betreuungsnetz- werk verschiedene Lösungen erarbeitet. Zum einen können sie den Rahmen der Fremdbe- treuung erhöhen und die Betreuerin bitten, an einzelnen Tagen länger bei der Familie zu blei- ben. Zum anderen können sie sich bei der Ter- minvereinbarung dafür einsetzen, Dienstreisen komplementär zu den Abwesenheitszeiten des Partners zu terminieren. „Viel passiert im Vor- feld von Dienstreisen. Wir telefonieren häufiger auf der Arbeit. Wenn ich Termine mache oder Terminvorschläge rein bekomme teile ich die Brigitte mit – und sämtliche Termine, die sich bei Brigitte anbahnen stehen bei mir Arbeits- kalender. Wir pflegen gegenseitig die Termine in unseren Arbeitskalendern mit. Es ist ja nicht so, dass diese Dienstreisen plötzliche kom- men und dass man gar nicht mitreden kann. Häufig ist es so, dass es bei der Verabredung von Terminen auch Gestaltungsspielräume gibt und diese versuchen wir im gemeinsamen Interesse zu nutzen. Dann ist es so, dass Brigittes Dienstreisen meist Dienstags, Mitt- wochs oder Donnerstags anfallen und dann kann ich oder die Betreuerin ihre Abwesenheit in der Regel auffangen. Und dann gibt es noch die plötzlichen Dienstreisen. Dann muss man Glück haben. Dass einer von uns eine Dienst- reise absagen musste liegt im einstelligen Prozentbereich. Das hat bislang immer ganz gut geklappt.“ Die Unterstützung durch eine flexible Betreuerin sowie vorausschauende Planung sind die entscheidenden Ressourcen, um Konflikte im Vorfeld zu entschärfen. Eine wichtige Voraussetzung für die Verbindung von Berufstätigkeit und Versorgung von Kindern ist
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eine zuverlässige Gesundheit der Kinder. „Mit Gesundheit und Krankheit haben wir bislang keine Probleme – die Kinder sind eigentlich nie krank. Und auch mit der Schule haben wir Glück. Wir haben in der Schule keine Schwie- rigkeiten und keinen besonderen Betreuungs- aufwand. Die Kinder machen aus eigenem Antrieb Hausaufgaben und nutzen unsere Ab- wesenheit nicht aus. Die Kinder sind jetzt keine Kleinkinder mehr, sondern brauchen eine Be- gleitung bei den Hausaufgaben.“
Private Kinderbetreuung
Als Heuschötters Kinder zur Schule kamen gab es in Bremen noch keine Ganztagsschule. Ei- ner Familie mit mehreren schulpflichtigen Kin- dern hilft die Ganztagsschule darüber hinaus nur, wenn alle Kinder betreut werden. Sobald ein Kind nicht versorgt ist, müssen die Eltern die Versorgung lösen. „Wir haben eine Formel gemacht: Wir trauen es Kindergärten, Horten und Schulen nicht zu, dass sie drei Kinder lang- fristig zuverlässig gut betreut kriegen. Damals ging das Hortangebot in der Grundschule nur bis zum dritten Schuljahr – das nützte uns nichts. Wir sind also bewusst aus dem öffent- lichen Betreuungsangebot ausgestiegen und haben das privat auf die Beine gestellt.“ Die Fa- milie entwickelt ihr Modell der privaten Kinder- betreuung, um sich nicht in die Abhängigkeit öffentlicher Versorgungsinfrastruktur begeben zu müssen. Nicht nur der Blick auf die Schließ- zeiten öffentlicher Einrichtungen während der Ferien, auch die konzeptionellen Ansätze bei der Umsetzung von Ganztagesschulen bestäti- gen die Familie in ihrer Entscheidung. „Schulen wie die heute gebaut werden, mit den star- ken Klassen, ohne Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder, ohne verschließbare Schränke für private Sachen, keine vernünftigen Mensen – da kann man nur zurück schrecken. Ganz- tagsschule im Sparmodus, wir sehen es an unserer Vierzehnjährigen, die hat nachmittags
Unterricht, es gibt kein Essen, so arbeitet in Deutschland kein Handwerker. Da versuchen wir uns fern zu halten und versuchen die Be- treuung privat zu organisieren. Das halten wir jetzt schon so lange durch, da bin ich guter Dinge, dass wir das auch noch so lange durch- halten bis die Kinder groß sind. Es wächst sich aus vom Alter her.“
Die Verwirklichung einer familiären Betreuung mehrerer Schulkinder bei beruflich stark en- gagierten Eltern ist an vielfältige Vorausset- zungen gebunden: „Wir sind beide in Jobs, die ganz gut bezahlt werden. Die Betreuung im fa- miliären Rahmen kann nur funktionieren, wenn es ein erhebliches Einkommensgefälle zwi- schen Auftraggebern und Betreuungskräften gibt. Damit das Modell mehr Verbreitung findet sollte es steuerlich so eingerichtet werden, dass es sich mehr Eltern leisten können. Viel- leicht muss es mehrere unterschiedliche Mo- delle für die unterschiedlichen Lebenslagen.“ Neben einer guten materiellen Ausstattung, also einem überdurchschnittlichen Verdienst ist eine große Wohnung bzw. ein Haus sicher- lich eine weitere Voraussetzung. Ein weiteres Erfordernis ist eine zuverlässige, flexible und qualifizierte Betreuungskraft mit einem guten Kontakt zu den Kindern. Eine weitere materi- elle Voraussetzung neben einem überdurch- schnittlich hohen Einkommen der Eltern ist eine symmetrische Verteilung auf die Partner: „Unser Modell macht nur Sinn, wenn die Gehäl- ter vergleichbar hoch sind. Dann muss man in der nähe der Arbeit wohnen - Teilzeit und Pen- deln macht wenig Sinn, Wegezeiten müssen gering sein. Auch muss man räumlich nahe bei der Schule sein, um die Kinder abholen zu können, wenn es ihnen schlecht geht.“
Für Peter Heuschötter profitiert die Beziehung zu seinen Kindern von seiner Präsenz: „Ich habe viel mehr Kontakt zu den Kindern. Zum Beispiel klebt die Jüngste ganz gut an mir. Ich
Teilzeitarbeit - Vollzeitmann
mache auch mit den Kindern Hausaufgaben und Freizeitsachen, die ich sonst nicht machen würde. Ich sehe meine Kinder jeden Morgen und jeden Abend – ich kenne viele Kollegen, die sehen ihre Kinder nur morgens oder nur abends oder sogar mal ein paar Tage nicht. Das ist schon ein wichtiger Unterschied. Ich bin Ansprechpartner für bestimmte Dinge und Brigitte für andere Dinge.“ Auch die Partner- schaft profitiert von der Präsenz beider Eltern: „ Wir haben eine reichere Erfahrungswelt, weil wir Arbeit und Familie teilen. Arbeit ist ein Quell von Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit. Meins, deins und wir – wir sind jede Menge wir und ein bisschen meins und deins ist auch nicht schlecht.“
Partnerschaft profitiert
Daneben betrachten beide ihren Lebensent- wurf auch als Schritt zur Verwirklichung einer gleichberechtigten Partnerschaft: „Der Ertrag ist die Gleichberechtigung: Wir haben beide unser Einkommen, keiner muss den anderen fragen. Wir bestimmen im gleichen Maße mit wenn es um Anschaffungen und Freizeit geht.“ (Brigitte) Da beide gleichermaßen beruflich integriert sind und obendrein ungefähr gleich viel verdienen entsteht keine materiellen Ab- hängigkeit. Auch bei der Hausarbeit streben beide eine gleichmäßige Verteilung an: „Ich erkenne an, das Brigitte mehr macht, dass sie effizienter ist und auch fleißiger ist. Ich weiss durch Gespräche mit meinen Kollegen, dass ich mehr mache als andere, aber wenn wir es objektiv messen würden wäre ich im Hintertref- fen, was die Hausarbeit angeht.“ Die Teilzeit- beschäftigung ist eine Voraussetzung für eine symmetrische Verteilung der Hausarbeit auf beide – im Alltag wirken tradierte Rollenmuster fort, die Frau übernimmt auch in dieser Familie den überwiegenden Part der Hausarbeit.
Die angestrebte symmetrische Verteilung der
Verantwortung für die Kinder erzeugt einen hohen Abstimmungs- und Aushandlungsauf- wand. „Ich beneide manchmal meine männ- lichen Kollegen. Wenn die einen Termin rein- kriegen, die sagen gleich zu , was soll‘s? Die müssen sich nicht zu Hause abstimmen, auch wenn‘s abends mal sieben oder acht Uhr wird, kein Problem. Wenn ich mir dagegen mal an- schaue, was wir für ein Arbeitsaufkommen haben: Wir haben alleine 60 Stunden im Job, arbeiten faktisch aber mehr, wir haben unsere Pausenzeiten, die wir ja auch auf der Arbeit verbringen müssen und wir haben Wegezeiten. Wenn ich das mal mit dem normalen Modell, Mann arbeitet Vollzeit und Frau halbe Stelle vergleiche – die haben einen ganz anderen Stundeneinsatz. Die arbeiten viel effizienter. Und das ist der Punkt, um den ich die Paare ein bisschen beneide. Und die können schon ein bisschen entspannter auftreten. Wir haben viel mehr Diskussionen und Abstimmungen um unser Leben zu regeln. Wir organisieren uns ein Bein ab, wo andere gar nicht nachdenken müssen. Das ist der Preis für die gleichbe- rechtigte Beziehung.“ Die Modernisierung der Rollenverteilung erzeugt höhere Organisations- kosten als die Fortführung der traditionellen asymmetrischen Rollenverteilung. An diesem Paradox brechen sich in vielen Fällen die in- dividuellen Versuche, Gleichberechtigung zu verwirklichen wie die gesellschaftlich notwen- dige Öffnung des Arbeitsmarktes für Eltern. Weiter als die Modernisierung von Regelungen und Institutionen ist in vielen Bereichen, wie auch bei Airbus, die Modernisierung von Kultur und Unternehmenskultur: „Kollegen und Vorge- setzte akzeptieren meinen Lebensentwurf, so dass ich mich nicht dumm oder zurückgesetzt fühle. Ich muss nicht groß gegen Widerstände kämpfen und meine Energie dafür aufzehren.“
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Impressum
Herausgeber/innen: Arbeitnehmerkammer Bremen Körperschaft des öffentlichen Rechts Bürgerstraße 1, 28195 Bremen Telefon: 0421 36301-0 Telefax: 0421 36301-89 info@arbeitnehmerkammer.de www.arbeitnehmerkammer.de
INQA Geschäftsstelle der Initiative Neue Qualität der Arbeit Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Friedrich-Henkel-Weg 1 - 25 D-44149 Dortmund Tel. 0231 9071 2250 Fax 0231 9071 2363 www.inqa.de www.baua.de
Redaktion: Tanja M. Brinkmann Rena Fehre Götz Richter Margareta Steinrücke
Druck: Druckerei Wellmann
Gestaltung: Rena Fehre
Erscheinungsjahr: 2009
https://www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/kinderbuero/familienbildung/vaetertreffpunkt/interessantes/literaturtipps/HF_sections/content/ZZkaJmx6vqyIpC/ZZkaJnixqWrOds/teilzeitarbeit_vollzeitmann%5B1%5D.pdf
Konzeption Städtische Kindertageseinrichtungen
Stadt Karlsruhe Sozial- und Jugendbehörde | Kindertageseinrichtungen
2 | Konzeption Städtische Kindertageseinrichtungen
Sozial- und Jugendbehörde | Kindertageseinrichtungen | 3
Grußwort
Liebe Leserinnen und Leser,
mit der vorliegenden Konzeption informiert die Stadt Karlsruhe nicht nur Eltern und pädagogische Fachleute, sondern alle Interessierten über die verschiedenen Angebote der insgesamt 40 Kindertageseinrichtungen (19 Kindertagesstätten, 21 Schülerhorte) der Stadt Karlsruhe und der Ortsverwaltungen. Die Broschüre umfasst Informationen über die Arbeit in den Einrichtungen, aber auch über übergeordnete Aufgaben und das Selbstverständnis von Leitung, Fachberatung und Verwaltung. Sie gibt Orientierung über gesetzliche Grundlagen und die institutionelle Einbindung.
Ein wichtiger Schwerpunkt liegt auf dem pädagogischen Konzept, dem Selbstverständnis und der Haltung gegenüber dem Kind. Es werden Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen und Erwartungen dargestellt. Hierzu gehören Themen wie Sprachförderung, Inklusion und Kinderschutz sowie eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Einrichtung, Träger und Eltern.
Eine Besonderheit ist die Vielfältigkeit, die starke Stadtteilorientierung und Vernetzung der einzelnen Häuser. Dabei profitieren die Einrichtungen von der guten Kooperation innerhalb der Sozial- und Jugendbehörde und des Dezernats 3 (zuständig unter anderem für die Bereiche Jugend und Eltern, Soziales, Schulen und Sport) und mit dem Stadtjugendausschuss e. V. Karlsruhe als Träger der Jugendarbeit. Diese Zusammenarbeit ist zum Beispiel von Bedeutung im Hinblick auf die Kooperation zwischen Kindertagesstätte, Schülerhort und Schule, aber auch in Fragen der Vermittlung von Entlastung und Unterstützung durch andere Institutionen wie den Sozialen Dienst oder das Kinderbüro (zuständig für die Frühe Prävention).
Besondere Qualitäten ergeben sich für alle Einrichtungen in Karlsruhe aus den vielfältigen geographischen und kulturellen Möglichkeiten, die die Stadt bietet. Hierzu gehören beispielsweise die Nähe zu Frankreich, ein grünes Umfeld und der Naturschutz sowie eine Vielzahl kinderkultureller Angebote.
Die städtischen Kindertageseinrichtungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ohne dabei die Bedürfnisse der Kinder aus den Augen zu verlieren. So wurden nicht nur die pädagogischen Angebote auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichen Veränderungen weiterentwickelt. Auch die Öffnungszeiten wurden differenziert und flexibilisiert. Die Veränderungen finden sich auch in der Ausstattung der Häuser wieder, sowohl im baulichen Sinne als auch im Hinblick auf Arbeitsmittel und technische Ausstattung.
Der letzte Abschnitt ist dem Thema Ausbildung gewidmet. Die Stadt Karlsruhe bietet in ihren Kindertageseinrichtungen jährlich über dreihundert jungen Menschen verschiedene Praktika sowie interessante Arbeits- und Ausbildungsplätze an.
Ich bin davon überzeugt, dass wir Ihnen mit der Konzeption einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten in den städtischen Kindertageseinrichtungen geben können, dass aber auch deutlich wird, dass gute qualitative frühkindliche Bildung und Betreuung Ruhe und Grenzen braucht, um Angefangenes besonnen weiterentwickeln und zu Ende führen zu können.
Bürgermeister Martin Lenz
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Inhalt
Pädagogischer Leitfaden 5
Bild vom Kind 5
Rolle der Erzieherin und des Erziehers 5
Eingewöhnung 5
Beobachtung und Dokumentation 5
Beteiligung der Kinder im Alltag (Partizipation) 6
Alltagsintegrierte Sprachbildung 6
Interkulturalität und religiöse Erziehung 6
Inklusion 7
Sexualpädagogik 7
Kooperation Kindergarten, Schule, Hort 8
Aufgaben des Schülerhorts 8
Erziehungspartnerschaft 8
Teamarbeit 9
Leitung 9
Allgemeine Rahmenbedingungen 9
Die Abteilung Kindertageseinrichtung (KT) 9
Angebotsformen in den pädagogischen Einrichtungen 10
Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung 10
Beschwerdemanagement 11
Kooperation und Vernetzung mit Institutionen 11
Schutz von Kindern vor Gewalt 11
Ausbildung und Praktikum 11
Literaturverzeichnis 12
Anhang 13
Adressen und Kontakte 13
Organisatorische Einbindung der Abteilung Kindertageseinrichtungen 14
Gesetzliche Grundlagen unserer Arbeit 15
Richtlinien des Kultusministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales über die Bildung und Aufgaben der Elternbeiräte 17
Notizen 18–19
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Pädagogischer Leitfaden Tageseinrichtungen sind Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Der gesetzliche Förderauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes, bezogen auf seine soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung (§ 22 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Die städtischen Kindertagesstätten und Schülerhorte leisten einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung des Kindes auf dem Weg zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
Vielfältige pädagogische Konzepte, Stadtteil- und Lebensweltorientierung zeichnen die Arbeit in den verschiedenen Einrichtungen aus. Sie garantieren gleichberechtigte Bildungs- und Entwicklungschancen, Partizipation und soziale Teilhabe. Die pädagogische Arbeit ist ausgerichtet am Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die baden-württembergischen Kindertageseinrichtungen. (Baden-Württemberg Ministerium für Kultus, Jugend und Sport,2017)
Für die Arbeit spielen folgende Definitionen eine wichtige Rolle: „Bildung“ meint die lebenslangen und selbsttätigen
Prozesse zur Weltaneignung von Geburt an. (…) Kinder erschaffen sich ihr Wissen über die Welt und sich selbst durch ihre eigenen Handlungen. Kindliche Bildungsprozesse setzen verlässliche Beziehungen und Bindungen zu Erwachsenen voraus. Bildung ist ein Geschehen sozialer Interaktion.
„Erziehung“ meint die Unterstützung und Begleitung, Anregung und Herausforderung der Bildungsprozesse, (…). Sie geschieht auf indirekte Weise durch das Beispiel der Erwachsenen und durch die Gestaltung von sozialen Beziehungen, Situationen und Räumen. Auf direkte Weise geschieht sie beispielsweise durch Vorbildverhalten, durch Vormachen und Anhalten zum Üben.
(Baden-Württemberg Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2015, S. 22/23)
Die städtischen Kindertageseinrichtungen zeichnen sich durch eine zeitgemäße Pädagogik aus. Grundlage bildet der Situationsansatz nach Zimmer (1976, 1998), das Konzept von „Infans“ (Laewen & Andres, 2002a, 2002b) und das Beobachtungskonzept der Bildungs- und Lerngeschichten von Carr (2001). Unsere Pädgogik orientiert sich am Alter, am Entwicklungsstand und an den Bedürfnissen der Kinder.
Bild vom Kind
Kinder sind neugierige, individuelle Persönlichkeiten, die Lust haben auszuprobieren, zu entdecken und zu erforschen. Sie lernen ganzheitlich mit allen Sinnen. Sie stellen Fragen, erschließen sich Zusammenhänge, diskutieren und setzen sich mit vielen Gegebenheiten auseinander. Ihre individuelle Entwicklungs- und Lebensgeschichte und ihre Bedürfnisse bilden die Wirklichkeit der Kinder.
Mit Eintritt in die Schule verändern sich für die Kinder die Anforderungen ihres Umfeldes. Sie werden als Schulkinder von ihrer Umgebung anders wahrgenommen und müssen sich mit vielen neuen Eindrücken auseinandersetzen.
„Es sind die eigenen Handlungen, über die das Kind sich ein Bild von der Welt macht und Vorstellungen über sich selbst entwickelt. (...) Das Kind spürt, dass es mit der Zunahme an Fertigkeiten und dem Entfalten eigener Talente und Fähigkeiten an Autonomie gewinnt und Selbstbewusstsein entwickelt.“ (Baden-Württemberg Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2011, S. 9)
Rolle der Erzieherin und des Erziehers
Das pädagogische Handeln der Erzieherinnen und Erzieher orientiert sich an der Definition von Bildung und Erziehung (siehe oben). Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen die individuellen Entwicklungen der Kinder durch Anregung und Herausforderung, sie sind für die Anliegen und Wünsche der Kinder offen und nehmen ihre Bedürfnisse und Gefühle ernst. Sie verstehen sich als Bezugspersonen des Kindes, die einfühlsam, wertschätzend und respektvoll die Bildungsprozesse fördern und begleiten. Dabei unterstützen sie die Kinder darin, ihre Begabungen und Fähigkeiten zu entfalten und ihre Ressourcen zu nutzen. Die pädagogischen Fachkräfte sehen es als ihre Aufgabe an, sichere Bindungen und tragfähige Beziehungen zu den Kindern herzustellen, um Bildung zu ermöglichen. Sie unterstützen die Kinder in ihrem Bestreben, Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und sich als kompetent lernende Persönlichkeit wahrzunehmen. Die Bereitschaft zur stetigen Weiterentwicklung der pädagogischen Konzepte, die Teilnahme an qualifizierten Fortbildungen und der Austausch mit anderen Fachkräften unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse der Hirnforschung, Psychologie und Pädagogik garantieren eine hohe Qualität in der pädagogischen Arbeit und sind Teil des Qualitätsmanagements (siehe Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung).
Eingewöhnung
Eine gelungene Eingewöhnung ist die Basis für die pädagogische Arbeit und das Wohlbefinden des Kindes. Die Fachkräfte vereinbaren mit den Familien ein individuelles Eingewöhnungskonzept. Bei Kindern unter drei Jahren wird das Kind in der Regel in fünf Schritten nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell eingewöhnt (Laewen, Andres & Hedervari, 2003, Schema siehe Anhang).
Beobachtung und Dokumentation
Für die pädagogische Arbeit und eine tragfähige Entwicklungs begleitung und Lernunterstützung des Kindes ist die gezielte Beobachtung, deren Auswertung und Dokumentation unerlässlich. Dadurch werden Erkenntnisse über den Entwicklungsstand, die Interessen und die Lernprozesse der Kinder gewonnen. Diese bilden die Grundlagen für das pädagogische Handeln und garan tieren eine Weiterentwicklung der Bildungsprozesse der Kinder.
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Beteiligung der Kinder im Alltag (Partizipation) „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.“ (§11 Abs. 1 SGB VIII)
In der Kindertageseinrichtung können Kinder erleben, wie Gemeinschaft außerhalb der Familie geregelt ist. Sie können erfahren, wie Entscheidungen gefällt werden und welche Möglichkeiten der Einflussnahme sie auf solche Prozesse haben. Die Kinder sollen erleben, dass ihre Stimme gehört wird und sie Einfluss auf die Gestaltung ihres unmittelbaren Alltags in der Einrichtung haben. Rechte zu haben bedeutet auch immer, um diese Rechte zu wissen und sie eigenständig in Anspruch nehmen zu können. Hier sehen die Fachkräfte der städtischen Kindertageseinrichtungen ihren Erziehungsauftrag.
Die Beteiligung der Kinder vollzieht sich vor allem im Alltag. Die Fachkräfte regen die Kinder altersgerecht dazu an, eigene Bedürfnisse, Ideen und Lösungsvorschläge in die eigene und gemeinschaftliche Entscheidungsfindung mit einzubringen. Eine wertschätzende Haltung der Fachkräfte gegenüber der Individualität des einzelnen Kindes ist hierfür Voraussetzung.
Alltagsintegrierte Sprachbildung
In unseren Kindertageseinrichtungen spiegelt sich die vielfältige Welt der Sprachen wieder. Mehrsprachigkeit ist alltägliche Wirklichkeit, die als Ressource wahrgenommen und im Alltag sicht- und hörbar gemacht wird.
Sprache ist als zentrales Bildungs- und Entwicklungsfeld im Orientierungsplan für Bildung und Erziehung Baden- Württemberg festgehalten.
„Alle Kinder in Krippe und Kindergarten haben von Anfang an ein Anrecht auf Sprachbildung, Spracherziehung und Sprachförderung und damit auf gezielte Erweiterung ihres Sprachvermögens. Dazu brauchen sie eine sprachanregende Umgebung, Bücher, vor allem aber Menschen, die mit ihnen reden, singen und ihnen Geschichten vorlesen und erzählen.“ (Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen 2015, S.131f.)
Sprachbildung ist somit eine Kernaufgabe aller pädagogischen Fachkräfte und Gegenstand von Beobachtung, Dokumentation und gezielter Handlungsplanung. Sie setzt an der Weiterentwicklung individueller Sprachkompetenzen durch im Alltag integrierte sprachanregende Angebote an und richtet sich an alle Kinder der Einrichtungen.
Unterstützt werden die Erzieherinnen und Erzieher in einzelnen Kindertageseinrichtungen durch zusätzliche Fachkräfte des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ (gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ) oder durch SpracherzieherInnen oder MusikpädagogInnen im Landesprojekt SPATZ (Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf, gefördert durch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg)
Interkulturalität und religiöse Erziehung Die städtischen Kindertageseinrichtungen werden von Kindern mit unterschiedlichem kulturellen, religiösen und familiären Hintergrund besucht. Grundsätzlich werden kulturelle und christliche Feste gefeiert und den Kindern anhand von Geschichten und Legenden erläutert. Gleiches gilt für vergleichbare Feiertage und Feste anderer Religionen. Die Einbindung und Abstimmung mit den Eltern ist dabei von großer Bedeutung. Religiöse Themen werden unter dem Aspekt der Ethik und Sozialerziehung behandelt. Die Fragen und Bedürfnisse der Kinder werden ernst genommen und gegebenenfalls als Projektthema
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aufgegriffen und ausgearbeitet, wie zum Beispiel Toleranz und Wertschätzung gegenüber anderen Kulturen und anderen weltanschaulichen Traditionen. Kinder mit christlicher Konfession, keiner oder anderer Religion werden gleich behandelt. Städtische Kindertageseinrichtungen arbeiten auf der Grundlage des Grundgesetzes, der Menschenrechte und des Sozialgesetzbuches Achtes Buch (SGB VIII). Der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die baden- württembergischen Kindergärten bietet im Bildungs- und Entwicklungsfeld „Sinn, Werte und Religion“ die Grundlage, um die Fragen der Kinder aufzugreifen. Die Fachkräfte eignen sich Wissen über christliche Traditionen und ihre Bedeutung sowie über die Weltreligionen an. Sie interessieren sich für die Religionen der Kinder und deren Familien. Eine Fortbildung „Philosophieren mit Kindern“ qualifiziert die Fachkräfte für Dialoge mit Kindern über „Gott und die Welt“.
Inklusion
In unseren Einrichtungen wird Inklusion als Anerkennung der Verschiedenheiten, aber auch der Gemeinsamkeiten aller betreuter Kinder verstanden. Alle Kinder erleben gleichermaßen Wertschätzung und Partizipation.
„Inklusion ist eine Überzeugung, die davon ausgeht, dass alle Menschen gleichberechtigt sind und in gleicher Weise geachtet und geschätzt werden sollen, so wie es die fundamentalen Menschenrechte verlangen.“ UNESCO Oktober 1997
Damit bezieht sich Inklusion nicht nur auf Kinder mit Behinderungen sondern auch auf Kinder, die durch andere Faktoren wie ihre ethnische, kulturelle oder soziale Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer Sprache oder Religion von Benachteiligungen bedroht sind. Wir erkennen unterschiedliche Bedürfnisse und Belange der Kinder an und setzen uns für ein Miteinander ohne Vorurteile, Geschlechterstereotypen und Ausgrenzungstendenzen ein.
In § 24 der UN-Behindertenrechtskonvention wird das Recht von Menschen mit Behinderung auf inklusive Bildung
und gemeinsames Lernen von Anfang an als Grundlage der Chancengleichheit festgeschrieben. Die städtischen Kindertageseinrichtungen sehen sich, abhängig von den Rahmenbedingungen und gegebenen Möglichkeiten, dem Leitbild der Inklusion verpflichtet. Kinder mit Behinderungen sollen selbstverständlich wie Kinder ohne Behinderungen in den städtischen Kindertageseinrichtungen aufgenommen und in ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten gefördert werden, um von Anfang an dazugehören zu können. Ergänzend zu den Rahmenbedingungen der Einrichtungen kann zusätzlich pädagogische und/oder begleitende Hilfe über eine individuelle Eingliederungshilfe das Kind im Kita- oder Hortalltag unterstützen. Ein möglicherweise notwendiges Aufnahmeverfahren wird mit den Eltern im Anmeldegespräch geklärt.
Sexualpädagogik
In unseren Einrichtungen wird eine sexualfreundliche Erziehung vertreten, die dem kindlichen Bedürfnis nach Geborgenheit, Zärtlichkeit sowie der Freude und Lust am Körper Rechnung trägt.
Die pädagogischen Fachkräfte beantworten Fragen der Kinder altersgemäß und geben der Experimentierfreude rund um Körper und Sinne Raum. Damit werden das kindliche Selbstvertrauen und ein positives Körpergefühl gestärkt.
Mit einer sexualfreundlichen Erziehung wird auch partnerschaftliches Verhalten vermittelt, denn die Kinder lernen, achtsam miteinander umzugehen und somit die eigenen wie auch die Grenzen der anderen zu respektieren.
Die Vermittlung individueller, kultureller oder religiöser Werte wird von uns als elterliche Aufgabe gesehen.
Die beschriebenen Ziele werden in unseren Einrichtungen anhand altersgemäßer Medien und einer offenen Gesprächsatmosphäre umgesetzt. Dabei sind unsere pädagogischen Fachkräfte auch für Eltern bei Fragen und Unsicherheiten ansprechbar.
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Kooperation Kita, Schule, Hort
Partnerschaftliches Zusammenwirken der pädagogischen Fachkräfte von Kindertagesstätte, Schule und Schülerhort ist im letzten Kindergartenjahr besonders wichtig. In einem regelmäßig zu aktualisierenden Kooperationsplan, der von den Erzieherinnen und Erziehern sowie Kooperationslehrkräften erstellt wird, werden die gemeinsamen Schritte von Kindertagesstätte und Schule beschrieben. Ziel ist der reibungslose Übergang vom Kindergarten zur Grundschule. Die Entwicklungsförderung des einzelnen Kindes, basierend auf Beobachtungen der pädagogischen Fachkräfte, und die koordinierte Zusammenarbeit mit den Eltern sind hier von entscheidender Bedeutung.
Im Falle eines Übergangs in einen Schülerhort arbeiten die pädagogischen Fachkräfte der Kita und des Schülerhorts in Absprache mit den Eltern eng zusammen und begleiten, wo räumlich und personell möglich, den Übergangsprozess. Die Kinder lernen im Vorfeld den Schülerhort und die Fachkräfte kennen, um gute und sichere Startbedingungen zu haben.
Aufgaben des Schülerhorts
Kinder fordern entsprechend ihres Alters und Entwicklungsstands zunehmend das Recht, selbstständig entscheiden und handeln zu können. Daher ist das kontinuierliche Erweitern der Handlungskompetenz und Vergrößern der altersentsprechenden Freiräume ein wichtiges Ziel in unseren Schülerhorten.
Der Schülerhort bietet den Kindern nach dem Schulunterricht einen strukturierten Tagesablauf mit einem warmen Mittagessen (nach DGE Ernährungsstandards), Hausaufgabenbetreuung und pädagogischen Angeboten sowie die Möglichkeit zum freien Spiel drinnen und draußen mit selbst gewählten Spielgefährtinnen und -gefährten. Während der Schulferien findet ein erlebnisreiches Ferienprogramm mit einer Vielzahl pädagogischer Angebote
wie zum Beispiel Ausflügen, Projekten und hortübergreifenden Veranstaltungen statt. Spiel, Spaß, Entspannung und gemeinsames Erleben stärken das Gemeinschaftsgefühl und ermöglichen intensives soziales Lernen.
Durch eine qualifizierte Hausaufgabenbetreuung werden die Kinder in ihrer schulischen Entwicklung gefördert und gebildet. Gemeinsame Aufgabe von Erzieherinnen und Erziehern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern ist die Unterstützung und Begleitung der ihnen anvertrauten Kinder. Erfolgreich erledigte Hausaufgaben stärken das Selbstbewusstsein des Kindes und tragen zur individuellen Entwicklung bei. Um diese Bildungsentwicklung der Kinder zu fördern und zu begleiten, braucht es eine enge Kooperation mit den Lehrkräften und Rektorinnen und Rektoren der Schulen.
In der Ablösungsphase gewinnt Selbstständigkeit und Eigenverantwortung immer mehr an Bedeutung. Die Kinder müssen nun einen Großteil ihrer Freizeit ohne feste Strukturen des Hortes bewältigen. Hilfreich für Kinder und Eltern ist ein individuell gestalteter Ablösungsprozess, beispielsweise durch die Reduzierung der Anwesenheitstage.
Erziehungspartnerschaft
Die Kooperation mit den Eltern basiert auf der Grundlage einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft, bei der Eltern und pädagogische Fachkräfte sich gegenseitig als Expertinnen und Experten für das jeweilige Kind verstehen. Sie setzen sich gemeinsam für eine positive individuelle Entwicklung und das Wohl des Kindes ein. Die Fachkräfte legen Wert auf eine offene Beziehung zu den Eltern, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Die systematische Beobachtung und deren Dokumentation sind Voraussetzungen für die regelmäßigen Entwicklungsgespräche mit den Eltern. In Elternbeiratssitzungen werden Anliegen und Anregungen der Eltern aufgenommen und diese nach Möglichkeit umgesetzt.
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Teamarbeit
Eine gute und enge Zusammenarbeit im Team und die Reflektion des eigenen Handelns ist Voraussetzung für eine gelingende Begleitung von Kindern. Die Entwicklungsprozesse der Kinder machen es notwendig, sich immer wieder auszutauschen und mit ihren vielfältigen Interessen auseinander zu setzen. Eine festgelegte Vorbereitungszeit, regelmäßige Teambesprechungen, pädagogische Planungstage, Fortbildungen, Fallsupervision und Rücksprachen mit der Fachbereichsleitung sichern eine kontinuierliche Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit.
Leitung
Die Leitung ist in Abstimmung mit der Fachabteilung für das pädagogische Konzept, dessen Umsetzung, Fortschreibung und Qualitätssicherung in der Einrichtung nach dem gesetzlichen Auftrag (§ 22 SGB VIII) verantwortlich und sichert den reibungslosen Ablauf. Ihr Aufgabenbereich umfasst die Personalverantwortung, dazu gehören Teamentwicklung, Dienstplanerstellung, Anleitung und Ausbildung von Nachwuchskräften sowie Gespräche mit Mitarbeitenden. Im Bereich Verwaltung obliegt ihr die Zusammenarbeit mit Ämtern, Verwaltung des Etats, Anmelde- und Aufnahmegespräche und Beschaffung von Material. Hinzu kommen die Zusammenarbeit mit dem Elternbeirat, mit Fachstellen, Schulen und anderen Institutionen im Stadtteil sowie zwischen Kindertagesstätte und Schülerhort.
Allgemeine Rahmenbedingungen Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe legt, in der Regel nach Vorberatung und Beschluss des Jugendhilfeausschusses, die Rahmenbedingungen für die Kindertageseinrichtungen in Karlsruhe fest. Die Verwaltung des Jugendamtes ist Teil der Sozial- und Jugendbehörde und des Stadtamtes Durlach, die dem Dezernat 3 mit den Bereichen Jugend und Eltern, Soziales, Bäder, Schulen und Sport, untersteht. Die städtischen Kindertageseinrichtungen gehören zur Abteilung Kindertageseinrichtungen im Jugendamt und sind damit Teil der Sozial- und Jugendbehörde (siehe auch das Organigramm im Anhang).
Die Abteilung Kindertageseinrichtungen (KT) Die Abteilung Kindertageseinrichtungen berät und verwaltet die Kindertagesstätten und Schülerhorte in städtischer Trägerschaft, dazu gehören auch die städtischen Einrichtungen der fünf Ortsverwaltungen und des Stadtamts Durlach sowie die Schülerhorte des Stadtjugendausschuss e. V. und des Sozialen Dienstes. Es werden circa 2.800 Kinder im
Alter von einem Jahr bis zum Ende des Grundschulalters betreut. Mehr als 500 pädagogische Fachkräfte, Hauswirtschaftskräfte, Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten gewährleisten den Bildungs- und Betreuungsauftrag nach § 22 SGB VIII. Das Personal ist der Abteilung KT beziehungsweise der jeweiligen Ortsverwaltung und dem Stadtjugendausschuss e. V. Karlsruhe zugeordnet. Eine Verwaltungsleitung und sieben Verwaltungskräfte sorgen für die Verteilung der Finanzmittel, für die Rechnungsabwicklung und den Einzug der Elternbeiträge. Eine Mitarbeitende ist zuständig für die trägerübergreifende Geschwisterkindbezuschussung.
Die pädagogischen Fachbereichsleitungen nehmen die Dienst- und Fachaufsicht über das Personal und die Fachberatungsfunktion wahr.
Sie verfügen über umfassendes sozialpädagogisches und entwicklungspsychologisches Fachwissen sowie beraterische Kompetenzen. Sie tragen aktuelle gesellschaftliche und pädagogische Entwicklungen in die Einrichtungen und begleiten die Teams beim Transfer in die Praxis.
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Angebotsformen in den pädagogischen Einrichtungen Die Kindertageseinrichtungen der Stadt Karlsruhe orientieren sich mit ihren vielfältigen Angeboten an den Bedürfnissen der Familien und ermöglichen somit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine positive Haltung der Erzieherinnen und Erzieher gegenüber der außerfamiliären Kinderbetreuung, insbesondere für Kleinkinder unter drei Jahren, ist hierbei selbstverständlich.
Die wichtigsten Angebotsvarianten sind:
Ganztagesbetreuung für Kinder im Alter von einem Jahr bis zum Schuleintritt mit Mittagessen
Verlängerte Öffnungszeit (6,5 Stunden) für Kinder im Alter von einem Jahr bis zum Schuleintritt
Betreuung für Grundschulkinder mit den Varianten ergänzende Betreuung vor dem Unterricht, Nachmittagshort mit Mittagessen und ganztägige Ferienbetreuung mit Mittagessen
Alle Kindertageseinrichtungen verfügen über eine Betriebs- erlaubnis nach § 45 SGB VIII durch den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg. Damit wird ein Standard an Personal- und Raumausstattung sichergestellt. Jede Einrichtung gibt sich eine Konzeption. Aktuelle Informationen über Rahmenbedingungen und pädagogische Konzepte aller Einrichtungen finden sich im Internet unter www.karlsruhe.de/kitas .
Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung In allen Einrichtungen arbeiten qualifizierte Fachkräfte, die die vorliegende Konzeption umsetzen, an Qualifizierungsmaßnahmen wie Fortbildungen, Fachberatung, Teamberatungen und Supervision teilnehmen und sich für die fachliche Weiterentwicklung engagieren. Hinzu kommen monatliche Leitungsrunden, Erzieher- und Erzieherinnen- Arbeitsgruppen sowie Projektgruppen zu aktuellen Themen, zum Beispiel Gesundheit und IT-Konzept.
„Sicherung und Weiterentwicklung einer pädagogischen und strukturellen Qualität erfolgt im Sinne der Nachhaltigkeit sowohl durch die bewährten Instrumente der Evaluierung und Dokumentation als auch durch die dabei erforderlichen Begleitsysteme der Fachberatung und Fortbildung. Die Qualitätskriterien werden im Rahmen eines Abstimmungsprozesses, in den alle für die Einrichtung Verantwortlichen einbezogen werden, entwickelt. Berücksichtigt werden dabei die verbindlichen Zielvorgaben sowohl des Orientierungsplans als auch trägerspezifische Leitbilder und Qualitätssysteme.“ (Baden-Württemberg Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2006)
Die Personalkapazität entspricht den Erfordernissen der Betriebserlaubnis des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg. So genannte Springerkräfte und ein abgestuftes Notfallkonzept garantieren eine qualitative Betreuung auch bei einem zum Beispiel krankheitsbedingten größeren Personalausfall. Der Träger behält sich als letztes Mittel die Reduzierung des Angebots bis hin zur Schließung von Gruppen vor. Die fortlaufende Ausbildung von pädagogischen Fachkräften gewährleistet die Qualität auch in der Zukunft. Des Weiteren ist die Personal-, Raum- und Materialausstattung sowie der Arbeits- und Gesundheitsschutz sichergestellt.
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Beschwerdemanagement
Zur Sicherung der Rechte der Kinder in der Einrichtung sind neben geeigneten Verfahren zur Beteiligung der Kinder auch Möglichkeiten der Beschwerde in persönlichen Anliegen zu schaffen (vgl. § 45 Abs.2 Satz 3 SGB VIII).
Eltern und Kinder können sich mit ihren Anliegen, Anregungen und Beschwerden jederzeit an die Fachkräfte wenden. Zur Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit sind diese Rückmeldungen unerlässlich. Ist eine direkte Problemlösung nicht möglich, wird die Beschwerde im Team der Mitarbeitenden besprochen und zeitnah eine Lösungs- möglichkeit entwickelt. Kann keine Lösung innerhalb der Einrichtung gefunden werden, schaltet die Einrichtungsleitung die jeweilige Fachbereichsleitung ein. Eltern können sich bei Beschwerden auch direkt an die Abteilungsleitung der Abteilung Kindertageseinrichtungen wenden.
Kooperation und Vernetzung mit Institutionen Es besteht eine kontinuierliche, enge Kooperation mit stadtteilübergreifenden Abteilungen der Sozial- und Jugendbehörde (unter anderem Sozialer Dienst, Kinderbüro, Hauptabteilung Beratung, AllerleiRauh) und anderen städtischen Ämtern wie dem Amt für Hochbau- und Gebäudewirtschaft oder dem Schul- und Sportamt. Die Abteilung Kindertageseinrichtungen arbeitet außerdem mit Einrichtungen der Träger der freien Jugendhilfe wie Wildwasser und FrauenNotruf e. V, den Frühförderstellen der Schulen und des Familienzentrums Karlsruhe/ Heilpädagogischer Fachdienst (Reha-Südwest gGmbH), dem Sozialpädiatrischen Zentrum des Städtischen Klinikums und niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzten zusammen.
Das Gleiche gilt für den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, die Grundschulen und Sonderpädagogischen Beratungszentren, die Fachschulen für Sozialpädagogik und Fachabteilungen anderer Städte in Baden-Württemberg. Ziel dieser institutionell angelegten Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen Kooperationspartnerinnen und -partnern ist es, Potentiale zu bündeln, gemeinsame Strategien zu entwickeln und die Rechte, Bedürfnisse, individuellen Bildungsprozesse und gegebenenfalls Förderbedarfe der betreuten Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Beispielhaft sei die Öffnung in das Gemeinwesen durch die zunehmende Entwicklung von Kinder- und Familienzentren zu nennen.
Zwischen den gewählten Elternbeiratsvorsitzenden der städtischen Kindertageseinrichtungen und der Abteilungsleitung finden regelmäßig Gespräche statt, um die Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen, Elternhaus und Träger zu fördern und Fragen der Bildung und Erziehung zu erörtern (siehe hierzu auch § 5 Kindertages- betreuungsgesetz 15.03.2008: Bildung und Aufgaben der Elternbeiräte, siehe Anhang). Anregungen und Kritik der Eltern werden ernst genommen und gemeinsam wird nach Lösungen gesucht.
Schutz von Kindern vor Gewalt
Die Stadt Karlsruhe nimmt den Kinderschutz sehr ernst.
Dies betrifft sowohl Gewalt unter Kindern als auch durch Fachkräfte sowie Gefährdungen außerhalb der Kindertageseinrichtung. Die pädagogischen Fachkräfte bilden sich im Hinblick auf Prävention und Intervention fort. Zur Erfüllung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung (§ 8 a SGB VIII) regeln verbindliche Verfahrensabläufe, Handlungsempfehlungen und Kooperationsvereinbarungen das Vorgehen (siehe Selbstverpflichtung zum Schutz gegen sexuelle Gewalt1).
Ausbildung und Praktikum
Die Stadt Karlsruhe bildet zahlreiche Nachwuchskräfte in ihren Kindertageseinrichtungen aus.
In den städtischen Kindertagesstätten und Schülerhorten gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Praktikum abzuleisten. Erste Kontakte können über den „Girls‘ Day und Boys‘ Day“2 zustande kommen. Schülerinnen und Schüler von Werkrealschulen und Gymnasien werden im Rahmen der Berufsweltorientierung Hospitationen angeboten. Wer sich nach seinem Schulabschluss in einem erzieherischen Berufsfeld erproben oder sozial engagieren will, kann ein Sozialpädagogisches Praktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr ableisten. Außerdem werden Praxisplätze für Schülerinnen und Schüler in allen Phasen der dreijährigen beziehungsweise vierjährigen Ausbildung an den Fachschulen für Kinderpflege und Sozialpädagogik zur Verfügung gestellt. Jährlich schließen circa 40 Erzieherinnen und Erzieher, Kinderpfleger und Kinderpflegerinnen ihre Ausbildung mit einem Anerkennungsjahr in einer städtischen Einrichtung ab.
Darüber hinaus gibt es Studien- und Praxisplätze in Kooperation mit der Dualen Hochschule Stuttgart für den Bereich Kindheitspädagogik sowie Ausbildungsplätze für die Duale Ausbildung zur/zum Jugend- und Heimerzieher/in. Weiterhin bieten wir jedes Jahr mehrere Stellen für die Praxisintegrierte Erzieher/innenausbildung (PIA) an.
So bieten wir jedes Jahr über 200 jungen Menschen in den verschiedenen Bereichen die Möglichkeit, vom Schnupperpraktikum über Ausbildung bis hin zum Studium in einer unserer Kindertageseinrichtungen tätig zu werden.
1 www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/sodi/kindeswohl (aufgerufen am 27.11.2012)
2 www.karlsruhe.de/b3/soziales/hilfsangebote/boys_day (aufgerufen am 05.07.2012)
12 | Konzeption Städtische Kindertageseinrichtungen
Literaturverzeichnis Orientierungsplan Baden-Württemberg
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2. Aufl. 2015) Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen.Verlag Herder.
Infans-Konzept
Andres, B. & Laewen, H.-J. (Hrsg.). (2002). Forscher, Künstler, Konstrukteure. Werkstattbuch zum Bildungsauftrag in Kindertageseinrichtungen (1. Aufl.). Landsberg: Beltz.
Andres, B. & Laewen, H.-J. (2006). Arbeitshilfe für Bildung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen – Die Handreichung zum infans-Konzept der Frühpädagogik. Stuttgart: KVJS Jugendhilfe-Service.
Andres, B. & Laewen, H.-J. (2011). Das infans-Konzept der Frühpädagogik: Bildung und Erziehung in Kindertagesstätten. Kiliansroda: Verlag das Netz.
Bildungs- und Lerngeschichten
Carr, M. (2001). Assessment in Early Childhood Settings: Learning Stories. London: Sage Publications.
Haas, Sibylle (2012). Das Lernen feiern. Lerngeschichten aus Neuseeland. Verlag das Netz
Haas, Sibylle (2016). Begeisterung teilen. Lerngeschichten in die Praxis tragen. Verlag das Netz
Leu, H., Flämig, K., Frankenstein, Y., Koch, S., Pack, I., Schneider, K. & Schweiger, M. (2007). Bildungs- und Lerngeschichten: : Bildungsprozesse in früher Kindheit beobachten, dokumentieren und unterstützen. München: Deutsches Jugendinstitut/Kiliansroda: Verlag das Netz.
Kleeberger, F. & Leu, H. (2009). Bildungs- und Lerngeschichten im Hort. München: Deutsches Jugendinstitut/Kiliansroda: Verlag das Netz.
Flämig, K., Musketa, B. & Leu, H. (2009). Bildungs- und Lerngeschichten für Kinder mit besonderem Förderbedarf. München: Deutsches Jugendinstitut/Kiliansroda: Verlag das Netz.
Situationsansatz
Zimmer, J., Preissing, C. & Thiel, T. (1997). Kindergärten auf dem Prüfstand: Dem Situationsansatz auf der Spur. Seelze: Friedrich Verlag.
Zimmer, J. (2006). Das kleine Handbuch zum Situationsansatz (2. Aufl). Berlin: Cornelsen.
Sonstige
Laewen, H.J., Andres, B. & Hédervári, E. (2003). Die ersten Tage – Ein Modell zur Eingewöhnung in Krippe und Tagespflege (4. erw. Aufl.). Landsberg: Beltz.
Kultusministerium und Sozialministerium (2002). Gemeinsame Verwaltungsvorschrift über die Kooperation zwischen Tageseinrichtungen für Kinder und Grundschulen (VwV Kooperation Kindertageseinrichtungen -– Grundschulen).
Inklusion
Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (5. Auflage, 2017)
Index für Inklusion in Kindertageseinrichtungen. Gemeinsam leben, spielen, lernen. Handreichung für die Praxis.
Qualitätsentwicklung
Institut für den Situationsansatz/Fachstelle Kinderwelten (Berlin 2016). Qualitätshandbuch für vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in Kitas.
Sprache
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2016): Bundesprogramm Frühe Chancen, Alltagsintegrierte sprachliche Bildung. Online verfügbar unter: https://sprach-kitas.fruehe-chancen.de/ themen/sprachliche-bildung/alltagsintegrierte-sprachliche-bildung/ Aufgerufen am 03.01.2018
Jampert, Karin et al. (2011) Kinder-Sprache stärken! Verlag das Netz
Kammermeyer, G.; Roux et al. (2017) Mit Kindern im Gespräch, Auer-Verlag
Kinderschutz
Stadt Karlsruhe (Hrsg.). (2012). Sexuelle Gewalt in Institutionen. Karlsruhe.
Stadt Karlsruhe (Hrsg.). (2015). Kooperationsvereinbarung Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt. Karlsruhe
Stadt Karlsruhe (Hrsg.). (2015). Standards Kindeswohlgefährdung
Sozial- und Jugendbehörde | Kindertageseinrichtungen | 13
Anhang
Adressen und Kontakte
Verwaltung und Fachberatung der städtischen Kindertageseinrichtungen
Sozial- und Jugendbehörde Abteilung Kindertageseinrichtungen Südendstraße 42, 76135 Karlsruhe Sekretariat, Telefon: 0721 133-5136 Infostelle Kita-Platz-Anfragen, Telefon: 0721 133-5566 Geschwisterbezuschussung, Telefon: 0721 133-5145 Fax: 0721 133-5149 E-Mail: kindertageseinrichtungen@sjb.karlsruhe.de Internet: www.karlsruhe.de/kitas
Zuschuss zum Elternbeitrag
Sozial- und Jugendbehörde Wirtschaftliche Jugendhilfe Südendstraße 42, 76135 Karlsruhe Telefon: 0721 133-5190 E-Mail: wjh.leitung@sjb.karlsruhe.de Internet: www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/wjh
Linksammlung
Stadt Karlsruhe, Soziales: www.karlsruhe.de/b3/soziales www.karlsruhe.de/b3/soziales/ personengruppen/behinderte/ inklusion
Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII): www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/
Kinderbetreuungsgesetz: http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&query=KiT aG+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true
Aktuelle Gesetze beim Bürgerservice Landesrecht Baden- Württemberg: www.kultusportal-bw.de/servlet/PB/menu/1182956/index.html
BMFSFJ (2011) (Hrsg.). UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Berlin. https://www.kinderrechtskonvention.info/
BMFSFJ (2011) (Hrsg.). UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Berlin https://www.behindertenrechtskonvention.info/
14 | Konzeption Städtische Kindertageseinrichtungen
Organisatorische Einbindung der Abteilung Kindertageseinrichtungen
Stadt Karlsruhe Oberbürgermeister und Gemeinderat
Dezernat 3 für Jugend, Eltern, Soziales, Schulen, Sport, Bäder, Migrationsfragen
Sozial- und Jugendbehörde
Fachbereich Kindertagesbetreuung
Abteilung Wirtschaftliche Jugendhilfe
Abteilung Städtische Kindertageseinrichtungen
Fachbereichsleitungen Fachberatung
Verwaltungsleitung Anträge auf Zuschuss für Elternbeiträge
Verwaltungsleitung
19 Kindertagesstätten 21 Schülerhorte
Sozial- und Jugendbehörde | Kindertageseinrichtungen | 15
Gesetzliche Grundlagen unserer Arbeit:
Gesetzliche Grundlage unserer Arbeit ist der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die baden-württembergischen Kindergärten.
Bereits seit Mitte der 90er Jahre setzt das Land Baden- Württemberg deutliche Akzente in der frühkindlichen Bildung. Mit der Erstellung eines Orientierungsplans für Bildung und Erziehung in Tageseinrichtungen für Kinder stärkt Baden- Württemberg den Kindergarten als Ort der frühkindlichen Bildung. Mit dieser Stärkung soll die Voraussetzung für mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung von Bildungschancen und eine stärkere Entkoppelung von der sozialen Herkunft gewährleistet werden.
Der Orientierungsplan soll den Erzieherinnen und Erziehern Impulse zur pädagogischen Begleitung kindlicher Entwicklung von Geburt bis zum Schuleintritt bieten, an die Bildungsprozesse von der Krippen- und Kindergartenzeit anknüpfen und Ausblicke auf die Entwicklung der Bildungsbiografie des Kindes nach der Kindergartenzeit geben.
Mit dem Orientierungsplan wird auch ein neues Kapitel der Kooperation aufgeschlagen. Im Interesse einer kontinuierlichen Bildungsbiografie des Kindes betont er die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Eltern und eine weitergehende Verzahnung von Kindergarten und Grundschule. Für diese Bildungs- und Erziehungspartnerschaften erhalten Eltern, sozialpädagogische Fachkräfte und die Lehrkräfte der Grundschule Impulse und Hilfestellungen.
Bildungspläne für den Elementarbereich bieten Orientierung für Fachkräfte, Eltern und Lehrkräfte und sollen insbesondere die Grundlagen für eine frühe und individuelle begabungsgerechte Förderung der Kinder schaffen.
Kindertagesstätten haben neben den Aufgaben der Erziehung und Betreuung auch einen Bildungsauftrag, der sich an den spezifischen, altersstrukturell bedingten Bedürfnissen der Kinder orientiert. Damit wird ein wichtiger Aspekt in den Vordergrund gerückt: Die ersten Lebensjahre und das Kindergartenalter sind die lernintensivste Zeit im menschlichen Dasein. Die Bildungsarbeit in Kindergärten ist eine zentrale Aufgabe.
Bildung, Erziehung und Betreuung sind nach § 22 Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) die Aufgaben von Kindertageseinrichtungen im Elementarbereich. Die weiteren Aufgabenbeschreibungen in §§ 22 und 22a SGB VIII, sowie die Grundaussage in § 1 Abs. 1 SGB VIII „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ bilden den rechtlichen Bezugspunkt für die beiden wichtigsten allgemeinen Ziele von Bildung und Erziehung, über die sich sozial-, verhaltens- und biowissenschaftliche Forschung einig sind: Autonomie, das heißt Selbstwirksamkeit, Selbstbestimmung und Verbundenheit, das heißt Bindung und Zugehörigkeit. Diese beiden Aspekte stellen die wichtigsten Grundbedürfnisse und Entwicklungsaufgaben des Menschen dar und bedingen sich wechselseitig. Die
zweifache, in sich spannungsreiche allgemeine Zielbestimmung – Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit – ist in den Orientierungsplan eingegangen. Die Verfolgung des allgemeinen Ziels der Eigenverantwortlichkeit und Autonomie schließt das Ziel ein, Kinder in ihrer Fähigkeit zu unterstützen und anzuregen, anderen Autonomie zuzugestehen. Gemeinschaftsfähigkeit schließt die Fähigkeit zur Anerkennung von Verschiedenheit und die Fähigkeit zu einem anerkennenden Umgang mit Verschiedenheit ein. Dies bezieht sich auf das jeweils andere Geschlecht und auf ethnische, kulturelle und religiöse Unterschiede.
Eigenverantwortlich zu leben und zu handeln bedeutet, sich seiner selbst bewusst zu sein. Das heißt auch, eigene Gefühle regulieren zu können, sich seiner eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten bewusst zu sein und zu selbstständigem Denken und Urteilen in der Lage zu sein. Dazu gehört, eigene Bedürfnisse und Meinungen zu äußern und Aufgaben selbst zu übernehmen. Das gibt den Kindern die Möglichkeit, sich als selbstwirksam zu erleben.
Gemeinschaftsfähig zu werden bedeutet, sich zugehörig fühlen zu können, bereit und imstande zu sein, das soziale Miteinander zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen. Kinder entwickeln Interesse an anderen, bilden Freundschaften und wirken an Entscheidungen in der Gruppe mit. Sie lernen das Denken, Fühlen und Handeln anderer zu verstehen und zu respektieren.
Um sich als selbstwirksam zu erleben und die Welt aktiv mitgestalten zu können, brauchen Kinder Wissen von Zusammenhängen und kulturellen Gegebenheiten. Sie setzen sich neugierig forschend – entsprechend ihren Bedürfnissen und ihrem Entwicklungsstand – mit den Phänomenen der Welt auseinander. Sie lernen, sich die Gesetzmäßigkeiten und die vielfältigen Formen von Natur und Kultur zu erschließen. Freude am Lernen und Engagiertheit sind unverzichtbare Grundlagen für den lebenslangen Lernprozess.
Das Kindergartengesetz von Baden-Württemberg (KiTaG) greift den Bildungsauftrag in Tageseinrichtungen in § 2 Abs. 2 ausdrücklich auf und unterstreicht dessen Bedeutung für die Förderung der Gesamtentwicklung des Kindes. Die besondere Bedeutung der gemeinsamen Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung wird betont. Im Sinne von § 9 Abs. 2 KiTaG werden im Orientierungsplan die Zielsetzungen für die Elementarerziehung festgelegt und die zentrale Rolle der Sprachförderung betont
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Weitere gesetzliche Grundlagen ergeben sich aus dem SGB VIII. Bedeutung besitzen hierbei folgende Paragraphen:
§ 1 Abs.1: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“
§ 1 Abs. 3 Satz 4: „Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.“
§ 2 Abs. 2 Satz 3: „Leistungen der Jugendhilfe sind: Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege (§§ 22 bis 25).“
§ 8a Abs. 1 Satz 1: „Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen.“
§ 8a Abs. 2 Satz 1: „In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag nach Absatz 1 in entsprechender Weise wahrnehmen und bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen.“
Die unmittelbare Gesetzesgrundlage ergibt sich aus dem § 22 „Grundsätze der Förderung“ von Kindern in Tageseinrichtungen:
§ 22 Abs. 1: „Tageseinrichtungen sind Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden.“
§ 22 Abs. 2 Satz 1-3: „Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern, die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen, den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.“
§ 22a Abs. 2: „die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen sicherstellen, dass die Fachkräfte in ihren Einrichtungen zusammenarbeiten mit den Erziehungsberechtigten und Tagespflegepersonen zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses. Die Erziehungsberechtigten sind an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen.“
Um dies zu gewährleisten, werden in allen Einrichtungen, gemäß den Richtlinien des Kultusministeriums und des Arbeits- und Sozialministeriums Baden- Württemberg über die Bildung und die Aufgaben der Elternbeiräte nach § 5 des Kindertagesbetreuungsgesetzes, Elternbeiräte gewählt.
Grundlagen unserer Arbeit sind auch das Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (Landesjugendhilfegesetz Baden- Württemberg) sowie das Kindergartengesetz und die für Karlsruhe weiterhin gültigen Richtlinien zur personellen Besetzung und räumlichen Ausstattung von Kindergärten.
Zu beachten sind auch die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, welches unter anderem die Meldepflicht bei übertragbaren Krankheiten regelt.
Sozial- und Jugendbehörde | Kindertageseinrichtungen | 17
Richtlinien des Kultusministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales über die Bildung und Aufgaben der Elternbeiräte
1. Allgemeines
1.1 Nach § 5 des Kindertagesbetreuungsgesetzes werden an Kindergärten, Tageseinrichtungen mit altersgemischten Gruppen und Kinderkrippen (Einrichtungen) Elternbeiräte gebildet.
1.2 Der Elternbeirat bei Einrichtungen ist die Vertretung der Eltern der aufgenommenen Kinder.
1.3 Eltern im Sinne dieser Richtlinien sind auch Erziehungsberechtigte, denen die Sorge für die Person des Kindes anstelle der Eltern zusteht.
2. Bildung des Elternbeirats
2.1 Zur Bildung des Elternbeirats werden die Eltern der in die Einrichtung aufgenommenen Kinder nach Beginn des Kindergartenvorjahres vom Träger oder einer von ihm beauftragten Person einberufen.
2.2 Der Elternbeirat besteht aus mindestens zwei Mitgliedern. Die Eltern jeder Gruppe wählen aus ihrer Mitte ein Mitglied und eine Vertreterin oder einen Vertreter, die beide Mitglied im Elternbeirat sind.
2.3 Das Wahlverfahren bestimmen die Eltern.
2.4 Der Elternbeirat wählt aus seiner Mitte eine vorsitzende Person und deren Stellvertretung.
2.5 Die Amtszeit des Elternbeirats beträgt in der Regel ein Jahr. Bis zur Wahl des neuen Elternbeirats führt der bisherige Elternbeirat die Geschäfte weiter.
2.6 Scheiden alle Kinder eines Mitglieds (Vertreters) des Elternbeirats vor Ablauf der Amtszeit aus, endet mit dem Ausscheiden auch die Mitgliedschaft im Elternbeirat. Endet die Mitgliedschaft aller Mitglieder und Vertreter vor Ablauf der Amtszeit, ist eine Neuwahl notwendig.
3. Aufgaben des Elternbeirats
3.1 Der Elternbeirat hat die Aufgabe, die Erziehungsarbeit in der Einrichtung zu unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen Einrichtung, Elternhaus und Träger zu fördern.
3.2 Der Elternbeirat setzt sich dafür ein, dass der Anspruch der Kinder auf Erziehung, Bildung und Betreuung in der Einrichtung verwirklicht wird. Er hat zu diesem Zweck insbesondere
3.2.1 das Verständnis der Eltern für die Bildungs- und Erziehungsziele der Einrichtung zu wecken,
3.2.2 Wünsche, Anregungen und Vorschläge der Eltern entgegenzunehmen und dem Träger oder der Leitung der Einrichtung zu unterbreiten,
3.2.3 sich beim Träger für eine angemessene Besetzung mit Fachkräften sowie für die sachliche und räumliche Aus- stattung einzusetzen und
3.2.4 das Verständnis der Öffentlichkeit für die Arbeit der Einrichtung und ihrer besonderen Bedürfnisse zu gewinnen.
4. Zusammenarbeit zwischen Elternbeirat und Einrichtung
4.1 Der Elternbeirat arbeitet mit den pädagogischen Kräften, der Leitung und dem Träger der Einrichtung zusammen.
4.2 Der Träger sowie die Leitung der Einrichtung beteiligen den Elternbeirat an den Entscheidungen in allen wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung in der Einrichtung, insbesondere soweit sie das pädagogische Konzept, die Organisation und die Betriebskosten betreffen. Der Elternbeirat ist insbesondere vor der Regelung der Ferien- und Öffnungszeiten, der Festsetzung der Elternbeiträge im Rahmen der für den Träger verbindlichen Regelungen, der Festlegung von Grundsätzen über die Aufnahme der Kinder in die Einrichtung sowie vor der Einführung neuer pädagogischer Konzepte zu hören.
5. Sitzungen des Elternbeirats
5.1 Der Elternbeirat tritt auf Einladung seines Vorsitzenden nach Bedarf, jedoch mindestens zweimal jährlich zusammen. Der Elternbeirat ist von seinem Vorsitzenden einzuberufen, wenn der Träger, mindestens zehn Eltern oder zwei seiner Mitglieder unter Benennung der Besprechungspunkte dies verlangen.
5.2 Verlangen die Eltern die Einberufung des Elternbeirats, ist ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Anliegen dem Elternbeirat vorzutragen.
5.3 Zu den Sitzungen des Elternbeirats sollen die pädagogischen Mitarbeiter der Einrichtung und Vertreter des Trägers nach Bedarf eingeladen werden.
6. Weitere Bestimmungen
6.1 Der Elternbeirat berichtet den Eltern mindestens einmal im Jahr über seine Tätigkeit.
6.2 Für den regelmäßigen Austausch zwischen Eltern, Träger und Leitung der Einrichtung ist eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft notwendig. Dabei sind verschiedene Arten von Elternkontakten anzustreben.
6.3 Der Träger der Einrichtung soll zusammen mit dem Elternbeirat und nach Anhörung der Leitung der Einrichtung den Eltern Gelegenheit geben, Fragen der Elementarerziehung gemeinsam zu erörtern. Damit sich die Einrichtung und Familien bei der Zielbestimmung für die pädagogische Arbeit und der Beobachtung und Förderung der kindlichen Bildungs- und Entwicklungsprozesse abstimmen können, soll den Eltern Gelegenheit gegeben werden, Fragen der Bildung und Erziehung zu erörtern. Dies erfolgt nach Abstimmung mit dem Träger, dem Elternbeirat und der Leitung der Einrichtung.
6.4 Die Elternbeiräte mehrerer Einrichtungen eines Trägers oder auf dem Gebiet einer Gemeinde können sich zu einem Gesamtelternbeirat zusammenschließen.
7. Inkrafttreten
7.1 Diese Richtlinien treten am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
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Notizen
Sozial- und Jugendbehörde | Kindertageseinrichtungen | 19
Notizen
Impressum
Copyright: Stadt Karlsruhe
Bezugsadresse: Stadt Karlsruhe Sozial- und Jugendbehörde Südendstraße 42, 76135 Karlsruhe Telefon: 0721 133-5136 E-Mail: kindertageseinrichtungen@sjb.karlsruhe.de Internet: www.karlsruhe.de
Redaktion: Dr. Susanne Heynen, Jugendamtsleitung Ljuba Madzarevic-Eber, Jugendamt Henrike Litzler, Jugendhilfeplanung Ilona Simon, Abteilungsleitung Kindertageseinrichtungen Sabine Herkt, Abteilung Kindertageseinrichtungen Gabriele Holubek, Betriebskindergarten Edith Britah, Kindertagesstätte Thomas-Mann-Straße Hannelore Groß, Kindertagesstätte Blütenweg Kerstin Nösges-Boguth, Schülerhort Kanalweg
Überarbeitet Oktober 2018: Ilona Simon, Abteilungsleitung Kindertageseinrichtungen Melanie Böse, Abteilung Kindertageseinrichtungen Sabine Herkt, Abteilung Kindertageseinrichtungen Tanja Riffel, Abteilung Kindertageseinrichtungen
Layout: Pruß
Bilder: SJB
Druck: Rathausdruckerei, Recyclingpapier
Stand: Oktober 2018
https://www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/kindertagesstaetten/kitas/HF_sections/content/1323774292535/ZZoOz7VIR8v2Op/Stadt_Karlsruhe_Konzeption_Staedtische_Kitas_Stand_Oktober2018.pdf
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Kategorie: Arbeit und Beruf
INDUSTRIEGEWERKSCHAFT BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE – IG BCE
Aufgaben und Ziele:
Unterstützung berufstätiger Frauen im Arbeitsleben
Rechtsberatung und Rechtshilfe bei Streitigkeiten im Arbeits- und Sozialrecht – nur für Mitglieder der IG BCE
Frauenförderung durch Bildung und Information
familienfreundliche Personalpolitik
https://web1.karlsruhe.de/db/frauenhandbuch/details.php?id=20
Stadt Karlsruhe | Formular
Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingp apier
Förderantrag Mittagstisch für Seniorinnen und Senioren
Seniorenbüro/Pflegestützpunkt Katrin Hardt Kaiserstr 235 76133 Karlsruhe
Fax: 0721 133-5069
Kurzbeschreibung des bestehenden / geplanten Mittagstischprojektes:
Ansprechperson / Iuristische PersonEinrichtung/Organisation Antragsteller/in
E-MailTelefon
OrtPLZ Straße und Hausnummer
Laufende oder geplante Maßnahmen zur Unterstützung der sozialen Vernetzung von älteren Menschen:
Informationen zur geplanten Verwendung der Mittel / zum Ziel
Kosten pro Mahlzeit aktuell in Euro
Ort/Datum Rechtsverbindliche Unterschrift
Wöchentliche Anzahl der Mittagstische
Richtlinien für Spendengelder im Rahmen der Spende „Mittagstische für Seniorinnen und Senioren“
Stand: 11.12.2018
Ansprechpartnerin: Katrin Hardt
Seniorenbüro/Pflegestützpunkt Stadt Karlsruhe Kaiserstraße 235 76133 Karlsruhe
Telefon: 0721 133 - 5420
E-Mail: katrin.hardt@sjb.karlsruhe.de
Die Spende der BB-Bank und der International Police Association e.V. Karlsruhe in Höhe von 5.000 Euro wird an bestehende und entstehende Mittagstischangebote für Seniorinnen und Senioren ausgeschüttet. Bei Erfüllen der Förderkriterien entscheidet die Reihenfolge des Eingangs über die Förderung in Höhe von je 1.000 Euro pro Mittagstischprojekt.
Die thematische Vorgabe und die Entscheidungskriterien ergeben sich aus der Zweckbindung der Spende. Der Mittagstisch muss mindestens einmal in der Woche stattfinden, eine Fokussierung auf die Arbeit mit älteren Menschen haben und darf pro Mahlzeit maximal 4,50 Euro kosten. Zudem ist von zentraler Bedeutung, dass die soziale Vernetzung und Kommunikation zwischen den Gästen im Fokus der Arbeit steht oder mit den Spendengeldern in den Fokus gestellt wird.
Für alle Fördermittel gelten folgende Richtlinien:
- Alle Gelder sind inhaltliche an das Thema Mittagstische für Seniorinnen und Senioren angelehnt.
- Alle Gelder müssen über die Mittagstischangebote Seniorinnen und Senioren zu Gute kommen. - Zur Beantragung der Förderungen von 1.000 Euro muss das beiliegende Formular verwendet
werden. - Der beiliegende Verwendungsnachweis ist spätestens 1 Jahr nach Antragsstellung beim
Seniorenbüro der Stadt Karlsruhe einzureichen.
Hinweise und Erläuterungen Eine Ablehnung von Förderanträgen ist dem Seniorenbüro/Pflegestützpunkt der Stadt Karlsruhe vorbehalten.
Mit der Abgabe dieses Projekt-Förderantrages akzeptieren wir die Bewerbungsrichtlinien für die Förderung von Mittagstischen für Seniorinnen und Senioren. Wir sind informiert, dass das Seniorenbüro/Pflegestützpunkt einen Antrag aus formalen Gründen (zum Beispiel Antrag fehlerhaft ausgefüllt) oder aus anderen Gründen (zum Beispiel Projekt entspricht nicht den Förderrichtlinien) ablehnen kann, ohne dies explizit begründen zu müssen.
Die Berücksichtigung der förderungswürdigen Projekte richtet sich nach Eingangsreihenfolge der Anträge. Berücksichtigt werden nur Angebote, die die Förderkriterien erfüllen.
Die Spendenhöhe beläuft sich pro Projekt auf 1.000 Euro und wird nach Reihenfolge der Bewerbungseingänge ausgeschüttet. Bei einer zur Verfügung stehenden Gesamtspendensumme von 5.000 Euro ist die Ausschüttung an maximal fünf Mittagstischprojekte möglich.
Bei den Ausgaben ist darauf zu achten, dass die Mittel zweckgebunden für Mittagstische (zum Beispiel Veranstaltungen rund um den Mittagstisch, gesunde Ergänzung des Essens, Werbung für neue Gäste..) eingesetzt wird. Nicht gefördert werden Kosten, die für die eigentliche Arbeit der beantragten Einrichtung/Institution ohnehin angefallen wären, beispielsweise für Miete eigener Räume, eigene Personalkosten und Ähnliches.
mailto:katrin.hardt@sjb.karlsruhe.de
Verwendungsnachweis
-abzugeben spätestens 1 Jahr nach Erhalt der Spende beim Seniorenbüro/Pflegestützpunkt der Stadt Karlsruhe
für die Spende vom (Auszahlungstag) Empfänger, Adresse Telefon
Ansprechperson/Iuristische Person
Tätigkeitsnachweis im Bewilligungszeitraum
Ort/Datum Unterschrift der vertretungsberechtigten Person
Erklärung
Mit meiner Unterschrift erkläre ich, dass die Zuwendung bestimmungsgemäß verwendet und die Bestimmungen in den Richtlinien für Spendengelder eingehalten wurden
Datum Verwendung Betrag in Euro
Stadt Karlsruhe | Formular
Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingpapier
Förderantrag Mittagstisch für Seniorinnen und Senioren
Seniorenbüro/Pflegestützpunkt
Katrin Hardt
Kaiserstr 235
76133 Karlsruhe
Fax: 0721 133-5069
Antragsteller/in
Ort/Datum Rechtsverbindliche Unterschrift
Normal.dotm
1
Microsoft Office Word
26.07.2018 16:19:00
26.07.2018 16:19:00
0
1
4
23
4
60535
3
1
27
26.07.2018 16:19:00
Richtlinien für Spendengelder im Rahmen der Spende
„Mittagstische für Seniorinnen und Senioren“
Stand: 11.12.2018
Ansprechpartnerin:
Katrin Hardt
Seniorenbüro/Pflegestützpunkt Stadt Karlsruhe
Kaiserstraße 235
76133 Karlsruhe
Telefon: 0721 133 - 5420
E-Mail: katrin.hardt@sjb.karlsruhe.de
Die Spende der BB-Bank und der International Police Association e.V. Karlsruhe in Höhe von 5.000 Euro wird an bestehende und entstehende Mittagstischangebote für Seniorinnen und Senioren ausgeschüttet. Bei Erfüllen der Förderkriterien entscheidet die Reihenfolge des Eingangs über die Förderung in Höhe von je 1.000 Euro pro Mittagstischprojekt.
Die thematische Vorgabe und die Entscheidungskriterien ergeben sich aus der Zweckbindung der Spende. Der Mittagstisch muss mindestens einmal in der Woche stattfinden, eine Fokussierung auf die Arbeit mit älteren Menschen haben und darf pro Mahlzeit maximal 4,50 Euro kosten. Zudem ist von zentraler Bedeutung, dass die soziale Vernetzung und Kommunikation zwischen den Gästen im Fokus der Arbeit steht oder mit den Spendengeldern in den Fokus gestellt wird.
Für alle Fördermittel gelten folgende Richtlinien:
- Alle Gelder sind inhaltliche an das Thema Mittagstische für Seniorinnen und Senioren angelehnt.
- Alle Gelder müssen über die Mittagstischangebote Seniorinnen und Senioren zu Gute kommen.
- Zur Beantragung der Förderungen von 1.000 Euro muss das beiliegende Formular verwendet werden.
- Der beiliegende Verwendungsnachweis ist spätestens 1 Jahr nach Antragsstellung beim Seniorenbüro der Stadt Karlsruhe einzureichen.
Hinweise und Erläuterungen
Eine Ablehnung von Förderanträgen ist dem Seniorenbüro/Pflegestützpunkt der Stadt Karlsruhe vorbehalten.
Mit der Abgabe dieses Projekt-Förderantrages akzeptieren wir die Bewerbungsrichtlinien für die Förderung von Mittagstischen für Seniorinnen und Senioren. Wir sind informiert, dass das Seniorenbüro/Pflegestützpunkt einen Antrag aus formalen Gründen (zum Beispiel Antrag fehlerhaft ausgefüllt) oder aus anderen Gründen (zum Beispiel Projekt entspricht nicht den Förderrichtlinien) ablehnen kann, ohne dies explizit begründen zu müssen.
Die Berücksichtigung der förderungswürdigen Projekte richtet sich nach Eingangsreihenfolge der Anträge. Berücksichtigt werden nur Angebote, die die Förderkriterien erfüllen.
Die Spendenhöhe beläuft sich pro Projekt auf 1.000 Euro und wird nach Reihenfolge der Bewerbungseingänge ausgeschüttet. Bei einer zur Verfügung stehenden Gesamtspendensumme von 5.000 Euro ist die Ausschüttung an maximal fünf Mittagstischprojekte möglich.
Bei den Ausgaben ist darauf zu achten, dass die Mittel zweckgebunden für Mittagstische (zum Beispiel Veranstaltungen rund um den Mittagstisch, gesunde Ergänzung des Essens, Werbung für neue Gäste..) eingesetzt wird. Nicht gefördert werden Kosten, die für die eigentliche Arbeit der beantragten Einrichtung/Institution ohnehin angefallen wären, beispielsweise für Miete eigener Räume, eigene Personalkosten und Ähnliches.
Verwendungsnachweis
-abzugeben spätestens 1 Jahr nach Erhalt der Spende beim Seniorenbüro/Pflegestützpunkt der Stadt Karlsruhe
Tätigkeitsnachweis im Bewilligungszeitraum
Ort/Datum Unterschrift der vertretungsberechtigten Person
Erklärung
Mit meiner Unterschrift erkläre ich, dass die Zuwendung bestimmungsgemäß verwendet und die Bestimmungen in den Richtlinien für Spendengelder eingehalten wurden
Datum
Verwendung
Betrag in Euro
Nummer 1. Zuwendungsempfänger/in. Name der Institution::
Person:
Nummer eins. Antragsteller/in: Familienname:
E-Mail:
Telefon:
Ort:
Postleitzahl:
Strasse:
Nummer eins. Antragsteller/in: Familienname:
Nummer eins. Antragsteller/in: Familienname:
Empfanger:
AS_Telefon:
AS_Vorname:
Textfeld18:
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NumerischesFeld1:
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NumerischesFeld2:
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NumerischesFeld5:
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Textfeld7:
NumerischesFeld7:
Textfeld25:
Textfeld8:
NumerischesFeld8:
Textfeld26:
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NumerischesFeld9:
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https://www.karlsruhe.de/b3/soziales/personengruppen/senioren/HF_sections/content/ZZk0CMMQxQ8bk2/ZZnZO3dQbH6Jrg/Foerderantrag%20Senioren.pdf