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Stadt Karlsruhe Stadtplanungsamt Sanierung Mühlburg 2007 bis 2021 2 | Sanierungsgebiet Mühlburg Impressum Stadt Karlsruhe Stadtplanungsamt Lammstraße 7 76133 Karlsruhe Postadresse: 76124 Karlsruhe stpla@karlsruhe.de Auflage: 80 Ansprechpersonen: Redaktion: Marcus Dischinger, Freier Journalist Andreas Lehn, Stadt Karlsruhe, Stadtplanungsamt Mitwirkung: Tiefbauamt, Gartenbauamt, Hochbauamt, Volkswohnung Layout: Cindy Streeck, Stadt Karlsruhe, Presse- und Informationsamt Titelbild: Stadt Karlsruhe, BN 1, Stadtplanungsamt Bilder: Seite 7: Presse- und Informationsamt Stadt Karlsruhe, Seite 10: Stadtarchiv Karlsruhe alle anderen Bilder: BN 1 Monika Müller-Gmelin, Stadtplanungsamt; BN 2 Roland Fränkle (auch Seite 4), Presseamt; BN 3, Stadtplanungsamt; BN 4 Tiefbauamt Druck: Rathausdruckerei auf 100 Prozent Recyclingpapier mailto:stpla@karlsruhe.de Stadtplanungsamt | 3 Sanierung Mühlburg 2007 bis 2021 4 | Sanierungsgebiet Mühlburg Stadtplanungsamt | 5 Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................................................................................... 7 Plan Sanierungsgebiet ................................................................................................................................................ 8 Von Mulenberc zu Mühlburg: die wechselhafte Geschichte des heutigen westlichen Stadtteils ............................... 9 Mühlburger Privilegienbrief aus dem Jahr 1670 ist Vorläufer des Karlsruher Privilegienbriefs .......................... 9 Industrielle Entwicklung flankiert vom Bau der Maxau-Bahn vom Karlsruher Hauptbahnhof zum Rhein ......... 9 Mühlburg wird im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört und im Anschluss wiederaufgebaut ........................... 10 Vorbereitende Untersuchung legt Defizite im Sanierungsgebiet offen .................................................................... 11 Sozialstruktur ............................................................................................................................................... 11 Eigentumsverhältnisse und städtebauliche Aspekte ...................................................................................... 11 Bausubstanz und Defizite ............................................................................................................................. 12 Nutzungen und Potenziale ........................................................................................................................... 12 Verkehr ........................................................................................................................................................ 12 Die Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner ............................................................................................... 13 Fazit der Vorbereitenden Untersuchung ....................................................................................................... 14 Sanierungskonzept und Ziele ....................................................................................................................... 14 Maßnahmen im Straßenbereich: Große Veränderungen mit viel Nutzen für alle Verkehrsteilnehmer ............ 15 Plätze im Sanierungsgebiet: Aufwertung an vielen Stellen im Stadtteil ......................................................... 22 Klettergerüst und Co: Spielen, Toben und Kicken auf neu gestalteten Arealen ........................................... 25 Runderneuerter und ausgebauter Kinder- und Jugendtreff in Mühlburg erweitert Angebotspalette ...................... 29 Das Bürgerzentrum Mühlburg: Neuer Mittelpunkt für alle Bürgerinnen und Bürger ..................................... 31 Private Sanierungen steigern Wohnstandards in vielen Mühlburger Gebäuden ...................................................... 33 Bürgerbeteiligung: Große Bereitschaft in Mühlburg, sich für den eigenen Stadtteil einzusetzen ............................ 36 Mehrere Förderprogramme – ein Ziel: Die Aufwertung des Sanierungsgebietes in Mühlburg................................ 39 Resümee ................................................................................................................................................................... 41 6 | Sanierungsgebiet Mühlburg Stadtplanungsamt | 7 Vorwort Die stadtnahe Lage, die hervorragende Verkehrsanbindung und die sehr guten Einkaufsmöglichkeiten zeichnen den Karlsruher Stadtteil Mühlburg aus. Insbesondere diese Einkaufsmöglichkeiten haben Bedeutung über den Stadtteil hinaus. In den Nullerjahren des Jahrhunderts wurden allerdings zunehmend städtebauliche und sozial-strukturelle Probleme wahrgenommen. Dies mündete im Gemeinderatsbeschluss vom Mai 2007, eine Sanierung Mühlburgs durchzuführen. Grundlage dafür bildete das Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ von Bund und Land. Ziel war es, die Lebensqualität, das Wohnen und das Stadtbild zu verbessern. Diese Ziele sind in der Zeit zwischen 2008 und 2021 erreicht worden. Das B-Zentrum ist deutlich aufgewertet worden, etwa durch die umfassende Umgestaltung der Rheinstraße. Die modernisierte Einkaufsstraße hat nun mehr Platz für Fußgängerinnen und Fußgänger und ist dadurch deutlich attraktiver geworden. Mehrere Plätze und Freiräume konnten ebenfalls aufgewertet werden, darunter der Fliederplatz, der neugestaltet wurde. In Verbindung mit der umfassenden Sanierung des Kinder- und Jugendtreffs ist das Areal nun zu einem Treffpunkt für Kinder und Jugendliche ganz verschiedener Altersgruppen geworden. Außerdem wurden verschiedene Spielplätze und der Lindenplatz erneuert. Hinzu kamen bautechnische und energetische Sanierungen in mehr als 500 privaten Wohneinheiten, darunter auch die Hochhäuser der Volkswohnung GmbH in der Weinbrennerstraße. Das ist ein erfreulich hoher Wert. Große Bedeutung in Sanierungsgebieten haben auch immer die sozialen Projekte, die das Miteinander im Stadtteil stärken. Insgesamt konnten in all den Jahren mehr als 20 Projekte für verschiedene Zielgruppen umgesetzt werden. Sie haben viele Menschen nachhaltig zusammengeführt. Mit dem Bürgerzentrum Mühlburg und der dort ebenfalls etablierten neuen Stadtteilbibliothek wurde ein Leuchtturmprojekt umgesetzt. Es ist heute ein sozialer Mittelpunkt Mühlburgs. Gleichzeitig wurde im Außengelände ein neuer Quartiersspielplatz geschaffen. In diesem Sanierungsgebiet wurden im Bereich Bürgerbeteiligung und Partizipation neue Maßstäbe gesetzt. Zum ersten Mal wurde in Karlsruhe das Instrument der Spielleitplanung angewendet. Außerdem wurden Stadtteilspaziergänge und Konferenzen durchgeführt. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sowie Verbände und Institutionen beteiligten sich an verschiedenen Arbeitskreisen und –gruppen. Die Ergebnisse des Sanierungsprozesses haben den Stadtteil deutlich nach vorne gebracht und den Bewohnerinnen und Bewohnern eine hohe Aufenthaltsqualität beschert. Ich danke allen Beteiligten, insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern, dafür, dass sie sich in dieser umfassenden Art und Weise eingebracht haben. Dr. Frank Mentrup Oberbürgermeister 8 | Sanierungsgebiet Mühlburg Plan Sanierungsgebiet Plan Stadt Karlsruhe, Liegenschaftsamt Stadtplanungsamt | 9 Von Mulenberc zu Mühlburg: die wechselhafte Geschichte des heutigen westlichen Stadtteils Als Karlsruhe 1715 gegründet wird, ist der Abstand zwischen dem markgräflichen Schloss und den wenigen Gebäuden in Mühlburg noch sehr groß. Der Raum dazwischen ist unbebaut, aber die beiden Orte wachsen aufeinander zu. Mühlburg wird Ende des 19. Jahrhunderts eingemeindet, innerhalb weniger Jahre vervielfacht sich die Bevölkerungszahl. Im Zweiten Weltkrieg wird der Stadtteil schwer getroffen. Heute ist Mühlburg ein bedeutendes B-Zentrum von Karlsruhe. Ein Blick zurück in die Geschichte Mühlburgs. Mulenberc – diesen Namen trägt eine Mühle in der Mitte des 13. Jahrhunderts, die an der Alb liegt, an der Nahtstelle zwischen Hochgestade und Rheinniederung. Genau im Jahre 1248 taucht der Name Mulenberc urkundlich zum ersten Mal auf, vermutet wird aber, dass auf dem Gebiet nahe der Alb beim heutigen Mühlburg die Römer schon viel früher eine Albquerung nutzten und damit ebenfalls Spuren hinterlassen haben. Darauf deutet auch der Fund einer Sandstein-Statue am Albufer mit dem Namen Diana Abnoba hin. Der keltische Name meint in der Antike die Göttin des Schwarzwalds. Heute befindet sie sich im Eigentum des Badischen Landesmuseums. Mühlburger Privilegienbrief aus dem Jahr 1670 ist Vorläufer des Karlsruher Privilegienbriefs Zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert besteht Mühlburg im Wesentlichen aus einem Schloss, sowie wenigen Gebäuden und Bewohnerinnen und Bewohnern. Der Ort gehört zur Markgrafschaft Baden-Durlach, nur wenige hundert Einwohnerinnen und Einwohner leben hier. Das Schloss erlebt mehrere Besitzerwechsel und Zerstörungen. Ende des 17. Jahrhunderts wird es endgültig zerstört und nicht mehr aufgebaut. 1670 verleiht Markgraf Friedrich VI Mühlburg das Stadtrecht, verbunden mit einem Privilegienbrief, der Freiheit von Leibeigenschaft und Frondiensten verspricht, Gewerbe- und Religionsfreiheit zusichert und die Steuern für die kommenden drei Jahrzehnte erlässt. Die Zusicherungen sind quasi eine Vorwegnahme des Privilegienbriefs aus dem Jahr 1715 des Karlsruher Stadtgründers Karl III. Wilhelm. In Mühlburg bleibt der Vorstoß zunächst ohne Erfolg. Der Privilegienbrief wird 1699 von Markgraf Friedrich Magnus erneuert und hat nun mehr Durchschlagskraft. 1714, ein Jahr vor der Karlsruher Stadtgründung, hat Mühlburg immerhin 521 Bewohnerinnen und Bewohner. Allerdings lässt die Stadtgründung die weitere Entwicklung von Mühlburg und auch von Durlach stagnieren. Denn: beide Orte leiden unter der nun folgenden Konzentration der Herrschaft auf Karlsruhe. „Es war bezeichnend, dass die Steine des zerstörten Mühlburger Schlosses zum Neubau in Karlsruhe verwendet wurden“, stellt Heinz Schmitt1 fest. Auch während des ganzen 18. Jahrhunderts kommt Mühlburg kaum über 700 Einwohnerinnen und Einwohner hinaus. Industrielle Entwicklung flankiert vom Bau der Maxau-Bahn vom Karlsruher Hauptbahnhof zum Rhein Zaghaft entwickelt sich Mühlburg auch als Industriestandort, beispielsweise durch die Gründung der Seldeneck‘schen Brauerei im Jahr 1770 durch Prinz Wilhelm Ludwig, dem Bruder des damaligen Badischen Markgrafen Karl Friedrich. 1856 etabliert sich die Eisengießerei und Maschinenfabrik Seneca. Flankiert wird die Entwicklung auch vom Bau der Maxau-Bahn im Jahr 1862, die vom alten Hauptbahnhof am Ettlinger Tor über die Weststadt, die spätere Nordstadt, die Südliche Hildapromenade und dem heutigen Grünzug zum alten Bahnhof am heutigen Fliederplatz, weiter an Knielingen vorbei zum Hafen Maxau führt. Auch die soziale Infrastruktur entwickelt sich: beispielsweise durch den Bau der Evangelischen Kirche im Jahr 1786, die erst bei einer Erweiterung Anfang des 20. Jahrhunderts ihren heutigen Namen Karl-Friedrich-Gedächtniskirche erhält. Die Katholische Kirche St. Peter-und-Paul folgt 1882. Die Hardtschule entsteht 1874. Inzwischen wachsen beide Städte auch baulich rasant aufeinander zu – auch eine Entwicklung der Industrialisierung an anderer Stelle in der sich erweiternden Stadt. Die Eingemeindung Mühlburgs „ohne größere Probleme“2 am 1. Januar 1886 ist die folgerichtige Konsequenz dieser Entwicklung. Zu diesem Zeitpunkt leben in Mühlburg schon 4.110 Einwohnerinnen und Einwohner. Durch die Eingemeindung wächst Karlsruhe um 212 Hektar Fläche. Nur 15 Jahre später sind die baulichen Übergänge zwischen der Karlsruher Weststadt und Mühlburg fließend. Mit dem Rheinhafen und seiner Eröffnung im Jahr 1901 wächst die Bedeutung Mühlburgs als Wirtschaftsstandort weiter. 1 Heinz Schmitt: Der Raum Karlsruhe vor der Stadtgründung. In: Karlsruhe – die Stadtgeschichte, hg. von Stadt Karlsruhe, 1998, Seite 46. 2 Heinz Schmitt: Der Raum Karlsruhe vor der Stadtgründung. In: Karlsruhe – die Stadtgeschichte, hg. von Stadt Karlsruhe, 1998, Seite 59 10 | Sanierungsgebiet Mühlburg PBS_XVI_209 Stadtplan 1865 Mühlburg wird im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört und im Anschluss wiederaufgebaut Der Zweite Weltkrieg ist für den Stadtteil ein massiver Einschnitt. In der Nacht vom 5. auf den 6. August 1941 gibt es erste schwere Luftangriffe, am 3. September 1942 werden der Rheinhafen und auch Teile von Mühlburg getroffen. Der schwerste Luftangriff folgt am 4. Dezember 1944 durch 900 englische Flugzeuge. Es gibt rund 100 Tote im eingestürzten Luftschutzkeller unter dem Lokal „Zu den drei Linden“ in der Rheinstraße. Mühlburg wird bei den Luftangriffen großflächig zerstört. Ein Wiederaufbau des Stadtteils ist nötig. Er folgt ab dem Jahr 1952, beispielsweise mit dem Mühlburger Feld als „zügig realisierte Wohnbaumaßnahme“3. Dafür wird das 19 Hektar große Areal zwischen Entenfang und westlicher Kriegsstraße entlang der Alb genutzt, auf dem sich bisher Kleingärten befanden. Umgesetzt wird das Projekt als aufgelockertes Wohngebiet für 4.000 Personen mit starker Durchgrünung. Insgesamt umfasst das Mühlburger Feld 1.325 Wohnungen. Es ist damit die letzte umfangreiche bauliche Erweiterung Mühlburgs nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Die Rheinstraße wird auf 39 Meter verbreitert und gleichzeitig zum Geschäftszentrum von Mühlburg. Auch eine umfassende Sanierung der zerstörten oder überalterten Häuser ist Teil der Planungen. Zwischen 1954 und 1969 entstehen am Entenfang, nahe des Mühlburger Felds, drei Hochhäuser. PBS_oXIIIb_68 Ecke Hardtstraße / Rheinstraße 1950 Alben3_Bd 4_XV_3 Blick von Westen Ende der 50er 3 Manfred Koch: Trümmerstadt. Residenz des Rechts. Zentrum der Technologieregion. Wechselvoller Weg in die Gegenwart. In: Karlsruhe – die Stadtgeschichte, hg. von Stadt Karlsruhe, 1998, Seite 574 Stadtplanungsamt | 11 Vorbereitende Untersuchung legt Defizite im Sanierungsgebiet offen Städtebauliche Mängel, eine große Verkehrsbelastung und die Notwendigkeit, etliche Straßen und Plätze neu zu ordnen: auf diesen kurzen Nenner kann man die Ergebnisse der Vorbereitenden Untersuchung durch das Büro Voegele + Gerhardt bringen. Gleichzeitig ergab die Vorab-Analyse aus dem Jahr 2006, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner zu einem hohen Grad mit ihrem Stadtteil identifizieren. Das Soziale Stadt-Programm (SSP) existiert seit 1999 und ist für Stadtteile gedacht, in denen sich Benachteiligungen und Belastungen häufen, die sich negativ auf ein Quartier auswirken. SSP soll Revitalisierungs- und Entwicklungsprozesse anstoßen. Mit Blick auf dieses Programm wurden im Januar 2005 auf Grundlage einer Strukturuntersuchung städtebauliche Missstände in Mühlburg festgestellt. Sie mündeten in den Beginn einer Vorbereitender Untersuchung (VU), die vom Gemeinderat der Stadt Karlsruhe am 24. Januar 2006 beschlossen wurde. Die VU ist Voraussetzung für die Aufnahme in das SSP. Die für die VU notwendigen Bestandsaufnahmen und Analysen wurden zwischen Februar und Mai 2006 vorgenommen. Bestandteil waren schriftliche Erhebungen bei den Haus- und Wohnungseigentümerinnen und -eigentümern, eine Befragung von Betrieben, Handel- und Gewerbetreibenden sowie Bewohnerinnen und Bewohner. Ein beauftragtes externes Büro ermittelte durch eine Ortsbegehung die praktische Nutzung von Gebäuden und Flächen. Im April 2006 fand ein öffentlicher Stadtteilrundgang statt. Zusätzlich wurde eine große Menge sozialstatistischer Daten ausgewertet, was ergänzt wurde durch eine Gesprächsrunde mit vielen Trägern sozialer Einrichtungen im Stadtteil. Letztlich wurde am 22. Mai 2007 durch Gemeinderatsbeschluss auf Grundlage der VU-Ergebnisse folgende Begrenzung des Sanierungsgebiets mit dem offiziellen Namen „SSP Mühlburg“ festgelegt: Hardtstraße, Seldeneckstraße, Philippstraße, Bachstraße, Händelstraße, Herder- und Wichernstraße, Radweg entlang der Straßenbahnlinie 5, Am Entenfang, Südtangente und Starckstraße, nördliche Begrenzung des Grünzugs Hildapromenade, Feldstraße, Steubenstraße und Neugrabenstraße. Damit fiel das Sanierungsgebiet (76,2 Hektar Fläche) gegenüber dem ursprünglichen Untersuchungsgebiet 3,4 Hektar größer aus. Ein Teil des Gebietes war bereits länger zuvor im abgeschlossenen PES-Programm (Programm einfache Stadterneuerung) enthalten. Alle folgenden Angaben, Zahlen und Fakten beziehen sich entweder auf das Untersuchungsgebiet, das Gegenstand der VU war, oder treffen Aussagen über den ganzen Stadtteil, wenn dies nicht anders möglich war. Sozialstruktur Insgesamt lebten zum 31. Dezember 2005 knapp 11.000 wohnberechtigte Einwohnerinnen und Einwohner in rund 5.900 Wohnungen im Sanierungsgebiet. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren betrug 13,1 Prozent – etwas weniger als in der Gesamtstadt (15,8 Prozent). Demgegenüber lag der Anteil von Menschen von 65 Jahren und älter bei 22,1 Prozent und damit etwas höher als in der Gesamtstadt (19,3 Prozent). Das galt mit 19,3 Prozent auch für den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund (Gesamtstadt: 14,3 Prozent). Gekennzeichnet war das Gebiet durch einen überdurchschnittlichen Anteil von Einpersonenhaushalten und Alleinerziehenden, nämlich 59 Prozent (Karlsruhe: 51 Prozent). In der VU wurde festgestellt, dass Kita- und Kindergartenplätze fehlen. Bei den Sozialdaten zeichneten sich im Vergleich zur Gesamtstadt eine erhöhte Arbeitslosenquote und ein erhöhter Transfer von Sozialleistungen ab bei gleichzeitig großer Wohnungsfluktuation und vielen Räumungsklagen. Mit Blick auf die Situation in den Schulen kam die VU damals unter anderem zum Ergebnis, dass die Gewaltbereitschaft von Schülerinnen und Schüler in Mühlburg deutlich zugenommen habe. Eine massive Zunahme sei auch im Bereich des regelmäßigen unentschuldigten Fehlens in der Schule zu beobachten. Schon vor Beginn der Sanierung wurde deswegen ein „Runder Tisch des Sports“ oder das Projekt „Kinder in Bewegung“ der Sportjugend Karlsruhe gestartet. Die VU stellte aber auch fest, dass Schulsozialarbeit ausgebaut und Drogenprävention forciert werden müsse. Eigentumsverhältnisse und städtebauliche Aspekte Ein Großteil der Gebäude im späteren Sanierungsgebiet befand sich im Allein- und Gemeinschaftseigentum mehrerer Personen oder im Eigentum von Wohnungsunternehmen. Die großen Kriegsschäden Anfang der 1950er Jahre leiteten größere städtebauliche Maßnahmen ein. Die Rheinstraße wurde saniert, die Lameystraße und das Seldeneck’sche Feld neu bebaut, das Mühlburger Feld als neue Siedlung mit mehr als 1.300 Wohnungen in Zeilenhäusern errichtet, etliche Baulücken wurden geschlossen. Letzteres gilt auch für zahlreiche Stellen im Mühlburger Zentrum. Am Entenfang entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg drei Hochhäuser. Dennoch erschienen Straßenzüge in den Nullerjahren des neuen Jahrhunderts städtebaulich problematisch. Beispiele waren hier die Breite der Rheinstraße mit ihrer Funktion als Durchgangsstraße und einem fehlenden attraktiven Platz. In Alt-Mühlburg, also beispielsweise entlang der westlichen Rheinstraße und in der Hardtstraße entstanden schon im 19. Jahrhundert eingeschossige Häuschen, die 12 | Sanierungsgebiet Mühlburg durch mehrgeschossige Bauten aus dem vergangenen Jahrhundert ergänzt wurden. Der Grad der Überbauung betrug im untersuchten Gebiet 39,3 Prozent, in einzelnen Bereichen wie entlang der Rheinstraße, der Sedanstraße oder der Hardtstraße erreichte dieser Überbauungsgrad aber Werte von teilweise mehr als 80 Prozent. Insgesamt standen 37 Gebäude im untersuchten Gebiet unter Denkmalschutz. Bausubstanz und Defizite Eine Abfrage bei rund 700 Eigentümerinnen und Eigentümern im Gebiet ergab, dass in rund jedem zehnten Gebäude deutliche Mängel festzustellen waren. Für 58 Prozent der Gebäude gaben die Befragten an, es gebe geringe Mängel, bei 31 Prozent der Gebäude seien keine Mängel nachzuweisen. Darüber hinaus gab es Hinweise auf einen Sanierungsstau. Bei jedem fünften Gebäude lagen die letzten größeren Modernisierungen länger als zehn Jahre zurück. Für den Sanitärbereich galt das nur teilweise. So waren nur noch in etwa zwei Prozent der Fälle Toiletten außerhalb der eigentlichen Wohnung, also etwa auf einer Zwischenetage untergebracht. Das galt auch für Badezimmer, die sich lediglich in drei Prozent der Fälle nicht in der Wohnung befanden. Defizite gab es bei der Heizungsausstattung. So verfügten 61,5 Prozent der Wohnungen über eine Zentralheizung, 34 Prozent über Etagenheizungen und noch knapp 16 Prozent über Einzelöfen mit Kaminanschluss. Modernisierungspotenziale entdeckte die VU im Bereich der Wärmedämmung. Sie fehlte in 42 Prozent der Fälle. Mehr als die Hälfte der Hinterhöfe konnten von den Bewohnerinnen und Bewohnern nicht genutzt werden. Grund war entweder die Größe des Hofs oder die Belegung als Pkw-Stellplatz. Rund 45 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner selbst sahen Mängel an ihrem Gebäude. Gebäude in der Rheinstraße; wurde ersetzt durch Neubau (BN1) Nutzungen und Potenziale Im B-Zentrum Mühlburg wurden zum Zeitpunkt der VU 277 Gewerbebetriebe in einem Erdgeschoss gezählt – darunter 21 Lebensmittelgeschäfte, 29 Fachhändler oder 13 Bekleidungsgeschäfte. Insgesamt fanden sich in Mühlburg 162 Dienstleistungs- und 30 Gastronomiebetriebe sowie 21 Handwerksunternehmen. Es zeichnete sich eine hohe Zufriedenheit mit dem Standort ab: knapp zwei Drittel der Befragten Betriebe waren entweder „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“. Gründe für Unzufriedenheit waren ein „schlechtes soziales Umfeld“ oder die „abgelegene Lage mit geringer Frequenz“. Bei der offenen Frage nach Verbesserungen im Stadtteil gaben die befragten Gewerbetreibenden besonders häufig an, die Parksituation müsse verbessert werden. Insbesondere gab es damals den Wunsch, die so genannte Brötchentaste über den Versuchszeitraum hinaus zu verlängern. Angeregt wurden außerdem ein besserer Branchenmix und die vermehrte Ansiedlung von Cafés, Bistros oder Biergärten. Verkehr Die VU kam zum Ergebnis, dass große Teile von Mühlburg „in erheblichem Maße vom Verkehr, insbesondere dem Kfz-Verkehr belastet und geprägt“ seien. Als hoch frequentierte Hauptstraßen galten damals die Bundesstraße 36, Rhein-, Lamey- und Hardtstraße – mit Immissionsbelastung und hoher Trennwirkung. So fuhren allein auf der Rheinstraße mehr als 25.000 KfZ in 24 Stunden, was als sehr starke Belastung gilt. Gleichzeitig stellte die Rheinstraße eine bedeutsame zentrale Erschließungsstraße für Mühlburg selbst und die Weststadt dar. Im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs konnte in Mühlburg von einer sehr guten Erschließung gesprochen werden. Die Fußgänger hingegen hatten Schwierigkeiten, die Rheinstraße zu queren. Das war abseits der ampelgeregelten Übergänge kaum möglich. Der Radverkehr hatte zum damaligen Zeitpunkt keine eigenen Flächen zur Verfügung. Bedeutsam und problematisch zugleich war in diesem Zusammenhang der Entenfang mit seiner ganz besonderen Erschließungsfunktion und einer „extremen Konkurrenzsituation zwischen verschiedenen Nutzungen und Verkehrsträgern“. Dies begann beim motorisierten Individualverkehr: der (über)regionale Pkw- und Lkw-Verkehr verursachte eine hohe Frequenz mit Stadtplanungsamt | 13 teilweise langen Wartezeiten und Rückstaus. Zusätzlich erschwert wurde die Situation durch die Vielzahl von Straßenbahn- und Buslinien, die am Entenfang Station machen. Radwege existierten bis dahin nur bruchstückhaft, Fußgänger konnten diesen Bereich nicht in einem Stück überqueren. Wenig attraktiv für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmende waren auch die Bereiche Lameystraße und Lameyplatz sowie der Abschnitt der Rheinstraße bis zur Bundesstraße 36. Das umfangreiche Verkehrsaufkommen führte dazu, dass Mühlburg durch Schallimmissionen hoch belastet ist. Die Wohn- und Aufenthaltsqualität sei erheblich beeinträchtigt, lautet die Analyse in der VU. Vorgeschlagen wurde, ein noch zu definierendes Maßnahmenbündel umzusetzen, um die Situation zu verbessern. Weiter wurde ein Stellplatz-Problem identifiziert: davon ausgehend, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung pro Wohneinheit ein Stellplatz angenommen wurde, ergab sich ein Fehlbedarf von 3.450 Stellplätzen. Kleine Rheinstraße vor Sanierung (BN1) Große Rheinstraße vor der Sanierung (BN1) Die Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner Um die Einschätzungen der im Untersuchungsgebiet lebenden Menschen über ihren Stadtteil zu erfahren, wurde eine repräsentative Stichprobe unter 600 Bewohnerinnen und Bewohnern vorgenommen. 91 Prozent der Befragten lebten zum damaligen Zeitpunkt gerne in Mühlburg. Gelobt wurden vor allem die guten Einkaufsmöglichkeiten, die stadtnahe, zentrale Lage, die Verkehrsanbindung oder die Grünanlagen. Genannt wurden auch die Überschaubarkeit und die generelle Infrastruktur im Stadtteil. Kritisiert wurden die Verkehrs- und Lärmbelastungen sowie zu viel Dreck und Müll. Die generelle Wohnqualität wurde von 56 Prozent der Befragten für „sehr gut“ oder „gut“ befunden, 35 Prozent fanden sie noch befriedigend. Die Durchschnittsnote lag bei 2,5. Seit 1996 hatte dieser Wert um 0,2 Prozentpunkte abgenommen. Die Mühlburgerinnen und Mühlburger wünschten sich vor allem weniger Verkehrslärm, mehr Pkw-Stellplätze, mehr Grünflächen, Straßenbäume und Ruhezonen. In geringerem Umfang wurden auch mehr Kinderspielbereiche, mehr Sauberkeit und langsamerer Verkehr genannt. Festzustellen war außerdem, dass die sozialen Kontakte unter den Bewohnerinnen und Bewohnern eher unterdurchschnittlich entwickelt sind. Knapp ein Viertel hatte keine Bekannten oder Freunde im Stadtteil. Gegenüber einer Bürgerumfrage aus dem Jahr 2002 hatte sich die Anonymität im Stadtteil verstärkt. Auch das Zusammenleben der Menschen wurde unterdurchschnittlich bewertet: rund 56 Prozent hielten es für „befriedigend“ oder „ausreichend“. In den Vorbereitenden Untersuchungen wurde aber auch deutlich, dass sich eine überdurchschnittliche Zahl von Menschen aus dem Stadtteil eigenen Angaben zufolge in einen Sanierungsprozess einbringen würde. Zudem plante jeder dritte Eigentümer in den beiden darauffolgenden Jahren Investitionen am Gebäude oder auf dem Grundstück. Konkret ging es dabei um Wohnungssanierungen, Fassadenarbeiten und Arbeiten an Fenstern, Heizung, Wärmedämmung oder Balkon. Rund 56 Prozent bekundeten ein grundsätzliches Interesse, im Rahmen der Sanierung eine mögliche Förderung in Anspruch zu nehmen. Jeder fünfte Eigentümer konnte sich vorstellen in einem Bürgerarbeitskreis mitzuarbeiten. 14 | Sanierungsgebiet Mühlburg Fazit der Vorbereitenden Untersuchung Die VU hatte erhebliche strukturelle, städtebauliche und sozialstrukturelle Mängel im gesamten Untersuchungsgebiet aufgezeigt. Das Ergebnis rechtfertige für weite Teile des Gebiets die Ausweisung als Sanierungsgebiet. Die Missstände hatten folgende Schwerpunkte:  sozialstrukturell: hoher Anteil an sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen, Förderbedarf bei Kindern und Jugendlichen, Mangel an Betreuungsplätzen, Defizite im sozialen und kulturellen Miteinander  städtebaulich: viele Nutzungskonflikte, hohe Lärmbelastung durch Verkehr, bauliche Mängel vieler Straßen, Stellplatzmangel, unzureichende Radwegeverbindungen, mangelhafte Aufenthaltsqualität, veraltete Substanz der Wohnhäuser, ungeordnete Baustruktur, hoher Versiegelungsgrad Sanierungskonzept und Ziele Insgesamt hatten sich in der VU vier Handlungsfelder herauskristallisiert:  Soziale und kulturelle Integration: Stärkung des Wir-Gefühls, Sicherung und Stärkung des kulturellen Angebots, Förderung der Integration von Migrantengruppen, Verbesserung der Situation für benachteiligte Gruppen, Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in die Stadtteilentwicklung  Wohnen und Wohnumfeld: Sanierung von Wohngebäuden, Steuerung von Nachverdichtungsmöglichkeiten, Aufwertung des Wohnumfelds, stärkere Begrünung von Straßenzügen, Freiflächen für Spiel, Bewegung und Begegnung  Plätze, Grünflächen, Verkehr: übersichtliche Verkehrsflächen am Lameyplatz, Erneuerung Grün- und Spielfläche auf dem Lindenplatz, Straßenumgestaltung, Verkehrsberuhigung und Verbesserung für Fußgänger in der Rheinstraße, Verbesserungen für Radfahrer in der Kaiserallee und in der Rheinstraße, Verbesserung des Lärmschutzes im Bereich Hardtschule  Nahversorgung und lokales Gewerbe: Stabilisierung des Versorgungsangebots, Steigerung der Attraktivität von Geschäften, Imageverbesserung Stadtplanungsamt | 15 Maßnahmen im Straßenbereich: Große Veränderungen mit viel Nutzen für alle Verkehrsteilnehmer/-innen Umbau und Verbesserung, neue Zuschnitte, Neuordnung Parkierung, mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden und höhere Aufenthaltsqualität – auf diesen Nenner lassen sich die Straßenbaumaßnahmen im Rahmen der Sanierung Mühlburgs bringen. Über einen Zeitraum von insgesamt zehn Jahren wurde in insgesamt zwölf Straßen die Situation verbessert. Im Fokus waren dabei die Rhein- und die Lameystraße. Rheinstraße Die Rheinstraße hat im Sanierungsgebiet die größten Veränderungen mit Blick auf die Straßenbaumaßnahmen erfahren. Sie wurde in vier Teilbereichen und zu verschiedenen Zeitpunkten umgestaltet:  Abschnitt 1: zwischen Lameyplatz und Hardtstraße (Mai 2013 bis Oktober 2013) („Kleine Rheinstraße“)  Abschnitt 2: zwischen Am Entenfang und Hardtstraße (Juni 2014 bis November 2014) („Kleine Rheinstraße“)  Abschnitt 3: zwischen Lameyplatz und Neureuter Straße (April 2013 bis November 2013) („westliche Rheinstraße“)  Abschnitt 4: zwischen Philippstraße und Am Entenfang (März 2014 bis Oktober 2015) („Große Rheinstraße“) Dieser letzte Abschnitt war in der Umsetzung besonders anspruchsvoll, weil eine Vielzahl von Menschen beteiligt und betroffen waren. Hier waren die Anforderungen und Interessen des motorisierten Verkehrs, des Radverkehrs, des ÖPNV und der Gewerbetreibenden im B-Zentrum in Einklang zu bringen. Der gesamte Straßenquerschnitt ist neugestaltet worden, gleichzeitig sind der Parkraum neu geordnet und die Gehwege verbreitert worden. Auf der Südseite gliedern neue Bäume zusätzlich den Parkraum, der nicht reduziert wurde. Zusätzlich entstanden an drei Stellen zuvor nichtexistierende Anlieferzonen, neue Abstellplätze für Räder, ausreichend Parkplätze für Menschen mit Handicap sowie neue Grünflächen. Die Neuordnung führte auch dazu, dass Geschäfte und Gastronomie jetzt über mehr Freiflächen vor den Läden verfügen, was nicht zuletzt positive Auswirkungen auf die Aufenthaltsqualität für Fußgängerinnen und Fußgänger hat. Die Verkehrsbetriebe wechselten Gleise aus und verlegten durchgängig ein Rasengleis, was den durch Straßenbahnen entstehenden Lärm minimiert. Die Haltestelle Philippstraße ist nun barrierefrei, gleichzeitig erhielt die Haltestelle am westlichen Ende eine weitere Querungsmöglichkeit für Fußgängerinnen und Fußgänger. Zusätzlich wurden die bestehenden Überwege verbreitert. Speziell in der westlichen Rheinstraße bis zur Bundesstraße 36 wurden auf der westlichen Seite die Längsparkstände in senkrechten Parkraum umgewandelt. In diesem Zusammenhang wurde auch der Kreuzungsbereich Bundesstraße 36/ Neureuter Straße/ Starckstraße neu hergestellt – inklusive Erneuerung der Signalanlage. Für zu Fuß gehende Menschen wurden im Bereich der Dreiecksinseln Bedarfsampeln ergänzt. Gleichzeitig wurde die Radverkehrsführung vereinfacht. Die so genannte kleine Rheinstraße zwischen Hardtstraße und Lameyplatz wurde niveaugleich ausgebaut, so dass die parkenden Fahrzeuge näher an die Hauswände rückten. Zu Fuß gehende und mit dem Rad fahrende Menschen sowie Fahrzeuge teilen sich jetzt den verbleibenden Straßenraum in der Mitte. Es lässt sich festhalten, dass die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit die Verkehrssicherheit für die Verkehrsteilnehmenden erhöht haben. Parallel zur Neugestaltung der Fahrbahn-, Gleis- und Gehwegflächen erfolgten umfangreiche Kanal- und Leitungsverlegungen. Der bestehende Untergrund erwies sich dabei als besondere Herausforderung. Dies betrifft die frühere Bebauung entlang der Rheinstraße, die während der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. Teile der mit Bauschutt verfüllten Keller sind heute noch im Untergrund anzutreffen. Deswegen waren umfangreiche Sondierungen notwendig. Wie in vielen Sanierungsgebieten gibt es auch Maßnahmen, die am Ende nicht umgesetzt werden konnten. Für die Rheinstraße war ein Lichtdach als besondere Inszenierungsmöglichkeit des B-Zentrums angedacht. Es konnte aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden. 16 | Sanierungsgebiet Mühlburg Große Rheinstraße vor Umbau (BN 3) … und während des Umbaus (BN1) Stadtplanungsamt | 17 Große Rheinstraße nach Fertigstellung (BN1) Kleine Rheinstraße nach Umbau (BN3) 18 | Sanierungsgebiet Mühlburg Lameystraße Die Lameystraße wurde in zwei Abschnitten zwischen August 2013 und März 2015 umgebaut. Dabei wurde der gesamte Straßenquerschnitt neugestaltet. Dies umfasst etwa die Neuordnung der Parkierung für den ruhenden Verkehr und die Markierung von Radstreifen in beide Richtungen. Für den motorisierten Individualverkehr steht stadteinwärts ein Fahrstreifen zur Verfügung, stadtauswärts sind es zwei. Die Haltestelle „Lameyplatz“ wurde im Zuge der Maßnahmen barrierefrei umgebaut. Erst durch die Neugestaltung des Querschnitts konnte der Platz in seiner heutigen Form geschaffen werden. Der Verkehr auf der Lameystraße rollt jetzt zudem auf lärmoptimiertem Asphalt. Schon im Jahr 2010 hatten die Verkehrsbetriebe Karlsruhe im Bereich Entenfang/ Lameystraße die Gleise erneuert und ein Rasengleis eingebaut. Gleichzeitig wurde die zu kurze Haltestelle der Linie 5 südöstlich des Entenfangs nach Nordwesten in die Lameystraße verlegt und auf 80 Meter verlängert, so dass nun auch Züge in Doppeltraktion dort halten können. Lameystraße stadteinwärts (BN3) Hardtstraße Die Hardtstraße im Norden des Sanierungsgebiets wurde in zwei Abschnitten zwischen Herbst 2014 und Herbst 2015 sowie zwischen Juni 2016 und November 2016 umgebaut. Sie erhielt einen neuen Fahrbahnbelag und in jede Richtung einen Radstreifen. Gehwege und Parkplätze sind jetzt niveaugleich. Bei der Maßnahme musste besonders darauf geachtet werden, dass die zahlreichen mittelständischen Gewerbetriebe während der Bauzeit weiterhin zugänglich bleiben konnten. Auf der Hardtstraße verkehrt auch die Buslinie 70 zwischen dem Entenfang und dem Heidehof in der Nordstadt, die auch in der Bauphase aufrechterhalten wurde. In Höhe des Gasthauses „Ritter“ wurde schon im Jahr 2009 ein Fußgängerüberweg eingerichtet. Im Jahr 2010 folgte eine Querungshilfe auf Höhe des Lindenplatzes nach dessen Umgestaltung. Die Unterführung, die von der Hardtstraße abgehend die Südtangente quert, wurde neugestaltet und besser ausgeleuchtet. Hardtstraße (BN3) Stadtplanungsamt | 19 Wichernstraße Der Umbau der Wichernstraße inklusive des Neubaus eines Kreisverkehrs an der bisherigen Kreuzung Wichernstraße/Sophienstraße erfolgte zwischen Oktober 2014 und Dezember 2015. In einer gemeinsamen Ausschreibung zwischen Tiefbauamt und Stadtwerken wurden zum einen die Neugestaltung der Oberfläche und zum anderen umfangreiche Leitungsverlegungen im Gas- und Wassernetz ausgeführt. Während der Umbaumaßnahme musste die Erreichbarkeit eines Stützpunkts für Rettungsfahrzeuge gewährleistet werden. Wichernstraße während Umbau (BN3) Wichernstraße (Kreisel zur Sophienstraße) nach Umbau (BN3) Weinbrennerstraße Der Abschnitt der Weinbrennerstraße zwischen Rheinstraße und Staudingerstraße konnte wegen der Verlängerung des Förderzeitraums noch in den Maßnahmenkatalog aufgenommen und zwischen Juli 2019 und Mitte 2020 realisiert werden. Dort wurden die Verkehrsflächen vollständig neu geordnet. Die Fahrbahn in diesem Bereich ist nun auf 5,70 Meter reduziert worden. Der ruhende Verkehr findet nun auf Senkrechtparkplätzen seinen Raum. Wie bisher wird der Radverkehr in dieser Tempo-30-Zone auf der Straße abgewickelt. Im Zuge der Sanierung wurde allerdings der noch bestehende Radweg parallel zum Gehweg aufgegeben, so dass die Neuordnung der Straße vollzogen werden konnte. Es eröffnete die Möglichkeit, den Gehweg auf das heute übliche Breitenmaß von 3,5 bis 4 Metern auszubauen. Auch der vorhandene Baumbestand musste aufgrund der Verlagerung der Fahrbahnränder neu geordnet werden. Teilweise konnten die Bäume erhalten werden, andere mussten aber entfernt werden. Sie wurden durch Neupflanzungen ersetzt. Die Bauarbeiten wurden in vier Bauabschnitten jeweils unter Vollsperrung des Verkehrs vorgenommen. Weinbrennerstraße vorher/nachher (BN1) 20 | Sanierungsgebiet Mühlburg Gellertstraße und Klopstockstraße Die Gellertstraße wurde im Abschnitt zwischen Peter-und-Paul-Platz und Herderstraße, die Klopstockstraße zwischen Sophienstraße und Kaiserallee saniert. Die Maßnahmen wurden zwischen September 2019 und Juni 2020 umgesetzt. Ausgangspunkt war der insgesamt schlechte Zustand der Straßenabschnitte verbunden mit einer unübersichtlichen Parksituation, die Konflikte mit Fußgängerinnen und Fußgängern hervorrief. Der Umbau und die damit verbundene Neuaufteilung des Straßenraums führte zu einer klaren Zuordnung der Verkehrsflächen. In beiden Straßen wurde im Zuge der Maßnahme auch die Beleuchtung erneuert. Um die Bäume in diesem Bereich zu erhalten, wurden die Parkflächen mit Rasengittersteinen belegt, eine Abgrenzung der Baumquartiere durch Bordsteine gibt es nicht. Stattdessen kommen Baumschutzbügel zum Einsatz. Gellertstraße nach Umbau (BN1) Klopstockstraße nach Umbau (BN4) Herderstraße Ebenfalls wegen der Verlängerung des Förderzeitraums der Sanierung konnte auch die Herderstraße umgebaut werden. Die Maßnahmen wurden zwischen Juni 2020 und April 2021 umgesetzt. Auch hier erfolgte eine komplette Neuaufteilung des Straßenquerschnitts. Im Zuge des Umbaus durch das Tiefbauamt erneuerte auch die Netzservice GmbH der Stadtwerke Karlsruhe das Leitungsnetz und die dazugehörigen Hausanschlüsse. Herderstraße vorher und nachher (BN1 und BN4) Stadtplanungsamt | 21 Weitere Maßnahmen Sonnenstraße: In der Sonnenstraße zwischen Zietenstraße und Bundesstraße 36 waren parkende Lastkraftwagen auf der Südseite das Ausgangsproblem. Zwischen den Bäumen wurde im Jahr 2011 deshalb eine Längsparkierung für Pkw eingerichtet. Mit diesen Maßnahmen konnte der Parkplatzmangel für Friedhofsbesucherinnen und –besucher entschärft werden. Die Lkw sind auf die Nordseite verdrängt worden, wo sie von den Besucherinnen und Besuchern aber nicht mehr als so störend empfunden wurden. Ein Lkw-Parkverbot konnte aus rechtlichen Gründen nicht umgesetzt werden. Angepasst wurde auch der übergroße Einmündungs- bereich in die Bodelschwinghstraße. Zudem wurden die Gehwege in diesem Bereich erweitert und die Straßenentwässerung neu angelegt. Sonnenstraße (BN3) Südtangente/Vogesenbrücke: Als Lärmschutz für die Hardtschule wurden in einem ersten Schritt Lärmschutzwände zwischen den Fahrbahnen der direkt angrenzenden Südtangente realisiert. In einem zweiten Schritt folgten Lärmschutzwände auf der Vogesenbrücke in deren westlichem Teil. Diese Maßnahmen wurden allerdings nicht im Rahmen der Städtebauförderung bezuschusst. Lärmschutz Vogesenbrücke (BN3) 22 | Sanierungsgebiet Mühlburg Plätze im Sanierungsgebiet: Aufwertung an vielen Stellen im Stadtteil Plätze in einem Stadtteil haben große Bedeutung für die Aufenthaltsqualität der Bewohnerinnen und Bewohner. Im Sanierungsgebiet wurden der Lameyplatz, der Fliederplatz und der Lindenplatz umfassend neugestaltet. Die Ausgangssituationen waren zum Teil herausfordernd, weil verschiedene Interessen zu vereinbaren waren. In allen Fällen ist es gelungen, diese Interessen auszutarieren. Die Aufwertung der Plätze hat zu einem besseren Wohnumfeld für die Menschen im Sanierungsgebiet geführt. Lameyplatz Um den Lameyplatz städtebaulich aufzuwerten, wurde im Jahr 2009 zunächst ein Planerworkshop mit drei ausgewählten Stadtplanungsbüros durchgeführt. Die komplexe und schwierige Ausgangssituation hing mit der Verkehrsbelastung des Knotenpunkts zusammen. Der Platz bildet zum einen den Auftakt des Kerns des Stadtteils, zum anderen ist er Verbindung und Übergang in die Honsellstraße zum Rheinhafen. Die Bundesstraße 36 führt über den Lameyplatz stadteinwärts in Richtung Entenfang und weiter in Richtung Daxlanden und Rheinstetten. Die Herausforderung bestand darin, trotz des umfangreichen Verkehrs die Aufwertung des Platzes zu realisieren. Die Aufwertung gelang ab dem Jahr 2012 durch eine Neuordnung des Straßenraums (siehe Kapitel Straßen) und durch das Schaffen von zusammenhängenden Grünräumen insbesondere auf der Nordseite des Knotenpunkts. Zusätzlich wurden neue Bäume gepflanzt. Der bestehende Gehweg vor den Häusern mit den Nummern 62 bis 70 in der Rheinstraße wurde zu einer großzügigen grünen Vorfläche umgestaltet. Zugunsten dieser Vorfläche sind dort zwölf Parkplätze entfallen. Auf diesem Raum findet nun Außengastronomie statt. Zur Abschirmung des Verkehrs wurde zwischen Vorfläche und dem Knoten Lameyplatz/Rheinstraße ein grüner Erdwall geschaffen, der zusätzliche Aufenthaltsqualität bringt. Die entfallenen Parkplätze wurden im Zuge einer Neuordnung in den südlichen Bereich der Lerchenstraße verlagert. Es existieren nun drei Parkplätze mehr als zuvor. Neu geschaffen wurde im Zuge der Platzumgestaltung auch eine neue Linksabbiegemöglichkeit von der Honsellstraße in die westliche Rheinstraße für Verkehrsteilnehmende, die aus Richtung Rheinhafen kommen. Lameyplatz während der Umbaumaßnahmen und nach Fertigstellung (BN3, BN1) Fliederplatz Am Fliederplatz ergab sich ein Handlungsbedarf, die Situation für alle Verkehrsteilnehmenden und für Kinder sowie Jugendliche zu verbessern. Die dort verlaufende Glümerstraße war von ihrem Zuschnitt her so eng, dass sich Radfahrerinnen und Radfahrer auf der einen Seite und der Kfz-Verkehr auf der anderen Seite nicht ohne Gefahr begegnen konnten. In den Sommermonaten gab es zudem großen Fußgängerverkehr über die Glümerstraße zur Eisdiele, was wegen der Parksituation zu zusätzlichen Gefahrenmomenten führte. Der Fliederplatz selbst war durch die Fliederstraße in zwei Teile getrennt. In der Bürgerbeteiligung wurde der Wunsch geäußert, diese Trennung aufzuheben. Ein daraus entwickelter Verkehrsversuch brachte zunächst nicht die erhoffte Wirkung. Denn: Die Sperrung der Fliederstraße zwischen Geibelstraße und Ludwig-Marum-Straße für den Kfz-Verkehr führte zu einer weiteren Verlagerung des Verkehrs auf die Glümerstraße. In der Folge wurde die Glümerstraße noch einmal genauer betrachtet und die Planungen verbessert. Umgesetzt wurden sie ab dem Jahr 2012. Der Parkraum auf der Nordseite wurde weiter in Richtung Mauer verschoben, so dass zunächst ein gefahrloser Begegnungsverkehr zwischen Autos und Rad erfolgen konnte. Der Abschnitt ist verkehrsberuhigt und wurde mit einer zwölf Meter breiten roten Pflasterfläche ausgestattet, um den Bereich hervorzuheben. Die erwähnte Mauer gegenüber der Eisdiele wurde großzügig geöffnet, so dass ein Publikumsverkehr zwischen Spielplatz und Eisdiele stattfinden kann. Parken ist im Bereich des Übergangs nun nicht mehr möglich, so dass die Situation für alle Verkehrsteilnehmenden gut einsichtig und damit sicherer für querende Fußgängerinnen und Fußgänger ist. Sie dient gleichzeitig als Stadtplanungsamt | 23 Ausweichstelle für den Begegnungsverkehr zwischen Autos. Parallel dazu wurde ein Rückbau der Fliederstraße auf Höhe des Fliederplatzes umgesetzt. Damit endet die Straße an der Einmündung zur Geibelstraße. Dies schafft eine zusammenhängende Fläche zwischen dem neu gestalteten Kinder- und Jugendtreff (siehe Kapitel Kinder- und Jugendtreff) und der Eisdiele in der Glümerstraße. So gab es die Möglichkeit, den Platz zu einer großen Spielfläche für alle Generationen umzubauen (siehe Kapitel Spielplätze). Der Umbau des Fliederplatzes selbst und die Umbaumaßnahmen/Querung Glümerstraße konnte allerdings nicht mit Städtebaufördermitteln gefördert werden, da der Platzbereich bereits Gegenstand der ehemaligen Förderung im PES Programm des Landes war. Neu gestalteter Querungsbereich zum Fliederplatz an der Glümerstraße und anschließender Aufenthaltsbereich (BN3) Lindenplatz Im Herbst 2010 wurde die Umgestaltung des Lindenplatzes abgeschlossen. Er erfuhr auf Basis der Wünsche aus der Bürgerbeteiligung eine zeitgemäße Aufwertung mit dem platzprägenden Element der Karl-Friedrich-Gedächtniskirche. Ausgangspunkt war die Tatsache, dass am Boden die vorhandene Bepflanzung aus Bodendeckern und Sträuchern die Nutzungsmöglichkeiten und Sichtbeziehungen einschränkten. Vermisst wurden von den Bürgerinnen und Bürgern attraktive und sichere Aufenthaltsräume auf diesem Platz. Auch der vorhandene Kinderspielplatz bot in Größe und Ausstattung lediglich eingeschränkte Spielmöglichkeiten. Ziel der Umgestaltung war, den Lindenplatz wieder an sein ursprüngliches Erscheinungsbild anzunähern. Dies beinhaltete auch, den Platz wieder bis an die Hauskanten der umgebenden Bebauung heranzuführen. Im Zuge der Umgestaltung wurden deshalb zunächst die Sedanstraße, die Straße Am Lindenplatz und die Glümerstraße niveaugleich umgebaut. Die Stellplätze für Autos wurden im Belag gekennzeichnet und gegenüber der zentralen Platzfläche durch Hecken abgeschirmt. Der Platz selbst wurde mit einer wassergebundenen Decke ausgestattet. Die vorhandenen Pflanzbeete wurden entfernt und durch Staudenbeete mit blühenden Pflanzen ersetzt. Als zentrales Element ist eine große, attraktiv beleuchtete Rundbank installiert worden. Der Kinderspielbereich wurde durch „Spielpunkte“ ersetzt – auch deshalb, weil auf dem unmittelbar in der Nähe gelegenen Fliederplatz ein umfangreiches Angebot für jüngere Kinder bis sechs Jahre geschaffen wurde. Das „Dach“ aus Bäumen wurde zum Teil erhalten. Insgesamt wurden 17 Linden durch 13 Winterlinden ersetzt. Auch die Beleuchtung ist neugestaltet: installiert wurden etwa Strahlergruppen, die abwechslungsreich die Bäume durchleuchten – quasi in Form eines „Mondlichts“. Die Schinkelleuchten rund um den Platz ergeben einen orangefarbenen Lichtrahmen. Die bisherigen Quecksilberdampflampen dort wurden durch energieeffiziente Natriumdampflampen ersetzt. Die Sitzgruppe ist unterleuchtet, ebenso wie der obere Teil des Kirchturms, der nun illuminiert ist. Lindenplatz vor Umbau (BN1) 24 | Sanierungsgebiet Mühlburg … und nach dem Umbau (BN3) Platz bei der St. Peter und Paul Kirche Im Zuge des Umbaus der Rheinstraße wurde im dortigen Bereich auch der im Eigentum der katholischen Kirche stehende Platz neu geordnet und mit umgebaut. Er lädt heute ebenfalls zum kurzen Verweilen nahe den Stufen zu den Eingangsportalen der Kirche ein. Platz bei St. Peter und Paul vor der Umgestaltung (BN1) … während des Umbaus im Abschnitt der Rheinstraße (BN3) Stadtplanungsamt | 25 Klettergerüst und Co: Spielen, Toben und Kicken auf neu gestalteten Arealen Spielplätze und Bolzplätze sind ein wichtiger Bestandteil von Stadtteilen und Quartieren. Hier treffen sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für gemeinsames Spiel und Aktivitäten. Im Mühlburger Sanierungsgebiet gab es großen Nachholbedarf, was Ausstattung und Zustand der Spielplätze angeht. Im Zuge der Sanierungen gab es deshalb etliche Erneuerungen. Ein Bolzplatz wurde auch neu eingerichtet. Spielplatz auf dem Fliederplatz Die neue Verkehrskonzeption rund um das Areal Fliederstraße, Glümerstraße und Kinder- und Jugendtreff (siehe Kapitel Plätze) ermöglichte erst die Schaffung eines Platzes, der seit 2014 zu einem wichtigen Anziehungspunkt für verschiedene Generationen in Mühlburg und darüber hinaus geworden ist. Die neu gewonnene Fläche durch den Rückbau der Fliederstraße auf Höhe des Kinder- und Jugendtreffs wird von dieser Einrichtung auch aktiv für dessen Zielgruppe bespielt (siehe auch Kapitel Kinder- und Jugendtreff). Hinzu kommen neue gestaltete Spielflächen für verschiedene Altersgruppen. Insgesamt umfasst der Platz eine Fläche von 6 100 Quadratmetern. Das Grundkonzept beinhaltet eine großzügige und offene Fläche, die multifunktional für alle Generationen nutzbar ist. Die Fläche ist mit einer wassergebundenen Decke ausgestattet, lediglich Bereiche mit besonderen Nutzungen, wie etwa der Kinderspielbereich oder die Basketballfläche weichen davon ab. Im neuen Zentrum des Platzes befindet sich eine kreisförmige Aktionsfläche in Form eines erhöhten Plateaus. Weitere Nutzungen finden sich an den jeweiligen Rändern. Im nördlichen Bereich gibt es Angebote für ältere Kinder und Jugendliche, im östlichen Bereich die schon erwähnte Basketballfläche. Sie sind räumlich dem Kinder- und Jugendtreff zugeordnet. Der Süden der Fläche gehört dann mit einer eigens abgetrennten Fläche den kleineren Kindern. Sie finden dort Sand- und Wasserspielbereiche vor. Dieser Kinderspielbereich wurde außerhalb der Sanierung realisiert – ausschließlich mit städtischen Mitteln. Die Voraussetzungen für eine Förderung lagen in diesem Fall nicht vor. Ergänzt wurden im südlichen und westlichen Platzbereich außerdem auf Betonflächen integrierte Holzbänke als Sitzmöglichkeiten. Spielplatz Fliederplatz (BN3 Fliederplatz, Spielplatz und Jugendtreff (BN3) 26 | Sanierungsgebiet Mühlburg Spielplatz südlich der Weinbrennerstraße Der Spielplatz befindet sich in der Grünverbindung zwischen Sophienstraße und der Alb. Er ist die Fortsetzung des Spielplatzes zwischen Sophien- und Weinbrennerstraße. Mit einer Größe von rund 3.500 Quadratmetern gehört er zu den großen Spielplätzen im Sanierungsgebiet. Ausgehend von den Ergebnissen der Spielleitplanung (siehe Kapitel Bürgerbeteiligung) wurde dieser Spielplatz mit Beteiligung aus der Bürgerschaft im Jahr 2009 grundlegend aufgewertet. Diese Runderneuerung wurde im Jahr 2010 abgeschlossen. Er verfügt nun über verschiedene Spielhäuser, Klettergerüste, Gerätekombinationen, Balanciergeräte, Hängematten, eine Korbschaukel und eine Wasserspielanlage. Spielplatz südlich Weinbrennerstraße (BN1) Außenanlagen beim Schülerhort Weinbrennerstraße 69 a Mit der Sanierung der Außenanlagen beim Schülerhort in der Weinbrennerstraße im Frühjahr 2011 wurde die Spielfläche nach Norden erweitert. Dort konnten neue Spielangebote ergänzt werden. Spielplatz (BN3) Spielplatz Sternstraße Im Februar 2011 konnte der Spielplatz, der neben der Hardtschule liegt, saniert und durch neue Spielgeräte ergänzt werden. Die Fläche mit einer Größe von insgesamt 620 Quadratmetern wird von den Schülerinnen und Schülern quasi als erweiterter Pausenhof genutzt. Die Maßnahme wurde zwischen November 2010 und Februar 2011 umgesetzt. Das Areal ist der einzige Spielplatz zwischen Lameystraße und Südtangente in diesem Quartier. Stadtplanungsamt | 27 Bolzplatz im Albgrün Im Rahmen der Sanierung gab es vor allem unter der jüngeren Bevölkerung den Wunsch nach einer Aufwertung des Bolzplatzes an der Draisschule. Aus rechtlichen Gründen war dies aber nicht möglich. Anwohnerinnen und Anwohner hatten sich deutlich gegen solche Schritte ausgesprochen. Als Ausgleich gelang es aber im Jahr 2010, einen neuen Bolzplatz im Albgrün in der Nähe des Vereinsgeländes des Karlsruher Eislauf- und Tennisvereins (KETV) einzurichten. Obwohl sich dieses Areal eigentlich außerhalb des offiziell festgelegten Sanierungsgebiets befindet, erhielt die Maßnahme aufgrund der hohen Relevanz und Bedeutung für den Stadtteil eine Förderung aus dem SSP. Dort wo der neue Bolzplatz in einer Größe von 22 mal 40 Metern entstand, war zuvor eine Grünfläche als Teil des Grünzugs entlang der Alb und auf Höhe des Mühlburger Felds. Die unmittelbare Nähe zu den Haltestellen Mühlburger Feld und Kühler Krug machen den Platz gut erreichbar. Ausgestattet ist er mit einem Kunstrasen und einem Metallgitterzaun. Der Bolzplatz entlang der Südlichen Hildapromenade wurde zu einer Ballspielfläche in der Größe 13 mal 24 Meter verkleinert. Neuer Bolzplatz im Albgrün (BN 3) 28 | Sanierungsgebiet Mühlburg Neuer Spielplatz beim Bürgerzentrum und der Stadtteilbibliothek Im Zuge des Neubaus des Bürgerzentrums (siehe Kapitel „Bürgerzentrum“) wurde in unmittelbarer Nachbarschaft ein neuer Quartiersspielplatz auf einer Fläche von rund 200 Quadratmetern errichtet, der insbesondere für die jüngeren Besucherinnen und Besucher des Zentrums und für das Quartier in Mühlburg eine schöne neue Spielplatzlandschaft bietet. Die Errichtung wurde im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramm des Bundes und Landes „Soziale Integration im Quartier“ und mit städtischen Zuschüssen gefördert. Neuer Quartiersspielplatz neben dem Bürgerzentrum (BN 1) Stadtplanungsamt | 29 Runderneuerter und ausgebauter Kinder- und Jugendtreff in Mühlburg erweitert Angebotspalette Der Kinder- und Jugendtreff Mühlburg am Fliederplatz ist mit seinen Angeboten ein wichtiger Anlaufpunkt für sehr viele junge Menschen im Stadtteil. Innerhalb der Sanierung wurde eine umfangreiche Innensanierung sowie ein Ausbau des Dachgeschosses vorgenommen. Das hat die Möglichkeiten des Jugendzentrums deutlich erweitert, was gut ankommt bei den Kindern und Jugendlichen. Der Kinder- und Jugendtreff in Mühlburg des Stadtjugendausschusses (stja) e. V. hat eine traditionsreiche Heimat. Er liegt an der früheren Bahnstrecke von Karlsruhe nach Maxau. Mehr noch: das Jugendzentrum befindet sich im ehemaligen Mühlburger Bahnhof, der bis 1913 in Betrieb war. Das Gebäude selbst stammt aus dem 19. Jahrhundert. Nachdem die Funktion als Bahnhofsgebäude aufgegeben worden war, zog in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die „werkstatt 68“ ein, auch ein Motorradclub war hier untergebracht. Im Jahr 1979 zog schließlich der heutige Kinder- und Jugendtreff Mühlburg ein. Im Rahmen der Sanierung wurde das Gebäude nicht nur umfangreich erneuert, sondern auch ausgebaut. Dies eröffnete die Chance von weiteren Nutzungen, die bis dahin nicht durchführbar waren. Der komplette Umbau des Erdgeschosses ermöglichte beispielsweise das Einrichten eines selbst organisierten und barrierefrei zugänglichen Jugend- und Schülercafés. Durch den Ausbau des Dachgeschosses wird das Angebot des Jugendtreffs entschieden erweitert. Auch eine parallele Nutzung des Treffs für verschiedene Altersgruppen ist nun möglich geworden. Umgebaut und saniert wurden sämtliche Geschosse vom Keller bis zum Dachgeschoss. In diesem Zuge war es notwendig, den Wärme-, Brand- und Schallschutz sowie die sanitären Anlagen umfassend zu erneuern. Bei den Toiletten steht jetzt ein Behinderten-WC zur Verfügung. Erneuert wurde auch die baufällige Kellerdecke, die durch eine Stahlbetondecke ersetzt wurde. An der Nord- und Südseite des charakteristischen Gebäudes am Fliederplatz wurden jeweils drei große Fenster- und Türelemente eingebaut. Sie verleihen dem Jugendtreff große Transparenz und Helligkeit. Der Umbau an dieser Stelle lässt die frühere Nutzung als Bahnhofsgebäude wieder deutlicher erscheinen. Beheizt wird der Jugendtreff jetzt über einen neuen Fernwärmeanschluss. Abgestimmt werden musste die Planung auch mit der Denkmalschutzbehörde und der Branddirektion. Deren Auflagen waren bei Sanierung und Umbau ebenfalls zu berücksichtigen. Innerhalb der Sanierung Mühlburgs lohnt es sich besonders, den Kinder- und Jugendtreff Mühlburg zu betrachten. Ursprünglich waren der Umbau des Kellers und der Dachgeschossaufbau nicht geplant gewesen. Im Zuge einer Jugendkonferenz des stja im Jahr 2008 war aber ein dringender Bedarf für ein Jugendcafé nachgewiesen worden, so dass hier zusätzliche Planungsüberlegungen angestellt wurden. Sie wurden im Zuge der Sanierung dann eingebracht. Um die neuen Planungen umsetzen zu können, wurden konzeptionell Aktionsflächen in das Dachgeschoss verlegt. Außerdem befinden sich Abstell- und Lagerbereiche nun im Keller. Die Sanierung und Umbau des Kinder- und Jugendtreffs in der Übersicht:  Austausch der drei großen Fensterelemente auf der Nord- und Südseite  Neue Briefkastenanlage  Einbau einer Küche und eines Thekenbereichs  Neue Bodenbeläge im Erd- und Obergeschoss und im WC  Neuer Anstrich der Wände und der Türen  zum Teil neue Türen  abgehängte Decken sowie abgehängte Akustik- und Brandschutzdecke im Jugendcafé  Einbau einer neuen Treppe vom Unter- bis zum Dachgeschoss (zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss nur neue Stufen und Geländer)  Neue Sanitäranlagen und Trennwände in den Toiletten  Neue Beleuchtung  Neue Einbaumöbel im Erd- und Dachgeschoss  Neue Elektro-, Sanitär- und Heizungsinstallation  Fernwärmeanschluss Der Umbau und die Modernisierung des Kinder- und Jugendtreffs konnte mit Mitteln aus dem Investitionsprogramm „Zukunftsinvestitionsplan ZIP“ mit Städtebaufördermitteln gefördert werden. 30 | Sanierungsgebiet Mühlburg Jugendzentrum Mühlburg beim Fliederplatz (BN1) Ausgebautes Dachgeschoss im Jugendzentrum Mühlburg (BN3) Einbau eines Teeküchenbereichs im Jugendzentrum (BN3) Stadtplanungsamt | 31 Das Bürgerzentrum Mühlburg: Neuer Mittelpunkt für alle Bürgerinnen und Bürger Das Bürgerzentrum Mühlburg ist eines der Kernelemente der Sanierung Mühlburgs. Erst nach intensiver Diskussion konnte eine Interimslösung auf dem Gelände der ehemaligen Seldeneck’schen Brauerei gefunden werden. Schließlich konnte das aus Sicht der Bürgerschaft so wichtige Projekt in ganz zentraler Lage in der Nähe des Entenfangs realisiert werden und, in Kombination mit der neuen Stadtteilbibliothek, gleich zwei, für Mühlburg wichtige Einrichtungen, an einem Standort vereint werden. Das neu errichtete Bürgerzentrum Mühlburgs in der Weinbrennerstraße 79a nahe des Entenfangs ist Ergebnis eines umfangreichen bürgerschaftlichen Engagements über viele Jahre hinweg, der von der Stadt mitbegleitet und nachhaltig unterstützt wurde. Ausgangspunkt waren Überlegungen aus der Bürgerschaft für ein Bürgerzentrum, das Anlaufstelle, Treffpunkt und Mittelpunkt für verschiedene Gruppen und Menschen werden sollte. In der Bürgerbeteiligung war herausgearbeitet worden, dass ein Bürgerzentrum ein Haus für alle Kulturen und Generationen sein soll, Raumangebote für Vereine und ehrenamtliches Engagement beinhalten soll, Erwachsenen- und Elternbildungs- und andere Beratungsangebote macht und eine neue Heimat für die Stadtbibliothek wird. Die bisherigen Räumlichkeiten der Stadtteilbibliothek, waren ehemals im Hochhaus nahe dem Lameyplatz, Rheinstraße 95, untergebracht. Diese Räumlichkeiten entsprachen baulich und energetisch und mit Blick auf die Barrierefreiheit nicht mehr dem heutigen Standard. Mit der jetzigen Kombination der beiden Einrichtungen in einem Gebäude wurde ein optimaler Standort an repräsentativer Stelle im Quartier gefunden In einem ersten Schritt konnte im Jahr 2010 zunächst für ein temporäres Bürgerzentrum eine Interimslösung in der Hardtstraße 37a, dem Bau 2 der ehemaligen Seldeneck‘schen Brauerei gefunden werden. Dafür wurde der Verein Bürgerzentrum Mühlburg e. V. gegründet. Darin hatten sich alle Interessengruppen zusammengefunden, die ein solches Zentrum inhaltlich tragen. Zur Verfügung standen darin unter anderem ein Mehrzweckraum, mehrere Räume für Besprechungen und Büroarbeit. Per Hublift wurde ein behindertengerechter Zugang geschaffen. Ab dem Jahr 2011 machten der Caritasverband Karlsruhe, der CJD Karlsruhe, die Familienheim Karlsruhe, das Projekt In Schwung, das Kulturnetzwerk Mühlburg, der Soziale Dienst der Stadt, Pro Familia und die Arche Noah Angebote im Bürgerzentrum. Bis Mai 2013 wurde das Bürgerzentrum an diesem Ort als Modellvorhaben im Rahmen des Programms Soziale Stadt gefördert. Die jährlichen Mietkosten wurden zu 60 Prozent über das Programm finanziert, 40 Prozent stammten aus städtischen Mitteln. In einer Standortuntersuchung wurden zunächst neun Orte in Mühlburg untersucht, die für ein Bürgerzentrum in Frage kommen könnten. Darunter waren etwa das ehemalige Fischer-Areal oder das Post-Areal am Entenfang, die Ecke Rheinstraße/Hardtstraße („Rheingold“), die Hardtstraße 13, das Jochen-Klepper-Heim oder ein Areal am Lameyplatz. Am Ende ließ sich aus ganz unterschiedlichen Gründen keine der Optionen umsetzen – unter anderem, weil nicht genügend Platz für das vorgesehene Raumprogramm zur Verfügung stand oder weil ein Areal generell nicht zur Verfügung stand. Eine Chance zur Realisierung ergab sich ganz in der Nähe des Entenfangs am westlichen Ende der Weinbrennerstraße. Die Volkswohnung Karlsruhe gab das zwischen den drei Hochhäusern gelegene Parkdeck aus den 1950er Jahren auf und errichtete dort in zweijähriger Bauzeit das neue eingeschossige Bürgerzentrum Mühlburg. Eröffnet wurde es im Juni 2019. Insgesamt hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft rund 5,3 Millionen Euro investiert. Der Standort war zwar bis dahin gar nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. Mit der Aufgabe des Parkdecks wurde aber die Basis für das spätere Bürgerzentrum geschaffen. Die Volkswohnung fungierte als Bauherr und veräußerte das Gebäude nach Fertigstellung an die Stadt Karlsruhe. Vorgeschaltet war ein Architektenwettbewerb, aus dem das Karlsruher Büro Klinkott als Sieger hervorging. Das Bürgerzentrum beinhaltet heute auf insgesamt 850 Quadratmetern Räume verschiedener Größe, unter anderem auch einen Veranstaltungssaal und die Mühlburger Stadtteilbibliothek. Im neuen Stadtteilzentrum werden auch verschiedene Betreuungsangebote unterschiedlicher Träger durchgeführt. Um Bedenken von Anwohnenden auszuräumen, gab es Maßnahmen zum Schallschutz. Das Flachdach des Neubaus ist begrünt, es wurden neue Bäume gepflanzt, außerdem ist ein Quartiersspielplatz entstanden. Das Gebäude besitzt auch eine Tiefgarage mit 36 Plätzen. Zusätzlich stehen 30 Parkmöglichkeiten an der Weinbrennerstraße zur Verfügung. Hinzu kommen elf Stellplätze für Gäste des Bürgerzentrums auf einem städtischen Grundstück am Entenfang. Mit der Aufnahme in das 2017 aufgelegte Bund- und Länderprogramm zum Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier“ konnte der Neubau des Bürgerzentrums mit Stadtteilbibliothek sowie anliegendem Quartiersspielplatz mit rund 1,1 Millionen Euro gefördert werden. 32 | Sanierungsgebiet Mühlburg Zu Beginn der Bauphase (2017) (BN1) … und während der Bauphase (BN1) Das 2019 fertiggestellte Gebäude des Bürgerzentrums und Stadtteilbibliothek (BN 1) Stadtplanungsamt | 33 Private Sanierungen steigern Wohnstandards in vielen Mühlburger Gebäuden Die Sanierung in Mühlburg zeichnete sich durch eine hohe Nachfrage an privaten Modernisierungen aus. In mehr als 500 Wohneinheiten wurde eine Maßnahme zur Verbesserung des bautechnischen oder energetischen Zustands umgesetzt. Besonders wichtig war in diesem Zusammenhang die vollständige Sanierung der drei Hochhäuser in der Weinbrennerstraße 77 bis 81 durch die Volkswohnung GmbH. Im Rahmen der Sanierung konnten zahlreiche private Maßnahmen umgesetzt werden. Die Nachfrage nach Modernisierungszuschüssen, gerade in den ersten Jahren des Sanierungszeitraums, war sehr hoch. Dies zeigt auch den zum Teil erheblichen Modernisierungsbedarf in Häusern und Wohnungen. Insgesamt konnte die hohe Anzahl von 518 Wohneinheiten im Rahmen der Förderung an die heutigen Anforderungen angepasst werden. Betrachtet man diese Anzahl im Kontext anderer Sanierungen der vergangenen Jahre in Karlsruhe, liegt Mühlburg damit an der Spitze. Der Schwerpunkt der Modernisierungen lag im Bereich der bautechnischen und energetischen Instandsetzungen – etwa der Austausch von Heizungen oder Maßnahmen zur Dämmung des Daches oder Fassaden. Festzustellen war, dass Heizanlagen oder zu erneuernde Fenster oft veraltet waren und die nach heutigen Gesichtspunkten gestellten Anforderung zur Energieeinsparung nicht mehr erfüllten. In einigen Fällen waren auch Speicherbereiche noch vollständig ohne Dämmung. Konkret wurden Einzelofenheizungen gegen Etagenheizungen oder zentrale Heizsysteme ausgetauscht. Alte Fenster wurden gegen wärmeschutzverglaste Fenster getauscht. Eher geringer ausgeprägt war der Bedarf an generellen Grundrissverbesserungen. Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise die sanitären Einrichtungen einer Wohnung wie Bad oder WC noch außerhalb liegen, etwa auf einem Zwischengeschoss. Das war in Mühlburg seltener der Fall. Insgesamt war in Mühlburg zu beobachten, dass viele Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden und Wohnungen das Gesamtgebäude in den Blick genommen und weniger einzelne Modernisierungsmaßnahmen umgesetzt haben. Vor allem Eigentümerinnen und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern haben Förderungen beantragt. Umfassende Maßnahmen wurden in vielen Fällen durchgeführt, in denen nach dem Verkauf eines Gebäudes die neuen Eigentümer oder Bauträger eine grundlegende Sanierung vornahmen. Sie beseitigten damit einen seit Jahrzehnten bestehenden Modernisierungsrückstand. Am Ende dieser Skala liegen üblicherweise Wohnungseigentümergemeinschaften, weil in solchen Gemeinschaften oftmals unterschiedliche Zielrichtungen zutage treten, was Sanierungen angeht. Zu Beginn des Sanierungszeitraums gab es für Antragstellerinnen und Antragsteller eine 25-prozentige Förderung. Der Anteil wurde auf 35 Prozent erhöht, wenn über die Gesamtmaßnahmen ein erhöhter energetischer Standard erreicht wurde. Insgesamt wurde ein Fördervolumen von 1,9 Millionen Euro erreicht. Hiervon wurden 60 Prozent aus Städtebaufördermitteln refinanziert. Untersuchungen zeigen, dass ein Euro an Sanierungszuschuss in der Folge sieben bis acht Euro an tatsächlichen Investitionen auslösen. Diese Investitionen fließen in den meisten Fällen in die regional ansässigen Handwerksbetriebe. Rein räumlich lässt sich feststellen, dass die Sanierungen gut und gleichmäßig über das Gebiet verteilt waren. Vermehrt wurden Anträge von Eigentümerinnen und Eigentümern in der Rheinstraße, der Sophienstraße und in der Glümerstraße gestellt. Schwerpunktmäßig wurden Häuser und Wohnungen aus den 1950er Jahren saniert. Eine Art Leuchtturmfunktion und Initialzündung für das Sanierungsgebiet hatte die bereits recht früh zu Beginn des Sanierungsgebietes erfolgte umfassende Sanierung zunächst der Hochhäuser in der Weinbrennerstraße 77 und 81 durch die Eigentümerin Volkswohnung GmbH. Die Gebäude stammen aus den 1950er Jahren. Sowohl die Hülle der Gebäude als auch die Wohnungen selbst waren in die Jahre gekommen. In den 17-stöckigen Hochhäusern wurden 64 Mietwohnungen – in der Regel Dreizimmerwohnungen mit einer Größe von 75 Quadratmetern – strangsaniert. Das bedeutet, dass sämtliche Wasser- und Abflussrohre erneuert wurden. Das Verfahren sieht vor, dass die Leitungen bis vor die einzelnen Wohnungen verlegt werden, so dass die Sanitäranlagen und Bäder innerhalb der Wohneinheiten an die Frisch- und Abwasserversorgung angeschlossen werden können. Außerdem wurden Heizungs- bzw. Trinkwasseranlagen sowie Fenster und Wärmedämmung erneuert. Die Hochhäuser erhielten eine neue Belüftungsanlage, die Treppenhäuser eine neue Verglasung. Zudem wurde die Sicherheitsbeleuchtung erneuert. Das oberste Geschoss ist mit einer Fassade aus Aluminiumpaneelen neugestaltet worden. In Folge der Erneuerungen wurden auch zahlreiche Brandschutzmaßnahmen umgesetzt. Die Wohnungen wurden komplett erneuert. Das gilt beispielsweise für die Bäder und die Bodenbeläge. Die Hochhaussanierung konnte mit Mitteln aus dem Förderprogramm Soziale Stadt finanziert werden. Außerdem wurden Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau für die energetische Sanierung eingesetzt. Im weiteren Verlauf des Sanierungsgebietes wurden danach auch das Hochhaus an der Weinbrennerstraße 79 (hinter dem jetzigen Bürgerzentrum) umfassend saniert. 34 | Sanierungsgebiet Mühlburg Beispiele für modernisierte Gebäude in der Geibelstraße (jeweils vorher/nachher) (BN 3) Stadtplanungsamt | 35 … und in der Herderstraße (nach Modernisierung) (BN3) Hochhäuser Weinbrennerstraße (Nr. 81, rechts bereits fertig) (BN1) Weinbrennerstraße 79 (während Modernisierung) (BN3) 36 | Sanierungsgebiet Mühlburg Bürgerbeteiligung: Große Bereitschaft in Mühlburg, sich für den eigenen Stadtteil einzusetzen Stadtteilkonferenzen oder Stadtteilspaziergänge gehören zum festen Bestandteil von Sanierungsprojekten. So auch in Mühlburg. Die Beteiligung der Bürgerschaft war über drei Jahre lang hoch – ein Zeichen dafür, wie sehr sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Stadtteil identifizieren. In zahlreichen Workshops und Arbeitsgruppen wurden wichtige Grundlagen für Sanierungsprojekte erarbeitet. Hinzu kam der Einsatz von Fördermitteln für Projekte im sozialen Bereich. In Mühlburg wurde eines der umfangreichsten Bürgerbeteiligungsprogramme im Rahmen einer Sanierung durchgeführt, das es in Karlsruhe bisher in diesem Bereich gegeben hat. Ziel des Beteiligungsverfahrens war es, langfristig tragfähige Beteiligungs- und Vernetzungsstrukturen in Mühlburg zu etablieren. Insgesamt über drei Jahre gab es viele verschiedene Formate – angeleitet und moderiert vom Büro GRiPS aus Ettlingen in Kooperation mit dem Büro Voegele & Gerhardt aus Karlsruhe. Die Büros übernahmen in der Phase ab 2007 auch das Stadtteilmanagement. In diesem Rahmen wurden im Sommer 2007 Interviews mit Schlüsselpersonen im Stadtteil durchgeführt. Ziel der Interviews war eine erste Kontaktaufnahme und die Identifikation von Themen, Problemlagen und Ansatzpunkten in der weiteren Arbeit. Schon im Spätsommer 2007 wurde im gemeinsamen Büro des Bürgervereins Mühlburg und der Interessengemeinschaft Attraktives Mühlburg ein Stadtteilbüro eingerichtet. Dort fanden auch die Treffen der später eingerichteten Arbeitskreise und Gruppen statt. Die erste von drei Stadtteilkonferenzen fand im Oktober 2007 in der Aula der Draisschule statt. Insgesamt nahmen an der Veranstaltung rund 300 Bürgerinnen und Bürger teil. Folgende vier Arbeitskreise bildeten sich heraus:  Kinder und Jugendliche (1)  Soziales und kulturelles Miteinander (2)  Einzelhandel, Gewerbe und Image (3)  Wohnen, Stadtgestaltung und Verkehr (4) Die etwa 30 bis 40 Personen, die jeweils Teil der Arbeitskreise waren, ermittelten für ihr Thema die Stärken und Schwächen des Stadtteils. Daraus folgten Verbesserungsvorschläge und konkrete Projekte, die nach Priorität geordnet wurden. Die Teilnehmenden an den Arbeitskreisen eins bis drei arbeiteten auch an der Umsetzung von Projekten mit. Im Arbeitskreis vier ging es vor allem darum, die Vorschläge der Stadtverwaltung zu diskutieren. An einer zweiten Stadtteilkonferenz im Juni 2009 beteiligten sich 70 Personen, am zuvor durchgeführten Stadtteilspaziergang nahmen rund 100 Bürgerinnen und Bürger teil. Ergänzt wurde das Beteiligungsprogramm durch zahlreiche weitere Aktivitäten, beispielsweise zwölf Projektgruppen, die sich aus den vier Arbeitskreisen gebildet hatten, unter anderem zu den Themen „Bürgerzentrum“ und „Leitbild“. Aus letzterer entwickelte sich das Kulturnetzwerk, das in der Folge unter anderem das Brahmsplatzfest organisierte. Mehrere Treffen und Planungsworkshops gab es zu verschiedenen Spielplätzen. Im Bereich Verkehr gab es einen „Runden Tisch“, der verschiedene Einzelvorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation diskutierte. Workshops wurden mit Beteiligung aus der Bürgerschaft auch zu den Themen Lameyplatz und Fliederplatz durchgeführt. Spielleitplanung Das Instrument der Spielleitplanung wurde im Jahr 2008 in Mühlburg zum ersten Mal in der Fächerstadt angewendet. Die Spielleitplanung richtete den Blick auf den Stadtteil als Spiel-, Erlebnis- und Erfahrungsraum für Kinder. Öffentliche Freiräume, in denen sich die Zielgruppe aufhält, wurden erfasst, bewertet und berücksichtigt. Einbezogen war das Gebiet zwischen Grünzügen der Hildapromenade im Norden und der Alb im Süden. Beide Grünbereiche verlaufen in Ost-West-Richtung. Im Westen wurde das Betrachtungsgebiet von der Südtangente, im Osten von der Händelstraße begrenzt. Zur Anwendung kamen zum einen Mental Maps und Streifzüge durch das Gebiet. Mental Maps beschreiben die Darstellung von individuellen Eindrücken einer Umgebung in subjektiven Landkarten. Beteiligt waren daran die damaligen Klassen 5 und 6 der Friedrich-Ebert-Schule und der Draisschule. Bei den Streifzügen nahmen Architekturstudierende mit Kindern aus dem Stadtteil deren „schönste“ und „schlimmste“ Plätze genauer unter die Lupe. Die begangenen Wege wurden in Karten eingetragen. Die Ergebnisse der Stadtteil-Analyse durch die Kinder boten Ansatzpunkte, diese in die Planungen einzubeziehen. ExWoSt Mühlburg Das Bundesförderprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ konnte zusätzlich zu den Städtebau-Fördermitteln akquiriert werden. Ziel des Programms war es, das Image des Quartiers aufzuwerten und ein einheitliches Vermarktungsdesign zu schaffen, Existenzgründungen zu fördern und ein Netzwerk aus Gewerbe, Kunst und Kultur sowie sozialen Einrichtungen Stadtplanungsamt | 37 aufzubauen. Entstanden sind daraus unter anderem das Portal www.muehlburg-live.de, das die Gewerbetreibenden vernetzte. Außerdem wurde ein gemeinsamer Gewerbestammtisch mit Unternehmen aus dem Rheinhafen und Mühlburg durchgeführt. STÄRKEN vor Ort Über das Förderprogramm STÄRKEN vor Ort des damaligen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend konnten in den Jahren 2009 bis 2011 insgesamt 20 soziale Projekte mit einem Volumen von 186.000 Euro finanziert werden. Rund 200 Jugendliche und 130 Frauen wurden über diese Projekte erreicht.  Jugendcafé im Kinder- und Jugendhaus Mühlburg  Schülernachhilfeprojekt für Jugendliche der damaligen Drais-Hauptschule  Quali-Café des Türkischen Elternvereins  Nähprojekt der Arbeiterwohlfahrt zur Qualifizierung von Frauen  JobFit für Jugendliche von Elke Vienken durch CJD Karlsruhe und Arbeitsförderungsbetriebe  Stadtteilmütter von Elke Vienken  Internetkurse für Seniorinnen und Senioren EU-Modellprojekt „Q-Ageing – mehr Lebensqualität in der zweiten Lebenshälfte“ Im Rahmen des EU-Projekts „Quality Ageing – mehr Lebensqualität in der zweiten Lebenshälfte“ wurden durch das Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung aus Freiburg etliche Angebote für ältere Menschen gemacht. Unter anderem wurde die Veranstaltungsreihe „Mühlburger Gespräche“ durchgeführt. Dabei ging es etwa um Themen wie Altersmanagement oder Älter werden in Mühlburg. Zum selben Thema gab es im Jahr 2011 in Mühlburg einen Fotowettbewerb mit Ausstellung. Höhepunkt des Projekts war ein „Marktplatz der guten Geschäfte“ im Oktober 2010 im Kulturzentrum Tempel. Dabei konnten Unternehmen und gemeinnützige Einrichtungen Partnerschaften zum beiderseitigen Nutzen ohne den Einsatz von Geld schließen. Insgesamt gab es zehn solcher „Engagement-Vereinbarungen“ über den Austausch fachlicher Kompetenzen oder personellen Leistungen. Nichtinvestive Städtebauförderung (NIS) Gewissermaßen als Teilneuauflage der vorangegangenen Programme, wie zum Beispiel „LOS“ (Lokales Kapital für Soziale Zwecke oder auch „STÄRKEN vor Ort“) wurde auf Landesebene das Programm zur Nichtinvestiven Städtebauförderung (NIS) etabliert. Ziel ist es zeitlich begrenzte Maßnahmen, die den sozialen Zusammenhalt in den entsprechenden Wohnquartieren stärken, zu fördern. Des Weiteren sollen das bürgerschaftliche Engagement und insbesondere auch Kooperationsprojekte im Quartier gefördert werden. Hierbei soll eine möglichst schnelle, unbürokratische Projektumsetzung erfolgen. Das Sanierungsquartier Mühlburg wurde ab 2019 in das Programm der Nichtinvestiven Städtebauförderung aufgenommen. Die Laufzeit endet im Jahr 2023. Die Fördermittel werden über einen so genannten Verfügungsfonds eingesetzt. Verwaltende Stelle ist hier die Stadtteilkoordination der Sozial- und Jugendbehörde. Über die Vergabe der jeweiligen Projektmittel aus dem Verfügungsfonds beschließt das Entscheidungsgremium aus Vertreterinnen und Vertretern aus dem Stadtteil und der Stadt. Bisher konnten insgesamt neun Projekte unterstützt werden. Die Projekte sind beispielsweise „Lesen im Grünen“ für Ältere, in Kooperation mit der Stadtbibliothek/Bürgerzentrum, oder ein Videosoundprojekt für Jugendliche im Kinder- und Jugendhaus Mühlburg aber auch ein Sprach- und Poesieprojekt für Menschen mit Migrationsgeschichte. Weitere sind: „Alt & Jung: Gemeinsam kochen hält gesund!“, Nachbarschaftswerkstatt Mühlburg, Sozialbörse Mühlburg oder ein Theaterprojekt mit Kindern und Jugendlichen im Kulturzentrum Tempel. http://www.muehlburg-live.de/ 38 | Sanierungsgebiet Mühlburg Stadtteilerkundung und Kinder- und Jugendbeteiligung im Rahmen der Spielleitplanung für Mühlburg (BN3) Lenkungsgruppensitzung „Sanierung“ in den Räumlichkeiten des Bürgervereins Mühlburg (BN 3); Infostand Sanierung (BN3) Stadtplanungsamt | 39 Mehrere Förderprogramme – ein Ziel: Die Aufwertung des Sanierungsgebietes in Mühlburg Bundes-/Landessanierungsprogramm „Soziale Stadt“ in Mühlburg Die förderfähigen städtischen Investitionen: Ausgaben Tausend Euro Vorbereitung der Sanierung (Vorbereitende Untersuchungen, Bürgerdialog/-beteiligung, Öffentlichkeitsarbeit und anderes) 218 Kostenerstattungsbeiträge für private Modernisierungen Ordnungsmaßnahmen 1.900 Spiel und Grünflächen (Lindenplatz, Spielplatz Sophien-/Weinbrennerstraße, Bolzplatz Albgrün, Spielweg südlich der Weinbrennerstraße, Spielplatz Sternstraße, Lameyplatz (siehe unten) Straßenumgestaltung (Sonnenstraße (Teil), Straßen um den Lindenplatz, westliche Rheinstraße (Teil), Hardtstraße (zwischen Lamey-/Neugrabenstraße und Teil bis Stösserstraße), Große Rheinstraße (zwischen Philippstraße/Am Entenfang) Kleine Rheinstraße (zwischen Lerchen- und Hardtstraße und Am Entenfang), Lameystraße/-platz (zwischen Am Entenfang und Rhein-/Honsellstraße), Wichernstraße/Kreisverkehr Sophien-/Herderstraße, Weinbrennerstraße (zwischen Entenfang und Nuitstraße und Einmündungsbereich Staudingerstraße, Umbau Klopstock-/Herder-/Gellertstraße) 10.390 Grunderwerb Weinbrennerstraße 79 a (Bodenanteil Bürgerzentrum/Stadtteilbibliothek) und Nebenkosten 607 Ergebnis 13.115 Einnahmen Tausend Euro Fördermittel Bund/Land 7.741 Zukunftsinvestitionsprogramms des Bundes Bereich Städtebau (ZIP) Die förderfähigen städtischen Investitionen: Modernisierung „Kinder- und Jugendtreff Mühlburg“ im SSP Gebiet Mühlburg Ausgaben Tausend Euro Anteilige Umbau-/Modernisierungskosten ZIP Vorhaben (85 Prozent) 602 Einnahmen Tausend Euro Fördermittel Bund 361 40 | Sanierungsgebiet Mühlburg Investitionspakt Soziale Integration im Quartier (SIQ) Die förderfähigen städtischen Investitionen: „Errichtung-/Erwerb des Bürgerzentrums mit Bibliothek und Errichtung Quartiersspielplatz“ im SSP Gebiet Mühlburg Ausgaben Tausend Euro Anteilige Erwerbskosten; Kosten der Errichtung 1.171 Herstellung Quartiersspielplatz 48 Einnahmen Tausend Euro Fördermittel Bund 1.098 NIS Nichtinvestive Städtebauförderung (als Verfügungsfond) (noch bis 2023 laufend) Einnahmen Tausend Euro Fördermittel Bund 27 Darüber hinaus wurden ebenfalls auch Fördermittel unter anderem im Rahmen des Modellvorhabens „Bürgerzentrum“ und weitere zum Beispiel im „ExWost Programm (Bund), „LOS“ und „Stärken vor Ort“ (beides ESF Programme) während der Laufzeit der Sanierung eingesetzt. Stadtplanungsamt | 41 Resümee Mit der Sanierung im Stadtteil Mühlburg ist eines der umfangreichsten Sanierungsprojekte in Karlsruhe durchgeführt worden. Über einen langen Zeitraum von 14 Jahren wurden zahlreiche Straßen neu geordnet, Plätze aufgewertet, Spielplätze neugestaltet und Modernisierungsmaßnahmen in Privathäusern durchgeführt. Hinzu kommen zwei Leuchttürme der Sanierung: der Bau des Bürgerzentrums Mühlburg und die grundlegende Sanierung des Kinder- und Jugendhauses Mühlburg. Mit Beschluss vom 22. Mai 2007 hatte der Gemeinderat die Entscheidung getroffen, den Sanierungsprozess in Mühlburg zu starten. Dem vorausgegangen war die Vorbereitende Untersuchung (VU), die zahlreiche städte-bauliche Mängel und sozialstrukturelle Defizite zutage gefördert hatte, so dass das Gebiet in das Bund-/Länderprogramm „Soziale Stadt“ aufgenommen werden konnte. Die Sanierung startete mit einem umfangreichen Bürgerbeteiligungsprogramm, das in über zwei Jahren mehrere hundert Personen einbezog. Unter anderem wurde zum ersten Mal in Karlsruhe die Spielleitplanung eingesetzt. Dafür wurden zahlreiche Kinder und Jugendliche im Stadtteil befragt. Aus der Bürgerbeteiligung entwickelten sich mehrere Arbeitskreise mit Bürgerinnen und Bürgern. Mit der Aufwertung von etlichen Straßenabschnitten konnten städtebauliche Modernisierungsakzente für den Stadtteil gesetzt, außerdem konnten die Abschnitte für heutige verkehrliche Anforderungen fit gemacht werden. Das gilt unter anderem für die Rheinstraße, die neu geordnet und erneuert wurde – sowohl für den motorisierten Individualverkehr als auch für Rad fahrende Menschen. Fußgängerinnen und Fußgänger haben nun deutlich mehr Platz als zuvor. Eine grundlegende Überarbeitung erfuhr auch der Lameyplatz – mit der Schaffung von mehr Grünflächen. Das gilt auch für die Straßenbahn, die nun in der Rheinstraße und in der Lameystraße auf einem Grüngleis unterwegs ist. Bei den Plätzen ist auch der Lindenplatz zu nennen, der modernisiert und zeitgemäß umgestaltet wurde. Mit der Erneuerung von Spielplätzen hat die Sanierung ganz intensiv Kinder und Jugendliche in den Blick genommen. Zu nennen ist hier unter anderem der neu geschaffene Bolzplatz am Albgrün. Vor allem der Fliederplatz ist nun zur Anlaufstelle von jungen Menschen aus dem Stadtteil und darüber hinaus geworden. Voraussetzung für die Umgestaltung des Fliederplatzes war der Rückbau eines Teils der Fliederstraße vor dem Kinder- und Jugendhaus und die Umgestaltung der Verkehrssituation in der Glümerstraße. Das Kinder- und Jugendhaus Mühlburg selbst ist im Zuge der Sanierung grundlegend erneuert, umgebaut und erweitert worden. Jetzt steht zum ersten Mal ein Dachgeschoss für weitere Angebote zur Verfügung. Im Erdgeschoss ist ein Jugendcafé entstanden, das moderne Kinder- und Jugendarbeit ermöglicht. Das Bürgerzentrum Mühlburg gehört unbestritten zu den Highlights der Sanierung. Erbaut wurde es zwischen den Hochhäusern der Volkswohnung in der Weinbrennerstraße in unmittelbarer Nähe des Entenfangs. Es beherbergt nun zahlreiche Angebote von und für Bürgerinnen und Bürger, etwa für Kinder, für Migrantinnen und Migranten und weitere Gruppen aus dem Stadtteil, die sich zum Teil aus dem Bürgerbeteiligungsprozess herausgebildet haben. Das Bürgerzentrum Mühlburg ist nun auch neue Heimat der Stadtteilbibliothek, die dort – in zentraler Lage – zeitgemäße Bibliotheksangebote machen kann. In ungewöhnlich hohem Maße haben Eigentümerinnen und Eigentümer auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Förderung für private Modernisierungen in ihren Häusern und Wohnungen zu erhalten. Über 60 Maßnahmen im Rahmen von Rest- und umfangreichen Modernisierungen wurden im Laufe der Sanierung bezuschusst. Damit hat dieses Instrument maßgeblich zum Erreichen des Ziels der Erneuerung im Sanierungsgebiet beigetragen. Schwerpunktmäßig ging es hier um die Verbesserung des bautechnischen und energetischen Zustands von Gebäuden. Hervorzuheben ist auch die umfassende Sanierung der drei Hochhäuser der Volkswohnung in der Weinbrennerstraße 79 bis 81. Mit dem Abschluss der Sanierung Mühlburg lässt sich erkennen, dass der Sanierungsprozess den Stadtteil städtebaulich und soziostrukturell fit gemacht hat für das 21. Jahrhundert. Straßen wurden saniert, erneuert und umgestaltet, Plätze wurden hergerichtet und Spielplätze neu- oder umgebaut und mit modernem Spielgerät ausgestattet. Mit dem erneuerten Kinder- und Jugendhaus am Fliederplatz ist auch die Kinder- und Jugendarbeit in Mühlburg deutlich attraktiver geworden. Das Bürgerzentrum mit der Stadtbibliothek als wichtigem „Anker“ ist zum Zentrum für die Bürgerschaft des Stadtteils geworden. 42 | Sanierungsgebiet Mühlburg Stadtplanungsamt | 43 44 | Sanierungsgebiet Mühlburg
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Liebe Besucher*innen, das Spektrum unserer Sonderausstellungen reichte 2019 von »Paris, Paris! Karlsruher Künstler an der Seine« mit Werken aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu neusten Arbeiten in der Schau »TOP_0019: Meisterschüler*innen und die Sammlung der Städtischen Galerie Karlsruhe im Dialog«. Das spektrenreiche Miteinander von aktueller und historischer Kunstproduktion bot den Be trach­ tenden vielfältige Anregungen. Einen weiteren Blick in die eigene Sammlung vermittelt die Aus­ stellung »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe«, die nur noch wenige Tage zu sehen sein wird – so auch am Tag der offenen Tür am 6. Januar. Überaus ansprechend finden die Besucher*in nen hier die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen. Das Kunstjahr 2020 beginnt bei uns Anfang Februar mit der Verleihung des Kunstpreises der Werner­Stober­Stiftung an Florian Köhler. Vier Wochen später eröffnen wir im Lichthof die Präsentation »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980«. Gleichermaßen irritierende wie faszinierende Kunstwerke regen uns zum Nachdenken an über Ressourcen und ihren bis in die jüngste Vergangenheit verschwenderischen Einsatz. Wir freuen uns auf Ihr Kommen! Ihre Brigitte Baumstark und das Team der Städtischen Galerie Karlsruhe W ill y Ki w it z, St ill le be n m it K ru g, 1 94 8– 50 , St äd ti sc he G al er ie K ar ls ru he Fl or ia n Kö hl er , O hn e Ti te l, 20 18 , Fo to : C hr is ti an E rt el B jö rn B ra un , U nt it le d (z eb ra fi nc h ne st ), 2 01 3, St äd ti sc he G al er ie K ar ls ru he Er w in G ro ss , O hn e Ti te l, 20 17 Tradition und Aufbruch Nachkriegskunst in Karlsruhe 20/07/2019 –19/01/2020 »Tradition als Verpflichtung« – unter diesem Motto stand nicht nur die Karlsruher Kunst- akademie, als sie nach schweren Kriegszerstörungen 1947 ihren Lehrbetrieb wieder aufnahm, diese Haltung kennzeichnet auch die gesamte Kunstszene der Nachkriegszeit in der Fächerstadt. Mit der Wiedereinsetzung ihrer 1933 entlassenen Professoren Karl Hubbuch und Wilhelm Schnarrenberger bzw. mit den Berufungen von Erich Heckel und Otto Laible knüpfte die Akademie an ihre eigenen Wurzeln und an anerkannte Richtungen der Klassischen Moderne an. Als vorbildhaft galten insbesondere die französische Kunst des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts und der deutsche Expressionismus. Auch das Schaffen der hier freiberuflich tätigen Künstler blieb größtenteils einer gegen- ständlich-figurativen Bildsprache verbunden. Erst mit HAP Grieshaber, der 1955 als Nachfolger Heckels nach Karlsruhe kam, wurden neue Impulse wirksam. Grieshaber be- geisterte seine Studierenden für die aktuellen Positionen der internationalen Avantgarde und förderte eine große Zahl junger Talente. Aus seiner Klasse ging die Neue Figuration hervor, zu deren bedeutendsten Vertretern u. a. Horst Antes und Walter Stöhrer zählen. Spannende Gegenüberstellungen individueller Positionen vermitteln einen facettenreichen Einblick in das Kunstgeschehen der Stadt zwischen Kriegsende und 1960. Gezeigt werden ca. 150 Gemälde, Grafiken und Plastiken, die bis auf wenige Ausnahmen zum Sammlungsbestand der Städtischen Galerie Karlsruhe gehören. Nur noch wenige Tage! Kunstpreis der Werner-Stober-Stiftung 2019 Florian Köhler Tschau Agip 06/02 – 03/05/2020 Der Kunstpreis der Werner-Stober-Stiftung für das Jahr 2019 wurde an Florian Köhler ver liehen. Die Auswahl für dieses Stipendium trafen die Mitglieder des Professoren - kollegiums an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Florian Köhler, 1973 geboren, studierte seit 2001 an der Karlsruher Kunstakademie und schloss 2007 sein Studium als Meisterschüler bei Professor Meuser ab. Nach einem Reise stipendium der Kunstakademie Karlsruhe (2007) und einem 6-monatigen Stipendium an der Cité Internatio- nale des Arts in Paris (2013) lebt und arbeitet der Künstler heute in Karlsruhe-Mühlburg. In schnellem Arbeitsprozess setzt Köhler seine Gussformen aus gefundenen Materialien zusammen, verbindet sie mit Bauschaum und Plastikfolie, lässt sie mitunter stehen und addiert später das letzte formgebende Element. Durch das Abgießen in Beton entstehen Skulpturen, die in ihrer Abstraktion eine allgemeingültige Form erzielen. Köhler weist den zuvor alltäglichen Bestandteilen, die er oft an der nahe gelegenen Tankstelle findet, eine neue Materialität und Funktionalität zu. Die reinen zusammengefügten Formen in ihrer ursprünglichen Materialität reizen den Künstler weniger als die Übersetzung der Alltags- gegenstände in eine neue, abstrakte Form. Das Resultat sind faszinierende Skulpturen, die erst bei genauerem Blick ihre Vielschichtigkeit offenbaren. (Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980 07/03 –13/09/2020 Die Auswirkungen der heutigen Konsumgesellschaft auf die Umwelt sind allgegenwärtig. Sei es, dass wir sie mit unseren eigenen Sinnen erfahren und darüber im Alltag diskutieren, sei es, dass wir entsprechende Berichterstattungen Tag für Tag in den Medien verfolgen können. Vom Klimawandel ist dort die Rede, von der Verknappung der Ressourcen oder der Vermüllung der Meere. Vor gesundheitlichen Folgen wird ebenso gewarnt wie vor wirtschaft- lichen und sozialen. Nicht zuletzt wird immer wieder der Ruf nach der Notwendigkeit eines Umdenkens laut. Ausgehend von ausgewählten Beispielen der letzten 40 Jahre stellt die Ausstellung zeit- genössische Künstler*innen vor, die sich mit den wechselseitigen Einflüssen zwischen der sich zunehmend globalisierenden Konsumgesellschaft und ihrer Umwelt beschäftigen. Diese aktuellen Positionen beobachten, dokumentieren und kommentieren die Veränderungen und Spuren, die Nutzung und Ausnutzung unserer Lebensgrundlagen hinterlassen. Das heutige Verhältnis zwischen Natur und Zivilisation wird ebenso in den Blick genommen wie das vielgestaltige Phänomen des Abfalls. Auch natürliche Rohstoffe wie Wasser oder fossile Ressourcen sind Gegenstand der künstlerischen Betrachtung. Künstler*innen Nándor Angstenberger, Bernd und Hilla Becher, Michael Beutler, Joseph Beuys, Björn Braun, Nina Canell, Julian Charrière, Tony Cragg, Tue Greenfort, Andreas Gursky, Georg Herold, Roni Horn, Markus Jäger / ONUK, Kristof Kintera, Susanne Kriemann, Alicja Kwade, Klara Lidén, Agnes Märkel, Marlie Mul, Sigmar Polke, Klaus Rinke, Lois Weinberger Erwin Gross Auf Papier 2017–2019 05/12/2019 –13/04/2020 Der Maler Erwin Gross, Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karls ruhe und von 2000 bis 2012 Rektor der angesehenen Kunsthochschule, trat in der Vergangenheit vor allem mit seinen großformatigen Leinwänden an die Öffentlichkeit. Diese waren u. a. vor zehn Jahren in der Städtischen Galerie Karlsruhe zu sehen. Parallel zu seinem um fangreichen malerischen Werk entstehen Gouachen und Collagen, die bislang wenig bekannt sind. Nun zeigt die Städtische Galerie Karlsruhe im zweiten Obergeschoss die erste Sonderausstellung, die allein seinen Kunstwerken auf Papier gewidmet ist. In einer repräsen tativen Auswahl werden Beispiele aus den letzten drei Jahren präsentiert. »Auf Papier«, der Ausstellungstitel, benennt das Trägermaterial, dessen Eigenschaften diese Werkgruppe wesentlich mit bestimmen: Es sind das eher kleine Format, das dem Künstler ein unmittelbareres Vorgehen und größere Freiheit ermöglicht, die unterschiedliche Haptik der Papiere und die verschiedenen Weißtönungen der Oberflächen. Was beide Werkgruppen, die Leinwände und die Papiere, verbindet, sind die Farben, Pigmente gebunden in Acryl, und die Werkzeuge, zu denen neben dem Pinsel auch Schwämme oder Stoffreste zählen. Die eher kleinen Kompositionen zeichnen sich durch eine stimmungsvolle, poetische Leichtig- keit aus. Sie assoziieren Erinnerungen an Themen wie Landschaft, Pflanzliches sowie ge - legentlich Architektur und entführen die Betrachter*innen in ihre eigene innere Welt. Mittwochs um 11 Mi11 Der besondere Termin am Vormittag mit Führungen in den aktuellen Sonderausstel - lungen oder der Sammlungspräsentation. Sitzgelegenheiten stehen zur Verfügung. Kosten: 2 € + Eintritt Mittwochs um 6 Mi6 Der besondere Abendtermin um 18 Uhr in der Städtischen Galerie Karlsruhe. Dabei wechseln sich Gespräche über Kunst mit Zeitzeugen und Führungen zu aus gewählten Themen der Dauer- und Sonder ausstel lungen ab. Kosten: 2 € + Eintritt Kinderwerkstatt – KW Offene Workshops Jeden Sonntag steht ein neues, spannendes Thema der Ausstellungen im Mittelpunkt. Angeregt durch die betrachteten Werke geht es dann an das eigene Gestalten. Für Kinder ab 6 Jahre, ohne Anmeldung, Kosten: 2 € Führungen für Gruppen und Schulklassen und weitere Kunstvermittlungsangebote entnehmen Sie bitte unserem gesonderten Flyer. Anmeldung und Auskunft unter Telefon (0721) 133-4411/-4401, Mo–Fr / 9–15 Uhr »Mit Kindern Ansehen« Interkultureller Eltern-Kind-Workshop In der Regel einmal im Monat laden wir frei- tags in Kooperation mit der vhs Karlsruhe zu einem interkulturellen Eltern-Kind-Work- shop ins Museum ein. Familien mit Kindern (3–12 Jahre) begegnen sich im Schauen, Sprechen und gemeinsamen Kreativsein. Für Eltern mit Migrationshintergrund sind Deutschkenntnisse ab B1-Niveau empfohlen. Anmeldung unter (0721) 3351 608 oder reich.kuk@mail.de. Der Eintritt ist frei. »Wortwechsel« Kreatives Schreiben Entdecken Sie Ihre kreativen Talente und lassen Sie sich von Bildern unserer Ausstel- lung inspirieren. Im gegenseitigen Gedanken- austausch nähern wir uns schreibend den Kunstwerken. Mit Carmen Beckenbach M.A. Anmeldung und Auskunft unter Telefon (0721) 133-4411/-4401, Mo–Fr / 9–15 Uhr, Kosten: 6 € Eintritt Ab 2. Januar 2020 ist der Besuch unserer Dauerausstellung und der darin integrierten Sonderschauen kostenfrei: → umgehängt 2019: Facetten der Malerei 1960–2010 → Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019 → Florian Köhler. Tschau Agip Sonderausstellungen → Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe Ab 2. Januar 2020 freier Eintritt → (Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980 8 € / 6 € ermäßigt Freitags ab 14 Uhr freier Eintritt! Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schulklassen in Begleitung einer Lehrkraft frei, Gruppen ab 10 Personen ermäßigter Eintritt, öffentliche Führungen und Kinder aktionen sowie Führungen für Schulklassen 2 € pro Person. Museums-PASS-Musées Freier Eintritt, auch in die Sonderausstellungen Do 02 12.15 Kurzführung Ulrich Steinberg M.A. »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« Fr 03 16.00 Führung Margit Fritz M.A. »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« So 05 15.00 Führung Dr. Claudia Pohl »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Silke Stimmler M.A. »Rumgepurzelt und stillgestanden – Stillleben in Bewegung« Mo 06 Tag der offenen Tür (11–18 Uhr) 11.30 Führung Thomas Angelou M.A. »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« 12.00 Kurzführung Dr. Martina Wehlte »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« 13.00 Führung Dr. Martina Wehlte »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« 14.00 »Hilfe – Wilde Tiere in der Städtischen Galerie!« Interaktive Abenteuertour mit iPad durchs Museum mit Carmen Beckenbach M.A. für Erwachsene und für Kinder! (ab 8 J.) – begrenzte Teilnehmerzahl – 14.30 »50/50 – Die Kunst der 1950er Jahre zwischen Malerei und Neuen Medien« Ein Streifzug durch Städtische Galerie und ZKM mit Ulrich Steinberg M.A. 15.00 Führung Dr. Claudia Pohl »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« 16.00 »Back to the fifties – eine verwegene Zeitreise« Aktionsführung mit Carmen Beckenbach M.A. – begrenzte Teilnehmerzahl – 17.00 Kurzführung Eric Schütt »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« Wir verschenken Kunstpostkarten, Plakate und Kataloge – solange der Vorrat reicht! Do 09 12.15 Kurzführung Sylvia Bieber M.A. »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« Fr 10 16.00 Führung Simone Maria Dietz M.A. »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« So 12 15.00 Führung Kiriakoula Damoulakis M.A. »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Eric Schütt »Es tanzt der Kreis, es hüpft das Quadrat - Formen und Farben entdecken« Mi 15 11.00 Mi11 Führung Sylvia Bieber M.A. »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« Do 16 12.15 Kurzführung Ulrich Steinberg M.A. »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« Fr 17 16.00 Führung Eric Schütt »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« So 19 15.00 Führung Dr. Claudia Pohl »Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Ulrich Steinberg M.A. »Im Feuerwerk der Farben – Wenn Bilder explodieren« Do 23 12.15 Kurzführung Dr. Brigitte Baumstark »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« Fr 24 15.00–17.00 »Mit Kindern Ansehen« Interkultureller, kreativer Museumsnachmittag für Eltern und Kinder (3-12 Jahre) mit Eva Wittig (Anmeldung erforderlich, siehe Rückseite unten. Der Eintritt ist frei.) So 26 15.00 Führung Dr. Martina Wehlte »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Eric Schütt »Mit Haar und Borste – Bilder bunt gepinselt« Do 30 12.15 Kurzführung Ulrich Steinberg M.A. »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« So 02 15.00 Führung Margit Fritz M.A. »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Silke Stimmler M.A. »Willkommen in der Winterkreativwerkstatt« Do 06 12.15 Kurzführung Florentine Seifried M.A. »Florian Köhler. Tschau Agip« So 09 15.00 Führung Ulrich Steinberg M.A. »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Birgit Reich »Zauberwald und Kunstsumpf - Dreidimensionale Wandbilder« Do 13 12.15 Kurzführung Dr. Brigitte Baumstark »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« So 16 15.00 Führung Simone Maria Dietz M.A. »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Silke Stimmler M.A. »Bilder lügen wie gedruckt? Experimentelle Druckwerkstatt« Do 20 12.15 Kurzführung Simone Maria Dietz M.A. »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« Fr 21 15.00–17.00 »Mit Kindern Ansehen« Interkultureller, kreativer Museumsnachmittag für Eltern und Kinder (3-12 Jahre) mit Eva Wittig (Anmeldung erforderlich, siehe Rückseite unten. Der Eintritt ist frei.) Sa 22 16.00–18.00 »Wortwechsel« Kreative Schreibwerkstatt mit Carmen Beckenbach M.A. (Anmeldung erforderlich, siehe Rückseite unten. Kosten: 6 €) So 23 15.00 Führung Margit Fritz M.A. »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Birgit Reich »Maler Klecksel: Hinter den Fleck geblickt!« Do 27 12.15 Kurzführung Florentine Seifried M.A. »Florian Köhler. Tschau Agip« So 01 15.00 Führung Dr. Martina Wehlte »Erwin Gross. Auf Papier 2017–2019« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Ulrich Steinberg M.A. »Die Kunstpaparazzi sind los – Mit der Kamera durchs Museum« Do 05 12.15 Kurzführung Florentine Seifried M.A. »Florian Köhler. Tschau Agip« So 08 15.00 Führung Dr. Claudia Pohl »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Birgit Reich »Verwandlungskunst: Upcycling Workshop 1: Schönes« Mi 11 11.00 Mi11 Führung Christina Korzen M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« Do 12 12.15 Kurzführung Thomas Angelou M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« Fr 13 16.00 Führung Margit Fritz M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« So 15 15.00 Führung Kiriakoula Damoulakis M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Silke Stimmler M.A. »Kunterbunterland – Auf abenteuerlicher Reise durchs Museum« Mi 18 18.00 Mi6 Führung Christina Korzen M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« Do 19 12.15 Kurzführung Florentine Seifried M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« Fr 20 16.00 Führung Dr. Claudia Pohl »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« So 22 15.00 Führung Dr. Martina Wehlte »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Birgit Reich »Wiederwertig: Upcycling Workshop 2: Nützliches« Do 26 12.15 Kurzführung Thomas Angelou M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« Fr 27 15.00–17.00 »Mit Kindern Ansehen« Interkultureller, kreativer Museumsnachmittag für Eltern und Kinder (3-12 Jahre) mit Eva Wittig (Anmeldung erforderlich, siehe Rückseite unten. Der Eintritt ist frei.) 16.00 Führung Margit Fritz M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« So 29 15.00 Führung Kiriakoula Damoulakis M.A. »(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980« 15.00–16.30 KW Kinderwerkstatt mit Eric Schütt »Im Goldrausch der Kunst« Städtische Galerie Karlsruhe Lorenzstraße 27, 76135 Karlsruhe Telefon (0721) 133-4401/-4444 Fax (0721) 133-4409 staedtische-galerie@karlsruhe.de www.staedtische-galerie.de www.facebook.com/ StaedtischeGalerieKarlsruhe Öffnungszeiten Mi–Fr / 10–18 Uhr Sa, So / 11–18 Uhr Mo, Di / geschlossen Sonderöffnungszeiten zur art Karlsruhe 13/02 –16/02/2020 Do, Fr / 9.30 –18 Uhr Sa, So / 10 –18 Uhr Öffnungszeiten an Feiertagen 31/12/2019 / geschlossen 01/01/2020 / geschlossen 06/01/2020 / 11–18 Uhr Januar umgehängt 2019: Facetten der Malerei 1960–2010 bis Frühjahr 2020 Eintritt frei! Seit etwa zehn Jahren präsentiert die Städtische Galerie Karlsruhe ihre Dauerausstellung unter dem bildhaften Begriff »umgehängt«, um unmittelbar deutlich zu machen, dass dieser Bereich im ersten Obergeschoss regelmäßig neu konzipiert wird. Die reichen Bestände der Städtischen Kunstsammlung und der Sammlung von Ute und Eberhard Garnatz mit Werken aus den 1960er- bis in die 2010er-Jahre werden unter immer neuen Vorzeichen und in unterschiedlichsten Konstellationen vorgestellt, so dass die Besucher*innen auf ein breites Spektrum von eher selten gezeigten bis zu vertrauten Kunstwerken treffen. Im Mittelpunkt der aktuellen Schau »Facetten der Malerei« steht das traditionsreiche Medium und seine experimentelle Öffnung zu anderen Kunstgattungen. Vor dem Hintergrund der veränder - ten künstlerischen Haltungen in den 1960er-Jahren mussten sich die Maler neu orientieren. Sie begannen ihr Medium zu hinter fragen, erkundeten seine spezifischen Möglichkeiten und erweiterten diese auf unterschiedlichste Weise. Februar März Ja nu ar : W ill i M ül le r- H uf sc hm id , B ild m it r ot em D re ie ck , um 1 96 0, St äd ti sc he G al er ie K ar ls ru he Fe br ua r: F lo ri an K öh le r, O hn e Ti te l, 20 18 , Fo to : C hr is ti an E rt el M är z: N in a C an el l, M id S en te nc e, 2 01 8 (D et ai l) , in Z us am m en ar be it m it R ob in W at ki ns , C ou rt es y: G al er ie B ar ba ra W ie n, B er lin , Fo to : Le pk ow sk i S tu di os , B er lin Ti te l: E rw in G ro ss , O hn e Ti te l, 20 18 01– 03 Programm Januar Februar März 2020
https://www.karlsruhe.de/b1/kultur/kunst_ausstellungen/museen/staedtische_galerie/fuehrungen/HF_sections/content/ZZooNlJzCqwzMk/MoPro_Januar_%20Februar_%20M%C3%A4rz%202020_digital.pdf
Stadt Karlsruhe Forstamt | Waldpädagogik Stadt – Wald – Mensch Jahresprogramm 2019 von Waldpädagogik und Forstamt Karlsruhe Schülerinnen und Schüler können hier entsprechend dem Leitbild der Waldpädagogik Karlsruhe und dem Bildungsauftrag aktiv, selbstbestimmt und ganzheitlich lernen. Dabei werden die Angebote an den Bildungsplan angepasst und ermöglichen einen fächerübergreifenden und interdisziplinären Unterricht, der die Leitperspektive einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) aufgreift. An dieser Stelle bedanke ich mich bei allen Projekt- und Kooperationspartnern, allen Sponsoren und allen Spenderinnen und Spendern, die unsere Waldpädagogik ermöglichen und tatkräftig unterstützen. Die intensive und konstruktive Zusammenarbeit trägt entscheidend dazu bei, dass die ständig steigende Nachfrage nach waldpädagogischen Veranstaltungen in gewohnt hochwertiger Form erfüllt werden kann. So kann die Waldpädagogik seit nunmehr 22 Jahren den Bildungsauftrag erfolgreich umsetzen, der im Landeswaldgesetz von Baden- Württemberg verankert ist. Ich wünsche der Waldpädagogik und dem gesamten Team weiterhin viel Erfolg und hoffe, dass sich trotz der zum 1. Januar 2020 geplanten Umsetzung der Forstneuorganisation unser Karlsruher Projekt weiter entwickelt und eine gute Zukunft vor sich hat. Klaus Stapf Bürgermeister (bis 31.01.2019) Liebe Freundinnen und Freunde des Waldes und der Waldpädagogik, im Jahr 2018 hat die Waldpädagogik Karlsruhe etwa 800 Veranstaltungen für die unterschiedlichsten Zielgruppen im Stadt- und Landkreis Karlsruhe konzipiert und durchgeführt. Damit hat der Wald wieder eindrücklich seine Rolle als bedeutsames außerschulisches Bildungszentrum unter Beweis gestellt. Das Projekt ist damit auch ein zentraler Baustein unseres Netzwerkes für Natur- und Umweltbildung. Neu im vielfältigen Angebot war 2018 das Thema Gesundheitsförderung, das auch im vorliegenden Jahresprogramm für 2019 wieder aufgegriffen wird. Ich freue mich sehr über die Wahl des Schwerpunktthemas „Stadt- Wald-Mensch“ für 2019, da sich dieses sehr gut einfügt in das Korridorthema „Meine Grüne Stadt Karlsruhe“ und Angebote zu den drei Handlungsfeldern Natur, Klima und Gesundheit umfasst. Das Jahresprogramm bietet dazu geführte Exkursionen in Wälder, die es Interessierten ermöglichen, den Wald vor der eigenen Haustür besser kennenzulernen. Die gesundheitsfördernde Wirkung des Waldes können auch die Teilnehmenden der Yoga und Qigong-Kurse auf dem parkartigen Gelände des Waldzentrums im Hardtwald erleben. Auch das Thema gesunde Ernährung wird aufgegriffen mit Angeboten wie beispielsweise „Backen im Holzbackofen“, „Wilde Waldküche“ und „Kulinarisches vom Waldesrand“. Wer dagegen kreativ mit Holz arbeiten will, kann die Angebote in der gut ausgebauten Holzwerkstatt nutzen. Während das Jahresprogramm die Programmangebote und Aktionen an festgelegten Terminen enthält, können Schulen und Kindergärten sowie Firmen und Vereine wie bisher individuelle Termine für eine waldpädagogische Veranstaltung buchen. Diese finden nach Möglichkeit in einem Waldstück nahe der nachfragenden Institution im Stadt- oder Landkreis statt. Alternativ können die Gruppen auch das Waldzentrum besuchen, das neben barrierefreien Räumlichkeiten ein spannendes Außengelände und das benachbarte Waldklassenzimmer zum Forschen, Experimentieren und freien Spielen bietet. 2 | Stadt – Wald – Mensch Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 3 Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 54 | Stadt – Wald – Mensch Kontakt Waldpädagogik Karlsruhe Waldzentrum – Forstamt, Stadt Karlsruhe Linkenheimer Allee 10 76131 Karlsruhe Telefon: 0721 133-7354 Fax: 0721 75099086 E-Mail: waldpaedagogik@fa.karlsruhe.de Eine telefonische Sprechstunde findet immer montags von 9 bis 11 Uhr sowie dienstags und mittwochs von 14 bis 16 Uhr statt. Für genauere Informationen und aktuelle Ankündigungen zu unserem Programm besuchen Sie uns unter: www.waldpaedagogik-karlsruhe.de Grundsätzliches In unserem Jahresprogramm finden Sie ein umfangreiches Programm für Kinder, Familien und Erwachsene mit einem vorgegebenen Termin. Ab Seite 13 sind alle Angebote mit Angabe zu Zielgruppe, Inhalt, Kosten und so weiter aufgeführt. Schulen, Kindergärten und andere Institutionen haben die Möglichkeit mit uns einen individuellen Termin für eine waldpädagogische Veranstaltung abzusprechen. Sie erreichen uns für Absprachen per Telefon oder E-Mail. Sie können auch auf unserer Internetseite ein Formular mit Ihren Terminwünschen ausfüllen und uns per E-Mail zusenden. Bitte beachten Sie, dass wir wegen der Ausführung von Veranstaltungen nicht regelmäßig im Büro, sondern häufig im Wald unterwegs sind. Außerhalb unserer telefonischen Sprechzeiten sind wir daher nicht immer erreichbar. Wir versuchen aber, Ihre Anfragen schnellstmöglich zu beantworten. Es ist uns wichtig, gemeinsam mit Ihnen das Programm optimal an Ihre Gruppe anzupassen. Neben dreistündigen Aktionen sind auch ganztägige Projekte über einen oder mehrere Tage möglich. Diese können sowohl am Waldzentrum als auch in einem geeigneten Waldstück in der Nähe Ihrer Einrichtung durchgeführt werden. Die Aufsichtspflicht bei allen Veranstaltungen liegt ausschließlich bei der Lehrkraft oder der Erzieherin/dem Erzieher. Auf unserer Internetseite finden Sie unter der Rubrik „Veranstaltungen“ einen Themenkatalog unserer Programmangebote für verschiedene Zielgruppen mit Bezug zu den Bildungsstandards in Baden-Württemberg und den Kompetenzen, die im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gefördert werden. Halbtägige Veranstaltungen (etwa drei Zeitstunden) kosten 3 Euro pro Teilnehmenden, jedoch mindestens 60 Euro. Für ganztägige Projekttage verdoppeln sich diese Kosten. Je nach Aufwand und Einsatz von Materialien können weitere Kosten entstehen. Für Veranstaltungen an Feiertagen sowie am Wochenende gelten andere Tarife nach Absprache. Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 76 | Stadt – Wald – Mensch Programme für Kindergärten und Schulklassen Veranstaltungen für Kindergärten Spielerisches Entdecken, Naturerfahrungen mit allen Sinnen und Förderung der motorischen Fähigkeiten im Sinne der BNE stehen bei unseren Angeboten für diese Zielgruppe im Vordergrund. Ein wichtiges Ziel ist der Aufbau einer persönlichen Beziehung zur Natur. Veranstaltungen für Grundschulen In dieser Altersstufe vermitteln wir spielerisch und handlungsorientiert Kenntnisse über den Lebensraum Wald. Ideal ist die Teilnahme an unserem Jahreszeiten-Programm, bei dem die Klasse „ihr“ Waldstück in allen vier Jahreszeiten besucht und so Veränderungen unmittelbar erleben kann. Einen Überblick über unser Angebot finden Sie auf unserer Internetseite. Bitte beachten Sie, dass dieser Themenkatalog lediglich Vorschlagscharakter hat. Wir können auch andere Themen rund um den Wald mit Ihnen absprechen und individuell an Ihre Klasse anpassen. Bei allen Veranstaltungen ist uns die Vermittlung von Kompetenzen nach dem im neuen Bildungsplan verankerten Leitprinzip der BNE wichtig. In der Regel sind unsere Veranstaltungen drei- bis vierstündig, aber auch ganz- oder mehrtägige Angebote sind möglich. Veranstaltungen für weiterführende Schulen Unser Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse über den Lebens- und Wirtschaftsraum Wald zu vermitteln. Dabei halten wir es für wesentlich, Kompetenzen im Sinne der BNE aufzubauen, die eine Reflexion über die Auswirkungen des eigenen Handelns ermöglichen. Die Methodik wird an die Schulform, die Altersstufe und den Wissensstand der Klasse angepasst. Weiterhin wird berücksichtigt, ob es sich um den Einstieg, den Mittelpunkt oder den Abschluss einer Themeneinheit handelt. Einen Überblick über mögliche Themen, die sich im fächerverbindenden Unterricht umsetzen lassen und sich an den aktuellen Bildungsstandards von Baden- Württemberg orientieren, finden Sie auf unserer Internetseite. Weitere Themen sind nach Absprache möglich. Erlebnispädagogische Elemente zur Förderung der Sozialkompetenz ergänzen auf Wunsch das Programm. Sonderschulen und Inklusionsklassen Ganzheitliches und handlungsorientiertes Lernen ist gerade für Schülerinnen und Schüler mit Handicap von besonderer Relevanz. Für diese Gruppen bieten wir kein vorgefertigtes Programm an, sondern passen die einzelnen Aktionen individuell an das Leistungsvermögen der Teilnehmenden an. Der Zugang zu Waldzentrum, Waldklassenzimmer und Rätselwald ist barrierefrei; am Waldzentrum ist eine rollstuhlgerechte sanitäre Einrichtung vorhanden. Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 98 | Stadt – Wald – Mensch Gruppen mit Migrationshintergrund/ minderjährige Flüchtlinge Unsere praxis- und handlungsorientierten Angebote eignen sich ideal für Menschen, welche die deutsche Sprache (noch) nicht einwandfrei beherrschen. Ziele mit diesen oftmals sehr heterogenen Gruppen sind der Abbau von Ängsten und erlittenen Traumata, sowie der gemeinsame Zugang zur Natur. Das Handeln und Erleben in der Gruppe sowie der gegenseitige Respekt vor anderen Kulturen sind feste Bestandteile der Veranstaltungen. Berufsschulen/Berufsvorbereitungsjahr Für diese Zielgruppe stehen erlebnispädagogische Programme und praktische Einsätze im Wald sowie Projektarbeiten am Waldklassenzimmer oder in der Holzwerkstatt im Schwerpunkt unseres Angebotes. Ziele sind vor allem die Förderung von Sozialkompetenz und die Teambildung. Projekttage Durch ein- oder mehrtägige Projekttage kann erworbenes Wissen vertieft und praktisch umgesetzt werden. Projekttage finden in der Regel am Waldklassenzimmer statt. Hier ist auch die Nutzung der Holzwerkstatt möglich. Einen ausführlichen Überblick über mögliche Projekte finden Sie auf unserer Internetseite www.waldpaedagogik-karlsruhe.de. Weitere Programmangebote Kooperationen Seit 2017 sind wir Partner im Karlsruher Netzwerk für Umweltbildung. Hier haben sich verschiedene Akteure mit Angeboten in Bezug auf Natur und Nachhaltigkeit zusammengefunden, um Synergieeffekte zu nutzen. Am Freitag, 10. Mai präsentieren wir unser Netzwerk-Angebot zusammen mit den anderen Partnern auf dem Friedrichsplatz. Die Waldpädagogik Karlsruhe ist darüber hinaus auch Kooperationspartner bei dem Projekt „Wald 4.0 – Reale Natur verlinkt mit virtuellen Welten“ der Arbeitsgemeinschaft Wald Baden-Württemberg e.V.. Langjähriger Kooperationspartner ist das Europalehramt der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Hier erarbeiten wir gemeinsam mit Studierenden verschiedene bilinguale (englische und französische) Module für die Primär- und Sekundarstufe, die im Wald umsetzbar sind und durch einen Vor- und Nachbereitungsteil optimal in den Unterricht eingebunden werden können. Fortbildungen Hier können Sie sich informieren, wie eine waldpädagogische Outdoor-Veranstaltung aufgebaut wird und was im Wald zu beachten ist. Lernen Sie die verschiedenen Möglichkeiten kennen, eine waldpädagogische Veranstaltung in den Unterricht zu integrieren oder einen Waldausflug mit dem Kindergarten zu planen. Dieses Angebot richtet sich vor allem an Erzieherinnen und Erzieher in der Ausbildung sowie Lehramts-Studierende beziehungsweise Referendarinnen und Referendare. Es besteht aber auch die Möglichkeit, einen Einstieg in die Waldpädagogik mit einem Lehrerfortbildungstag oder auch einem Betriebsausflug zu verknüpfen. Ein weiterführendes Fortbildungsprogramm mit der Möglichkeit des Erwerbs des Waldpädagogikzertifikats bietet Forstverwaltung Baden-Württemberg an. Weiterführende Informationen finden Sie unter: www.forstbw.de Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 1110 | Stadt – Wald – Mensch Praktika Wer das Zertifikat Waldpädagogik erhalten will, kann bei uns das dafür notwendige Praktikum absolvieren. Außerdem freuen wir uns über Praktikantinnen und Praktikanten von Lehramts- oder Forststudiengängen sowie verwandten Bereichen. Die Mindestdauer für ein Praktikum liegt bei zwei Wochen (Vollzeit). Plätze stehen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung. Hospitationen und Schnuppertage sind auf Anfrage möglich. Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) und Bundesfreiwilligendienst (BFD) Bei der Waldpädagogik besteht die Möglichkeit ein Freiwilliges Ökologisches Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst zu absolvieren. Genauere Informationen finden Sie auf unserer Internetseite. Jugendgruppen und Vereine Für diese Gruppen stellen wir ein individuelles Programm zusammen. Unser Angebot reicht vom Walderleben über eine Nachtwanderung bis hin zum Baumklettern. Kosten auf Anfrage. Familienausflüge Familiengruppen, die einen Ausflug zum Waldklassenzimmer oder in den Wald unternehmen wollen, stellen wir ein an das Alter der Kinder angepasstes Programm zusammen. Darüber hinaus haben wir natürlich auch unsere Familienangebote im Jahresprogramm. Waldspielgruppe Familien mit Kindern von null bis drei Jahren haben die Möglichkeit, sich wöchentlich einmal nachmittags im Wald zu treffen. Ältere Geschwisterkinder sind selbstverständlich auch willkommen. Genauere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung für dieses kostenlose Angebot finden Sie auf unserer Internetseite. Angebote für Senioren Ob gemütlicher Spaziergang im Wald oder kreatives Gestalten mit Naturmaterialien oder dem Werkstoff Holz – auch für Seniorengruppen halten wir ein reichhaltiges Programmangebot bereit. Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 1312 | Stadt – Wald – Mensch Betriebsausflüge Sie wollen bei Ihrem Betriebsausflug etwas ganz Besonderes erleben? Mit uns können Sie beispielsweise eine Baumfällung durchführen oder gemeinsam einen Hochsitz bauen, Ihre Teamfähigkeit testen oder auch auf unterhaltsame Weise den heimischen Wald näher kennenlernen. Eine anschließende Nutzung des Waldklassenzimmers zum Grillen und gemütlichem Beisammensein ist möglich. Kosten und Dauer der Veranstaltung können Sie bei uns erfahren. Kindergeburtstage Wir stellen pädagogischen Fachkräften das Waldklassenzimmer zur Verfügung, die dort ein an die Jahreszeit und Witterung angepasstes Programm durchführen. Die Kosten für ein solches Programm liegen montags bis freitags bei 45 Euro/Stunde und am Wochenende bei 50 Euro/Stunde. Hinzu kommt eine Nutzungspauschale von: Bitte beachten Sie: die Organisation der Veranstaltung wird ausschließlich von den Pädagoginnen und Pädagogen durchgeführt, die auf unserer Internetseite unter der Rubrik „Weitere Angebote – Kindergeburtstage“ aufgeführt sind. Bitte nehmen Sie direkt mit den Anbieterinnen und Anbietern Kontakt auf! Nutzung von Außengelände und WC 20 Euro Nutzung einer Grillstelle 10 Euro Nutzung der Holzwerkstatt 10 Euro Nutzung des Waldklassenzimmers inklusive Gelände und Grillstelle 50 Euro Veranstaltungen im Jahresprogramm 2019 Auf den folgenden Seiten finden Sie alle Veranstaltungen, die wir in 2019 anbieten. Verschiedene Piktogramme zeigen die jeweilige Zielgruppe und den thematischen Schwerpunkt. Bitte beachten Sie: Sofern eine Anmeldung notwendig ist, benötigen wir von Ihnen die vollständige Adresse. Sie können sich telefonisch, per Formular über unsere Internetseite oder formlos per E-Mail anmelden. Wir schicken Ihnen dann eine Teilnahmebestätigung zu, aus der auch der jeweilige Treffpunkt hervorgeht. Ihre Daten werden nicht an Dritte weitergegeben und nach der Veranstaltung wieder gelöscht. Erwachsene Familie Kinder Biologische Vielfalt Entschleunigung Kreatives Gestalten Kulinarisches Erlebnis Radtour Bitte beachten Sie folgende Fristen: Thematische Schwerpunkte Zielgruppen Absage bis 14 Tage vor Veranstaltungsbeginn keine Stornogebühr Absage bis 7 Tage vor Veranstaltungsbeginn 50 % der Teilnahmegebühr Absage weniger als 7 Tage vor Veranstaltungsbeginn 100 % der Teilnahmegebühr Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 1514 | Stadt – Wald – Mensch März Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Sa 23.03. Kleine Knospe – große Wirkung Erwachsene 22 So 24.03. Entdeckertag am Waldklassenzimmer Familien 22 So 24.03. Kreativ in der Holzwerkstatt: Salatbesteck Erwachsene und Familien 23 Fr 29.03. Vortrag: wilde Tiere in der Stadt Erwachsene 23 Sa 30.03. Plogging im Wald Erwachsene und Familien 23 Sa 30.03. Kreativ in der Holzwerkstatt: Besteck Erwachsene und Familien 24 April Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Sa 06.04. Osterbasteln und Osterfeuer Erwachsene und Familien 24 25 Sa 06.04. Freie Holzwerkstatt Erwachsene und Familien 25 ab Mi 10.04. Kundalini-Yoga – 6 Termine, jeweils mittwochs Erwachsene 26 Fr 12.04. Wald vor unserer Haustür: Frühblüher im (Berg)Wald Erwachsene 26 Sa 13.04. Waldrallye: entdecke den Wald mit der App 4.0 Erwachsene und Familien 27 Sa 13.04. Essbare Wildpflanzen im Frühlingswald Erwachsene 27 Di – Fr 23.04. – 26.04. Ferienprogramm: Kuckuck ruft´s aus dem Wald Kinder 28 Fr 26.04. Maikäfer im Hardtwald Erwachsene 29 Fr 26.04. Familienausflug zu den Maikäfern Familien 30 So 28.04. Heia Walpurgisnacht Familien 31 ab Di 30.04. Hatha-Yoga – 10 Termine, jeweils dienstags Erwachsene 32 Veranstaltungskalender Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 1716 | Stadt – Wald – Mensch Mai Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Sa 04.05. Kreativ in der Holzwerkstatt: Geschenkideen zum Muttertag Familien 32 So 05.05. Vogelstimmenspaziergang zum Frühstück Erwachsene und Familien 33 ab Do 09.05. QiGong am Morgen – 10 Termine, jeweils donnerstags Erwachsene 33 Fr 10.05. Radtour: Waldgeschichten rund um die Eiche Erwachsene 34 Sa 11.05. Wilde Waldküche Familien 34 So 12.05. Stunde der Gartenvögel Familien 35 So 12.05. Entdeckertag Familien 22 Fr 17.05. Exkursion: Wilde Tiere in der Stadt Erwachsene 35 So 19.05. Tag der offenen Tür am Waldzentrum und Waldklassenzimmer Erwachsene und Familien 36 So 19.05. Freie Holzwerkstatt Erwachsene und Familien 25 Fr 24.05. Wald vor unserer Haustür: Hardtwald Erwachsene 36 Mi 29.05. Backen im Holzbackofen und Entdeckertag Erwachsene und Familien 22 Fr 31.05. Barfußspaziergang im Wald Erwachsene 37 Juni Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Sa 01.06. Kreativ in der Holzwerkstatt: Türstopper Erwachsene und Familien 37 Sa 01.06. Exkursion: Wald und Bäume in der Bibel Erwachsene 37 So 02.06. Entdeckertag am Waldklassenzimmer Familien 22 So 02.06. Märchenstunde im Rosenhain Familien 38 ab Mi 05.06. Qigong am Abend – 8 Termine, jeweils mittwochs Erwachsene 38 Di – Fr 11.06. – 14.06. Ferienprogramm: Abenteuer Wald Kinder 39 Sa – So 15.06. – 16.06. Survival im Wald Erwachsene 39 Mo – Mi, Fr 17.06. – 19.06. 21.06. Ferienprogramm: Kunst zwischen Bäumen Kinder 40 Mi 26.06. Backen im Holzbackofen und Entdeckertag Erwachsene und Familien 22 Fr 28.06. Wald vor unserer Haustür: Neureut-Kirchfeld Erwachsene 40 Sa 29.06. Vater-Kind-Wildnistag Familien 41 Sa 29.06. Kreativ in der Holzwerkstatt: Garderobenhaken Erwachsene und Familien 41 So 30.06. Tiere und Pflanzen mit Migrationshintergrund Erwachsene 42 Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 1918 | Stadt – Wald – Mensch Juli Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Fr 05.07. Wald vor unserer Haustür: Baummonumente in Rüppurr (Radtour) Erwachsene 42 Sa 06.07. Wilde Tiere in der Stadt – auf Spurensuche Familien 42 Fr 12.07. Radtour: Waldgeschichten rund um die Buche Erwachsene 34 Fr 12.07. Musikalisch-literarischer Waldabend Erwachsene 43 Sa – So 13.07. – 14.07. Survival light Familien 43 So 14.07. Musikfrühstück Erwachsene und Familien 43 Do 18.07. Ein Nachmittag unter Eulen und Greifen Familien 44 Fr 19.07. Baumbestimmung Erwachsene 44 Sa 20.07. Blütenworkshop Erwachsene 45 So 21.07. Entdeckertag Familien 22 Sa 27.07. Märchen am Lagerfeuer Erwachsene 45 Mo – Fr 29.07. – 02.08. Ferienprogramm: Kelten Kinder 46 Mo – Fr 29.07. – 02.08. Ferienprogramm: Waldindianer Kinder 46 Mi 31.07. Backen im Holzbackofen und Entdeckertag Erwachsene und Familien 22 August Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Mo – Fr 05.08. – 09.08. Ferienprogramm: Reise nach Australien Kinder 47 Mo – Fr 05.08. – 09.08. Ferienprogramm: Räuber 1 Kinder 47 Mi 07.08. Entdeckertag Familien 22 Fr 09.08. Wald vor unserer Haustür: Klimawandel im Wald Erwachsene 48 Mo – Fr 12.08. – 16.08. Ferienprogramm: Räuber 2 Kinder 47 Fr 16.08. Entdeckertag Familien 22 Fr 16.08. Fledermäuse und andere Tiere der Nacht Erwachsene 48 Fr 23.08. Entdeckertag Familien 22 Fr 23.08. Fledermausnacht Familien 49 Mo – Fr 26.08. – 30.08. Ferienprogramm: Steinzeit Kinder 49 Mi 28.08. Entdeckertag Familien 22 Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 2120 | Stadt – Wald – Mensch September Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Mo – Fr 02.09. – 06.09. Ferienprogramm: Waldwerkstatt Kinder 50 Mi 04.09. Entdeckertag Familien 22 Sa 14.09. Waldbaden Erwachsene 50 So 15.09. Entdeckertag Familien 22 Do 19.09. Ein Nachmittag unter Eulen und Greifen Familien 44 Mi 25.09. Backen im Holzbackofen und Entdeckertag Erwachsene und Familien 22 Fr 27.09. Wald vor unserer Haustür: Waldstadt Erwachsene 51 Oktober Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Sa 05.10. Wald und Whisky Erwachsene 51 Fr 11.10. Wald vor unserer Haustür: Neureuter Auenwald Erwachsene 51 Fr 11.10. Musikalischer Mondspaziergang Erwachsene 52 Sa 12.10. Herbstbasteln Familien 52 Sa 12.10. Freie Holzwerkstatt Erwachsene und Familien 25 Sa 12.10. Kulinarischer Genuss vom Waldesrand Erwachsene 53 Fr 18.10. Schatzsuche im dunklen Wald Familien 53 Fr 18.10. Radtour: Waldgeschichten rund um die Kiefer Erwachsene 34 Sa 19.10. Kulinarische Schätze im Herbstwald Erwachsene 54 Sa 26.10. Backen im Holzbackofen und Entdeckertag Erwachsene und Familien 22 Mo – Do 28.10. – 31.10. Ferienprogramm: Herbstwald Kinder 54 Do 31.10. Halloween im Wald Familien 55 November Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Sa 09.11. Laternenbau aus Weidenruten Familien 55 So 10.11. Überwinterung der Tiere Familien 55 Sa 16.11. Holzernte im Wald Erwachsene 56 Fr 22.11. Adventsgestecke und Kränze selbst gemacht Erwachsene 57 Sa 23.11. Adventsbasteln Erwachsene und Familien 58 Sa 23.11. Freie Holzwerkstatt Erwachsene und Familien 25 Dezember Tag Datum Veranstaltung Zielgruppe Seite Sa 07.12. Weihnachtgeschenke für Waldtiere Familien 58 Di – Do 10.12. – 12.12. Lichterreise am Waldklassenzimmer Familien 59 Sa 14.12. Krippen und Krippenfiguren basteln Erwachsene und Familien 59 Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 2322 | Stadt – Wald – Mensch Samstag, 23. März | 14 bis 18 Uhr Kleine Knospe – große Wirkung? Knospen naturkundlich, kulinarisch und als heilkräftiges Mittel In den Knospen ist die höchste Lebenskraft der Pflanzen konzentriert. Erfahren Sie, was Knospen für die Bäume bedeuten und erkennen Sie Baumarten daran. Sie erleben, wie die Knospen und jungen Triebe als vitale Nahrung für uns und als heilkräftige Mittel verwendet werden können. Referentin: Daniela Schneider, Wald-, Natur- und Wildnispädagogin Anmeldung bis 15. März – Kosten: 20 Euro/Teilnehmenden zuzüglich 8 Euro Materialkosten Mittwoch, 29. Mai | 26. Juni | 31. Juli | 7. August | 28. August | 4. September | 25. September Freitag, 16. August | 23. August Samstag, 26. Oktober Sonntag, 24. März | 12. Mai | 2. Juni | 21. Juli | 15. September Entdeckertage am Waldklassenzimmer | jeweils von 14 bis 18 Uhr An diesen Tagen haben wir geöffnet, ohne ein spezielles Programm anzubieten. Gebäude und Außengelände des Waldklassenzimmers stehen zum Entdecken, Staunen und freien Spiel zur Verfügung. Diese Veranstaltungen sind ohne Anmeldung und kostenlos! Die Nutzung des Geländes erfolgt auf eigene Gefahr! Sonntag, 24. März | 14 bis 18 Uhr Kreativ in der Holzwerkstatt: Salatbesteck schnitzen Aus frischgeschlagenem Holz werden wir ein individuelles Salatbesteck schnitzen. Dabei benutzen wir Schnitzmesser und Säge. Referent: Thomas Katz, Erzieher und Grünholzschnitzer Anmeldung bis 15. März – Kosten: 15 Euro/Teilnehmenden beziehungsweise für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 10 Euro, inklusive Materialkosten Freitag, 29. März | 19 bis 21 Uhr Vortrag: wilde Tiere in der Stadt Immer mehr Wildtiere finden in der Stadt einen neuen Lebensraum. Dabei kann es zu Konflikten mit den Menschen kommen. Bei diesem Vortrag erhalten Sie Informationen über die sogenannten Kulturfolger, die sich im Karlsruher Stadtgebiet aufhalten. Referent: Stefan Lenhard, Wildtierbeauftragter Anmeldung bis 25. März – kostenlose Veranstaltung! Samstag, 30. März | 9 bis 11 Uhr Plogging im Wald – Aktion im Rahmen der Karlsruher DreckWegWochen Plogging steht für eine Natursportart, bei der Abfälle gesammelt und gleichzeitig gejoggt wird. Der Begriff setzt sich zusammen aus „plocka“ aus dem Schwedischen für „aufheben“ und Jogging. Nach einem kurzen Aufwärmtraining begeben wir uns in verschiedenen Leistungsklassen auf unterschiedliche Laufstrecken von einem, fünf oder zehn Kilometern und sammeln beim Laufen Abfälle im Wald. Referent: Bernd Struck, sportlicher Förster Anmeldung bis 25. März – kostenlose Veranstaltung Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 2524 | Stadt – Wald – Mensch Samstag, 30. März | 10 bis 14 Uhr Kreativ in der Holzwerkstatt: Besteck schnitzen Aus frischgeschlagenem Holz werden wir Holzmesser, Brieföffner oder Löffel schnitzen. Sie entscheiden selber, was Sie am besten gebrauchen können! Referent: Thomas Katz, Erzieher und Grünholzschnitzer Anmeldung bis 22. März – Kosten: 15 Euro/Teilnehmenden beziehungsweise für einen Erwachsenen und ein Kind, jedes weitere Familienmitglied 10 Euro, inklusive Materialkosten Samstag, 6. April | 11 bis 17 Uhr Osterbasteln am Waldklassenzimmer Unter der Anleitung einer Floristin ist die Fertigung von Osterdekorationen und -gestecken aus Naturmaterialien möglich. Für Kinder haben wir verschiedene Osterbastelaktionen vorbereitet. Auch die Holzwerkstatt ist zum Schnitzen geöffnet. Das Wald-Café lädt zu Kaffee, Kuchen und herzhaften Kleinigkeiten ein. Ohne Anmeldung – Kosten: Bastelbeitrag 5 Euro/Familie Samstag, 6. April | 17:15 bis 18 Uhr Osterfeuer am Waldklassenzimmer Im Anschluss an das Osterbasteln entzünden wir auf dem Gelände des Waldklassenzimmers ein Feuer, um damit den Winter zu vertreiben und den Frühling zu begrüßen. Ohne Anmeldung – kostenlose Veranstaltung! Samstag, 6. April | 12. Oktober | 23. November Sonntag, 19. Mai jeweils von 12:30 bis 16:30 Uhr Kreativ in der Holzwerkstatt: freies Schnitzen An diesen Tagen stehen wir Ihnen für Fragen und Beratungen zum Thema Holzbearbeitung zur Verfügung. Sie können selbst entscheiden, was Sie mit Holz gestalten wollen. Referent: Thomas Katz, Schnitzer oder Nicolai Tschampel, Förster und Schreiner Ohne Anmeldung – um eine Spende wird gebeten 26 | Stadt – Wald – Mensch Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 27 Mittwoch, 10. April | 17. April | 24. April | 8. Mai | 15. Mai | 22. Mai jeweils von 18 bis 19:30 Uhr Kundalini-Yoga am Waldzentrum – Im Einklang sein mit der Natur Kundalini-Yoga ist eine gleichzeitig dynamische und entspannende Yogaform mit speziellen Atemtechniken und Meditationen. Am Waldzentrum, in der freien Natur praktiziert, wird der Kurs zu einem ganz besonderen, gesundheitsfördernden Erlebnis. Bei Interesse der Teilnehmenden kann der Kurs fortgeführt werden. Kosten: 60 Euro/Teilnehmenden für sechs Termine, maximal 15 Teilnehmende Anmeldung bis 5. April bei Petra Kiefer, zertifizierte Kundalini-Yogalehrerin E-Mail: kiefer-petra@web.de | Telefon: 0171 9597351 Freitag, 12. April | 16:30 bis 18:30 Uhr Wald vor unserer Haustür: Frühblüher im (Berg-)Wald Im Frühling ist der Waldboden übersät von den Blüten verschiedener Pflanzen. Bei diesem Spaziergang im Bergwald am Thomashof lernen wir einige davon genauer kennen. Achtung: Witterungsbedingt kann es kurzfristig zu einer Verschiebung der Veranstaltung kommen. Referent: Ulrich Kienzler, Forstamtsleiter Anmeldung bis 5. April – kostenlose Veranstaltung! Samstag, 13. April | 11 bis 13 Uhr Waldrallye: Entdecke den Wald mit der App 4.0 Wald 4.0 ist eine kostenlose und offline einsetzbare App, die eine völlig neuartige Lernerfahrung rund um die Themen Wald und Naturschutz bietet. Die drei Touren, „Das Versteck“ (Kinder ab zehn Jahren), „Die Suche“ (Jugendliche ab 14 Jahren) und „Der Meister“ (Erwachsene), können einzeln oder in Gruppen bis vier Personen gespielt werden. Einfach die App Wald 4.0 auf das Android Smartphone herunterladen und eine Tour ausprobieren. Referentin: Jessica Meyer-Rachner, Försterin und Waldpädagogin Anmeldung bis 5. April – kostenlose Veranstaltung für Familien mit Kindern ab zehn Jahren, Jugendliche und Erwachsene! Samstag, 13. April | 11 bis 13 Uhr Essbare Wildpflanzen im Frühlingswald – kennenlernen und verkosten Im Vergleich mit unseren Kulturpflanzen sind die heimischen Wildpflanzen wahre Kraftpakete und strotzen nur so vor wertvollen Inhaltsstoffen. Sie erfahren, wie Sie die Pflanzen sicher bestimmen können und erleben, wie unsere heimischen „Superfoods“ schmackhaft zubereitet werden. Je nach Vegetationsstand probieren wir auch Blätter von Bäumen und Baumkeimlinge. Referentin: Daniela Schneider, Wald-, Natur- und Wildnispädagogin Anmeldung bis 5. April – Kosten: 20 Euro/Teilnehmenden zuzüglich 4 Euro Materialkosten Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 2928 | Stadt – Wald – Mensch Dienstag, 23. April bis Freitag, 26. April jeweils 9 bis 14 Uhr Osterferienprogamm: Kuckuck, ruft´s aus dem Wald Endlich ist wieder Zeit für Entdeckungen, Spiel und Abenteuer in der frisch erwachten Natur. Wir wollen diese Zeit ausgiebig genießen und uns überraschen lassen, was der frühlingshafte Wald alles zu bieten hat. Dabei erfahren wir viel über die Tiere und Pflanzen im Wald. Am Ende der Ferienwoche entfachen wir gemeinsam ein Lagerfeuer, an dem wir ein leckeres Mittagessen zubereiten. Für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, maximal 14 Teilnehmende Kosten: 95 Euro/Kind inklusive Materialkosten ohne Verpflegung Anmeldung bei Regine Schirmer, Waldpädagogin E-Mail: mail@naturerlebnis-schirmer.de Telefon: 07236 7282 Freitag, 26. April | 19 bis 21 Uhr Die Massenvermehrung des Waldmaikäfers im Hardtwald Alle vier Jahre kann man im Hardtwald das Naturphänomen der Maikäfermassenvermehrung beobachten. In der Abenddämmerung starten die dicken Brummer zu ihren imposanten Flügen. Erfahren Sie interessante Details zu diesen Tieren, ihrem Einfluss auf das Ökosystem Wald und erleben Sie ein spannendes Naturschauspiel. Achtung: Witterungsbedingt kann es kurzfristig zu einer Verschiebung der Veranstaltung kommen! Referent: Andreas Ott, Förster und Waldpädagoge Anmeldung bis 18. April – kostenlose Veranstaltung! Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 3130 | Stadt – Wald – Mensch Freitag, 26. April | 19 bis 21 Uhr „... in den Bäumen hin und her, fliegt und kriecht und krabbelt er“ – Familienausflug zu den Maikäfern 2019 fliegen, kriechen und krabbeln sie wieder – die Maikäfer! Bei diesem Ausflug bekommen Sie spannende Infos und lernen Spiele und Aktionen rund um den sonst vor allem aus dem Süßigkeitenladen bekannten Käfer kennen. Achtung: Witterungsbedingt kann es kurzfristig zu einer Verschiebung der Veranstaltung kommen! Referent: Martin Kurz, Förster und Projektleiter der Waldpädagogik Karlsruhe Anmeldung bis 18. April – kostenlose Veranstaltung! Sonntag, 28. April | 15 bis 18 Uhr Heia Walpurgisnacht – Familienrallye im Wald und am Feuer In Anlehnung an die Geschichte der kleinen Hexe von Otfried Preußler lernen wir den Wald aus ihrer Sicht kennen und tanzen zum Schluss um das Walpurgisfeuer. Referentin: Ulrike Rümmele, Wald- und Naturpädagogin Anmeldung bis 23. April – Kosten: 12 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab fünf Jahren, jedes weitere Familienmitglied 6 Euro 32 | Stadt – Wald – Mensch Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 33 Dienstag, 30. April | 7. Mai | 14. Mai | 21. Mai | 28. Mai | 4. Juni | 25. Juni | 2. Juli | 9. Juli | 16. Juli | jeweils von 17 bis 18:30 Uhr Hatha-Yoga am Waldzentrum – Entspannung in der Natur (Präventionskurs) Für Menschen, die mit Freude, Leichtigkeit und Gelassenheit beweglich und flexibel werden, Muskulatur systematisch aufbauen und über verschiedene Atemtechniken entspannen wollen. Kosten: 100 Euro/Teilnehmenden für zehn Termine, maximal 15 Teilnehmende. Ein Zuschuss der Krankenkasse ist möglich. Anmeldung bis 23. April bei Radka Svehlova, zertifizierte Yogalehrerin E-Mail: purnima-yoga@web.de Telefon: 0721 3297301 oder 0152 23416570 Samstag, 4. Mai | 10 bis 14 Uhr Kreativ in der Holzwerkstatt: Geschenkideen zum Muttertag An diesem Tag können Kinder zusammen mit ihren Vätern in der Holzwerkstatt aus frischem Lindenholz Geschenke, wie zum Beispiel eine Holzblume, zum Muttertag schnitzen. Referent: Thomas Katz, Erzieher und Grünholzschnitzer Anmeldung bis 26. April – Kosten: 15 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 10 Euro, inklusive Materialkosten Sonntag, 5. Mai | 7 bis 9 Uhr Vogelstimmenspaziergang mit anschließendem Frühstück im Waldzentrum bis etwa 11 Uhr Im Frühjahr singen die Vögel um ihre Reviere zu markieren und Weibchen anzulocken. Anfang Mai besteht noch eine gute Chance, häufige Stimmen kennenzulernen und so die einzelnen Gesänge zu unterscheiden. Der Ornithologe wird die Vogelstimmen rund um das Waldzentrum erklären und Tipps geben, wie man sich einzelne Stimmen merken kann. Die Verpflegung für das anschließende Frühstück muss mitgebracht werden. Referent: Oliver Harms, Diplom Geoökologe und Ornithologe Anmeldung bis 26. April – Kosten: 5 Euro/Teilnehmenden, 10 Euro/Familie mit Kindern ab zehn Jahren, ohne Verpflegung Donnerstag, 9. Mai | 16. Mai | 23. Mai | 6. Juni | 13. Juni | 27. Juni | 4. Juli | 11. Juli | 18. Juli | 25. Juli jeweils von 8 bis 9 Uhr Qigong – Kraft tanken am Morgen Mit Qigong in den Tag zu starten ist eine wundervolle Möglichkeit zur Entspannung und zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Wir erarbeiten draußen in der Natur energetisierende und dabei entspannende Bewegungsfolgen mit meditativen Elementen. Bei Interesse der Teilnehmenden kann der Kurs fortgeführt werden. Kosten: 60 Euro/Teilnehmenden für zehn Termine, maximal 15 Teilnehmende Anmeldung bis zum 3. Mai bei Beate Wolf, Osteopathin und Heilpraktikerin E-Mail: praxis@beatewolf.de Telefon: 0721 8305052 oder 0171 2690304 Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 3534 | Stadt – Wald – Mensch Freitag, 10. Mai | 12. Juli | 18. Oktober jeweils von 16:30 bis 18:30 Uhr Waldgeschichten rund um die Eiche, Buche und Kiefer Mit dem Fahrrad geht es durch den Hardtwald zu charakteristischen und besonderen Exemplaren der jeweiligen Baumart. Neben Informationen zur Biologie, Ökologie und forstlichen Nutzung hören Sie auch Gedichte und Geschichten rund um Eiche, Buche und Kiefer. Referent: Martin Kurz, Förster und Projektleiter der Waldpädagogik Karlsruhe Anmeldung bis 3. Mai (5. Juli, 11. Oktober) – kostenlose Veranstaltungen! Samstag, 11. Mai | 14:30 bis 18 Uhr Wilde Waldküche Bei einem Spaziergang durch den Frühlingswald sammeln wir essbare Wildpflanzen und kochen uns daraus zusammen mit anderen Zutaten am Lagerfeuer ein leckeres Waldmenü. Referent: Oliver Bardon, Wald- und Wildnispädagoge, erlebnispädagogischer Trainer Anmeldung bis 4. Mai – Kosten: 20 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 10 Euro inklusive Kosten für Essen und Getränke Sonntag, 12. Mai | 14 bis 17 Uhr Stunde der Gartenvögel am Waldklassenzimmer Heute beobachten wir die Vogelarten am Waldklassenzimmer, lernen Unterschiede im Aussehen und Verhalten kennen und zählen die Anzahl der vorkommenden Tiere. Dabei nehmen wir teil an dem bundesweiten Projekt vom Naturschutzbund NABU. Ferngläser bitte mitbringen, soweit vorhanden. Referentin: Heike Rösgen, Biologin und Waldpädagogin Ohne Anmeldung – kostenlose Veranstaltung! Freitag, 17. Mai | 21 – 23 Uhr Wilde Tiere in der Stadt – auf Erkundungstour Bei einem Spaziergang in der Günther-Klotz-Anlage entdecken wir neu eingewanderte und schon lange in Karlsruhe vorkommende wilde Stadtbewohner. Wie die Wildtiere in der Stadt leben und wie wir mit ihnen umgehen sollten, erfahren Sie bei diesem nächtlichen Streifzug. Referent: Stefan Lenhard, Wildtierbeauftragter Anmeldung bis 10. Mai – kostenlose Veranstaltung! Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 3736 | Stadt – Wald – Mensch Freitag, 31. Mai | 17 bis 20 Uhr Barfußspaziergang auf Waldpfaden mit wildem Waldpicknick Erleben Sie hautnah die vielfältigen Vorteile des Barfußgehens gegenüber der normalen Fortbewegung mit Schuhen. Während der Veranstaltung wechseln sich Übungen und Informationseinheiten ab. Sie entscheiden selber, wie lange Sie sich barfuß fortbewegen wollen. Im Wald genießen Sie ein Picknick aus wilden Wald- und Wiesenköstlichkeiten. Referentin: Daniela Schneider, Wald-, Natur- und Wildnispädagogin Anmeldung bis 24. Mai – Kosten: 15 Euro/Teilnehmenden zuzüglich 5 Euro Materialkosten Samstag, 1. Juni | 10 bis 14 Uhr Kreativ in der Holzwerkstatt: Türstopper schnitzen Heute können lustige Türstopper mit Tierfiguren gestaltet werden, damit ab sofort keine Tür im Haus mehr mit lautem Knall zufällt! Referent: Thomas Katz, Erzieher und Grünholzschnitzer Anmeldung bis 24. Mai – Kosten: 15 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 10 Euro, inklusive Materialkosten Samstag, 1. Juni | 13 bis 17 Uhr Wald und Bäume in der Bibel Viele Bibelstellen beschäftigen sich mit Bäumen oder dem Wald. Wir lernen solche Zitate kennen und erfahren, wie der Wald in damaliger Zeit in Israel und Europa aussah. Nach dem historischen Einstieg begeben wir uns in den heutigen Wald bei Rüppurr. Durch bewusste Wahrnehmung der Schöpfung gehen wir auch auf unsere Verantwortung ihr gegenüber ein. Referenten: Bernd Struck, Förster und Angehörige des Stadtklosters St. Franziskus Anmeldung bis 24. Mai – kostenlose Veranstaltung! Sonntag, 19. Mai | 11 bis 17 Uhr Tag der offenen Tür an Waldzentrum und Waldklassenzimmer Unter dem Motto „Stadt – Wald – Mensch“ erwartet Sie im Hardtwald ein abwechslungsreiches Programm von Waldpädagogik und Forstamt Karlsruhe mit vielen Mitmachangeboten und Vorführungen. Verschiedene Stände von anderen Anbietern ergänzen das Angebot. Eine Kutsche fährt durch den Frühlingswald und auch die Holzwerkstatt ist geöffnet. Selbstverständlich ist für Essen und Trinken gesorgt. Ohne Anmeldung – kostenlose Veranstaltung! Freitag, 24. Mai | 16:30 bis 18:30 Uhr Wald vor unserer Haustür: Streifzug durch den Hardtwald Auf einem kleinen Rundgang mit dem Revierförster wollen wir den stadtnahen Hardtwald, seine Bedeutung für den Menschen und seine Bewohner besser kennen lernen. Referent: Martin Kurz, Förster und Projektleiter der Waldpädagogik Karlsruhe Anmeldung bis 17. Mai – kostenlose Veranstaltung! Mittwoch,29. Mai | 26. Juni | 31. Juli | 25. September Samstag, 26. Oktober | jeweils von 14 bis 18 Uhr Backen im Holzbackofen An diesen Tagen backen wir gemeinsam im Holzbackofen. Zu Beginn bis etwa 15:30 Uhr ist die Temperatur geeignet für Flammkuchen. Anschließend kann man Pizza, dann Brot, Brötchen oder Kuchen backen – zum Mitnehmen oder zum direkten Verzehr. Zutaten oder Teige müssen mitgebracht werden! Ohne Anmeldung – Kosten: 5 Euro als Beitrag für die Instandhaltung des Ofens und für Brennholz. 38 | Stadt – Wald – Mensch Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 39 Sonntag, 2. Juni | 15 bis 16 Uhr Märchenstunde im Rosenhain Lasst euch an einem verwunschenen Ort von Dornröschen und anderen Märchen verzaubern! Als Andenken wird eine kleine Biene gebastelt. Referentin: Annette Volz, Märchenerzählerin Anmeldung bis 24. Mai – Kosten: 5 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind zwischen vier und sechs Jahren, für jedes weitere Familienmitglied wird um eine kleine Spende gebeten Mittwoch, 5. Juni | 12. Juni | 19. Juni | 26. Juni | 3. Juli | 10. Juli | 17. Juli | 24. Juli jeweils von 18 bis 19 Uhr Qigong – den Tag entspannt ausklingen lassen Mit Qigong den Abend zu beginnen, ist eine wundervolle Möglichkeit zur Entspannung und zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Wir erarbeiten draußen in der Natur energetisierende und dabei entspannende Bewegungsfolgen mit meditativen Elementen. Bei Interesse der Teilnehmenden kann der Kurs fortgeführt werden. Kosten: 50 Euro/Teilnehmenden für acht Termine, maximal 15 Teilnehmende Anmeldung bis zum 31. Mai bei Beate Wolf, Osteopathin und Heilpraktikerin E-Mail: praxis@beatewolf.de Telefon: 0721 8305052 oder 0171 2690304 Dienstag, 11. Juni bis Freitag, 14. Juni | jeweils 9 bis 14 Uhr Pfingstferienprogramm: Abenteuer Wald Wir erkunden den frühsommerlichen Wald. Bei gemeinsamen Entdeckungen und Spielen werden wir viel Spannendes über den Wald und seine Bewohner erfahren. Am Ende der Ferienwoche entzünden wir ein gemütliches Lagerfeuer. Das Programm findet zum Teil auf dem Gelände des Waldklassenzimmers statt. Für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, maximal 18 Teilnehmende Kosten: 95 Euro/Kind, inklusive Materialkosten ohne Verpflegung Anmeldung bei Regine Schirmer, Waldpädagogin E-Mail: mail@naturerlebnis-schirmer.de Telefon: 07236 7282 Samstag, 15. Juni bis Sonntag, 16. Juni | jeweils 10 Uhr Wildnis erleben: Survival-Experience-Basiskurs – 24 Stunden im Wald Unsere Vorfahren lebten noch völlig mit und von der Natur! Viele dieser Fähigkeiten gingen in unserer modernen Lebensweise verloren, aber unsere Verbindung zu dieser natürlichen Welt bleibt, wie auch die Faszination für das Leben draußen! Für 24 Stunden werden wir uns in diese Welt wagen! Wir bauen im Wald einen Unterschlupf und verbringen darin die Nacht. Außerdem machen wir mit einfachen Mitteln Feuer, sammeln Einiges an Nahrung frisch aus dem Wald und bereiten es zu. Für dieses Erlebnis gilt es unter Umständen sich der einen oder anderen Angst zu stellen und eigene Erfahrungen zu erweitern. Seien Sie bereit für diese Herausforderung! Referent: Oliver Bardon, Wald- und Wildnispädagoge, erlebnispädagogischer Trainer Anmeldung bis 7. Juni – Kosten: 60 Euro/Teilnehmenden 40 | Stadt – Wald – Mensch Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 41 Montag, 17. Juni bis Mittwoch, 19. Juni und Freitag, 21. Juni jeweils 9 bis 14 Uhr Pfingstferienprogramm: Von Land-Art bis Woodknitting – Kunst zwischen Bäumen Wir verwandeln das Waldklassenzimmergelände und den angrenzenden Wald in einen Raum der Kunst: Waldgeister aus Ton und Filz, Land-Art- Projekte, bestrickte Bäume, Wegemarken aus verschiedensten Materialien – der Fantasie sind (fast) keine Grenzen gesetzt. Natürlich ist der Wald auch Spiel-, Bau- und Erkundungsort. Für Kinder zwischen acht und zehn Jahren, maximal 12 Teilnehmende Kosten: 105 Euro/Kind, inklusive Materialkosten ohne Verpflegung Anmeldung bei Arne Trautmann, Steinbildhauer, Archäologe und Kulturpädagoge E-Mail: ferienprogramm@kulturprojekte-trautmann.de Telefon: 0176 22870005 Freitag, 28. Juni | 16:30 bis 18:30 Uhr Wald vor unserer Haustür: Streifzug durch den Wald bei Kirchfeld Auf einem kleinen Rundgang mit dem Revierförster wollen wir den Hardtwald bei Neureut-Kirchfeld, seine Bedeutung für den Menschen und seine Bewohner besser kennen lernen. Referent: Martin Kurz, Förster und Projektleiter der Waldpädagogik Karlsruhe Anmeldung bis 21. Juni – kostenlose Veranstaltung! Samstag, 29. Juni | 14 bis 19 Uhr Vater-Kind-Wildnistag Kinder lieben abenteuerliche Wald-Aktionen, auch gerne mal mit dem Papa! Oft fehlt jedoch Zeit und Gelegenheit dafür – oder einfach die richtige Idee! Deshalb gibt es an diesem Tag die Möglichkeit für Väter mit ihren Kindern einen abenteuerlichen Nachmittag miteinander im Wald zu verbringen. Wir erkunden den Wald und werden bei einer spannenden Schatzrallye mit Geländespiel unsere Fähigkeiten als Abenteurer ausleben. Anschließend werden wir Feuer machen und gemeinsam am Lagerfeuer essen. Referent: Oliver Bardon, Wald- und Wildnispädagoge, erlebnispädagogischer Trainer Anmeldung bis 21. Juni – Kosten: 20 Euro für einen Vater und ein Kind von mindestens sechs Jahren, jedes weitere Kind 5 Euro, inklusive Materialkosten Samstag, 29. Juni | 13:30 bis 17 Uhr Kreativ in der Holzwerkstatt: Garderobenhaken schnitzen Aus Astgabeln wollen wir individuelle Garderobenhaken schnitzen – Unikate für besondere Orte! Referent: Thomas Katz, Grünholzschnitzer und Erzieher Anmeldung bis 21. Juni – Kosten: 15 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 5 Euro, inklusive Materialkosten Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 4342 | Stadt – Wald – Mensch Sonntag, 30. Juni | 14:30 bis 17 Uhr Tiere und Pflanzen mit Migrationshintergrund Was haben Marderhund, Kermesbeere und Varroamilbe gemeinsam? Wie unterscheiden sich heimische von neueingewanderten Tier- und Pflanzenarten? Welche Konsequenzen hat die Neueinwanderung für das heimische Waldökosystem? Diesen Fragen gehen wir heute bei einem kurzen Vortrag mit anschließendem Spaziergang nach. Referentin: Heike Rösgen, Biologin und Waldpädagogin Anmeldung bis 21. Juni – kostenlose Veranstaltung! Freitag, 5. Juli | 16:30 bis 18:30 Uhr Wald vor unserer Haustür: Radtour zu den Baummonumenten im Oberwald Bei einer Radtour durch den Oberwald zwischen Dammerstock und Rüppurr lernen Sie markante Wuchsformen von Laub- und Nadelbäumen kennen. Referent: Jürgen Hartig, Förster Anmeldung bis 28. Juni – kostenlose Veranstaltung! Samstag, 6. Juli | 10 bis 12 Uhr Wilde Tiere in der Stadt – auf Spurensuche rund um das Wildgehege im Oberwald Von welchem Wildtier stammt die Spur? In welchen Häusern leben die Wildtiere? Und wie unterhalten sich Wildschweine und Rehe? Dies und noch vieles mehr erkunden wir bei einem spielerischen Streifzug durch den Wald. Referent: Stefan Lenhard, Wildtierbeauftragter Anmeldung bis 29. Juni – Kostenlose Veranstaltung für Familien mit Kindern ab fünf Jahren! Freitag, 12. Juli | 20:30 bis 22:30 Uhr Musikalisch-literarischer Waldabend Heute können Sie am Waldzentrum Geschichten und Gedichten über den Mond lauschen sowie sich bei Liedern und Schlagern über den Mond, die Nacht und die Romantik aus verschiedenen Epochen entspannen. Referent und Referentinnen: Martin Kurz, Förster und Projektleiter der Waldpädagogik Karlsruhe, Lotti Schrabnelli und Peggy Püschel (Gitarre und Gesang) Anmeldung bis 5. Juli – um eine Spende für die Künstlerinnen wird gebeten Samstag, 13. Juli | 14 Uhr bis Sonntag, 14. Juli | 10 Uhr Survival light – Into the Forest Wer träumt nicht davon, einmal in einer aus Stöcken erbauten Hütte die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen? Beim Aufwachen können wir die Waldtiere begrüßen und abends am Lagerfeuer Stockbrot und in Ahornblättern gebackene Kekse verzehren und dabei spannenden Geschichten lauschen. Referent: Oliver Bardon, Wald- und Wildnispädagoge, erlebnispädagogischer Trainer Anmeldung bis 6. Juli - Kosten: 50 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 10 Euro Sonntag, 14. Juli | 10 bis 13:30 Uhr Musikfrühstück am Waldzentrum Heute kann auf dem Gelände des Waldzentrums gefrühstückt werden. Das Frühstück und die Picknickdecke sind mitzubringen. Für die musikalische Untermalung sorgen nicht nur die gefiederten Sänger ... Ohne Anmeldung – kostenlose Veranstaltung! Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 4544 | Stadt – Wald – Mensch Donnerstag,18. Juli | 19. September jeweils von 15:30 bis 18 Uhr Ein Nachmittag unter Greifvögeln und Eulen Bei einer Führung durch die Falknerei Karlsruhe lernen Sie verschiedene Greifvogel- und Eulenarten kennen. Danach erleben Sie die Vögel in ihrem natürlichen Element. Hierbei werden die Kinder und Sie uns tatkräftig unterstützen, denn unter Anleitung werden Sie selbst mit den Tieren arbeiten. Referentin und Referent: Martina und Pierre Kuhlmann, Falknerin und Falkner Anmeldung erforderlich bis 11. Juli (12. September) – Kosten: 30 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 15 Euro Freitag, 19. Juli | 15:30 bis 18 Uhr Welcher Baum ist das? Der Wald entspannt und erholt uns. Aber welche Baumarten kommen dort vor? Erfahren Sie heute Interessantes über die wichtigsten Laub- und Nadelbaumarten im Hardtwald und wie man sie unterscheiden kann. Für Einsteigerinnen und Einsteiger ohne Vorkenntnisse geeignet. Referent: Andreas Ott, Förster und Waldpädagoge Anmeldung bis 12. Juli – kostenlose Veranstaltung! Samstag, 20. Juli | 14 bis 18 Uhr Blütenworkshop: Kulinarisches und Naturkundliches zu essbaren Blüten Blüten sind nicht nur eine Augenweide und/oder ein Dufterlebnis, sondern können auch schmackhaft und sehr gesundheitsfördernd den Speiseplan erweitern. Im Workshop erfahren Sie vieles über den Facettenreichtum der Blüten und bereiten verschiedene Leckereien zu. Referentin: Daniela Schneider, Wald-, Natur- und Wildnispädagogin Anmeldung bis 5. Juli – Kosten: 20 Euro/Teilnehmenden, zuzüglich 4 Euro Materialkosten Samstag, 27. Juli | 20:30 bis 22 Uhr Wie das Feuer auf die Erde kam – Märchen rund um das Feuer Am knisternden, flackernden Lagerfeuer werden in traditioneller Weise Märchen aus aller Welt und Wissenswertes rund ums Feuer erzählt. Ein Erlebnis für alle Sinne! Referentin: Annette Volz, Märchenerzählerin Anmeldung bis 19. Juli – Kosten: 5 Euro/Teilnehmenden ab 16 Jahre Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 4746 | Stadt – Wald – Mensch Montag, 29. Juli bis Freitag, 2. August | jeweils 9 bis 15 Uhr Sommerferienprogramm: Zeitreise zu den Kelten Wir lernen das Leben der geheimnisvollen Kelten kennen, die vor mehr als 2.000 Jahren gelebt haben. Wir färben Wolle und verarbeiten diese auch weiter. Wir fertigen Schmuck oder ein Schutzamulett an und probieren die Kunst des Töpferns oder Korbflechtens aus. Auch ein Besuch bei der als magisch geltenden Eiche darf nicht fehlen. Sicherlich fallen uns eine Menge Geschichten dazu ein … Am letzten Tag probieren wir keltische Rezepte aus und backen auch Leckereien in unserem Lehmbackofen. Für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren, maximal 15 Teilnehmende Kosten: 115 Euro/Kind, inklusive Materialkosten, ohne Verpflegung Anmeldung bei Gabi Tagscherer, Kunsthistorikerin und Museumspädagogin E-Mail: gtagscherer@yahoo.de Telefon: 06205 3096886 Montag, 29. Juli bis Freitag, 2. August jeweils 9 bis 15 Uhr Sommerferienprogramm: Waldindianer auf leisen Sohlen In dieser Ferienwoche werden aus „Großstadtindianern“ richtige Waldindianer. Wir schleichen durch den Wald, gehen auf Tierspurensuche und entdecken spielerisch die Geheimnisse des Waldes. Mitten im Wald errichten wir unser Indianerlager. Hier halten wir Indianerrat, geben uns Indianernamen und lernen indianische Rituale kennen. Gemeinsam stellen wir aus Naturmaterialien Farben her und bauen für unser Pow-Wow eigene Musikinstrumente. So kann das Abenteuer als Waldindianer richtig losgehen! Für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, maximal 18 Teilnehmende Kosten: 130 Euro/Kind, inklusive Materialkosten, ohne Verpflegung Anmeldung bei Daniela Klüger, Biologin und Waldpädagogin sowie Christine Müller-Beblavy, Geoökologin und Waldpädagogin E-Mail: ferienprogramm@klueger.net Telefon: 0721 4999081 Montag, 5. August bis Freitag, 9. August jeweils 9 bis 14 Uhr Sommerferienprogramm: Didgeridoo und Känguru – Eine Reise nach Australien Komm mit auf eine Reise ans andere Ende der Welt! Wir spüren im Wald den Traumpfaden der australischen Ureinwohner nach, lernen deren Tierwelt kennen und lassen Kunstwerke im Stil des Dot-Painting entstehen. Außerdem fertigen wir ein Didgeridoo, einen Regenmacher und einen Bumerang an. Am letzten Tag backen wir Brot und Bananenkuchen nach alten Rezepten der Aborigines. Für Kinder zwischen sieben und zehn Jahren, maximal 15 Teilnehmende Kosten: 115 Euro/Kind, inklusive Materialkosten, ohne Verpflegung Anmeldung bei Gabi Tagscherer, Kunsthistorikerin und Museumspädagogin E-Mail: gtagscherer@yahoo.de Telefon: 06205 3096886 Montag, 5. August bis Freitag, 9. August Montag, 12. August bis Freitag, 16. August jeweils 9 bis 14 Uhr Sommerferienprogramm: Im Wald da sind die Räuber 1 und 2 In dieser Ferienwoche wollen wir das Räuberleben ausführlich kennen lernen. Wir gründen eine Räuberbande, bauen uns ein geheimes Lager im Wald, erproben unsere neu erlernten Fähigkeiten und lernen einige Geheimnisse des Waldes kennen, denn richtige Räuber müssen sich im Wald gut zurecht finden. Am Ende der Ferienwoche bereiten wir ein richtiges Räubermahl am Lagerfeuer. Für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, maximal 18 Teilnehmende Kosten: 115 Euro/Kind, inklusive Materialkosten, ohne Verpflegung Anmeldung bei Regine Schirmer, Waldpädagogin E-Mail: mail@naturerlebnis-schirmer.de Telefon: 07236 7282 Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 4948 | Stadt – Wald – Mensch Freitag, 9. August | 16:30 bis 18:30 Uhr Wald vor unserer Haustür: Wie wirkt sich der Klimawandel auf unseren Wald aus? Extremereignisse, Trockenheit und Hitze – unser Klima ändert sich. Doch was bedeutet dies langfristig für den Wald vor unserer Haustür? Bei einer Radtour durch den Wald informieren wir Sie über mögliche Änderungen und klimagerechten Waldumbau. Referent: Ulrich Kienzler, Forstamtleiter Anmeldung bis 2. August – kostenlose Veranstaltung! Freitag, 9. August | 16:30 bis 18:30 Uhr Freitag, 16. August | 19 bis 21:30 Uhr Abendspaziergang: Fledermäuse und andere Tiere der Nacht Der Hardtwald ist Lebensraum für mehr als zehn Fledermausarten. Bei unserem Spaziergang lernen Sie typische Waldstrukturen der einzelnen Arten kennen und erfahren einiges über die Biologie, Gefährdung und Schutzmöglichkeiten dieser bedrohten Tiergruppe. Außerdem gibt es Informationen zu anderen nachtaktiven Waldtieren. Referentin: Heike Rösgen, Biologin und Waldpädagogin, ehrenamtliche Fledermaus-Sachverständige Anmeldung bis 9. August – kostenlose Veranstaltung! Freitag, 23. August | 19 bis 21:30 Uhr Fledermausnacht Im Rahmen der europäischen Batnight lernen wir die geheimnisvollen Flattertiere genauer kennen und gehen mit einem Batdetektor „auf die Jagd“. Referentin: Heike Rösgen, Biologin und Waldpädagogin, ehrenamtliche Fledermaus-Sachverständige Anmeldung bis 15. August – Kosten: 10 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 5 Euro Montag, 26. August bis Freitag, 30. August jeweils von 9 bis 15 Uhr Sommerferienprogramm: Zeitreise in die Steinzeit Mit der Zeitmaschine begeben wir uns auf die Reise in lang vergangene Zeiten und spüren dem Leben in der Steinzeit nach. Wir werden töpfern, Speere schleudern, ein Feuersteinmesser nachbauen, mit selbst hergestellten Farben „Höhlenmalerei“ betreiben und vieles mehr. Für Kinder zwischen sieben und elf Jahren, maximal 13 Teilnehmende Kosten: 125 Euro/Kind, inklusive Materialkosten, ohne Verpflegung Anmeldung: bei Arne Trautmann, Steinbildhauer, Archäologe und Kulturpädagoge E-Mail: ferienprogramm@kulturprojekte-trautmann.de Telefon: 0176 22870005 Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 5150 | Stadt – Wald – Mensch Montag, 2. September bis Freitag, 6. September jeweils von 9 bis 14 Uhr Sommerferienprogramm: Waldwerkstatt Zum Abschluss der Sommerferien nutzen wir den Wald als Raum zum Spielen und zur kreativen Gestaltung. Vom Baumblattdruck und Betonguss über Kräuterseife und selbst gefärbter Wolle bis hin zu Klappermonstern und Zapfengeistern – wir werden schöne Dinge zum Aufhängen, Verschenken und Selbstbenutzen herstellen. Wir bilden zwei Gruppen für Kinder von sieben bis neun Jahren und für die Älteren. Beide Gruppen werden viel gemeinsam machen, aber auch unterschiedliche altersentsprechende Dinge unternehmen. Für Kinder zwischen sieben und elf Jahren, maximal 20 Teilnehmende Kosten: 115 Euro/Kind, inklusive Materialkosten ohne Verpflegung Anmeldung: bei Arne Trautmann, Steinbildhauer, Archäologe und Kulturpädagoge E-Mail: ferienprogramm@kulturprojekte-trautmann.de Telefon: 0176 22870005 Samstag, 14. September | 14 bis 18 Uhr Waldbaden - die gesundheitsfördernden Wirkungen der Waldatmosphäre Das sogenannte „Waldbaden“ hat in Japan schon lange Tradition und ist dort anerkannter Bestandteil der Gesundheitsvorsorge. Es wird Shinrin Yoku genannt, wörtlich übersetzt „Eintauchen in die Waldatmosphäre“ oder kurz „Waldbaden“. Dies wollen wir heute erleben. Referentin: Daniela Schneider, Wald-, Natur- und Erlebnispädagogin Anmeldung bis 7. September – Kosten: 20 Euro/Teilnehmenden Freitag, 27. September | 15:30 bis 17 Uhr Wald vor unserer Haustür: Streifzug durch die Waldstadt Heute sind wir in den Wäldern der Waldstadt unterwegs. Referent: Reinhard Huber, Förster Anmeldung bis 20. September – kostenlose Veranstaltung! Samstag, 5. Oktober | 14 bis 18 Uhr Flüssige Gerste trifft hartes Holz – Wald-Whisky-Wanderung Erst durch die mindestens dreijährige Reifung in einem Holzfass wird aus einem Getreidebrand ein Whisky. Bei unserer circa fünf Kilometer langen Wanderung durch den Grünwettersbacher Wald besuchen wir verschiedene Eichen, vom Sämling bis zum 200-jährigen Baum. Neben Wissenswertem über Eichen erfahren und schmecken wir bei der Verkostung von fünf Whiskys, wie sich die Auswahl der Eichen auf den Geschmack des Whiskys auswirkt. Ein kleines „waldtypisches“ Vesper sorgt unterwegs für die nötige Stärkung. Referenten: Bernd Struck, Förster und Rolf Dingler, Whiskyexperte (Chalet Dingler, Durlach) Anmeldung bis 27. September – Kosten: 60 Euro/Teilnehmenden Freitag, 11. Oktober | 16:30 bis 18:30 Uhr Wald vor unserer Haustür: Streifzug durch den Neureuter Auenwald Der Revierförster nimmt Sie mit auf einen Spaziergang zu charakteristischen Bäumen und Waldaspekten des Auenwaldes und berichtet über spannende Themen aus seinem Alltag. Referent: René Hotz, Förster Anmeldung bis 4. Oktober – kostenlose Veranstaltung! Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 5352 | Stadt – Wald – Mensch Freitag, 11. Oktober | 19 bis 21 Uhr Musikalischer Mondscheinspaziergang Lieder und Schlager über den Mond, die Nacht und die Romantik aus verschiedenen Epochen machen diese Vollmondwanderung durch den nächtlichen Hardtwald zu einem besonderen Erlebnis. Referentinnen: Lotti Schrabnelli und Peggy Püschel (Gitarre und Gesang) Anmeldung bis 4. Oktober – um eine Spende wird gebeten Samstag, 12. Oktober | 11 bis 17 Uhr Herbstbasteln am Waldklassenzimmer Naturmaterialien stellt uns der Wald in dieser Jahreszeit reichlich zur Verfügung. Familien können ihrer Kreativität und Bastelfreude freien Lauf lassen. Wer von der Anstrengung durstig wird, kann an der Apfelpresse einen frischen Saft trinken. Weitere kulinarische Köstlichkeiten gibt es im Wald-Café. Ohne Anmeldung – Kosten: Bastelbeitrag 5 Euro/Familie Samstag, 12. Oktober | 14 bis 16:30 Uhr Wie im Schlaraffenland – kulinarischer Genuss vom Waldesrand Im Herbst ist im Wald der Tisch gedeckt und das nicht nur für die Tiere. Wir entdecken Waldränder ganz neu von ihrer kulinarischen Seite. Gemeinsam bestimmen wir die Sträucher am Wegesrand und ihre Früchte, tauschen Rezepte aus und genießen verschiedene „Waldrandprodukte“. Referentin: Stephi Bauer, Försterin, Funktionsstelle Waldökologie Anmeldung bis 4. Oktober – es wird um eine Spende für die Lebensmittel gebeten Freitag, 18. Oktober | 18:30 bis 21:30 Uhr Schatzsuche im dunklen Wald Wir erleben eine spannende Nachtwanderung, bei der wir nicht nur im Wald unseren Weg finden, sondern auch auf die Suche nach einem Schatz gehen! In einer abschließenden Lagerfeuerrunde können wir uns dann mit Stockbrot und Tee stärken und den Tag stimmungsvoll beschließen! Referent: Oliver Bardon, Wald- und Wildnispädagoge, erlebnispädagogischer Trainer Anmeldung bis 11. Oktober – Kosten: 20 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 8 Euro Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 5554 | Stadt – Wald – Mensch Samstag, 19. Oktober | 14 bis 17 Uhr Kulinarische Schätze im Herbstwald Bei unserem Streifzug durch den Herbstwald warten einige kulinarische und gesundheitsfördernde Schätze auf Sie. Sie erfahren, wie zum Beispiel Eichelkaffee und andere herbstliche Waldspezialitäten zubereitet werden. Hören Sie Kurioses über die Lebenswelt der Bäume und erweitern Sie Ihr naturkundliches Waldwissen. Natürlich gibt es auch wilde Probiererle zum Verkosten vor Ort. Referentin: Daniela Schneider, Wald-, Natur- und Wildnispädagogin Anmeldung bis 11. Oktober – Kosten: 15 Euro/Teilnehmenden zuzüglich 4 Euro Materialkosten Montag, 28. Oktober bis Donnerstag, 31. Oktober jeweils 9 bis 14 Uhr Herbstferienprogramm: unterm bunten Blätterdach Der Herbst lädt uns ein, den Wald noch einmal mit allen Sinnen zu genießen bevor der Winter kommt. Wir erleben, wie sich die Tiere auf die kalte Jahreszeit vorbereiten, richten uns ein gemütliches Lager ein und halten uns bei wilden Waldspielen warm. Wir entdecken die vielen verschiedenen Farben des Herbstes und erschaffen daraus eigene Kunstwerke. Die gemeinsame Ferienwoche beschließen wir am wärmenden Feuer mit einem selbstgemachten Lagerfeueressen. Für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, maximal 18 Teilnehmende Kosten: 95 Euro/Kind, inklusive Materialkosten ohne Verpflegung Anmeldung bei Regine Schirmer, Waldpädagogin E-Mail: mail@naturerlebnis-schirmer.de Telefon: 07236 7282 Donnerstag, 31. Oktober | 17 bis 19:30 Uhr Halloween im Wald - Familienrallye Wir begeben uns im dunklen Wald auf Geisterjagd und stärken uns anschließend mit leckerem Stockbrot am gemütlichen Lagerfeuer. Referentin: Regine Schirmer, Waldpädagogin Anmeldung bis 25. Oktober – Kosten 15 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 7,50 Euro Samstag, 9. November | 13 bis 16 Uhr Licht in der dunklen Jahreszeit – Laternen und Lichtobjekte aus Weidenruten Wir gestalten eine Laterne aus Weidenruten mit farbigem Seidenpapier. Referentin: Christine Lutz, Wald-, Atelier- und Werkstattpädagogin Anmeldung bis 31. Oktober – Kosten: 15 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 7,50 Euro inklusive Materialkosten für eine Laterne Sonntag, 10. November | 14 bis 17 Uhr Überwinterung der Tiere Was brauchen Igel, Wildbienen, Schmetterlinge und Co. zum Überwintern und wie können wir ihnen helfen? Heute Nachmittag lernen wir unterschiedliche Überwinterungsstrategien kennen und basteln kleine Quartierhilfen, die am Waldklassenzimmer aufgestellt werden. Referentin: Heike Rösgen, Biologin und Waldpädagogin Anmeldung bis 31. Oktober – um eine kleine Spende für Materialkosten wird gebeten 56 | Stadt – Wald – Mensch Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 57 Samstag, 16. November | 9 bis 13 Uhr Holzernte erleben – mit den Forstwirten im Bergwald unterwegs Wenn im Herbst die Bäume ihre Blätter verlieren, beginnt im Wald die Holzernte. Erfahren Sie, nach welchen Kriterien die zu fällenden Bäume ausgewählt werden. Erleben Sie die Fällung und den bodenschonenden Transport. Außerdem zeigen wir, was aus dem gewonnenen Rohstoff alles entsteht. Referenten: Frank Weber, Forsttechniker und Forstwirte Anmeldung bis 8. November – kostenlose Veranstaltung! Freitag, 22. November | 14:30 bis 17 Uhr Adventskränze, -gestecke und Dekoration selbst gemacht Unter Anleitung einer erfahrenen Floristin können Adventskränze und Türschmuck für die Vorweihnachtszeit gebastelt werden. Referentin: Margit Kurz, Floristin Anmeldung bis 15. November – 22 Euro/Teilnehmenden, inklusive Reisig, zuzüglich Materialkosten Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 5958 | Stadt – Wald – Mensch Dienstag, 10. Dezember bis Donnerstag, 12. Dezember jeweils von 17 bis 19:30 Uhr Lichterreise Freuen Sie sich auf einen Adventsspaziergang im von Kerzen erleuchteten Wald. Weihnachtsgeschichten in Bildern, eine Krippe mit lebensgroßen Holzfiguren und Punsch am warmen Ofen erwarten Sie. Ohne Anmeldung – kostenlose Veranstaltung! Samstag, 14. Dezember | 11 bis 14 Uhr Weihnachtskrippen selbst gebaut/Weihnachtsfiguren selbst gemacht Mit Naturmaterialien und vielen kreativen Ideen bauen wir unsere eigene Weihnachtskrippe. Eine Weihnachtsidee für Eltern mit Kindern oder Großeltern mit Enkeln. Referentin: Ulrike Rümmele, Wald- und Naturpädagogin Anmeldung bis 6. Dezember – Kosten: 25 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab sechs Jahren, jedes weitere Familienmitglied 10 Euro, inklusive Materialkosten Samstag, 23. November | 11 bis 17 Uhr Adventsbasteln am Waldklassenzimmer Die Adventszeit rückt näher und es wird Zeit das Zuhause weihnachtlich zu dekorieren. Ob Sie unter Anleitung einer erfahrenen Floristin basteln oder selbst kreativ werden wollen, steht Ihnen frei. Auch die Schnitzwerkstatt ist geöffnet. Für Kinder haben wir uns ein spezielles Bastelprogramm ausgedacht. Im Wald-Café kann man sich diverse Kleinigkeiten schmecken lassen. Ohne Anmeldung – Kosten: Bastelbeitrag 5 Euro/Familie (inklusive Material für einen Kranz oder ein Gesteck) Samstag, 7. Dezember | 14 bis 17 Uhr Aktiv werden für den Artenschutz: Weihnachtsgeschenke für Waldtiere Der Winter ist für die Waldtiere eine entbehrungsreiche Zeit. Deshalb stellen wir heute für unterschiedliche Tiergruppen artgerechtes Futter her und schenken es den Tieren im eigenen Garten oder am Waldklassenzimmer. Referentin: Ulrike Rümmele, Wald- und Naturpädagogin Anmeldung erforderlich bis 30. November – Kosten: 10 Euro für einen Erwachsenen und ein Kind ab fünf Jahren, jedes weitere Familienmitglied 5 Euro, inklusive Materialkosten Forstamt | Waldpädagogik Karlsruhe | 6160 | Stadt – Wald – Mensch Impressum Waldpädagogik Karlsruhe Waldzentrum – Forstamt, Stadt Karlsruhe Linkenheimer Allee 10 76131 Karlsruhe Layout und Karte: Martina Hopp, Liegenschaftsamt Bilder: Titel: Sprung vom Baumhaus, Archiv Waldpädagogik Seite 6: Waldsofa, Christine Bürger Seite 7: Erlebnispädagogik im Wald, Archiv Waldpädagogik Seite 10: Pflanzaktion in Grünwinkel, Archiv Waldpädagogik Seite 11: Fortbildung am Waldzentrum, Archiv Waldpädagogik Seite 14: Entdeckertag am Waldklassenzimmer, Archiv Waldpädagogik Seite 15: Yoga am Waldzentrum, Archiv Waldpädagogik Seite 16: Barfuß im Wald, Daniela Schneider Seite 17: Backen im Holzbackofen, Archiv Waldpädagogik Seite 18: Musikalischer Spaziergang, Archiv Waldpädagogik Seite 19: Raus in den Wald, Christine Bürger Seite 24: Schnitzvorlagen Besteck, Archiv Waldpädagogik Seite 25: Holzwerkstatt, Archiv Waldpädagogik Seite 28: Land-Art im Wald, Regine Schirmer Seite 29: Frühlingswald, Archiv Waldpädagogik Seite 30: Maikäfer, Martin Kurz Seite 31: Walpurgisnacht, Archiv Waldpädagogik Seite 34: Essbares aus dem Wald, Daniela Schneider Seite 35: Haubenmeise, Oliver Harms Seite 44: Greifvogel, Archiv Waldpädagogik Seite 45: Essbare Blüten, Archiv Waldpädagogik Seite 48: Radtour durch den Hardtwald, Archiv Waldpädagogik Seite 49: Reise in die Steinzeit, Archiv Waldpädagogik Seite 52: Holzmännchen, Archiv Waldpädagogik Seite 53: Lagerfeuer, Archiv Waldpädagogik Seite 56: Holzernte, Bernd Struck Seite 57: Adventskranz, Archiv Waldpädagogik Seite 58: Weihnachtsdekoration Holz, Archiv Waldpädagogik Seite 59: Krippenbau, Archiv Waldpädagogik Druck: xxxxxxx, Recyclingpapier, Auflage 8000 Exemplare Stand: Januar 2019 Mitglied werden Möchten Sie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V. (Projektträger der Waldpädagogik Karlsruhe) unterstützen? Dann werden Sie Mitglied bei der Kreisgruppe Karlsruhe, der Arbeitsgemeinschaft Oberrheinische Waldfreunde e.V.! Das Anmeldeformular finden Sie auf der nächsten Seite. Werbung L-Bank  Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Kreisverband AG Oberrheinische Waldfreunde e.V. Andersenstr. 7 76199 Karlsruhe www.sdw-bw.de Tel. 0721 884 728 Fax 0721 882 563 E-Mail: robert.muerb@web.de Sparkasse Karlsruhe Ettlingen IBAN DE84 6605 0101 0009 6680 05 Beitrittsformular Ja, ich möchte die gemeinnützige Tätigkeit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Kreisverband Arbeitsgemeinschaft Oberrheinische Waldfreunde e.V. durch meine Mitgliedschaft unterstützen. Anrede: Ggf. Titel: Name: Vorname: Straße und Hausnummer: PLZ und Ort: E-Mail: Geburtsdatum: Telefon: Telefax: Weitere Familienmitglieder, ggf. Geburtsdatum: Hiermit ermächtige ich die AG Oberrheinische Waldfreunde e.V. widerruflich, die von mir zu entrichtende jährliche Beitragszahlung in Höhe von 15,00 € bei Fälligkeit zu Lasten des untenstehenden Girokontos abzubuchen. Kontoinhaber: BIC Kreditinstitut (Name): IBAN D E Ort: Datum: Unterschrift Kontoinhaber: Wald. Deine Natur. EINE GUTE FINAN- ZIERUNG IST DIE HALBE MIETE. @ Ganz gleich, ob Sie die eigenen vier Wände kaufen, renovieren oder um weitere Wände erweitern möchten – die L-Bank unterstützt Sie dabei. Planen Sie unsere zinsgünstigen Förderdarlehen also gleich mit ein. Erstes Ausbauwissen erhalten Sie hier: www.l-bank.de/wohnraumfoerderung Anfahrt zum Waldzentrum Das Waldzentrum befindet sich im stadtnahen Hardtwald in der Linkenheimer Allee 10. Sie erreichen es mit: „„ Fahrrad: durch den Schlossgarten bis zum Nordausgang am Teich, weiter die Linkenheimer Allee fahren bis eine Brücke über den Adenauerring führt. Von da aus noch etwa 500 Meter die Linkenheimer Allee entlang. Fahrradabstellplätze sind am Waldzentrum und Waldklassenzimmer vorhanden. „„ Bus Linie 73: ab Europaplatz Richtung „Kirchfeld Nord“ bis Haltestelle „Am Kanalweg“, von dort etwa ein Kilometer Fußweg. „„ Straßenbahn (Tram): ab Haltestelle Marktplatz etwa zweieinhalb Kilometer Fußweg durch den Schlosspark und die Linkenheimer Allee. „„ PKW: ab Durlacher Tor/Mühlburger Tor den Adenauerring entlang fahren. Zwischen Schützenhaus und Stadion bei der Fußgängerbrücke nach Norden in die Linkenheimer Allee abbiegen. Parkplätze befinden sich am Waldzentrum und nahe der Fußgängerbrücke (etwa 500 Meter Fußweg).
https://www.karlsruhe.de/b3/soziales/einrichtungen/kinderbuero/kinderinteressen/die_natur_des_kindes/natur_des_kindes_veranstaltung/HF_sections/content/ZZnnuCZ2m6gqvt/ZZoZGWTJ3a8fDV/Jahresprogramm%202019%202%20Teil.pdf
KLEINER BEGINN Die Stadtverwaltung entwi ckelte sich stetig in Aufga ben und Größe. Seite 2 GEMEINDERAT Plenum und Ausschüsse geben vielfältige Impulse für die Zukunft. Seite 3 MODERNISIERUNG Die Stadt baut den Service aus und arbeitet künftig in IQ Prozessen. Seite 3 23. November 2018 | Sonderveröffentlichung der StadtZeitung | Amtsblatt der Stadt Karlsruhe Der Tag beginnt festlich, wenn historische Trompetenfanfaren vom großen Rathausbalkon in den Bürgersaal laden, in dem ab 10 Uhr bei der offiziellen Eröffnung an die Anfänge der Karlsruher Stadtver- waltung und des Gemeinderates im Jahr 1718 erinnert wird. Nach Musik des damaligen Hofkompo- nisten Johann Melchior Molter trifft Geschichte auf Gegenwart, wenn Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup in einen lockeren Dialog mit dem Zeitreisenden und ersten Karlsruher Bürgermeister Johannes Sembach tritt. Dieser er- zählt von den schwierigen Zeiten nach der Stadtgründung und sei- ner Tätigkeit als Bürgermeister in den Jahren 1718 bis 1720. Zugleich erfährt er Unglaubliches über die Stadt Karlsruhe im 21. Jahrhun- dert. Im Gespräch mit Dr. Susanne Asche, der Leiterin des Kulturamts, geben danach die jüngste Stadträ- tin Zoe Mayer und der dienstältes- te Stadtrat Dr. Klaus Heilgeist ei- nen spannenden Einblick in ihre Arbeit im Plenum. Später haben In- teressierte die Möglichkeit, bei Kaffee und Kuchen mit allen Rats- mitgliedern ins Gespräch zu kom- men und bei einer Ausstellung Wissenswertes zur Entstehung des Gremiums in Erfahrung zu brin- gen. Infos, Hintergründe und His- torisches finden sich zudem in die- ser Sonderveröffentlichung. Darüber hinaus gibt es natürlich noch viele weitere spannende Ein- blicke und Ausblicke beim Tag der offenen Tür. In der neuen, voll- verglasten KarlsKantine oben im Technischen Rathaus warten nicht nur leckere Snacks, sondern auch faszinierende Rundumblicke über die Dächer der Stadt. Wer sogar noch höher hinaus möchte, nimmt bei einer Führung durch den his- torischen Rathausturm teil. Dieser war früher Gefängnis und Feuer- beobachtungsstelle. Alles Wissenswerte zu den ein- zelnen Stationen, den Standorten und besonderen Aktionen finden Interessierte im Programmheft und im Flyer. Beides ist abrufbar unter der Adresse www.karlsru- he.de/tag_der_offenen_tuer. -gem- Die Stadtverwaltung lädt zum Tag der offenen Tür und bietet am Samstag, 24. November, dem Tag des 300-jährigen Bestehens von Gemeinderat und Verwaltung, von 10 bis 17 Uhr ein umfangrei- ches und unterhaltsames Pro- gramm. Im Rathaus, auf dem Marktplatz und in der KarlsKanti- ne gibt es Einiges zu entdecken. Es begann im Wirtshaus… Entdeckungstour mit Erlebnischarakter Seit 300 Jahren Gemeinderat und Stadtverwaltung RATHAUS UND RIESENRAD: Am Tag der offenen Tür gibt es auch von den oberen Etagen aus jede Menge Einblicke. Fotos (4): Fränkle Nicht nur die einzelnen Ämter und Dienststellen öffnen ihre Tü- ren, sondern auch die Chefetage stellt sich vor. Bürgermeister Dr. Albert Käuflein steht Interessier- ten in seinem Dienstzimmer für Fragen und Gespräche bereit, auch Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup kann in seinem Büro besucht werden. Hier wer- den zudem das goldene Buch der Stadt und die Amtskette ausge- stellt. Zu diesem Anlass bietet das Presse- und Informationsamt einen ganz besonderen Service. Besucherinnen und Besucher können sich in der Zeit von 12 bis 16 Uhr am Schreibtisch von OB Mentrup fotografieren lassen, bis 14 Uhr ist das Stadtoberhaupt so- gar selbst mit von der Partie. Das frisch geschossene Bild wird dann digital an der Stelle platziert, an der jetzt das Foto der offenen Rat- haustür zu sehen ist (siehe oben). Danach geht das Bild zur Rat- hausdruckerei, in der sich die Be- sucherinnen und Besucher dann ihre ganz persönliche Titelseite abholen können. -gem- Hineinspazieren und groß rauskommen Familien dazu ein, bei Spielstatio- nen und in Handwerksstätten ak- tiv zu werden. Für abwechslungs- reiche Unterhaltung für alle Gene- rationen ist also gesorgt. -gem- Schon als der Karlsruher Markt- platz zu Beginn des 19. Jahrhun- derts nach den Plänen des badi- schen Baumeisters Friedrich Weinbrenner entstand, war er ein zentraler Ort für das öffentliche Stadtgeschehen. Beim Tag der of- fenen Tür finden dort vielfältige Mitmachaktionen statt, die ihn aufs Neue mit Leben erfüllen. Die Feuerwehr präsentiert zum Bei- spiel ihre Hubrettungsbühne, die eine Höhe von bis zu 42 Metern erreichen kann. Hoch hinaus geht es auch in den Gondeln des Rie- senrades. Schwindelfreie haben somit gleich mehrfach die Mög- lichkeit, den Marktplatz aus der Vogelperspektive zu erleben. Wie am Müllfahrzeug die Ton- nen geleert werden, zeigt das Amt für Abfallwirtschaft und stellt zu- dem seine orangene Flotte vor. Auch das Ordnungs- und Bürger- amt bringt seinen Fuhrpark mit, und das KVV-Eventmobil lockt als moderner Infopoint in der Karos- serie eines alten Linienbusses. Streuobst unter freiem Himmel heißt es beim Liegenschaftsamt. Spannende Rätselaufgaben rund um Äpfel, Birnen und Co. erwar- ten Besucherinnen und Besucher ebenso wie eine Maschinenaus- stellung und frisch gepresster Bio- Apfelsaft. Der Stadtjugendaus- schuss lässt schließlich den Mobi- Bus vorfahren und lädt Kinder und Action und aufregende Aussichten Der Marktplatz verwandelt sich in eine interaktive Spielwiese für alle Altersklassen ANZIEHUNGSPUNKT: Buntes Treiben – wie beim Tag der offenen Tür 2012 – lockt immer wieder viele Menschen auf den Marktplatz. Mechanik trifft Zukunft Von historischen Büromaschinen bis zur Drohne Technik- und Nostalgiefreun- de werden beim Tag der offenen Tür gleich mehrfach fündig. His- torische Büromaschinen aus dem Stadtmuseum nehmen Interes- sierte mit auf eine kleine Zeitrei- se, bei der die Entwicklung von der mechanischen Schreib- und Rechenmaschine hin zu den ers- ten elektrischen Maschinen deutlich wird. Mehr Power bietet da schon der moderne Verkehrs- rechner, der unter anderem die Ampeln der Stadt steuert. Die Rathausdruckerei produ- ziert mit ihren vier digitalen Druckmaschinen jährlich sechs Millionen Drucke und verarbei- tet diese auch weiter. Interessier- te können die Druckerei kennen- lernen und sich Motivpostkarten oder den Handabdruck des Kin- des anfertigen lassen. Wozu mo- derne Technik bei der Stadt so eingesetzt wird, erklärt das Lie- genschaftsamt bei einer Ausstel- lung über moderne Vermes- sungsgeräte wie Laserscanner und Vermessungsdrohnen. Es entstehen etwa Fassadenpläne, die zur Restaurierung von alten Gebäuden eingesetzt werden. Die gewonnenen Daten können weiter dafür genutzt werden, um Gebäudemodelle eines digitalen 3D-Stadtmodells zu verfeinern und aktuell zu halten. -gem- NOSTALGISCHES FLAIR ver- strömen die alten Maschinen. Spielspaß für die ganze Familie Ein besonderes Highlight ist das umfangreiche Kinderprogramm. Kombi Karle und Tina Tunnel kommen zu Besuch und der Stja lädt Kinder und Familien dazu ein, sich bei Geschicklichkeits- und Balancespielen zu versuchen, mit Bambus Kugelbahnen zu konstru- ieren oder mit Ton und Schmuck zu experimentieren. Beim Forst- amt kann die ganze Familie mit Holz basteln, designte Karlsruher Motivpostkarten liegen beim Pres- seamt zum Ausmalen bereit. Jun- ge Gäste können auch hinter dem Steuer einer Kleinkehrmaschine Platz nehmen, Clown Carmensita bereichert das Geschehen mit tol- len Ballonfiguren. -bea-/-gem- Rathauskino und Schnäppchenjagd Die Empore des Bürgersaals steht bei Sitzungen des Gemeinde- rats allen Bürgerinnen und Bür- gern zur Verfügung, die sich poli- tisch informieren möchten. Beim Tag der offenen Tür gastiert dort das Rathauskino. Ab 12 Uhr laufen immer im Wechsel der Kurzfilm „Für die Menschen unserer Stadt: 300 Jahre Gemeinderat Karlsru- he“ und der „Imagefilm Karlsru- he“. Schnäppchenjägerinnen und Schnäppchenjäger kommen beim Flohmarkt des Hauptamtes auf ihre Kosten. Im Innenhof des Rat- hauses lässt es sich nach Herzens- lust wühlen und kruschteln, und die Einnahmen gehen als Spende an einen guten Zweck. -gem- Innovativ und quervernetzt Der IQ-Prozess steht bei der Karlsruher Stadtverwaltung für eine innovative und quervernetzte Arbeitsweise, die agiles und kreati- ves Vorgehen fördern soll und da- bei eine Vernetzung über Fach- und Hierarchiegrenzen hinweg zu- lässt. Mit sechs Korridorthemen und vielen dazugehörigen Leitpro- jekten soll der Fortschritt in der Fä- cherstadt vorangetrieben werden. Interessierte haben beim Tag der offenen Tür die Chance, sich Ein- druck von den vielfältigen Aufga- ben rund um die Themengebiete Zukunft Innenstadt, Moderne Ver- waltung, Soziale Stadt, Wirtschaft und Wissenschaft, Grüne Stadt und Mobilität zu verschaffen. -gem- Was sonst noch los ist Nachhaltiges Bauen und Sa- nieren lässt sich bei einer Rad- tour des Amts für Hochbau und Gebäudewirtschaft zu Projekten erleben. Treffpunkt ist um 14 Uhr (Stand im 2. OG). Die AVG legte den Grundstein für die Verknüpfung von Stra- ßen- und Eisenbahn und damit das „Karlsruher Modell“. Wer die Leidenschaft für Mobilität teilt, kann sich über eine Aus- bildung zum Triebfahrzeug- führer informieren. Über die Arbeit für ein friedliches und buntes Miteinander berichtet das Büro für Integration. Ne- ben Sport, Erholung und Ge- sundheit erfüllt der Wald viele Schutzfunktionen und liefert den Rohstoff Holz. Wie alles „unter einen Hut“ passt, zeigt das Forstamt. Einen maßgebli- chen Beitrag zur Lebensquali- tät leistet das Gartenbauamt. Gerne gibt es Tipps zur Ver- besserung des Wohnumfelds. Karlsruhes Partnerstädte und Projektpartnerstädte und die Menschen dahinter lernt man am Stand des Hauptamts und der Freundeskreise kennen. Zuschüsse für die energetische Sanierung von Wohngebäu- den gewährt das städtische Bonusprogramm. Näheres dazu und zum Wohnraumför- derungsprogramm weiß das Liegenschaftsamt. In Karlsru- he gibt es viel zu entdecken – auch für Karlsruher. Die Karls- ruhe Tourismus GmbH berät über Erlebnistouren durch die Stadt und hält Werbematerial bereit. Wie sieht die fertige „Kombilösung“ aus? Einen Blick auf unterirdische Halte- stellen und in die Zukunft der Kriegsstraße ermöglicht die KASIG. Das Kulturamt prä- sentiert Archivalien aus dem Stadtarchiv und ein Modell des 1728 erbauten Rathauses. Erstmals zu sehen ist ein Ge- mälde, das Bürgermeister Jo- hann Cornelius Roman (1734 – 1744) zeigt. Über Servicean- gebote und Kontrollpflichten informiert das Ordnungs- und Bürgeramt. Ob in Verwaltung, Handwerk, Technik, Sozialem, Natur oder Umwelt – die Stadt bietet in über 20 Ausbildungs- berufen und Studiengängen einen Start ins Berufsleben – das Personal- und Organisati- onsamt informiert. Als Um- schlagsplatz für Briefe und Pa- kete der Stadtverwaltung prä- sentiert sich die Poststelle. Jährlich werden von dort zwei Millionen Poststücke versen- det. Rund um Alter und Altern informiert das Seniorenbüro/ Pflegestützpunkt. Ratsuchen- de erfahren hier etwa, welche Unterstützungsangebote im Pflegefall helfen. „Bleibendes schaffen für kommende Gene- rationen“ will die Stadtkäm- merei und stellt Projekte und Hilfen vor, die aus Nachlässen zugunsten der Stadt oder mit- hilfe kommunaler Stiftungen ermöglicht wurden. Ein Mo- dell der Stadt Karlsruhe aus der Bauwerkstatt des Stadt- planungsamts bietet in der Karlskantine Gelegenheit, die Stadt, ihre Quartiere, Grün- räume und Plätze im Maßstab 1:500 mit einem Blick zu erfas- sen. Die Mehrzahl der in städ- tischer Regie betriebenen 260 Ampeln ist mit dem Verkehrs- rechner verbunden. Wie das „Herz der Karlsruher Ver- kehrssteuerung“ aussieht und was es kann, zeigt das Tief- bauamt. Unterstützung für Un- ternehmen und Existenzgrün- der ist eine von vielen Aufga- ben der Wirtschaftsförderung. Was sie sonst so alles macht, erfährt man vor Ort. -maf- 23. November 2018 | Sonderveröffentlichung der StadtZeitung | Amtsblatt der Stadt Karlsruhe2 bleme in der stark zerstörten Stadt. Ein Teil der aktiven Natio- nalsozialisten wurde gleich entlas- sen, ein Teil, nachdem Ersatz für sie gefunden war. Bereits im April 1945 nahmen 16 Bezirksverwaltungsämter ihre Tä- tigkeit auf. Das Personal dieser de- zentralen Verwaltungseinheiten rekrutierte sich im Wesentlichen aus ehemaligen Hitlergegnern. Handeln und kontrollieren Die heutige Struktur der Stadt- verwaltung ist das Ergebnis eines längeren Prozesses seit 1945, an dessen Ende 35 Ämter mit insge- samt etwa 6500 Beschäftigten ohne die städtischen Gesellschaf- ten stehen. Die Erledigung der Verwaltungsaufgaben durch den Stadtrat wie zu Beginn der Stadt- geschichte ist natürlich schon lan- ge nicht mehr möglich. Dem Ge- meinderat mit heute 48 Mitglie- dern obliegt vor allem die Kontrol- le der Stadtverwaltung, er kann Satzungen erlassen, hat das Etat- recht und die Zuständigkeit für die Stadtplanung und die Einstellung des Personals. Der Oberbürger- meister als Leiter der Verwaltung ist Mitglied und Vorsitzender des Gemeinderats und vertritt die Stadt nach außen. Stadtrat und Stadtverwaltung erledigen gemeinsam die städti- schen Aufgaben, die in 300 Jahren in einem solchen Umfang gewach- sen sind, wie ihn sich Johannes Sembach und seine sechs Stadträ- te in ihren kühnsten Träumen nicht hätten vorstellen können. -br- PRIVILEGIEN: Mit diesem Brief sicherte der Stadtgründer Neuan- siedlern 1722 Rechte und Freihei- ten zu.Foto: StadtAK 8/StS 18/A4 BUNTES TREIBEN: Blick über den Marktplatz mit Marktgeschehen auf das Rathaus um das Jahr 1890. Foto: StadtAK 8/PBS oXIIIb 179 wählten Bürgermeister und den Oberbürgermeister setzten die neuen Machthaber ab. Sie entlie- ßen schon im ersten Jahr ihrer Herrschaft aufgrund des „Geset- zes zur Wiederherstellung des Be- rufsbeamtentums“ in Karlsruhe insgesamt 123 Personen aus dem städtischen Dienst. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm die Stadtverwal- tung rasch wieder ihre Tätigkeit auf und wurde so zu einem we- sentlichen Faktor bei der Bewälti- gung der drängenden Alltagspro- bar nach Kriegsende am 11. No- vember 1918 trug der extremen Wohnungsnot Rechnung. Dies steht für die wachsenden Aufga- ben im Sozialbereich in der Wei- marer Republik. Im Stadtrat gab es nun die ersten Stadträtinnen und auch eine erste Amtsleiterin, Elisabeth Großwendt. Sie war zu- ständig für das Jugendamt. Mit dem Aufstieg der National- sozialisten und der sogenannten Machtergreifung im Jahr 1933 be- gann die Gleichschaltung der Ver- waltung. Die demokratisch ge- In die Amtszeit des wohl bedeu- tendsten Karlsruher Oberbürger- meisters des Kaiserreichs Karl Schnetzler (1892 – 1906), der zuvor schon 17 Jahre erfolgreich als Bür- germeister tätig gewesen war, fie- len Reformen im Sozialbereich, des Gesundheitswesens und der Friedhofsverwaltung ebenso wie der Ausbau der Gas- und Wasser- versorgung und der Bau eines neuen Schlacht- und Viehhofes. Die Entwicklung neuer Industrie- gebiete, die Anlage des neuen, 1901 in Betrieb genommenen Rheinhafens, der Bau des neuen Städtischen Krankenhauses oder die Elektrifizierung der Straßen- bahn sind maßgeblich sein Ver- dienst. Zu diesem Zeitpunkt be- schäftigte die Karlsruher Stadtver- waltung rund 1000 Personen. Erste Amtsleiterin Einen Einschnitt in die Entwick- lung der Stadt und damit auch der Stadtverwaltung brachte der Erste Weltkrieg. Fast die Hälfte der Be- amten und über ein Drittel der städtischen Arbeiter wurden zum Kriegsdienst eingezogen und mussten zunehmend durch weib- liche Arbeitskräfte ersetzt werden. Außerdem kamen neue kriegsbe- dingte Aufgaben vor allem im Be- reich der Lebensmittelversorgung hinzu. Die Gründung eines städti- schen Wohnungsamtes unmittel- Mit sechs Stadträten und dem Bürgermeister Johannes Sembach fing im Jahr 1718 alles an. Ohne Probleme konnten sie ihre Verwal- tungsaufgaben erledigen. Kompe- tenzen und Zuständigkeiten wa- ren und blieben im 18. Jahrhun- dert bescheiden. Immerhin ver- doppelte sich 1730 die Zahl der Stadträte, die seit 1760 den stolzen Titel „Senator“ tragen durften. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stieg Karlsruhe zur großherzoglichen Haupt- und Residenzstadt auf, Wilhelm Christian Griesbach wur- de 1809 als Bürgermeister erst- mals seit 1718 wieder von der Bür- gerschaft gewählt. Da unter ande- rem mit der Eingemeindung von Klein-Karlsruhe die Verwaltungs- aufgaben in der wachsenden Stadt zunahmen, wurde ihm im Jahre 1812 der Titel Oberbürger- meister verliehen und ein zweiter Bürgermeister zur Seite gestellt. Zuständig für Daseinsvorsorge Bürgermeister und Stadtrat hat- ten nach wie vor aber nur geringe Kompetenzen. Dies änderte sich mit der Badischen Gemeindeord- nung vom 31. Dezember 1831, die in Baden den Beginn der Kommu- nalen Selbstverwaltung markiert. Doch erst mit dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein- setzenden starken Wachstum der Stadt war eine deutliche Zunahme der Verwaltungstätigkeiten ver- bunden, die im Ehrenamt nicht mehr zu bewältigen waren. Es bildete sich die sogenannte Leistungsverwaltung heraus, die als Daseinsvorsorge in Bereichen wie der Wasserversorgung, der Bereitstellung von Energie, dem Verkehr oder auf dem Gebiet der Entsorgung tätig war. Aufgaben und Größe gewachsen 300 Jahre Stadtrat und Stadtverwaltung Karlsruhe / Streifzug durch die Entwicklung BLICK ZURÜCK: Eine Tagung der Stadträte unter Vorsitz von Oberbürgermeister Karl Schnetzler im Sitzungszimmer des Rathauses am Marktplatz im Jahre 1902. Foto: StadtAK 8/PBS IV 114 mer, das Rathausbaugeld sowie das Dielen- und Schragengeld be- zahlen. Außerdem waren sie zur Ableistung von Wachdiensten ver- pflichtet, für die sie Stellvertreter stellen konnten. Im Zuge der Aus- übung der niederen Gerichtsbar- keit durften Strafen bis zu zehn Gulden verhängt werden. Zu den Verstößen, die geahndet wurden, gehörte die Störung der Sonntags- ruhe. Bestraft wurden häufig Bä- cker, die ihr Brot zu leicht geba- cken hatten. Belegt ist auch die Ahndung von Unregelmäßigkei- ten von Wirten, deren Flaschen und Behälter nicht ordnungsge- mäß geeicht waren. Die Schlich- tung von Streitigkeiten zwischen den Einwohnern der Stadt war Alltagsgeschäft. Zu den Aufgaben des Rates gehörte schließlich auch die Festlegung der Gebühren für die Benutzung der Metzel- und der Brotbank im Rathaus sowie der Wochenmarktstandgebühren. Zuständig war der Stadtrat auch für die Festsetzung des Brot- und des Fleischpreises. Die Standgel- der auf dem Wochenmarkt und die Metzelbankzinsen legte der Rat ebenfalls fest. Von diesen – eher geringen – Einnahmen mussten unter anderem die Löhne der städ- tischen Bediensteten, die Geräte für den Feuerschutz und das städ- tische Bauwesen bezahlt werden. Zu letzterem gehörte die Unter- haltung städtischer Gebäude, zum Beispiel des Rathauses und der Stadttore. Reparaturen von Gerät- schaften, der Feuerspritzen oder die der Orgel in der Stadtkirche waren von der Stadt zu zahlen. Lange keine große Rolle Aufgaben und Befugnisse des Stadtmagistrats waren in der Frühzeit der Stadt also eng umris- sen. Dass der Stadtrat neben dem dominierenden Hof und den markgräflichen Behörden auch noch viele Jahre später keine allzu große Rolle spielte, bestätigte eine zwar durchaus fürstenfreundliche, aber nicht nur in diesem Punkte durchaus verlässliche Quelle. Der Lehrer Friedrich Leopold Brunn, der 1783 und 1784 als Privatlehrer in Karlsruhe tätig gewesen war und 1791 seine zuvor im Berlini- schen Journal sukzessive veröf- fentlichten „Briefe über Karlsru- he“ in Buchform herausbrachte, berichtete nämlich, dass unter dem Oberamt „auch noch ein be- sonderer Stadtmagistrat besteht, der aber nicht viel zu bedeuten hat.“ Dies sollte sich erst im 19. Jahrhundert ändern. Karlsruhe bekam 1825 ein von Friedrich Weinbrenner gebautes neues re- präsentatives Rathaus, das recht- zeitig fertig wurde, um die mit der badischen Gemeindeordnung vom 31. Dezember 1831 größer gewordene kommunale Selbst- ständigkeit auch nach außen zu dokumentieren. -br- Wo ist hier das Rathaus? Der Stadtrat tagte zunächst im Wirtshaus des ersten Bürgermeisters Die Frage nach dem Rathaus mussten sich alle Neuankömmlin- ge in der jungen baden-durlachs- chen Residenzstadt Karlsruhe noch viele Jahre nach der Stadt- gründung vergeblich stellen. Der am 24. September 1715 veröffent- lichte Gründungsaufruf enthielt zwar viele finanzielle und steuerli- che Vergünstigungen für die Bür- ger, ging aber nicht auf die rechtli- che Stellung der Stadt und die Ein- richtung eines Stadtrats ein. Auch ohne dass dies schon in ir- gendeiner Form verbindlich gere- gelt gewesen wäre, wählten 55 Bürger zu Beginn des Jahres 1718 einen Bürgermeister und sechs Ratsverwandte. Diese hielten ihre zunächst noch sehr unregelmäßi- gen Sitzungen in der Gaststube des ersten Bürgermeisters und Waldhornwirts Johannes Sem- bach ab. Das Waldhorn war bald ein gesellschaftlicher Treffpunkt der Stadt im Aufbau geworden. Den aus Straßburg über das be- nachbarte Durlach zugezogenen Wirt kannten alle, und es war wohl kein Zufall, dass die Wahl zum Bürgermeister auf ihn fiel. Erster Bau 1729 fertig Auch unter Sembachs Nachfol- ger, dem Bäcker Johannes Lud- wig, der das Bürgermeisteramt von 1720 an vier Jahre ausübte, blieb Karlsruhe eine Stadt ohne Rathaus. Immerhin konnte sich die Stadt seit dem 12. Februar 1722 auf ein urkundlich gewährtes Stadtprivileg berufen, das ihr die niederen Polizeiaufgaben und ei- nen Bürgermeister mit Gericht und Rat zubilligte. Erst in der Amtszeit des dritten Karlsruher Bürgermeisters, dem Glaser Georg Adam Ottmann, be- gannen dann im Jahre 1725 erste Planungen eines eigenen Rathau- ses, dessen Bau der Stadtrat im April 1728 beschloss und das ein Jahr später an der Ecke des Marktplatzes fertig gestellt wurde. Dieser erste städtische Bau kostete 2240 Gulden, die von den Bürgern aufgebracht wurden. Zuvor hatten diese über den Standort abge- stimmt und zugleich angegeben, wie viel sie zum Bau des Rathau- ses beitragen wollten. Brotwäger und Umgelder Aber auch wenn Neuankömm- linge nun eine Antwort auf ihre Frage nach dem Rathaus beka- men, konnten sie viele der Dinge, die heute selbstverständlich in ei- nem Rathaus geklärt werden, dort noch nicht erledigen. Die Kompe- tenzen des Stadtmagistrats waren nämlich sehr beschränkt. Neue Mitglieder wählte der Rat zwar je nach Bedarf selbst dazu, die Wahl musste aber vom markgräflichen Oberamt bestätigt werden. Aus ih- ren Reihen besetzten die Ratsher- ren die städtischen Ämter: Almo- senpfleger, Baumeister, Billetten- schreiber, Brotwäger, Feuerbe- schauer, Fleischschätzer, Ge- wicht- und Maßeicher, Kaufhaus- inspektor, Kirchenrüger (die wa- ren für die Kirchendisziplin zu- ständig), Marktmeister, Quartier- meister, Stadtleutnant, Umgelder (zog die indirekten Steuern auf al- koholische Getränke ein), Waisen- richter und Weinsiegler (siegelte die Weinfässer zur Sicherung des Umgeldes). Bürgermeister und Ratsverwandte erhielten keine Besoldung, bekamen aber einen Anteil von den verhängten Strafen und für besondere Tätigkeiten Entschädigungen. Zuständig war der Rat auch für die Besetzung der niederen städti- schen Dienste. Er setzte Bettelvög- te, Feldschützen, Mehlwieger, Nachtwächter, Organisten, Orgel- treter, Stadtknechte, Stadtmess- ner, Stadttamboure, Totengräber und die Viehhirten ein. Außerdem musste der Rat für Waisen die Pfle- ger bestimmen und die Gassen- meister bestellen, die im Brandfal- le die Löscharbeiten in ihren je- weiligen Bezirken leiteten. Großzügige Privilegien Im Gegensatz zu älteren Städten besaß Karlsruhe aber nicht das Recht, selbst Bürger anzunehmen. Der Stadtrat konnte erst nach 1750 eine Stellungnahme abgeben. Die relativ großzügigen Karlsruher Privilegien – unter anderem. steu- erliche Vorteile, unentgeltlicher Bauplatz und Baumaterial, Leib-, Abzugs- und Fronfreiheit – zogen in den ersten Jahren nach der Stadtgründung rasch viele An- siedlungswillige, darunter auch zahlreiche Juden an, die sich erst- mals in einer Residenzstadt nie- derlassen durften, aber als Schutz- bürger zunächst ebenfalls aus- schließlich von den markgräfli- chen Behörden angenommen wurden. Neubürger mussten au- ßer der Bürgertaxe einen Feuerei- Die Stadt Karlsruhe in ihren Anfangsjahren: ECKANSICHT: das 1728 erbaute, 1810 abgebrochene erste Rathaus. Foto: StadtAK 8/PBS XI-Va 296 GRÜNDERZEIT: Stadtplan von Heinrich Schwarz von 1721, mit der vor- gesehenen modellmäßigen Bebauung. Foto: StadtAK 8/PBS XVI 18 Wirt als Bürgermeister Johannes Sembach bei Bürgerschaft und Hof angesehen Der am 24. März 1718 von 55 Bürgern gewählte erste Karlsruher Bürgermeister Johannes Sembach stammte aus Straßburg. Der Sohn eines Kaufmanns heiratete noch in Straßburg Maria Barbara Sem- bach, 1693 kam dort ein Sohn zur Welt. Wohl zwischen 1703 und 1710 zog die vermögende Familie nach Mühlburg, wo Sembach mit seiner Frau zwei Wirtshäuser be- trieb. 1714/15 ließ sich Sembach in Durlach als Hintersasse nieder und wollte noch 1715 in Karlsruhe in der späteren Kronenstraße ein mo- dellmäßiges Haus bauen. Stattdes- sen übernahm er wenig später die Waldhornwirtschaft in der Löwen- kranz Gasse, heute Waldhornstra- ße, die bereits vor der Stadtgrün- dung bestanden hatte. Sembach erweiterte 1717 das Gasthaus um ein daran stoßendes Eckhaus an der Waldhornstraße zur Langen Straße. Die damals noch einzige Gaststätte in der jungen baden- durlachischen Residenz war ein Treffpunkt der Bürger. Die dadurch gewonnene Popularität Sembachs war sicher ein Grund, dass er 1718 der erste Bürgermeister wurde. In den Wirtshausräumen war in den Anfangsjahren der Stadt die Lateinische Schule zu Gast, hier wurden bis zur Fertigstellung eines eigenen Rathauses 1728 auch Rats- sitzungen abgehalten. Welches Ansehen Sembach bei Hof genoss, zeigt die Übernahme der Paten- schaft für seine Enkelin 1718 durch Markgraf Karl Wilhelm und dessen Gemahlin. Nach dem Tod Sem- bachs am 20. August wurde das Gasthaus zum Waldhorn von sei- nem Sohn und der Witwe fast vier Jahrzehnte weitergeführt. -br- Ausstellung zu den Anfängen Der Beginn der Stadtverwaltung Karlsruhe war bescheiden. Der im März 1718 von 55 Bürgern ge- wählte Bürgermeister Johannes Sembach sowie sechs Stadträte tagten erstmals am 24. November des Jahres. Sie übernahmen Ver- waltungsaufgaben wie die Füh- rung der Stadtrechnung oder die niedere Gerichtsbarkeit. Am Tag der offenen Tür (24. No- vember 2018) eröffnet das Kultur- amt im Foyer des Rathauses eine Ausstellung mit Archivalien des Stadtarchivs zu den Anfangsjah- ren Karlsruhes. Präsentiert wer- den dabei Originalamtsbücher, darunter der älteste Rechnungs- band und das älteste Ratsproto- koll, Stadtansichten und -pläne so- wie ein Modell des ersten Markt- platzes der Stadt mit dem 1728 er- bauten Rathaus. Zum ersten Mal zu sehen ist ein Gemälde, das den fünften Karlsruher Bürgermeister Johann Cornelius Roman (1734 – 1744) zeigt. Recherchieren kön- nen die Besucher nach allen Stadt- rätinnen und Stadträten seit 1718. Nach dem Tag der offenen Tür ist die Präsentation noch bis Freitag, 30. November, zu sehen. Sonderveröffentlichung der StadtZeitung vom 23. 11. 2018 Herausgeber: Presse- und Informati- onsamt der Stadt Karlsruhe Redaktion: Mathias Tröndle Mitarbeit: Dr. Ernst Otto Bräunche, Manuela Fretz, Gerrit Münster, Tabea Rueß, Cindy Streeck. Fotos: Roland Fränkle, Stadtarchiv Gestaltung: Ulrike Ochs Druck: Badendruck GmbH 3 23. November 2018 | Sonderveröffentlichung der StadtZeitung | Amtsblatt der Stadt Karlsruhe KREATIVE KÖPFE: Städtische Beschäftigte und Bürger entwickeln bei einem Workshop Visionen für die Verwaltung der Zukunft. bindung von Personen aus der Stadtgesellschaft in den Fortgang des jeweiligen Projekts. In einem offenen und lebendigen Diskussi- onsprozess unter Beteiligung des Gemeinderats entstand auf dieser Basis eine themenorientierte Quer- struktur. Diese baut auf sechs Kor- ridorthemen auf und bildet das Grundgerüst der IQ-Arbeitsweise. Für deren Einführung gab der Ge- meinderat im Juni 2017 mit seiner Zustimmung zur Einführung einer innovativen Querstruktur für wich- tige Themen grünes Licht. Die sechs Korridorthemen, die die priorisierten Anliegen bei der Entwicklung von Stadt und Ver- waltung bündeln, sind überschrie- ben mit „Zukunft Innenstadt“, „Moderne Verwaltung“, „Soziale Stadt“, „Wirtschafts- und Wissen- schaftsstadt“, „Grüne Stadt“ und „Mobilität“. Im Korridor „Moderne Verwaltung“ etwa beschäftigt sich ein IQ-Projekt damit, wie die städ- tische Administration die Bürger- schaft noch besser mitwirken las- sen kann. Neben den Bürgerforen vor Ort spielt dabei das im Frühjahr eingeführte online-Beteiligungs- portal eine wichtige Rolle. Auf die- sem können Interessierte via Inter- net zu unterschiedlichen Themen Ideen und Anregungen geben so- wie in einer eigenen Rubrik Fragen an den OB stellen. Ein weiteres Pro- jekt beschäftigt sich mit der Digita- lisierung der Verwaltung: ein unab- dingbarer Schritt auf dem Weg zum modernen, transparenten und bür- gerfreundlichen Service. -trö- Insgesamt an die 6500 Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter leisten in den 36 Ämtern, Dienststellen und Organisationseinheiten der Stadt- verwaltung ihren Beitrag dafür, dass sich die über 300000 Karlsru- herinnen und Karlsruher in ihrer Stadt wohlfühlen können. Das Auf- gabenspektrum der städtischen Beschäftigten ist vielfältig: Es reicht von der Brandbekämpfung der Feuerwehr und der Abfallent- sorgung über die Betreuung von Kindern in Horten und Tagestätten oder dem Ausstellen von Doku- menten jeder Art bis hin zum Bau und Unterhalt von Gebäuden und Straßen. Mit einer neuen Struktur will die Stadt jetzt erreichen, dass die einzelnen Räder noch besser ineinander greifen, der Service noch bürgerfreundlicher, die Ver- waltung noch transparenter wird – und die Bürgerschaft noch besser in das Geschehen einbindet. Auf Initiative von OB Dr. Frank Mentrup entwickelten Akteure von innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung eine so genannte IQ-Arbeitsweise. IQ steht für inno- vativ und quervernetzt im Sinne ei- nes agilen, kreativen und innovati- ven Arbeitens, zu dem sich Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter pro- jektbezogen über die Grenzen von Dezernaten und Ämtern hinweg zusammenfinden. Diese Vorge- hensweise beinhaltet auch die Ein- Service für Bürger ausbauen Die Stadt ist auf dem Weg zur modernen Verwaltung / Arbeiten in IQ-Prozessen Verwaltung hat sechs Dezernate Der von der Bevölkerung für acht Jahre direkt gewählte Ober- bürgermeister hat als stimmbe- rechtigter Vorsitzender des Ge- meinderats und Leiter der Verwal- tung eine hervorgehobene Stel- lung. Seit März 2013 hat Dr. Frank Mentrup dieses Amt inne. An der Spitze der Verwaltung stehen ihm fünf, vom Gemeinderat gewählte Beigeordnete oder Bürgermeister zur Seite, die jeweils Verantwor- tung für einen bestimmten Ge- schäftskreis übernehmen. OB Mentrup (SPD) verantwortet als Chef des Dezernats 1 Verwal- tungssteuerung und -entwick- lung, Außenbeziehungen, Reprä- sentation, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Recht, Stadtteilver- waltungen und ÖPNV. Zu den Aufgabengebieten von Dr. Albert Käuflein (CDU) im Dezernat 2 ge- hören Kultur, Sicherheit und Ord- nung, Personal, Bürgerbeteiligung und Digitalisierung. Dr. Martin Lenz (SPD) verantwortet Jugend, Soziales, Schulen, Sport, Bäder und Migrationsfragen. Erste Bür- germeisterin Gabriele Luczak- Schwarz (CDU), die Vertreterin des OB, ist zuständig für Finanzen, Wirtschaft, Wissenschaft, Kon- gresse, Tourismus und Grund- stücksverkehr. Bürgermeister Klaus Stapf (GRÜNE) betreut im Dezernat 5 Umwelt, Natur, Ge- sundheit, Brandschutz, Abfallwirt- schaft, Forst und Grünflächen. Und Bürgermeister Daniel Fluhrer leitet im Dezernat 6 den Ge- schäftskreis Planen und Bauen, Immobilien und Zoo. -trö- Direkt Einfluss nehmen Wahlen zum Gemeinderat / Demokratie live und pur In Baden-Württemberg haben die Bürgerinnen und Bürger in kommunalpolitischen Entschei- dungen bedeutenden Einfluss. Sie fällen zum einen in einem Plebiszit unmittelbar „das Urteil“ darüber, wer Oberbürgermeister (in kleine- ren Gemeinden Bürgermeister) wird, bestimmen weiter durch die Möglichkeiten des Panaschierens und Kumulierens bei Kommunal- wahlen entscheidend mit, wer in den Gemeinderat einzieht. Pana- schieren bedeutet, Kandidaten von mehreren Listen zu wählen, Kumulieren, einem Bewerber bis zu drei Stimmen zu geben. Die derzeitige Amtsperiode des Gemeinderats neigt sich allmäh- lich ihrem Ende entgegen. Am 26. Mai 2019 sind die Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, zeitgleich mit der Europawahl die 48 Sitze im Bürgersaal des Rathauses neu zu vergeben. In den sieben Karlsru- her Stadtteilen mit Ortschaftsver- fassungen stehen an diesem Tag darüber hinaus die Wahlen zum jeweiligen Ortschaftsrat ins Haus. Aus der letzten Kommunalwahl am 25. Mai 2014 ging die CDU mit 26,7 Prozent als stärkste Kraft her- vor. Sie gewann damit 13 Sitze im Gemeinderat. Platz zwei belegte die SPD mit 21,9 Prozent (zehn Sit- ze), dicht gefolgt von den Grünen mit 19,9 Prozent (neun Sitze). Die FDP kam auf 6,1 Prozent und da- mit ebenso auf drei Sitze wie die AfD mit 5,6 Prozent. Von dieser trennte sich jedoch Stadtrat Stefan Schmitt gleich nach der Wahl und sitzt seither als parteiloser Vertre- ter im Plenum. Die Karlsruhe Liste (4,2 Prozent, zwei Sitze), die Pira- ten (3,4 Prozent, zwei Sitze) und Die Partei (1,1 Prozent, ein Sitz) schlossen sich zur fünf Köpfe star- ken KULT-Fraktion zusammen. Weiter zogen DIE LINKE mit 5,1 Prozent (zwei Sitze), GfK (heute FÜR Karlsruhe) mit 3,2 Prozent und zwei Sitzen sowie die Freien Wähler mit 2,7 Prozent (ein Sitz) 2014 in den Bürgersaal des Rat- hauses ein. Damals konnten erst- mals in Baden-Württemberg auch die 16- und 17-Jährigen an den Kommunalwahlen teilnehmen. Die Wahlbeteiligung in Karlsruhe lag bei 45,2 Prozent. -trö- URNENGANG: Alle fünf Jahre ist die Wahl zum Gemeinderat. werke, Verkehrsbetriebe, die Karlsruher Messe- und Kongress- Gesellschaft oder auch das Städti- sche Klinikum Karlsruhe. Doch die Verantwortung der Fä- cherstadt als regionales Oberzen- trum endet nicht an den Gemar- kungsgrenzen. Und so wirken Stadträtinnen und Stadträte auch in der Arbeit über das Karlsruher Stadtgebiet hinaus mit und setzen sich für gemeinsame Interessen der gesamten Region zusammen mit Partnern aus dem Umland in zahlreichen Gremien ein, wie zum Beispiel im Nachbarschafts- oder im Regionalverband. -trö- tenden Gremien gibt es mit Bau-, Haupt-, Planungs-, Jugendhilfe- Bäder-, Personal- und Umlegungs- ausschuss sieben beschließende Ausschüsse. Vorsitzender der ein- zelnen Ausschüsse ist grundsätz- lich der Oberbürgermeister, der diese Funktion jedoch in den meisten Fällen auf den zuständi- gen Fachdezernenten unter den fünf Beigeordneten delegiert hat. Der Gemeinderat stellt weiter Mitglieder in Verwaltungsräten und Kommissionen, in Beiräten und in Aufsichtsräten von Gesell- schaften mit städtischer Beteili- gung. Dazu gehören etwa Stadt- der Ausschüsse haben sich FDP, FÜR Karlsruhe und Freie Wähler sowie der parteilose Stadtrat Stefan Schmitt zu einer Zählge- meinschaft zusammengeschlossen. Auch für die Region Verantwortung übernehmen Unterschieden wird zwischen – üblicherweise öffentlich tagenden – beschließenden Ausschüssen, die anstelle des Gemeinderats ent- scheiden und nichtöffentlich bera- tenden Ausschüssen, die Ent- scheidungen vorbereiten und durch fachkundige Einwohnerin- nen und Einwohner unterstützt werden können. Neben acht bera- bildet, deren Besetzung dem poli- tischen Kräfteverhältnis im Bür- gersaal entspricht. In der derzeit laufenden Amtsperiode gibt es insgesamt 15 gemeinderätliche Ausschüsse. Hinzu kommt der Äl- testenrat, in dem sich die Vertrete- rinnen und Vertreter der Fraktio- nen mit dem Oberbürgermeister über die Tagesordnung von Ge- meinderatssitzungen und den Gang der Beratungen verständi- gen. Grundsätzlich hat nur der Rathauschef als Vorsitzender das Recht, den Gemeinderat einzube- rufen und die Tagesordnung fest- zulegen, doch kann auch ein Vier- tel der Mitglieder des Plenums (wie auch der Ausschüsse) das Stadtparlament „zusammenru- fen“ und Anträge auf die Tages- ordnung der jeweils übernächsten Sitzung setzen. Zu Beginn dieser Amtsperiode legte der Gemeinderat die Zahl seiner Mitglieder in allen seinen Ausschüssen grundsätzlich auf je- weils 15 fest. Für die Besetzung Impulse geben für die Zukunft der Stadt Motor der Entwicklung / 48 Stadträtinnen und Stadträte Der Gemeinderat ist das Hauptor- gan einer Stadt oder Gemeinde und entscheidet als die direkt ge- wählte Vertretung der Bürgerin- nen und Bürger über die Grund- sätze der Kommunalpolitik. Da er die Verwaltung kontrol- liert, hat der landläufig auch Kom- munalparlament genannte Ge- meinderat zwar in der Praxis die Funktion eines Parlaments, ist je- doch rein rechtlich gesehen ein Verwaltungsorgan: Er erlässt kei- ne formellen Gesetze, sondern be- schließt für das Gebiet der Ge- meinde geltende Satzungen. Doch die Verfassung und der Gesetzge- ber garantieren den Gemeinden ein Recht auf Selbstverwaltung. Entscheiden in Grundsatz und Detail Beim Gemeinderat liegt in erster Linie das „Königsrecht“ – die Ver- fügung über die Finanzmittel im städtischen Haushalt. Dieses Recht setzt die Stadträtinnen und Stadträte in die Lage, die Richtung der Kommunalpolitik zu bestim- men, darüber zu befinden, was in der Stadt getan werden soll und was nicht. Der Gemeinderat kann aber auch in Einzelfragen Projekte vorschlagen, Initiativen ergreifen und durchsetzen. Weiter über- wacht er die Ausführung seiner Beschlüsse und legt die Grundsät- ze für die Verwaltung fest. Stimmberechtigter Vorsitzender des Gemeinderats und seiner Aus- schüsse ist der ebenfalls direkt von den Bürgerinnen und Bürgern ge- wählte Oberbürgermeister, kurz: OB, der gleichzeitig an der Spitze der Verwaltung steht und die Ge- meinde nach außen vertritt. Die Amtsperiode eines Oberbürger- meisters beträgt in der Regel acht Jahre, die der Stadträtinnen und Stadträte fünf Jahre. Die Mitglie- der des Gemeinderats wirken eh- renamtlich und erhalten für ihre verantwortungsvolle und umfang- reiche Tätigkeit in Plenum, Aus- schüssen, Aufsichts- wie Verwal- tungsräten und als Ansprechpart- ner für die Bürgerinnen und Bür- ger eine Aufwandsentschädigung. Die Anzahl der Mitglieder des Gemeinderats hängt von der Ein- wohnerzahl der Stadt oder Ge- meinde ab. Karlsruhe hat die Städ- ten seiner Größe entsprechende Zahl von 48 Stadträtinnen und Stadträten. Im aktuellen Gemein- derat, den die Karlsruherinnen und Karlsruher am 25. Mai 2014 wählten, verfügt die CDU als stärkste Fraktion über 13 Sitze, die SPD ist als zweitgrößte mit zehn Sitzen im Bürgersaal des Rathau- ses vertreten. Drittstärkste politi- sche Kraft sind die Grünen mit neun Sitzen im Plenum, die KULT- Fraktion hat fünf Sitze. Die FDP ist mit drei Mitgliedern die kleinste Fraktion. Die LINKE, FÜR Karlsru- he und AfD sind mit jeweils zwei Stadträten vertreten. Weiter ha- ben die Freien Wähler und der parteilose Stadtrat Stefan Schmitt jeweils einen Sitz im Bürgersaal. Ausschüsse entlasten die Arbeit im Plenum Für die Mindeststärke einer Fraktion im Gemeinderat sind wie in den drei Amtsperioden zuvor je- weils drei Sitze erforderlich. Als Vorsitzende an der Spitze der ins- gesamt fünf Fraktionen des der- zeitigen Gemeinderats stehen Til- man Pfannkuch (CDU), Parsa Marvi (SPD), Johannes Honné und Dr. Ute Leidig (GRÜNE), Erik Wohlfeil (KULT) und Tom Høyem (FDP). Zur Arbeitsentlastung des Plenums, zur eingehenden Erörte- rung von Sachfragen und zur Vor- beratung von Entscheidungen hat der Gemeinderat Ausschüsse ge- Gemeinderat stellt Weichen für Kommunalpolitik: GEMEINDERAT AKTUELL: Die 48 Stadträtinnen und Stadträte mit ihrem Vorsitzenden OB Dr. Frank Mentrup vor einer Plenarsitzung. BLICK IN DEN BÜRGERSAAL DES RATHAUSES: Der Karlsruher Gemeinderat stellt mit seinen Entscheidungen die Weichen für die Richtung der Kommunalpolitik in der Fächerstadt. Fotos (5): Fränkle LIVE AM BALL: Von der Empore aus verfolgen Zuhörerinnen und Zuhörer Beratungen und Abstimmungen im Plenarsaal. Sitzungen mitverfolgen Beratungen und Beschlüsse zu Stadion, Staatstheater oder Be- bauungsplänen: Interessierte können die Debatten der öffentli- chen Sitzungen des Gemeinde- rats im Bürgersaal des Rathauses am Marktplatz von der Empore aus mitverfolgen. Für Menschen mit Hörbehinderung steht dort eine Höranlage zur Verfügung. Die Vorlagen zu den Tagesord- nungspunkten sind im Internet auf www.karlsruhe.de/gemein- derat.de zu finden. Unter dieser Adresse informiert auch ein Live- ticker über Abstimmungsergeb- nisse und zeitlichen Verlauf der Beratungen. Der Liveticker bleibt bis zur nächsten Sitzung online und ist auf der elektronischen Anzeigetafel am Eingang des Rathauses zu sehen. Auch bei öf- fentlichen Ausschüssen sind Zu- hörer willkommen. -trö- 23. November 2018 | Sonderveröffentlichung der StadtZeitung | Amtsblatt der Stadt Karlsruhe4 (trö) Die 48 Stadträtinnen und Stadträte, die mit OB Dr. Frank Mentrup als Vorsitzendem den Gemeinderat bilden, setzen unter- schiedliche Akzente in ihrer politi- schen Arbeit. Wo die einzelnen Schwerpunkte liegen, schildern sie in ihren Antworten auf die von der StadtZeitung gestellten Frage: Was wollen Sie mit Ihrer Arbeit im Gemeinderat bewegen? Verena Anlauf (GRÜ- NE): „Mir ist es wich- tig, dass es wieder aus- reichend sozialen Wohnraum in Karlsru- he gibt. Und die Stadt sollte deut- lich mehr dafür tun, dass sich Bie- nen und andere gefährdete Insek- ten bei uns wohl fühlen.“ Marc Bernhard (AfD): „Ich setze mich beson- ders für eine spürbare Verbesserung der Si- cherheitslage in der Stadt, eine Willkommenskultur für Kinder, die Schaffung von bezahl- barem Wohnraum unter Berück- sichtigung der für unsere Stadt so wichtigen Grünflächen und die stärkere Einbindung der Bürger in die Entscheidungen der Stadt durch mehr direkte Demokratie (Bürgerentscheide) ein. Dabei sind mir sachorientierte Lösungen, un- abhängig von Parteipolitik, im Sin- ne der Bürger besonders wichtig.“ Michael Borner (GRÜ- NE): „Ich möchte eine solidarische Stadt, in der niemand zurückbleibt. Daher mache ich mich stark für die Teilhabe aller Men- schen am gesellschaftlichen Leben in Karlsruhe. Es ist mir zudem wich- tig, dass wir uns auch Tieren gegen- über verantwortungsvoll verhalten.“ Max Braun (KULT): „Politik im Sinne sozia- ler Verantwortung be- deutet, und davon soll- te man ausgehen, das ist doch, ohne darum herum zu re- den, in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden. Ich kann den Standpunkt meiner politischen Überzeugung in wenige Worte zu- sammenfassen: Erstens, das Selbst- verständnis unter der Vorausset- zung. Zweitens, und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind. Drittens, die konzentrierte Beinhal- tung als Kernstück eines zukunft- weisenden Parteiprogramms.“ Hermann Brenk (CDU): „Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplät- zen, hierdurch hervor- gerufen Entwicklung von neuen Gewerbeflächen zur An- siedlung und Festigung von Unter- nehmen. Aktive Weiterentwicklung der Nachverdichtung und Höher- entwicklung der Stadt, um hier- durch eine bessere Wohnraumsitua- tion in Karlsruhe zu schaffen.“ Lüppo Cramer (KULT): „Ich sehe meine Auf- gabe darin, Dinge her- vorzuheben, die in der kommunalpolitischen Diskussion oftmals nicht die erste Dr. Klaus Heilgeist (CDU): „Auch nach 42 Jahren ist das Motiv für meine Tätigkeit im Gemeinderat noch im- mer, der Stadt Bestes zu suchen und umzusetzen. Ich sehe den Auftrag meiner Wähler darin, Karlsruhe auf kommende Heraus- forderungen vorzubereiten und fit für die Zukunft zu machen.“ David Hermanns (SPD): „Ich will mit meiner Arbeit im Ge- meinderat die Chancen für eine attraktive Stadtentwicklung mutig, zielge- richtet und vorausschauend gestal- ten. Hierbei sollen soziale, ökologi- sche und wirtschaftliche Aspekte zum Wohle der Menschen mitei- nander verbunden werden.“ Thomas H. Hock (FDP): „Badische Libe- ralität garantieren und unsere Stadt zukunfts- sicher machen zum Wohle aller Generationen.“ Ekkehard Hodapp (GRÜNE): „Ich möchte eine lebenswerte, viel- fältige und offenen Stadt Karlsruhe erhalten und mitgestalten. Besonders wichtig ist mir Bürgernähe; Politik auf kommu- naler Ebene muss ,greifbar’ sein.“ Detlef Hofmann (CDU): „Ich möchte mit meiner mittlerweile 14-jährigen Arbeit im Gemeinderat meine Erfahrungen und mein Wissen für die Karlsruher Bür- ger insbesondere in meinen Spezial- gebieten Bildung, Bäder und Sport einbringen. Als ehemaliger Leis- tungssportler und heutiger Bundes- trainer möchte ich weiter eine der prägenden Stimmen des Sports in der Karlsruher Kommunalpolitik sein.“ Johannes Honné (GRÜNE): „Ich möchte die bereits hohe Le- bensqualität in Karls- ruhe noch weiter ver- bessern, etwa durch mehr Grün und mehr Ruhe in der Stadt. Zusätzliche preisgünstige Woh- nungen möchte ich durch Innen- entwicklung erreichen.“ Tom Høyem (FDP): „Ich will den Dialog zwischen Karlsruhe lo- kal und Karlsruhe in- ternational stärken.“ Karl-Heinz Jooß (FDP): „weniger statt mehr Steuern für den Mittel- stand, der sonst zwi- schen den Fronten un- tergeht. Ferner weniger Büro- kratie und Regulierung.“ Friedemann Kalmbach (FÜR Karlsruhe): „Die Grundfrage für mich ist, was ist das Beste für unsere Stadt Karlsruhe, was hilft dem Gemeinwohl am Meisten, ohne den Einzelnen zu Die Entwicklung verantwortlich mitgestalten Stadträtinnen und Stadträte setzen unterschiedliche Akzente / Statements zu Zielen ihrer Arbeit im Gemeinderat Priorität haben. Das sind für mich als zentrale Themen das Stadtbild und die Stadtplanung. Darüber hinaus möchte ich der kulturellen Vielfalt der Stadt den Raum ge- ben, den sie braucht.“ Jan Döring (CDU): „Karlsruhe ist eine liberale, zukunftsgerich- tete und sichere Stadt. Mit meinem Engage- ment möchte ich dazu beitragen, dass es auch in Zukunft so bleibt.“ Dr. Rahsan Dogan (CDU): „Ich will eine positive Zukunft für meine Ge- burts- und Heimatstadt Karlsruhe mitgestalten. Damit die Bürgerinnen und Bürger gerne in unserer Stadt leben und ar- beiten, will ich mich einbringen!“ Thorsten Ehlgötz (CDU): „Karlsruhe mitgestalten, Sprachrohr der Bürger- schaft sein, Wirtschaft, Handel und Handwerk eine starke Stimme geben, Infra- strukturen nachhaltig ausbauen und den Innovationsstandort stärken“. Elke Ernemann (SPD): „Ich möchte die Inter- essen der Bürgerinnen und Bürger im Gemein- derat vertreten und im- mer ein offenes Ohr für ihre Anliegen haben. Der Austausch mit allen Ver- einen, Verbänden und Organisatio- nen ist mir besonders wichtig. Kultu- relle und soziale Teilhabe für alle Bür- gerinnen und Bürger ist mir ein gro- ßes Anliegen, unabhängig von sozia- ler Herkunft, Alter und Einkommen.“ Dr. Raphael Fechler (SPD): „Ich möchte für und mit den Menschen in Karlsruhe unsere Stadt mit all ihren Fa- cetten weiterentwickeln und zu- kunftsfähig gestalten. Es geht für mich darum, Verantwortung zu übernehmen, Probleme zu lösen und Gestaltungsspielräume zu nutzen im Ringen um die best- mögliche Lösung für Karlsruhe und seine Bürger*innen.“ Gisela Fischer (SPD): „Es macht mir Freude, in Mitverantwortung für unsere Stadt mein unmittelbares Lebens- umfeld aktiv mitzugestalten.“ Niko Fostiropoulos (DIE LINKE): „Kritik zu üben, ist unser Recht. Gerechte Lö- sungen für die gesam- te Stadtbevölkerung zu finden, ist unsere Pflicht.“ Michael Haug (KULT): „Mein Ziel ist es, die offene Gesellschaft in der wir leben, zu erhal- ten und weiterzuent- wickeln. Und das geht am Besten vor Ort, in der Stadt, im Gemein- derat, wo wir ganz nah an den Menschen sind und auf deren Be- dürfnisse eingehen können.“ vergessen. Zentral arbeite ich auch dafür, dass christliche Herzenshal- tungen und Werte ein gutes Mitei- nander fördern und Karlsruhe eine Stadt voller Perspektive und Zu- kunft für alle ist.“ Joschua Konrad (GRÜNE): „Karlsruhe soll eine lebenswerte Stadt sein – heute und morgen. Deshalb setze ich mich im Gemeinderat gute Lebensbedingungen für alle Men- schen in der Stadt ein – ohne dabei die Ressourcen von morgen zu zerstören.“ Johannes Krug (CDU): „Karlsruhe ist meine Heimat. Für sie und ihre Bürger will ich die Zukunft mitgestalten und gemeinsam Probleme lösen. Wenn ich mir dabei treu bleibe und zugleich anderen noch in die Augen sehen kann, dann ist Kom- munalpolitik für mich erfolg- reich.“ Uwe Lancier (KULT): „Grundsätzlich arbeite ich im Stadtrat mit dem Ziel, die Bedürfnisse aller Bewohner und Besucher Karlsruhes miteinander in Einklang zu bringen. Dafür möchte ich die Transparenz in der kommunalen Verwaltung verbes- sern. Besonderes Augenmerk hat für mich der Verkehr in der Stadt, wo private und gewerbliche Kfz, ÖPNV und Fuß- und Radverkehr abgestimmt und alle Orte barrie- refrei erreichbar sein sollen.“ Dr. Ute Leidig (GRÜ- NE): „Mir ist es wich- tig, dass alle Men- schen in Karlsruhe gut und gesund leben können. Besonders setze ich mich für Familienfreundlichkeit, ein vielfältiges Kulturangebot und die naturnahe ,Stadt im Grünen’ ein.“ Sven Maier (CDU): „Aus der Mitte der Bürgerschaft, gemein- sam mit der Zivilge- sellschaft und der Ver- waltung, unsere Heimatstadt wei- terentwickeln, das ist eine Faszi- nation und Herausforderung zu- gleich! Mit Elan und Freude unse- re junge Stadt, die erst vor etwas mehr als 300 Jahren entstand, auf ihrem weiteren Weg in eine ge- deihliche Zukunft eine gute Weg- strecke verantwortlich begleiten.“ Parsa Marvi (SPD): „Ich setze mich für ein lebenswertes Karlsru- he für alle Menschen in unserer Stadt ein, unabhängig von Herkunft, Ge- schlecht oder sozialem Status. Mehr bezahlbarer Wohnraum, eine gute Kita-Versorgung und eine nachhaltige Stadtentwick- lung sind dabei zentrale Anliegen, für die sich die SPD stark macht.“ Zoe Mayer (GRÜNE): „Mit meiner Arbeit im Gemeinderat will ich Karlsruhe zu einer grü- neren Stadt machen. Ich engagiere mich für eine gesunde Umwelt für Menschen und Tiere und für gute Lebensbe- dingungen für alle.“ Bettina Meier-Augen- stein (CDU): „Mir geht es bei der Arbeit im Gemeinderat um die Stadt und um die Men- schen, die hier leben. Ich möchte als Stadträtin mithelfen, dass Karlsruhe lebens- und liebenswert bleibt; ein Ort, den auch nachfol- gende Generationen so als Heimat lieben, wie ich es tue.“ Yvette Melchien (SPD): „Karlsruhe mitzuge- stalten und mit ande- ren Verantwortung für meine Stadt zu über- nehmen, deshalb bin ich im Gemeinderat tätig. Mein Ziel ist, dass in Karlsruhe jeder gut leben kann, und gerade Menschen, die Förderung und Hilfe benötigen, sollen auf eine starke Stadtgesell- schaft zählen können.“ Irene Moser (SPD): „Ich lebe gerne in Karlsruhe und freue mich die An- liegen der Mitbürgerin- nen und Mitbürgern im Gemeinderat vertreten zu dürfen. Der Weg zu beitragsfreien Kitas, gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen, bezahl- barer Wohnraum und als sport- politische Sprecherin natürlich der Sport und die Bäder liegen mir besonders am Herzen.“ Eduardo Mossuto (FÜR Karlsruhe): „Ver- ankert in den Stadttei- len möchte ich bei der Meinungsbildung in- nerhalb des Stadtrates mitwirken. Ich stehe für die Chancengleichheit für die Bürgerinnen und Bürger.“ Dirk Müller (CDU): „Mit meiner über 30- jährigen Berufserfah- rung bei der Karlsruher Polizei ist für mich die Sicherheit in unserer Stadt ein zen- trales Thema meiner kommunalpo- litischen Arbeit im Gemeinderat.“ Dr. Thomas Müller (CDU): „Für und mit den Bürgerinnen und Bürgern Karlsruhe als lebenswerte und sozia- le Stadt erhalten.“ Hans Pfalzgraf (SPD): „In meiner Funktion als Gemeinderat möchte ich als Binde- glied und Vermittler die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger in die Gestaltung und Wei- terentwicklung unserer Stadt ein- binden und dabei im Interesse ei- nes ausgewogenen und sozialen Miteinanders einen möglichst breiten Konsens suchen. Ziel muss sein, dass sich alle in unserer Stadtgesellschaft wohlfühlen und gerne in Karlsruhe leben.“ Tilman Pfannkuch (CDU): „Karlsruhe ist Oberzentrum, wir sind Technologieregion, wir sind Eurodistrikt Pami- na! Wir schulden unserer Region einen pulsierenden Wirtschaftsmo- tor mit einer intakten Infrastruktur. Eine starke Stadt braucht starke Stadtteile. Dazu will ich mit meiner Arbeit im Stadtrat beitragen.“ Istvan Pinter (GRÜ- NE): „Mein Engage- ment soll dazu beitra- gen, dass sich eine zu- kunftsorientierte und nachhaltige Politik in Karlsruhe durchsetzt. Dazu gehören für mich Vermeidung von sozialer Not, eine intakte Umwelt, viel Stadtgrün, ausreichend Wohnraum, gute An- gebote des ÖPNV sowie attraktive Fahrrad- und Fußwege.“ Renate Rastätter (GRÜNE): „Für mich ist eine gute Lebens- qualität für Jung und Alt in unserer schönen Stadt ein wichtiges Ziel. Dazu ge- hören eine hervorragende Infra- struktur für Familien, zu der auch kostenfreie Kitas gehören, ein breites Kultur- und Sportangebot sowie ein Biotopverbund aus ar- tenreichen Natur- und Grünflä- chen mit hohem Erholungswert.“ Dr. Paul Schmidt (AfD): „Durch gezielte Fragen und Redebeiträge mit Sachverstand setze ich mich im Gemeinderat und in der öffentlichen Diskussion dafür ein, dass für uns Bürger und für unsere Stadt die bestmöglichen Entscheidungen getroffen werden. Das heißt: Entscheidungen für die jeweils beste Option nach unab- hängiger Abwägung aller Mög- lichkeiten und der dazugehörigen Chancen und Risiken.“ Stefan Schmitt (partei- los): „Als parteiloser Einzelstadtrat kann man nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Mein Ziel war, die Themen Sicher- heit, schuldenfreier Haushalt und die Nachteile einer hemmungslosen Nachverdichtung in den Fokus zu rücken und das ist mir gelungen.“ Sibel Uysal (SPD): „Stadträtin meiner Heimatstadt zu sein, ist für mich eine verant- wortungsvolle und eh- renvolle Aufgabe. Ich will mich der Herausforderung für eine lie- bens- und lebenswerte Stadt stel- len, bei der Stadtentwicklung mit- wirken und die Themen gute Bil- dung und Teilhabe an der Stadt- gesellschaft im Blick behalten.“ Jürgen Wenzel (FW): „Wir Freien Wähler sind keine Partei, aber eine starke politische Kraft, in Baden-Würt- temberg stellen wir die meisten lo- kalen Mandatsträger. Wir wollen sachorientierte Kommunalpolitik, sozusagen – von Bürgern für Bür- ger – ohne vorgegebene Partei- ideologie und -zwänge.“ Karin Wiedemann (CDU): „Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Wesen. In die- sem Sinne engagiere ich mich für unser Miteinander, für unsere Stadtteile, für unsere Stadt. Wir haben eine Verantwortung für- einander und dieser Aspekt ist meine Leitlinie, an der sich meine Arbeit im Gemeinderat orientiert.“ Erik Wohlfeil (KULT): „Als jüngster Frakti- onsvorsitzender in Karlsruhes Geschichte liegen mir die Interes- sen der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen besonders am Herzen: Beste Bildungsange- bote, vielfältige Freizeitangebote, vorbildliche Verkehrsmöglichkei- ten auch ohne Auto, also zu Fuß, per Rad oder mit dem ÖPNV, und natürlich Nachhaltigkeit durch Na- turschutz, Klimaschutz und gene- rationengerechtes Wirtschaften.“ Michael Zeh (SPD): „Karlsruhe will ich zur weltoffenen, wirtschaft- lich attraktiven, moder- nen und sozialen Stadt weiterentwickeln, in der alle Men- schen gleiche Chancen haben.“ Sabine Zürn (DIE LIN- KE): „Ich möchte Men- schen ermutigen, sich einzumischen und ihre Stadt zu gestalten. Es gibt so viele Möglichkeiten, etwas zu verändern! Und ich streite für die Anliegen derer, die keine Lobby haben.“ Grafik: Presse- und Informationsamt / Streeck Sonderseite1.pdf (p.1) Sonderseite2.pdf (p.2) Sonderseite3.pdf (p.3) Sonderseite4.pdf (p.4)
https://www.karlsruhe.de/b4/aktuell/offene_tuer/HF_sections/content/ZZnOeflRQLp2Od/ZZnRyVQN1nTlyG/Sonderausgabe_zum_Tag_der_offenen_Tuer.pdf
pbook_korrektur2a.indd INHALT Grußworte 2 Zum Geleit 18 Boris Groys: Postkommunistische Privatisierungen 26 Susanne Laugwitz: Von Katalonien nach Moskau Innere und äußere Wege eines Festivals 28 Programmteil des Badischen Staatstheaters 32 Programmteil der Stadt Karlsruhe 60 Bildende Kunst / Ausstellungen 64 Musik 86 Literatur / Vorträge & Lesungen 118 Wissenschaft / Symposion 140 Varieté / Lebensart / Mode 148 Film 154 Sponsoren 178 Veranstaltungsorte 180 Kartenvorverkauf 182 Bildnachweis Impressum 18. EUROPÄISCHE KULTURTAGE KARLSRUHE 2006 1 > Grußwort Als die Europäischen Kulturtage Karlsruhe 1983 voller Optimismus, Wagemut und Neugier an den Start gingen, bewiesen die Initiatoren des Festivals fast visionären Weitblick. Wer konnte voraussehen, dass unser Kontinent einmal mit solcher Dynamik und Geschwindigkeit zusammen- wachsen würde: Eiserne Grenzen trennten Ost und West, die deutsche Teilung war noch längst nicht überwunden. Wer die heutigen politischen Verhältnisse mit denen der 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts ver- gleicht, spürt den atemberaubenden Hauch der Geschichte. Diese spannende Erfahrung war es auch, die den Geist der Europäischen Kulturtage in Karlsruhe von Anfang an beflügelte und durch die gemein- same Trägerschaft mit dem Badischen Staatstheater als hochgeschätz- tem Festivalpartner ihren beständig wachsenden Erfolg erklärt. Aktuell in ihrer Themenwahl und kreativ in ihrer Programmvielfalt haben die Kulturtage in über 20 Jahren den Gang der europäischen Entwicklung ideenreich mitverfolgt. So hat sich Karlsruhe als idealer Standort für ein Festival diesen Zuschnitts erwiesen, zumal das Stichwort Wachstum auch einen kultu- rellen Begriff in unserer Stadt markiert. Nicht zuletzt mit dem fabelhaf- ten Zentrum für Kunst und Medientechnologie verzeichnet Karlsruhe im Zeitraum seit Beginn der Europäischen Kulturtage einen signifikanten Zuwachs an leistungskräftigen Kulturträgern, die das geistige Profil des Zentrums am Oberrhein geschärft und bereichert haben. So kann das Festival buchstäblich aus dem Vollen schöpfen. Um das große Konzert der Institutionen, die sich am Programm beteiligen, dürfte Karlsruhe von vielen Städten beneidet werden. Auch der mustergültigen Unterstützung durch das Land Baden- Württemberg verdanken die Europäischen Kulturtage ihren sicheren Bestand. Die Zusage der neuen Landesregierung, das Festival auch in Zukunft ohne jedes Wenn und Aber zu fördern, löst in Karlsruhe große Freude aus und wird auch 2006 mit einem ebenso umfangreichen wie anspruchsvollen Angebot gerechtfertigt. Das Thema »Moskau« ver- spricht in Korrespondenz mit früheren Festspielthemen, die den Blick auf den Osten Europas richteten, ein innovatives Kulturerlebnis mit vielen Facetten, mit spannenden Gastspielen, einem weitreichenden Panorama mit Ausstellungen, Vorträgen, Konzerten und Symposien. Die 18. Auflage des florierenden Festivals untermauert Karlsruhes Ruf als Kulturstadt Ersten Ranges. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen dabei! Heinz Fenrich Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe Приветственное слово В 1983-ем году, когда с большим оптимизмом, со смелостью и с любопытсвом впервые были проведены Дни европейской культуры, их организаторы оказались довольно дальнозоркими. Кто тогда мог угадать, что наш континент может слиться с такой динамикой и скоростью: железный занавес разделял Запад и Восток, а воссоединение обеих немецких республик было еще далеко впереди. Тот, кто сравнивает сегодняшние политические отношения с ситуацией восьмидесятых годов прошлого века, чувствует захватывающее дыхание истории. Этот занимательный опыт с самого начала являлся духом Дней европейской культуры. А сотрудничество с Баденским государственным театром – нашим многоуважаемым партнером – принесло еще больший успех фестивалю. Актуальность в выборе тем, творческая многогранность программ, множество идей сопровождают более двадцати лет течение и развитие Дней европейской культуры. Город Карлсруэ оказался идеальным местом для проведения такого фестиваля, тем более что в понятии «развитие» в нашем городе подразумевают понятие «культура». Не последнюю роль сыграл заме- чательный Центр Искусства и Медиатехнологии Карлсруэ в значительном увеличении числа участников – различных культурных организаций, которые подчеркивают и обогащают дух нашего центра на Верхнем Рейне. Таким образом фестиваль может черпать из многих источников. Я уверен, что многие другие города завидуют городу Карлсруэ, а именно – тому множеству учреждений, которые участвуют в программе. Благодаря щедрой поддержке со стороны земли Баден-Вюртемберг, Дни европейской культуры имеют солидную базу. Обещание правительства земли способствовать фестивалю и в будущем без всяких ограничений, очень радует нас, что подтверждается богатой и отвечающей самым взыскательным требованиям программой. Тема «Москва» обещает нам в диалоге с предыдущими темами, которые направили наш взгляд на Восточную Европу, новые многогранные впечатления, с интересными гастролями, богатой панорамой выставок, докладов, концертов и симп- озиумов. 18-ые Дни европейской культуры подчеркивают имя города Карлсруэ как города культуры первого ранга. Я желаю Вам приятного пребывания на фестивале! Хейнц Фенрих Обербургомистр города Карлсруэ 3 >< 2 5 > Mot de bienvenue Lorsque les initiateurs des Journées européennes de la culture, rem- plis d’optimisme, d’audace et de curiosité, les lancèrent en 1983, ils firent preuve d’une clairvoyance quasiment visionnaire. Qui aurait alors pu prévoir que l’est et l’ouest se rapprocheraient avec une telle dynamique et une telle rapidité ? Un rideau de fer séparait notre continent et la division de l’Allemagne était loin d’être surmontée. Celui qui compare la donne politique d’aujourd’hui avec celle des années 1980 du siècle précédent sent le souffle de l’Histoire plein de suspense. C’est précisément cette expérience tout à fait passionnante qui, dès le début, a donné des ailes à l’esprit des Journées européennes de la culture de Karlsruhe et qui explique le succès grandissant sans cesse de ce fes- tival porté conjointement avec notre très estimé partenaire le Badisches Staatstheater. En plus de 20 ans, les Journées de la culture, au faîte de l’actualité dans leurs choix thématiques et faisant preuve d’une créativité exemplaire dans la variété de leur programme, ont accompagné l’évolution de l’Europe avec une grande richesse d’idées. Ainsi, Karlsruhe s’est avérée être idéale comme lieu pour organiser un festival de cette envergure puisque, dans notre ville, le mot-clé « crois- sance » peut aussi être consacré à la culture. En effet, depuis les débuts des Journées européennes de la culture, Karlsruhe a connu une augmentation notable du nombre d’institutions culturelles performantes, qui renforcent et enrichissent le rayonnement spirituel de ce centre du Rhin Supérieur, à commencer par le fabuleux Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Nombre de villes doivent envier Karlsruhe au vu du grand nombre et de la qualité des institutions qui contribuent à cette programmation. Le soutien financier exemplaire du Land de Bade Wurtemberg garan- tit la pérennité des Journées européennes de la culture. La promesse du nouveau gouvernement du Land de poursuivre, sans hésitation aucune, le financement de ce festival a suscité une joie immense à Karlsruhe qui se montre cette fois encore digne de cet engagement avec une offre caracté- risée par une variété et une qualité remarquables. Le thème « Moscou » tisse un lien avec les thèmes de festivals précédents consacrés à l’est de l’Europe et promet une expérience culturelle sans pareille aux multiples facettes avec des spectacles passionnants par des troupes invitées, un large éventail d’expositions, de conférences, de concerts et de symposiums. La 18ème édition de ce festival au succès florissant consolide la répu- tation de Karlsruhe comme ville culturelle de premier ordre. Je vous souhaite d’agréables moments. Heinz Fenrich Maire de la Ville de Karlsruhe < 4 Words of welcome When the first European Culture Days was staged in Karlsruhe in 1983, illustrating a great deal of optimism, boldness and curiosity, the festival‘s initiators proved nearly visionary far-sightedness. Who could then have foreseen that at some point in the future our continent would grow together with such dynamics and speed: An Iron Curtain separated East and West, and the German division was not overcome by a long shot. Anyone comparing today‘s political situation to that of the 1980s certain- ly feels the breathtaking breeze of history blowing. It was precisely this exciting experience that has given wing to the spirit of the European Culture Days in Karlsruhe right from the start, its growing success certainly due to the effective cooperation with our esteemed festival partner, the Baden State Theater. In the twenty years of its existence, the European Culture Days in Karlsruhe has resourcefully paid tribute to recent European history with current topics and creative program diversity. Karlsruhe has proven to be the ideal venue for a festival of this cha- racter, as our city‘s cultural sector is ever expanding. And the magnificent Center for Art and Media (ZKM) is only one of a number of strong cultural entities that have sharpened and enriched the intellectual profile of this cultural center on the Upper Rhine. Thus, the festival literally draws on powerful resources. When looking at the concert of institutions involved in the program, Karlsruhe will certainly be the envy of many other cities. The reliable continuity of the European Culture Days is also due to the exemplary backing provided by the state of Baden-Württemberg. Our new state government’s promise to definitively continue to support the festival in the future was received in Karlsruhe with great joy and will also be validated in 2006 with an extensive and demanding program. This year’s topic, »Moscow«, compared to earlier festival topics with a focus also placed on Eastern Europe, again promises an innovative, multi-faceted cultural event with a myriad of guest performances and a far-reaching panorama of exhibitions, lectures, concerts, and symposia. The 18th edition of this flourishing festival confirms Karlsruhe’s repu- tation as a first-class cultural city. May you enjoy the festival! Heinz Fenrich Mayor of the City of Karlsruhe 7 > Приветственное слово Уважаемые участники и гости Дней европейской культуры в городе Карлсруэ! Позвольте поприветствовать Вас по случаю проведения Дней европейской культуры в городе Карлсруэ. Искренне рад тому что именно Москва стала в этом году центральной темой этого масштабного фестиваля. Программа Дней предусматривает множество театральных постановок, художественных выставок, кинопоказов, концертов, литературных чтений. Через призму произведений российских и московских авторов жители Карлсруэ и других европейских городов смогут познакомиться с прошлым и настоящим культурного облика Москвы. Москва – это город, который не стоит на месте, он постоянно изменяется, он растет по всем направлениям, приобретает новые черты, сохраняя при этом старинные традиции и присущие только ему своеобразие. Правительство Москвы уделяет большое внимание развитию и поддержке культуры, в нашем городе ежедневно проходит большое количество различных выставок, театральных премьер и концертов. Неотъемлимой частью современной культурной жизни города стали мероприятия, проводимые в рамках Дней городов мира в Москве. Ежедневно московские артисты и деятели искусства участвуют в международных выставках, фестивалях, семинарах. За последние годы при поддержке Правительства Москвы бвло отремонтировано и построено большое количество учреждений культуры, в том числе Московский междугародный дом музыки, новые театры и картинные галереи. Познакомиться с современным обликом столицы России и последить, как он менялся с течением времени, все интересующиеся смогут, посетив фотовыставку «Москва. Портрет столицы», которая включает в себя большое количество документальных фотографий из жизни города и его жителей. Пользуясь случаем, желаю всем участникам и гостям фестиваля получить удовольствие от этого культурного события, которое, по моему мнению, должно надолго остаться в памяти посетителей и подтолкнуть многих посетить Москву и увидеть воочию всю красоту и многообразие нашего города. Ю. М. Лужков МЭР МОСКВЫ < 6 Grußwort Sehr geehrte Teilnehmer und Gäste der Europäischen Kulturtage Karlsruhe, anlässlich der Europäischen Kulturtage Karlsruhe darf ich Sie herzlich begrüßen. Ich freue mich aufrichtig, dass in diesem Jahr gerade Moskau Hauptthema dieses bedeutenden Festivals geworden ist. Das Programm der Kulturtage sieht eine Vielzahl von Theaterauffüh- rungen, Kunstausstellungen, Filmvorführungen und literarischen Lesungen vor. Durch die Werke russischer und Moskauer Künstler und Schriftsteller können die Bürgerinnen und Bürger von Karlsruhe und anderen euro- päischen Städte die Vergangenheit und die Gegenwart des Kulturlebens Moskaus kennen lernen. Moskau ist eine Stadt, die nicht stehen bleibt, sie verändert sich ständig, wächst in jeder Hinsicht, nimmt neue Züge an und bewahrt dabei doch ihre alten Traditionen und ihre ureigenen Besonderheiten. Die Stadtverwaltung von Moskau widmet der Entwicklung und Förderung der Kultur große Aufmerksamkeit. In unserer Stadt findet jährlich eine große Anzahl ver- schiedenster Ausstellungen, Theateraufführungen und Konzerte statt. Die Veranstaltungen im Rahmen des Festivals »Die Städte der Welt zu Gast in Moskau« sind ein unverzichtbarer Teil des derzeitigen kulturellen Lebens der Stadt geworden. Und alljährlich nehmen Moskauer Kunstschaffende aller Art an internationalen Ausstellungen, Festivals und Seminaren teil. Im Lauf der letzten Jahre wurde mit Unterstützung der Stadt Moskau eine große Anzahl von Kultureinrichtungen renoviert oder neu erbaut, so z. B. das Moskauer Internationale Haus der Musik sowie mehrere neue Theater und Kunstgalerien. Alle, die daran interessiert sind, haben mit dem Besuch der Ausstellung »Moskau – Porträt einer Hauptstadt« Gelegenheit, das moderne Gesicht der russischen Hauptstadt kennen zu lernen und zu verfolgen, wie es sich im Lauf der Zeit verändert hat. Diese Ausstellung beinhaltet viele Dokumentarfotografien aus dem Leben der Stadt und ihrer Bewohner. Hiermit darf ich allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, allen Gästen des Festivals wünschen, dass sie dieses kulturelle Ereignis genießen kön- nen, das meines Erachtens den Besucherinnen und Besuchern lange im Gedächtnis bleiben wird und das vielen Anreiz sein wird, Moskau zu besu- chen, um mit eigenen Augen die ganze Schönheit und Mannigfaltigkeit unserer Stadt zu sehen. Ju. M. Luschkov Der Bürgermeister der Stadt Moskau 9 > Mot de bienvenue Chers participants et hôtes des Journées européennes de la culture de Karlsruhe, A l’occasion des Journées européennes de la culture, j’ai le plaisir de vous souhaiter à tous la bienvenue. Je suis vraiment très heureux que le thème choisi cette année pour ce festival d’envergure soit Moscou. Le programme de ces journées culturelles prévoit un grand nombre de représentations théâtrales, d’expositions artistiques, de projections de films et de lectures. Les citoyennes et citoyens de Karlsruhe et d’autres villes européennes auront ainsi, par le biais des œuvres d’artistes et d’écrivains russes et moscovites, l’opportunité de découvrir la vie culturel- le de Moscou d’hier et d’aujourd’hui. Moscou est une ville perpétuellement en mouvement, qui évolue sans cesse et croît à tous points de vue, et qui revêt une nouvelle apparence tout en conservant ses anciennes traditions et ses traits distinctifs. La munici- palité de Moscou accorde une grande attention au développement et à la promotion de la culture. Chaque année a lieu dans notre ville un nombre important d’expositions, de représentations théâtrales et de concerts d’une grande variété. Les manifestations organisées dans le cadre du festival « Les villes du monde invitées à Moscou » font partie intégrante de la vie culturelle actuelle de la ville. Et chaque année, les artistes, tous genres confondus, participent à des expositions, des festivals et des séminaires internationaux. Au cours des dernières années, grâce au soutien de la ville de Moscou, de nombreuses structures culturelles ont pu être rénovées, d’autres construites telles que la Maison Internationale de la Musique de Moscou ainsi que plusieurs nouveaux théâtres et galeries d’art. Toutes celles et tous ceux que cela intéresse auront la possibilité de découvrir le visage moderne de la capitale russe et de suivre son évolution au cours du temps en visitant l’exposition « Moscou – portrait d’une capi- tale ». Cette exposition, composée de nombreuses photographies, docu- mente la vie de la ville et de ses habitants. Ainsi, je souhaite à toutes les participantes et à tous les participants de ce festival et à tous les hôtes qu’ils puissent profiter pleinement de cet événement culturel dont les visiteurs garderont longtemps, selon moi, un excellent souvenir. J’espère également que cela suscitera le désir de nom- bre d’entre eux de venir découvrir de leurs propres yeux toute la beauté et la diversité de notre ville Moscou. Iouri M. Loujkov Le Maire de Moscou < 8 Words of welcome Dear Participants and Guests of Karlsruhe’s European Culture Days, I heartily welcome you to the European Culture Days in Karlsruhe. I am truly pleased that Moscow has become the main topic of this impor- tant festival this year. The Culture Days’ program includes numerous theater performances, art exhibitions, film presentations, and literary readings. The residents of Karlsruhe and other European cities will be able to get to know the past and present of Moscow’s cultural life through the works of Russian and Muscovite artists and authors. Moscow is a city that doesn’t stand still; it changes constantly, growing in every way, taking on new elements while continuing to retain its old traditions and its very own characteristics. Moscow’s city council dedica- tes a great deal of attention to the development and support of culture. Every year, a great number of the most diverse exhibitions, theater per- formances, and concerts take place in our city. The events that take place during the festival »The Cities of the World in Moscow« have become an indispensable part of the current cultural life of the city. And every year, all kinds of Moscow’s artists take part in international exhibitions, festi- vals, and seminars. During the last few years, a great number of cultural facilities were renovated or rebuilt with the support of the city of Moscow – Moscow’s International House of Music and several new theaters and art galleries to name a few. All those who are interested in getting to know and follow the modern face of the Russian capital city and how it has changed over the course of time now have the opportunity to do so by visiting the exhibition »Moscow – Portrait of a Capital City.« This exhibition contains much documentary photography from life in the city and its residents. I would like to wish all participants and guests of the festival much enjoyment at this cultural event, which in my opinion will remain in visitors’ memories for a long time, sparking an impulse for many to visit Moscow in order to see the entire beauty and diversity of our city with their own eyes. Ju. M. Luschkov The Mayor of Moscow 11 > Приветственное слово С 1983 года город Карлсруэ совместно с Государственным театром в Карлсруэ регулярно проводит Дни европейской культуры. В этом году центральной темой является Москва. По этому поводу я сердечно приветствую всех зарубежных гостей и наших соотечественников, посетивших фестиваль. Устроителям Дней европейской культуры каждый раз удается по- новому познакомить людей с богатой панорамой европейских культур. Значительное количество художественных произведений из области музыки, литературы, кинематографии и изобразительного искусства свидетельвуют в этом году о многосторонней культурной жизни в Москве. Как столица Москва является фокусом различных культурных влияний и одновременно местом зарождения новых художественных форм. Прошлое и традиции встречаются там с модерном и авангардом. Дни европейской культуры в Карлсруэ дают русским деятелям искусства и культуры возможность по-новому истолковать произведения старых русских художников, писателей и композиторов или представлять новые собственные формы искусства. В дискуссиях за круглым столом самые компетентные специалисты смогут общаться с компетентной публикой или просто с заинтересованными людьми. Земля Баден-Вюртемберг открыта для всех. Международные праздники и фестивали пользуются всегда большим успехом. Дружеская атмосфера и интернациональный колорит делают Дни европейской культуры выдающимся событием в богатой панораме культуры земли Баден-Вюртемберг. Я желаю всем нашим гостям приятного пребывания в земле Баден- Вюртемберг. Всем посетителям хочется пожелать интересных и наполненных впечатлениями моментов в сердце нашей земли. Гюнтер Х. Еттингер Премьер-министр земли Баден-Вюртемберг < 10 Grußwort Seit 1983 präsentieren die Stadt Karlsruhe und das Badische Staats- theater Karlsruhe regelmäßig die Europäischen Kulturtage Karlsruhe. In diesem Jahr steht Moskau im Mittelpunkt. Ich grüße dazu alle Gäste aus dem In- und Ausland sowie alle Besucherinnen und Besucher des Festivals sehr herzlich. Mit den Europäischen Kulturtagen gelingt es den Veranstaltern immer wieder aufs Neue, den Menschen die große Vielfalt der europäischen Kulturen nahe zu bringen. Eine bedeutsame Zahl musikalischer, literari- scher, cineastischer und malerischer Kunst zeigt in diesem Jahr das viel- seitige kulturelle Leben in Moskau. Als Metropole ist sie Brennpunkt ver- schiedener kultureller Einflüsse und gleichzeitig Geburtsort neuer Kunst. Vergangenheit und Tradition treffen dort auf Moderne und Avantgarde. Mit dem Karlsruher Festival bietet sich russischen Kunstschaffenden und Kulturleuten ein Forum, auf dem sie die Werke alter russischer Maler, Schriftsteller oder Komponisten neu interpretieren oder neue, eigene Kunst präsentieren werden. In Diskussionsrunden werden sich ausgewie- sene Fachleute mit dem Fachpublikum sowie interessierten Laien austau- schen können. Baden-Württemberg ist ein weltoffenes Land. Internationale Feste und Festivals finden immer wieder einen breiten Anklang. Die freundli- che Atmosphäre und das internationale Flair machen die Europäischen Kulturtage zu einem besonderen Ereignis der Kulturlandschaft Baden- Württembergs. Ich wünsche allen unseren Gästen eine schöne Zeit in Baden- Württemberg. Allen Besucherinnen und Besuchern wünsche ich interes- sante und kulturreiche Stunden in der badischen Residenzstadt. Günther H. Oettinger Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. 13 > Mot de bienvenue Depuis 1983, la Ville de Karlsruhe et le Badisches Staatstheater Karlsruhe proposent régulièrement les Journées européennes de la culture. Cette année, Moscou est à l’honneur. Pour cet événement, je souhaite la bienvenue à tous nos hôtes venus d’Allemagne et de l’étranger ainsi qu’à toutes celles et à tous ceux qui vont assister au festival. Grâce aux Journées Européennes de la culture, les organisateurs parvi- ennent, à chaque nouvelle édition, à faire connaître aux hommes la grande diversité des cultures européennes. Un nombre considérable d’œuvres d’art musicales, littéraires, cinématographiques et picturales révèle cette année les multiples facettes de la vie culturelle à Moscou. Cette métropole est le carrefour passionnant d’influences culturelles différentes et en même temps le berceau d’un art nouveau. Le passé et la tradition y rencontrent la modernité et l’avant-garde. Le festival de Karlsruhe offre aux acteurs de la vie culturelle et aux artistes russes un forum où ils vont proposer de nouvelles interprétations d’œuvres créées par des peintres, des écrivains ou des compositeurs du passé ou présenter un art nouveau qui leur est propre. Lors de tables ron- des, des spécialistes reconnus pourront échanger leurs idées avec un public d’experts et avec des amateurs de culture avertis. Le Bade Wurtemberg est un Land ouvert sur le monde. Les manifes- tations et les festivals internationaux y rencontrent toujours une large audience. L’ambiance amicale et la dimension internationale font des Journées européennes de la culture un événement particulier du paysage culturel en Bade Wurtemberg. Je souhaite à tous nos hôtes un séjour agréable en Bade Wurtemberg. À toutes celles et à tous ceux qui vont suivre le Festival, je souhaite des moments intéressants et riches en culture dans la ville de résidence bado- ise. Günther H. Oettinger Ministre-Président du Land de Bade Wurtemberg < 12 Words of welcome The city of Karlsruhe and the Baden State Theater Karlsruhe have been staging the European Culture Days on a regular basis since 1983. This year, our center of attention is Moscow. I would like to extend a heartfelt welcome to all Festival visitors from near and far. Our festival coordinators have once again accomplished the task of conveying the great variety of European cultures to visitors within the framework of the European Culture Days. This year, a significant number of musical, literary, cinematic and artistic events will portray the multi- faceted cultural life found in Moscow. A metropolis, Moscow is the focus of various cultural influences, while simultaneously the birthplace of new art. It is here that tradition and the past join modern and avant-garde elements. This Karlsruhe Festival offers Russian artists in various fields and those active in the cultural sector a forum for reinterpreting the works of old Russian masters, authors, and composers as well as for presenting their own new art. Discussions will give interested laypersons the opportu- nity to exchange thoughts with recognized experts. Baden-Württemberg is a cosmopolitan state in which international festivals have found great favor time and again. A friendly atmosphere and international flair make the European Culture Days a very special event within Baden-Württemberg’s cultural makeup. I hope you enjoy your time in Baden-Württemberg and that you are able to participate in interesting and culturally enriching hours in Baden’s residence city. Günther H. Oettinger Prime Minister of the State of Baden-Württemberg 15 > Приветственное слово В этом году в г. Карлсруэ проводятся 18-ые Дни европейской культуры. Богатая панорама культурных событий представлена на этом фестивале, где деятели искусства, организаторы и гости могут общаться и дискутировать на исторические, общественные и политические темы. Множество тематических рубрик предыдущих Дней европейской культуры расширяется сегодняшним кульминационным пунктом форума, темой которого будет русский мегаполис Москва, город, занимающий именно на Востоке особое место в бурной истории Европы и в эпохальных изменениях на всем континенте. Чтобы освещать значение этого центра культуры, промышленности, финансов и научных исследований, организаторы фестиваля составили разностороннюю программу, в числе которой гастроли известных театров, красочные панорамы искусств, выдающиеся концерты, доклады самых компетентных референтов и интересные встречи с литераторами. Научный симпозиум, который затронет различные общественно-политические темы современности и культурно-исторические процессы прошлого, даст нам возможность общаться на международном уровне. Дни европейской культуры стали неотъемлемой частью культурных событий земли Баден-Вюртемберг. Тщательно подобранное сочетание актуальности, историзма, тематическое разнообразие сделали прочным и плодотворным проект, который пользуется большим уважением и за пределами нашей Земли. Кроме того, Дни – результат тесного и творческого сотрудничества между землей Баден-Вюртемберг в лице Баденского государственного театра, который дополняет фестиваль, как всегда, важной собственной программой, и муниципалитетом города Карлсруэ. Поэтому Дни заслуживают финансовую поддержку правительства Земли. Этими словами я приветствую всех гостей 18-ых Дней европейской культуры и желаю им множества глубоких впечатлений! Проф. д-р Петер Франкенберг Министр наук, исследований и искусств земли Баден-Вюртемберг < 14 Grußwort Zum 18. Mal finden in Karlsruhe die Europäischen Kulturtage statt. Charakteristisch für dieses hochkarätige Festival ist die enorme Bandbreite der künstlerischen Gattungen, mit denen sich Kunstschaffende, Veranstalter sowie die Besucherinnen und Besucher mit historischen, gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen auseinandersetzen. Der große Kreis der bisherigen Kulturtagethemen wird nun um einen Höhepunkt erweitert. Thema wird die russische Metropole Moskau sein, eine Stadt, die im Osten in ganz besonderer Weise für die wechselvolle Geschichte Europas und den epochalen Wandel des Kontinents steht. Um den Stellenwert dieses großen Kultur-, Industrie-, Finanz- und Forschungszent- rums zu beleuchten, haben die Festival-Verantwortlichen wieder ein vielfäl- tiges Programm zusammengestellt, darunter profilierte Theatergastspiele, farbige Panoramen der Kunst, erstklassige Konzerte, Vorträge mit hoch- rangigen Referenten und anregende Literaturbegegnungen. Das wissen- schaftliche Symposium, das verschiedene gesellschaftspolitische Themen der Gegenwart mit kulturgeschichtlichen Abläufen der Vergangenheit in Beziehung zu setzen versucht, bietet eine weitere Plattform für den inter- nationalen Diskurs. Mit ihrem unverwechselbaren Profil sind die Europäischen Kulturtage zu einem wichtigen Eckpfeiler der Kulturlandschaft Baden-Württemberg geworden. Ihre pointierte Mischung aus gezielter Aktualität, historischer Betrachtung und thematischer Vielfalt hat sich als höchst tragfähiges und ertragreiches Konzept bewährt und genießt über die Landesgrenzen hinweg großes Ansehen. Die Kulturtage sind außerdem das Ergebnis reibungs- loser Zusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg – und zwar in Gestalt des Badischen Staatstheaters, das traditionell wesentliche eigene Programmpunkte beisteuert – mit der Stadt Karlsruhe. Darum verdienen sie auch die Unterstützung der Landesregierung. In diesem Sinne wünsche ich den Besucherinnen und Besuchern der 18. Europäischen Kulturtage in Karlsruhe viele nachhaltige Kulturerlebnisse! Professor Dr. Peter Frankenberg Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg < 16 17 > Words of welcome The European Culture Days in Karlsruhe is being staged for the eigh- teenth time this year. One main feature of this high-profile festival is the enormous breadth of artistic genres with which the artists, organizers, and festival visitors are approaching historical, social, and political questions. The broad range of previous topics is now to be topped by yet another highlight. This year‘s main topic will be the Russian metropolis Moscow, a city that, especially in the East, is a symbol of Europe‘s turbulent his- tory and the momentous changes occurring on this continent. In order to illustrate the significance of this great cultural, industrial, financial and research center, the festival organizers have once again put together a multifarious program, including distinguished guest performances by theater companies, colorful art panoramas, first-class concerts, lectures by high-ranking speakers, and inspiring literary encounters. The scientific symposium seeking to relate various sociopolitical topics of the present to cultural-historical developments of the past offers yet another platform for international discourse. Thanks to its distinctive profile, the European Culture Days has become an important cornerstone in Baden-Württemberg’s cultural landscape. Its carefully selected mixture of deliberate topicality, historical considerati- on, and thematic variety has proven to be a highly sustainable and fruit- ful concept, enjoying high standing near and far. The European Culture Days owes its success to the smooth cooperation between the State of Baden-Württemberg – represented by the Baden State Theater, which traditionally contributes a considerable number of its own productions to the program – and the city of Karlsruhe. Therefore, backing by the state government is well deserved. I wish all visitors to the 18th European Culture Days in Karlsruhe many lasting cultural experiences! Prof. Dr. Peter Frankenberg Minister for Science, Research and Art of the State of Baden-Württemberg Mot de bienvenue C’est la dix-huitième fois que les Journées Européennes de la culture ont lieu à Karlsruhe. La marque distinctive de ce festival exceptionnel est l’impressionnante variété de formes d’expression artistique, grâce aux- quelles les créateurs, les organisateurs ainsi que celles et ceux qui assis- tent aux manifestations s’interrogent sur des questions de société et des problèmes historiques et politiques. La large palette de thèmes abordés jusqu’à présent s’enrichit d’un nou- veau point d’orgue. Moscou est à l’honneur, cette métropole russe qui est, à l’est, le symbole tout particulier de l’histoire agitée de l’Europe et du changement d’époque qu’a connu le continent. Pour éclairer l’importance de ce grand centre culturel, industriel, financier et scientifique, les respon- sables du festival ont une fois encore prévu un programme diversifié, qui comprend des représentations théâtrales originales par des troupes invi- tées, des aperçus tout en couleurs de l’évolution artistique, d’excellents concerts, des conférences données par des spécialistes prestigieux et des rencontres littéraires passionnantes. Le colloque scientifique, qui tente de mettre en relation des sujets de société actuels avec des problématiques culturelles empruntées au passé, offre un forum supplémentaire pour les échanges internationaux. Par leur caractère incomparable, les Journées Européennes de la cul- ture sont devenues un élément important du paysage culturel du Bade- Wurtemberg. La synthèse judicieuse entre actualité ciblée, perspective his- torique et diversité thématique s’est imposée comme un concept pertinent et fructueux et connaît une renommée qui dépasse les frontières du Land. Les Journées de la culture sont en outre le résultat d’une parfaite coo- pération entre le Land de Bade-Wurtemberg – par le biais du Badisches Staatstheater, qui, respectant ainsi la tradition, apporte ses contributions propres au programme – et la ville de Karlsruhe. C’est pourquoi ces Journées méritent aussi le soutien du gouvernement du Land. C’est dans cet esprit que je souhaite à celles et ceux qui assistent aux 18èmes Journées Européennes de la culture beaucoup de moments inou- bliables! Professor Dr. Peter Frankenberg Ministre chargé de la promotion des sciences, de la recherche et des arts du Land de Bade-Wurtemberg 19 >< 18 Zum Geleit »Jeder russische Mensch fühlt, wenn er auf Moskau blickt, dass es seine Mutter ist«, sagte der große russische Schriftsteller Lew Tolstoi. Diese Stadt hat denn auch viel mit Herz zu tun, sie ist das Herz eines großen Landes, sie präsentiert sich herzlicher denn je – kein Wunder, dass uns der Musiker und Schriftsteller Misha Feigin »Moscow by heart« im Jazzclub näher bringen möchte. Auch wir haben uns der alten russischen Kapitale mit Herzblut gewidmet, denn sie hat sich uns bei den Besuchen zur Vorbereitung der Europäischen Kulturtage Karlsruhe von ihrer faszi- nierenden Seite dargeboten, als pulsierende, lebendige, florierende Stadt, hungrig nach Veränderung, nach Kultur, nach Neuem. Moskau wandelt sich: keine Spur mehr vom Einheitsgrau der sowjetischen Vergangenheit. Selbst der Kreml scheint jetzt zu lächeln. Moskau ist eine Stadt, die ihre eigene Neugier unmittelbar auf den Besucher überträgt. Zum Beispiel Neugier auf das Thema Oper. Statt der staubigen Bolschoi-Tradition von einst setzen die Moskauer jetzt auf jugendliches, experimentierfreundliches Musiktheater. Mit dem Ensemble der »Novaja Opera« Moskau kommt eine Truppe nach Karlsruhe, die zu den vielversprechendsten Häusern ihrer Art in Russland zählt und mit der fantastischen Oper »Der Dämon« von Anton Rubinstein eine gera- dezu sensationelle Wiederentdeckung in einer ambitionierten, dynami- schen und musikalisch hochrangigen Inszenierung verspricht. Sie bietet zugleich die Gelegenheit zur spannenden Korrespondenz mit einer nicht minder anspruchsvollen Eigenproduktion des Badischen Staatstheaters: »Mazeppa« von Peter Tschaikowski bildet den glanzvollen Auftakt des Festivals und zugleich die überfällige Würdigung eines leider vernachläs- sigten Werks. Überhaupt: Prallvoll ist das russische Theaterangebot. Das Gastspiel des Moskauer Theaterstudios Pjotr Fomenko mit »Ein absolut glückliches Dorf« von Boris Wachtin und Lew Tolstois »Krieg und Frieden« setzt ebenso spannende Akzente wie die Uraufführung von Terence Kohlers Ballettnovität »Anna Karenina« als weitere Frucht der höchst erfolgreichen Karlsruher Compagnie unter Birgit Keil. Gefolgt von Anton Tschechows »Platonow«, ebenfalls ein Karlsruher Eigengewächs wie der bereits im Repertoire befindliche »Eugen Onegin«, der nunmehr aufschlussreiche Vergleiche mit »Mazeppa« erlaubt. Auch die russischen »NachtKlänge« mit Neuer Musik, das Filmspektakel »Panzerkreuzer Potemkin« mit der Filmmusik Schostakowitschs und der Badischen Staatskapelle sowie ein von kräftigen russischen Klangfarben getöntes Sinfoniekonzert der Gäste der »Novaja Opera« markieren einen entdeckenswerten Streifzug durch russische Musik und Opernkunst. Wie in den Vorjahren fügt sich das Theaterprogramm wieder nahtlos in das von städtischer Seite konzipierte Angebot der anderen Sparten. Auch hier locken attraktive und einzigartige Projekte wie etwa die Sonderausstellung »Bilder eines Reiches« im Zentrum für Kunst und Medientechnologie, wo das Leben im vorrevolutionären Russland in einer faszinierenden Bilderserie dokumentiert wird. Zusammen mit der ersten internationalen Einzelausstellung Victor Alimpievs, des großen Moskauers und Meisters eindrucksvoller Inszenierungen, im Badischen Kunstverein und einer ganzen Reihe weiterer Expositionen russischer Bilderwelten. Mit der führenden Pianistin und Klavierpädagogin Professor Elena Kuznetsova vom berühmten Moskauer Tschaikowski-Konservatorium als Gast der Musikhochschule, dem Jazz-Pendant Simon Nabatov im Jazzclub, dem Landesjugendorchester Baden-Württemberg mit einem philharmo- nischen Exkurs zu Mussorgski und Tschaikowski über Rachmaninows »Ganznächtliche Vigil« bis hin zur 3. Karlsruher Komponistennacht im Zeichen von Schostakowitsch: Das Festival bietet Ihnen ein breitgefächer- tes musikalisches Panorama im Zeichen russischer Klangkunst! Viel Gewicht hat erneut die Literatur als weiterer Schwerpunkt. Le- sungen z.B. mit Wladimir Kaminer, Vorträge aller couleur und schließlich das Internationale wissenschaftliche Symposium, das mit dem zentralen Thema »Moskau – das Dritte Rom« den historischen Kern des Festivals trifft. Erneut wurden namhafte und kompetente Teilnehmer aus Kunst und Wissenschaft dazu eingeladen, um einen ausgesprochen komplexen Themenkreis zu diskutieren. Das deutsch-russische Verhältnis bildet dabei nur eine von vielen spannenden Fragestellungen. Die Filmstadt Moskau soll reflektiert werden, bei der Volkshochschule reichen die Beiträge vom Ikonen-Mal-Workshop bis zum Literaturcafé, Varieté der Weltklasse im Tollhaus und eine Designer-Modenschau im Modehaus Schöpf setzen schillernde Facetten. Die Europäischen Kulturtage gehen tatenfroh, ideenreich und opti- mistisch in ihre 18. Runde. Allen Beteiligten, sowohl unseren zahlreichen russischen Gästen, den Künstlern und Wissenschaftlern aus Karlsruhe und allen Besucherinnen und Besuchern wünschen wir unvergesssliche Fest- spielerlebnisse! Dr. Michael Heck Achim Thorwald Kulturreferent Generalintendant des der Stadt Karlsruhe Badischen Staatstheaters Karlsruhe 21 >< 20 К содержанию фестиваля «Глядя на Москву каждый русский человек чувствует, что она его мать» сказал великий русский писатель Л. Н. Толстой. В самом деле этот город – сердце огромной страны, он проявляется нам со всей сердечностью. Нас поэтому не поражает, что музыканту и писателю Михаилу Фейгину хочется познакомить нас в джазовом клубе с «Moskow by heart». И мы посвящаем себя с большой страстью старой русской столице так как во время нашего пребывания при подготовке к Дням европейской культуры мы имели возможность познакомиться с этим бурным, живым, цветущим городом, который жаждет изменений, культуры, нового. Москва изменяется: полностью исчезла монотонность советского прошлого. Кажется, что даже Кремль улыбается. Москва это город чье любопытство отражается в его гостях. Например, любопытство на тему «опера». Вместо старых традиций Большого театра москвичи предпочитают молодой музыкальный театр, открытый для экспериментов. Московский ансамбль «Новая опера», который приедет в Карлсруэ, считается одним из самых многообещающих трупп своего рода в России. Он продемонстрирует нам настоящую сенсационную находку в амбициозной, динамичной и чрезвычайно музыкальной постановке фантастической оперы Антона Рубинштейна «Демон». Одновременно это даст возможность сравнения с одной не менее замечательной постановкой Баденского государственного театра, «Мазепа». Эта опера Чайковского является блестящим открытием фестиваля и одновременно заслуженным поздним признанием этого за долгое время забытого произведения. В самом деле, панорама театральных постановок очень богата. Гастроли московского театра Петра Фоменко, который познакомит нас с пьесами «Одна абсолютно счастливая деревня» Бориса Вахтина и «Война и мир» Льва Толстого, будут кульминационными пунктами Дней наряду с премьерой балета Теренса Колера «Анна Каренина» результатом работы успешного балетного ансамбля под руководством Биргит Кайл. Дальше исполняется опера «Платонов» которая как и «Евгений Онегин» является собственной постановкой Баденского государсвенного театра Карлсруэ. «Евгений Онегин» уже находится в нашем репертуаре и позволяет интересные сравнения с постановкой «Мазепы». Русские «Ночные звоны» т. н. Новой музыки, показ фильма «Броненосец Потемкин» с музыкой Шостаковича в исполнении Баденского государственного оркестра, симфонический концерт с выразительными русскими звуковыми оттенками в исполнении гостей «Новой оперы» подарят нам интересные моменты при посещении русских опер и концертов. Как и в прошлые годы театральная программа гармонично сочетается с организованной муниципалитетом Карлсруэ программой в других областях. Есть увлекательные и уникальные проекты, как напр., специальная выставка «Картины империи» в Центре Искусства и Медиатехнологии, где изображается в захватывающих картинах «Жизнь в дореволюционной России». В Баденском объединении искусств показывается первая персональная выставка Виктора Алимпиева, великого московского автора выразительных инсценировок вместе с некоторыми выставками русского быта. Фестиавль предлагает Вам крайне богатую панораму русского музыкального искусства: выдающегося педагога по фортепьяно, профессора Елену Кузнецову из знаменитой московской консерватории им. Чайковского; Симона Набатова в джазовом клубе; молодежный оркестр земли Баден-Вюртемберг с филармоническим экскурсом по Мусоргскому и Чайковскому о «Всенощном бдении» Рахманинова; «Третью ночь композиторов», посвященную Шостаковичу. Литература по-новому является важной программой Дней. Чтения Владимира Каминера, разные доклады и в конце концов международный научный симпозиум на центральную историческую тему: «Москва – Третий Рим». Опять приглашены известные компетентные участники из областей искусств и наук чтобы общаться на эту крайне сложную тему. Русско-немецкие отношения обсуждаются здесь лишь как один из многих интересных вопросов. Отражена и роль Москвы как центра кинематографии. Народный университет города Карлсруэ предоставляет разные проекты, от курса «Как писать иконы» до «Литератуного кафе». Дальше театр-варьете мирового ранга в Толлхаузе и показ моделей в Доме мод Шепф. Устроители фестиваля со смелостью, с большим энтузиазмом и со многими новыми идеями осуществляют реализацию Дней европейской культуры. Всем участникам, всем нашим многочисленным русским гостям, всем художникам, артистам и ученым из Карлсруэ, всем нашим посетителям желаем мы незабываемых моментов. Д-р Михаил Хек Ахим Торвальд Заведующий отделом Главный управляющий культуры государственным театром земли Баден-Вюртемберг 23 >< 22 Foreword «When looking at Moscow, every Russian person feels that it is his or her mother,« the great Russian author Leo Tolstoy once said. It is obvious that this city thus has much to do with the heart; it is the heart of a large country, presenting itself more wholeheartedly than ever – no wonder then that musician and author Misha Feigin would like to introduce us to «Moscow by Heart« at Jazzclub. We have also heartily dedicated oursel- ves to this old Russian capital, a city that showed itself from its most fascinating side during our visits to it in preparation for the European Culture Days in Karlsruhe – as a pulsating, lively, flourishing city, hungry for change, for culture, and for that which is new. Moscow is changing: There is no longer any trace of the uniform grey of its Soviet past. Even the Kremlin seems to be smiling these days. Moscow is a city that relays its own curiosity directly to the visi- tor. A good example is its curiosity with regard to opera. Instead of the dusty Bolshoi tradition of yore, Moscow now puts its money on youthful, experimental musical theater. The Novaja Opera Moscow is an ensemble coming to Karlsruhe that is one of the most promising of its kind in Russia, and with Anton Rubinstein’s fantastic opera The Demon, it promises the absolutely sensational rediscovery of an ambitioned, dynamic, and musi- cally high-quality production. At the same time, it offers the opportunity of exciting correspondence with a no less demanding production of the Baden State Theater: »Mazeppa« by Peter Tchaikovsky fervently marks the festival’s opening, at the same time doing long overdue honor to an unfortunately overlooked work. And in general, our Russian theater offerings are absolutely bursting at the seams. The guest performance of the Moscow theater studio Piotr Fomenko with »An Absolutely Happy Village« by Boris Vachtin and Leo Tolstoy’s »War and Peace« are just as exciting as the premiere of Terence Kohler’s new ballet »Anna Karenina«, another of the highly successful Karlsruhe Compagnie’s performances under Birgit Keil. Followed by Anton Chekhov’s »Platonov«, another of Karlsruhe’s own productions, as is »Eugen Onegin«, already found in the repertoire, a work that allows instructive comparisons with »Mazeppa«. Russian »night sounds« fea- turing new and modern music, the film spectacle »Battleship Potemkin« with film music by Shostakovich and the Badische Staatskapelle as well as a symphony concert full of strong Russian tone coloring by Novaja Opera comprise an expedition through Russian music and opera well worth discovering. As in previous years, the theater program fits in seamlessly with the festival’s other sections as conceived by the city. Here, as well, one will find attractive and unique projects such as the special exhibition «Pictures of an Empire« at the ZKM Center for Art and Media, where life in pre-revo- lution Russia is documented in a fascinating series of pictures. Together with the first international individual exhibition of Victor Alimpiev, that great Muscovite master of impressive productions, at the Badische Kunst- verein (Baden Art Society) and a whole row of other expositions featuring Russian photographic worlds. Leading pianist and piano pedagogue Professor Elena Kuznetsova of the famed Tchaikovsky Conservatory in Moscow performs as a guest of the college of music, jazz counterpart Simon Nabatov plays at Jazzclub, the State Youth Orchestra Baden-Württemberg features a philharmonic excurse to Mussorgski and Tchaikovsky via Rachmaninoff’s «All-Night Vigil,« and the third Karlsruhe Composer Night falls under the sign of Shostakovich. You see that the festival offers a wide musical panorama under the sign of Russia’s art of melody-making! Literature is once again a weighty topic with readings such as that of Vladimir Kaminer, lectures of every shape and size, and finally the International Scientific Symposium, which hits the historical core of the festival with its central topic «Moscow – the Third Rome.« Once again, reputable and competent participants from the worlds of art and sci- ence were invited to discuss a pronouncedly complex circle of topics. The German-Russian relationship is only one of the many exciting topics to be parleyed here. Moscow as a city of film will also be reflected upon; the adult education center’s contributions extend from an icon painting workshop to a litera- ture café; Tollhaus will show world-class variety theater; and Modehaus Schöpf will hold a designer fashion show, each adding interesting facets to the whole. The European Culture Days go actively, full of ideas, and optimistically into its eighteenth edition. We hope for an unforgettable festival experi- ence for all participants, our numerous Russian guests, Karlsruhe’s artists and scientists, and all visitors! Dr. Michael Heck Achim Thorwald Head of Culture Director of the Badisches Staatstheater Karlsruhe 25 > ment l’intérêt, comme par exemple l’exposition temporaire »Images de l’Empire« au Zentrum für Kunst und Medientechnologie, où la vie dans la Russie pré-révolutionnaire est représentée dans une série fascinante de projets photographiques. En même temps que la première exposition inter- nationale consacrée à Victor Alimpiev, le grand artiste moscovite passé maître pour les installations impressionnantes, au Badischer Kunstverein et parallèlement à beaucoup d’autres expositions dédiées aux mondes russes des images. Avec l’éminente pianiste et professeure de musique Elena Kuznetsova, du célèbre conservatoire moscovite Tchaïkovski, invitée par le conserva- toire supérieur de musique, avec son pendant en jazz, Simon Nabatov, au Jazzclub, avec l’orchestre de jeunes talents du Land de Bade-Wurtemberg avec un itinéraire philharmonique qui mène à Moussorgski et Tchaïkovski en passant par les »Vêpres« de Rachmaninov et, enfin, avec la Troisième nuit des compositeurs de Karlsruhe, placée sous le signe de Chostakovitch: Le festival vous propose un panorama musical aux multiples facettes pour découvrir la virtuosité sonore russe ! Une fois encore, la littérature occupe une place de choix. Des lectures, comme par exemple celle de Vladimir Kaminer, des conférences innom- brables et enfin le congrès scientifique international qui est consacré au thème central »Moscou – La troisième Rome« et qui traite du noyau historique du festival. Une nouvelle fois, on a pu inviter des participants réputés et compétents, venus du domaine artistique et scientifique, pour discuter d’un ensemble de thèmes particulièrement complexes. Les rela- tions germano-russes ne seront qu’une des nombreuses problématiques passionnantes qu’on y abordera. Moscou, ville du film, fera l’objet de manifestations ; à la Volkshoch- schule, les activités iront de l’atelier de peinture consacré aux icônes jusqu’au café littéraire ; un spectacle de music-hall de grande classe au Tollhaus et un défilé de mode de grands couturiers au Modehaus Schöpf constitueront d’autres événements exceptionnels. Les Journées européennes de la culture sont en route pour leur 18e édi- tion, avec enthousiasme, d’innombrables idées et beaucoup d’optimisme. À tous les participants, aussi bien à nos nombreux hôtes russes, aux artistes et aux scientifiques de Karlsruhe et à toutes celles et ceux qui assisteront aux manifestations, nous souhaitons des moments inoubliables lors de ce festival ! Dr. Michael Heck Achim Thorwald Directeur du service Directeur du culturel de la ville de Badisches Staatstheater Karlsruhe de Karlsruhe < 24 Avant-propos »En regardant Moscou, chaque Russe sent au fond de lui-même que la ville est sa mère«, disait le célèbre écrivain russe Léon Tolstoï. D’ailleurs, la ville est vraiment une affaire de cœur, puisqu’elle constitue le cœur d’un pays immense et qu’elle ne s’est jamais présentée sous un visage aussi cordial qu’aujourd’hui. Il n’est donc pas surprenant que le musicien et écrivain Misha Feigin veuille nous faire découvrir »Moscow by heart« au Jazzclub. Nous aussi, nous nous sommes consacrés de tout cœur à la capitale russe, dans la mesure où, lors de chacun de nos déplacements en vue de préparer les Journées européennes de la culture de Karlsruhe, elle s’est présentée sous ses atours les plus fascinants – une ville trépidante, vivante, florissante, assoiffée de changements, de culture, de nouveauté. Moscou est en pleine mutation : il ne reste plus aucune trace de la grisaille uniforme de son passé soviétique. Même le Kremlin semble sourire. Moscou est une ville qui partage sa propre curiosité avec le spectateur. La curiosité que suscite l’opéra, par exemple. Laissant derrière eux la tradition poussiéreuse du Bolchoï en vigueur jadis, les Moscovites misent sur un théâtre musical jeune et expérimental. Ainsi, en invitant la troupe du Novaïa Opera de Moscou, Karlsruhe accueille l’un des ensembles russes les plus prometteurs, qui propose, avec l’opéra fantastique »Le Démon« d’Anton Rubinstein, une redécouverte tout simplement sensationnelle dans une mise en scène ambitieuse, dynamique et d’une qualité musicale remar- quable. Cette représentation sera l’occasion d’établir des correspondances passionnantes avec une production tout aussi exigeante du Badisches Staatstheater : »Mazeppa« de Piotr Tchaïkovski constitue la somptueuse ouverture du festival qui permettra en outre de rendre hommage à une œuvre trop longtemps négligée. De manière générale, la sélection de spectacles théâtraux est très riche : la production du studio théâtral Piotr Fomenko »Un village abso- lument heureux« d’après Boris Vakhtine et »Guerre et paix« de Léon Tolstoï sont aussi passionnants que la création d’»Anna Karénine«, un ballet novateur de Terence Kohler, qui est une nouvelle fois le fruit du travail fourni par la compagnie de Karlsruhe sous la direction de Birgit Keil. Suivis de »Platonov« d’Anton Tchékov, également une production locale au même titre qu’ »Eugène Onéguine«, qui est déjà au répertoire, qui permet désormais des comparaisons éclairantes avec »Mazeppa«. De même, le cycle »NachtKlänge« avec de la musique contemporaine russe, le spectacle cinématographique »Le Cuirassé Potemkine« avec la musique de Chostakovitch et de l’orchestre Badische Staatskapelle ainsi qu’un concert symphonique aux puissantes sonorités russes donné par les hôtes du Novaïa Opera présentent un bel aperçu pour partir à la découverte de la musique et de l’opéra russes. Tout comme lors des éditions précédentes, le programme théâtral s’intègre à nouveau parfaitement dans l’offre culturelle génerale, conçue par la Ville. D’autres projets séduisants et originaux suscitent égale- 27 >< 26 BORIS GROYS Postkommunistische Privatisierungen Die heutige russische Kunst operiert weitgehend mittels der indivi- duellen Appropriierung des kollektiven seelischen und symbolischen Erbes der sowjetischen Kultur. Dadurch ist sie freilich der westlichen Kunst der Postmoderne nicht unähnlich. Denn die Appropriation, oder Aneignung oder, wenn man will, Privatisierung fungiert ohnehin als lei- tendes Kunstverfahren im Kontext der internationalen Gegenwartskunst. Die meisten Künstler appropiriieren heute unterschiedliche historische Stile, religiöse oder ideologische Symbole, massenproduzierte Wahren, weitverbreitete Werbung, aber auch die Arbeiten der einzelnen berühmten Künstler. Die Kunst der Appropriation versteht sich dabei als Kunst nach dem Ende der Geschichte: Es handelt sich nicht mehr um die individu- elle Produktion des Neuen, sondern um die Verteilungskämpfe, um den Streit über die Eigentumsrechte, um die Chance des Individuums auf die Akkumulation des privaten symbolischen Kapitals. Alle von der heuti- gen Kunst appropriierten Bilder, Objekte, Zeichen und Stile zirkulieren nämlich ursprünglich als Wahren innerhalb eines Marktes, der von pri- vaten Interessen immer schon dominiert wird. So wirkt die künstlerische Appropriation in diesem Kontext aggressiv und subversiv – als eine Art symbolischer Piraterie, die sich an der Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem bewegt und die Umverteilung wenn nicht des realen, dann zumindest des symbolischen Kapitals erprobt. Die russische post-kommunistische Kunst appropriiert dagegen aus dem riesigen Fundus der Bilder, Zeichen und Texte, die eigentlich nie- mandem mehr gehören – und als kollektives Erbe aus den Zeiten des Kommunismus ganz ruhig auf dem Müllhaufen der Geschichte liegen, statt in kommerziellen Informationsnetzen heftig zu zirkulieren. Die postkom- munistische Kunst hat nämlich ebenfalls ein Ende der Geschichte hinter sich aber es handelt sich nicht um das liberal-kapitalistische, sondern um das sozialistische Ende der Geschichte. Die eigentliche Zumutung des realen Sozialismus stalinistischer Prägung bestand doch gerade in der Behauptung, dass in der Sowjetunion der Klassenkampf, die Revolution und sogar jede Art gesellschaftlicher Kritik an ihr historisches Ende ange- langt sind dass die Erlösung aus der Hölle der Ausbeutung und des Krieges immer schon stattgefunden hat. Die realen Zustände in der Sowjetunion wurden als identische mit den idealen Zuständen nach dem Endsieg des Guten über das Böse proklamiert. Der reale Ort, an dem sich der sozi- alistische Lager etabliert hat, wurde zum Ort der realisierten Utopie ausgerufen. Man braucht und brauchte schon damals keine besondere Anstrengung oder Einsicht, um zu beweisen, dass diese Behauptung eine kontrafaktische ist, dass die offizielle Idylle staatlich manipuliert ist, dass der Kampf weiter geht, sei es der Kampf für das eigene Überleben, sei es der Kampf gegen die Repression und Manipulation, sei es die permanente Revolution. Und trotzdem: Die berühmte Behauptung »Es ist vollbracht« ist genau- so unmöglich mit dem bloßen Verweis auf die faktischen Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten aus der Welt zu schaffen, wie die nicht weniger berühmten Lehrsätze »Athman ist Brahman« und »Sansara ist Nirvana«. Nun ist die postkommunistische Kunst eine solche, die aus dem einen Zu- stand nach dem Ende der Geschichte in den anderen Zustand nach dem Ende der Geschichte geraten ist – aus dem realen Sozialismus in den postmoder- nen Kapitalismus. Oder: Aus der Idylle der universalen Enteignung nach dem Ende des Klassenkampfes in die endgültige Resignation hinsichtlich der schlechten Unendlichkeit, in der sich die immer gleichen Verteilungs-, Appropriations- und Privatisierungskämpfe permanent wiederholen. Die westliche künstlerische Postmoderne, die diese schlechte Unendlichkeit reflektiert und zugleich genießt, will sich manchmal kämpferisch, manch- mal zynisch – aber auf jeden Fall kritisch zeigen. Die postkommunistische Kunst erweist sich dagegen als immer noch in der kommunistischen Idylle tief verankert – sie privatisiert und erweitet diese Idylle, statt ihr zu ent- sagen. Deswegen scheint die postkommunistische Kunst oft zu harmlos, zu wenig kritisch und radikal zu sein. Und in der Tat: Sie folgt der uto- pischen Logik der Inklusion, nicht der realistischen Logik der Exklusion, des Kampfes, der Kritik. Es handelt sich hier um die erweiterte Logik der kommunistischen Ideologie, die international sein wollte und eine dialek- tische Einheit aller Gegensätze angestrebt hat – aber letztendlich doch in den Konfrontationen des Kalten Krieges steckengeblieben ist, indem sie sich gegen alle Zeichen des westlichen Kapitalismus gewehrt hat. So wollte schon die unabhängige, inoffizielle Kunst des späten Sozialismus das Ende der Geschichte noch konsequenter denken und die Utopie der friedlichen Koexistenz aller Völker, Kulturen und Ideologien sowohl auf den kapitalistischen Westen, wie auch auf die vergangene, vorkommunis- tische Geschichte ausdehnen. Solche russischen Künstler der 60er-70er Jahre, wie Ilya Kabakov oder Vitali Komar und Alexander Melamid, ver- folgten immer schon die Strategie einer solchen konsequenten Inklusion: Sie schufen Räume einer künstlichen Idylle, in denen Zeichen, Bilder und Texte friedlich koexistieren konnten, die in der politischen Realität des Kalten Krieges als unvereinbare empfunden wurden. Die künstlerischen Strategien der ideologischen Versöhnung jenseits der Gräber des Kalten Krieges haben damals eine erweiterte und radikalisierte Utopie angekün- digt, die auch ihre Feinde in sich miteinschliessen wollte. Diese Politik der Inklusion haben viele russische und osteuropäische Künstler auch nach der Auflösung der kommunistischen Regime weiterverfolgt. Diese Art radika- lisierter utopischer Inklusivität wurde oft als Ironie missverstanden – es handelte sich aber vielmehr um eine posthistorische Idylle, die nicht nach den Differenzen, sondern nach den Analogien suchte. < 28 29 > SUSANNE LAUGWITZ Von Katalonien nach Moskau Innere und äußere Wege eines Festivals Bis in unwegsames Gelände führten sechs Wochen Kulturprogramm. Entlegene Pyrenäentäler öffneten sich für mystische Entdeckungen, Sprache entpuppte sich als linguistisches Abenteuer, Politik als Folge tragischer Wechselfälle, Konflikte und Zuspitzungen, Kunst und Musik als vitaler Spiegel eines spannenden Kapitels unseres Kontinents. Das außergewöhnliche Thema »Katalonien« 1983 als Programm an sich: keine ausgetretenen Pfade, keine vordergründigen Effekte, kein Starrummel, kein kultureller Massenkonsum, keine organisatorische Bequemlichkeit – stattdessen Lust auf Neuland, beflügelnde Neugier, Offenheit für alles Fremde, thematische Vielfalt mit kritischem Weitblick. Ein Anfang war gemacht, ein Festival geboren: die Europäischen Kul- turtage Karlsruhe. Das Wagnis des Jahres 1983 hat sich im Rückblick mehr als gelohnt, auch strukturelle Täler und wirtschaftliche Prüfstände wurden bewältigt in all den Jahren bis heute. Es gab ein erstes Emblem: Ein bunter Leuchtpfeil vor offenem Him- mel, zuversichtlich und selbstbewusst. Er prägte sich ein und stand für Kreativität, Kontinuität, Kompetenz, Kooperation. Nur diesen Konstanten verdankt die Reihe ihre beständige Präsenz im kulturellen Spektrum von Karlsruhe. Kreativität: Die Europäischen Kulturtage stecken geistige Räume ab. Der Wechsel zwischen örtlich definierten Themen und übergeordneten Größen europäischer Geschichte ermöglicht mehrdimensionale Perspektiven. Und damit auch Programme, die viele Menschen, jung und alt, aus nah und fern ansprechen. Die wachsenden Besucherzahlen belegen, dass die Europäischen Kulturtage von Jahr zu Jahr auf größeres Interesse stoßen. Im breiten Panorama zwischen Klassik und Jazz, alter und neuer Kunst, wissenschaftlichen Symposien und zeitgenössischem Theater findet ein bunt gemischtes Publikum jeglicher Herkunft spezifische Anregungen. Das Spektrum soll allen zugänglich sein. Und so ergeben sich im Konzert der Künste immer neue, anregende und herausfordernde Festspielfixpunkte. Und neue Formen der Vermittlung, die seit dem Start des Großevents hinzu gekommen sind. Modernes Stadtmarketing hat längst erkannt, dass die Kultur zu den wesentlichen Faktoren florierender Stadtentwicklung gehört. Die Europäischen Kulturtage haben in dieser Hinsicht Pionierarbeit geleis- tet, von der Kinowerbung bis zum Internetauftritt erstreckt sich ein detail- lierter Werbeplan, der die interessierte Öffentlichkeit frühzeitigst infor- miert und die eher Kultur-Abstinenten mit neuen Präsentationsangeboten auf unbekanntes Terrain lockt. Kultur ist der Motor der Zukunft, erst recht im Image-Profil dieser Stadt und im reichen Panorama des Landes Baden-Württemberg. Kontinuität: Der Weitblick der Initiatoren der frühen achtziger Jahre, die Europäischen Kulturtage Karlsruhe als Gegenmuster zu flüchtigen Event-Konzepten als dynamische Kulturplattform im Reigen des Karlsruher Kulturpanoramas zu verankern und sie damit zu einem entwicklungs- und ausbaufähigen Kernelement städtischer Kulturpolitik zu machen, wurde mit reicher Ernte belohnt. Im Rückblick ergibt sich ein komplexer the- matischer Zusammenhang europäischer Geschichte und Gegenwart, der dank nachhaltiger Strukturen im Lauf nahezu eines Vierteljahrhunderts zusehends an Dynamik gewonnen hat. Erst im Kontext früherer Festivals schärft sich das Profil des aktuellen Programms: »Moskau«, Mittelpunkt der Europäischen Kulturtage 2006, gerät vor dem Hintergrund früherer thematischer Schwerpunkte wie etwa »Gegenwart« (1988), »Widerstand« (1994), »St. Petersburg« (1996) und auch den gleichsam synoptischen Zyklen um das »KunstStück Zukunft« (2000) und »Mythos Europa?« in ein noch brisanteres Schlaglicht. Aber Kontinuität bedeutet nicht bloß die Wiederholung erfolgreicher pro- grammatischer Grundmuster, sondern auch Zuwachs und Wandel. Gerade aus dem Prinzip der Verzahnung städtischer Kulturressourcen beziehen die Kulturtage nunmehr seit mehreren Jahrzehnten fließende Quellen. Der Versuch, auf aktuelle Prozesse der Stadtentwicklung und der Kulturszene einzugehen, auch neue Partner für die gemeinsame Anstrengung höchster Vielfalt zu gewinnen, machen Flexibilität zur Grundvoraussetzung. Ein zentrales Beispiel hierfür ist das in wenigen Jahren zur Weltspitze aufge- stiegene Zentrum für Kunst und Medientechnologie, das sich dem Festival immer bereitwillig öffnete, Gastgeber und Gast zugleich war. Das ZKM, in einem sowohl funktional wie architektonisch vorbildlich wiederbelebten Industriedenkmal und in einem Stadtteil angesiedelt, der dadurch erheb- lich an Bedeutung gewonnen hat, markiert zugleich eine ideelle urbane Kulturlandschaft. Somit berühren die Europäischen Kulturtage nicht nur die historisch-politischen Koordinaten Europas, sondern auch den dynami- schen städtischen Kulturraum. Kompetenz und Kooperation: Der vorzügliche Ruf und die führende Position vieler Karlsruher Kulturinstitutionen gehören zum Fundament des Festivals, das durch den Beteiligten-Kreis aus städtischen und landeseige- nen Institutionen das vom Deutschen Städtetag formulierte Ideal der Ver- netzung städtischer Kulturkräfte kongruent erfüllt. An erster Stelle steht hierbei ein außergewöhnliches Trägerschaftsmodell des Gesamtereignisses: Die Stadt Karlsruhe und das Badische Staatstheater präsentieren die Kul- turwochen als gemeinsam Verantwortliche für Programminhalt wie Ma- nagement. Jahrelange vertrauenschaffende Zusammenarbeit haben zur Potenzierung dieser partnerschaftlichen Kräfte geführt. Ein empfehlens- wertes Modell für viele Bereiche! In ihren Themenstellungen reflektieren die Europäischen Kulturtage auch die Brüche, Widersprüche und Kontraste des Kontinents Europa. Es bieten sich nicht nur Podien zur geistigen Auseinandersetzung, son- < 30 31 > dern auch Orte der menschlichen Begegnung. Die Weltoffenheit einer Stadt spiegelt sich auch in der Vielfalt der Völker und Nationen, die sie bereits als Gäste empfangen hat. Katalonien war das erste von vielen Beispielen, zu denen auch die Slowakei, die Türkei und Russland gleich mehrfach gehören. Ebenso Estland, 1992 Thema des Festivals. Aus der Begegnung mit dem kleinen baltischen Staat, der damals ums politische Überleben kämpfte, entwickelte sich ein dauerhafter, fruchtbarer und freundschaftlicher Austausch: Die damaligen Europäischen Kulturtage führten zur Gründung der Deutsch-Estnischen Gesellschaft in Karlsruhe, die bis heute die internationalen menschlichen Kontakte pflegt – und nütz- liche, in Form von Stipendien für junge Esten, die in Deutschland studie- ren. Nachhaltigkeit in Reinform. In den Programmzyklen spiegelt sich auch ein »gehen mit der Zeit«. Dafür steht beispielhaft St. Petersburg, Modellfall für einen thematischen roten Faden. 1990, als es um das Themendoppel »Städtegründungen – Gründungs- städte« ging, gehörte die faszinierende Zarenstadt an der Newa schon ein- mal zum Gegenstand des Programms, hieß damals aber noch Leningrad. In den Programmbüchern, die ein kleines und aufschlussreiches Kompen- dium geraffter Europäischer Kulturgeschichte bieten, lässt sich die Spur der stürmischen Entwicklung dieses Knotenpunkts jüngster kontinenta- ler Zeitgeschichte verfolgen. Wie eine geseufzte Liebeserklärung klang 1990 die poetische Huldigung des Schriftstellers und Wissenschaftlers Lev Uspenskij an seine Heimatstadt, die mit der Erfahrung des chao- tischen Revolutionsjahrs 1917 und der katastrophalen Blockade wäh- rend des Zweiten Weltkriegs wie kaum eine andere Metropole noch heute die Narben der Welthistorie trägt. Sechs Jahre später schon fügte Karl Schlögel in seinem ausführlichen Aufsatz »Ach, Sankt Petersburg« dem melancholisch-verzaubernden Porträt dieser Stadt einen weiteren Stoßseufzer hinzu, nunmehr im Lichte der plötzlich und radikal veränder- ten Verhältnisse. Mit dem Wechsel ins neue Jahrtausend betraten auch die Europäischen Kulturtage Neuland. Das äußere Erscheinungsbild, nunmehr im Zeichen von Rottönen im Baukastensystem von Überschneidung und Verflechtung, deutete den Willen, die Dynamik veränderter Zeitströmungen und immer neue Formen der Kulturvermittlung aufzugreifen. Das Stichwort »KunstStück Zukunft« markierte im Jahr 2000 zugleich auch die Neuori- entierung des Festivals, das seinen Fokus verstärkt auf »Künftige Optionen und Konditionen der Kunst« (so ein Aufsatz von ZKM-Vorstand Peter Weibel) richtet. Mit dem Schwerpunkt »Mythos Europa?« trat 2002 die Herausforderung des Generalthemas auf den Plan. Mehr denn je geht es dabei um den Dialog der Künste. Das Badische Staatstheater, das seit je die interessantesten Blüten der zeitgenössischen europäischen Theaterszene sondierte und nach Karlsruhe brachte, berei- chert damit künstlerische Tiefe und Internationalität der Reihe. Bleibenden Eindruck hinterließen spektakuläre Uraufführungen wie etwa die Oper »Graf Mirabeau« von Siegfried Matthus zum Thema »Französische Re- volution« 1989. So ermöglichten die vielfältigen Kontakte des Badischen Staatstheaters, aber auch der Musikhochschule und zahlreicher ambi- tionierter Ensembles der Stadt Querschnitte durch die Musikpflege der Zeit und des Kontinents. Singuläre Größen wie Wolfgang Rihm haben das Klang-Gesicht des Festivals ebenso mitgeprägt wie die zahllosen zeit- genössischen Komponisten aus aller Herren Länder, die unmittelbares Erleben Neuer Musik ermöglichten. Hort der Konzentration war und ist der Brückenschlag von West nach Ost. Nach dem beziehungsreich im Tableau europäischer Zentralpunkte beleuchteten Thema »Istanbul« vor zwei Jahren ergibt sich nun, zu dem vor über 20 Jahren begonnenen Prozess europäischer Erkundungen im Osten, mit »Moskau« die konzentrische Zuspitzung dieser Programmlinie und zugleich die Öffnung der Perspektive auf eine machtvolle »Trilogie der europäischen Geistesgeschichte« (Michael Heck), die später mit dem Thema »Rom« gekrönt werden soll. Moskau nun selbst, der Leuchtturm des Festivals 2006, ist die größte Stadt Europas. Sie hat 11 Millionen Einwohner, 15 Millionen mit den Randbezirken, der Autobahnring um die Stadt ist 109 km lang, es gibt dort 7 Kopfbahnhöfe und 4 Internationale Flughäfen. Als Kulturmetropole wartet die russische Hauptstadt z.B. mit 600 Theatern auf, darunter sieben Opernhäusern. Ein unüberschaubares Geflecht aus kunstvollen Strömungen und kreativen Gedankenflüssen, an dessen Ufer wir uns 23 Jahre nach »Katalonien« gemeinsam stellen wollen, um im Banne des vermittelnden Mediums der Kunstsparten diesen irisierenden Geist aufzu- nehmen, und einer prägenden Sprache europäischer Kultur und Identität zu lauschen, die sich mit unseren eigenen inneren Stimmen mischt. < 32 33 > BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE < 34 35 > THEATER Badisches Staatstheater Karlsruhe 18. Europäische Kulturtage Karlsruhe 2006 »Moskau« 22. April - 13. Mai 2006 Badisches Staatstheater Karlsruhe Generalintendant Achim Thorwald Verwaltungsdirektor Wolfgang Sieber Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Organisation: Dr. Jörg Rieker Simone Voggenreiter Petra Clemens Ingeborg Falke Gastspielkoordination: Sabine Bergmann M.A. Wolfgang Hilsenbek In Zusammenarbeit mit: < 36 37 > Eröffnung der Foto-Ausstellung Das neue Moskau Новая Москва Die Fotografien dieser Ausstellung vermitteln einen einzigartigen Eindruck, in welch kurzer Zeit sich das Erscheinungsbild Moskaus gewan- delt hat. Dabei hat sich der moderne Städtebau immer am Erhalt der architektonischen Besonderheiten und der Natur Moskaus orientiert. Musikalische Umrahmung: Balalaika-Orchester Iwuschka Mazeppa Мазепа Oper in drei Akten von Peter I. Tschaikowski – in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln Text von Wiktor Burenin nach dem Poem »Poltawa« von Alexander Puschkin, überarbeitet vom Komponisten Musikalische Leitung: Uwe Sandner Regie: Dominik Neuner Bühne: Roland Aeschlimann Kostüme: Ute Frühling Choreografie: James Sutherland Chor: Carl Robert Helg Mit: Mazeppa (Walter Donati / Edward Gauntt), Wassilij Leóntjewitsch Kotschubéj (Konstantin Gorny / Luiz Molz), Ljubóff, dessen Frau (Wilja Ernst-Mosuraitis), Maria Wassiljewna, seine Tochter (Barbara Dobrzanska / Rosita Kekyte), Andrej (Ks. Klaus Schneider / Mauro Nicoletti), Filipp Orlik, Vertrauter und Geheimagent Mazeppas (Mika Kares / Ulrich Schneider), Iskra, Oberster von Poltáwa (Ks. Hans-Jörg Weinschenk / John Pickering), Ein betrunkener Kosak (Michael Berner) Eintritt: 13,50 D bis 46,50 D (Premiere A) 8,50 D bis 30 D Die Handlung dieser selten aufgeführten Tschaikowski-Oper spielt zu Anfang des 18. Jahrhunderts in der Ukraine. Maria, die junge und schöne Tochter Kotschubejs, hat ein Liebesverhältnis mit dem wesentlich älte- ren Hetman Mazeppa. Der junge Andrej hingegen stößt bei Maria auf keine Gegenliebe. Mazeppa wirbt bei seinem Freund Kotschubej um die Hand der Tochter, wird jedoch auf Grund seines hohen Alters abgewiesen. Maria verlässt daraufhin mit Mazeppa gegen den Willen der Eltern ihr Zuhause. Jetzt will Kotschubej nur noch eines: Mazeppa vernichten. Als Hetmans langjähriger Freund und Vertrauter besinnt er sich auf dessen Wunsch, Alleinherrscher der Kosaken zu werden, was eine Lossagung vom Moskowiter-Zaren bedeuten würde sowie einen Anschluss an dessen Feind, den Schwedenkönig. Der von Maria zurückgewiesene Andrej ist es nun, der Zar Peter I. von Mazeppas geplantem Verrat unterrichten will. Doch Mazeppa kommt ihnen zuvor und verleumdet Kotschubej bei Peter I., was Marias Vater den Kopf kostet. Nachdem in der Schlacht von Poltawa die Schweden von Peter I. vernichtend geschlagen wurden, erscheint zum verhängnisvollen Schluss die wahnsinnig gewordene Maria, die in dem > Sa, 22. April 2006 18 Uhr Foyer THEATER > Eröffnung der 18. Europäischen Kulturtage Karlsruhe 2006 > Premiere A: Sa, 22. April 2006 18.30 Uhr Großes Haus Premiere B: Di, 25. April 2006 20 Uhr Großes Haus Weitere Vorstellungen: 27. April, 20 Uhr 29. April, 15 Uhr 3. Mai, 20 Uhr 5. Mai, 20 Uhr M AZ EP PA < 38 39 > lebens müden Mazeppa ihren Geliebten nicht mehr erkennt und dem sterbenden Andrej ein Wiegenlied singt. »Puschkins “Poltawa” wirft die Frage auf nach dem Verhältnis des Individuums – mit seinen Wünschen und Vorstellungen – zum unaufhalt- samen Lauf der Geschichte. Bei Tschaikowskis Aneignung von Puschkins Poem verlagerte der Komponist allerdings die Gewichte zugunsten der Figur der Maria, deren unbedingte, die Grenzen der gesellschaftlichen Konvention sprengende Liebe zu Mazeppa in den Mittelpunkt rückt. Am Ende, in Marias Wahnsinnsszene, wenn sie sich über ihre Mutter beklagt und das abgeschlagene Haupt ihres Vaters für sie zu einem Wolfskopf mutiert, wird deutlich, dass es die Strenge und der Starrsinn der Eltern waren, vor deren Druck die Tochter im Wahnsinn Schutz sucht.« (Sigrid Neef) Tschaikowski hat in »Mazeppa« (Uraufführung: 15. Februar 1884, Bolschoi Theater Moskau) mehrfach originale russische und ukrainische Volkslieder verarbeitet, jedoch ging es ihm nicht in erster Linie um eine realistische Schilderung der Lebensumstände des Volkes. Tschaikowskis motivisch-thematische Arbeit hebt die den Volksliedern verpflichteten Szenen aus der Sphäre des rein Realistischen heraus und verleiht ihnen so eine allgemeingültigere, tiefere Dimension. Die Geschichte der Menschheit ist immer auch eine Geschichte der Unmenschlichkeit. THEATER < 40 41 > ANTON TSCHECHOW Wilder Honig / (Platonow) Дикий мед/Платонов Anton Tschechows erstes Stück in einer Neufassung von Michael Frayn Deutsch von Ursula Lyn und Andreas Pegler Regie: Albert Lang Ausstattung: Peter Schubert Eintritt: 8 D bis 23 D Ein südrussisches Gut um 1875: Vor wenigen Jahren noch war Platonow ein lebenshungriger, zuversichtlicher junger Mann, übervoll mit Ideen für eine bessere Welt. Jetzt ist er ein desillusionierter und zynischer Dorfschullehrer, der sich zusammen mit seiner ungeliebten Frau Sascha in die Provinz zurückgezogen hat. Auf einem Sommerfest im Haus der rei- chen Witwe Anna Petrowna lässt er die Nachbarn, die ebenso wie er ori- entierungslos durch ihr Leben stolpern, seine intellektuelle Überlegenheit spüren: Er gibt den sarkastischen Hofnarren und spielt den charman- ten Verführer. Und hat damit auch noch Erfolg. Sein melancholischer Lebensekel weckt Begehrlichkeiten bei den Frauen. Die selbstbewusste Anna Petrowna will ihn zum Geliebten und seine ehemalige Jugendliebe Sofia möchte ihren Mann verlassen, um mit ihm anderswo neu anzu- fangen. Doch Platonow, der auch von einem wahren, sinnvollen Leben träumt, kann sich nicht entscheiden. Hin- und hergerissen zwischen Liebe und Langeweile, Eitelkeit und Selbstekel scheut er vor den Konsequenzen zurück, bis sie ihm aus der Hand genommen werden... Tschechows Jugendwerk, zwischen 1877 und 1881 entstanden, ist erst in seinem Nachlass als »Werk ohne Titel« entdeckt worden. Meist unter dem Namen seiner Hauptfigur »Platonow«, aber auch unter dem Titel »Die Vaterlosen« gespielt, hat Michael Frayn 1985 das Stück ent- schlackt und es unter dem Titel »Wilder Honig« für die Bühne neu bear- beitet. In einem tragikomischen Zeitportrait beschreibt Tschechows frühes Stück Figuren ohne Ideale, zeigt ihren Fatalismus und ihre unerfüllte Sehnsucht nach Liebe und einem erfüllten Leben. Tschechows lakonische Wirklichkeitsdarstellung der überlebten russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts liest sich heute wie eine prophetische Diagnose der zeitgenös- sischen Orientierungslosigkeit. Denn die Frage Platonows »Warum leben wir nicht so, wie wir leben könnten?« droht in medialer Oberflächlichkeit, öffentlicher Lethargie und allgemeiner Resignation unterzugehen. Anton Pawlowitsch Tschechow, 1860 in Tanganrog geboren, revolu- tioniert als »Dramatiker der vertanen Chancen, der Stagnation und der Lebenslügen« die dramatische Dichtung des 20. Jahrhunderts. Er stirbt 1904 in Badenweiler an einem jahrelangen Lungenleiden. THEATER > Premiere: So, 23. April 2006 19 Uhr Kleines Haus Weitere Vorstellungen: 30. April, 19 Uhr 4. Mai, 20 Uhr 7. Mai, 19 Uhr 10. Mai, 20 Uhr < 42 43 > THEATERSTUDIO PJOTR FOMENKO, MOSKAU Ein absolut glückliches Dorf Одна абсолютно счастливая деревня von Boris Wachtin – in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln Regie: Pjotr Fomenko Eintritt: 8 D bis 23 D Das Theaterstudio Pjotr Fomenko setzt sich erstmals mit der wenig bekannten Prosa des St. Petersburger Schriftstellers Boris Wachtin ausein- ander. In der Inszenierung von Pjotr Fomenko geht es um Krieg, Frieden, Geburt, Tod und Liebe. Um viel Liebe und wenig Hass. Um die Liebe zum Dorf aus der Vorkriegszeit und zu seinen wunderlichen Bewohnern, um die Liebe zu einem Flüßchen, um die Liebe zu Feldern, die von Dorfmädchen gemäht werden, um die Liebe der Lebenden zu den Toten, um die Liebe der Toten zu den Lebenden und letztendlich um die Liebe der Haupthelden der Aufführung, die so gewaltig ist, dass sie die Grenzen des Lebens und des Todes, des Raumes und der Zeit überwindet. Und um Hass – aber höchs- tens auf die Dummheit der Menschen, die nun schon viele Jahre schreiben und schreiben, sich immer neue Dinge ausdenken und sich dennoch nichts ausgedacht haben, damit kein Blut mehr fließt und die Kriege aufhören. Die Inszenierung hat den Internationalen Stanislawski-Theater-Preis in der Kategorie »Beste Inszenierung der Saison« und den Preis der »Gol- denen Maske« für die Beste Kammertheaterinszenierung erhalten. Das Moskauer Theater Theaterstudio Pjotr Fomenko ist 1993 aus dem Studio von Pjotr Naumowitsch Fomenko an der Russischen Akademie für Theaterkunst hervorgegangen. Das Moskauer Theater »Theaterstudio P. Fomenko«, zu dessen Repertoire neue Autoren und russische Klassiker gehören, arbeitet eng mit dem Kulturkomitee der Regierung Moskaus zusammen. Das jetzige Theater ist quasi ein Kulturzentrum, wo die The- ateraufführungen nicht nur entstehen und aufgeführt werden, sondern wo auch die Studenten unterrichtet werden. Das Theater ist auf mehreren internationalen Festivals aufgetreten, u.a. bei den Berliner Festwochen, dem Festival in Avignon und der Bonner Biennale. Zahlreiche Gastspiele führten das Theater u.a. nach Italien, England, Israel, Frankreich, Öster- reich, in die Schweiz, nach Brasilien, nach Serbien, Belgien, in die Ukra- ine, sowie nach Spanien und Japan. THEATER > Mi, 26. April 2006 20 Uhr Kleines Haus Weitere Vorstellung: Do, 27. April 20 Uhr GAST SPIEL > EIN ABSOLUT GLÜCKLICHES DORF, Szenenfoto < 44 45 > NachtKlänge 2. Konzert Звуки ночи 2.концерт Neue Klänge aus Russland Werke von Boris Yoffe, Edison Denissow und Sofia Gubaidulina Sofia Gubaidulina: Quasi Hoquetus (1984) und Concordanza für Kammerensemble (1971) Edison Denissow: Hommage à Pierre (1985) Boris Yoffe: Kirchenfenster bei Nacht (2005) – Deutsche Erstaufführung – und Variationen (1998) – Uraufführung Mit Mitgliedern der Badischen Staatskapelle Musikalische Leitung und Moderation: Ulrich Wagner Eintritt: 9,50 D Für die Neue Musik der ehemaligen Sowjetunion gelten neben dem 1996 verstorbenen Edison Denissow die heute in Deutschland lebende Sofia Gubaidulina als mit die profiliertesten Vertreter. Sofia Gubaidulina wurde für kompositorisches Schaffen sowohl mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland als auch mit dem französischen Orden »Pour le mérite« ausgezeichnet. Dmitri Schostakowitsch prägte zu Sowjetzeiten entscheidend ihre kompositori- sche Haltung: Expressivität und Innerlichkeit sind in ihrer Musik kein Widerspruch. Das mag auch an der Einbeziehung zahlreicher literarischer, philosophischer und religiöser Inspirationsquellen liegen. Auch der ausgebildete Mathematiker Denissow betonte in seinem Schaffen den Einfluss der Intuition und den Reichtum atmosphärischer Klangfarben. Einst von Schostakowitsch entscheidend gefördert, löste er sich in seinem Werk zunehmend von seinem Lehrmeister wie von folklo- ristischen Einflüssen und wandte sich schließlich westlichen kompositori- schen Vorbildern zu. Im spannenden Vergleich zu diesen beiden international etablierten Künstlern präsentiert das Konzert der Nachtklänge auch ein Werk der jungen russischen Generation: Boris Yoffe wurde 1968 in St. Petersburg geboren, studierte Violine und Komposition u.a. in Tel Aviv und besuchte ab 1997 die Kompositionsklasse von Prof. Wolfgang Rihm – er ist also mittlerweile ein echter Karlsruher. Die kritische Auseinandersetzung mit musikalischer Intuition, literarischer Dichtung und traditioneller Mystik sind jedoch auch bei ihm Grundlage seines kompositorischen Universums. THEATER > Fr, 28. April 2006 21 Uhr INSEL > SOFIA GUBAIDULINA < 46 47 > THEATERSTUDIO PJOTR FOMENKO, MOSKAU Krieg und Frieden Teil I Война и мир.1.часть nach Lew Tolstoj – in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln Regie: Pjotr Fomenko Bühne: Wladimir Maksimow Kostüme: Maria Danilowa Eintritt: 8 D bis 23 D Der Aufführung des Moskauer Fomenko-Theaters liegt eine Drama- tisierung von Everett Christopher Dixon des ersten Teils des Tolstoj- Romans zugrunde. In ausgewählten Szenen spiegeln sich all die Momente wider, die den ganzen Roman prägen: das Zusammenspiel der persönlichen Erlebnisse der Protagonisten vor einem komplexen politischen Hinter- grund. Die Inszenierung, die 2002 auf dem Festival »Goldene Maske« in den Kategorien »Beste Kammertheater-Inszenierung«, »Beste Regie« und »Beste weibliche Rolle« ausgezeichnet wurde, gliedert sich je nach Ort des Geschehens in drei Teile: St. Petersburg, Moskau und Lyssyje Gory. Der Krieg hat noch nicht begonnen, doch die Welt ist bereits voller dunkler Vorahnungen. THEATER > Sa, 29. April 2006 19.30 Uhr Kleines Haus GAST SPIEL > KRIEG UND FRIEDEN TEIL I, Szenenfotos < 48 49 > OPERNGALA Eugen Onegin Евгений Онегин Lyrische Szenen in drei Akten von Peter I. Tschaikowski Text von Peter I. Tschaikowski und Konstantin S. Schilowski, nach einem Versroman von Alexander Puschkin (1830) – in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln Musikalische Leitung: Oleg Caetani (als Gast) Regie: Robert Tannenbaum Bühne: Peter Werner Kostüme: Ute Frühling Choreografie: Rosemary Helliwell Chor: Carl Robert Helg Gäste: Maria Fontosh (Tatjana), Dalibor Jenis (Onegin), Evgeny Akimov (Lenskij) Badischer Staatsopernchor, Badische Staatskapelle, Extra-Chor, Extra-Ballett Eintritt: 21 D bis 84,50 D Bewusst verzichtete Tschaikowski 1878 mit seiner Vertonung lyri- scher Szenen auf eine verzweigte Handlung, auf Exotik und pathetischen Ausdruck sowie auf alle sonst so üblichen Opern-Ingredienzien wie Gift, Intrige und Mord. »Ich suche ein intimes, aber starkes Drama, das auf Konflikten beruht, die ich selber erfahren oder gesehen habe, die mich im Innersten berühren können.« Die Librettisten gingen mit der strengen Auswahl einiger weniger Passagen aus der Versvorlage sogar noch einen Schritt weiter als Puschkin: widmete sich jener allein dem Ablauf des Denkens und Fühlens seines Titelhelden, entstanden bei Tschaikowski und Schilowski emotionale Momentaufnahmen dreier Protagonisten – die Oper vereint in drei Akten gleich drei in sich abgeschlossene Tragödien. Die starke innere Anteilnahme des Komponisten und sein eigenes Zerbrechen am bürgerlichen Moralanspruch machen »Eugen Onegin« zu einem seiner persönlichsten Zeugnisse. THEATER > Galavorstellung So, 30. April 2006 19 Uhr Großes Haus > EUGEN ONEGIN, Szenenfoto , < 50 51 > TIMNA BRAUER & ELIAS MEIRI ENSEMBLE »Der jüdische Liederschatz Osteuropas« Сокровищница еврейской песни восточной Европы Eintritt: 8 D bis 19,50 D Die ersten Pioniere des Staates Israel waren russische Einwanderer. Bis heute sind die beliebtesten Volkslieder dieses Landes ins Hebräisch übersetzte russische Lieder. Das Ostjudentum hat aber auch Westeuropa sehr stark geprägt. Jiddische Lieder und Klezmermusik erleben derzeit eine Blüte. Herausgerissen aus ihrem ursprünglichen Kontext, Hochzeiten und andere jüdische Feste zu begleiten, werden sie immer mehr fixe Bestandteile diverser Festivals und Konzertreihen. Sie finden einen Ehrenplatz in der Europäischen Kultur der Jahrtausendwende. Timna Brauer, Österreich-Israelin mit jemenitischer und russischer Herkunft präsentiert diese Tradition im Wandel der Zeit in dem sie etliche neue Klänge einfließen lässt, ob nun aus dem Jazz oder dem Orient, ohne dabei die ursprüngliche Essenz zu verlieren. »Jiddisch singen ist ein Bekennen zu seinen osteuropäischen Wurzeln«, meint Timna Brauer. > Di, 2. Mai 2006 20 Uhr Kleines Haus Weitere Vorstellung: Mi, 3. Mai 20 Uhr THEATER > TIMNA BRAUER < 52 53 > Anna Karenina Анна Каренина Ballett nach dem Roman von Lew N. Tolstoj, erschienen 1875–1877 Musik: Dmitri Schostakowitsch, Sergei Rachmaninow, Aram I. Chatschaturjan Choreografie: Terence Kohler Bühne und Kostüme: Michael Scott Klavier: Inna Martushkevich Es tanzt das Ballettensemble des Badischen Staatstheaters Karlsruhe Eintritt: 11 D bis 34 D »Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich«. So der berühmte Eingangssatz zu Tolstojs großem Roman der Liebe »Anna Karenina«, der die Geschichte der leidenschaftlichen Beziehung zwischen einer verheirateten Frau und einem jungen Offizier im zaristischen Russland erzählt. Eingebunden in die Engherzigkeit einer in ihren Normen erstarrten aristokratischen Gesellschaft findet nach längerem Sträuben die sensible Anna Karenina in der aufrichtigen Zuneigung des jungen Grafen Wronskij die Erfüllung ihrer Sehnsucht nach rückhaltloser Liebe. Die schöne junge Mutter eines Sohnes, mit einem Mann verheiratet, den sie nicht liebt, aber achtet, ist Mittelpunkt der höchsten Moskauer und St. Petersburger Hofgesellschaft, der ihre »liaison fatale« nicht verborgen bleibt. Hin und her gerissen zwischen Lüge und Wahrheit verkehrt sich ihre Liebe zu Wronskij in Eifersucht und Hass. Lösung aus diesem Dilemma findet sie nur in der Selbstauslöschung. Wie in vielen seiner Werke hat auch hier Tolstoj Menschen und Be- gebenheiten seiner unmittelbaren Umgebung und nicht zuletzt seiner eigenen weitverzweigten aristokratischen Familie literarisch verdichtet. Mit Lewin, dem Gutsbesitzer, der das tätige Leben auf dem Lande und die nicht krisenfreie, doch stetig wachsende Liebe zu seiner Frau Kitty dem oberflächlichen Müßiggang der Großstädte vorzieht, hat Tolstoj sei- nem Ideal eines sozial handelnden Menschen ein überzeugendes Denkmal gesetzt. In diesem Spannungsfeld eines ruhigen, verantwortungsvollen Daseins und dem zum Scheitern verurteilten Versuch eines Paares, gegen alle vorherrschenden Konventionen persönliches Glück zu erringen, ent- wirft Tolstoj seine Dichtung, die auch 130 Jahre nach ihrem Erscheinen nichts an Eindringlichkeit verloren hat. THEATER > Uraufführung / Premiere: Sa, 6. Mai 2006 19.30 Uhr Großes Haus Einführung: Sonntag vor der Premiere, 30. April 2006 11 Uhr Kleines Haus Weitere Vorstellungen: 21. Mai, 19 Uhr 15. Juni, 19 Uhr 2. Juli, 19 Uhr 20. Juli, 20 Uhr > ANNA KARENINA, Probenfotos < 54 55 > FILMKONZERT 4. Sonderkonzert 4. Специалный концерт Filmvorführung »Panzerkreuzer Potemkin« Regie: Sergei Eisenstein mit der Filmmusik von Dmitri Schostakowitsch Badische Staatskapelle Dirigent: Jochem Hochstenbach Eintritt: 11 D bis 34 D Sergei Eisensteins »Panzerkreuzer Potemkin« von 1925 ist für Filmhistoriker und Kritiker unterschiedlichster ästhetischer wie ideolo- gischer Überzeugungen noch immer der »beste Film aller Zeiten«. Das Werk entstand als Auftragsarbeit für die Jubiläumsfeiern der ersten russischen Revolution von 1905, die ein Matrosenaufstand auf einem Kriegsschiff ausgelöst hatte. Der Stummfilm ging nicht nur wegen der berühmten »Treppenszene von Odessa« in die Filmgeschichte ein: Eisensteins ungewöhnliche Bildeinstellungen und sein virtuoser, theore- tisch fundierter Einsatz damals möglicher Montagetechniken zeichnen eine neue Filmästhetik aus. Auch der kulturelle Austausch mit der auf internationale Anerkennung hoffenden Sowjetunion wurde Ende der zwan- ziger Jahre vom Erfolg dieses Films geprägt: Eisensteins Ästhetik wurde zum Modell des sowjetischen Films erklärt, »Panzerkreuzer Potemkin« zu einer modernen Ikone des Sowjetstaates stilisiert. Das Badische Staatstheater zeigt die erst im Jahr 2005 von der Kulturstiftung des Bundes fertiggestellte rekonstruierte Urfassung des Filmes. Die Filmmusik, eine Kompilation aus Schostakowitschs Sinfonien, ist eine Hommage zum 100. Geburtstag des Komponisten und wurde von der Presse mit ihren klingenden Episoden und kraftvoll-plastischen Gebärden »als kongeniale Ergänzung« bejubelt. THEATER > So, 7. Mai 2006 20 Uhr Großes Haus > Sergei EISENSTEIN, Panzerkreuzer Potemkin < 56 57 > NOVAJA OPERA MOSKAU Der Dämon Демон Phantastische Oper in drei Akten von Anton Grigorjewitsch Rubinstein Libretto von Pawel Wiskowatow (und Apollon Maikow) nach dem gleichnamigen Poem von Michael Lermontow – in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln Dirigent: Valery Kritskov Regie: Mikhail Efremor Bühne und Kostüme: Victor Gerasimenko Eintritt: 8,50 D bis 30 D Von Rubinsteins 20 Bühnenwerken scheint einzig seine neunte Oper »Der Dämon« (1875 in St. Petersburg uraufgeführt) im Bewusstsein der Opernwelt geblieben zu sein. Das Stück nach einem Gedicht von Michael Lermontow verbindet in der Gestalt des Titelhelden die Tragödie des Faust und die Luzifer-Legende: Der Dämon, gefallener Engel, liebt die Jungfrau Tamara, doch er bringt ihr Unheil und Tod. Während sie aber erlöst wird, sieht der Dämon sich zur ewigen Einsamkeit verdammt. Die Moskauer Novaja Opera wurde 1991 auf Initiative des Moskauer Bürgermeisters Yuri Luzhkov sowie des Künstlerischen Leiters Evgeny Kolobov gegründet. Mit seinem zeitgenössischen Auftrag gehört das Theater seit den Anfängen zu den führenden Häusern Russlands. Das variations- reiche Repertoire reicht von der Interpretation klassischer bis moderner Meisterwerke der russischen wie der internationalen Oper. In ihrer künst- lerischen Zielsetzung hat sich die Novaja Opera vor allem der Innovation und Interpretation verschrieben. Mehrfach wurden Inszenierungen mit nationalen Preisen ausgezeichnet und konnten sich bei Gastspielen inter- national etablieren. Die Moskauer Regierung verlieh der Novaja Opera 1996/97 für Tschaikowskis »Eugen Onegin« den Theaterpreis »Goldene Maske« für besondere künstlerische Leistungen. > Di, 9. Mai 2006 20 Uhr Großes Haus Weitere Vorstellung: Mi, 10. Mai 20 Uhr GAST SPIEL THEATER > DER DÄMON, Szenenfoto < 58 59 > NOVAJA OPERA MOSKAU Sinfoniekonzert Симфонический концерт »Bilder einer Ausstellung« von Modest Mussorgski »Frühlingskantate« von Sergei Rachmaninow »Kantate Moskau« von Peter I. Tschaikowski Dirigent: Evgeny Samoilov Mit: Solisten, Chor und Orchester der Novaja Opera, Moskau Eintritt: 11 D bis 34 D Einen ganzen Bilderbogen russischer Kunst, russischen Lebensgefühls und russischer Geschichte fächert das Konzert der Moskauer Novaja Opera auf. Mussorgskis »Bilder einer Ausstellung« gilt als eines der populärsten Stücke der Konzertliteratur überhaupt. Die musikalischen Tableaus sind von den Bildern des Malers Viktor Hartmann angeregt und verewigen Eindrücke russischer Architektur, possierlicher Märchenfiguren und eigentümlicher Begegnungen. Als ein ganz persönliches Zeugnis des Komponisten schildert Sergei Rachmaninows »Frühlingskantate« basie- rend auf dem Gedicht »Das grüne Rauschen« von Nekrassov die mannig- faltigen Naturerscheinungen und die bewusstseinsverändernde Kraft des beginnenden Frühlings. Bei Peter I. Tschaikowski wurde anlässlich der Krönung Zar Alexander III. ein ganzes Konvolut von Werken in Auftrag gegeben, als dessen gelungenstes die Kantate »Moskau« gilt. In epischer Prachtentfaltung präsentiert sie die Geschichte Moskaus als des Dritten Roms. 23. Opernball im Badischen Staatstheater 23 Оперный бал Zum Abschluss der Europäischen Kulturtage findet unter dem Motto »Ball im Bolschoi« der 23. Opernball statt. Von 20 Uhr bis morgens um 4 Uhr verwandelt sich das Staatstheater in einen Tanztempel. Dafür sorgen auf der Großen Bühne Solisten, Chor, Ballett und die Badische Staats- kapelle sowie die Mozartband aus Wien und Andrej Hermlin mit dem Swing Dance Orchestra aus Berlin. In der Tretjakow-Galerie (Kleines Haus) wird die »Scheherazade des musikalischen Kabaretts«, Annette Postel und das SalonOrchester Schwanen, »Für eine Nacht voller Seeligkeit« sorgen. Im Dostojewski-Salon (Probebühne) spielt Peter Wassiljewski & Das Leschenko-Orchester und einer der zahlreichen Clous des Abends wird das »Duo Flügzüg« sein, wenn es um Mitternacht auf dem Roten Platz landet. > Do, 11. Mai 2006 20 Uhr Konzerthaus GASTSPIEL > Sa, 13. Mai 2006 19 Uhr Einlass 20 Uhr Beginn THEATER 61 >< 60 STADT KARLSRUHE < 62 63 > Stadt Karlsruhe 18. Europäische Kulturtage Karlsruhe 2006 „Moskau“ 22. April – 13. Mai 2006 Stadt Karlsruhe Kulturamt Kulturreferent Dr. Michael Heck Festivalleitung und Programmgestaltung: Susanne Laugwitz M.A. Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Organisation: Claudia Lahn M.A. Gabi Glutsch Anna-Renate Sörgel Martha Banasch B.A. Monika Haidt-Nass Internet: Claudia Lahn M.A. Mitwirkung bei der Programmkonzeption der Stadt Karlsruhe: Martina Bartsch Bernd Belschner Dr. Melitta Büchner-Schöpf Prof. Dipl.-Ing. Alex Dill Renate Effern Prof. Vitaly Gorokhov Prof. Boris Groys Dr. Françoise Hammer Dr. Christa Hartnigk-Kümmel Alexander Kaschin Alfred Knecht Alfred Meyer Prof. Wolfgang Meyer Hildegard Müller-Jensen Werner Pfaff PD Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha Lothar Rumold Prof. Dr. Hansgeorg Schmidt-Bergmann Dr. Dieter Splinter Angelika Stepken Prof. Saule Tatubaeva Robert Walter Prof. Peter Weibel Elke Wiedemann Peter M. Wolko Christof Wyneken In Zusammenarbeit mit: Amt für Internationale Beziehungen der Stadt Moskau Stadtregierung Moskau Russisch-Deutsche Philharmonische Gesellschaft Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau Goethe-Institut Moskau Turgenev-Gesellschaft Deutschland Badische Bibliotheksgesellschaft Karlsruhe Badischer Kunstverein Karlsruhe e.V. BBK/Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler in Karlsruhe Centre Culturel Franco-Allemand Hochschule für Musik Karlsruhe Evangelische Stadtkirchengemeinde Fakultät für Architektur der Universität Karlsruhe (TH) Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaft der Universität Karlsruhe (TH) Galerie Alfred Knecht Galerie Rottloff GEDOK-Künstlerinnenforum e.V. Internationale Akademie für Nachhaltige Entwicklungen und Technologien (IANET) an der Universität Karlsruhe (TH) = Gorbachov-Akademie Jazzclub Karlsruhe Kinemathek Karlsruhe e.V. Kulturzentrum Tollhaus Literarische Gesellschaft Karlsruhe e.V. Modehaus Schöpf Richard-Wagner-Verband Karlsruhe Südwestrundfunk, Studio Karlsruhe Volkshochschule Karlsruhe ZAK/Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale der Universität Karlsruhe (TH) ZKM/Zentrum für Kunst und Medientechnologie 65 > BILDENDE KUNST / AUSSTELLUNGEN > Ausstellung: Bilder eines Reiches (ZKM), M. BURKAR, Sartianka, 1972, aus dem Album Ansichten und Men- schen der Orenburg-Region, Fotografie, Albuminpapier, Aquarell (21,4 x 17,6 cm), Sammlung Khoroshilv, Moskau 67 >< 66 Bilder eines Reiches. Das Leben im vorrevolutionären Russland Картины империи Жизнь в дореволюционной России Kuratoren: Prof. Dr. Boris Groys und Anastasia Koroshilova Mit Unterstützung der KARLSRUHER VERSICHERUNGEN Öffnungszeiten: Mo und Di geschlossen Mi - Fr 10 - 18 Uhr Sa und So 11 - 18 Uhr Eintritt: 5 D / 3 D ermäßigt Kinder/Schüler (7 - 18 Jahre): 2 D Familie (max. 2 Erwachsene + 3 Kinder): 10 D In den 60er-70er Jahren des 19. Jahrhunderts haben einige russische Fotografen versucht, das für die damalige Zeit neue Medium Fotografie dazu zu benutzen, um auf eine systematische Weise das Leben im rus- sischen Reich darzustellen: verschiedene Bevölkerungsschichten, unter- schiedliche Völker, Landschaften, Städte, industrielle Projekte, traditio- nelle Bräuche, Kriegsereignisse und Gefängnisse. In der Zeit, in der die Fotografie meistens im engen privaten und kommerziellen Rahmen ver- wendet wurde, bilden diese Fotoprojekte einen interessanten Sonderfall, da sie das Ziel hatten, nicht nur private Personen, sondern das ganze Land zu porträtieren. In gewisser Weise fungieren diese Projekte als visuelle Fortschreibungen der russischen realistischen Literatur damaliger Zeit, wie sie von Autoren wie Tolstoi, Turgenev, Gontscharow repräsentiert wurde. Obwohl diese Projekte von verschiedenen offiziellen Stellen unterstützt und gefördert waren, praktizieren sie einen illusionslosen, objektivierenden, realistischen Blick auf das vorrevolutionäre Russland – den Blick, der ein rein beschrei- bender, wissenschaftlicher Blick sein will. Die Ausstellung stellt einige dieser Foto-Projekte vor, die gleichzeitig eine hohe ästhetische Qualität haben. Damit will die Ausstellung nicht nur einen Einblick ins russische Leben im 19. Jahrhundert gewähren, son- dern auch und vor allem eine immer noch wenig bekannte Epoche in der Entwicklung des Mediums Fotografie erschließen. > So, 23. April - So, 6. August 2006 Vernissage und Eröffnung des städtischen Festival- programmes: So, 23. April 2006 11 Uhr ZKM|Zentrum für Kunst und Medientech- nologie Lorenzstr. 19 Info-Tel. (0721)8100-1200 BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN > MIGURSKIJ KARL IOSIFOWITSCH, Triumphbogen mit der Inschrift »Ty owejal ljubowju zarskojo wsech pod- dannych swoich« (»Du hast all deine Untertanen mit Zarenliebe umgeben«), 1869 aus dem Album »Ansichten der Stadt Akkerman«, Fotografie, Albuminpapier, 25,5 x 25,5 cm, © The National Liberary of Russia, St. Petersburg < 68 69 > Der Architekt Konstantin Stepanovic Mel’nikov Архитектор Константин Степанович Мельников Projekte und Bauten, Architekturmodelle / Rekonstruktionen Öffnungszeiten: Mo - Fr 9 - 18 Uhr Führungen nach Vereinbarung Eintritt frei Die Fakultät für Architektur beteiligt sich im Rahmen ihrer Forschungs- initiative zum architektonischen Erbe in Ost- u. West-Europa, insbesondere den Bauten der Avantgarde in Russland, an den Europäischen Kulturtagen in Karlsruhe 2006 mit folgendem Projekt: Der Architekt Konstantin Stepanovic Mel’nikov, 1890 – 1974, gilt als der individualistischste, innovativste und international am meisten beach- tete Architekt des postrevolutionären Russlands. Er war einer der herausragendsten und meistbeschäftigsten Architekten in dem kurzen Zeitraum des russischen Konstruktivismus in Moskau. Konstantin Mel’nikov hat die Entwicklung innovativer Projekte in Kunst und Kultur entscheidend mitgeprägt in einer Zeit der »Moderne« im Westen und der »Avantgarde« im Osten, die zu den interessantesten Peri- oden der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts zählt. Nach Erfolgen in Architekturwettbewerben in Moskau 1922-1925, Pro- jekten zu Arbeiterquartieren, zum »Palast der Arbeit«, dem Ausstellungs- pavillon zur »allrussischen Landwirtschaftsausstellung« gelang ihm erste internationale Anerkennung mit seinem innovativen Wettbewerbsprojekt für den russischen Pavillon für die »Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes« in Paris 1925. Sein eigenes Haus in Moskau (1927) bestehend aus zwei sich über- schneidenden Zylindern unter Anwendung völlig neuer baukonstruktiver Techniken und die 1927-1929 entstandenen fünf berühmten Moskauer Arbeiterclubs stehen beispielhaft für seine große künstlerische Ambition und seine herausragende architektonische Leistung. Seine Entwurfsprinzipien mit Raumfolgen, Durchdringungen von geo- metrischen Grundformen, großen Auskragungen der Volumen, mit Reihung von Grundformen, mit Symmetrie und Asymmetrie eine Dynamik von Raum und Form und einen unverwechselbaren Ausdruck zu erzielen, geht soweit, dass sich Räume flexibel erweitern oder kombinieren lassen wie z.B. im »Rusakov Club«. > Mo, 24. April - Do, 11. Mai 2006 Eröffnung Mo, 24. April 2006 18 Uhr Fakultät für Architektur der Universität Karlsruhe E 6 des Kollegien- gebäudes am Ehrenhof Info-Tel. (0721)608-2188 In seinem Entwurf der »Leningradskaja Prawda« sind schließlich sich unabhängig voneinander bewegende, rotierende Geschosse übereinander geschichtet als rotierendes Presse-Hochhaus, ein ähnlich dem Tatlin-Turm für die Internationale entworfenes, seiner Zeit weit vorauseilendes, nicht realisiertes Projekt. Kuratoren der Ausstellung: Otakar Máel (Delft), Maurizio Meriggi (Mailand), Dietrich Schmidt (Stuttgart) BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN > RUSAKOV CLUB, Historisches Foto, Architekt: Konstantin Mel’nikov > GRUNDRISSE DES RUSAKOV CLUB, Moskau, Archivbild > RUSAKOV CLUB MOSKAU, 2003/2004, Foto: A. Dill < 70 71 > Russische Emigration in Fotografien 1917 - 1947 Русская эмиграция в фотографиях 1917 - 1947 aus dem Fonds Andrei Korliakov Öffnungszeiten: Mo - Fr 10 - 12.30 Uhr Mo - Do 14 - 18 Uhr Eintritt frei Mit Vortrag des Historikers Andrei Korliakov (in französischer Sprache) Andrei Korliakov hat es sich zum Ziel gesetzt das Leben der Russen im französischen Exil nach der bolschewistischen Revolution 1917 oder nach dem anschließenden Bürgerkrieg zu dokumentieren, konservieren und bekannt zu machen. Die Ausstellung zeigt Fotografien von Unbekannten (russischen Ar- beitern bei Renault, Taxifahrern, Kosaken...) aber auch von bekann- ten Leuten (dem Maler Poliakov, dem Schriftsteller Bounine, Tänzern, Wissenschaftlern). Doch gezeigt werden nicht nur Porträts, sondern auch Orte wie die »russischen Dörfer« (Rives bei Grenoble oder Colombel in der Normandie), Internate, Schulen... Seit Jahrhunderten pflegen Russland und Frankreich intensive Kontakte unter anderem im kulturellen und intellektuellen Bereich. Schon im 18. Jahrhundert verwendete die von französischen Hauslehrern ausgebildete russische Aristokratie Französisch als zweite, beizeiten auch als erste li- terarische und mondäne Sprache. Nach der Revolution 1789 wurde Frankreich zum unumgänglichen geis- tigen Vorbild aller russischen Oppositionsbewegungen – von den Liberalen bis hin zu den Bolschewiken. Während die kaiserliche Verwaltung sich aus deutschen Elementen zusammensetzte, zogen es die Intellektuellen vor, sich an der französischen Kultur zu orientieren. So zum Beispiel Puschkin, der von seinen Schulkollegen als »der Franzose« bezeichnet wurde oder auch der Roman »Krieg und Frieden« von Tolstoi, der mit zwei Seiten französischer Konversation in einem aristokratischen russischen Salon beginnt. Nicht zuletzt haben die größten Namen des kulturellen Lebens im Russland des beginnenden 20. Jahrhunderts, die 1917 von der kommunis- tischen Revolution vertrieben wurden, in Paris Zuflucht gefunden, genau so wie die Dissidenten der 60er und 70er Jahre. > Di, 25. April - Fr, 26. Mai 2006 Eröffnung: Di, 25. April 2006 18 Uhr Centre Culturel Franco-Allemand, Kaiserstr. 160-162 Info-Tel. (0721) 16 03 80 BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN < 72 73 > »High Culture« und »warZeichen« »Хай калчер« и достопримечательности Fotografien von Uta Süße-Krause Öffnungszeiten: Mi, Do, Fr 17 - 19 Uhr Sa 14 - 16 Uhr Eintritt frei Das Projekt »High Culture« spielt mit der Möglichkeit der Mehrdeu- tigkeit. Zum einen evoziert der Titel die Direktübersetzung von Hochkultur, zum anderen (phonetisch) eine typisch englische Begrüßungsfloskel oder in der bildlichen Übertragung: Die hochgeworfene Kultur. Der rote Cellokasten: Aktiv wird er hochgeworfen vor den Wahrzeichen der jewei- ligen Metropole: High Culture! Der rote Cellokasten symbolisiert auch die weltumspannende Sprache der Musik. Sie ist unabhängig von der Nationalität, von gesproche- nen Sprachen – eine Verständigungsebene für sich..... ein Appell gegen Abgrenzung, für Toleranz und Verständigung. Aber es gibt noch weitere Betrachtungsaspekte: Passiv steht er da, als stummer Beobachter, als das Fremde an sich, als Außenseiter, als Zeuge im Geschehen. Er wartet, was passiert. Meist wird er nicht beachtet. Die Menschen ziehen vorbei, sie befinden sich im Fluss. Er aber steht, ist rot und eigentlich nicht zu übersehen, - aber so recht mag sich keiner mit ihm beschäftigen, sei es in Moskau, Paris, Berlin oder London (mit je einer Fotografie aus Berlin, Paris und London wird Moskau in die Reihe der europäischen Metropolen gestellt). Er steht vor Putins Palast, vor Lenin einsam auf dem Roten Platz, er mischt mit im Verkehr, beim einsamen morgendlichen Straßenfegen und im Kaufhaus GUM auf der Rolltreppe, im Untergrund oder im feinen Moskauer Ambiente. Das Fremde, was immer es ist, ist eben doch mitten unter uns. Auch die Farbe hat eine eigene Sprache. Rot steht in allen Kulturen als Metapher für Liebe, Sinnlichkeit und Lebensfreude, aber auch für Aggression und Kampfeslust. Keine Farbe in der Farbenskala hat diese extreme Ambivalenz. Das Projekt »warZeichen«, das zuletzt in Berlin im Museum für Kommunikation (2004) und in der Südwest Bank Stuttgart (2005) aus- gestellt wurde, zeigt eine Auswahl von großformatigen fotografischen Abstraktionen, die mit der Symbolkraft signifikanter Gebäude spielen. Sinnzusammenhänge verändern sich, die Zeichen lösen sich auf und aus Wahrzeichen werden »warZeichen«. Ohne digitale Veränderung gelingt es Uta Süße-Krause, eine neue Abstraktionsebene zu erreichen an der Schnittstelle zwischen Malerei und Fotografie. > Di, 25. April - Fr, 26. Mai 2006 Eröffnung: Di, 25. April 2006 17 Uhr GEDOK- Künstlerinnen- forum Markgrafenstr. 14 Info-Tel. (0721) 37 41 37 Uta Süße-Krause transportiert viele »offene« Botschaften. Der Be- trachter muss selber hinschauen, wird dabei sowohl von der Ästhetik als auch vom Inhalt der Arbeiten zu weiteren Gedanken angeregt. Hinweis: Ergänzend zu dieser Ausstellung wird Uta Süße-Krause weitere fotografische Arbeiten in der Galerie Schrade & Blashofer, Markgrafenstr. 25, zeigen. Informationen dazu unter (0721) 3 54 85 70 BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN > Foto: UTA SÜßE-KRAUSE < 74 75 > Russisch Brot Русский хлеб Installation von Bernhard Garbert Öffnungszeiten: Di - Fr 14.30 - 19 Uhr Eintritt frei Mit dem Titel »Russisch Brot« konzipiert Bernhard Garbert (geb.1957) eine Installation mit Wortkombinationen in lateinischen und kyrillischen Buchstaben für die Räume der Galerie in der Sophienstraße, wobei die Er- scheinungsform des gleichnamigen Keks-Gebäckes unter Verwendung von Karlsruher Majolika beabsichtigt ist. Dabei geht er von dem modulen Material seiner ROTKREUZGEDICHTE aus, wie der in Berlin wohnende Künstler seine Zweierkombinationen von Dreibuchstabenwörtern ursprünglich nennt. So z.B. überzog er die 32 weißen Werbeflächen des Berliner U-Bahn- hofes der Linie 2 am Alexanderplatz mit einer Vielzahl dieser kreuzförmi- gen roten Wortmodule, in verschiedener Größe und aus unterschiedlichen Sprachen. (PUR-PUR, 2002/03). Sprachliche Kurzformeln, die er als visuell-begriffliches Kontrastmittel in wechselnder Form und an ganz unterschiedlichen Orten – vor allem auch des öffentlichen Raumes – einsetzt. Bernhard Garbert 1957 geb. in Vardingholt/Westfalen, lebt in Berlin 1978/85 Studium an der Hochschule der Künste/Berlin 1988 Arbeitsstipendium des Kultursenats/Berlin 1989/90 Stipendium für das P.S.I, New York 1990 Förderpreis des Deutschen Künstlerbundes 1994 Arbeitsstipendium des Kultursenats/Berlin 1996 Kunstpreis der Grundkreditbank/Berlin 1997 Arbeitsstipendium des Kunstfonds/Bonn 2003 »Torreao«, Artist-in-Residence, Porto Alegre/Brasilien »Onufri 2003«, Nationalgalerie Tirana, 2. Preis seit 2002 Professur für Plastik, Fachhochschule Hannover, Fachbereich Bildende Kunst Ausstellungen (seit 2000) 2000 »Wortstücke«,Robert-Koch-Hörsaal /Berlin; »Grosse Schleife«, Galerie Inga Kondeyne, Berlin > Fr, 28. April - Mi, 24. Mai 2006 Eröffnung: Fr, 28. April 2006 18 Uhr Galerie Rottloff Sophienstr. 105 Info-Tel. (0721) 84 32 25 2002 »Kommen und Gehen«, HO-Galerie/Berlin-Hellersdorf »PUR-PUR«,Wettbewerb Berlin-Alexanderplatz, Bahnhof der U-Linie 2; (bis Juni 03) 2003 »small«, Torreao, Porto Alegre /Brasilien »Ordentliche Kunst«, Art Acker /Berlin 2004 »Öffentliche Lesung«, Kunstverein Schwerin in der Turmhalle des Schweriner Doms; »Ordentliche Kunst«; Kunsthalle Rostock BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN > BERNHARD GARBERT, Russisch Brot < 76 77 > In die Puppenkiste gegriffen Из мира кукол Fotografie und Malerei von Irina Polin Öffnungszeiten: Mi - Fr 16 - 19 Uhr Sa 11 - 13 Uhr und n.V. Eintritt frei Die Russin Irina Polin, die 1971 in Moskau geboren wurde, lebt seit 1995 in der Schweiz, hat jedoch den Kontakt zu ihrer Heimatstadt nie abreißen lassen und besucht mehrmals jährlich Moskau, wo sie ihre künst- lerische Ausbildung bekam. Als Fotografin wird Irina Polin meist bezeichnet. Sie selbst will sich keinem künstlerischen Medium zuordnen lassen. Die Ausstellung in der Galerie Alfred Knecht trägt dem Rechnung. Großformatige Fotografien werden zusammen mit Ölbildern gezeigt. «Private Things» lautete der Titel einer Ausstellung im Kunstraum Kreuzlingen (CH) 2004. Dieser Titel ist eine klare Leseanweisung und wird auch in der Karlsruher Aus- stellung der Tenor sein. Zum Werk: Irina Polin greift tief in die Puppenkiste und entdeckt das Benutzte, das Abgelebte mit seiner eigenen verborgenen Geschichte. Diese Objekte arrangiert sie zu oft aberwitzigen Bildern, die sie fotografisch festhält - absurd, grotesk, detailreich, mondän, provokant, sinnlich. Dies sieht aus wie eigene Mikrowelten, voll von Spiel und Lust. Das Bekannte ist immer Bestandteil der Spielwelten von Irina Polin, rückt das Spiel in seinen richtigen Maßstab zurecht und konfrontiert nicht selten das Provokante mit dem Biederen des Alltags. Alltag und Spiel, Realität und Traum balancieren gemeinsam zu opulent ausgestatteten Erzählungen, in denen Grenzen keine Rolle mehr spielen. In ihren großformatigen Gemälden (ent)wirft Irina Polin Blicke auf eine reale Welt, die sie mit verführerisch leichtem Pinselstrich in Öl auf kühlem Alu festhält, es sind lasziv-kühle Huldigungen der Schönheit. Irina Polin geboren in Moskau, lebt seit 1995 in der Schweiz 1986 –1991 Studium an der Kunstakademie »After The Memory Of Year 1905«, Moskau 1996 –1999 Schule für Gestaltung, Luzern, (HFG) CH 2004 Edition für die KunstKöln D > Fr, 28. April - Sa, 27. Mai 2006 Eröffnung: Fr, 28. April 2006 19 Uhr Galerie Alfred Knecht Baumeisterstr. 4 Info-Tel. (0721) 9 37 49 10 BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN > IRINA POLIN, Meerestiere, Foto, 60x40 cm > IRINA POLIN, ohne Titel, 2003, Öl auf Alu, 125 x 83 < 78 79 > Ausstellungen (Auswahl) 2005 »private things« Kunstraum Kreuzungen, CH Ausstellungsprojekt »Europäische Künstler Baden- Württembergischer Galerien« im Kunstverein Karlsruhe für Galerie Vayhinger 2004 Auswahlausstellung Fotopreis 2004 des Kantons Bern Musée Jurassien des Arts, Moutier, CH (Einkauf Kunstkommission Bern) »Love« GA u.a. mit Basquiat, Lichtenstein, Warhol, Indiana Rudolf Budja Galerie, Salzburg, A KunstKöln 2004, D 2003 Galerie Rigassi, GA,Bern, CH KunstKöln 2003, D 2002 Galerie NN-Fabrik, GA, Wien, A »Begegnungen-Beziehungen«, Galerie Vayhinger, Radolfzell KunstKoeln 2002, Art Bodensee, A 2001 »Transitit« GA mit der Kunstakademie Düsseldorf in der Ausstellungshalle des Hafens von Nagoya, Japan »Künstlerpaare«, Artforum Rubigen, CH Galerie Rigassi, EA.Bern, CH ART Frankfurt D Art Innsbruck, Österreich, A 2000 Galerie Kabinett, EA, Bern, CH Galerie der Gegenwart, EA. Wiesbaden, D Parade Gallery, Amsterdam, Holland Ausstellung u.a. mit Yoko Ono, Rauschenberg, Warhol, One artist show mit Projects United Kunst 2000, Kunstmesse Zürich, »Tasty«, Art Frankfurt 2000, D »Mi-Art«, Kunstmesse Mailand, Italien Kunst-Rai, Kunstmesse Amsterdam, Holland 1999 »Prlvacy« mit Projects United Kreuzlingen, CH Kunst 99, Kunstmesse Zürich, CH 1998 »life is sweet« Galerie Kai Hiigemann, EA, Berlin, D Ausstellung der Aeschlimann-Corti Stipendiaten, Kunsthaus Thun, CH Galerie Contempo, Grenchen CH 1997 Ausstellung der Aeschlimann-Corti Stipendiaten, Kunsthaus Langenthal, CH 14. Internationale Graphik-Trienale, Grenchen, CH 1996 Maison Item Galerie, EA, Biel, CH, 1995 Contre Pasquart, Biel, CH 1994 Galerie Contempo, EA, Grenchen, CH Contre Pasquart, Biel, CH > So, 30. April - Mo, 5. Juni 2006 Krypta der Evangelischen Stadtkirche am Marktplatz Eröffnungs- gottesdienst: So, 30. April 2006 10.30 Uhr Evangelische Stadtkirche Info-Tel. (0721) 2 83 42 Himmel auf Erden – Russische Ikonen Земной рай – Русские иконы Öffnungszeiten: Täglich von 12 - 18 Uhr Eintritt frei Im Rahmen der im Frühjahr stattfindenden Europäischen Kulturtage Karlsruhe, die sich dieses Mal dem Thema »Moskau« widmen, führen die evangelischen Stadtkirchengemeinden in der Krypta der Stadtkirche eine Ikonenausstellung durch. Gezeigt werden Ikonen aus der Romanowzeit. Das Zentrum russischen Lebens war zur Romanowzeit (1613-1917), das durch Iwan III. (1440-1505) und Iwan IV. (1533-1584) aus kleinen Teilfürstentümern und durch Eroberung von Kasan und Astrachan zusam- mengefaßte Zarenreich mit der Hauptstadt Moskau. Es ist im wesentli- chen der Teil der heutigen GUS, der bis zum Ural reicht und allgemein als »europäisches Russland« bezeichnet wird. Dieses Gebiet hatte von ca. 1600 bis 1917 ca. 40 eigenständige Ikonenmalschulen, von denen die Moskauer Zarenwerkstätten, die Stroganow-, die Jaroslawer- und die Uschakowschule die wichtigsten sind. Ferner sind Sondergruppierungen wie die Altgläubigenateliers (seit ca. 1670), die Petersburgerschule (seit ca. 1700) und die relativ kleinen Künstlerbünde um 1900 erwähnens- wert. Gezeigt werden in der Ausstellung ca. 100 Ikonen, die hauptsächlich aus den Arbeiten aus den Moskauer Zarenwerkstätten, aber auch aus den Arbeiten der genannten Sondergruppierungen bestehen. Es handelt sich dabei teilweise um großflächige Ikonen, aber auch um kleinere Arbeiten. Der Leihgeber ist das Ikonenmuseum Schloß Autenried (bei Günzburg/ Donau). Dieses Ikonenmuseum ist das größte seiner Art außerhalb der slawischen Welt und Griechenland. Den Leihgebern, insbesondere Bischof Boris Rothemund, sei für das freundliche Überlassen der teilweise sehr wertvollen Ikonen gedankt. Die Ausstellung wird am 30. April mit einem Gottesdienst, der um 10.30 Uhr in der Stadtkirche beginnt, eröffnet. An den Gottesdienst schließt sich die Vernissage (mit Empfang) in der Krypta der Stadtkirche an. BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN < 80 81 > Irina Nakhova – Moskau-Installation Ирина Нахова – инсталлация «Москва» Öffnungszeiten: Di - Fr 16 - 18.30 Uhr Sa, So und Feiertag 11 - 14 Uhr Eintritt frei Die vom BBK eingeladene Moskauer Künstlerin Irina Nakhova wird während des Festivals im Laufe von 2 Wochen eine Installation erarbeiten, die Bezug zum Thema Moskau nimmt. Irina Nakhova wurde 1955 in Moskau geboren. Sie studierte am Moskauer Polygraphischen Institut und gehörte zur jüngeren Generation russischer Nonkonformisten, bekannt geworden unter dem Namen Moskauer Konzeptuelle Schule. Ihre erste Einzelausstellung außerhalb Russlands hatte sie 1989 mit »Partial Triumph I« in der Vanessa Devereux Gallery in London. 1990 folgte »Momentum Mortis« in der Phillis Kind Gallery, New York. Unter ihren jüngsten Projekten sind »Artificial Shrubbery« in der Staatlichen Tretyakov Galerie in Moskau (2005), »Alert: Code Orange« im Nationalen Zentrum für Zeitgenössische Kunst, Moskau (2004), »Silence« in der Galerie im Trakelhaus in Salzburg (2004) und »Moskau-Berlin« im Martin-Gropius-Bau, Berlin (2004). Irina Nakhova lebt und arbeitet in Moskau und New York. »Zwischenspiel« – ein musikalisch unterstrichenes Gesprächsangebot Am Sonntag, dem 7. Mai 2006 um 16 Uhr, steht die Künstlerin Irina Nakhova in entspannter Atmosphäre in der Künstlerhaus-Galerie für Gespräche zur Verfügung. Musikalisch begleitet wird der Nachmittag von Dimitri Dichtiar (Violoncello) und Cornelia Menke-Gengenbach (Klavier). Für die Überwindung sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten sorgt Irmtraut Gengenbach. Der Eintritt ist frei. > So, 30. April - Fr, 12. Mai 2006 Eröffnung: So, 30. April 2006 11 Uhr Finissage: Fr, 12. Mai 2006 19 Uhr BBK / Berufsver- band Bildender Künstlerinnen und Künstler Am Künstler- haus 47 Info-Tel. (0721) 3 84 84 80 Victor Alimpiev Виктор Алимпиев Öffnungszeiten: Di - Fr 11 - 19 Uhr Sa, So und Feiertag 11 - 17 Uhr Eintritt: 3 D / 1,50 D ermäßigt Für Mitglieder des Badischen Kunstvereins frei Der Badische Kunstverein widmet dem Moskauer Künstler Victor Alimpiev (geb. 1973) eine erste internationale Einzelausstellung. Alimpiev nahm mit Filmbeiträgen an den Kurzfilmtagen in Oberhausen (2001, 2003 - 2005) und dem Filmfestival Hannover (2001) teil, jedoch nicht an den deutschen Überblicksausstellungen zur jungen russischen Kunstszene der letzten Jahre. Einzelne Arbeiten von ihm wurden auf der Manifesta 5 in San Sebastian (2004) und auf der Biennale in Venedig (2003) gezeigt. Alimpiev arbeitet im Medium Video wie Malerei und Installation. Seine Filme thematisieren das Verhältnis von individuellem und sozialem Körper sowie dessen skulpturale und performative Qualitäten in eindrucksvollen Inszenierungen, die nicht zuletzt auch die Macht der (filmischen) Regie reflektieren. In seinen Malereien beschäftigt er sich mit Schlachtfeldern der Gegenwart, angesiedelt zwischen romantischen Horizontperspektiven und einer »panischen Geografie«: »It´s a purely dream image. These are clouds at war.« (V. Alimpiev) > Do, 4. Mai - So, 2. Juli 2006 Eröffnung: Do, 4. Mai 2006 19 Uhr Badischer Kunstverein Waldstr. 3 Info-Tel. (0721) 2 82 26 BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN < IRINA NAKHOVA > VICTOR ALIMPIEV, »Sweet nightingale« 2005, one channel video, loop, 6'36'' < 82 83 > Victor Alimpiev 1973 in Moskau geboren, lebt dort Studium an der »Art School of Memory of 1905«, Pädagogische Universität Moskau V. I. Lenin (Kunst und Grafik Fakultät), anschl. »New Strategies in Contemporary Art« des »Open Society Institute« der Soros Foundation in Moskau und an der Valand High School of Arts in Goteborg, Schweden (im Rahmen des Programms »New Art Strategy for International Partnership«) Ausstellungen (Auswahl): 2004 Manifesta 5, Donostia – San Sebastian, Spanien »Seven sins«, Ljubljana »The far off fight« (EA), Guelman Gallery, Moskau 2003 »Individual systems«, Biennale di Venezia »Body display«, Secession, Wien »Born to be a star«, Künstlerhaus, Wien »Russian video art«, Chelsea Art Museum, New York »To Oleg« (EA), Guelman Gallery, Moskau »Horizon of reality«, MUHKA, Antwerpen 2002 »The Urgent reporting« (»Aktualny reportazh«), mobile Ausstellung in verschiedenen russischen Städten »SON UN ARTISTA ITALIANO - IT IS VERY PLEASANT! THE RUSSIAN ARTIST - PIACERE!«, NCCA, Moskau; The centre of contemporary art Spazio Umano, Mailand »Ode« (gemeinsam mit Marian Zhunin), V Gallery, Moskau »Pavilion ‘Solar’«, Festival of Contemporary Art in the Bay of Pleasure, »Klyazma Reservoir«, Moskau 2001, Internationales Kurzfilmfestival 2003, 2004 Oberhausen 2001 »SuperVision« Yugnosakhalinsk - Moskau »Out/in the cold«, Art Moscow, Zentrales Künstlerhaus, Moskau »Up-and-coming«, Film Festival Hannover Week of Russian Cinema, Forum Stadtpark, Graz New York Festival of Russian Films, New York, USA 1999 »Last generation«, Spider & Mouse Gallery, Moskau »Oleg, videoversion« (gemeinsam mit Sergey Vishnevsky), Spider & Mouse Gallery, Moskau BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN > VICTOR ALIMPIEV, »Deer« (with Sergey Vishnevsky), 2002, two channel video, loop, 3'40'' < 84 85 > Moskau - New York Double Exposure Express Ein lomographisches Doppelbelichtungsprojekt Eine Ausstellung der Lomographischen Botschaft Deutschland, Böblingen Öffnungszeiten: Di, Fr, So 10 - 18 Uhr Do 10 - 19 Uhr Sa 14 - 18 Uhr Mo und Mi geschlossen Eintritt frei 2005 startet die Lomographische Botschaft Deutschland mit einer kleinen, feinen, ausgewählten Crew zu einem binationalen Doppelbelich- tungsprojekt gen Moskau und New York. Newskij Prospekt hinter 42nd street? Christos Gates auf dem Roten Platz? Coca Cola über Stolichnaja? Blinis mit Teenies? MOMA meets Matrjoschka? Gesucht wird der farb- explosive Mix aus Kreml und Freiheitsstatue. 2 Städte auf einen Blick, 2 Länder auf 1 Print. Erinnern wir uns zurück: Berlin. Sommer 1995. Lothar Schmidt arbeitet mit einem Bulgaren namens Christo Yavacheff am Projekt »Wrapped Reichstag« und nimmt dort erste Kontakte zur noch jungen Lomographischen Bewegung auf. Ein Jahr zuvor hatte ein Team um die heutigen lomographischen Weltpräsidenten Fiegl und Stranzinger eine wagemutige Doppelausstellung namens »Moscow – New York« ausge- richtet. In beiden Städten wurden riesige Lomowände präsentiert, die jeweils Bilder der anderen Stadt zeigten. International, genial, ein Ausstellungsevent, das allerorten für Furore sorgte. Winter 2005. Längst als Lomographische Botschafter für Deutschland aktiv, reisen Lothar Schmidt und Ingeborg Jaiser nach New York. Direkt zu Christo, zurück zu den Anfängen. Kiloweise Filme und tolle Stories im Gepäck. Stets einen Finger am lomographischen Auslöser. Nun zischt der Express weiter ins frostklirrende Moskau, um dort bei Wodka und Soljanka das aus New York mitgebrachte Filmmaterial ein zweites Mal zu belichten. Künstler des Projektes »Moskau – New York Double Exposure Express« sind die beiden Lomographischen Botschafter Deutschlands, Lothar Schmidt und Ingeborg Jaiser, sowie die Lomographen Udo Meixner, Charlotte Sachter und Neil Davidson. > Mi, 10. Mai - Mo, 29. Mai 2006 Eröffnung Mi, 10. Mai 2006 17 Uhr PrinzMaxPalais Literaturhaus Karlstr. 10 Info-Tel. (0721)133-4087 BILDENDE KUNST/ AUSSTEL- LUNGEN 87 > MUSIK < LANDESJUGENDORCHESTER BADEN-WÜRTTEMBERG MUSIK 89 > Mazeppa, der Dämon und Lady Macbeth… Мазепа – Демон – Леди Макбет ... SWR-Treff im Sendesaal Mit kleinem Begrüßungsumtrunk ab 16.15 Uhr Eintritt: 10 D, Vorverkauf 8 D, SWR2-Club 5 D Dr. Michael Heck, Kulturreferent der Stadt Karlsruhe und Dr. h.c. Hans C. Hachmann, SWR-Musikredakteur, unterhalten sich über die rus- sische Oper und ihre Stellung in der europäischen Musikgeschichte – mit klingenden Beispielen! > So, 23. April 2006 17 Uhr SWR Studio Karlsruhe Sendesaal Kriegsstr. 166 - 170 Info-Tel. (0721) 176 - 0 < 88 Klavier-Meisterkurs mit Professor Elena Kuznetsova Фортепьянный мастеркласс у профессора Елены Кузнецовой Leiterin der Klavier-Fakultät des Moskauer Tschaikowski-Konservatoriums Öffentliche Meisterklasse an der Hochschule für Musik Karlsruhe Seit ihrem ersten Preis beim Internationalen Klavierwettbewerb in Belgrad 1972 gehört die Pianistin Elena Kuznetsova zu den herausra- genden russischen Pianisten ihrer Generation. Ihre Ausbildung erhielt sie am Tschaikowski-Konservatorium ihrer Heimatstadt Moskau. Neben ihrer internationalen Karriere als Pianistin widmet sich Elena Kuznetsova inten- siv ihrer Lehrtätigkeit als Professorin und Leiterin der Klavierabteilung am Tschaikowski-Konservatorium in Moskau. Aus ihrer Klasse gingen zahlreiche herausragende Pianisten hervor, die regelmäßig bei renom- mierten internationalen Klavierwettbewerben als Preisträger reüssierten. Abschlusskonzert des Meisterkurses Eintritt frei > Di, 18. April - Sa, 22. April 2006 Schloss Gottesaue Am Schloss Gottesaue 7 Velte-Saal Info-Tel. (0721)6629-253 > So, 23. April 2006 19.30 Uhr Velte-Saal > ELENA KUZNETSOVA < 90 91 > Klavierabend Anna Zassimova Фортепьянный концерт – исполнитель: Анна Засинова In Zusammenarbeit mit dem Richard-Wagner-Verband Karlsruhe Eintritt frei »Zerbrochene Zeiten« Russische Musik vor und nach der Revolution 1917 Nicolai Medtner Aus: Vergessene Weisen op. 38 (1880-1951) Sonata reminiscenza Komponiert: 1918-20 George Catoire Aus: Quatre Morceaux op. 12 (1861-1926) Nr. 1 Chant du Soir Nr. 2 Meditation Aus: Quatre Morceaux op. 34 Nr. 1, Nr. 2 Poemen, Nr. 3 Prelude. (komponiert 1924-26) Nicolai Roslawez Aus: Drei Etüden (komponiert 1914) (1880-1944) Pianissimo - Con Dolce Maniera, Burlando Pause Nicolai Mjaskowski Aus: Vergilbte Blätter op. 31 (1881-1950) (Komponiert 1928) Ivan Wyschnegradsky Étude sur le »Carre Magique Sonore« op. 40 (1893-1979) Sergei Prokofjew Sonata c-moll op. 29 (komponiert 1917) (1891-1953) > Mo, 24. April 2006 20 Uhr Wohnstift am Rüppurrer Schloss Josef-Keilberth- saal Erlenweg 2 Info-Tel. (0721) 9 09 54 19 Anna Zassimova wurde 1976 in Moskau geboren. Nachdem sie als 15- jährige bereits eine Ehrenurkunde beim 1. Frederik-Chopin-Wettbewerb für Junge Pianisten in Moskau erhalten hatte, studierte sie von 1994 bis 2002 Klavier und Klavierkammermusik an der Gnessin-Akademie für Musik in Moskau bei Vladimir Tropp, wo sie ihre Abschlussprüfungen mit Auszeichnung absolvierte. 1996 war sie »die beste Studentin des Jahres« an der Gnessin Akademie und erhielt dort ein Diplom der Russischen Gesellschaft der Institutionen. Ab 2002 studierte sie als Stipendiatin des DAAD Klavierkammermusik und Klavier Solo an der Musikhochschule Karlsruhe in der Klasse von Prof. Michael Uhde und Markus Stange und erhielt ihr Konzertexamen mit Auszeichnung. Zusätzlich besuchte sie Meisterkurse bei Vitalij Margulis, Dimitri Bashkirov, Natalia Trull, Nahum Shtarkmann, Sedmara Zakarjan- Rutstein und Eduardo Hubert in Russland, Italien, Deutschland und USA. Neben ihrer Ausbildung als Pianistin studierte sie Kunstgeschichte an der Russischen Akademie für Malerei, Bildhauerei und Baukunst, Moskau, wo sie 2002 ebenfalls mit Auszeichnung abschloss. 2004 gewann sie den ersten Preis im Karlsruher Kammermusikwett- bewerb und im Freundeskreis-Wettbewerb der Karlsruher Musikhochschule im Fach Klaviertrio. Als Solistin der Staatlichen Moskauer Philharmonischen Gesellschaft gab sie Konzerte in renommierten Konzertsälen von Moskau, (u.a. Rachmaninow Saal, Großer Saal des Moskauer Konservatoriums), Sankt Petersburg, Minsk, London und Warschau. Sie hat an verschiedenen Musikfesten teilgenommen, u.a. am 15. Internationalen Festival Roslavez und Gabo für zeitgenössische Kunst in Brjansk (Russland), am Festival »Grenzen der Zeit« in Moskau, an der Konzertreihe »Brücken« in St. Petersburg, am Festival »Summer Music in Italy« in Casalmaggiorre, am Festival für Neue Musik »Klangriffe« in Karlsruhe und am Projekt »Nouvelles Aventures« in Stuttgart. Im Jahr 2004 war sie Teilnehmerin an dem internationalen Projekt der Stiftung Villa Musica und gab mehrere Trio-Abende zum 100. Todesjahr Anton Dvoraks in dessen Geburtshaus in der Tschechischen Republik. Sie konzertierte als Solistin mit Orchestern wie dem Moskauer Bach Zentrum Orchestra, dem Gnessin-Virtuosen Orchestra. 2005 spielte sie als Pianistin im Radio-Sinfonieorchester Stuttgart auf dem Festival für neue Musik ECLAT. Mit demselben Orchester gastierte sie im gleichen Jahr bei den Salzburger Festspielen. Seit Oktober 2004 ist sie Doktorandin an der Musikhochschule Karlsruhe. MUSIK > ANNA ZASSIMOVA < 92 93 > Moscow by heart Проект о московском Ein Projekt um den Moskauer Musiker und Schriftsteller Misha Feigin Misha Feigin: Gitarre, Balalaika, Stimme und Texte Helmut Bieler-Wendt: Geige, Elektronik Johannes Frisch: Kontrabass, Elektronik Eintritt: 11 D / 9 D ermäßigt / 7,50 D Mitglieder > Mi, 26. April 2006 20.30 Uhr Jazzclub Kronenplatz 1 Info-Tel. (0721) 61 14 93 Ein Laboratorium, in dem Musik und Literatur, Improvisation und Konzept, Biographie und Fiktion, Sprache und Klang, Hören und Sehen, akustische und elektronische Momente ineinandergreifen, verspricht »Moscow by Heart«. Das speziell für die Europäischen Kulturtage »Moskau« erarbeitete Projekt des aus Moskau stammenden, mittler- weile in den USA lebenden Musikers und Schriftstellers Misha Feigin knüpft an die Zusammenarbeit mit den Musikern Helmut Bieler-Wendt und Johannes Frisch an, die in wechselnden, literarisch-musikalischen Kontexten seit den späten 90er Jahren in Deutschland besteht. Die Materialien von »Moscow by Heart« sind Dichtungen von Daniil Charms, Fragmente von Paul Celan und Osip Mandelstam, Gedichte und Prosatexte von Misha Feigin, Erinnerungen und Mutmaßungen, Geige, Balaleika, Gitarre, Kontrabass und Stimme, vom Experiment bis hin zur russischen Zigeunermusik, Schreibgeräusche, die deutsche, russische und hebräische Sprache, das Schreiben und die Musikalität der Feder und ihre akustische Mikroskopierung. Misha Feigin ist geboren und aufgewachsen in Moskau. Dort genoss er in der Kunstszene großes Renomee, als er 1990 in die Vereinigten Staaten auswanderte. Vier Schallplatten waren bereits auf dem staatli- chen »Melodia«-Label erschienen, Radio und Fernsehen hatten ihn mehr- fach porträtiert. Außerdem hatte er erfolgreiche nationale und internati- onale Tourneen hinter sich. Seit er im Westen lebt, spielte Misha Feigin in den USA, Kanada, England, Schottland, Israel, Deutschland, Schweden, der Schweiz, Norwegen und Dänemark. 2003 wurde sein Ruf als vielseitig talentierter Künstler mit dem Erscheinen des Buches »Auf der Suche nach Irina« bestätigt, einer kraftvollen und eindrücklichen Erzählung aus der Zeit, als die politischen Prozesse den Blick auf Stalins Schrecken freigaben, während Sex, Drogen und Rock'n'Roll durch den eisernen Vor- hang drangen und mit dem scheinbar undurchdringlichen System zusam- menstießen. Nach dem Erfolg des nach kurzer Zeit vergriffenen Buches hat Fleur Publishing mit »Das letzte Wort der Astronomie« Misha Feigins Gedichtesammlung veröffentlicht, die Werke aus den vergangenen bei- den Jahrzehnten umfasst. Im Jahre 2000 war Misha Feigin Träger des Thomas Merton Prize for Poetry. MUSIK > MISHA FEIGIN < 94 95 > Das Goldene und Silberne Jahrhundert Золотой и серебрянный век Musikalische Welt, russische Poesie und deren Begegnungen mit Deutschland Mit Musik von Sergei Rachmaninow und Peter Tschaikowski sowie Lyrik von Iwan Bunin und Alexander Puschkin Stephan Skiba, Violine Alexander Kaschin, Violoncello Anna Zassimova, Klavier Sprecherinnen: Simone Petri und Anne-Kathrin Bartholomäus In Koproduktion mit dem Schauspiel des Badischen Staatstheaters Karlsruhe Eintritt: 15 D / 10 D ermäßigt Programmabfolge: Iwan Bunin (1870-1953) als Vertreter des Silbernen Jahrhunderts der russischen Poesie. Seine Zeitgenossen. Sein Lebensweg und Begegnungen zu Deutschland. Gedichte: »...Nur die Trauer tröstet ganz!« »Es wurde kahl der Wald und arm,...«, »Im Weinberg«, »Hoffnungslosigkeit«, »Der Ruf«, »Bretagne« und andere. Sergei Rachmaninow (1873-1943) Sonate für Klavier und Violoncello g-Moll, Op. 19 Zeitgenosse von Bunin. Ihre Begegnungen. Die Bedeutung von Rachmaninow für die russische Musik und die Bedeutung von Bunin für die russische Literatur. Pause Alexander Puschkin (1799-1837) als Vertreter des Goldenen Jahrhunderts der russischen Poesie. Seine Zeitgenossen, Lebensweg und Begegnungen zu Deutschland. Dramatisches Werk: Szene aus »Faust« Peter Iljitsch Tschaikowski (1840-1893) und seine Begegnungen mit Puschkin. Trio »A la memoire d‘un grand artiste« für Klavier, Geige und Violoncello Op. 50, a-Moll. Das literarisch-musikalische Programm rund um Bunin, Puschkin, Rachmaninow und Tschaikowski beleuchtet bedeutende Kapitel russischer Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und deren Berührungspunkte mit der deutschen Literatur. Iwan Alexejewitsch Bunin, der 1870 in Woronesch geborene Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer, erhielt 1933 als erster Russe den Nobelpreis für Literatur. Er entstammte einer ver- armten Adelsfamilie, studierte in Moskau, arbeitete als Zeitungsredakteur und wurde später für seine Übersetzungen aus dem Englischen (darun- ter Henry Wadsworth Longfellow und Lord Byron) mit dem Puschkin- Preis der russischen Akademie ausgezeichnet. Reisen führten den Freund Tschechows und Gorkis quer durch Europa, nach Nordafrika und bis nach Indien. Nach der Oktoberrevolution lebte Bunin zunächst zwei Jahre im Süden Russlands, bevor er 1920 nach Frankreich floh. Erst nach seinem Tod 1956 wurde der entschiedene Gegner des Bolsche-wismus von den Sowjets rehabilitiert und durfte wieder erschei- nen. Sein Name steht für das sog. Silberne Zeitalter der russischen Poesie: Bunin prägte mit seinem Stil maßgeblich die russische Literatursprache. Er interessierte sich intensiv für Schopenhauer und wurde von Thomas Mann hoch geschätzt. Mit seinem Zeitgenossen Sergei Rachmaninow tei- lte er das Schicksal des Lebens in der Fremde, das sowohl in seiner Lyrik wie auch in der Musik Rachmaninows – hier in seiner Sonate für Violoncello und Klavier – ein zentrales Schaffensmotiv mit dem Unterton der Sehnsucht bildet. Als Begründer der modernen russischen Literatur schlechthin und als eine ihrer schillerndsten Gestalten gilt Alexander Sergeiewitsch Puschkin, der 1799 in Moskau geboren wurde. Große Ereignisse der russischen Geschichte wie der Krieg gegen Napoleon (1812) hinterlassen in sei- nem Werk ebenso tiefe Spuren wie nachhaltige Theatererlebnisse. Seine Spottgedichte bringen ihn in Konflikt mit dem Zarenregime, das ihn zwi- schenzeitlich zu einem Aufenthalt auf der Krim zwingt. Puschkin, der einen russischen »Faust« dichtete, duelliert sich häufig, auch aus trivialen Gründen. Ein Duell gehört auch zu seinem bedeutendsten Versepos, dem Peter Tschaikowski, der mit Puschkin einen anregenden Austausch pflegte, mit seiner großen Oper ein Denkmal setzt: Eugen Onegin. Tschaikowskis großes Klaviertrio op. 50 steht in seiner selbstbewussten Virtuosität und Reife für den beflügelnden Geist jener Zeit. Der Abend, der Leben und Werk der genannten Dichter und Komponisten nachzeichnet, möchte das Goldene und Silberne Jahrhundert in der russi- schen Poesie mit Musik und Rezitationen lebendig machen. > Do, 27. April 2006 20 Uhr Stephanssaal Ständehausstr. 4 Ticket-Tel. (0721) 93 33 33 MUSIK < 96 97 > Stephan Skiba Stephan Skiba, 1956 in Berlin geboren, erhielt seine musikalische Grundausbildung am Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen. Danach studierte er an der Musikhochschule München beim Professor Otto Büchner und schloß seine Studien bei Arthur Grumiaux in Brüssel ab. Während seiner Münchner Zeit war er Mitglied des Münchner Bachorchesters unter Karl Richter. Als Erster Konzertmeister gehörte er 1977-1984 dem Philharmonischen Orchester der Stadt Freiburg an. Seit 1984 ist Stephan Skiba Erster Konzertmeister der Badischen Staatskapelle Karlsruhe. Konzertreisen führten ihn durch Europa, nach Japan und Russland, wobei er sich neben dem klassischem Konzertrepertoire selten aufgeführten Werken, wie z.B. den Violinkonzerten von P. Hindemith, B. Britten, Rudi Stephan u.a. widmet. Neben zahlreichen Produktionen mit dem Süddeutschen Rundfunk hat er das Violinkonzert von Mendelssohn, sowie das Klaviertrio von P. Tschaikowski auf CD aufgenommen. Alexander Kaschin Alexander Kaschin wurde 1972 in Moskau geboren. Von 1990 bis 1995 studierte er am Moskauer Staatlichen Konservatorium bei Prof. W. Fejgin. Von 1995 bis 1998 setzte er seine Ausbildung (Diplom-Studiengang) an der Hochschule für Musik in Hamburg bei Prof. Wolfgang Meh fort und erhielt sein Diplom mit Auszeichnung. Von 1996 bis 1998 besucht er mehrere Meisterkurse bei Prof. David Geringas, Prof. Wolfgang Boettcher und Prof. Boris Pergamenschikow. Von 1998 bis 2001 studierte er im Aufbaustudium (Konzertexamen) bei Prof. B. Gmelin an der Hochschule für Musik in Hamburg. Er ging aus zahlreichen Wettbewerben als Preisträger hervor: 1987 2. Preis beim Internationalen Wettbewerb »Concertino Praga« (Tschechien). 1988 Diplom beim Nationalen Cellowettbewerb in Russland. 1996 2. Preis beim Internationalen Elise-Meyer Wettbewerb in Hamburg. 1997 4. Preis beim Internationalen Kammermusikwettbewerb »Sonaten« in Vierzon (Frankreich). 1999 Auszeichnung in Form einer Instrumentenleihe für 5 Jahre von der SINFONIMA – Stiftung der Mannheimer Versicherung AG. 2004 Auszeichnung in Form Instrumen- tenleihe von der Stiftung des Landes Baden-Württemberg. Seit 1987 trat Alexander Kaschin in vielen Konzerten in Russland, der Ukraine, Armenien, Tschechien, der Slowakei, Bulgarien, Deutschland, Italien und Frankreich auf. Er konzertierte als Solist mit Orchestern wie den Hamburger Symphonikern, dem Mozart-Orchester Hamburg, dem Landessinfonieorchester Flensburg, dem Orchester Lu (Ukraine), dem Odessa Kammerorchester und dem Kammerorchester des Moskauer Konservatoriums. Er war zu Gast bei Festivals wie dem P. Casals Cello Festival in Kronberg/Taunus dem Schleswig-Holstein-Musik-Festival und dem Musikfestival »Hanns Eisler und seine Schüler« (NDR Hamburg). Das Repertoire von Alexander Kashin umfasst Werke vom Barock bis zur Gegenwart und ist auf mehreren Schallplatten- und CD-Produktionen dokumentiert. Seit 2003 ist er Stellvertretender Solo-Cellist der Badischen Staatskapelle Karlsruhe. Simone Petri Simone Petri wurde 1976 in Zürich geboren, wo sie (unterbrochen von einem einjährigen Sprachaufenthalt in Moskau 93/94) bis zur Matura lebte und zur Schule ging. Nach einem sechsmonatigen Sprachaufenthalt in Kuba und einem abgebrochenen Geschichtsstudium in Genf, Jobs als Altenpflegerin und Übersetzerin, besuchte sie von 1997 bis 2001 die Hochschule für Musik und Theater in Bern. 2001 ging sie ins Festengagement ans Landestheater Tübingen und wechselte 2002 ans Badische Staatstheater Karlsruhe, wo sie immer noch Ensemblemitglied ist. Daneben war sie ein Jahr lang als Kolumnistin für das Schweizer Reisemagazin »via« tätig, leitete den Theater-Jugendclub des Badischen Staatstheaters und spielte in verschiedenen Fernseh- und Kinospielfilmen mit. 2003 erhielt sie den Schweizer Filmpreis als beste Darstellerin und war european shooting-star an der Berlinale. Simone Petri ist verheiratet und hat eine Tochter (geb. 2004). Anne-Kathrin Bartholomäus 1962 in Köthen/Anhalt geboren. Nach der Polytechnischen Oberschule der DDR eine zweijährige Ausbildung zur Bibliothekarin abgeschlossen. Beruflich tätig als Bibliothekarin und Museumsvolontärin in Dessau An- halt. 1983-87 Studium an der Hochschule für Schauspielkunst, Rostock. Erstes Engagement als Schauspielerin am Theater Stralsund. Weitere Engagements an den Theatern Celle, Gera, Altenburg, Aachen. In Gastrollen an den Theatern Detmold, Oldenburg und ein Jahr Tourneetheater in der Rolle der Krimhild von Hebbels »Nibelungen«. Verschiedene Rollen bei Funk und Fernsehen. Tätigkeiten als Lehr- beauftragte für Schauspiel an den Theaterhochschulen in Rostock und Leipzig. Seit 2002 festes Ensemblemitglied am Badischen Staatstheater Karlsruhe. MUSIK < 98 Studio Vocale Karlsruhe Хор «Студио Вокале» Карлсруэ Leitung: Werner Pfaff Eintritt: 10 D / 7 D ermäßigt Sergei Rachmaninow (1873 – 1943): Ganznächtliche Vigil op. 37 »Ich bin ein russischer Komponist, und meine Heimat hat mein Temperament und meine Anschauungen geprägt. Meine Musik ist Ausdruck meines Temperaments, und also ist sie russische Musik.« Sergei Rachmaninow Am 7. Mai 1933, seinem 60. Geburtstag, wurde Sergei Rachmaninow in Paris in einem öffentlichen Festakt geehrt. Die russischen Exilanten rühmten ihn in einem Grußwort, das unter anderen auch Komponisten wie Alexander Glasunow und Nicolai Medtner unterzeichnet hatten, ausdrück- lich dafür, dass er auch im Exil seine russische Vergangenheit nie geleug- net hatte. Dieses Grußwort endete mit dem Satz: »Was wir Ihnen und auch uns noch wünschen: dereinst in Moskau Rachmaninows »Ganznächtliche Vigil« in Anwesenheit des Komponisten zu hören.« Dieser Wunsch war Ausdruck einer tiefen Sehnsucht der Unterzeichner nach einer – allerdings unmöglichen - Rückkehr in eine nicht nur geogra- phische, sondern auch kulturelle und religiöse Heimat. Damals war in der Sowjetunion die Aufführung religiöser Musik strikt verboten; außerdem war Rachmaninow seit 1931 »persona non grata«, da er in der »New York Times« einen Artikel mitunterzeichnet hatte, der den ideologischen Terror der Kommunisten anklagte. Als er im Januar/Februar 1915 seine »Ganznächtliche Vigil« kompo- nierte, war er allerdings noch einer der populärsten Komponisten Russlands. Schon während seiner Studienzeit hatte er sich für die ursprüngliche Musik der orthodoxen Kirche interessiert, ohne allerdings im eigentlichen Sinne religiös zu sein. Die im Gottesdienst verwendete Musik orientierte sich damals an westeuropäischen Vorbildern; es waren italienische und auch deutsche Musiker an den Zarenhof geholt worden, deren Einfluss noch lange spürbar gewesen war und die eigenständige Entwicklung der russischen Musik lähmte. Die Petersburger Hofkapelle und ihre strikte Zensur trug zur Ermutigung der Komponisten nicht viel bei, und erst der Rechtsstreit um ein geistliches Werk Tschaikowskis (Die Liturgie op.41) – der zugunsten des Komponisten ausging - brach den Bann. Eine neue »Russische Schule des Kirchengesangs« konnte beginnen. Diese »Neue Schule« besann sich auf die alte orthodoxe Kirchenmusik, die teilweise dem Volksgesang sehr nahestand. Schon mit seiner > So, 30. April 2006 19 Uhr Christuskirche Riefstahlstr. 2 am Mühlburger Tor Info-Tel. (0721) 69 42 18 »Liturgie des Johannes Chrysostomos« op.31 aus dem Jahre 1910 hatte sich Rachmaninow dieser Musik genähert. Ihn reizte das Archaisch- Ursprüngliche, das dem Kirchengesang im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend abhanden gekommen war und durch die »verwestlichten« Hörgewohnheiten ganz verloren zu gehen drohte. Der ehemals einstimmi- ge Kirchengesang war zum mehrstimmigen Choralsatz geworden; die alten liturgischen Melodien waren teilweise als tragende Stimmen beibehalten worden, aber die Musik hatte ihre Eigenart verloren. Im 19. Jahrhundert kam die Rückwendung; dabei spalteten sich die Musiker in zwei Lager. Die einen wollten an der reinen liturgi- schen Funktion festhalten und lehnte jeden individuellen künstlerischen Einfluss ab; führend in dieser Gruppe waren Kreise der russischen Or- thodoxie. Die andere Gruppe, hauptsächlich vertreten durch junge Mu- siker und Komponisten, forderte künstlerische Freiräume und hoff- te, die Liturgie werde sich den Erneuerungsbestrebungen öffnen. Dies war jedoch zunächst nicht der Fall: geistliche Kreise bekämpften jeg- liche Modernisierungsversuche, man untersagte außerdem das Singen liturgischer Texte außerhalb des Gottesdienstes. Lange vermochte die orthodoxe Kirche diese Verweigerungshaltung nicht durchzuhalten, und ausgerechnet eine ihrer eigenen Institutionen, die »Moskauer Schule für Kirchengesang« und der ihr angeschlossene Synodalchor öffneten sich der neuen Musikbewegung. Am Anfang dieser Erneuerungsbewegung standen Peter Iljitsch Tschaikowskis »Liturgie« (1878) und »Nachtvigilie« (1881), die beiden gleichnamigen Werke von Sergei Rachmaninow bilden Höhepunkt und Schluß einer musikalischen Bewegung, die durch die Oktoberrevolution jäh beendet wurde. Die orthodoxe Kirche kennt ebenso wie die römische das Stundengebet; an Vorabenden von Sonn- und Feiertagen werden die Abend- und Morgen- gebete zu einer rituellen Einheit zusammengefaßt (Vigil und Matutin). Anders als die römische Kirche hat die orthodoxe Kirche wechselnde Kom- binationen fester und beweglicher liturgischer Texte und Melodien, darü- ber hinaus muss noch ein Achtwochenzyklus von Kirchentonarten beach- tet werden, der das gewöhnliche Kirchenjahr überlagert. Tschaikowski hatte sich bitter beklagt, daß die Geistlichen ihm keine Auskunft über die Liturgiefolge geben könnten, da sie selber die Regeln nicht verstünden und willkürlich Gesänge auswählten. Rachmaninow suchte und fand Hilfe bei Alexander Kastalskij, der an der Moskauer Schule für Kirchengesang tätig war. Aus der verwirrenden Vielfalt von Details, die bei einer so komplexen Komposition wie der Vigil zu beachten wäre, vertonte Rachmaninow nur ein »Grundgerüst«; die den jeweiligen liturgischen Gegebenheiten ent- sprechenden Ergänzungen überließ er den Geistlichen und Kirchenchören. Diese Beschränkung erleichtert die konzertante Aufführung der Vigil – sie ist nach ihrer Uraufführung am 10. März 1915 in Moskau auch nur sehr selten im Gottesdienst erklungen. Es sind nicht nur die liturgisch-musikalischen Elemente beziehungs- MUSIK 99 > < 100 weise deren Fehlen, die eine Aufführung so schwierig machen; auch die Ansprüche an die Sänger sind für einen einfachen kleinen Kirchenchor nur schwer zu bewältigen. Rachmaninow komponierte für den Moskauer Synodalchor und hatte somit eines der besten Ensembles überhaupt zur Verfügung – für manche Partien holte er sich auch Sänger der Moskauer Oper. Er verwendete die alten liturgischen Texte von Vesper (Abendgebete, Nr. 2 - 6) und Matutin (Morgengebete, 7 -15). In zehn der fünfzehn Sätze griff er auch auf die alten Kirchengesänge zurück, allerdings erklingen sie hier nicht in der Originalgestalt. Rachmaninow veränderte Details: er kürz- te, transponierte, und er bereicherte die Sätze um harmonische Varianten. Die fünf Sätze aus seiner eigenen Feder (die Nummern 1,3,6,10 und 11) unterscheiden sich stilistisch nicht von den »Zitaten«, Rachmaninow nann- te sie mit einem Augenzwinkern »Stilfälschungen«. Die Vielfalt seiner Stilmittel reicht vom archaischen Unisono bis zu individuellen Klangmalereien, z.B. der Evokation von Glockenklängen in Nr. 7 und 8 (Beginn der Matutin). Der Text wird nicht in ein starres Me- trum gezwängt, sondern kann frei fließen – so kann auch die Melodie dem Text nachgeben, jedes Wort wird sinngemäß betont. Er erfand eine reiche Klangfarbenpalette: vom Solo und Unisono über kleine Chorgruppen und homophonen Satz spannt sich der Bogen bis zum achtstimmig aufgefä- cherten Chor in der Großen Doxologie (Ehre sei Gott in der Höhe, Nr. 12). Die Harmonik verbindet Wendungen aus der Volksmusik (Terz- und Sextklänge) mit modalen Klängen; Rachmaninow vermied aber weitge- hend »moderne« Chromatik, da er alte diatonische Melodiestrukturen benutzte. Der erste Teil, die »Nachtwache«, ist eher lyrisch geprägt, die Gebets- texte sind betrachtend und meditierend. Im zweiten Teil kommen erzäh- lende Elemente zum Tragen (vgl. Nr. 9, Gelobt bist Du, o Herr – eine Schilderung aus der Oster- und Auferstehungsgeschichte). Höhepunkt des zweiten Teils ist die Große Doxologie, die danach folgenden Stücke bil- den quasi das Finale. Sie sind weniger konzertant angelegt, sie bauen die zuvor aufgestaute Spannung langsam wieder ab und lassen die Matutin ausklingen. Die Uraufführung der Vigil fand am 10. März 1915 als Benefizkonzert für die Kriegsopfer statt. Der Moskauer Synodalchor sang unter der Leitung von Nicolai Danilin. Nicht zuletzt durch die hervorragende Leistung des Chores war die Vigil zunächst sehr erfolgreich, duch das Verbot aller Kirchenmusik nach der Revolution geriet sie in Vergessenheit. »Das große Abend- und Morgenlob« war eines der beiden Lieblingswerke Rachmaninows (das zweite war die Sinfonie »Die Glocken« nach einer Dichtung von Edgar Allan Poe). Am meisten liebte er die Nr. 5, Nunc dimittis (Herr, nun läßt du deinen Diener in Frieden fahren), von dem er wünschte, daß es auf seiner Beerdigung gespielt werde. Eigentlich hatte er auf dem Moskauer Nowodewitschi-Friedhof begraben sein wollen, dort, wo auch Alexander Skrjabin zur letzten Ruhe gebettet worden war. Nachdem er über zwanzig Jahre lang ein Emigrantendasein geführt hatte, wollte er wenigstens im Tode wieder in die Heimat zurückkehren, doch dieser Wunsch blieb unerfüllt. Im Frühjahr 1943 starb er, wenige Tage vor seinem siebzigsten Geburtstag, in Kalifornien und wurde in Westchester County/ New York beerdigt. »Ich fühlte mich wie ein Geist, der in einer Welt herumirrte, die ihm fremd geworden war. Ich kann die alte Art zu schreiben nicht ablegen und mir die neue nicht zu eigen machen.« Sergei Rachmaninow Werner Pfaff studierte Klavier und Komposition in Trossingen, Dirigieren und Ge- sang in Karlsruhe sowie Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Freiburg. Sein wichtigster Lehrer war Hans Michael Beuerle (Chorlei- tung). Andere wichtige künstlerische Erfahrungen sammelte er bei der Zusammenarbeit mit u.a. Solti, Sinopoli, Chailly, Inbal, Harnoncourt, Gielen, Marriner, Rostropowitsch, Penderecki und Ericson. 1980 gründete er den Kammerchor Studio Vocale Karlsruhe, mit dem er mehrere internationale 1. Preise gewann. Einladungen zu Festivals in Europa, Amerika und Asien sowie zahlreiche Fernseh- und Rundfunk- und CD-Produktionen folgten. 2003 wurde Werner Pfaff beim Internationalen Chorwettbewerb »Habaneras y Polifonia¡« in Torrevieja/ Spanien mit dem Sonderpreis als bester Dirigent ausgezeichnet. Von 1989-1996 hatte Werner Pfaff einen Lehrauftrag für Dirigieren an der Musikhochschule Frankfurt am Main, von 1992-1995 zusätzlich an der Hochschule für Musik »Franz Liszt« in Weimar inne. Er arbeitet regelmäßig mit Orchestern aus Deutschland, Frankreich, Polen und der Tsche-choslowakei sowie Barockorchestern zusammen. Häufige Einladungen als Gastdirigent ermöglichen Werner Pfaff die Zusammenarbeit mit Rundfunkchören im In- und Ausland (Stuttgart, Köln, Leipzig, Krakau) und anderen professionellen Chören weltweit. Werner Pfaff ist ein gesuchter Leiter von internationalen Chorateliers, er gibt regelmäßig Dirigierkurse und Meisterklassen in der ganzen Welt. Seit 1991 gehört er zusammen mit Jan Szyrocki zu den ständigen Diri- genten der Deutsch-Polnischen Chor-Akademie »In terra pax«. Berufungen in die Jury bei internationalen Chorwettbewerben führten Werner Pfaff u.a. nach Tours, Tolosa, Riva del Garda, Argentinien, Israel, Polen, Belgien und Slowenien. MUSIK 101 > < 102 103 > Studio Vocale Karlsruhe wurde 1980 von Werner Pfaff gegründet und besteht aus ca. 32 aus- gebildeten SängerInnen. Bereits nach wenigen Jahren gewann der Chor einige der bedeutendsten internationalen Chorwettbewerbe, u.a. in Gorizia (Gesamtsieger 1987), Tolosa (1. Preisträger 1988, 2. Preisträger 1999) Marktoberdorf (1. Preisträger 1989), und hat sich seitdem kontinuierlich weiter entwickelt. 2003 errang das Studio Vocale Karlsruhe einen 1. und 2. Preis beim Internationalen Chorwettbewerb »Habaneras y Polifonia« in Torrevieja/ Spanien. Aufgrund dieser Erfolge hat sich der Chor nicht nur im europäischen Raum einen bedeutenden Ruf erworben und erhält regelmäßig Einladun- gen zu Gastkonzerten und Festivals in aller Welt, so unter anderem nach St. Petersburg, Seoul, Riga, San Sebastian, Buenos Aires, Legnano, Va- lencia und Manila. In Deutschland gastierte der Chor u.a. im Jahr 2000 beim Schwarzwaldmusikfestival (H-Moll-Messe unter Mark Mast) und beim Rheingau Musikfestival (Messias unter L. Güttler). Der Schwerpunkt der musikalischen Arbeit von Studio Vocale Karls- ruhe liegt auf der Gestaltung anspruchsvoller A-Cappella-Programme, deren stilistische Bandbreite von der Renaissance bis zur zeitgenössischen Musik reicht. Neben der Auswahl besonders lohnender, oft wenig bekann- ter Literatur stellt Werner Pfaff dabei stets einen musikalisch-dramaturgi- schen Zusammenhang der Werke in den Vordergrund. Regelmäßig widmet sich der Chor auch der Interpretation oratorischer Werke. Rundfunk-, Fernseh- und CD-Produktionen dokumentieren die Arbeit von Studio Vocale Karlsruhe. In den letzten Jahren fand in Zusammen- arbeit mit dem SWR und dem Renner Ensemble Regensburg eine CD- Gesamteinspielung der Chorwerke von Robert Schumann statt. Simon Nabatov Симон Набатов Solopiano Eintritt: 11 D / 9 D ermäßigt / 7,50 D Mitglieder Der in Moskau geborene Simon Nabatov gilt als eines der bedeutends- ten Talente der aktuellen Jazz-Szene. Seine erste Ausbildung erhielt er am Konservatorium in Moskau; später wechselte er in die Vereinigten Staaten und studierte u.a. an der Julliard School of Music in New York. Seit 1984 gewinnt Nabatov regelmäßig Preise in seinem Fach. Neben seinen zahlrei- chen Zusammenarbeiten mit Jazzgrößen wie Paul Motian, Ray Anderson, Chet Baker und Barry Altschul profilierte sich Nabatov als virtuoser und phantasievoller Pianist. In seinem aktuellen Programm verbindet Simon Nabatov Improvisation mit der europäischen Klassik und bezieht Komponisten wie Bach, Brahms oder Chopin in seine Ausflüge mit ein, auf deren Grundlage er sich zu lustvollen Soloritten aufmacht. Gleichzeitig schafft er in der Verbindung von Klassik und Gegenwart eine klangvolle Brücke zwischen gestern und heute. > Mi, 3. Mai 2006 20.30 Uhr Jazzclub Kronenplatz 1 Info-Tel. (0721) 61 14 93 MUSIK > STUDIO VOCALE KARLSRUHE > SIMON NABATOV < 104 Musik und Mysterium Музыка и мистерия Der russische Komponist Alexander Skrjabin in Deutschland, sein Leben und sein Zeitgenosse Boris Pasternak in Musik und Texten Solist: Juri Bogdanow am Flügel Sprecherin: Teresa Trauth In Koproduktion mit dem Schauspiel des Badischen Staatstheaters Karlsruhe Eintritt: 15 D / 10 D ermäßigt Programmabfolge: Alexander Skrjabin (1872-1915): Besonderheiten seines Schaffens. Sein Leben in Deutschland. Sonate-Fantasie, Op. 19, gis-Moll. Vierundzwanzig Präludien, Op. 11. Pause Drei Masurkas aus Op. 3: Nr.5, es-Moll; Nr. 6, cis-Moll; Nr.7, e-Moll. Fantasie Op. 28, h-Moll. Zwei Tondichtungen Op. 32: Fis-Dur und D-Dur Tondichtung »K Plameni« (»Zu Flamme«) Op.72 Zwei Etuden: Op. 42 Nr. 5 cis-Moll und Op. 8 Nr. 12 dis-Moll Alexander Nikolajewitsch Skrjabin gilt als der große Mystiker der rus- sischen Musik. 1872 in Moskau geboren, schloss der Pianist 1892 seine Studien am Moskauer Konservatorium mit der »Kleinen« Goldmedaille an (die »Große« erhielt sein Kommilitone Rachmaninow). Ausgedehnte Konzertreisen machten den großen Tastenkünstler in Europa und inter- national bekannt. Skrjabin pflegte bei seinen Auftritten ausschließlich eigene Kompositionen zu spielen. Ausgehend von der Romantik Chopins und Liszts fand er über die Chromatik von Wagners Tristan-Musik zu einem eigenen harmonischen System, das den Moll-Dur-Bezirk verlässt und auf dem aus Quartschichtungen konstruierten »Mystischen Akkord« oder »Prometheus-Akkord« aufbaut. Aus diesem System heraus und durch den Kontakt mit den Schriften > Do, 4. Mai 2006 20 Uhr Stephanssaal Ständehausstr. 4 Ticket-Tel. (0721) 93 33 33 der Theosophischen Gesellschaft reifte Skrjabins Vision eines beson- deren Gesamtkunstwerks, das in Indien als »Mysterium« unter einer Halbkugel mit 2000 Mitwirkenden das Publikum zu kollektiver Ekstase führen sollte. Bevor er dieses kühne Projekt in Angriff nehmen konnte, starb er jedoch 1915 an den Folgen einer Blutvergiftung. Auch das von Skrjabin angestrebte Klangfarbenklavier ist bezeichnend für die esoteri- sche Klangästhetik des Komponisten, der zu den großen Erneuerern der russischen Tonkunst zählt. Mit Deutschland verband Skrjabin eine besondere Beziehung. Es war das erste Land, das Skrjabin besuchte. 1895 kam er nach Berlin und besuchte Mendelssohn, dort betrachtete er staunend ein Beethoven-Autograph aus dessen Besitz. In Deutschland begegnete er dem großen Pianisten Emil Sauer und lernte er den bedeutenden Bariton Karl Scheidemantel kennen. In Heidelberg suchte er bei dem Neuropathologen Wilhelm Erb Rat wegen seiner überanstrengten rechten Hand. Die gegenseitige Sympathie der bei- den Männer und die gemeinsame Liebe zur Musik führte zum anregenden Austausch. Heidelberg inspirierte Skrjabin zu vielen Klavierstücken. Teile seiner Préludes op. 13 und 15 entstanden in einem Kölner Hotel. In seiner Jugend spielte der begabte Pianist gerne Schumann, auch schätzte er den Pianisten Carl Reinecke. Die Verbindung zum Leipziger Verlag Beljaev, und die Firmen L. Hupfeld und Welte-Mignon, die Skrjabin zu Aufnahmen u. a. für die so genannten Phonola-Rollen einluden, markieren ebenfalls die intensive Verbindung des Komponisten zu Deutschland. Das Programm »Musik und Mysterium« folgt diesem spannenden Verhältniss in einer Koproduktion mit dem Schauspiel des Badischen Staatstheaters Karlsruhe in Texten und Klaviermusik. Juri Bogdanow Juri Bogdanow wurde 1972 geboren. Er bekam seinen ersten Klavier- unterricht bei Frau Artobolewskaja als er vier war. Seine musikalische Ausbildung bekam er bei der Zentralen Musikschule des Moskauer Konser- vatoriums (bei Frau Artobolewskaja, bei Herrn Mdojanz und beim Herrn Prof. Nasedkin) und beim Moskauer Konservatorium (bei Frau Prof. Nikolaewa und Herrn Prof. Woskresenski). Juri Bogdanow hat u. a. fol- gende Auszeichnungen bei Internationalen Musikwettbewerben erhalten: 3. Preis beim Internationalen J.S.Bach Musikwettbewerb in Leipzig 1992 2. Preis beim Internationalen F. Schubert Musikwettbewerb in Dortmund 1993 3. Preis beim Internationalen F. Mendelssohn Musikwettbewerb in Hamburg 1994 1. Preis beim Internationalen F. Schubert Musikwettbewerb in Wien 1995 Konzertreisen führen ihn durch Russland, Österreich, Australien, Deutschland, Canada, Holland, Norwegen, Nord Korea, Frankreich, MUSIK 105 > < 106 107 > Schweiz und Japan. Auch bei zahlreichen Musikfestivals, wie z.B. »April Frühling« in Pjöngjang oder Skrjabin-Festival in Moskau hat er gespielt. Seit 1997 ist J. Bogdanow Solist der Moskauer Staatlichen Philharmonie. Als Solist hat er unter folgenden Dirigenten wie W. Ponkin, P. Sorokin, W. Dudarowa, S. Skripka, E. Serow, I. Goritski, M. Bernardi, A. Politkow und mit folgenden Orchestern gespielt: Moskauer Rundfunkorchester, Moskauer Philharmonisches Orchester, Deutsche Kammerakademie, Calgary Philharmonic und Moskauer Staatliches Sinfonieorchester. Seine CD mit Werken von F. Schubert wurde vom Schubert-Institut in Wien als die beste Schubert-Aufnahme 1996 ausgezeichnet. Der Pianist hat auch eine aktive pädagogische Tätigkeit inne – z.B. einen Lehrauftrag bei dem Musikinstitut Ippolitow-Iwanow in Moskau. J. Bogdanow hat als Jury-Mitglied bei mehreren Internationalen Musikwettbewerben mitge- wirkt. Er unterrichtete Meisterkurse in Russland und im Ausland. Er ist ein Mit-Gründer und Vizepräsident vom Musikfonds »Artobolewskaja«. Teresa Trauth Geboren 1975 in Altenburg (Sachsen), aufgewachsen in Berlin, besuchte sie dort die Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«. Ihr erstes Engagement hatte sie am Landestheater Tübingen von 1999 bis 2OO1, dann wechselte sie für eine Spielzeit ans Staatstheater Kassel und von dort zum Badischen Staatstheater Karlsruhe. Rockkonzert рок-концерт Va-Bank Alexander F. Sklyar (Gitarre, Gesang), Alik Ismagilov (Bass, Gesang), Egor Nikonov (Gitarre, Gesang), Andrei Belizov (Schlagzeug) Eintritt: 15 D VVK zuzügl. Gebühr, an der Abendkasse 18 D Vor 20 Jahren vom Gitarristen und Sänger Alexander F. Sklyar ge- gründet, ist Va-Bank eine der führenden und interessantesten Bands der Moskauer Alternative-Szene. Die Band hat viele verschiedene Stilistiken durchexerziert, die auch heute noch alle in ihrer stets aktuell gebliebenen Musik durchhörbar sind. In der jüngsten Zeit ist jedoch die betont harte und aggressive, zeitweise punkige Spielweise früherer Tage einem eher akustischen und melodischen Gewand gewichen. Zwischen Hardrock, New Folk und einem osteuropäischen Romanti- zismus ignorieren Va-Bank die klassischen Grenzen des Rock-Genres, sind so für unterschiedliche Geschmäcker interessant, immer für eine Überraschung gut und niemals langweilig. In ihrer Heimat füllen Va- Bank Stadien, Hallen und Clubs, aber auch im europäischen Ausland wie Skandinavien, Deutschland oder Frankreich tourte das Quartett in den vergangenen Jahren mit großem Erfolg, gelegentlich auf Tour mit Bands wie The Stray Cats, der Rollins Band, Biohazard oder Rage Against the Machine. > Do, 4. Mai 2006 20.30 Uhr Kulturzentrum Tollhaus Schlachthausstr. 1 Info-Tel. (0721) 96 40 50 MUSIK > VA-BANK < 108 Streichquartettabend Струнный квартет – концерт Mit Werken deutscher Komponisten für russische Auftraggeber Josef Haydn Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncello (1732 - 1809) op. 33 Nr. 5 G-Dur (dem Großfürsten Pawel Petrowitsch gewidmet) Sergei Prokofjew Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncello (1891 - 1953) op. 50 h-Moll Pause Ludwig van Beethoven Quartett für 2 Violinen, Viola und Violoncello (1770 - 1827) op. 59 Nr. 3 C-Dur (dem Fürst Andrej Rasumowski gewidmet) Janos Ecseghy, 1. Violine Diana Drechsler, 2. Violine Michael Fenton, Viola Alexander Kaschin, Violoncello Eintritt: 15 D / 10 D ermäßigt Das Interesse russischer Adliger für die deutsche Musik führte nament- lich in der Zeit der Klassik zu bedeutenden Auftragswerken, darunter die berühmten »Russischen Streichquartette« von Joseph Haydn, und die so genannten Rasumowsky-Quartette op. 59 von Ludwig van Beethoven. Haydn schrieb seine Quartette op. 33 für den 1781 in Wien weilenden Großfürsten Pawel Petrowitsch. Mit diesen Stücken schuf der Komponist Streichquartette eines völlig neuen Typs (»...auf eine ganz neue beson- dere Art...«): Die Kopfsätze haben eine Durchführung und folgen der Sonatenhauptsatzform. Das zuvor übliche Menuett ersetzte Haydn durch ein Scherzo. Die »Russischen Quartette« erregten großes Aufsehen. Mozart schrieb nach Haydns Vorbild sechs Quartette, darunter das so genannte »Dissonanzen-Quartett«. Beethovens Quartette op. 59 sind dem Grafen Andreas Kyrillowitsch Rasumowsky gewidmet, dem russischen Gesandten am österreichi- schen Hof, der als Freund und großzügiger Förderer Beethovens in die Musikgeschichte einging. Der Graf, selbst ein nicht unbegabter Geiger, hatte Mozart noch persönlich gekannt und war von Haydn in das Quartettspiel eingeweiht worden. 1808 richtete er in seinem Palais ein ständiges Streichquartett ein, in dem er selbst die zweite Geige spielte und dessen Primarius der berühmte Ignaz Schuppanzigh war. Gleichsam > Sa, 6. Mai 2006 19 Uhr ZKM|Zentrum für Kunst und Medientech- nologie Lorenzstr. 19 Musik-Kubus Ticket-Tel. (0721) 93 33 33 als Verbeugung vor seinem Auftraggeber verwendete Beethoven russische Motive. Die beiden ersten Quartette der Reihe stießen bei der Presse auf Kritik: Sie seien »Sehr lang«, schrieb die Allgemeine musikalische Zeitung 1807, »und schwierig, tiefgedacht und trefflich gearbeitet, aber nicht allgemein fasslich«. Dagegen genoss das dritte Rasumowsky-Quartett von Anfang an größere Beliebtheit, die bis heute andauert – die Fuge des letzten Satzes diente lange Zeit im Fernsehen als Erkennungsmelodie des »Literarischen Quartetts«. Auch im russischen Musikleben des 19. Jahrhunderts, das sich vorwie- gend in wohlhabenden Bürgerhäusern abspielte, bildete das Quartettspiel einen Hauptbestandteil ambitionierter Übungen und Aufführungen. So berichtet Nikolai Rimsky-Korsakow über die häuslichen Kunstabende bei dem Verleger Belaev, der selbst ein mittelmäßiger Pianist war, über konsequent gestaltete Programme: »Meist wurde mit einem Quartett von Haydn begonnen, dann folgten Mozart, Beethoven und endlich ein Quartett der nachbeethovenischen Periode. Wenn an einem gegebenen Freitage mit dem ersten Quartett von Haydn begonnen worden war, kam am nächsten das zweite an die Reihe usw., bis man beim letzten angelangt war, dann begann man wieder von vorne«. Die ausgiebigen Musikabende endeten zumeist in nicht minder ausgiebigen Zechgelagen, bisweilen floss der Champagner in Strömen, um ein neues Werk zu begießen. Diana Drechsler Diana Drechsler, geboren 1972, erhielt ihren ersten Violinunterricht mit 8 Jahren an der Hoyerswerdaer Musikschule. Später studierte sie an der HfM »Franz Liszt« Weimar bei Prof. Ute Suckow sowie in Würzburg bei Prof. Klaus Lieb und erhielt dort im Jahr 2000 ihr Meisterklassendiplom. Während Ihres Studiums war sie bereits Praktikantin der Violinen bei den Nürnberger Symphonikern und am Staatstheater Kassel. Darüber hinaus bekam die Geigerin als Mitglied diverser Kammerensembles wich- tige musikalische Impulse durch Henry Meyer (La Salle Quartett) sowie in Meisterkursen beim Rosamunde-Quartett und dem Voces-Quartett. Diana Drechsler ist seit 1998 2. Geigerin in der Badischen Staatskapelle Karlsruhe. Seither widmet sie sich in vielseitigen Ensembles der Kammermusik, so ist sie Mitbegründerin des Düsseldorfer Trio Tanguero und Mitglied im Ensemble Sorpresa Karlsruhe. MUSIK 109 > < 110 Michael Fenton Michael Fenton, geboren in Hong Kong, aufgewachsen in Oakland, Kalifornien, spielte zunächst Klavier und Geige, bevor er zur Bratsche wechselte. Er studierte an der University of California, Berkeley und am Oberlin Conservatory in Ohio. Darauf folgten zwei Jahre Aufbaustudium bei Prof. Kim Kashkashian am New England Conservatory in Boston. 2002 erhielt er ein Fulbright-Stipendium und kam nach Deutschland, um sich bei Prof. Wolfram Christ in Freiburg weiterzubilden. Er nahm an zahlreichen Meisterkursen in Europa und Amerika teil und hat von der Lehre erfahrener Künstler(innen) wie Nobuko Imai, Karen Tuttle und Hartmut Rhode viel gelernt. Sommerakademien besuchte er auch regelmäßig, wie z.B. das Interlochen Arts Camp, die Schleswig-Holstein Orchesterakademie und das Tanglewood Music Center. Als Kammermusiker ist er aktiv im In- und Ausland. Er spielt oft in der Kammermusikreihe am Badischen Staatstheater und machte im Herbst 2005 eine Konzertreise durch Chile mit den Heidelberger Kammersolisten. Als Bratschist des Quadriga-Quartetts war er bei Aufnahmen für den SWR sowie für den CD-Verlag Hänssler Classic beteiligt. Auch beim Label Naxos ist er mit der Holst-Sinfonietta und der Musik Joseph Schwantners zu hören. Seit 2003 ist er stellvertretender Solo-Bratscher bei der Badischen Staatskapelle Karlsruhe. Janos Ecseghy Janos Ecseghy, geb. 1972 in Ludwigshafen a. Rh., erhielt mit 6 Jahren seinen ersten Violinunterricht beim Vater. 12-jährig debütierte er mit Orchestern in Deutschland und Spanien. Nach einem Vorstudium bei Prof. Roman Nodel an der Hochschule in Mannheim trat er das Studium in Freiburg an. Seine Lehrer dort waren Prof. Wolfgang Marschner und Prof. Nicolas Chumachenco. Nachdem er sein Studium mit dem Künstler- ischen Examen abschloss, wurde er im März 1998 an die Staatskapelle Dresden engagiert. Seit Sept. 2002 ist er 1. Konzertmeister am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Er besuchte Meisterkurse bei den Professoren Menahem Pressler, Franco Gulli, Thomas Brandis, Siegmund Nissel (Amadeus Quartett) und Herman Krebbers. Janos Ecseghy tritt regelmä- ßig international als Solist und Kammermusiker auf. Landesjugendorchester Baden-Württemberg Молодежный оркестр земли Баден- Вюртемберг Michail Glinka Ouverture zu »Russlan und Ludmilla« (1804 - 1857) Peter Tschaikowski Valse Scherzo für Violine und Orchester (1840 - 1893) op. 34 und Konzertfantasie »Romeo und Julia« Modest Moussorgski »Die Nacht auf dem kahlen Berge« (1839 - 1881) Alexander Arutunian Konzert für Trompete und Orchester (* 1920) Alexander Jussow, Violine Andre Schoch, Trompete Leitung: Christoph Wyneken Eintritt: 15 D / 10 D ermäßigt Für Mitglieder des Fördervereins LJO 50 % Ermäßigung Alexander Jussow wurde 1988 als Sohn einer Musikerfamilie in Kiew (Ukraine) gebo- ren. Mit fünf Jahren erhielt er seinen ersten Geigen-unterricht vom Vater. Von 1997 bis 2000 war er Schüler der Begabten Klasse in der Stuttgarter Musikschule. Mit elf Jahren hatte er die Aufnahmeprüfung an der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe bestanden und wurde in die Violinklasse von Prof. J. Rissin aufgenommen. Er ist mehrfacher Preisträger beim Wettbewerb »Jugend Musiziert«. In den Jahren 2001 und 2004 gewann er auf Regional-, Landes- und Bundesebene in der Wertung Violine solo den 1. Preis mit Höchstpunktzahl. Für die herausragenden Leistungen bekam er jeweils einen Sonderpreis der Deutschen Stiftung Musikleben. Ebenfalls bekam er Preise bei mehreren internationalen Wettbewerben verliehen, u.a. beim 42. Kocian-Wettbewerb 2000 in Tschechien, beim »Rovere d’Oro Giovanni Talenti« 2003 in Italien sowie beim Louise-Hen- riette-Wettbewerb 2004 in Berlin. > So, 7. Mai 2006 11.30 Uhr Konzerthaus am Festplatz Info-Tel. (0711) 2 18 51 15 MUSIK > CHRISTOPH WYNEKEN 111 > < 112 Der junge Künstler wirkte mit großem Erfolg als Solist mit verschie- denen Orchestern, darunter mit dem Süddeutschen Kammerorchester, dem Jugendkammerorchester Stuttgart, dem Sinfonieorchester des Konservatoriums Nancy (Frankreich) und dem Philharmonischen Orchester der Stadt Kielce (Polen). Ebenso erfolgreich waren seine Auftritte im Duo mit seinem Bruder André am Klavier. Er wurde zu Rundfunk- und Fernsehaufnahmen beim SWR eingeladen und wirkte bei verschiedenen CD-Produktionen mit. Seit Herbst 2001 ist er Mitglied im Landesjugendorchester Baden-Württemberg. Don Kosaken Chor Wanja Hlibka Хор Донских казаков Вани Хлибки Leitung: Wanja Hlibka Eintritt: 24 D im Vorverkauf Unter der Leitung von Wanja Hlibka gibt der Solistenchor ein Kon- zert mit liturgischen Gesängen und sakralen Werken der russisch-ortho- doxen Kirche, mit weltberühmten russischen Volksweisen und klassischen Chorwerken, unter anderem von Bach-Gounod, Bortnijanskij, Tschaikowskij, Rachmaninoff, Glinka, Rimskij-Korsakow u.v.m. Ein Leckerbissen für Freunde einfühlsamen Chorgesangs und atemberaubender Klangkulisse. Ursprung Der Don Kosaken Chor Wanja Hlibka ist aus dem weltberühmten Original Don Kosaken Chor Serge Jaroff entstanden und ist legitimer Nachfolger des weltberühmten Original-Chores. Serge Jaroff gründete den Chor 1921 und verstarb 1985 in seiner Wahlheimat USA. In dieser Zeit waren es mehr als 10.000 Auftritte, mit denen der Chor sein Publikum weltweit begeisterte. Als Schüler Jaroffs hat Wanja Hlibka 1991 den Chor neu formiert und um weitere Spitzensolisten erweitert. Er sang von 1967 bis zur Chorauflösung 1979 als jüngster Solist im Original-Chor von Serge Jaroff und prägte diesen Chor bis zum letzten Konzert entscheidend mit. Hlibka fühlt sich daher der Tradition des Ensembles besonders ver- pflichtet und führt das musikalische Erbe seines Lehrmeisters in dessen Sinne fort. Impulse In dieser Zeit bekam er von Serge Jaroff die wichtigsten künstlerischen Impulse vermittelt, einen Chor in seinem Sinn zu leiten und den beson- deren, unvergleichlichen Sound dieses damaligen Chores zu erhalten. So gewann er u.a. Juri Shur, Anatoli Babykine, Oleg Kulyeshov, und Gen- nadiy Bryginets von den Staatsopern Moskau, Kiew, Lvov und Odessa. Diese Formation besteht aus bis zu 16 hochkarätigen Spitzensolisten, die einen fulminanten Chorklang und brillante Solovorträge garantieren. Das Repertoire ist fast identisch mit dem des Original-Chores, die Chorsätze sind ausschließlich handgeschriebene Partituren Serge Jaroffs, aus dessen privater Musikbibliothek, und wurden von Wanja Hlibka für seinen Chor bearbeitet. Klangfarben Unnachahmlich ist das einzigartige Spektrum von Klangfarben, begin- nend mit der spielerischen instrumental klingenden Untermalung eines Soloparts, bis hin zu einem stimmgewaltigen orchestralen Gesamtklang, der einem den Eindruck vermittelt, einen weitaus größeren Chor vor sich zu haben. Das Solistenensemble gastiert regelmäßig in allen großen Konzerthäusern und Kathedralen Europas. MUSIK > ANDRE SCHOCH > Mi, 10. Mai 2006 20 Uhr Evangelische Stadtkirche am Marktplatz Info-Tel. (0721) 2 83 42 > DON KOSAKEN CHOR WANJA HLIBKA > WANJA HLIBKA 113 > > ALEXANDER JUSSOW < 114 Komponistenportrait Dmitri Schostakowitsch Портрет композитора: Дмитрий Жостакович III. Karlsruher Komponistennacht Kinderkonzert Werke von Dmitri Schostakowitsch gespielt von Jungen Karlsruher Instrumentalisten Suite Nr. 1 op. 38 für Jazzorchester (1934) Eintritt frei Vortrag von Dr. Michael Heck, Kulturreferent der Stadt Karlsruhe Orchesterkonzert mit Moderation »Vorwort« op. 123 für Bass und Klavier (1966), Konzert Nr. 1 op. 35 c-moll für Klavier, Trompete und Streichorchester (1933), Kammersinfonie op. 110a für Streichorchester (nach dem Streichquartett Nr. 8) Eintritt: 15 D / 8 D ermäßigt Kammermusikkonzert mit Werkeinführung Sieben Romanzen op. 127 (1967) für Sopran und Klaviertrio, Klaviertrio Nr. 2 op. 67 e-moll (1944), Sonate für Viola und Klavier op. 147, C-Dur (1975) Kalle Randalu, Klavier Laura Vukobratovic, Trompete Sopran, N.N. Bass, N.N. Solisten der Kammerphilharmonie Kammerphilharmonie Karlsruhe (Konzertmeisterin Martina Bartsch) Carsten Wiebusch, Dirigent Junge Karlsruher Instrumentalisten Meinhard Saremba, Moderation Eintritt: 10 D / 6 D ermäßigt Kombikarte für Orchester- und Kammermusikkonzert 20 D / 12 D ermäßigt Dmitri Schostakowitsch Die Bratschensonate Film Regie: Semjon Aranovitsch und Alexander Sokurov Eintritt: 5,50 D / für Besucher des Orchester- und Kammermusikkonzerts Eintritt frei > Fr, 12. Mai 2006 18 Uhr Albert-Schweitzer- Saal Reinhold-Frank- Str. 48 a Info-Tel. (0721) 9 20 35 18 19 Uhr Christuskirche Riefstahlstr. 2 am Mühlburger Tor 21.30 Uhr Christuskirche 23.15 Uhr Das Kino im PrinzMaxPalais Karlstr. 10 Garteneingang Akademiestr. MUSIK > KAMMERPHILHARMONIE KARLSRUHE 115 > < 116 MUSIK > DMITRI SCHOSTAKOWITSCH Komponistenportrait Dmitri Schostakowitsch Die dritte Karlsruher Komponistennacht in der Christuskirche am Freitag, dem 12. Mai 2006, ist Dmitri Schostakowitsch gewidmet, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr gedacht wird. In vier Programmblöcken werden charakteristische Werke des russischen Musikers vorgestellt, dem es gelang, trotz zahlreicher Widerstände durch den Terror der Stalinzeit, die Repressalien der nachfolgenden sowjetischen Machthaber und die see- lischen Krisen der inneren Emigration seine künstlerische Integrität zu wahren. Zum Auftakt bietet das Kinderkonzert (um 18.00 Uhr im Albert- Schweitzer-Saal) frühe Werke von Schostakowitsch u.a. für Jazzorchester. Ein Vortrag des Kulturreferenten der Stadt Karlsruhe Dr. Michael Heck, leitet das Orchesterkonzert ein (19.00 Uhr in der Christuskirche). Carsten Wiebusch, Kantor und Organist der Christuskirche Karlsruhe und die Kammerphilharmonie Karlsruhe machen sich Schostakowitschs Bekenntnis »Die Melodie ist die Seele der Musik« zu Eigen und präsen- tieren die Kammersinfonie op. 110 a für Streichorchester, die nach dem autobiographisch geprägten 8. Streichquartett von Schostakowitsch ent- stand; ferner dessen selbstironisches »Vorwort zu meinem Gesamtoeuvre und einige kurze Gedanken hinsichtlich dieses Vorworts« sowie das popu- läre Konzert Nr. 1 op. 35 für Klavier, Trompete und Streichorchester mit der renommierten Trompetensolistin Laura Vukobratovic und dem inter- national gefragten Pianisten Kalle Randalu. Durch die Repressalien des Sowjetstaates sah sich Schostakowitsch gezwungen, durch raffiniert eingesetzte musikalische Chiffrierungen seine künstlerischen Ideale zu verwirklichen. Dies dokumentiert das Kammermusikkonzert (21.30 Uhr in der Christuskirche), in dem Solisten der Kammerphilharmonie und Gäste das Klaviertrio Nr. 2 op. 67, den Zyklus von sieben Romanzen nach Versen von Aleksander Blok op. 127 sowie die Sonate für Viola und Klavier op. 147 interpretieren. Anschließend ist im Kino des Prinz-Max-Palais der Film die Bratschensonate (23.15 Uhr) zu sehen. Schostakowitschs letzte Komposition ist Ausgangspunkt für dieses 80-minütige Filmportrait, das 1980 entstand und bis 1986 in der UdSSR verboten war. Alexander Sokurov vollendete das von Semion Aranovitsch begonnene Projekt in dem Dokumentaraufnahmen verknüpft werden mit Schostakowitschs Lebensweg und seiner entlarvenden Musik. Durch das Programm des Abends führt der Musikschriftsteller Meinhard Saremba. Während der Besuch des Kinderkonzertes kostenlos ist, können für die anderen Programmteile Einzelkarten oder eine Kombikarte erwor- ben werden. Für Besucher des Orchester- oder Kammerkonzertes ist der Eintritt zum Film frei. Weitere Informationen unter www.europaeische-kulturtage.de 117 > < 118 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN < WLADIMIR KAMINER 119 > < 120 Moskau: Der Exerzierplatz des neuen Menschen Москва – учебный плац нового человека Die Künstler als Avantgarde der Gesellschaft 1917 – 1936 Vortrag von Dr. Eckhart Gillen, Museumsdienst Berlin Eintritt frei Eckhart Gillen, geboren 1947 in Karlsruhe. Studium der Kunstgeschich- te, Germanistik, Anglistik und Soziologie in Heidelberg und Berlin. 1966- 1972, Promotion in Kunstgeschichte. Ausstellungen und Publikationen zur Kunst des 20. Jahrhunderts, u.a. »Zwischen Revolutionskunst und Sozialistischem Realismus. Kunstdebatten in der Sowjetunion von 1917 bis 1934« (zusammen mit Hubertus Gaßner); »Deutschlandbilder – Kunst aus einem geteilten Land«; »Wahnzimmer Deutschland« und »Das Kunstkombinat DDR. Zäsuren einer gescheiterten Kunstpolitik« (Köln 2005). Mitglied der Internationalen Assoziation der Kunstkritiker (AICA); Bürgerpreis zur deutschen Einheit in der Kategorie »Vielfalt in der Einheit« für Kulturelle Initiativen (Oktober 2003). Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Museumsdienst Berlin (MD Berlin). Moskauanhänger und Moskaufeinde im Kalten Krieg Мосв любящие Мосв ненавидящие Vortrag von Vladimir Fisera Eintritt frei Seit Oktober 1917 wurde die neue russische Hauptstadt Moskau als »der Kreml« mit seinen Türmen, die nun von Granaten in Form von roten Sternen und nicht mehr von orthodoxen Kreuzen dominiert wurden, dargestellt. Abwechselnd haben jeweils die Pazifisten, die Schöpfer der Moderne, die Anhänger des Plans, die Antifaschisten, die Slawen, die von Rassenvernichtung bedrohten Juden und die jungen Stalinisten der Nach- widerstandszeit in den 30er die Stadt als »Licht im Osten« (Jules Romain) bezeichnet. Vladimir Claude Fisera Historiker, Politologe, Übersetzer von Gedichten aus slawischer und englischer Sprache. Als Dichter unter dem Namen Claude Vancaux be- kannt. Lange Zeit war er Redakteur bei der Lettre Internationale, bei den Diagonales Est Ouest, und beim Journal of Area Studies; zur Zeit koordi- niert er die Zeitschrift Histoire et Anthropologie/Le détour. > Mo, 24. April 2006 20 Uhr PrinzMaxPalais Literaturhaus Karlstr. 10 Info-Tel. (0721)133-4087 > Do, 27. April 2006 19 Uhr Centre Culturel Franco-Allemand Kaiserstr. 160 - 162 Info-Tel. (0721) 16 03 80 Moskau – Napoleon – Europa Москва – Наполеон – Европа eine literarisch-musikalische Collage Idee, Konzeption und Sprecherinnen: Rita Fromm und Dr. Françoise Hammer Musikalische Gestaltung und Interpretation: Prof. Sontraud Speidel Kooperationspartner: Literarische Gesellschaft Karlsruhe, Badische Bibliotheksgesellschaft Karlsruhe Eintritt: 8 D / 5 D ermäßigt Moskau 1812, ein Wendepunkt in der europäischen Geschichte! Davon berichtet die TextMusikCollage. Sie erzählt vom Leben in der »Wunderstadt«, schildert den spannungsreichen Aufstieg der Stadt »zum Dritten Rom« und ihre europäische Bedeutung. »Beim Anblick dieser goldenen Stadt, dieses Diamantenknotens zwischen Asien und Europa, dieses glanzvollen Zusammentreffens von Luxus, Kunst und Sitten der zwei schönsten Teile der Welt, blieben wir ste- hen, wie von einer stolzen Bewunderung benommen.« (Augenzeuge der Grande Armée in Moskau, 14.Sept. 1812) »Ich habe die Wunderstadt nur zwei Tage gesehen. Mir deuchte ich sah Asien: Armut und Pracht,... der Kreml mit seinen goldenen Toren, Türmen und Zinnen. Dazu das ungewöhnliche Wimmeln der Menschen in jener außerordentlichen, wild bewegten Zeit. Ich konnte nichts sehen in zwei Tagen, ich konnte nur staunen.« (Ernst Moritz Arndt) »Denn das Alte Rom ist gefallen durch die apollinarische Häresie. Das zweite Rom, das ist Konstantinopel, ist von den Hagarsöhnen, den gottlosen Türken, unterjocht. Dein großes Reich, o frommer Herrscher, das Dritte Rom, überragt sie alle an Frömmigkeit, und alle frommen Reiche sind allein in deinem vereint, und du allein wirst unter dem Himmel christlicher Car genannt in der ganzen Welt bei allen Christen.« (Urkunde von 1589) Mit dem Einmarsch Napoleons kam 1812 die schreckliche Vernichtung: »Die Stadt stand in Flammen. Kein Wasser, keine Pumpen in der ganzen Stadt. Bei Tagesanbruch des 17. September lagen nur noch Trümmer und Asche, wo einst eine prachtvolle Stadt stand.« (Albrecht Adam) > Fr, 28. April 2006 20 Uhr PrinzMaxPalais Literaturhaus Karlstr. 10 Weiterer Termin am 19. Mai 2006 20 Uhr Info-Tel. (0721)133-4087 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN 121 > < 122 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN »Trotz aller Poesie erreichen alle Darstellungen des Brandes von Troja niemals die Wirklichkeit des Brandes von Moskau.« (Napoleon) »Der Einzug Napoleons in Moskau mit all seinen Folgen bildet einen Abschnitt in der Weltgeschichte.« (Herzog Eugen von Württemberg, 1812 Offizier im russischen Militärdienst gegen Napoleon) Napoleons Rückzug aus dem zerstörten Moskau und seine Niederlagen führen durch den Wiener Kongreß zu einer Neuordnung Europas. Moskau erstarkt wieder und steigt wie ein Phönix aus der Asche. Die TextMusikCollage enthält Augenzeugenberichte, Briefe und Tagebücher von russischen, deutschen und französischen Autoren. Zu Worte kommen u.a. der Gouverneur von Moskau Graf Rostopschin, der Dichter Kotzebue, die Schriftstellerin Germaine de Staël, der Berater des Zaren Freiherr vom Stein sowie Zar Alexander I., Napoleon, einfa- che Beobachter und sogar ein »Sonntagsdichter«. Kompositionen von Peter Tschaikowski (1840-1893) 1812 (Ouverture solennelle) op. 49. Für Klavier zu zwei Händen gesetzt von Stefan Esipoff Aus den »Jahreszeiten«: »Oktober« (Herbstlied) Michail Glinka (1804-1857) Variationen a-moll über ein russisches Lied Ludwig van Beethoven (1770-1827) Auszug aus dem letzten Satz der 9. Sinfonie d-moll op. 125 in der Transkription für Klavier von Franz Liszt (1811-1886) Maria Szymanowska (1789-1831) Polonaise f-moll Louise Farrenc (1804-1875) Air russe varié op. 17 verwandeln die vorgetragenen Schilderungen zu einem bildhaften Hören. Die literarisch-musikalische Lesung bietet Raritäten aus Literatur und Musik. Dauer: ca. 90 Minuten ohne Pause Rita Fromm seit 1985 als freiberufliche Seminarleiterin und Dozentin in der Erwachsenenbildung tätig, konzipiert und leitet Seminare und Workshops zur Frauengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie zur Gesell- schaftspolitik. Seit 1989 schreibt sie Textbücher für literarisch-musikali- sche und szenische Lesungen; darin porträtiert sie bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten der Frauengeschichte und integriert Musik von Komponistinnen. Von Musik untermalt und begleitet, gewinnen die gespro- chenen Worte eine enorme Intensität. Bettina von Arnim – ein Leben zwischen Romantik und Revolution; Louise Otto-Peters – ein Leben für Frauenrechte; »Flammend stieg die junge Morgensonne empor, himmlisch die junge Freiheit« – ein literarisch-musikalisches Porträt über Mathilde Franziska Anneke; »Wir wollen unser Theil verdienen...« – zur Geschichte der Frauenerwerbsarbeit; »Aus dem Salon auf die Barrikade« – freche Frauen einst und jetzt; »Wenn die Zeiten gewaltsam laut werden ...« – von Bürgerinnen, republi- kanischen Weibern und Freischärlerinnen in der Revolution von 1848/49; »Mein Geist macht sich Luft in Worten ... und mein Herz in Tönen« – unangepaßte Frauen im Biedermeier und der Gründerzeit; »Der Geist weht, wo er will...« – gesprochene und musikalische Fragmente zur Malerei und Literatur der 1960er und 1970er Jahre; Dem Dichterfürsten entgegnen ... Frauenstimmen aus der Goethezeit; »Fesseln will man mich am eignen Herde, unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum! – Frauenstimmen SCHILLERn in Literatur und Musik. Seit Dezember 2002 trifft sie gemeinsam mit Ana Maria Campistrús die Musikauswahl. Einige dieser Collagen haben beide als CDs produzieren lassen. Seit 1999 erarbeitet Rita Fromm mit Dr. Françoise Hammer Collagen, z.B. »Freiheit als Skandal« - aus dem Leben der Louise Aston und George Sand; »Über Weiber, die da Herren im Hause sind...« – Frauenalltag im Spätmittelalter; »Mit der Hutschachtel auf den Spuren der Europa« – Reiseerfahrungen deutscher und französischer Frauen im 19. Jahrhundert; Die Grenzen überwinden ... neue Begegnungen mit Annette Kolb, René Schickele, Elly Heuss-Knapp, Louise Weiss; Istanbul - Sonne, Mond und Sterne. Multimedial inszenierte Begegnungen am Bosporus. Ihr Lebensmotto: Aus der Geschichte für die Zukunft lernen ... Neues wagen! 123 > < 124 125 > LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN Dr. Françoise Hammer in Frankreich (Bretagne) geboren, hat die französische und deutsche Staatsangehörigkeit und ist heute in Karlsruhe zu Hause. Nach einem Studium der Sprachwissenschaft, Germanistik und Romanistik promovier- te sie in Deutschland zum Dr. phil. Ihre vielseitige berufliche Erfahrung umfaßt Universitätslehre, Unterricht in der Übersetzer- und Erwachsenen- Ausbildung in der Lehre (z.B. im Programm »Lerne die Sprache des Nach- barn«), eigene Tätigkeit als Übersetzerin und Dolmetscherin wie auch wissenschaftliche Publikationen über deutsch-französische Sprach- und Kulturvergleiche. Ihr Ziel ist es, Brücken zu einem besseren Miteinander zu schlagen, so in ihrer interkulturellen Arbeit als Vorstandsmitglied der Deutsch-Französischen Gesellschaft und im Beirat der Literarischen Ge- sellschaft Karlsruhe. Ihr besonderes Interesse für die Situation der Frau in Deutschland und Frankreich hat zur Beschäftigung mit George Sand und Louise Aston geführt sowie zur ersten Zusammenarbeit mit Rita Fromm. Ihr Grundsatz im beruflichen und privaten Leben: Gegensätze aufde- cken und verstehen helfen. Sontraud Speidel studierte bei Irene Slavin und Yvonne Loriod-Messiaen in Karlsruhe, Branka Musulin in Frankfurt, Stefan Askenase in Brüssel und Géza Anda in Luzern. Sie ist Preisträgerin nationaler und internationaler Wettbewerbe (u.a. 1. Preis Internationaler Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb Washington/ USA, Jackson Prize des Boston Symphony Orchestra für Neue Musik). Fernsehauftritte, Konzerte und Meisterklassen führten sie durch Europa, in die USA, nach Kanada, Israel, Japan, Korea, Taiwan und Brasilien. Sie ist Professorin für Klavier, Leiterin der Klavierabteilung sowie der Studienkommission »Künstlerische Ausbildung« an der Hochschule für Musik Karlsruhe. Sie war Gastprofessorin u.a. an der Rubin Academy of Music in Tel Aviv, an der Université de Montréal in Canada, am Concervatorio di Bologna/Italien, an der Yehudi Menuhin School in England, an der Royal Academy of Music in London, an der Janácek-Musikakademie in Brno/ CSR, an mehreren Universitäten in Japan und Korea sowie »Distinguished Visiting Professor« an der California State University. Regelmäßig gibt sie Meisterkurse in Deutschland, Wien, Israel und Korea. Sie leitet das »PIANO-PODIUM Karlsruhe e.V.«, eine Vereinigung von fast 700 Mitgliedern, die junge Pianisten fördert und sich der Erfor- schung der Klaviermethodik widmet. Sie ist regelmäßig Jurymitglied bei nationalen und internationalen Wettbewerben. Mehrere zeitgenössische Komponisten haben ihr Werke gewidmet und Uraufführungen anvertraut. Im März 2000 wurde ihr von der Wiener Landesregierung das »Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien« verliehen. Seit 2001 ist sie Musikdirektorin des neugegründeten Festivals »Clavissimo« in Seoul/Korea und seit 2002 Direktorin des International Piano Festival Taipeh/Taiwan. 2003 wurde ihr im Rathaus Wien die Goldene Josef-Dichler-Medaille ver- liehen. 2005 wurde Sontraud Speidel mit dem Bundesverdienstkreuz aus- gezeichnet. Die Kinder vom Arbat Дети Арбата Szenische Collagen von Peter M. Wolko mit Ausschnitten aus dem gleichnamigen Roman von Anatoli Rybakow und Live-Musik (Uraufführung) Aus dem Russischen von Juri Elperin Szenische Einrichtung und Bühne: Peter M. Wolko Musik: Judith Hafner Kostüme: Ulrike Wolko Es lesen und spielen: Ulrike Wolko, Selçuk Yurtsever-Kneer, Patrick Burkart (Sascha Pankratow) und Michael Müller Musik: Judith Hafner (Saxophon). Eintritt: 9,50 D / 7 D erm. / 6 D (Gruppen ab 15 Personen) > Sa, 29. April 2006 19 Uhr Theater »Die Spur« im Jubez am Kronenplatz Weitere Vorstellung am 30. April 2006 19 Uhr Info-Tel. (0721) 86 55 44 > THEATER »DIE SPUR«, Szenenphoto < 126 Theater »Die Spur« Das Theater »Die Spur« wurde im November 1961 von Peter M. Wolko als freie Gruppe gegründet. Das älteste, noch bestehende Amateur-Theater in Karlsruhe ist ein geschätzter Bestandteil der Kulturszene dieser Stadt sowie der von Baden-Württemberg. Es zählt zu den semiprofessionellen Bühnen dieses Bundeslandes. Es bringt pro Spielzeit zwei Inszenierungen sowie bis drei Wiederaufnahmen heraus und zeigt über 50 Aufführungen. Der Bühne gehören derzeit 17 Theaterleute an, die ihre kulturelle Arbeit neben der beruflichen Tätigkeit oder dem Studium ausüben. Sie verste- hen ihr künstlerisches Schaffen als Gegengewicht zum Alltag und leisten damit einen besonderen Beitrag zur Erreichung der Schlüsselkompetenz Kultur. »Die Spur« ist eine innovative Kleinbühne unter professioneller Leitung, deren Kompetenz und künstlerischer Anspruch sich nicht nur im Niveau des Spielplans, sondern auch in dessen breiter Palette mani- festieren. Der Spielplan spannte sich in den vergangenen 44 Jahren von Hans Sachs bis Heinrich Böll und enthält Stücke von Fernando Arrabal bis Thornton Wilder. Ein besonderes Augenmerk galt der Pflege des dra- matischen Schaffens von Günther Weisenborn, Anton Tschechow und Jean Tardieu. Als Grundtendenz des Spielplans hat sich eine Mischung aus absurden und zeitkritischen Stücken sowie anspruchsvoller Unterhaltung heraus kristallisiert. Daneben sind die Pflege des zeitgenössischen Kinder- und Jugendtheaters sowie des literarischen Kabaretts Spielplan- Schwerpunkte. Bei nationalen und internationalen Festivals vertrat »Die Spur« bis- her 56 mal die Kulturszene der Stadt Karlsruhe, des Landes Baden- Württemberg bzw. Deutschlands und wurde mehrfach ausgezeichnet. Das Theater hat in 44 Spielzeiten insgesamt 163 Inszenierungen herausge- bracht, davon 23 als Uraufführungen, 48 als Karlsruher Erstaufführungen und 40 im Kinder- und Jugendtheater. Die bisher 2200 Aufführungen sahen über 153 000 Zuschauer in sieben Staaten. Zu den Autoren: Anatoli Rybakow wurde am 14. 1. 1911 in Tschernigow (Ukraine) geboren. Er arbeitete als Transportingenieur, nahm am 2. Weltkrieg teil und zog mit der Roten Armee in Berlin ein. 1948 veröffentlichte er seinen ersten Roman und arbeitete danach als Schriftsteller. Er begann mit Abenteuergeschichten für Kinder, Produktionsromanen und gehörte zu den entschiedensten Befürwortern von Gorbatschows Reformpolitik der Perestroika. Weltbekannt wurde er mit dem Roman »Die Kinder vom Arbat« (1987, dt. 1988) und der Fortsetzung »Jahre des Terrors« (1989). Um die Veröffentlichung dieser Werke hatte er sich seit den sech- ziger Jahren mehrfach vergeblich bemüht. Sein späteres Schaffen ist durch die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen gekennzeichnet. Charakteristisch für sein Werk ist die Einbettung von erfundenen Figuren in historische Ereignisse; teilweise begegnen diese Figuren realistischen Persönlichkeiten (z. B. J. Stalin). 1989 wurde Rybakow zum ersten Prä- sidenten des russischen PEN-Zentrums gewählt. Er starb 1998 und hin- terließ ein umfangreiches erzählerisches Werk, das in viele Sprachen übersetzt wurde. Peter M. Wolko, Diplom-Verwaltungswirt, Journalist, Pressereferent, Publizist, Re- feratsleiter sowie Theaterleiter, Autor, Regisseur, Schauspieler und Theater- pädagoge wurde am 11. 9. 1940 in Breslau geboren. Nach Schulbesuch in Halle/Saale, Berlin, Karlsruhe und Immenstaad gründete er 1961 in Karlsruhe das Theater »Die Spur«. Im Rahmen seiner beruflichen Tätig- keit in leitenden Führungsfunktionen veröffentlichte er als Autor bzw. Mit-Herausgeber 34 Publikationen und 80 Artikel in Fachzeitschriften. Daneben schuf er als Theatermacher 34 unveröffentlichte Bühnenfassungen und Bearbeitungen von Dramen, dramatisierte literarische Werke und ver- fasste Theaterpublikationen, auch zu theaterwissenschaftlichen Themen, war fast zehn Jahre Schriftleiter der Zeitschrift »Spiel & Bühne« und edierte im Eigenverlag von ihm verfasste Biografien und Fachbücher in Kleinauflagen. Zum Stück: Der Roman »Die Kinder vom Arbat« wurde in Moskau zu dem lite- rarischen Ereignis: Zum ersten Mal in der sowjetischen Literatur wird Stalin in Episoden dargestellt, die sein wirkliches Wesen offenbaren – ein kleinlicher, intriganter Machthaber, der unter Verfolgungswahn leidet und Andersdenkenden brutal nachstellt. Die szenischen Collagen von Peter M. Wolko handeln in den Jahren 1933 und 1934 und haben das Leben Sascha Alexander Pawlowitsch Pankratows in Moskau, sein »Vergehen« an der Hochschule für Verkehr, das Verfahren vor den Gremien der Hochschule sowie der Partei, seine Untersuchungshaft in Moskau und den Beginn der dreijährigen Verbannung in Sibirien zum Inhalt. Stalin und die anderen damaligen Parteibonzen erscheinen nur als Randfiguren. Wie im Roman beginnt die Handlung im traditionsreichen Moskauer Arbat-Viertel, wo der Protagonist und seine Freunde leben. Sie sind jung, verliebt und lebensfroh, Arbeiter und Studenten, die sich begeistert beim Aufbau des Sozialismus engagieren. Dann wird Sascha überraschend aus dem Komsomol ausgeschlossen, verhaftet und für drei Jahre nach Sibirien verbannt. Rybakow weiß sehr genau, wovon er redet; wie sein Held Sascha war er in Sibirien und kennt das Grauen jener Jahre. Er schrieb das Buch bereits während des Tauwetters der Chruschtschow-Ära. Es mussten jedoch mehr als 20 Jahre vergehen, bis Gorbatschows Reformpolitik die Sowjetunion zu verändern begann und der Roman erscheinen konnte. Das Buch ist eine mitreißende und bewegende Schilderung einer dunk- len Epoche der sowjetischen Geschichte. LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN 127 > < 128 Lesung mit Musik Чтение и музыка Kooperations-Veranstaltung der GEDOK Karlsruhe mit dem BBK Karlsruhe e.V. Eintritt frei Die Berliner Schauspielerin Johanna Krumstroh liest Texte der Schriftstellerin Marina Zwetajewa. Die aus Russland stammende Pianistin Angela Yoffe spielt u.a. Stücke von Galina Ustwolskaja Moskau als Exil В изгнании в Москве Vortrag von Prof. Wolfgang Leonhard Einer der letzten Zeitzeugen berichtet aus seiner Moskauer Exilzeit 1935 – 1945. Eintritt: 6 D / 4 D ermäßigt Wolfgang Leonhard Geboren am 16. April 1921 in Wien, lebte von 1935 bis 1945 in der Sowjetunion: 1940-41 Studium an der Moskauer Pädagogischen Hochschule für Fremdsprachen Herbst 1941 Zwangsumsiedlung in das Karaganda-Gebiet (Nordkasachstan) 1942-43 Ausbildung an der Kominternschule, der wichtigsten ideologisch-politischen Ausbildungsstätte für ausländische Kommunisten in der Sowjetunion ab 1943 Mitarbeiter des Nationalkomitees Freies Deutschland, Moskau Anfang Mai Rückkehr nach Berlin als Mitglied der Gruppe Ulbricht 1945 Juli 1945 bis Mitarbeiter der Abteilung Agitation und Propaganda des September Zentralkomitees der KPD (ab April 1946 SED) 1947 und Verfasser der Schulungsmaterialien 1947 bis Lehrer an der SED-Parteihochschule Karl Marx, Fakultät 1949 Geschichte. > So, 30. April 2006 17 Uhr BBK / Berufsver- band Bildender Künstlerinnen und Künstler Am Künstlerhaus 47 Info-Tel. (0721) 3 84 84 80 > Mi, 3. Mai 2006 20 Uhr PrinzMaxPalais Literaturhaus Karlstr. 10 Info-Tel. (0721)133-4087 Aus Opposition gegen die Sowjetunion floh Leonhard im März 1949 aus der Sowjetzone Deutschlands nach Jugoslawien. Er lebt seit Ende 1950 in der Bundesrepublik Deutschland als Kommentator für Fragen der Sowjetunion und des internationalen Kommunismus. Seit der Phase der Perestroika Gorbatschows besucht er regelmä- ßig die Sowjetunion, nach deren Zusammenbruch im Dezember 1991 Russland und andere GUS-Länder. Im Auftrag der OSZE war er mehr- fach als Wahlbeobachter in Nachfolgestaaten der Sowjetunion tätig. Orden und Ehrungen: Phi Beta Kappa, Yale University (1982), Bundesverdienstkreuz I. Klasse (1987), Ehrendoktorwürde der Universität Chemnitz (1998), Österreichischer Wissenschaftsorden I. Klasse (2002), Europäischer Wissenschafts-Kulturpreis (2004) Akademische Laufbahn und Tätigkeit: 1956 bis 1958 Post Graduate Studies am St. Antony`s College der Oxford University. 1963 bis 1964 Forschungstätigkeit als Senior Research Fellow am Institut für Russlandforschung der Columbia University, New York. 21 Jahre, von 1966 bis 1987, Lehrtätigkeit an der Historischen Fakultät der Yale University mit den Schwerpunktthemen: Geschichte der UdSSR seit 1917 und Geschichte der kommunistischen Weltbewegung außerhalb der Sowjetunion. Graduiertenseminare zu zahlreichen Themen aus den Bereichen Sowjetunion, sowjetische Außenpolitik und kommunistische Weltbewegung. Wolfgang Leonhard hatte Gastprofessuren an den Universitäten von Michigan (USA), Mainz, Trier, Kiel, Chemnitz und Erfurt. Veröffentlichungen: Exemplarisch seien hier genannt: - Die Revolution entläßt ihre Kinder, Köln 1955 ff. - Die Dreispaltung des Marxismus, Düsseldorf 1970 - Was ist Kommunismus? Wandlung einer Ideologie, München 1976 - Eurokommunismus, München 1978 - Spurensuche-40 Jahre nach Die Revolution entlässt ihre Kinder, Köln 1992 - Spiel mit dem Feuer. Russlands schmerzhafter Weg zur Demokratie, B.-Gladbach 1998 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN 129 > < 130 Rund um den Roten Platz Вокруг Красной площади Ein literarischer Spaziergang durch Moskau mit Harald Schwiers Eintritt: 9,50 D mit Getränken Moskau ist in vielerlei Hinsicht eine der faszinierendsten Metropolen der Welt. Und es gibt eine Vielzahl literarischer Zeugnisse, die ein leben- diges Bild der Stadt über die Jahrzehnte und Jahrhunderte geben. Harald Schwiers kennt Moskau von einigen Theatergastspielen und hat eine per- sönliche Auswahl der schönsten Geschichten um Moskau und den Arbat zusammengestellt. Harald Schwiers Der Karlsruher Schauspieler, Moderator und Publizist hat sich als Badischer Geschichtenerzähler und Rezitator eine herausragende Stellung geschaffen. Der Fundus seiner Geschichten reicht vom ausgehenden Mittelalter bis in die Gegenwart, von Poesie bis Prosa, mit und ohne Mundart und erzählt vom Leben und den Menschen auf beiden Seiten und entlang des Rheins. Hier, wo man gerne gut ißt und trinkt, prägt die Freude am Leben auch einen sym-badischen Menschenschlag. Mit kabarettistischem Augenzwinkern schildert Harald Schwiers liebenswerte Typen, denen Weinstein näher steht als Nierenstein und die mit gleicher Kennerschaft und Genuss sich ein himmlisches Bier gönnen können... André Cabaret: ce qu´on entend sur la place rouge Андре Кабарэ: Что можно слышать на Красной площади Was einem auf dem Roten Platz zu Ohren kommt Lesung mit musikalischer Untermalung in französischer Sprache Dieser historische Roman ist ein Versuch, ein etwas weniger stereoty- pes Bild von Russland zu geben, als das der Fensehreportagen und das Gesamtbild eines Volkes zu zeichnen, dessen Lebens- und Denkweise nicht immer leicht zu verstehen ist. Die Lesung wird begleitet von russischer Gitarren- und Balalaika-Musik mit Youra, einem Musiker aus Paris. Eintritt frei Die russische Geschichte birgt eine Menge ungelöster Rätsel, so spricht man unter anderem von einem mysteriösen Apparat, der bereits Puschkin bekannt gewesen sein soll und augenscheinlich von ihm auch genutzt wurde. Dieses Buch zeichnet dessen verschlungene Pfade von Leningrad bis Stalingrad nach, schlägt zugleich einen Bogen von Alexander Puschkin bis Wladimir Putin. Im Dezember 1999 kommt am Ende einer langen im Verborgenen verlaufenden Entwicklung mitten in Moskau die Existenz dieses Apparats ans Tageslicht und sorgt für eine Sensation. Bedeutet dies für Russland das Ende eines historischen Kapitels – der Beginn einer neuen Ära – oder handelt es sich nur um einen politischen Coup? André Cabaret André Cabaret, geboren 1948 in Paris als Sohn eines französischen Vaters und einer russischen Mutter, arbeitete lange Zeit als Russischlehrer. Dieser Beruf erlaubte es ihm, parallel dazu seiner Leidenschaft für das Schreiben nachzugehen. Mit dreißig entstand sein erster Roman. Sein zweisprachiger Hintergrund prädestinierte ihn für Übersetzungsarbeit in Literatur, Film und Fernsehen. André Cabaret fühlt sich in verschiedenen Literaturgattungen wohl und veröffentlichte zwei Romane. Sein Roman »Ce qu’on entend sur la Place Rouge« (Was einem auf dem Roten Platz zu Ohren kommt) erschien 2004 bei Harmattan. > Fr, 5. Mai 2006 19 Uhr Centre Culturel Franco-Allemand Kaiserstr. 160 - 162 Info-Tel. (0721) 16 03 80 > Do, 4. Mai 2006 20.30 Uhr marotte- Figurentheater Kaiserallee 11 Info-Tel. (0721) 84 34 75 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN > HARALD SCHWIERS 131 > < 132 133 > Georges Cabaret Georges Cabaret, Bruder des Autors, hat eine Ausbildung zum Konzertpianisten am Conservatoire supérieur in Paris absolviert. Er hält Vorträge zur Musikgeschichte und arbeitet mit Schulen zusammen. Es entstanden bereits zwei Kinderstücke. »Youra«, so sein Künstlername, hat sich auf russische Musik spezialisiert, spielt auch Gitarre und Balalaïka. Seine vierköpfige Band Russki Kabak hat bisher zwei CDs aufgenommen. Dmitrij Prigow: »Lebt in Moskau!« Дмитрий Прогов »В Москве можно жить!« Literaturcafé der vhs Eintritt: 5 D Dmitrij Prigow, Avangardist, Sprachperformer, Postmodernist und einer der wichtigsten Vertreter des Moskauer Underground, erzählt seine frühesten Kindheitserinnerungen. ? Schmitz »in Moskau Pädagogik, Englisch und Deutsch studiert und mit Diplom als Lehrerin für Englisch und Deutsch abgeschlossen« »auch schwedische und serbokroatische Sprache erlernt« »in der Hauptsache als Übersetzerin und Dolmetscherin in den Sprachen Russisch, Englisch und Deutsch tätig« > So, 7. Mai 2006 11 Uhr Kaffeehaus Schmidt Kaiserallee 69 Info-Tel. (0721) 9 85 75 24 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN > ANDRÈ CABARET > GEORGES CABARET (YOURA) < 134 Russische Avantgarde-Architektur und die aktuelle, zeitgenössische Architekturszene in Moskau Русская авангардная архитектура и новейшие современные движения в московской архитектуре Vortrag von Prof. Dipl.Ing. Alex Dill, Gastprofessor an der Archi- tekturschule in Moskau und Initiator eines internationalen Workshops von europäischen Architekturschulen in der russischen Hauptstadt im Frühjahr 2006. Eintritt frei Alex Dill akad. Oberrat Dipl.-Ing. Alex Dill Architekt in Darmstadt Akad. Oberrat am Institut für Baugestaltung, Universität Karlsruhe lehrt »Entwerfen und Baukonstruktion« am Institut für Baugestaltung II. Schwerpunkte sind u.a. deutsch-französischer Vergleich zeitgenössischer Architektur u. Bauen mit Glas / Technologie und Materialanwendung im Konstruktiven Glasbau seit 1996 Mitglied des Atelier Europeen-Technologie de l’Architecture 2002 Gastprofessor an der Universität Bologna, Fakultät für Architektur / Cesena seit 2002 Forschungsreisen, Ausstellungen und Symposien zum Umgang mit den Bauten der Moderne in Ost- u. West-Europa Schwerpunkt »russ. Avantgarde Architektur« im Vergleich seit 2004 Mitglied von docomomo – international 2006 stellvertr. Vorstand docomomo-deutschland 2006 Gastprofessor am Moskau Institute of Architecture (MARCHI) Moskau als Zentrum der orthodoxen Kirche Москва как центр православной веры Vortrag von Prof. Dr. Rudolf Grulich, Leiter des Königsteiner Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen – Mähren – Schlesien Mit anschließender Diskussion Eintritt: 4 D Als Kaiser Konstantin im Jahre 330 die Hauptstadt des Römischen Reiches an den Bosporus verlegte, bekam das alte Byzanz den Namen des Kaisers Konstantinopel. Die neue Hauptstadt sollte auch ein zweites Rom werden. Das führte dazu, dass der bis dahin unbedeutende Bischofssitz von Byzanz zu einem Patriarchat aufgewertet und in der Ehrenfolge der Patriarchate vor Alexandrien den zweiten Platz erhielt. Bis heute hat der in Istanbul residierende Ökumenische Patriarch den Titel eines Patriarchen des Neuen Rom. Die Reichsteilung unter Kaiser Theodosius, der Untergang des Weströmischen Reiches und seine Wiederbelebung unter Karl dem Großen verstärkten ebenso wie kulturelle und theologische Sonderentwicklungen in Ost und West die Entfremdung, sodass es zur Kirchenspaltung vom Jahre 1054 kam. Nach der Eroberung Konstantino- pels durch die Türken, war der Zar in Moskau der einzge Herrscher eines unabhängigen orthodoxen Staates. So wurde 1589 mit Zustimmung der übrigen morgenländischen Patriarchen der bisherige Bischofssitz Moskau zum Patriarchat erhoben. Ein Mönch in Pleskau schrieb damals: »Das erste Rom fiel wegen seiner Häresie, das zweite Rom unter den Beilen der Türken. Das dritte Rom wird bestehen, denn ein anderes wird es nicht geben.« Der Zar als orthodoxer Herrscher sah sich als Schutzherr aller orthodoxen Christen. Das wurde auch im Krimkrieg deutlich, der vor 150 Jahren mit dem Frieden von Paris 1856 beendet wurde. Der Referent wird diese Zusammenhänge vorstellen und aufzeigen, welche Auswirkungen die- ses kirchliche Selbsbewusstsein Moskaus bis heute auf die Ökumene hat. Prof. Dr. Rudolf Grulich hat 1998 den Preis für Völkerverständigung und grenzüberschreitende Kulturarbeit des Bukowina-Instituts und der Deutschen Jugend in Europa erhalten. > Mo, 8. Mai 2006 20 Uhr Roncalli-Forum Karlstr. 115 (Kolpinghaus) Info-Tel. (0721)9 32 83 30 > Mo, 8. Mai 2006 19 Uhr Fakultät für Architektur der Universität Karlsruhe Englerstr. 7 Info-Tel. (0721)608-2188 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN > PROF. DR. RUDOLF GRULICH 135 > < 136 Wladimir Kaminer Владимир Каминер Eine Text-Collage aus eigenen Werken u.a. »Die Russendisko«, »Küche Totalitär« und »Karaoke« In Verbindung mit der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe Eintritt: 6 D / 4 D ermäßigt Wladimir Kaminer Der Autor wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit 1990 in Ber- lin. Er veröffentlicht regelmäßig Texte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, hat eine Sendung namens »Russendisko Club« beim RBB Radio MultiKulti sowie eine Rubrik im ZDF-Morgenmagazin und orga- nisiert Veranstaltungen wie seine mittlerweile international berühmte »Russendisko«. Mit der gleichnamigen Erzählsammlung sowie zahlrei- chen weiteren Büchern avancierte das kreative Multitalent zu einem der beliebtesten und gefragtesten Autoren in Deutschland. > Di, 9. Mai 2006 20.30 Uhr Jubez am Kronenplatz Info-Tel. (0721)133-4087 Russland heute: Die Erfahrung des Austausches zwischen dem Elsass und Russland im wirt- schaftlichen, wissenschaftlichen, universitären und kulturellen Bereich Россия сегодня: Обмен опытом между Россией и Эльзасом в областях экономики, науки, университетов и культуры Vortrag von Paul Tschaen, der die politische und wirtschaftliche Situation des heutigen Russlands beleuchten sowie an konkreten Projektbeispielen die Kooperation von Einrichtungen im Elsass und in Russland darstellen wird. Vortrag in französischer Sprache Eintritt frei Anhand von konkreten Beispielen wird Paul Tschaen, Projektleiter für den Bereich Wirtschaftskooperation bei der Agence de Développement de l’Alsace (Agentur für die Entwicklung des Elsass), auf 15 Jahre Partnerschaft zwischen der Region Elsass und Russland eingehen und ins- besondere folgende Themen behandeln: - Russland in Zahlen - Aufbau und Organisation des russischen Staates - Trümpfe und Herausforderungen Russlands - Russland: das Bestehen eines Marktes - Elsass und Russland Über die Darstellung der Beziehungen zwischen der Nachbarregion und dem russischen Staat hinaus wird er einen tiefen Einblick in die wirt- schaftliche Entwicklung Russlands in den letzten 15 Jahren geben. > Mi, 10. Mai 2006 19 Uhr Centre Culturel Franco-Allemand Kaiserstr. 160 - 162 Info-Tel. (0721) 16 03 80 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN 137 > < 138 139 > Moskau und Baden-Baden Москва и Баден-Баден Die Europäischen Kulturtage Karlsruhe zu Gast in der Region In Verbindung mit der Turgenev-Gesellschaft Deutschland e.V. Anmeldung und Information über das Hotel Steigenberger Europäischer Hof unter Tel. (07221)933-700 Eintritt: 42 D inkl. 3-Gänge-Menu Mit Ausschnitten aus der literarisch-musikalischen Collage »Moskau- Napoleon-Europa« von Dr. Françoise Hammer und Rita Fromm und dem Vortrag »Glücksspiele und Dichterschicksale: Baden-Baden und die rus- sische Kultur« von Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge, Universität Tübingen und Warschau Rolf-Dieter Kluge Dr. phil. habil., o. Prof. (Slavische Philologie); geb. 1937 in Pirna/ Elbe, Studium der Geographie, Germanistik, Philosophie und Slavistik, 1961 Staatsexamen, 1965 Promotion, 1975 Habilitation, 1975 Prof- essor an der Universität Freiburg, 1982-2002 Inhaber des Lehrstuhls für Slavische Literaturwissenschaft an der Universität Tübingen, Ver- anstalter dreier internationaler Cµechov-Symposien (1985, 1994, 2004) und eines Dostoevskij-Symposiums (2001), 1997 Verleihung des Bundes- verdienstkreuzes 1. Klasse, 2002-2005 Stiftungsprofessur für Russische Literaturgeschichte und deutsch-slavische Kulturbeziehungen an der Universität Warschau, seit Oktober 2005 o. Professur für Russische Literaturgeschichte und deutsch-slavische Kulturbeziehungen ebenda. Hinweis: Stadtführungen mit Renate Effern, Vorsitzende der Turgenev- Gesellschaft Deutschland, durch das »Russische Baden-Baden« finden wäh- rend der Festivallaufzeit jeweils mittwochs um 15 Uhr statt; Treffpunkt vor dem Theater Baden-Baden. Auf Anfrage auch in russischer Sprache; Preis p.P. 6 D. Anmeldung unter Tel. (07221) 79 79. > Mi, 10. Mai 2006 19.30 Uhr Hotel Steigenberger Europäischer Hof in Baden-Baden Salon Kaiserallee Kaiserallee 2 Russisches Tagebuch Русский дневник Vortrag von Thomas Roth, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin Eintritt: 6 D / 4 D ermäßigt Thomas Roth 1951 in Heilbronn geboren, Studium der Anglistik und Germanistik in Heidelberg. 1980 Volontariat beim SDR. 1981-1984 Redakteur und Moderator der Jugendfunksendung POINT (Hörfunk) des SDR. Bis 1986 landespolitischer Redakteur und Reporter (Fernsehen) des SDR. 1987 wechselte Roth in die SDR-Redaktion »Weltspiegel« und in das ARD-Studio Kairo. 1988 und 1991 arbeitete er als ARD-Korrespondent und Studioleiter des ARD-Büros Südliches Afrika in Johannesburg, 1991 wechselte er als ARD-Korrespondent in das ARD-Studio Moskau. 1992 übernahm Roth die stellvertretende Leitung des Programmbereichs Ausland im WDR Fernsehen. 1993 ging Roth erneut als ARD-Korrespondent und späterer Leiter des Studios nach Moskau. 1995 - 1998 Hörfunkdirektor des WDR. Zum 1. April 1998 zog es Thomas Roth als ARD-Korrespondent und Leiter des ARD-Studios nach Moskau. Seit Mai 2002 ist Thomas Roth Leiter des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin und Chefredakteur der Gemeinschaftsredaktion Fernsehen. > Do, 11. Mai 2006 20 Uhr PrinzMaxPalais Literaturhaus Karlstr. 10 Info-Tel. (0721)133-4087 LITERATUR / VORTRÄGE & LESUNGEN > THOMAS ROTH < 140 WISSENSCHAFT / SYMPOSION < LOMONOSSOW UNIVERSITÄT, Moskau 141 > < 142 Praxiswissen trifft universitäre Wissenschaft Столкновение примененного на практике знания с университетской наукой Studenten der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaft der Universität Karlsruhe entwickeln eine Homepage rund um Moskau, Russland und Karlsruhe Die Europäischen Kulturtage 2006 sind der Anlass für das Projekt- seminar »Europäische Kulturtage« des Studienzentrums für Angewandte Kulturwissenschaft (SZK). Ziel des Seminars ist die Veröffentlichung einer selbst programmierten Internetseite mit bildlichen Darstellungen und erläuternden, informativen Texten zur Kultur- und Landesgeschichte Russlands, Moskaus und auch Karlsruhes. Mit Unterstützung der Stadt Karlsruhe werden im Verlauf des Winter- Semesters viele spannende Themenbereiche erarbeitet, wobei die teilneh- menden Studierenden ihre Kreativität in Form eigener gestalterischer Ideen einbringen können. Die studentischen Teilnehmer können sich je nach individueller Fähigkeit und Interesse innerhalb des Projektseminars zwischen zwei Arbeitsgruppen entscheiden, wovon die eine sich mit der inhaltlichen Gestaltung, die ande- re mit der multimedialen Umsetzung befasst. Die inhaltliche Betreuung übernimmt Professor Burkhardt Krause, Leiter des SZK. In den die praktische Arbeit begleitenden Vorlesungen wird Prof. Krause auch mit Unterstützung externer Referenten die Studentinnen und Studenten in das Thema einführen und sie bei der Erarbeitung der Inhalte unterstützen. Darüber hinaus besteht für die Teilnehmer auch die Möglichkeit, Inter- views und kurze Filmbeiträge für die Website zu erstellen. Professor Jürgen Walter von der Hochschule für Wirtschaft und Technik wird inte- ressierte Studierende in die Kamera- und Schnittechnik einführen sowie ihnen bei der Erstellung von Film- und Audiobeiträgen hilfreich zur Seite stehen. In verschiedenen Arbeitsbereichen wie Design und Layout, Program- mierung oder Bildbearbeitung, können die Seminarteilnehmer je nach Interesse die Homepage entwickeln und gestalten. Gemeinsam mit dem Lehrbeauftragten für die multimediale Umsetzung, Dominique Steppeler, werden die Studierenden für die Internetseite ein ansprechendes und the- menverbundenes Design gestalten. > Wintersemester 2005 / 2006 Universität Karlsruhe (TH) Perspektiven der internationalen Kooperation in Forschung und Lehre zwischen Deutschland und Russland Перспективы международного сотрудничества в исследовании и обучении между Россией и Германией Veranstalter: Internationale Akademie für Nachhaltige Entwicklungen und Technologien (IANET) an der Universität Karlsruhe = Gorbachov- Akademie Wissenschaftliche Konferenz Di, 2. Mai 2006 »Probleme und Lösungen in der Kommunalwirtschaft in Russland und in Deutschland – Aus- und Weiterbildung« Leitung: Prof. Dr. Vitaly Gorokhov Vorträge: - Nachhaltige Entwicklung der russischen Immobilienwirtschaft in deutsch-russischer Kooperation - Aus- und Weiterbildung als Aktionsfeld - Wissenschaftsstädte in der Umgebung Moskau – ein neues Konzept für Forschen und Wohnen in Russland - Abfallmanagement und Abfallbeseitigung - Wasserzubereitung und Abwasserreinigung - City-Logistik - Anforderungen an die nachhaltige Entwicklung in der Wohnungswirtschaft und Ableitung von Anforderungen an die Weiterbildung von russischen Führungskräften - Nachhaltiges Bauen und Wohnen – Konzepte und Perspektiven Diskussionsrunde: »Probleme und Lösungen in der Kommunalwirtschaft in Russland und in Deutschland - ein Vergleich« mit der Teilnahme des Vertreters der Stadtverwaltung der Stadt Dubna1 des Moskauer Bezirks und Vertretern der Stadtverwaltung Karlsruhe, Universität Karlsruhe, Universität Bremen, Forschungszentrum Karlsruhe u.a. > Di, 2. Mai und Mi, 3. Mai 2006 10 Uhr Universität Karlsruhe (TH) Zentrum für Ost- und Mitteleuropa (ZOM) Straße am Forum 3 Geb. 30.96 Info-Tel: (07244) 15 73 WISSEN- SCHAFT / SYMPOSION 143 > < 144 Mi, 3. Mai 2006 »Internationale Kooperation in Forschung und Lehre – Probleme und Aufgaben« - Roundtable Moderation: Dr. Gotthard Bechmann, Forschungszentrum Karlsruhe / Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse, Vorstand der IANET, Prof. Dr. Vitaly Gorokhov - wissenschaftlicher Koordinator des Deutsch- Russischen Kollegs und der IANET an der Universität Karlsruhe (TH) Teilnehmer: Vertreter der Universität Karlsruhe, des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrums Karlsruhe, der Moskauer Lomonossow Universität, der Russischen Akademie der Wissenschaften u.a. 1 Die Stadt Dubna liegt 100 Km nördlich Moskau am Volga Fluss, gehört zum Moskauer Bezirk, hat ein Int. Kernforschungszentrum und eine Universität. Dubna hat den Status einer Wissenschaftsstadt Russlands erhalten. Moskau – das Dritte Rom Москва – Третий Рим Internationales wissenschaftliches Symposion Leitung: PD Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, ZAK|Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale der Universität Karlsruhe (TH); Prof. Peter Weibel, ZKM|Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe; Generalintendant Achim Thorwald, Badisches Staatstheater Karlsruhe Organisation: Katrin Gebhardt M.A., ZAK|Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale der Universität Karlsruhe (TH); Thomas Thiel, ZKM|Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe; Tilmann Neuffer, Badisches Staatstheater Karlsruhe Der Eintritt für das gesamte Symposion ist frei Das ZAK|Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale veranstaltet gemeinsam mit dem ZKM|Zentrum für Kunst und Medientechnologie, dem Badischen Staatstheater und mit Unterstützung der Internationalen Akademie für Nachhaltige Entwicklungen und Technologie der Universität Karlsruhe (TH) das Internationale wissen- schaftliche Symposion im Rahmen der Europäischen Kulturtage 2006 unter dem Titel »Moskau – das Dritte Rom«. In Anlehnung an den Titel des Symposions wird sich die Veranstaltung vor dem Hintergrund der kulturgeschichtlichen Bedeutung Moskaus der Entwicklung des heutigen Russlands mit Fragestellungen aus Politik, Gesellschaft und Kultur wid- men. Die Kernthemen der Vortragsreihen betreffen die Rechtskultur und Zivilgesellschaft in Russland, die deutsch-russische Freundschaft sowie die Beziehungen Russlands zu seinen Randgesellschaften. Ergänzt wer- den die Vortragsreihen von zwei Podiumsdiskussionen, die zur aktuellen Presse- und Meinungsfreiheit und zur wirtschafts- und sozialpolitischen Entwicklung in Russland unterschiedliche Sichtweisen erörtern. Eröffnet wird das Symposion mit einem Vortrag des ehemaligen Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in Moskau Dr. Ernst Jörg von Studnitz. 19 Uhr Begrüßung Prof. Peter Weibel, Vorstand des ZKM Ullrich Eidenmüller, Kulturbürgermeister der Stadt Karlsruhe PD Dr. Caroline Y. Robertson-von Trotha, Direktorin des ZAK, Universität Karlsruhe (TH) > Fr, 5. Mai - So, 7. Mai 2006 ZKM|Zentrum für Kunst und Medientech- nologie Lorenzstr. 19 und Badisches Staatstheater Baumeisterstr. 11 (am 7. Mai 2006) Info-Tel. (0721)608-4384 > Fr, 5. Mai 2006 ZKM|Zentrum für Kunst und Medientech- nologie Medientheater WISSEN- SCHAFT / SYMPOSION > PROF. DR. VITALY GOROKHOV 145 > < 146 Festvortrag: Dr. Ernst-Jörg von Studnitz, Vorstandsvorsitzender des Deutsch- Russischen Forums e.V., ehem. Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Moskau 21 - 22.30 Uhr Podium: Pressefreiheit im Zeichen neuer politischer Zensur? Prof. Dr. Galina Woronenkowa, Direktorin des Freien Russisch-Deutschen Instituts für Publizistik der Lomonossow-Universität, Moskau Dr. Marina Schishkinka, Leiterin der Fakultät Journalistik, Universität St. Petersburg Hermann Krause, ARD/WDR-Auslandskorrespondent, Moskau Jelena Fjodorowa, ehem. Chefredakteurin des Moskauer TV-Senders Ren Moderation: Johannes Voswinkel, Moskauer Redaktion DIE ZEIT 10 Uhr Themenblock 1: Rechtskultur und Zivilgesellschaft in Russland Prof. Margarita M. Balmaceda, PhD, Harvard Ukrainian Research Institute, Harvard University, Mass. Prof. Dr. Angelika Nußberger, Direktorin des Instituts für Ostrecht, Universität Köln Prof. Dr. Gennady D. Yanovsky, St. Petersburg State University of Telecommunications, St. Petersburg Gesprächsrunde zum Thema: Wissenschaftsentwicklung, Innovationspolitik und Öffentlichkeit – zivilgesellschaftliche Perspektiven Russlands Prof. Dr. Viatcheslav Stjopin, Direktor des Instituts für Philosophie der Russischen Akademie der Wissenschaften, Ehrendoktor der Universität Karlsruhe (TH) Prof. Dr. Vladimir Mironov, Dekan der Fakultät für Philosophie und Prorektor der Lomonossow Universität, Moskau Dr. Gotthard Bechmann, Forschungszentrum Karlsruhe / Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse, IANET-Vorstand Prof. Dr. Vitaly Gorokhov, wissenschaftl. Koordinator des Deutsch- Russischen Kollegs und der IANET an der Universität Karlsruhe (TH) 12.45 Uhr Mittagspause 14 Uhr Themenblock 2: Deutschland-Russland: eine besondere Freundschaft? Dr. Peter Danylow, Otto-Wolff-Institut für Wirtschaftsordnung, Köln Dr. Matthes Buhbe, Leiter der Friedrich Ebert Stiftung, Moskau Ottilie Bälz, Robert Bosch Stiftung, Stuttgart Dr. Thomas Kunze, Leiter der Außenstelle der Konrad Adenauer Stiftung in Russland, Moskau 15.30 Uhr Kaffeepause 16 Uhr Themenblock 3: Russland und seine Ränder Vadim V. Danilin, stellvertr. Leiter des Amtes für internationale Beziehungen der Stadt Moskau Michael Thumann, Außenpolitik DIE ZEIT Hamburg 17 Uhr Podium: Wirtschafts- und Sozialpolitik in Russland Oliver Wieck, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Berlin Prof. Dr. Hans-Henning Schröder, Forschungsstelle Osteuropa, Universität Bremen 21 Uhr Film »Out of the Present« Regie: Andrei Ujica anschließendes Gespräch mit Prof. Dr. Peter Sloterdijk, Rektor der Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe Prof. Dr. Boris Groys, Professor für Kunstwissenschaft, Philosophie und Medientheorie, Hochschule für Gestaltung Karlsruhe Prof. Dr. Andrei Ujica, Professor an der Hochschule für Gestaltung, Leiter des Filminstituts am ZKM| Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe Themenblock 4: Subkulturen und Gegenkulturen Performance und Videos aus Moskau Olga Chemyschowa, Dmitri Gutov, Anatoli Osmolovski, Dmitri Prigov und Viktor Misiano > Sa, 6. Mai 2006 ZKM|Zentrum für Kunst und Medientech- nologie Medientheater Lorenzstr. 19 Info-Tel. (0721)608-4384 > So, 7. Mai 2006 11 - 15 Uhr Badisches Staatstheater Karlsruhe Baumeisterstr. 11 WISSEN- SCHAFT / SYMPOSION 147 > < 148 VARIETÉ / LEBENSART / MODE < DESIGN: NINA KULIKOWA 149 > < 150 La Saison Russe Ла Сэзон рюс Varieté mit den Stars der russischen Akrobaten-Szene Moderation: Karl-Heinz Helmschrot Eintritt: 15 D + VVG / 18 D an der Abendkasse »La Saison Russe« vereinigt mit der Luftakrobatin Olena Yakimenko, dem Handstandequilibristen Maxim Bondarenko, dem exzentrischen Akrobatenduo Novruzov, dem Jongleur Semen Krachinov, Oktay Novruzov als Maestro auf dem Schlappseil sowie der Partnerakrobatentruppe Atlantis einige der derzeit führenden russischen Varieté-Attraktionen. Für einen Abend kommen sie in Karlsruhe zusammen, um eine Symbiose zwi- schen Klassik und Avantgarde, Ballett und Akrobatik, Schatten und Licht, Schweigen und Musik zu suchen, die nicht zufällig an den unvergesslichen und legendären Ballettimpressario Serge Diaghilev und seine »Ballets Russe« erinnert. Moderiert wird der Abend vom Artisten, Komiker, Bauchredner, Schauspieler und Entertainer Karl-Heinz Helmschrot. Tatort Gärkeller Что случается в пивоваренном подвале Ein genussvoller Abend rund um die russische Küche und den Gerstensaft Monika Hausvalter, Gesang Natalia Zagalskaia, Klavier Die Veranstaltung findet im Rahmen der Initiative LebensART statt. Um Tischreservierung wird gebeten unter Tel. (0721) 61 83-0. Eintritt: 16,90 D incl. russischem Menu und korrespondierenden Bierspezialitäten. Wer kennt sie nicht, die leckeren Gerichte aus der üppigen rus- sischen Küche wie Borschtsch, Soljanka, Boeuf Stroganoff und Blinis. Sprichwörtlich ist auch die Freude Russlands am Feiern und Gäste bewir- ten. Der Burghofwirt Waldemar Fretz und sein russischer Koch Eugen Streifel präsentieren an diesem Abend besondere Spezialitäten. Dr. Friedrich Georg Hoepfner stellt zu dem exklusiven Menu einige der besten russischen Biere im Vergleich mit den Spezialitäten der Privatbrauerei Hoepfner vor und verkostet sie zusammen mit dem Publikum. Der Abend wird musikalisch begleitet durch ein russisches Studierenden-Ensemble der Musikhochschule Karlsruhe. Natalia Zagalskaia Natalia Zagalskaia wurde 1978 in Moskau geboren. Sie begann 1984 ihre musikalische Ausbildung bei Ludmila Lyacker. Von 1990 bis 1996 studierte sie an der »Central Music School« am Moskauer Conservatorium bei Alexander Mndoyant und anschließend an der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe, zunächst bei Prof. Hauer und seit 2001 bei Prof. Kalle Randalu. Sie trat viel solistisch auf und war Preisträgerin bei inter- nationalen Musikwettbewerben. > Mi, 26. April 2006 19.30 Uhr (Einlass 19 Uhr) Schalander in der Privatbrauerei Hoepfner Haid-und-Neu- Str. 18, Eingang durch den Biergarten > Mo, 24. April 2006 20.30 Uhr Kulturzentrum Tollhaus Schlachthausstr. 1 Info-Tel. (0721) 96 40 50 VARIETÉ LEBENSART / MODE > MAXIM BONDARENKO > DUO NOVRUZOV 151 > < 152 Modeträume aus Moskau Модные мечты из Москвы Modenschau der bekannten und vielfach ausgezeichneten russischen Designerin Nina Kulikowa. Mit Balletteinlagen und anschließendem Empfang. Anmeldung erbeten unter Tel. (0721) 38 00 06 > Di, 9. Mai 2006 19 Uhr Modehaus Schöpf am Marktplatz Gorodki-Jugendturnier Молодежное соревнование по городкам Mit Teams aus Deutschland, Russland und Weißrussland. Gorodki ist ein uraltes Spiel, besonders populär in der ehem. Sowjetunion, Schweden, Finnland und der Türkei. Berühmte Gorodkispieler waren Tolstoi und Schaljapin. > Fr, 21. April - So, 23. April 2006 Gorodki-Anlage in Karlsruhe-Oberreut Joachim-Kurzaj- Weg 5 Info-Tel. (0177) 5 82 15 34 VARIETÉ LEBENSART / MODE > MANIZER, »Gorodoschnik«, Gips, 1927, Staatliches Russisches Museum > Nobelpreisträger IWAN PAWLOW, Mediziner und Physiologe 153 > < 154 FILM < MARINA RASBEZHKINA, Erntezeit 155 > < 156 157 > Filmstadt Moskau Москва как центр кинематографии Neues Kino aus Moskau Essay von Julia Kuniß Russisches Kino im Aufbruch Spätestens seit dem »Goldenen Löwen« für Andrej Zvjaginzevs »Die Rückkehr« (Vosvrascenije, 2003) in Venedig macht der russische Film wie schon lange nicht mehr von sich reden. Das Regiedebüt eines aus- gebildeten Theaterschauspielers, von einem unabhängigen Moskauer TV-Studio mit einem kleinen Budget produziert, war der Hit am Lido und wurde erfolgreich in die ganze Welt verkauft. Das Jahr 2003 war für den russischen Film ein Jahr des Umbruchs, der Debüts, der neuen Namen, die von sich hören lassen sollten. Dabei wurden große Hoffnungen an einen Generationswechsel und damit an die neuen Talente geknüpft. Diese Hoffnungen sollten nicht enttäuscht werden, wie die jüngsten Festivalerfolge russischer Filme bewiesen. Das einst lebendigste Filmland der Welt meldete sich zurück und überraschte mit neuen Namen und Filmen, von denen auch der interessierte deutsche Kinozuschauer einige zu sehen bekam – neben dem Film »Die Rückkehr« waren noch weitere inter- national beachtete Debüts wie »Koktebel« (2003) von Boris Chlebnikov und Alexej Popogrebskij im regulären Verleih in Deutschland zu sehen. Auch kommerziell ist das neue russische Kino mittlerweile außerhalb der Landesgrenzen erfolgreich. Der erste russische Blockbuster, das High- Tech-Fantasy-Märchen »Wächter der Nacht« (Nochnoy dozor) von Timur Bekmambetov, seine erste selbständige Regie-Arbeit nach mehreren Jahren in der Werbung, machte bereits in den USA Furore. Auch hierzulande sorgte der Fantasy-Thriller während der Berlinale für Aufmerksamkeit. Im Herbst 2005 kam er in die deutschen Kinos und erreichte bereits nach einer Woche ein Einspielergebnis von 1,3 Mio. Euro. Die Resonanz in der Presse war für einen osteuropäischen Film enorm groß. Aber auch über die Festivalerfolge und die künstlerischen Spitzen- leistungen hinaus verdient die aktuelle Situation im russischen Film genauer unter die Lupe genommen zu werden. Nach einem Jahrzehnt des Niedergangs kommt das russische Filmwesen wieder in Schwung und ist gemessen an der Zahl der Produktionen wieder führend im gesamten ost- europäischen Raum. 139 Spielfilme wurden 2005 in Russland produziert, 715 Dokumentarfilme und 100 Animationsfilme. Dies ist viel mehr als in den besten Jahren während der sowjetischen Ära. Auch das russische Verleihsystem entwickelt sich rasant. 2005 starteten 26 russische Filme im GUS-weiten Verleih, die insgesamt über 53 Mio. $ einspielten, dies entspricht ca. einem Drittel der Gesamteinspielergebnisse dieser Saison. > Di, 25. April – So, 30. April 2006 Das Kino im PrinzMaxPalais Karlstr. 10 Garteneingang Akademiestr. Info-Tel. (0721) 9 37 47 14 Nach einer langen Pause kehrt der Zuschauer in die Kinos zurück. Der Bau von Filmtheatern boomt. Neue Multiplexe schießen wie Pilze aus dem Boden und alte Kinos werden mit dem neuesten Stand der Technik ausgerüstet. Und das bei Durchschnittspreisen von zweieinhalb Dollar pro Kinokarte. In Moskau sind es bei manchen Vorführungen in moder- neren Kinosälen 7 Dollar, bei Premieren bis zu 20 Dollar. Die Metropolen Moskau und St. Petersburg nehmen dabei einen besonderen Platz ein. Im Gegensatz zu den Regionen haben dort nicht nur Mainstream-Filme, ein- schließlich einheimischer Produktionen, sondern auch verstärkt russische Art-House-Filme eine Chance. Deren Verleih ist zwar sehr begrenzt, aber immerhin finden diese Filme, die oft im Westen besser bekannt sind, wie- der ihren Weg zum einheimischen Publikum. In der jüngsten Zeit erwiesen sich die Filme der namhaften Altmeister weder im internationalen Festivalbetrieb noch in der kommerziellen Auswertung als wettbewerbsfähig, ausgenommen vielleicht Alexander Sokurovs »Russische Arche« (Russki Kovtscheg, 2002) und Andrej Kontschalovskijs »Das Irrenhaus« (Dom Durakov, 2002). Diese Tatsache zog eine einschneidende Umorientierung der staatlichen Finanzierung nach sich. Der Schwerpunkt der Förderung verlagerte sich auf die Filme junger Regisseure, vorzugsweise Debüts. Immer mehr Augenmerk gilt dabei dem Filmmarketing. Bisher war in Russland für die staatliche Finanzierung ei- nes Filmprojektes einzig der Name des Regisseurs entscheidend. Nunmehr gewinnt das weltweit verbreitete Modell der Produzentenfinanzierung im- FILM > Marina Rasbezhkina, Erntezeit < 158 mer mehr an Bedeutung. Die jungen, am Geldrückfluss ihrer Filme orien- tierten Produzenten, werden in der staatlichen Förderung priorisiert. Hohe Ziele sind bereits gesteckt. Im Jahr 2006 sollen mindestens 150 Filme produziert werden. Weiterhin ist geplant, alle Filmstudios zu privatisieren. Mit der Entscheidung, dem europäischen Coproduktionsfond Eurimages beizutreten, will Russland seine nationale Filmproduktion möglichst rasch in die internationale Kinoindustrie integrieren. Künstlerisch wie wirtschaftlich kann nach der schwierigen postsow- jetischen Zeit von einer regelrechten Wiedergeburt des russischen Films gesprochen werden. Das aktuelle russische Kino überrascht mit neuen Bildern, innovativer Ästhetik und einer Vielfalt an formalen und sti- listischen Experimenten und thematischen Schwerpunkten. Nach einer schwierigen Übergangszeit und der Neuorientierung scheint das russische Kino neue Wege gefunden zu haben, die radikal veränderte Realität des sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Lebens im heutigen Russland mit adäquaten künstlerischen und technischen Mitteln auf der Leinwand zu reflektieren. Dabei wird die allgemein zu verzeichnende Aufbruchstimmung größ- tenteils von den ambitionierten Filmemachern und Produzenten der jun- gen Generation getragen, die ein breites Spektrum an aktuellen Trends repräsentieren. Der Bogen reicht vom patriotischen Film über modernes Art-House-Kino bis hin zum amerikanisch geprägten Genrekino. Jedoch schimmert durch den kosmopolitischen Genrekanon im jungen russischen Kino immer mehr die ästhetische Tradition des sowjetischen Films durch. Ob es sich dabei um die Metaphysik von Tarkovskij handelt, der sich der Regisseur des Films »Die Rückkehr« verpflichtet fühlt, oder um die stilisierten Dorffilme wie »Erntezeit« (Vremja Zatvy, 2004) von Marina Rasbezkina und »Alte Frauen« (Staruchi, 2003) von Gennadij Sidorov. Der neuen Generation gelingt es auf eine überzeugende Weise, die Traditionen des sowjetischen Films wiederzubeleben, nachdem sie sie vom Diktat der Ideologie befreit hat. »Dies ist der Anfang einer ganz neuen nationalen Filmmythologie«, wie der international renommierteste russi- sche Kritiker Andrej Plachov bemerkt. Filmstadt Moskau In den Moskauer Studios konzentriert sich der Großteil der russischen Filmproduktion. Das russische Zentrum der Macht und des Kapitals, von Rekonstruktions- und Bauboom beherrscht, ist nicht nur als Filmkulisse interessant. Die Metropole Moskau zieht aus dem ganzen Land die Krea- tiven an. Diese suchen nach neuen ästhetischen und formalen Wegen, die sich in der jüngsten Zeit so rasch verändernde Realität in Russland und in Moskau adäquat zu reflektieren. Die Moskauer Filmszene überrascht mit einer unglaublichen Vielfalt und Vitalität. Neue modern ausgerüste- te Filmstudios entstehen, die dem weltberühmten 85-jährigen Mosfilm- Studio Konkurrenz machen. Auch das alljährlich stattfindende Moskauer Internationale Filmfestival, das in der letzten Zeit auch international wieder an Bedeutung gewinnt, partizipiert an dieser Entwicklung. Als eines der elf «A-Festivals» wird das MIFF immer noch in einem Atemzug mit den Festivals in Cannes, Venedig und Berlin genannt. Doch das traditionsreiche, seit 1975 statt- findende Festival und einst wichtigste Filmereignis Osteuropas hatte nach dem Zerfall der Sowjetunion mit immensen organisatorischen und finan- ziellen Problemen zu kämpfen. Den Veranstaltern gelang es jedoch, sich gegen ihre Konkurrenz in Karlovy Vary, die nicht nur in terminlicher Rivalität zum Moskauer Fest steht, zu behaupten und ein neues Image in der internationalen Festivalszene zu etablieren. Seit einigen Jahren legt die Festivalleitung besonderen Wert auf die Präsentation und Förderung des einheimischen Kinos. Mehrere Programme zeigen das aktuelle Kino Russlands in seiner ganzen Vielfalt. Die aktuellen Entwicklungen in der jungen Moskauer Filmszene, die einerseits nach neuen Ansätzen sucht und sich vom europäischen und amerikanischen Kino inspirieren lässt, sich andererseits jedoch zu den reichen Traditionen des weltberühmten sowjetischen Films bekennt und sich Themen aus der bewegten Geschichte ihres Landes sucht, schaffen ein Spannungsfeld, welches durch das vorliegende Filmprogramm anlässlich der Europäischen Kulturtage Karlsruhe 2006 »Moskau« näher beleuchtet werden soll. Präsentiert werden acht abendfüllende Spielfilme und zwei Kurzfilm- programme, die einen Einblick in die ganze Vielfalt von Film- und Videoproduktionen »Made in Moskau« gewähren. Die Palette reicht von Video-Artund Popkultur über den anspruchsvollen künstlerischen Autorenfilm bis zum jungen innovativen Kino, auf das bei dieser Retro- spektive besonderer Wert gelegt wird. Das Programm berücksichtigt die neuesten Entwicklungen in der Moskauer Filmszene und präsentiert ausge- wählte Produktionen aus den letzten vier Jahren, vor allem Debüts. Diese Filme spiegeln das facettenreiche Bild des aktuellen russischen Kinos im Allgemeinen wider und stellen die jungen aufstrebenden Filmemacher vor, die das Bild des aktuellen russischen Kinos prägen. Die Zuschauer erwar- tet ein thematisch und ästhetisch buntes und vielfältiges Programm. Mit einem bemerkenswerten Regiedebüt sorgte Gennadij Sidorov, Schauspieler, Produzent und Drehbuchautor, der in den 1990er Jahren nach seinem VGIK-Studium zum Film kam, für Aufmerksamkeit. Sein Film »Alte Frauen« (Staruchi, 2003) ist einer der wenigen Filme, der die seit Jahren im multinationalen Staat Russland hoch aktuelle Nationalfrage zum Thema macht. Schonungslos zeigt der Regisseur die harte Realität des alltäglichen Zusammenlebens in der russischen Provinz, bei der sich ein zunächst feindseliges, mit vielen Vorurteilen belastetes Verhältnis erst angesichts der menschlichen Tragödie in ein friedliches Miteinander umkehrt. Der Film sorgte in Russland für viel Diskussion und wurde beim nationalen Filmfestival in Sotschi mehrfach ausgezeichnet. Nahezu ausnahmslos mit Laiendarsteller gedreht, vermittelt der Film fast dokumentarisch Eindrücke vom ländlichen Leben in Russland. FILM 159 > < 160 Auf eine überzeugende Weise verbindet Sidorov dabei die Tradition des herausragenden russischen Regisseurs Vassilij Schukschin – einer der Gründerväter der sowjetischen »Dorfprosa« der 1970er Jahre – mit der Ästhetik eines Emir Kusturica. Der Krieg in Tschetschenien prägt nach wie vor das aktuelle russi- sche Kino, auch wenn das Thema in der letzten Zeit eher latent vertre- ten ist. Mit seinem jüngsten Film »Mein Stiefbruder Frankenstein« (Moj svodnyj brat Frankenstein, 2004) gelang Valerij Todorovskij, einem der interessantesten Regisseure der jungen Generation, eine einfühlsame und beängstigende gesellschaftliche Studie, in der das Wort »Tschetschenien« kein einziges Mal fällt und doch der Bezug zu diesem Thema eindeutig zu erkennen ist. In seinem sozial-psychologischen Drama konfrontiert Todorovskij den Zuschauer mit einer Welt, die die harte Realität außerhalb der Business- Metropole Moskau verdrängt und die von Ignoranz und Gefühllosigkeit gegenüber fremdem Leid geprägt ist. Dabei bricht er ein Tabu, indem er den fernen Kaukasus-Krieg in die gutbürgerliche Moskauer Wohnstube transferiert. In einer seltenen Art und Weise gelingt es dem Regisseur, das alltägliche Leben lyrisch und trotzdem sehr realistisch zu zeigen. Damit setzt er die Linie seines Vaters, Pjotr Todorovskij, des ungekürten Lyrikers des sowjetischen Films, fort. Valerij Todorovskij, der erfolgreiche Filmregisseur, Drehbuchautor und TV-Produzent – seit 2002 Leiter der Spielfilmproduktion des zweit- größten russischen Senders »Rossija« – ist ein typischer Vertreter der neuen Moskauer Filmelite. Diese junge und ambitionierte Generation der Filmregisseure, viele von ihnen aus Familien sowjetischer Kino-Prominenz stammend, alle etwa Mitte bis Ende 30, tragen zum wesentlichen Teil den Aufbruch im neuen russischen Kino. Todorovskij kam bereits in den 90ern zum Film und landete mit seinem Spielfilmdebüt »Ljubov« (Liebe, 1991) den ersten Postperestroika-Hit. Mittlerweile zählt er zu den aktivsten Filmschaffenden Russlands und hat neben fünf Regiearbeiten über 20 Filme und sechs Fernsehserien produziert. Ständig auf der Suche nach neuen Talenten und unentdeckten Namen ist die Moskauer Produzentin Elena Jatzura. Die ausgebilde- te Theaterwissenschaftlerin ist seit 1993 im Filmgeschäft und startete zunächst als Redakteurin bei Mosfilm. Mit ihren beiden Produktionsfirmen »Slovo« und »Non Stop Production« realisierte sie bereits etwa zehn beachtete Spielfilmprojekte. Die Philosophie der ambitionierten Jungproduzentin ist die bewuss- te Förderung des jungen, radikalen und alternativen Kinos. Sie riskiert gerne, junge Regisseure zu engagieren, die experimentierfreudig und auf der Suche nach einer neuen Filmsprache, nach neuen Formen und Genres sind. Viele der bemerkenswerten russischen Filmedebüts der letzten Jahre, die auf den Festivals in Berlin, Venedig, Rotterdam und Toronto liefen, wurden von ihr produziert, so u.a. die Filme »Aprel« (2001) von Konstantin Mursenko, »Glatteis « (Gololjod, 2002) von Michail Broschinskij, »You I Love« (Ja lublju tebja, 2003) von Dmitry Troitsky und Olga Stolpovskaja. Sie unterstützt Berufsanfänger und Quereinsteiger und dies mit Erfolg. Überhaupt gibt es unter den Debütanten der letzten Jahre enorm viele Quereinsteiger. Die meisten haben ihre ersten Erfahrungen in der Werbung, im Journalismus, im Fernsehen und im Theater gesammelt und versuchen sich nun in der Spielfilmregie. Diese junge Generation der Filmregisseure bringt die ihren Medien eigene Ästhetik und Sichtweise in den Spielfilm ein, was zu einem inhaltlich und formal radikal veränderten Kino führt. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang das Regiedebüt des prominenten Moskauer Filmkritikers Michail Braschinskij, »Glatteis«. Diese glänzende Charakterstudie, die einen unorthodoxen Blick auf das neue Moskau eröffnet, sorgte bereits 2003 bei den Berliner Filmfestspielen für Aufmerksamkeit, wo der Film im Programm des Internationalen Forum des jungen Films lief. Seine radikale Ästhetik und technologische Machart macht den Film zu einem interessanten Experiment, dem ersten seiner Art im neuen russischen Kino. »Glatteis« hat gemessen an der Zahl der Schnitte pro Zeiteinheit alle Rekorde im russischen Kino gebrochen. Während 600 Schnitte pro 90 Filmminuten als dynamisch angesehen werden, haben die 70 Minuten von »Glatteis« ganze 1011 Schnitte. Die Frequenz der wechselnden Bilder unterstreicht die rasante Dynamik einer 10 Millionen Stadt mitten im Wirtschaftsboom. Der Film wurde auf DV gedreht, um dann mit großem Aufwand auf 35mm überspielt zu wer- den. »Die digitale Technologie schafft eine Illusion der Kurzlebigkeit der Ereignisse, eine Illusion des unmittelbaren Blicks, der nicht durch die Linse der Kamera getrübt wird«, so der Regisseur, »Moskau fehlt die Zeit, ihre Versprechungen zu halten. Im Winter bringen Schneeverwehungen und Eisglätte den Straßenverkehr zum Erliegen. Die Menschen schaffen es nicht, Geplantes zu erledigen. Der Stress verleitet dazu, die Spannung durch Alkohol und Psychopharmaka zu betäuben«. Bei der Realisierung des Projektes stieß die Produzentin Elena Jatzura auf große Schwierigkeiten, was allerdings nicht nur auf die radikale Ästhetik des Films sondern viel mehr noch auf sein Thema zurückzuführen FILM > Gennadij Sidorov, Alte Frauen 161 > < 162 Melodram in die heutige Zeit versetzt; geschrieben und gespielt von der Diva des neuen russischen Films, Renata Litvinova. Der Film war in Russland ein großer Erfolg, was nicht zuletzt auf die Mitwirkung von Renata Litvinova zurückzuführen ist. Hierzu muss man erwähnen, dass Litvinova eine besondere Stellung im neuen russi- schen Film einnimmt. Nach ihrem Studium an der VGIK erregte sie mit ihren ersten Drehbucharbeiten schon bald Aufmerksamkeit in der Branche und wurde von Kira Muratova entdeckt. Mittlerweile ist sie erfolgrei- che Regisseurin, Produzentin, Drehbuchautorin und auch Schauspielerin, die sich selbst gerne zur modernen russischen Ikone der Weiblichkeit stilisiert. Ihre entrückte Art wirkt auf manche aufgesetzt, jede Geste ist mit grenzenlos übertriebener Weiblichkeit aufgeladen. Die heute 38- jährige ist die erste und bisweilen wohl einzige Diva des neuen russischen Films. Sie erfand für sich die Divenrolle und schrieb sie sich selber auf den Leib. Spätestens in Vera Storozevas Film perfektionierte sie diese Rolle. Unnachahmlich mimt Litvinova hier eine überkandidelte, traum- tänzerische Stewardess. Ein fast ätherisches Wesen, durch die strenge Stewardessen-Uniform nur noch vage im Diesseits verankert. Mittlerweile macht Litvinova auch international von sich reden. 2002 war sie in der Jury der Berliner Filmfestspiele und präsentierte dort im Programm des Internationalen Forum ihren Dokumentarfilm »Für mich gibt es keinen Tod« (Net smerti dlja menja, 2000). Der 60. Jahrestag des Kriegsendes war in jüngster Zeit ein großes Thema im russischen Kino. Die Regisseure nehmen sich dieses Themas sehr unterschiedlich an, viele Filme sind dazu seit 2002 entstanden. Neben dem Bestreben, das in der ehemaligen Sowjetunion sehr beliebte Genre des patriotischen Kriegsfilm wiederzubeleben, mehren sich die Versuche, die menschlichen Tragödien aus der Perspektive Einzelner zu beleuch- ten, egal auf welcher Seite man im Krieg stand. Besonders die Motive der Völkerverständigung und Toleranz trotz der Grausamkeit des Krieges gewinnen an Bedeutung. Bemerkenswert ist, dass gerade junge Leute sich verstärkt dem Kriegsthema zuwenden und neue Ansätze entwickeln, um sich auf unkonventionelle Weise damit auseinander zu setzen. In diesem Programm sind zwei Filme zu sehen, die auf unterschied- liche Weise diese neue Herangehensweise repräsentieren. Zum einen das bemerkenswerte Filmdebüt »Der letzte Zug« (Poslednij poezd, 2003) von Aleksej German jr. Der Sohn des bekannten russischen Autorenfilmers Alexej German schloss 2001 sein Regie-Studium an der VGIK in Moskau ab. Das Drehbuch zu seinem ersten Film schrieb er selbst und verarbei- tete darin die Kriegserlebnisse aus seiner Familie. Er hat einen radika- len, pazifistischen Film in Schwarz-Weiß gedreht, der die Hilflosigkeit der in der Vernichtungsmaschinerie des Krieges eingespannten Menschen zum Ausdruck bringt. Ähnlich wie sein berühmter Vater Alexej German (Straßensperre/Proverka na Dorogach, 1985; Chrustalev, das Auto!/ Chrustalev, Maschinu!, 1998) und Alexander Sokurov gestaltete er eine völlig andere Art von Geschichtsfilm – experimentell, mit Elementen des war. »Glatteis« ist der erste russische Film, der unverhohlen über das Thema Homosexualität spricht. Ursprünglich war das Drehbuch mit staat- licher Förderung als Teil des TV-Mehrteilers »Das russische Dekameron« entwickelt worden. Jedoch wurde das Exposé vom Auftraggeber mit der Begründung abgelehnt, es entspräche nicht den ethisch-moralischen Normen des russischen Fernsehens, so dass der Film unabhängig finan- ziert werden musste. Auch nach Fertigstellung fand sich kein Verleih in Russland. Der Regisseur, Drehbuchautor und Cutter Michail Braschinskij ist der erste Filmkritiker in Russland, der die Seiten wechselte. Er ist Autor von mehr als 800 Texten über das Kino und schrieb für führende rus- sische und internationale Publikationen. Von 1994 bis 2002 war er Russlandkorrespondent des Variety International Film Guide. Ein weiter bemerkenswerter Trend, der sich im jüngsten russischen Film beobachten lässt, ist die Wiederbelebung des in den 1960er und 70er Jahren in der ehemaligen Sowjetunion außerordentlich beliebten Genres des Frauen-Melodrams. Wen wundert es, dass es meistens Regisseurinnen sind, die sich von dieser Tradition inspirieren lassen. Der international wohl bekannteste Film dieses Genres ist Larissa Sadilovas »In Liebe, Lilja« (S ljubovju Lilja, 2002), der bereits auf vielen internationalen Festivals zu sehen war. Ein weiteres Beispiel ist das Regiedebüt von Vera Storozeva »Himmel, Flugzeug, Mädchen« (Nebo Samoljot Devuschka, 2002), ein Remake des Klassikers aus den 60ern, als hochstilisiertes FILM > Valeri Todorovski, Mein Stiefbruder Frankenstein 163 > < 164 Autorenfilms, die Katastrophen des 20. Jahrhunderts erforschend. Im Kontrast dazu ist der Film »Die Unsrigen« (Svoi, 2004) von Dmitrij Meshiev dem traditionellen Erzählkino verpflichtet. Er ist einer der her- ausragenden russischen Filme des Jahres 2004. Der Regisseur beleuchtet hier die Ereignisse des zweiten Weltkrieges aus einem für das russische Kino neuen Blickwinkel, indem er einen von der sowjetischen Ideologie zum Volksfeind Gestempelten zum Hauptprotagonisten und den drama- tischen Konflikt zwischen Antikommunismus und Vaterlandsliebe zum Hauptthema macht. »Die Unsrigen« ist großes Kino, einer der wenigen Filme über den Großen Vaterländischen Krieg, der ohne übertriebenes Pathos einerseits und Schwarz-Weiß-Malerei andererseits auskommt und zudem exzel- lent inszeniert, gespielt, fotographiert und geschnitten ist. Der 1963 in Leningrad geborene Dmitrij Meshiev lebt seit Anfang 1990 in Moskau und ist als ausgesprochen produktiver und vielseitiger Filmemacher bekannt, der seither bereits acht Filme realisiert hat. Der Umgang mit der Geschichte des Landes, die Verarbeitung der histo- rischen Erfahrungen auch über den Krieg hinaus ist ein wichtiges Thema, womit sich das russische Kino in der letzten Zeit sehr stark beschäftigt. Dazu gab es in den letzten Jahren zahlreiche Filme. Einen besonderen Platz nimmt das Spielfilmdebüt der Dokumentarfilmerin Marina Rasbezhkina, »Erntezeit« (Vremja Zatvy, 2003) ein. Eine beeindruckend fotografierte tragikomische Parabel, die rückblickend eine Geschichte aus den 1940ern erzählt, die die Tragik der bewegten Vergangenheit Russlands treffend zum Ausdruck bringt. Mit einer Prise bitterer Ironie, aber voll Poesie und Liebe öffnet Marina Rasbezhkina mit Hilfe von Irina Uralskaja, deren wunderbare Kameraarbeit diesen lakonisch-schweren Film auch zu einem ästhetischen Genuss macht, einen ungewohnten Blick auf das dörfliche Leben der 40er Jahre. Es ist dies der Blick des Sohnes auf die Mutter und auf sich selbst als Kind, der eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart versucht und Fragen an die Zukunft aufwirft. Marina Rasbezhkina drehte zahlreiche, zum Teil preisgekrönte Dokumentarfilme, bevor sie mit »Erntezeit«, der im In- und Ausland von den Kritikern mit Lob überhäuft wurde, ihr Spielfilmdebüt gab. Sie steht damit stellvertretend für einen bemerkenswerten Trend. Gerade in den letz- ten zwei bis drei Jahren wechselten viele Dokumentarfilmer ihr Fach und versuchten sich – nicht ohne Erfolg – in der Spielfilmregie. Unweigerlich wurde dabei die Ästhetik des Dokumentarfilms in den Spielfilm einge- bracht. Interessanterweise suchen sich die »Dokumentaristen« ihre Themen oft in der Vergangenheit und der Zeitgeschichte, so auch dieses unglaubliche, ja absurde Geschehen um eine rote Fahne, das sich in den 40er Jahren tatsächlich zugetragen haben soll. Die alternative Moskauer Filmszene von heute blickt nicht nach Westen. Im krassen Gegensatz zur Spaßgesellschaft westlicher Prägung, die sowie- so nur für eine hauchdünne Schicht der »neuen« Russen Wirklichkeit ist, bringt diese neue Kunstszene, hervorgegangen aus der Video-Art- Bewegung der 90er Jahre, ästhetisch radikale Strategien in den neuen rus- sischen Film hinein. Stellvertretend für diese Entwicklung steht der Film »Staub« (Pyl´, 2005). Dieses unabhängige Projekt wurde zum Geheimtipp des Moskauer Filmfestivals des vergangenen Jahres. Trotz seiner relativ simplen und schnörkellosen Machart ist der Film sehr interessant und vielschichtig, wenn man ihn als eine bitterböse, aber aktuelle und treffende Karikatur der gesellschaftlichen Realität in Russland sieht. Inhaltlich anspruchsvoll und stilistisch eigene Wege beschreitend über- zeugt das Projekt vor allem durch seine Ästhetik. Es wurde von einer unabhängigen Künstlergruppe ohne jegliche staatliche Finanzierung rea- lisiert. Diese bemerkenswerte Low-Budget-Underground-Produktion, auf- genommen mit Digicam und Darstellern, die keine Profis jedoch durchweg Kultfiguren der alternativen Szene sind, fand auch international viele Anhänger und wurde von der Kritik sehr gelobt. Die jungen Moskauer Sergei Loban, Dmitrij Model und Marina Pota- pova, die die experimentelle künstlerische Vereinigung »Svoi2000« bil- den, beschäftigen sich seit einigen Jahren mit Video-Art und Film und sind Ende der 90er aus der berühmten russischen Video-Art-Bewegung »Für anonyme und kostenlose Kunst« hervorgegangen, die die Ästhetik des Proletkults und der sowjetischen Avantgarde kultivierte und spontane, uneigennützige künstlerische Aktionen durchführte. Sie erkannte jedem das Recht zu, Kunst zu machen und zu präsentieren. Das Symbol der Gruppe war das durchgestrichene Copyright-Zeichen. Der Regisseur des Films, Sergei Loban, absolvierte das Moskauer Institut für Elektronik und Mathematik bevor er sich in der alternativen Jugendkulturszene engagierte. Über die experimentelle Videokunst kam er zum Jugendfernsehen, wo er bei der Sendereihe »Ab 16 und älter« Regie führte – die turbulente Zeit machte es möglich. Im Russland der 90er Jahre, als die moderne Kunst aus dem Underground kam, begann eine regelrechte Invasion des massenmedialen Raums durch die Videokünstler. Gerade das Fernsehen eröffnete ihnen exzellente Möglichkeiten, ein brei- tes Publikum zu erreichen und ihre soziokulturellen und ästhetischen Positionen zu präsentieren. Mehrere Kunst-Projekte sind im Zuge der Demokratisierung des Mediums Fernsehen entstanden. So auch dieses Fernseh-Projekt der Künstlergruppe. Jedoch führten provokante Beiträge und Sujet-Sketche immer öfter zu Konflikten mit der Sendeleitung. Daraufhin beendete die Gruppe ihr Engagement in diesem Medium und wechselte zum Aktionismus, drehte Kurzfilme, organisierte die ersten rus- sischen Street-Parties und inszenierte im Theater. 2005 folgte mit »Staub« der erste abendfüllende Film, für Sergei Loban sein Spielfilmdebüt als Regisseur. Traditionell gilt Moskau als filmische Nachwuchsschmiede Russlands – zwei der führenden Filmhochschulen des Landes sind hier ansässig. Einen Eindruck von dem hohen Niveau der Ausbildung geben zwei Kurzfilmprogramme mit aktuellen Arbeiten von Moskauer Filmstudenten. FILM 165 > < 166 167 > Das erste Programm widmet sich der ältesten Filmschule der Welt, der 1919 gegründeten Staatlichen Filmhochschule für Kinematografie »Sergei Gerassimov« (VGIK). Viele herausragende sowjetisch-russi- sche und osteuropäische Regisseure haben ihre ersten Filme in den Moskauer VGIK-Studios gedreht. Ganze Generationen sowjetischer Filmschaffender, viele international anerkannte und zurzeit noch aktive Filmemacher absolvierten diese renommierteste russische Filmhochschule. Die VGIK bildet Studenten in den Fachbereichen Schauspiel, Regie, Tonregie, Filmgeschichte, Drehbuch, Kamera, Ausstattung, Animation, Computergrafik und Produktion für Film und Fernsehen aus. Es gibt kaum ein internationales Kurzfilmfestival, auf dem Studenten dieser Hochschule mit ihren Arbeiten nicht vertreten sind. Seit 1961 veranstaltet die VGIK ein internationales Studentenfilmfestival. Fünf Kurzspielfilme werden vorgestellt, Studien- und Abschlussarbeiten. Die Auswahl zeigt einen repräsentativen Querschnitt von studentischen Kurzfilmen aus den letzten drei Jahren, die stilistisch und thematisch zum Teil sehr unterschiedlich sind. Einige von ihnen wurden bereits auf natio- nalen und internationalen Festivals ausgezeichnet. Das zweite Programm widmet sich der Höheren Schule für Drehbuch und Regie. Sie gehört zu den ältesten Filmausbildungsstätten Russlands und feierte 2004 ihr 40-jähriges Jubiläum. Anders als im VGIK ist die Ausbildung hier als Aufbaustudium zu begreifen. Es setzt eine abgeschlos- sene Hochschulbildung voraus und die Studenten dieser Kurse verfügen meist über größere Lebenserfahrung und konkret gesteckte Ziele. Die zwei Jahre des intensiven Studiums sind sehr praxisorientiert und viele der Absolventen dieser Kurse gestalten heute das aktuelle russische Kino maßgeblich mit. Vier Arbeiten aus den letzten beiden Jahren vermitteln einen Eindruck von der hohen Ausbildungsqualität dieser Filmschule. Das Programm zu den diesjährigen Europäischen Kulturtagen lädt ein zu einer spannenden Entdeckungsreise durch den neuen russischen Film »Made in Moskau«. Gespräche mit den Regisseuren Aleksej German jr. und Sergei Loban, die zur Eröffnung anwesend sein werden, bieten über die Filme hinaus Gelegenheit, ästhetische und ökonomische Bedingungen des aktuellen russischen Kinos näher kennen zu lernen. Julia Kuniß (Kuratorin der Filmreihe) FILM > Sergei Loban, Staub < 168 Staub (Pyl‘) 2005, Regie: Sergei Loban mit Aleksej Podolskij, Pjotr Mamonov, Psoi Korolenko, Dimitrij Pimenov DVD, 107 Minuten, englische Untertitel Lesha Sergeiev ist 24, dicklich, kurzsichtig und ziemlich infantil. Dies ist auch kein Wunder, denn er wird noch immer von der ihn liebenden Oma rundum versorgt. Als ihn eines Tages zwei Geheimdienstler ansprechen und ihn auffordern, an einem mysteriösen Experiment‚ im Dienste der rus- sischen Wissenschaft teilzunehmen, stimmt er zu. Weder Zweck noch Art des Experiments werden deutlich, doch seine Nebenwirkungen verändern Lesha vollkommen. Für einen Moment sieht er sich verwandelt in einen schlanken, muskulösen Supermann – von nun an ist er besessen davon, diesen Glücksmoment noch einmal zu erleben, egal um welchen Preis. »Wir sind nichts: Staub, Atome«, sagt der Arzt, als Lesha ihn bittet, das Experiment zu wiederholen, und »je tiefer wir in einen Menschen eindrin- gen, desto weniger existiert er.« »Staub« ist eine Low-Budget-Produktion, die von Mitgliedern der experimentellen Künstlergruppe »Svoi2000« für knapp 3000 $ reali- siert wurde. Beim letzten Moskauer Filmfestival wurde Sergei Lobans Spielfilmdebut von der Kritik gefeiert nicht nur als ein innovatives künst- lerisches Experiment, sondern als wegweisendes Werk des jungen, unab- hängigen russischen Kinos. Der letzte Zug (Poslednij poezd) 2003, Regie: Aleksej German jr. mit Aleksei Devotchenko, Natalya Lvova, Aleksei Merkuryev, Pyotr Merkuryev 35mm, 82 Minuten, englische Untertitel Russland, deutsche Ostfront, Winter. Der Arzt Paul Fischbach kommt mit dem letzten Zug an der Front an – doch niemand weiß hier, wo die eigentlich noch verläuft. Alles ist in Auflösung begriffen, von einer mili- tärischen Ordnung kann keine Rede mehr sein. Fischbach trifft nur noch desolate Soldaten, die ihre Haut zu retten versuchen. Einzig ein altge- dienter Unteroffizier bleibt, mit ihm irrt Fischbach orientierungslos durch > Di, 25. April 2006 19 Uhr Sa, 29. April 2006 23.15 Uhr > Mi, 26. April 2006 19 Uhr > Do, 27. April 2006 17 Uhr So, 30. April 2006 19 Uhr FILM Schnee Schnee und Sturm, ständig in der Gefahr, von Partisanen erschossen zu werden. Schonungslos werden beide Seiten beim sinnlosen Töten wie beim grausamen Sterben gezeigt. Dabei ist der Arzt, wie aus den Gesprächen mit seinem Kameraden hervorgeht, von der Sinnlosigkeit des Krieges und dessen, was er hier tun soll, überzeugt. Das rettet ihn nicht vor der abso- luten Verlorenheit, die schließlich bewirkt, dass er in der weißen Hölle verschwindet. Der junge russische Regisseur Aleksej German jr. hat die Geschichte aus Erzählungen seiner Familie entwickelt: Verwandte von ihm sind von den Nationalsozialisten ermordet, andere aber auch gerettet worden. Bereits sein berühmter Vater bekam für seine ungewöhnliche – und lange Zeit von offizieller Seite nicht gebilligte – Sicht des Krieges (Straßensperre/ Proverka na Dorogach) große Aufmerksamkeit. Der Sohn hat seinen radi- kalen Antikriegsfilm in Schwarz-Weiß gedreht. Seine Darstellung des Krieges ist für russische Verhältnisse brisant, da er die Verteidigung des Vaterlandes nicht wie üblich als heldenhaft feiert, sondern die Hilflosigkeit der in die Mechanik der Vernichtung eingespannten Menschen zeigt. (nach: Deutsches Filminstitut) Mein Stiefbruder Frankenstein (Moi Svodnyi Brat Frankenstein) 2004, Regie: Valeri Todorovski mit Leonid Iarmol‘nik, Elena Iakovleva, Daniil Spivakovskii, Sergei Garmash 35mm, 111 Minuten, englische Untertitel In »Mein Stiefbruder Frankenstein« lässt der Regisseur den an Körper und Seele versehrten Soldaten Pavlik von der Front zurückkehren. Als er behauptet, der Sohn des Familienvaters Julik zu sein – ein Unfall aus Studententagen – gewährt eine bürgerliche Moskauer Familie dem Fremden Asyl. Eine Weile lebt es sich gut unter einem Dach. Dann aber wird immer deutlicher, wie nachhaltig sich der Krieg dieses Heimkehrers bemächtigt hat: ein Auge hat er verloren, mit dem anderen zu viel gese- hen, weshalb Pavlik den Gedanken an den allgegenwärtigen Feind auch in der Normalität des Moskauer Alltags nicht los wird. Als seine verwüstete Psyche zunehmend das Familienleben der Krymovs belastet, versucht sich die Familie verzweifelt des Außenseiters zu entledigen – vergeblich. > Sergei Loban, Staub > Valeri Todorovski, Mein Stiefbruder Frankenstein > Aleksej German jr., Der letzte Zug > Sergei Loban, Staub 169 > < 170 1950 in einer kleinen Kolchose. Die Mähdrescherfahrerin Tosja, die ihren kriegsinvaliden Mann und zwei Kinder zu versorgen hat, wird zur Heldin der sozialistischen Arbeit gekürt. Als Preis erhält sie die rote Wanderfahne, doch wird diese zu Hause von Mäusen angeknabbert. Um nicht vor Gericht zu kommen wegen unsorgsamen Aufbewahrens der Trophäe, muss die Fahne für immer bei ihr bleiben. Ab sofort kennt sie nichts anderes als nur die Arbeit. Mit einer Prise bitterer Ironie, aber voll Poesie wirft Marina Rasbezhkina einen ungewohnten Blick auf das dörfliche Leben der 40er Jahre. Die Geschichte wird aus der Sicht des Sohnes erzählt, und es ist der Blick auf die Mutter und auf sich selbst als Kind, der eine Brücke zwi- schen Vergangenheit und Gegenwart versucht und Fragen an die Zukunft aufwirft. Himmel, Flugzeug, Mädchen (Nebo Samoljot Devuschka) 2002, Regie: Vera Storozeva mit Renata Litvinova, Inga Strelkova-Oboldina, Dmitrij Orlov, Michail Jefremov 35mm, 90 Minuten, englische Untertitel Lara arbeitet als Stewardess bei einer russischen Fluggesellschaft. Ihr halbes Leben verbringt die junge, hübsche Frau auf Reisen, in anonymen Hotels und auf trostlosen Flughäfen. Die Rastlosigkeit ihres Berufslebens findet eine Entsprechung in Laras Beziehungen. Zwar wird sie von zahl- reichen Männern verehrt, doch für eine dauerhafte Bindung war Lara bis- lang noch nicht bereit. Sie glaubt an die »große Liebe«. Ihre emotionale Verletzlichkeit verbirgt sie hinter einer Aura der Unnahbarkeit. Das ändert sich, als sie Gregory kennen lernt, einen bekannten Fernsehjournalisten mit Aussicht auf eine große Karriere. Schon nach der ersten gemeinsamen Nacht weiß sie, dass er der Mann ihres Lebens ist. Aber ihre Gefühle ängstigen ihn. Erst als sie droht, ihn zu verlassen, wird Gregory sich seiner Gefühle für Lara bewusst. Doch es ist zu spät... "»Himmel, Flugzeug, Mädchen« ist ein von Vera Litvinova geschriebe- ner, produzierter und gespielter Aufbruch in eine neue Kinoform, bei der die Narrativstruktur des herkömmlichen Films einer inneren Dramaturgie > Do, 27. April 2006 19 Uhr > Do, 27. April 2006 21.15 Uhr Sa, 29. April 2006 17 Uhr > Fr, 28. April 2006 17 Uhr So, 30. April 2006 21.15 Uhr Die Unsrigen (Svoi) 2004, Regie: Dmitrij Meskhiev mit Konstantin Khabensky, Sergei Garmash, Mikhail Evlanov, Natalya Surkova 35mm, 100 Minuten, englische Untertitel August 1941: Die deutschen Truppen dringen immer weiter nach Osten vor. Drei russischen Gefangenen gelingt es, während des Marsches zum Gefangenenlager zu entkommen: Tolja, ein KGB-Mann, Lifshits, ein jüdi- scher Politoffizier und Mitja, ein Scharfschütze. Mitja kommt aus der Gegend, die die Deutschen besetzt halten – und so sind die drei gleichzei- tig im eigenen wie in Feindesland. Sie suchen Zuflucht bei Mitjas Vater Ivan, der, aus einem Arbeitslager zurückgekehrt, als Dorfältester mit den Deutschen kollaboriert und aus seinen antisowjetischen Ansichten keinen Hehl macht. Doch er versteckt die drei, weil sie zu »uns« gehö- ren. Ein großer Druck lastet auf den Männern, denn auch die örtliche Polizei, Marionetten in der Hand der Deutschen, sucht sie und nimmt Ivans Töchter gefangen, um die Soldaten zur Aufgabe zu zwingen. Im Zweiten Weltkrieg spielende Filme waren ein etabliertes Genre im sowjetischen Kino, mit durchaus nationalistischen Untertönen und klaren Fronten. »Die Unsrigen«, der beim Moskauer Filmfestival mit dem Großen Preis ausgezeichnet wurde, geht andere Wege: Die drei Entkommenen sind, ganz unheroisch, nur darauf bedacht, von Tag zu Tag ihr Überleben zu sichern. »Die Unsrigen« konzentriert sich darauf, die Auswirkungen des Krieges auf Menschen zu zeigen, die Entscheidungen treffen und Kompromisse machen müssen. Der grobkörnig und mit ausgewaschenen Farben fotografierte Film zeichnet ein komplexes Bild der Sowjetunion unter der Okkupation, in der sich die Grenzen von Freund und Feind und Gut und Böse verschoben haben. (nach: Deutsches Filminstitut) Erntezeit (Vremja Zatvy) 2004, Regie: Marina Rasbezhkina mit Vjacheslav Batrakov, Dima Ermakov, Ljudmila Motornaja, Dmitrij Dima Jakovljev 35mm, 67 Minuten, englische Untertitel FILM > Marina Rasbezhkina, Erntezeit > Dmitrij Meskhiev, Die Unsrigen > Vera Storozeva, Himmel, Flugzeug, Mädchen 171 > < 172 weicht, die, zuerst unscheinbar, aber dann immer dramatischer, den Abstieg einer jungen Frau in den Selbstmord beschreibt." (EIKK) Alte Frauen (Staruchi) 2003, Regie: Gennadij Sidorov mit Valentina Beresuzkaya, Galina Smirnova, Zoya Norkina 35mm, 100 Minuten, englische Untertitel In einem kleinen Dorf in der Nähe von Kostroma, aus dem alle jüngeren Menschen weggegangen sind, weil es keine Arbeit gibt, wohnen nur noch ein Dutzend alte Frauen. Sie warten meist umsonst auf ihre schmale Rente und müssen sich irgendwie ernähren. Der Tauschhandel blüht, es gibt einen engen Zusammenhalt. Als eine von ihnen stirbt, heben die anderen das Grab aus. Mit den Frauen lebt auch Mikolka, der am Downsyndrom leidet. Ab und zu kommt Major Fyodor mit einigen Soldaten von der nahe gelegenen Kaserne vorbei und bringt Leben in den Ort. Fast ausschließlich mit Laiendarstellerinnen gedreht, mutet der Film streckenweise dokumentarisch an. Eine Spielhandlung entwickelt sich, als sich eine Flüchtlingsfamilie aus Usbekistan im Ort niederlässt (von Tadschiken gespielt und in den Untertiteln nicht übersetzt). Die Frauen beobachten das zunächst mit großer Skepsis. Mikolka, der ihr fremden- feindliches Gerede über »diese Asiaten« für bare Münze nimmt, steckt schließlich das Haus an, in dem die Familie sich gerade eingerichtet hat. Von der menschlichen Tragödie bekehrt, entwickeln die Dorfbewohner doch noch ein freundschaftliches Verhältnis. Das Regiedebüt von Gennadij Sidorov sorgte beim größten russi- schen Filmfestival in Sotschi für viele Diskussionen und wurde mit vier Hauptpreisen ausgezeichnet. Nahezu ausnahmslos mit Laiendarstellern und ohne Drehbuchvorlage entstanden, vermittelt der Film fast dokumen- tarische Eindrücke vom ländlichen Leben in Russland. Filme der Staatlichen Filmhochschule VGIK Fleisch (Mjaso) 2002, Regie: Slawa Ross 35 mm, schwarzweiß, 15 Minuten Das Leben ist grausam und hart und lässt für Liebe keinen Platz. Ein kleiner Junge muss erleben, wie seine Mutter für ein Stück Fleisch mit einem Fremden ins Bett geht. In der beliebten Retroästhetik gedreht, kehrt der Film in die schwere Nachkriegszeit zurück. Der Feigen Reisebegleiter (Poputschiki ingira) 2003, Regie: Jegor Anaschkin BetaSP, schwarzweiß, 10 Minuten Eine Reiseskizze als beeindruckende Charakterstudie. Ein Kadett kehrt aus dem Urlaub mit dem Schnellzug nach Moskau zurück. Auf einem Provinzbahnhof steigt eine Frau mit einem Kind und einer großen Kiste in sein Abteil zu... Für Mama (Mame) 2002, Regie: Dusan Gligorov miniDV, 13 Minuten Roter Platz und Tretjakov-Galerie, die erste Liebe, Zukunftspläne – ein Tag im winterlichen Moskau, wie ihn ein junger Soldat auf Urlaub erlebt. Sein erstes Video sendet er der Mutter als Geburtstagsgruß. Spaziergang (Progulka) 2002, Regie: Julija Kolesnik miniDV Ljoschka und Katherina wohnten einst in derselben Straße und waren seit ihrer Kindheit befreundet. Dann musste Ljoschka zur Armee. Ein Tag vor Katherinas Hochzeit taucht er plötzlich auf und sie machen einen Spaziergang… > Fr, 28. April 2006 19 Uhr So, 30. April 2006 17 Uhr > Fr, 28. April 2006 21.15 Uhr FILM > Gennadij Sidorov, Alte Frauen > Slawa Ross, Fleisch > Jegor Anaschkin, Der Feigen Reisebegleiter > Dusan Gligorov, Für Mama 173 > < 174 Angst (Strach) 2004, Regie: German Djukarev BetaSP, Farbe, 14 Minuten, englische Untertitel An einem dunklen und verregneten Abend versucht ein Reisender auf einer kleinen Bahnstation irgendwo in den Weiten Russlands ein Taxi zu bekommen um ins nächste Dorf zu gelangen. Endlich findet er einen Mann, der bereit ist, ihn mitzunehmen. Doch irgendwie kommt ihm der Fahrer unheimlich vor und das Auto droht schon beim Starten auseinander zu fallen. Die nächtliche Fahrt führt durch einen dunklen Wald. Um sich Mut zu machen, erzählt der total verängstigte Reisende dem Fahrer von einer Pistole in seiner Tasche und von seinen Freunden, mit denen nicht zu spaßen sei. Nunmehr bekommt es der Fahrer mit der Angst zu tun… Nach der gleichnamigen Erzählung von Anton Tschechov, urkomisch und sehr gut inszeniert. Glatteis (Gololed) 2003, Regie: Michail Braschinskij mit Viktoria Tolstoganova, Ilja Schakunov, Konstantin Juschkevitsch 35mm, 70 Minuten, englische Untertitel "»Sie« ist eine junge erfolgreiche Anwältin. Wie gewöhnlich wird sie auch diesen Fall gewinnen. Ihr jetziger Klient ist prominent. Während er bereits seinen Sieg feiert, gelangt sie in den Besitz einer Audiocassette, die seine Schuld beweist. Die gleiche Leidenschaft, die sie in die Arme fremder Männer treibt, bringt sie dazu, ihren Fund gleichzeitig der Staatsanwaltschaft und den Vertretern des Klienten zu übergeben. Sie will niemanden erpressen; ihr geht es um das Spiel mit dem Zufall. Dann wird sie von allen Seiten bedroht. »Er« ist selbstsicher, arrogant, schwul. Er glaubt, alles über sich zu wissen und will eigentlich nur in Ruhe gelas- sen werden. Noch sind beide sich nicht begegnet und keiner kennt die möglichen Konsequenzen ihres Zusammentreffens. Es herrscht Glatteis auf Moskaus Straßen. > Fr, 28. April 2006 23.15 Uhr Sa, 29. April 2006 21.15 Uhr »Glatteis« wurde auf DV gedreht und dann mit großem Aufwand auf 35mm überspielt. Die digitale Technologie schafft eine Illusion der Dring- lichkeit der Ereignisse, eine Illusion des unmittelbaren Blicks, der nicht durch die Linse der Kamera getrübt wird. Diese visuelle Komponente ist von großer Wichtigkeit für die Geschichte, in der zwei Paar Kontaktlinsen eine entscheidende Rolle spielen. Der Schriftsteller Vladimir Sorokin hat wohl die treffendste Bemerkung über diesen Film gemacht. Er sagte, »Glatteis« sei ein Film über einen Virus, der durch Blickkontakt übertragen wird. Eine ziemlich erschöpfen- de Inhaltsangabe. Ich würde mir wünschen, dass der Zuschauer sich nach dem Film nicht die Frage stellt, ob der Film ihm gefallen hat, sondern sich fragt, was das überhaupt war; dass er den Film wie einen Verkehrsunfall erlebt, bei dem der Schuldige, der Film, Fahrerflucht begeht und man – vielleicht – blutend zurückbleibt." (Michail Braschinskij) FILM > Julija Kolesnik, Spaziergang > German Djukarev, Angst > Michail Braschinskij, Glatteis 175 > < 176 177 > Filme der Höheren Schule für Drehbuch und Regie Der Fischer (Balyksyt) 2005, Regie: Vjatscheslav Semenov miniDV, 24 Minuten Ein alter Fischer rettet einen jungen Mann aus dem Wasser und pflegt ihn gesund. Nach einiger Zeit kehrt der junge Mann zurück, doch den Alten findet er nicht mehr... Sehr schön fotographiert. Der Regisseur lässt sich viel Zeit, um Visuelles zu zelebrieren und benutzt dabei viele ethnographische Motive. Die Tür (Dver) 2004, Regie: Vladimir Kott DVD, schwarzweiß, 20 Minuten, ohne Dialoge Ein Mann ist einen Tag lang mit einer Tür unterwegs... Stilistisch und dramaturgisch erinnert der Film sehr an Polanskis »Zwei Männer und ein Schrank«. Initiation (Posvjaschenije) 2004, Regie: Roman Filippov BetaSP, 14 Minuten Auf dem Weg zur Musikschule begegnet ein fünfjähriger Junge einer Bande von Straßenkindern. Den ganzen morgigen Tag (Ves zavtraschnij den´) 2004, Regie: Tatjana Jankevitsch BetaSP, 33 Minuten Sie sind beide verheiratet, aber nicht miteinander. Er trifft sie am Bahnhof, sie sind leidenschaftlich verliebt. Sie fahren weg aus Moskau in eine kleine Provinzstadt. Dort kennt sie keiner, der ganze morgige Tag gehört ihnen. Doch ihre Liebe wird auf eine harte Probe gestellt. > Sa, 29. April 2006 19 Uhr FILM > Vjatscheslav Semenov, Der Fischer (oben) > Roman Filippov, Initiation (unten) > Vladimir Kott, Die Tür > Tatjana Jankevitsch, Den ganzen morgigen Tag < 178 Müssen sich die Beziehungen eines Unternehmens zur Kunst auf die Bilder beschränken, die an den Wänden hängen? Beweist ein Unternehmen bereits Kultur, wenn es diese sponsort? Ein Kulturschaffender und Ausstellungsmacher muss über ausgeprägte und unternehmerische Fähigkeiten verfügen und ein Unternehmer sollte starke kulturelle und kreative Seiten zeigen. So sehr eine kulturell fruchtbare Tätigkeit den schöpferischen Elan benö- tigt, so sehr benötigt ihn auch die Wirtschaft. So ist aus meiner Sicht ein umfassendes kulturelles Engagement unternehmerisch notwendig. Die 18. Europäischen Kulturtage Karlsruhe 2006 bieten erneut mit Kunst, Film, Theater, Musik und Literatur eine breite Vielfalt. Vor diesem Hintergrund fördert die Karlsruher Versicherungsgruppe die Europäischen Kulturtage Karlsruhe. Ich freue mich auf die kommenden Begegnungen im Rahmen der geplan- ten kulturmedialen Veranstaltungen und wünsche den Organisatoren und allen Mitwirkenden viel Erfolg und wie in den Vorjahren ein aufgeschlos- senes und hochinteressiertes Publikum. Dr. Bernhard Schareck Vorstandssprecher der KARLSRUHER VERSICHERUNGEN Seit vielen Jahren ist die Privatbrauerei Hoepfner Partner und Förderer der Europäischen Kulturtage. Mit positivem Denken und Handeln haben wir in den vergangenen Jahren frischen Wind in die alten Mauern der Hoepfner Burg gebracht. Unsere Strategie heißt dabei Qualität, Kontinuität und Partnerschaft, um auch im künftigen Wettbewerb beste- hen zu können. Vielleicht passen die Europäischen Kulturtage ja auch deshalb so gut zu uns, weil dieses hochkarätige kulturelle Ereignis ebenfalls für eine solche Strategie steht: Kunst auf höchstem Niveau und ein innovativer Geist in einem Klima der Partnerschaft. Für die Qualität bei der Privatbrauerei Hoepfner stehen die Brauer, die Biere mit besonderem Geschmack brauen. Für die Qualität der 18. Europäischen Kulturtage 2006 Moskau in Karlsruhe einmal mehr die außergewöhnlichen Macher und Künstler. Das Sponsoring für ein solch bedeutendes Projekt lässt sich nicht nur in Zahlen messen, es muss auch Spaß machen – genau so sehen wir das Engagement der Privatbrauerei Hoepfner bei den Europäischen Kulturtagen – ein Engagement, das von Herzen kommt. Dr. Friedrich Georg Hoepfner Die Stadt Karlsruhe bedankt sich bei den folgenden Firmen für die Unterstützung des Festivals: Privatbrauerei Hoepfner Karlsruher Versicherungen Sparkasse Knappe 1a Productions Das Festival ist Partner im Projekt 179 > < 180 8 > Fakultät für Architektur der Universität Karlsruhe E 6 des Kolleggebäudes am Ehrenhof 1-5 S1/S11, S2, S4, S5 Kronenplatz/Universität Parkleitsystem: Zentrum Nord Kronenplatz 9 > Galerie Alfred Knecht Baumeisterstr. 4 2, 5 S1/S11, S4 Ettlinger Tor / Staatstheater Parkleitsystem: Kongresszentrum Staatstheater 10 > Galerie Rottloff Sophienstr. 105 1 Sophienstraße 11 > GEDOK Künstlerinnenforum Markgrafenstr. 14 1- 5 S1/S11, S2, S4, S5 Mendelssohn- od. Kronenplatz Parkleitsystem: Zentrum Nord Kronenplatz 30 10 28 20 23 9 24 15 1 225 2117 11 8 2 25 7 4 3 6 18 16 26 27 29 12 19 13Kriegsstraße B10 Durlacher Allee Kaiserallee S tr aß e K ar ls tr aß e Ad en au er rin g Schlachthausstr. Br au er st ra ße Zirkel Kaiserstraße Yo rck str aß e R ei nh ol d- Fr an k- S tr aß e Ka pel len str . Schloss Kriegsstraße B10 E tt lin ge r Mathystraße B10 Haid-und-Neu-Str. Hbf Am Rüp purrer S chloss R üp pu rr er S tr aß e Stu ttg art er Str aß e Baumeisterstr. E rl en w eg Pulverhausstraße Joachim-Kurzaj-Weg Sc hw im m sc hu lw eg Lo re nz st ra ß e 1 > Albert-Schweitzer-Saal Reinhold-Frank-Str. 48 a 1- 3, 6 S1/S11, S2, S5 Mühlburger Tor 2 > Badischer Kunstverein Waldstr. 3 1, 3, 4, 6 S1/S11, S2, S5 Europaplatz od. Herrenstr. Parkleitsystem: Zentrum Nord Karstadt am Zirkel 3 > Badisches Staatstheater Baumeisterstr. 11 2, 5 S1/S11, S4 Ettlinger Tor / Staatstheater Parkleitsystem: Kongresszentrum Staatstheater 4 > Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Am Künstlerhaus 47 3 Mendelssohnplatz Parkleitsystem: Zentrum Nord Kronenplatz A t s y t y b t s y b A t s y b N K N 5 > Centre Culturel Franco-Allemand Kaiserstr. 160 - 162 1- 4, 6 S1/S11, S2, S5 Europaplatz Parkleitsystem: Zentrum West Breuninger 6 > Christuskirche Riefstahlstr. 2, am Mühlburger Tor 1- 3, 6 S1/S11, S2, S5 Mühlburger Tor Magdeburger Haus / Kaiserallee 11 7 > Ev. Stadtkirche am Marktplatz 1- 5 S1/S11, S2, S4, S5 Marktplatz Parkleitsystem: Zentrum Süd Marktplatz A t s y b A t s y b t s y b s t s y b K t y N 14 Kaiserallee Luisenstraße Leopoldsplatz Lichtentaler Lichtentaler Str. Allee Baden-Baden 12 > Gorodki-Anlage Oberreut Joachim-Kurzaj-Weg 5 1 50, 62 Hardecksiedlung 13 > Hochschule für Musik Am Schloss Gottesaue 7 1, 2 S4, S5 Gottesauer Platz 14 > Hotel Steigenberger Europäischer Hof Kaiserallee 2, Baden-Baden 201, 204-208, 214-216, 218, 243-245 Baden-Baden, Leopoldsplatz 15 > INSEL (Badisches Staatstheater) Karlstraße 49b 2, 4, 6 Karlstor 16 > Jubez Jazzclub u. Theater »Die Spur« Kronenplatz 1 1- 5 S1/S11, S2, S4, S5 Mendelssohn- od. Kronenplatz Parkleitsystem: Zentrum Nord Kronenplatz 17 > Kaffeehaus Schmidt Kaiserallee 69 2, 3 S1/S11, S2, S5 Yorckstraße 18 > Konzerthaus Festplatz 9 2, 5 S1/S11, S4 Kongresszentrum od. Konzerthaus Parkleitsystem: Kongresszentrum Kongresszentrum 19 > Kulturzentrum Tollhaus Schlachthausstr. 1 1, 2 S4, S5 Tullastraße 20 > marotte Figurentheater Kaiserallee 11 1- 3, 6 S1/S11, S2, S5 Mühlburger Tor Magdeburger Haus 21 > Modehaus Schöpf am Marktplatz 1- 5 S1/S11, S2, S4, S5 Marktplatz Parkleitsystem: Zentrum Süd Marktplatz 22 > PrinzMaxPalais Literaturhaus und Das Kino im PrinzMaxPalais Karlstr. 10 1- 4, 6 S1/S11, S2, S5 Europaplatz Parkleitsystem: Zentrum West Breuninger 23 > Privatbrauerei Hoepfner Schalander Haid-und-Neu-Str. 18 4 Hauptfriedhof 24 > Roncalli-Forum Karlstr. 115 (Kolpinghaus) 2, 4 Kolpingplatz 25 > Stephanssaal Ständehausstr. 4 1, 3, 4 S1/S11, S2, S5 Herrenstraße Parkleitsystem: Zentrum Süd Karstadt od. Friedrichsplatz 26 > SWR Studio Karlsruhe Sendesaal Kriegstr. 166-172 2, 4, 6 Karlstor Parkleitsystem: Zentrum West 27 > Universität Karlsruhe (TH) Kaiserstr. 12 1-5 S1/S11, S2, S4, S5 Kronenplatz/Universität Parkleitsystem: Zentrum Nord Kronenplatz 28 > Volkshochschule Kaiserallee 12 e 2, 3 S1/S11, S2, S5 Yorckstraße 29 > Wohnstift am Rüppurrer Schloss Erlenweg 2 S1/S11 Schloss Rüppurr 30 > ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Lorenzstr. 19 6 ZKM ZKM A t s y b A t s y A t y A t s y A s y A t y b A t s y b W A t s y b s t y W A t s y b s t s y b N A t y W t s y b t s y b N A t b y A t s y A b y A t y A t s y b N t s y A t s y b K info A t s b y b s W Bildlegende behindertengerechter Zugang Tram S-Bahn Bus Haltestelle Parkleitsystem Parkhaus N K 181 > < 182 Kartenvorverkauf Der Vorverkauf beginnt am 15. Februar 2006. Für Veranstaltungen, die mit gekennzeichnet sind, erhalten Sie Karten an allen CTS-Eventim-Vorverkaufsstellen (s.u.). oder bei www.eventim.de CTS-Eventim Hotline (01805) 57 00 00 (0,12 D / Min.) Für alle anderen Veranstaltungen erhal- ten Sie Informationen und Karten unter den im Programmteil angegebenen Telefonnummern. Ermäßigte Preise gelten gegen Vorlage eines gültigen Ausweises an der Abendkasse für Schüler, Studenten, Schwerbehinderte, Rentner, Helfer im freiwilligen sozialen Jahr, Arbeitslose, Wehr- und Zivildienstleistende. Die Abendkasse öffnet jeweils 1 Stunde vor Beginn der Veranstaltung. Vorverkaufsstellen Badisches Staatstheater Karlsruhe Baumeisterstr. 11, 76137 Karlsruhe Kassenöffnungszeiten: Mo bis Fr: 10 – 13 Uhr u. 16 – 18.30 Uhr Sa: 10 – 13 Uhr Telefonischer Vorverkauf: Mo bis Fr: 10 – 18.30 Uhr bzw. bis zum Beginn der Abendveranstaltung Sa: 10 – 13 Uhr Telefon: (0721) 93 33 33 Telefax: (0721) 3 55 73 46 E-Mail: kartenverkauf@bstaatstheater.de Karlsruhe Karlsruhe Stadtinformation Karl-Friedrich-Str. 9, Tel. (0721) 37 20 21 79 Musikhaus Schlaile Kaiserstr. 175, Tel. (0721) 2 30 00 Ticketoffice im Hauptbahnhof Tel. (0721) 3 84 87 72 Touristinformation Bahnhofsplatz 6, Tel. (0721) 37 20 53 83 Ticketforum Postgalerie Kaiserstr. 217, Tel. (0721) 16 11 22 Baden-Baden Ticket-Service im i-Punkt Kaiserallee 3, Tel. (07221) 93 27 03 Bretten Stadtinformation Marktplatz 12, Tel. (07252) 95 76 20 Bruchsal Bruchsal Tourismus Am Alten Schloss 22, Tel. (07251) 5 05 94 60 Bühl Bürgerhaus Neuer Markt Europaplatz, Tel. (07223) 93 16 11 Ettlingen TUI ReiseCenter der Sparkasse Marktplatz 1, Tel. (07243) 701-701 Frankfurt Frankfurt Ticket Hanauer Landstr. 417, Tel. (069) 1 34 04 00 Heidelberg Rhein-Neckar-Zeitung Hauptstr. 23, Tel. (06221) 16 30 83 Zigarren Grimm am Bismarckplatz Sofienstr. 11, Tel. (06221) 2 09 09 Heilbronn Heilbronn Marketing Kaiserstr. 17, Tel. (07131) 56 41 01 Heilbronner Stimme Allee 2, Tel. (07131) 61 57 01 info 183 > < 184 Impressum Herausgeber: Stadt Karlsruhe, Kulturamt und Badisches Staatstheater Karlsruhe Stadt Karlsruhe, Kulturamt Kulturreferent Dr. Michael Heck Festivalleitung und Programmgestaltung: Susanne Laugwitz M.A. Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Organisation: Claudia Lahn M.A. Gabi Glutsch Anna-Renate Sörgel Martha Banasch B.A. Info-Telefon: (0721)133-4033 Telefax: (0721)133-4009 E-Mail: susanne.laugwitz@kultur.karlsruhe.de claudia.lahn@kultur.karlsruhe.de gabriele.glutsch@kultur.karlsruhe.de anna-renate.soergel@kultur.karlsruhe.de Badisches Staatstheater Karlsruhe Generalintendant Achim Thorwald Verwaltungsdirektor Wolfgang Sieber Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Organisation: Dr. Jörg Rieker Simone Voggenreiter Petra Clemens Ingeborg Falke Gastspielkoordination: Sabine Bergmann M.A. Wolfgang Hilsenbek Info-Telefon: (0721)3557-122 oder -232 Telefax: (0721)373223 E-Mail: pressestelle@bstaatstheater.de Gestaltung: Susanne Saenger, Karlsruhe Druck: Engelhardt & Bauer, Karlsruhe Kaiserslautern Tourist Information Willy-Brandt-Platz 1, Tel. (0631) 3 65 23 16 Landau/Pfalz Fish´n´Jam Ticket-Center Ostbahnstr. 26, Tel. (06341) 8 58 34 Ludwigshafen Tourist-Information am Berliner Platz Ludwigstr. 6, Tel. (0621) 51 20 35 Mannheim Capitol Waldhofstr. 2, Tel. (0621) 4 01 71 40 Mannheimer Morgen Kapuzinerplanken O6 1, Tel. (0621) 17 85 88 30 SAP Arena Xaver-Fuhr-Str. 150, Tel. (0621) 18 19 03 28 Pforzheim Sparkasse Pforzheim Poststr. 3, Tel. (07231) 1 44 24 42 Rastatt Ticket- und Konzertservice Kapellenstr. 20-22, Tel. (07222) 78 98 00 Schwetzingen Schwetzinger Zeitung Carl-Theodor-Str. 1, Tel. (06202) 20 57 21 Stuttgart Millennium Hotel and Resort SI-Centrum Plieninger Str. 100, Tel. (0711) 7 21 21 07 Ticket Center im Breuninger, Marktstr. 1-3, Tel. (0711) 2 11 15 40 Touristinformation Königstr. 1a, Tel. (0711) 2 22 82 39 Welcome Center Flughafen Terminal 3, Eb.2, Tel. (0711) 2 22 82 39 185 >
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Broschüre_Der Grüne Fächer.indd DER GRÜNE FÄCHER PARKS UND GRÜNANLAGEN IN KARLSRUHE Stadt Karlsruhe Gartenbauamt 2 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 3 VORWORT Es ist kein Geheimnis, dass Karlsruhe viel Grün zu bieten hat, im Gegenteil, dies ist fester Bestandteil des Images unserer Stadt. Mit über 1.000 Hektar öffentlichen Parks, Grünanlagen und grünen Plätzen – darin sind Sportanlagen, Kleingärten und Friedhöfe noch nicht einmal enthalten – fi ndet jede Bürgerin und jeder Bürger in Wohnungsnähe ein Stück Freiraum für den täglichen Spaziergang oder die Wochenendfreizeit. Rund 400 Spielplätze ergänzen dieses Angebot für die junge Generation. Unser Stadtgrün hat viele Gesichter: Da sind gärtnerisch anspruchsvoll gestaltete Parks wie die Gärten am Schloss, der Schlossplatz, der Zoologische Stadtgarten, die zum Spazieren und Verweilen einladen oder die Günther-Klotz-Anlage und der Otto-Dullenkopf-Park mit viel Raum für Spiel und sportliche Aktivitäten. Dazu gehören aber auch die vielen kleinen Plätze, von denen aus sich gut das rege städtische Treiben betrachten lässt, das Albgrün von Rüppurr bis zur Mündung in den Rhein, das zu mehr Bewegung anregt und der Zugang zum Rheinufer über den Landschaftspark Rhein. Nicht zu vergessen sind die vielen feineren Verzweigungen unseres Grünfl ächensystems, die die Siedlungsfl ächen gliedern, den „grünen Fächer“ ergänzen und Verbindungen zwischen dem wohnungsnahen Grün sowie den umgebenden Wäldern und Fluren schaffen. Dekorative Arrangements mit Sommerblumen bis hin zu den naturnahen Uferzonen von Alb und Pfi nz und den Obstwiesen im Siedlungsgrün der ländlichen Stadtteile zeigen das weite Spektrum der vielfältigen Gestaltung und Pfl ege unserer Karlsruher Grünfl ächen. Die Broschüre beschreibt Geschichtliches, Eigenart und Ausstattung einer weit gestreuten Auswahl Karlsruher Parks und Anlagen. Sie soll ermuntern, neben der gut bekannten Grünfl äche vor der eigenen Haustür auch einmal interessante Freiräume anderer Stadtteile kennenzulernen. Bei dieser Erkundung des Stadtgrüns wünsche ich den Leserinnen und Lesern recht viel Vergnügen. Dr. Frank Mentrup Oberbürgermeister GARTENBAUAMT | 3 INHALTSVERZEICHNIS Karlsruhe, die grüne Stadt 6 Gärten am Schloss 8 Schlossplatz und Schlossgarten 10 Fasanengarten 11 Botanischer Garten 11 Gelände des Erbprinzengartens 12 Friedrichsplatz 12 Nymphengarten 13 Zoologischer Stadtgarten 14 Beiertheimer Wäldchen 18 Festplatz 19 Schlossgarten Durlach 20 Alter Friedhof 22 Theaterplatz 23 Südstadt-Grünzug 24 Hildapromenade 25 Lina-Sommer-Anlage 26 Haydnplatz 26 Ehemalige Dragonerkaserne 27 Fliederplatz 27 Lindenplatz in Mühlburg 28 Sonntagplatz 29 Nottingham-Anlage 30 ZKM-Grünzug 31 Otto-Dullenkopf-Park 32 Stadtpark Südost 34 Schmallen 35 Günther-Klotz-Anlage 36 Albgrün 38 Kirchfeld Nord mit Siegfried-Buback-Platz 40 Grünzug Knielingen 41 Landschaftspark Rhein 42 Turmbergterrasse 43 Stadtplan 45 Impressum 48 4 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 5 www.karlsruhe.de 6 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 7 KARLSRUHE, DIE GRÜNE STADT DIE GRÜNE STADT Kaum ein Besucher unserer Stadt, ob in einer Gruppe, einer Delegation aus Ost oder West, als Geschäftsmann oder einfach als Freund aus einer anderen Stadt, der nicht spontan über das schöne Grün ins Schwärmen geriete. DIE GRÜNEN ACHSEN Sie wollen Karlsruhe durchqueren, ohne „die Stadt“ zu berühren, auf „grünen Wegen“ sozusagen? Von ein paar „Schrittsteinen“ abgesehen schaffen Sie das auf zwei Achsen: Von Süden nach Norden: Durch den Oberwald, das Beiertheimer Wäldchen, den Stadtgarten und Festplatz, dann einen kleinen Sprung über den Marktplatz, und weiter geht`s mit Schlossplatz, Schlossgarten, Fasanengarten, Hardtwald bis nach Graben-Neudorf, wenn Sie soweit wollen. Von Süden nach Westen durch das Albgrün: Von den Rüppurrer Wiesen an Weiherfeld vorbei, über die Bahn, an Bulach und der unter Grün versteckten Südtangente entlang, durch die Günther-Klotz-Anlage nach Mühlburg und Grünwinkel, zur Albsiedlung bis Daxlanden und weiter am Rheinhafenbad vorbei, Knielingen rechts liegen lassend bis an den Knielinger See und zum Rhein. DIE GRÜNE GESCHICHTE Jeder unserer Gärten hat seine Geschichte, aber einen klassisch geschichtlichen Garten – unverändert in seiner ursprünglichen Gestalt – besitzen wir nicht. Doch Entstehungs- zeit, Nutzung und Gestalt spiegeln durchaus die Geschichte: von den fürstlichen Gärten (bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts waren diese dem Volk kaum zugänglich) für Botanik, Vergnügen und Jagd über die „Flaniergärten“ der Bürger bis zu den Freizeitanlagen unserer Tage. Auch die Gestaltung der Anlagen spiegelt die Zeit: von ornamentalen Bepfl anzungen zum landschaftsnahen „Englischen Garten“ bis zum „Erlebnisgrün“. DIE DEMOKRATISIERUNG DER GÄRTEN 1897 schrieb Stadtgartenverwalter Ries: „Städtische öffentliche Anlagen waren (zirka bis 1870) so gut wie unbekannt. Seither ist aber die ästhetische und gesundheitliche Notwendigkeit eingesehen, eine möglichst große Anzahl im ganzen Stadtgebiet verteilter gärtnerischer Anlagen und Schmuckplätze zur jederzeitigen unentgeltlichen Benützung der Bevölkerung zu stellen. Die städtische Verwaltung hat in richtiger Erkenntnis, dass gärtnerische Anlage kein Luxus, sondern ein Bedürfnis für das Allgemeinwohl sind, in den letzten Dezennien keine Mittel gescheut, diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen.“ Bis die Vision von Friedrich Ries überall Wirklichkeit wurde, dauerte es noch Jahrzehnte. Erst vor wenigen Jahren wurden Rasenfl ächen in der Stadt und im Schlossgarten zum Begehen, Beliegen und Bespielen freigegeben: „Betreten verboten, die Obrigkeit“ gehört nun der Vergangenheit an. NICHT NUR ÄSTHETIK Unsere Parks und Gärten haben über die „ästhetische und gesundheitliche Notwendigkeit“ hinaus noch mehrere unsichtbare Vorteile, deren Wichtigkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Sie spenden Schatten, sie kühlen die Umgebung an heißen Tagen um bis zu acht Grad Celsius, sie befeuchten die Luft durch Verdunstung, sie binden Staub und produzieren Sauerstoff, sie verarbeiten das Treibhausgas Kohlendioxid, sie schlucken Schall und speichern Regenwasser. Unsere Stadt ohne Parks und Gärten wäre eine hässliche, unwohnliche und ungesunde Steinwüste ... NICHT NUR GESUNDHEIT Ein gesunder Mensch ist nicht nur „nicht krank“: ein gesunder Mensch befi ndet sich in möglichst großer Harmonie mit sich, seinen Mitmenschen, seiner Arbeit, seiner Umwelt und der Natur. Doch wie kommt der Stadtmensch in Harmonie mit der Natur? Indem die Natur in die Stadt kommt. Zugegeben, die „naturnahe Stadt“ gibt es nicht: Stadt ist immer Gegenteil von Natur. Doch wir können diese „Betonier- und Bebauungswüste“ mit Natur menschlicher gestalten. Wer im Sommer bei Sonnenaufgang von einem Fest nach Hause geht, hört das köstlichste Frühkonzert unserer Singvögel. Man sitzt auf einer Bank beim alten Friedhof und ein neugieriges Eichhörnchen versucht herauszufi nden, ob wir Erdnüsschen in der Tasche haben, Hunderte von Tieren aller Art können wir nur beobachten, weil wir unsere Parks und Gärten haben. Wer kann schon in der Mittagspause schnell ins Umland fahren, um einem Schwalbenschwanz oder einer Elster, einer Spitzmaus oder einem großen Käfer zu begegnen? Und unsere Kinder in der Stadt haben ihre ersten Naturbegegnungen und -erfahrungen im städtischen Grün. Wer erinnert sich nicht an das fröhliche Quietschen bei der Jagd nach dem Schmetterling? DIE PFLANZEN IN DER STADT In der Stadt haben alle Lebewesen ihre Probleme: Die Luft ist durch Abgase belastet, die Temperatur ist höher als im Umland, Lärm und Staub kommen hinzu. Menschen und Tiere können, zumindest zeitweilig, ausweichen – die Pfl anzen müssen bleiben. So verwundert es nicht, dass einige Bäume, Sträucher, Stauden, Blumen die Stadt verlassen haben. Andere, besonders robuste Arten, fi nden wir deshalb in der Stadt häufi g: Das „Biotop Stadt“ bietet nur einer begrenzten Anzahl von Pfl anzenarten Überlebensbedingungen, was die Anzahl der Tierarten ebenso begrenzt. DAS GRÜN UND DAS GELD Sinkende Einnahmen der Städte verlangen Sparmaßnahmen. Doch es wären die Städte schlecht beraten, die an der imageträchtigen Grünsubstanz zu stark sparten. Grün ja oder nein ist die falsche Frage, das differenziert zu pfl egende Grün ist die intelligente Antwort. Die Stadt, die ihre Atmosphäre, ihren Freizeitwert und ihre Behaglichkeit aufgibt, gibt sich selbst auf. So reduziert Karlsruhe pfl egeintensives Grün wie „englischen Rasen“ und überführt es, soweit sinnvoll, in einfacher zu pfl egende Flächen, zum Beispiel Blumenwiesen, die nur wenige Male im Jahr gemäht werden müssen. So schön jedoch eine Wiese zum Anschauen ist: Wird sehr viel auf ihr gelaufen, gelegen, Ball gespielt, ist sie schnell am Ende. Diese Belastungen hält nur der intensiv gepfl egte Rasen aus, der oft geschnitten wird. Mit der wachsenden Stadt muss auch ihre grüne Infrastruktur wachsen. Das ausgewogene Verhältnis von Stein zu Grün bestimmt den Lebenswert einer Stadt und damit ganz wesentlich ihr Image. 8 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 9 GÄRTEN AM SCHLOSS Von der Fußgängerzone her nähert man sich über den Schlossplatz dem Ursprung Karlsruhes: Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach gründete 1715 mitten in seinem Jagdrevier das Schloss und damit die neue Residenzstadt. Südlich vor dem Hauptgebäude des Schlosses schob sich anstatt des damals üblichen Ehrenhofes der Privatgarten des Markgrafen zwischen Residenz und Siedlung. Seither hat dieses Areal, dessen Umriss annähernd einen Viertelkreis beschreibt, viele Wandlungen erfahren. Die heute existierenden vierfachen Lindenreihen um die Seitenbereiche wurden erstmals 1813 gepfl anzt. Ab 1870 entstand auf dem weitgehend leeren Paradeplatz in der Mitte eine repräsentative Schmuckanlage. Diese Funktion erfüllt der Platz nach diversen Veränderungen im Prinzip heute noch, wenn auch mit deutlich schlichteren Mitteln als im 19. Jahrhundert. Seit 2012 spiegeln sich die „Mythologischen Figuren“ des Barock-Bildhauers Ignaz Lengelacher in erhöhten Wasserstreifen. Die Rasenfl ächen dazwischen nutzen viele Erholungssuchende, darunter auch zahlreiche Studierende des nahegelegenen „Karlsruher Instituts für Technologie“. Die Schlossachse wird von zwei parallelen Staudenstreifen betont. In den heckenumschlossenen Seitenteilen kann man ruhiger und schattiger auf Bänken sitzen und dem Plätschern der Najadenbrunnen zuhören. Wer sich auf der Hauptachse bewegt und den Schlossgarten besuchen möchte, muss dem Hauptgebäude des Schlosses links oder rechts ausweichen. Etwas versteckt gewähren zwei Torbögen Zugang zur Parkanlage, die sich nördlich der Gebäude erstreckt. Ihr Grundgerüst stammt vom Ende des 18. Jahrhunderts, als sie von Hofgärtner Johann Michael Schweyckert dem damaligen Zeitgeschmack im Stil eines Landschaftsgartens angepasst wurde. Nach einer Periode der Vernachlässigung bot die Bundesgartenschau 1967 einen willkommenen Anlass, das Gelände komplett zu überarbeiten. Sichtachsen wurden freigeschlagen, ein neues Wegesystem geschaffen und die Bodenmodellierung entsprechend der Gesamtkonzeption überformt. Aus dieser Zeit sind Kunstwerke, Themenbereiche, Staudenpfl anzungen und der See in seiner jetzigen Form erhalten. Das beliebteste Überbleibsel der Gartenschau dürfte jedoch das „Bähnle“ sein. Von der rückwärtigen Schlossterrasse überblickt man die bei gutem Wetter reich bevölkerte zentrale Rasenfl äche. Jongleure üben, es wird Volleyball, Federball und Frisbee gespielt oder gepicknickt. Wenn man in Verlängerung dieser Rasenfl äche und des Sees den Schlossgarten nach Norden verlässt, bewegt man sich direkt von der Stadtmitte etwa13 Kilometer weit bis zur Gemeinde Graben-Neudorf durch geschlossenen Wald. Einen besseren Anschluss an die Landschaft haben nur wenige Städte zu bieten. Schon vor der Gründung der Stadt Karlsruhe hatte Markgraf Karl Wilhelm einen Wildpark an der Waldlichtung Bocksblöße, den späteren Fasanengarten, einzäunen lassen. Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung reichte der Fasanengarten im Süden bis zur Kaiserstraße/Karl-Wilhelm- Straße, im Osten bis zum Klosterweg, im Norden bis zur Hagsfelder Allee/ Lärchenallee und kam auf stolze 75 ha. Aber die Stadt und die Universität fraßen sich mit der Zeit immer weiter in ihn hinein. Dennoch erlebt man ihn heute als großes innerstädtisches Waldstück mit einer Hauptachse, die eine wichtige Ost-West-Verbindung für Radfahrer und Fußgänger bildet. An dieser Achse liegt der Baukomplex des Fasanenschlösschens mit seinem exotischen Dekor des 18. Jahrhunderts. Ursprünglich wurde hier das Federvieh gezüchtet, das diesem Parkbereich zu seinem Namen verholfen hat. Nach diversen Nutzungen, zum Beispiel als Prinzenschule, beherbergt die geschichtsträchtige Baulichkeit heute das Forstliche Bildungszentrum. Auf einer Waldlichtung nordwestlich des Schlösschens erstreckt sich einer der größten Spielplätze der Stadt. Er enthält vielfältige Kletter- und Bewegungsangebote und diverse Wasserspielanlagen. Beim weiteren Erkunden des Fasanengartens wundert sich vielleicht der eine oder andere über die seltsamen Mulden und Hügel am Ende der Blickachse des Schlösschens. Die Mulden waren einst Tümpel, in denen die Markgrafen sogar Biber züchten ließen. Wenn man die Ost-West-Achse des Fasanengartens nach Westen weiter verfolgt und sich kurz hinter dem Schloss nach links wendet, gelangt man durch ein Backsteingebäude in den ehemals markgräfl ich-großherzoglichen Botanischen Garten. Dieser Bereich wurde im Rahmen der Gartenschau von 1967 wenig verändert. Sowohl die Wegeführung als auch die Bauten an der Nord- und Westseite entsprechen dem Zustand der Vorkriegszeit. Nur die botanischen Staudenpfl anzungen, das Kaphaus, die Gewächshäuser in der halbrunden Senke und die Gläser des Wintergartens fehlen heute. Stattdessen hängen von seinen freiliegenden gusseisernen Trägern im Herbst leuchtend rote Schleier aus wildem Wein herab. Der intensiv gepfl egte Botanische Garten mit seinen Wasserbecken, bunten Beeten, exotischen Bäumen und Kübelgewächsen bildet einen schmucken Vordergrund für die runderneuerten Gebäude des Bundesverfassungsgerichts an seinem Südrand. Gleichzeitig bietet er in umgekehrter Blickrichtung den Beschäftigten dieses Wahrzeichens der Bundesrepublik einen optischen Ruhepunkt. Schlossplatz Schlossplatz Fasanengarten Botanischer GartenDie Schlossgartenbahn 10 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 11 FASANENGARTEN 1714 – 1715 Errichtung eines einstöckigen, hölzernen Fasaneriehauses an der Stelle des heutigen Fasanenschlösschens und Einzäunung von 75 ha Wald für den Fasanengarten. 1764 Bau des heutigen Fasanenschlösschens (Architekt: Albert Friedrich von Keßlau) mit den beiden Pavillons: im Obergeschoss Wohnung des Fasanenmeisters, im Erdgeschoss Fasanenaufzucht. ab 1787 Umgestaltung des Fasanengartens im englischen Landschaftsstil durch Hofgärtner Johann Michael Schweyckert. Anlage des Biberparks nördlich des Fasanenschlösschens (Reste als Hügel und Mulden vorhanden). 1918 Öffnung des Fasanengartens für die Bürger nach der Flucht und Abdankung des Großherzogs. 1967 Bundesgartenschau in Karlsruhe: Umgestaltung des Fasanengartens und Neubau des „Spielzentrums“ durch die Landschaftsarchitekten Rombusch und de la Chevallerie | neuer Hirschbrunnen von Gartenarchitekt Wolfgang Miller. 2016 Generalsanierung und umfassende Neugestaltung des Spielbereichs. Hinweise zur Ausstattung des Spielplatzes: Rutschen, Seilbahn, Kletter- und Spielkombinationen, Wasserspielanlagen, Schaukeln, Fußball, Tischtennis SCHLOSSPLATZ UND SCHLOSSGARTEN Schlossplatz 1715 Stadtgründung durch Markgraf Karl Wilhelm von Baden- Durlach, Baubeginn des Karlsruher Schlosses (Architekt: Jacob Friedrich von Batzendorff, ab 1752 Albrecht Friedrich von Keßlau) mit drei Orangerien an der Achse des westlichen Schlossfl ügels. ab 1717 Der Lustgarten wird von den Gärtnern Berceon und Sievert angelegt. Ende 18. Jh. Umgestaltung des Schlossgartens im englischen Landschaftsstil durch Hofgärtner Johann Michael Schweyckert. 1856 – 1873 Überarbeitung des Schlossgartens und Anlage des Sees unter der Leitung von Garteninspektor Karl Mayer. 1901 Einweihung des Prinz-Wilhelm-Denkmals am westlichen Rand des Schlossgartens. seit 1919 Nutzung des Schlosses als Badisches Landesmuseum. 1944 Zerstörung des Schlosses bei einem Luftangriff. Im Krieg und in der Nachkriegszeit Nutzung des Schlossplatzes und Schlossgartens für den Anbau von Nahrungsmitteln. 1955 – 1966 Wiederaufbau des Schlosses. 1967 Bundesgartenschau in Karlsruhe: Unterführung des inneren Zirkels unter der Hauptachse | Neugestaltung des Schlossplatzes durch Jacques Sgard und Gilbert Samel (teilweise auf einer neu errichteten Tiefgarage) | Neugestaltung des Schlossgartens durch Johannes P. Hölzinger (Architekt), Herbert W. Dirks und Gottfried Kühn (Landschaftsarchitekten): Freilegung von Blickachsen, überarbeitete Bodenmodellierung, neues Wegesystem, Schlossgartenbahn, zahlreiche Wasserspiele und Kunstwerke. 1988 Neugestaltung des Schlossplatzes durch Bauer und Partner Landschaftsarchitekten. 2001 Majolika-Strahl aus blauen Keramikplatten zwischen Schlossturm und der Staatlichen Majolika-Manufaktur. 2012 Neugestaltung des Schlossplatzes durch Agence Ter. Schlossgarten Fläche des Schlossplatzes: 8,9 Hektar Ausstattung des Schlossplatzes: „Mythologische Figuren“ des Bildhauers Ignaz Lengelacher, entstanden 1760 – 1764 (mit zwei Ergänzungen von Emil Sutor 1966), 1782 aufgestellt, 1814 von Weinbrenner entfernt, 1967 wieder aufgestellt | Najadenbrunnen, entworfen von Joseph Kayser, ausgeführt von Aloys Raufer 1813 – 1817 | Großherzog-Karl- Friedrich-Denkmal, geschaffen 1840 – 1844 von Ludwig Michael Schwanthaler, ursprünglich in der Mitte des Schlossplatzes, seit 1967 an seiner heutigen Stelle | zwei Brunnen vor dem Schloss 1864 – 1865 von Karl Philipp Dyckerhoff | Taubenhaus | seit 2012 Spiegel- Wasserbecken, Staudenstreifen. Fläche des Schlossgartens: 21,9 Hektar Ausstattung des Schlossgartens: Seepferd-Brunnen, von Gabriel Grupello 1709 – 1716 (Kopie), versetzt 1824 | Hirschtor 1759 von Melchior Hugnest | Johann-Peter- Hebel-Denkmal von Friedolin Fechtig und Joseph Berckmüller 1835, versetzt 1967 | Hermann- und Dorothea-Gruppe von Carl Johann Steinhäuser 1863 – 1866 | Prinz-Wilhelm-Denkmal von Hermann Volz 1901 | Wassersäulen von Hermann Goepfert und Johannes P. Hölzinger 1967 | Keramik-Eulen von Eva Fritz-Lindner 1967 | See mit Wassergarten und Seeterrassen 1967 | „Schlossgartenbähnle“ 2,7 km lang | Kleinkinderspielplatz BOTANISCHER GARTEN 1808 Anlage des Botanischen Gartens an seinem heutigen Platz durch den Botaniker Carl Christian Gmelin. 1808 – 1819 Bau der ursprünglichen Gewächshäuser und des ersten Wasserbeckens. 1853 – 1857 Errichtung der heute erhaltenen Gebäude des Botanischen Gartens nach Plänen von Heinrich Hübsch: Orangerie, Glashäuser, Torbau und Bogen-Galerie. Ab 1868 Umbau der Gewächshäuser durch Karl Philipp Dyckerhoff und Joseph Berckmüller. Die Orangerie (heute von der Kunsthalle genutzt) hatte ursprünglich ein Glasdach. Der Wintergarten (heute gastronomisch genutzt) wurde jedes Frühjahr ausgeglast und jeden Herbst wieder eingeglast. 1944 Zerstörung der Glasfl ächen der Gewächshäuser. ab 1950 Anlegen von Rasenfl ächen anstatt der beschädigten botanischen Pfl anzungen. 1951 – 1956 Wiederaufbau einiger Gewächshäuser. 1965 – 1969 Bau des Bundesverfassungsgerichts (Architekt: Paul Baumgarten) an der Stelle des kriegsbeschädigten und schließlich abgerissenen Theaters von Heinrich Hübsch. 1967 Bundesgartenschau in Karlsruhe: Bestehende Anlage wird restauriert, das ehemalige Mühlburger Tor von 1817 wird am Nordrand aufgebaut. 2007 Erweiterungsbau des Bundesverfassungsgerichts (Schoelkamp Architektur). ab 2013 Sanierung der Gewächshäuser und des Torbaus durch Ruser+Partner Architekten, Helleckes Landschaftsarchitektur. Fläche: 2,4 Hektar Hinweise zur Ausstattung: Gewächshäuser, zwei Wasserbecken, Heckenrondell, Solitär-Exemplare exotischer Baumarten, Schmuckpfl anzungen, exotische Kübelpfl anzen, Gastronomie Ausstattung mit Kunstwerken: „Orest und Pylades“ von Carl Johann Steinhäuser 1863 – 1874 (aufgestellt 1914) | Plastik „Große Badende“ Christoph Voll um 1930 | Figurengruppe „Kinder mit Karpfen“ Wilhelm Kollmar 1939 12 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 13 NYMPHENGARTEN Der südlich des Naturkundemuseums gelegene Nymphengarten ist beschaulicher als der Friedrichsplatz. Das kommt allen zugute, die sich eine Pause abseits des Einkaufstrubels gönnen möchten. Alte Bäume und Rasenfl ächen, einige Sitzbänke und Steinblöcke prägen das Bild. Das Plätschern des Nymphenbrunnens übertönt angenehm alle störenden Geräusche. Die meisten, die hier sitzen, können sich sicher kaum vorstellen, dass die nackten Schönheiten aus Bronze im prüden 19. Jahrhundert bei einigen braven Bürgern Empörung hervorgerufen haben. Ein älteres Relikt ist die neben dem Sockel des Amalienschlösschens fast versteckte Sandsteintafel, in die Elisabeth Alexejewna, Tochter der badischen Erbprinzessin Amalie von Hessen-Darmstadt und Gemahlin von Zar Alexander I, 1814 das folgende melancholische Gedicht meißeln ließ: „Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen, Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand, Sei immerhin unscheinbar unbekannt, Mein Herz bleibt ewig doch vor allem dir gewogen, Fühlt überall nach dir sich heimlich hingezogen, Fühlt selbst im Paradies sich noch aus dir verbannt.“ Wer diese Zeilen liest, mag sich freuen, nicht von diesem schönen Ort verbannt zu sein. Durch seine Lage an einem großen Einkaufszentrum und an der Haupt-Fußgängerverbindung zwischen Stadtmitte und Südweststadt ist der Nymphengarten trotz seiner relativen Abgeschiedenheit im Bewusstsein der Karlsruher sehr präsent. GELÄNDE DES ERBPRINZENGARTENS FRIEDRICHSPLATZ Heute liegt der gesamte Bereich des ehemaligen Erbprinzengartens inmitten der Karlsruher City. Seine beiden Teile, die durch den Bau des Naturkundemuseums getrennt wurden, unterscheiden sich deutlich in ihrem Charakter. Trotz seiner bewegten Geschichte und einiger Umgestaltungen hat der Friedrichsplatz im Wesentlichen den Charakter eines repräsentativen Schmuckplatzes des 19. Jahrhunderts beibehalten. Das ist nicht nur der zeittypischen Architektur mit zurückhaltenden Nachkriegs-Ergänzungen und der vom ursprünglichen Konzept inspirierten Platzgestaltung, sondern auch der intensiven Pfl ege zu verdanken. Wechselnde Blumenarrangements in den rechteckigen Beeten ergänzen die Wirkung der historischen Fontäne mit Sandsteineinfassung. Zum Glück konnten beim Neubau der Tiefgarage viele der alten Bäume in den Randbereichen erhalten werden. Sie spenden Schatten und geben dem Platz eine räumliche Fassung. Kein Wunder also, dass sich hier sehr viele Menschen gerne aufhalten. Die Beliebtheit des Platzes ist durch die Erweiterung der Einkaufszone nach Süden noch weiter gestiegen. Hinzu kommen viele Veranstaltungen, die hier beispielsweise im Rahmen der Karlsruher Museumsnacht, der Weihnachtsstadt oder der Folkloria abgehalten werden. circa 1730 Anlage eines Gartens im französischen Stil zwischen Landgraben und der künftigen Erbprinzenstraße für den Erbprinzen Friedrich von Baden-Durlach mit einem Gartenhaus nach Plänen von Jeremias Müller. ab 1787 Umgestaltung des Gartens im englischen Stil durch Hofgärtner Johann Michael Schweyckert im Auftrag von Erbprinz Karl Ludwig. 1790 – 1801 Erweiterung des Gartens über die Erbprinzenstraße bis zur heutigen Kriegsstraße, Verbindung der beiden Gartenteile durch eine unterirdische Grotte nach Plänen von Friedrich Weinbrenner. 1801 Bau des Amalienschlösschens (im 2. Weltkrieg zerstört mit Ausnahme des Sockelgeschosses) für Amalie von Hessen- Darmstadt, die Witwe von Karl Ludwig, ebenfalls nach Plänen von Weinbrenner. ab 1865 Bau des „Naturalienkabinetts“ (heute staatliches Museum für Naturkunde) für die Großherzoglichen Sammlungen, geplant vom Großherzoglichen Hofbaumeister Karl Josef Berckmüller; dadurch Teilung des Erbprinzengartens in Nymphengarten und Friedrichsplatz. Der Friedrichsplatz ist nach dem Bauherrn des „Naturalienkabinetts“, Großherzog Friedrich I. von Baden (1826 – 1907) benannt. 1865 – 1869 Bebauung der Nord- und Ostseite des Friedrichsplatzes nach dem Vorbild eines Musterhauses (heute Baden- Württembergische Bank an der Nordwest-Ecke des Platzes mit Fassade von Berckmüller). Gleichzeitig Gestaltung des Friedrichsplatzes als repräsentative Schmuckanlage mit Fontänenbecken und Umzäunung der beiden durch die Erbprinzenstraße getrennten Hälften gemäß den Plänen von Berckmüller. 1891 – 1892 Anpassung des Nymphengartens an die neue Situation durch den städtischen Gartenbaudirektor Friedrich Ries. Errichtung des Nymphenbrunnens. 1957 Bau des Gebäudes der Handwerkskammer an der Nordseite des Friedrichsplatzes, entworfen von Erich Schelling, mit Weiterführung der Arkade des historischen Musterhauses. ab 1961 Bau eines Pavillons für die Badische Landesbibliothek durch das staatliche Hochbauamt Karlsruhe hinter dem Naturkundemuseum. 1965 – 1967 Umgestaltung des Friedrichsplatzes und des Nymphengartens durch Walter Rossow im Zuge der Bundesgartenschau, Versetzung des Nymphenbrunnens. 1975 Bau einer Tiefgarage unter dem Friedrichsplatz. 1976 Neugestaltung des Platzes nach einem Entwurf des Stadtplanungsamtes und Gartenbauamtes unter Wiederverwendung des historischen Fontänenbeckens. Aufhebung der Fahrbahn am nördlichen Platzrand. Hinweise zur Ausstattung: Auf dem Friedrichsplatz: Schmuckpfl anzungen | Fontänenbecken von Karl Mayer 1874 | Figur „springende Panther“ von Andreas Helmling Im Nymphengarten: Alte Solitärbäume | erhaltener Sockel des Amalienschlösschens, entworfen von Friedrich Weinbrenner | Gedenktafel 1814, ebenfalls von Weinbrenner entworfen | Nymphenbrunnen mit der Figurengruppe des Bildhauers Heinrich Weltring 1891 – 1992, 1965 versetzt. Friedrichsplatz Nymphengarten Nymphengarten 14 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 15 ZOOLOGISCHER STADTGARTEN Der Karlsruher Zoologische Stadtgarten wurde unter Denkmalschutz gestellt, weil er sich trotz seiner langen und wechselvollen Geschichte als hervorragend erhaltenes Zeugnis der Freiraumgestaltung der späten 1960er Jahre präsentiert. Anlässlich der Bundesgartenschau 1967 hat man den damaligen Bestand grundlegend überformt. Diese Prägung verleiht dem Park heute einen homogenen Gesamteindruck. Wenn man den Zoologischen Stadtgarten von Norden betritt, wo bis zum Bahnhofsneubau der historische Haupteingang lag, öffnet sich zunächst der Blick auf den Stadtgartensee. Gleich zur Linken könnte man in ein Bötchen der Gondoletta- Bahn steigen, aber wer etwas mehr vom Park erleben will, geht natürlich zu Fuß. Rechts, am westlichen Seeufer, betritt man zunächst den Rosengarten. An der Stelle einer früheren Jugendstilanlage wurde er zur Bundesgartenschau 1967 eingerichtet. Die Ausgestaltung des Grundrisses und der Gerüste für die Kletterrosen sind typisch für diese Epoche: Polygonale und fl ießende Formen, leichte Konstruktionen, offene Räume, schwingende Wege. Am Außenrand versteckt sich ein kleiner Spielplatz unter Bäumen. Manchmal hat man auch Gelegenheit, auf der benachbarten Seebühne ein Konzert mitzuerleben oder einer Märchenerzählerin zuzuhören. Im Übergang vom Rosengarten zum Japangarten entstand 2016 ein neuer Duft- und Tastgarten. Der Karlsruher Japangarten ist einer der ältesten in Deutschland. Nach der Öffnung Japans für Ausländer 1868 hatte ein reges Interesse für das fernöstliche Land eingesetzt. Viele deutsche Wissenschaftler bereisten es, darunter ein Karlsruher Arzt, der 1913 eine Steinlaterne und Samen mit nach Hause brachte. Gartenbaudirektor Ries entwickelte daraus die Anlage an der heutigen Stelle. Der nächste aus Japan zurückkehrende Arzt, Professor Gräff, organisierte Kontakte zur Stadt Nagoya, die 1927 Karlsruhe einen Shintô- Schrein mit zwei Löwenfi guren schenkte.1938 folgte ein weiteres Geschenk, eine dreizehnstöckige Pagode. Die roten Tore, japanisch „Torii“ genannt, baute man nach Plänen aus Nagoya. Für die Gartenschau wurde der renommierte japanische Landschaftsarchitekt Keiji Uyehara engagiert, dessen Trockengarten aus Kies und Felsblöcken (eine symbolische Landschaft) sich am Ufer des Stadtgartensees erstreckt. Ein weiterer Arzt, Professor Choei Ishibashi, dessen Name „Steinbrücke“ bedeutet, spendete eine solche. Diese Beiträge sorgen dafür, dass der Karlsruher Japangarten seinen Original-Vorbildern sehr nahe kommt. An der Wand des Aufl agers der Stadtgartenbrücke kann man das Keramik-Relief „Bremer Stadtmusikanten“ von Emil Sutor besichtigen, das ursprünglich den Tunnel unter der Tiergartenstraße zierte. Die Trennung durch den KFZ- Verkehr aufzuheben und stattdessen den Park unter einer großzügigen Fußgängerbrücke hindurchfl ießen zu lassen war ein Hauptverdienst der Bundesgartenschau. Jenseits der Brücke liegt das am besten erhaltene Relikt des „alten“ Stadtgartens: Die Wolff-Anlage von 1920. Ihr symmetrischer Grundriss und die Umgrenzung durch geschnittene Hecken sind noch erlebbar, wenn auch einseitig nach Osten geöffnet. Die früher vorhandenen üppigen Staudenbordüren, Formbäumchen und weißlackierten Treillagen sucht man allerdings heute vergeblich. Nur die Stele mit dem knienden Jüngling im Heckenrondell entspricht in etwa der Originalsituation. Von der Kaller-Anlage aus der gleichen Epoche blieb allein der Pavillon erhalten. Hinter dem Südeingang liegt gleich rechter Hand der Garten Baden-Baden, von der gleichnamigen Kurstadt anlässlich der Bundesgartenschau 1967 gestiftet. Sein wohl spektakulärstes Element ist die Glas-Kaskade, eine bis heute ungewöhnliche Materialverwendung. Von diesem Garten aus empfi ehlt sich die Besteigung des Lauterbergs, benannt nach Bürgermeister Wilhelm Florentin Lauter, der 1889 seinen Aufbau veranlasste. Der Zweck der massiven Erdbewegungen war die Unterbringung eines gigantischen halbkugelförmigen Wasserreservoirs, das 1977 aus Sicherheitsgründen verfüllt werden musste. Vom Gipfel hat man eine Panorama-Aussicht auf die ansonsten eher ebene Stadt. Der Lauterberg gehört zum Zoologischen Garten, dessen Tiergehege sich im Norden anschließen. Eine neue gärtnerische Errungenschaft in diesem Bereich, ein „vertikaler Garten“, ist an der Nordwand des Dickhäuter- Hauses zu bestaunen. Noch weiter nördlich sind tagsüber immer begeisterte Kinderstimmen vom großen Spielplatz mit der beliebten „Kinder-Autobahn“ zu hören, wo schnittige Sportwagen genauso gemächlich vor sich hin rollen wie Miniatur-Oldtimer. Den Streichelzoo erreicht man ganz in der Nähe des Nordeingangs, nachdem man den Waldstauden- und den Pergolengarten von 1967 passiert hat. Stadtgartensee Luftbild Zoologischer Stadtgarten Stadtgarten mit Gondoletta Elefantengehege Kaller Anlage Vertikaler Garten 16 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 17 1823 Das Sallenwäldchen wird von Garteninspektor Andreas Hartweg als Parkanlage ausgebaut; die „Sauschwemme“, eine gefl utete Kiesgrube, wird zum „Ludwigsee“ umgestaltet, zunächst Nutzung für Bootsfahrten, später für Gefl ügelzucht. Die benachbarte Schießwiese fl utet man im Winter zum Schlittschuhlaufen. 1824 Das Sallenwäldchen geht durch Grundstückstausch mit der Gemeinde Beiertheim in staatliches Eigentum über. ab 1865 Tiergarten in einem Teil des Sallenwäldchens. 1872 Die Stadt Karlsruhe pachtet das Sallenwäldchen und die Schießwiese vom Staat. Umgestaltung durch Garteninspektor Karl Mayer, Galatea-Brunnen aus Zementguss, Milchwirtschaft. 1875 – 1877 Bau der Festhalle (Architekt Josef Durm). Durch den Aushub für die Aufschüttung des Festhallen-Geländes entsteht der Stadtgartensee. 1877 Die Stadt übernimmt den Tiergarten vom privaten Trägerverein. Eingliederung der Stadthallen-Grünanlage, Benennung „Stadtgarten“, Erhebung von Eintrittsgeld. 1889 – 1893 Aufschüttung des Lauterbergs als Standort eines halbkugelförmigen Hochreservoirs für 3,2 Mio Liter Wasser, benannt nach Oberbürgermeister (von 1870 bis 1892) Wilhelm Florentin Lauter. Durch den Aushub entsteht der „Rennbahnsee“ mit einer umlaufenden Fahrradrennbahn (1896 abgerissen), später zu „Schwanensee“ umbenannt. 1894 Erweiterung des Stadtgartens nach Westen bis zur Bahnstrecke an der Beiertheimer Allee. 1899 Erstes Rosarium. 1905 Bau der von Stadtbaurat Strieder entworfenen Gartendirektion an der Ettlinger Straße (heute Zooverwaltung). 1913 – 1915 Flächengewinn durch die Bahnhofsverlegung und Abbau alter Gleisanlagen. Auf diesen Flächen werden der Japangarten nach Ideen von Gartendirektor Friedrich Ries und der Rosengarten angelegt. Der Architekt Wilhelm Vittali baut den Südeingang mit Kolonnaden sowie die westliche und östliche Grenzmauer. 1913 – 1915 Bau des Konzerthauses (Architekten Curjel und Moser). 1919 Die Kaller-Anlage wird vom Großkaufmann Julius Kaller gestiftet, gebaut nach Plänen von Architekt Friedrich Beichel und Gartendirektor Friedrich Scherer (heute nur Pavillon erhalten). 1920 Die Wolff-Anlage wird vom Fabrikbesitzer Friedrich Wolff gestiftet, Planung ebenfalls Friedrich Scherer. 1927 Der Shintô-Schrein (von Jutsujiro Yamada) mit Löwenfi guren (vonYasuke Araki), Geschenke der Stadt Nagoya, sowie die Torii-Pforten nach Bauplänen aus Nagoya werden im Japangarten errichtet. 1938 Pagode im Japangarten, ebenfalls ein Geschenk der Stadt Nagoya. 1952 – 1953 Abriss der kriegsbeschädigten Festhalle, Neubau der Schwarzwaldhalle (Architekten Erich Schelling und Ulrich Finsterwalder). 1952 – 1955 Bau des Tullabades im Sallenwäldchen, ebenfalls nach Plänen von Erich Schelling. 1966 Eröffnung der Nancyhalle, ebenfalls von Architekt Erich Schelling. 1967 Bundesgartenschau (Gesamtleitung: Robert Mürb und Walter Rossow). Einzelplanungen: Jürgen Klahn, Helmut Gerneth, Dietrich Heckel, Helmut Kirsch. Umwandlung der Tiergartenstraße in eine Fußgängerbrücke über den Park, Verbindung und Umformung der beiden Seen, Gondoletta, Umgestaltung und Erweiterung des Japangartens durch Prof. Keiji Uyehara, Abriss und Neubau des Rosengartens (Robert Mürb und Jürgen Klahn), Abriss und Neubau der Kaller-Anlage (außer Pavillon), Öffnung und Vereinfachung der Wolff-Anlage, Garten Baden-Baden, entworfen von Walter Rieger, Seebühne, geplant von Gernot Kramer, Christoph Blomeier und Hans-Georg Böhler, Spielplätze, „Kinderautobahn“, Modernisierung der Zoo-Gehege, Streichelzoo. 1977 Verfüllung des Hochreservoirs auf dem Lauterberg. 1980 Prof. Choei Ishibashi schenkt dem Japangarten eine Steinbrücke. 1990 Bau der Gartenhalle (Architekt B. Meyer). Neugestaltung des Spielplatzes am Sallenwäldchen. 2007 Wettbewerb Zooerweiterung. 2010 Brand im Streichelzoo, Neuanlage neben dem Nordeingang. 2012 – 2015 Realisierung des Umbaus des Tullabades zum Exotenhaus. 2014 Vertikaler Garten an der Erweiterung des Dickhäuterhauses. Fläche: 20,2 Hektar, davon 8,1 Hektar Zoo Hinweise zur Ausstattung: Themengärten, zahlreiche Aufenthaltsbereiche, Lauterberg als Aussichtshügel, Gondoletta, Seebühne, Gastronomie, Tiergehege, Spielplatz „Rosengarten“, Spielplatz „Sallenwäldchen“, „Kinderautobahn“ Ausstattung mit Kunstwerken: „Stier“ von Isidore-Jules Bonheur 1865, seit 1986 am heutigen Standort | Denkmal für Wilhelm Lauter von Hermann Volz 1892 – 1895 | „Hirtenmädchen“ (Hadumoth), Heinrich Weltring 1902 | „Flötenspieler“ (Audifax), Christian Elsässer 1906 – 1908 | „Der Steinwerfer“, Konrad Taucher 1909, 1944 im Stadtgarten aufgestellt | Kindergruppe mit Ziegenbock, Wilhelm Sauer 1916 | Kindergruppe mit Schwan (ursprünglich Kaller-Anlage), Otto Feist 1917 – 1919 | „liegende Flora“, Georg Schreyögg 1918 – 1919 | Keramikrelief „Bremer Stadtmusikanten“ von Emil Sutor 1921 – 1923 | „Kauernde“, Hermann Föry 1922, seit 1930 in der Wolff-Anlage | Brunnenstele von Robert Ittermann 1927 (in der Wolff-Anlage) | Friedrich-Ries-Denkmal, Heinrich Bauser 1927, aufgestellt 1967 | „Eva“, Christoph Voll 1931 – 1934 | „Jüngling“, Christoph Voll 1933 | „Sitzendes Mädchen“, Carl Egler um 1955 | Sonnenuhr als Weltzeituhr von Ernst Kibler 1967 Besonderheiten: Gartendenkmal, eintrittspfl ichtig Duft- und Tastgarten Rosengarten Stadtgarten Gondoletta Japangarten 18 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 19 BEIERTHEIMER WÄLDCHEN Entlang der Landstraße nach Beiertheim richtete die Obrigkeit schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts für die Bürgerinnen und Bürger Karlsruhes die erste öffentliche Promenade in dem dort vorhandenen Waldstreifen ein. Obwohl ringsherum nach und nach immer mehr Flächen bebaut wurden, blieb dieser Grünzug bis heute erhalten. Seine langgestreckte Form eignet sich hervorragend für Joggen, Nordic Walking, Spaziergänge mit Hund (ein Teil ist als Hunde-Freilauffl äche ausgewiesen) und natürlich mit Kinderwagen, unterbrochen von einem Stopp auf dem mittig gelegenen Spielplatz. Trotz der geringen Breite und des auf ganzer Länge parallel verlaufenden KFZ-Verkehrs schaffen die Sträucher, die den Rand abschirmen, und die Ausmuldung des Geländes einen Eindruck von Geborgenheit. Die natürliche Senke ist ein Relikt der nacheiszeitlichen Kinzig-Murg-Rinne. Vorwiegend im schmäleren Teil der Anlage westlich der Beiertheimer Allee reihen sich Denkmäler bedeutender Karlsruher Persönlichkeiten aus Kunst, Politik und Wissenschaft. Spielerisch geht es auf dem Minigolfplatz am nördlichen Ende des Beiertheimer Wäldchens zu. 1805 Ein Streifen beiderseits der Beiertheimer Allee geht in staatliches Eigentum über und wird unter der Leitung von Hofgärtner Hartweg zu einer Promenade ausgebaut. 1844 Die Hauptbahnstrecke nach Rastatt entlang der Beiertheimer Allee wird eröffnet. um 1870 Der Teil nördlich der heutigen Hermann-Billing-Straße fällt Rangiergleisen zum Opfer. 1896 Das Beiertheimer Wäldchen geht in städtischen Besitz über. 1913 Verlegung des Hauptbahnhofs, Aufl ösung der Bahnstrecke, dadurch Verbreiterung der Promenade. 1966 Bau eines Spielplatzes. Hinweise zur Ausstattung: Minigolf-Anlage, Spielplatz für verschiedene Altersstufen. Ausstattung mit Denkmälern: Georg-Ludwig-Winter- Denkmal, 1845 – 1855 von Franz Xaver Reich (Figur), Friedrich Theodor Fischer (Sockel) | Franz-Grashof-Denkmal, 1896 von Friedrich Moest | Carl-Drais-Denkmal, 1892 –1893 von Theodor Haf | Carl-Benz-Denkmal, 1934 – 1935 von Ottmar Schrott- Vorst | Robert-Haass-Denkmal, 1908, Relief 1955 von August Meyerhuber. FESTPLATZ Bevor die neue Messe nach Rheinstetten zog, fanden auf dem Festplatz nördlich des Zoologischen Stadtgartens große Ausstellungen statt. Diese Nutzung hat sein Aussehen geprägt. Teile, die davon nicht berührt wurden, sind die Anlagen westlich der Stadthalle und östlich des Kongress- Hotels und der Vorbereich des Vierordtbades. Dieser Vorplatz mit seinem Pfl asterrondell, in dessen Mitte sich die fi gurengeschmückte Bronze-Schale des Hygieia-Brunnens erhebt, hat seit der Verlegung des Haupteingangs zu der traditionsreichen Badeanstalt seine ursprüngliche Funktion verloren. Der kurzzeitig als Cafégarten genutzte Bereich westlich der Stadthalle kontrastiert durch seine dichte, kleinräumige Bepfl anzung und die verschiedenen Niveaus mit dem ebenen, offenen Festplatz. Seine Formen und Materialien sind ein typisches Zeugnis der Gartengestaltung der 1980er Jahre. Freiraumgestaltung jüngeren Datums manifestiert sich im Vorbereich des Kongress-Hotels: Heckenstreifen wechseln mit Streifen aus Schmuckbepfl anzung, rhythmisiert durch quer stehende Betonbänke. Von der erhöhten Hotel-Terrasse überblickt man die zum Schloss führende Ettlinger Straße (Via Triumphalis). 1871 – 1873 Bau des Vierordtbades (Architekt Josef Durm), gestiftet von Bankier Heinrich Vierordt. 1913 – 1915 Bau des Konzerthauses (Architekten Curjel und Moser). 1915 Vollendung der Stadthalle , ebenfalls von Curjel und Moser. Einrichtung des Festplatzes in seiner heutigen Form anlässlich des 200-jährigen Stadtgeburtstags, der aber kriegsbedingt nicht gefeiert wurde. 1952 – 1953 Abriss der kriegsbeschädigten, 1877 von Josef Durm gebauten Festhalle, Neubau der Schwarzwaldhalle (Architekten Erich Schelling und Ulrich Finsterwalder) an gleicher Stelle. 1955 Wasserspiele und Grünanlagen entlang der Ettlinger Straße. 1966 Eröffnung der Nancyhalle (ebenfalls Architekt Erich Schelling) anlässlich der kommenden Bundesgartenschau. 1967 Ausstellungsfl äche „Arzneipfl anzengarten“ auf dem Festplatz. 1979 – 1980 Tiefgarage unter weiten Teilen des Festplatzes. 1983 – 1985 Abriss der alten Stadthalle mit Ausnahme der Kolonnade, Neubau mit alter Kolonnade nach Plänen von Herman Rotermund und Christine Rotermund- Lehmbruck. Neugestaltung des Umfeldes durch die städtische Projektgruppe Endisch, Jeuter, Pankow und Stock. 1993 – 1994 Wiederaufbau des Portikus des Konzerthauses. 2000 – 2002 Kongress-Hotel der Architekten Schweger & Partner (Sieger des vorangegangenen Wettbewerbs). 2000 Mehrfachbeauftragung zur Neugestaltung des Festplatzes. 1. Preis Agence Ter: (Konzept mit Heckenstreifen vor dem Hotel wurde realisiert.) Ausstattung mit Denkmälern: Hygieia-Brunnen (Johannes Hirt 1905-09, gestiftet von Wilhelm Klose); Steinsetzung mit dem japanischen Schriftzug „Ein glückliches langes Leben“ (gestiftet von Prof. Choei Ishibashi 1988). Freiherr Carl von Drais 20 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 21 SCHLOSSGARTEN DURLACH Ebenso wie die Stadt Durlach um einiges älter ist als Karlsruhe, blickt auch der Durlacher Schlossgarten auf eine längere Geschichte zurück als die Karlsruher Schlossanlagen. Mitte des 16. Jahrhunderts verlegte Markgraf Karl II. seine Residenz von Pforzheim nach Durlach. Aus diesem Anlass ließ er nicht nur ein kleines Jagdschloss zu der repräsentativen „Karlsburg“ ausbauen, sondern dazu auch einen standesgemäßen Lustgarten anlegen. Nordöstlich gliederte sich ein ausgedehnter Küchengarten an, dahinter ein Gartengelände mit Turnierbahn. Diese beiden Teile der Anlage sowie der Teil des Lustgartens nördlich der historischen Kastanienallee sind seit dem 19. Jahrhundert überbaut. Lange Zeit blieb das Wegesystem aus der Phase der barocken Überarbeitung des Gartens fast unverändert. Was heute an die typische Formensprache eines klassischen Landschaftsgartens mit seinen geschwungenen Wegen und seiner freien Baumstellung erinnert, wurde erst 1904 nach der hier abgehaltenen Gewerbe- und Industrieausstellung geschaffen. Heute profi tiert der umfriedete Garten von eindrucksvollen alten Bäumen, weiten Rasenfl ächen und gepfl egten Beeten, die eine entspannte Atmosphäre schaffen. Die heckenumgrenzten Spielplätze sind besonders an heißen Sommertagen beliebt, weil sie im kühlen Schatten der Baumkronen liegen. Einen Anziehungspunkt bildet der Rosengarten, der um den Nibelungenbrunnen herum angelegt wurde. Dieser Jugendstilbrunnen hatte vor seiner Verlegung die Rosenanlage des Stadtgartens geschmückt. Seit 2008 wird nach und nach durch behutsame Maßnahmen wie das Öffnen von Sichtbeziehungen oder die Pfl anzung von Hecken der Raumeindruck des verschwundenen Barockgartens wieder erlebbar gemacht. Beim Betreten oder Verlassen des Schlossgartens kann man am westlichen Zugang antike römische Skulpturen betrachten. Sie sind im Lapidarium, dem ehemaligen Toilettenhäuschen, untergebracht, das durch einen geschickten Umbau zu unerwarteten Ehren gekommen ist. ab 1565 Fertigstellung der Karlsburg in Durlach (als Ausbau eines bestehenden Jagdschlosses), Errichtung eines Renaissance-Lustgartens mit einem feuerspeienden Herkules aus Bronze. Nordöstlich der heutigen Karlsburgstraße entsteht ein Küchengarten, anschließend der „Bauhofgarten“ mit Turnierbahn (Teile der heutigen Karl-Weysser-Straße). 1689 Zerstörung Durlachs und der Karlsburg im Pfälzer Erbfolgekrieg durch die Truppen von Ludwig XIV. 1698 – 1702 Wiederaufbau der Karlsburg, wegen Geldmangels und politischer Schwierigkeiten vorzeitig eingestellt. Nur der heute erhaltene „Prinzessenbau“, die Kapelle und der Marstall werden erneuert. Der „Kavaliersbau“ (nach Plänen von Domenico Egidio Rossi und Giovanni Mazza) ist der einzige ausgeführte Teil des geplanten großen Schlosses. vermutlich Barocke Umgestaltung des Gartens Kastanienallee (eine der ersten in Deutschland), Fischteich, Gartentheater, Parterres. 1880 Der Durlacher Schlossgarten wird eine öffentliche Anlage. 1903 Die Gewerbe- und Industrieausstellung Durlach wird im Schlossgarten abgehalten. Ein rundes Fontänenbecken wird angelegt. Das barocke Wegesystem existiert noch fast unverändert. 1964 – 1965 Abbruch des Rosengartens im Stadtgarten im Zuge der Bauarbeiten für die Bundesgartenschau, Versetzung des Nibelungenbrunnens nach Durlach. 1985 Das Gartenbauamt erarbeitet ein Entwicklungs- und Pfl egekonzept für den Schlossgarten Durlach. 1992 Umgestaltung der Vorfl ächen der Karlsburg. ab 2008 Behutsame Erneuerung, Herausarbeitung der alten Strukturen. 2011 Eröffnung des Lapidariums mit römischen Skulpturen. 2015 Umgestaltung des Beckens von 1903 mit Umgebung als Abschluss der behutsamen Erneuerung. Fläche: 3 Hektar Hinweise zur Ausstattung: Kleinkinderspielplatz, Spielplatz für verschiedene Altersstufen mit zahlreichen Bewegungsgeräten, Wasserbecken, Brunnen, Rosengarten Ausstattung mit Denkmälern: Lapidarium; „Pulverturm“, rundes Steinhaus mit Kegeldach, wohl 18. Jahrhundert; „Nibelungenbrunnen“ aus dem Rosengarten im Karlsruher Stadtgarten, 1914 – 1915 von Otto Feist entworfen, ausgeführt durch Bildhauer Dominik Schoch, 1965 hierher versetzt | Figur einer weiblichen Schlittschuhläuferin, Zementguss, Ende 19. Jahrhundert, als Allegorie des Winters ursprünglich im Karlsruher Stadtgarten | „Karthagerin“ (weitere Figur aus dem Stadtgarten) | Engelfi gur, vermutlich vom Durlacher Friedhof | Kompositkapitelle von den Säulen am Portal der alten Karlsburg, um 1565 | Sandstein-Stele mit Fingerlabyrinth, 2011 von Oliver Stefani um 1700 22 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 23 ALTER FRIEDHOF Begräbnisstätten, die nicht mehr genutzt werden, entwickeln sich je nach ihrer speziellen Situation in unterschiedliche Richtungen. Vielerorts sind aufgelassene Friedhöfe als Stätten der Erinnerung weitgehend unverändert erhalten geblieben. An der Stelle des ältesten Karlsruher Gottesackers befi ndet sich hingegen heute der Marktplatz. Auch der zweitälteste, in der östlichen Innenstadt gelegene Friedhof konnte nicht unverändert bleiben. Wenn ein so dringender Bedarf an nutzbarer Grünfl äche besteht wie in diesem Stadtviertel, dann muss sich der ehemalige Begräbnisplatz anpassen. Den neuen Bedürfnissen wurde durch die Einrichtung von Spielplätzen, Bolzplatz und Basketballplatz Rechnung getragen. Es entstand ein spannungsvoller Kontrast zu den ruhigen, baumbestandenen Grasfl ächen mit den Zeugnissen einer stilleren Vergangenheit. Einige davon sind besonders markant: Die neugotische ehemalige Friedhofskapelle, die romantische Gruftenhalle aus der gleichen Epoche, das aufwändige Monument für die preußischen Soldaten, die im Kampf gegen die badischen Revolutionäre gefallen waren, sowie das majestätische Grabmal des wortgewaltigen Hofpredigers Walz, dessen Standort durch die Verlängerung der Waldhornstraße noch an Prominenz gewonnen hat. Diese neue Achse verbindet den Alten Friedhof mit dem Stadtpark Südost und bettet ihn noch besser als früher in das Grünsystem Karlsruhes ein. 1781 Erste Bestattungen auf dem Gewann Lohfeld. 1784 Der Friedhof wird von einer Mauer umgeben. 1804 Offi zielle Eröffnung des Friedhofs auf dem Gewann Lohfeld als städtischer Friedhof. 1818 Erste Erweiterung des Friedhofs auf dem Gewann Lohfeld. 1837 Bau der Friedhofskapelle nach Plänen von Friedrich Eisenlohr. 1841 – 1842 Bau der Gruftenhalle nach Plänen von Karl Küntzle. 1848 Errichtung des Denkmals für die Opfer des Theaterbrandes von 1847. um 1850 Zweite Erweiterung. 1874 Eröffnung des neuen Hauptfriedhofs und Schließung des Friedhofs auf dem Gewann Lohfeld. 1882 Letzte Bestattungen auf dem alten Friedhof. Allmähliche Überführung in eine Parkanlage, Umbenennung des Westteils in „Lutherplatz“. Die Südwest-Ecke wird vom Bahnhof der Lokalbahn und Nebengebäuden eingenommen. 1903 – 1905 Bau der Schillerschule am Nordrand des ehemaligen Friedhofs. 1937 – 1938 Bau des heutigen Landesvermessungsamtes (Planung Stadtbaurat Robert Amann) südlich der Kapelle. 1950er Umgestaltung mit Spielplätzen, Neubau der Sporthalle der Schillerschule im Friedhofsgelände. 1982 – 1983 Neuordnung des Alten Friedhofs: Zusammenfassung der Denkmäler in drei Bereichen, dazu Umsetzung vieler Grabmale, Hinweistafel aus Bronze, neue Ausstattung der vorhandenen Spiel- und Sportplätze. 2002 – 2003 Friedrich-List-Schule, entworfen vom Architekturbüro Rossmann+Partner, entsteht am Südrand des alten Friedhofs | Verlängerung der Achse Waldhornstraße. Hinweise zur Ausstattung: Bolzplatz, Basketballplatz, Kinderspielplätze mit Kletter-, Bewegungs- und Wasserspielmöglichkeiten. Ausstattung mit Denkmälern: Friedhofskapelle; Gruftenhalle; Denkmal für die Opfer des Theaterbrandes 1847 von Franz Xaver Reich 1848 | Denkmal für die 1849 gefallenen preußische Soldaten, gestaltet von Friedrich August Stüler und Friedrich Eisenlohr 1852 | Denkmal für 1870 – 1871 gefallene deutsche und französische Soldaten; zahlreiche historische Grabmale. THEATERPLATZ Auf dem Gelände, das heute vom Badischen Staatstheater und dessen Vorplatz ausgefüllt wird, befanden sich zuvor andere prominente Gebäude: Der alte Karlsruher Hauptbahnhof von1843 bis 1913 und die Markthalle von 1934 bis 1970. Die heutige Nutzung ergab sich, als nach dem zweiten Weltkrieg das Theater von Heinrich Hübsch am Schloss beschädigt war. Damals wurden unterschiedliche Überlegungen zu einem Neubau angestellt. Die Wahl fi el schließlich auf den Standort Markthalle. Der Entwurf des Theater-Neubaus vom Architekturbüro Bätzner ließ Raum für einen großzügigen Vorplatz. Dieser wurde nach einem Künstler-Wettbewerb durch den Bildhauer Erich Hauser in den Formen des Violin- und Bass-Notenschlüssels gestaltet. Ein weiterer Bildhauer sorgte etwas später für angeregte Diskussionen: Jürgen Goertz, der Schöpfer des „Musengauls“. Diese Plastik wurde 1981 vor dem Gebäude aufgestellt. Wegen der geplanten Erweiterung des Staatstheaters wird sich die Gestaltung des Theaterplatzes wesentlich verändern. 1934 Eröffnung der Markthalle an der Stelle des ehemaligen Hauptbahnhofs und des heutigen Staatstheaters. Teile des früheren Bahnhofsgebäudes werden als „kleine Markthalle“ mitgenutzt. 1963 Wettbewerb zum Neubau des Badisches Staatstheaters auf dem Gelände der Markthalle. Drei Planungsteams werden zur Weiterentwicklung ihrer Entwürfe aufgefordert. Die Gutachterkommission empfi ehlt den Entwurf des Büros Bätzner zur Ausführung. Beteiligter Landschaftsarchitekt ist Walter Rossow. 1975 Einweihung des Badischen Staatstheaters. Bau der Tiefgarage (Planung Büro Anselment). Auslobung eines Künstler-Wettbewerbs für die Gestaltung des Bereichs auf der Tiefgarage. Sieger: Bildhauer Erich Hauser. Sein Entwurf zeichnet mit zwei Wasserbecken, Mauern und Pfl anzungen die Formen des Violin- und des Bass-Notenschlüssels nach. Die ursprünglich von Walter Rossow vorgesehene Randbepfl anzung wird an Hausers Entwurf angepasst. 1977 Fertigstellung und Übergabe des Theaterplatzes. 1981 Aufstellung der Plastik „Musengaul“ von Jürgen Goertz als Leihgabe des Landes vor dem Theatereingang. Ursprünglich war die Plastik 1974 für den Innenraum des Theaters entworfen aber abgelehnt worden. 1990 Skulpturenausstellung auf dem Theaterplatz. 2010 Errichtung des Informationspavillons „K-Punkt“ ( Kränzle + Fischer-Wasels Architekten) mit Café für die Zeit der Bauarbeiten der Kombilösung zur Weiterentwicklung des Straßenbahnnetzes. 2014 Wettbewerb „Sanierung und Erweiterung des Badischen Staatstheaters“. Mit der weiteren Planung wird das Büro Delugan-Meissl mit Wenzel und Wenzel beauftragt. Hinweise zur Ausstattung: Informationspavillon „K-Punkt“ mit Café (temporär), Wasserspiele, Skulptur „Musengaul“ von Jürgen Goertz. 24 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 25 SÜDSTADT-GRÜNZUG Die Karlsruher Südstadt entstand als typisches Arbeiterviertel des 19. Jahrhunderts hinter dem damaligen Hauptbahnhof: Extrem dicht bebaut und ursprünglich ganz ohne öffentliche Grünanlagen. Bis zum Zweiten Weltkrieg diente nur das benachbarte Sallenwäldchen den Bewohnerinnen und Bewohnern der „Eisenbahnervorstadt“ als Erholungsfl äche. Durch die Kriegszerstörung bot sich die Chance einen Teil der zerbombten Fläche zur Schaffung eines Grünzugs zu nutzen. Die grüne Schneise führt durch das Innere der Häuserblöcke und bietet Gelegenheiten zu Bewegung, Spiel und Erholung für jedermann. Der langgestreckte Park hat schon mehrere Umgestaltungen erfahren. Die Bäume, die in der ersten Bauphase der 1970er Jahre gepfl anzt wurden, sind groß geworden und spenden wohltuenden Schatten in dem ansonsten kaum durchgrünten Quartier. In jüngerer Zeit ist der Indianerspielplatz aus Robinienholz hinzugekommen, dessen Tipis auf den Spitznamen der Südstädter Bezug nehmen: Sie werden „Indianer“ genannt, seit hier 1891 die berühmte Buffalo-Bill-Show gastierte. 1857 Bebauungsplan für die Südstadt. 1951 Festlegung eines Grünzugs auf ehemals bebautem, kriegszerstörten Gelände im Rahmen des „Aufbauplans Südstadt“. 1975 Herstellung des Grünzugs. 1975 Einweihung der Anlage. 1981 – 1986 Neuordnung des Grünzugs durch das Gartenbauamt. 1989 – 1990 Sanierungssatzung und Bebauungsplan für den betreffenden Teil der Südstadt. 1994 Bau einer Tiefgarage unter dem Grünzug westlich der Wilhelmstraße. Neugestaltung des Bereichs: Karl Bauer. 2004 Eröffnung des Indianerspielplatzes am 24. Juli unter Mitwirkung einer Freizeit-Indianergruppe. Hinweise zur Ausstattung: Spielplätze für jüngere und ältere Kinder, Ruhebereiche, Bolzplatz mit Kunstrasen, Hartplatz, Basketball HILDAPROMENADE Die Spaziergänger in der Hildapromenade bewegen sich heute sehr viel gemächlicher als ihr erster Nutzer, die Eisenbahn. Die Gleise entfi elen durch die Umleitung der Strecke nach dem Bau des neuen Hauptbahnhofs 1913. Was blieb, war ein 2,3 Kilometer langer und durchschnittlich 50 Meter breiter Grünstreifen, der an die dicht besiedelten Quartiere Weststadt und Mühlburg angrenzt und entsprechend intensiv genutzt wird. Anlässlich des 1986 ausgeschriebenen Wettbewerbs, dem die Hildapromenade einschließlich ihrer westlichen Fortsetzung Ludwig-Marum-, Seldeneck- und Sonnenstraße ihr heutiges Aussehen verdankt, gab es Überlegungen, sie durch Baumgruppen zu untergliedern. Man beschloss jedoch, die besondere räumliche Qualität der außerordentlichen Länge beizubehalten. Trotz der einheitlichen Gestaltung mit seitlichen Baumreihen und Rasen in der Mitte mangelt es der Hildapromenade nicht an besonderen Akzenten, die im Folgenden nacheinander erwähnt werden sollen. Beginnend bei der Christuskirche am Mühlburger Tor stößt der Spaziergänger schon nach wenigen Schritten auf die Lina-Sommer-Anlage. Es wäre möglich, dass sich ihre Gestalter am Vorbild des verloren gegangenen Rosengartens im Stadtgarten orientiert haben, denn sie scheint dessen kleinere und einfachere „Schwester“ zu sein. Mit ihrer hohen Umrandung bildet sie ein ruhiges „grünes Wohnzimmer“ für Erholungssuchende aus der Umgebung. Man fühlt sich hier fast ins frühe zwanzigste Jahrhundert zurückversetzt. Der Haydnplatz, der sich weiter westlich an die Hildapromenade angliedert, entstand in einer der vornehmsten Gegenden Karlsruhes: Im Musikerviertel. Entlang der Straßen, die nach berühmten Komponisten benannt sind, wohnten von Anfang an Rechtsanwälte, Fabrikanten und Bankiers unter Ihresgleichen. Inspiriert wurde die Anlage durch die eleganten englischen „crescents“, bogenförmige Häuserzeilen mit grüner Mitte. Die Platzgestaltung ist zwar etwas bescheidener ausgefallen als es sich der Planer des Ensembles Heinrich Sexauer vorgestellt hatte; der erste Weltkrieg kam dazwischen und nach dem zweiten Weltkrieg waren die Mittel ebenfalls beschränkt. Dennoch ist das großbürgerliche Flair bis heute erhalten geblieben. Passend zu den Straßennamen der Umgebung nahmen 1973 die Figuren „Orpheus“ und „Eurydike“ den leeren Platz der zwei nie gegossenen Rosse- Statuen ein, deren Bronze für Kanonen statt für Kunstwerke gebraucht worden war. Auch wenn vielleicht nicht jedem Besucher spontan die Namen der Figuren einfallen, stellt doch die Harfe des Orpheus den richtigen Bezug zum Stadtviertel her. Vom Plätschern des Brunnens kann man sich in eine entspannte Stimmung versetzen lassen. Nach dem Passieren eines schattigen Kleinkinderspielplatzes im Mittelstreifen der Hildapromenade und eines sonnigen Sandbereichs an der ehemaligen Reithalle öffnet sich nach Süden eine größere Freifl äche auf dem Gelände der früheren Dragonerkaserne. Wer im Frühjahr kommt, erreicht auf einem diagonalen Weg unter Toren aus blühenden Glyzinien eine Gruppe von Wassersäulen, die einen Bezug zu dem sehr ähnlichen Brunnen im Schlossgarten erahnen lassen. Links davon toben sich ältere Kinder auf Spielgeräten aus, die echte Herausforderungen bieten. Rechts nutzen fast immer sportbegeisterte Menschen den Bolzplatz. Wer dann immer noch nicht müde ist, kann nebenan noch eine Runde Tischtennis spielen. Das Geschehen im Park betrachtet man am besten von den ruhigeren Bereichen mit Staudenpfl anzungen an den beiden Sporthallen aus. 26 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 27 1862 Bau des Bahnhofs Mühlburg (am heutigen Fliederplatz), Eröffnung der Maxaubahn (Pfalzbahn). 1913 Einrichtung der Hildapromenade als Grünstreifen nach Wegfall der Maxaubahn. 1926 Gestaltung des Fliederplatzes nach Plänen des Karlsruher Gartendirektors Friedrich Scherer. 1986 Städtebaulicher Ideenwettbewerb Hildapromenade vom Mühlburger Tor bis zur Neureuter Straße, 1. Preis: Klahn+Singer Landschaftsarchitekten. 1990 Neugestaltung des Zugangs zur Christuskirche (außerhalb des Wettbewerbsgebiets). 1998 Fertigstellung des Wettbewerbsprojekts. 2010 Neugestaltung des Fliederplatzes durch das Büro Klahn+Singer+Partner, was zur Aufhebung der Fliederstraße vor dem Kinder- und Jugendtreff führte. Hinweise zur Ausstattung: Kleinkinderspielplatz auf Höhe der Virchowstraße, Spielplatz mit Kletterlandschaft, Bolzplatz mit Fangnetzen auf Höhe der Draisschule. LINA-SOMMER-ANLAGE 1930 Einrichtung eines Rosengartens zwischen Stabelstraße und Kochstraße. 1933 Der Rosengarten wird nach der pfälzischen Mund- artdichterin Lina Sommer (1862 – 1932) benannt. Hinweise zur Ausstattung: Historische Rankgerüste und Stufen, Lina-Sommer-Büste von Wilhelm Kollmar (aufgestellt 1935). HAYDNPLATZ 1894 Baufl uchtenplan mit einem halbkreisförmigen Platz. 1913 Baubeginn der Platzgestaltung. Die zwei monumentalen Ross-Figuren des Münchner Bildhauers Bernhard Bleeker für den Brunnen, die nach der ursprünglichen Planung vorgesehen waren, wurden jedoch nie aufgestellt. 1913 Einrichtung der Hildapromenade nach Wegfall der Maxaubahn am Südrand des Platzes. 1955 Umgestaltung des Platzes. 1973 Aufstellung von zwei Plastiken des Bildhauers Emil Sutor „Orpheus“ und „Eurydike“ auf den bisher leeren Sockeln. Dem Bewegungsdrang der Kinder wird ein Stück weiter entlang der Hildapromenade wiederum einiges geboten. Neben einem reich ausgestatteten Spielbereich für jede Altersstufe befi ndet sich ein von Fangnetzen umgebener Ballplatz. Die Laubengänge und Heckenstreifen, die Beginn und Ende dieser Aktivzone markieren, stellen den Zusammenhang zum Pergolen umgrenzten Fliederplatz her, der sich drei Häuserblöcke weiter westlich in die Hildapromenade schiebt. Noch vor nicht allzu langer Zeit durchtrennte eine Straße den ehemaligen Standort des Bahnhofs Mühlburg und dessen Vorplatz. Heute ist der Bereich frei vom Autoverkehr. Kinder dürfen gefahrlos herumrennen und das vielfältige Angebot nutzen. Vor dem ehemaligen Bahnhofsgebäude, in dem heute der Kinder- und Jugendtreff untergebracht ist, bietet ein erhöhter und farblich betonter Kreis in der Platzmitte Raum für diverse Veranstaltungen. Stadtauswärts reicht die Hildapromenade jenseits des Fliederplatzes noch ein ganzes Stück weiter und endet erst an der Neureuter Straße. Sie stellt eine der wichtigsten Grünverbindungen im Karlsruher Stadtkörper dar. EHEMALIGE DRAGONERKASERNE 1843 Die Dragonerkaserne wird für das 1803 gegründete 1. Badische Leib-Dragoner-Regiment Nr. 20 errichtet. 1973 Die Stadt Karlsruhe erwirbt das Kasernengelände vom Bund unter der Bedingung, es einer öffentlichen Nutzung zuzuführen. 1982 Städtebaulicher Ideenwettbewerb Dragonerkaserne, 1. Preis: Architekt Rainer Henning. 1990 Einweihung der Dragoner-Sporthalle (Rossmann + Partner Architekten) an der Blücherstraße und der für den Budo-Club umgebauten Dragoner-Reithalle. 1991 Fertigstellung der Grünanlage (Planung Gartenbauamt). Hinweise zur Ausstattung: Brunnen mit Wassersäulen aus Sandstein, Rankbögen entlang des Hauptweges, Fußball, Tischtennis, Kleinkinderspielplatz, Kletternetz und Bewegungsgeräte für größere Kinder und Jugendliche, Heckenräume FLIEDERPLATZ Hinweise zur Ausstattung: Pergolen, erhöhte Platzmitte, Tischtennis, Basketball, Wasserstelle, Trampolin, Kleinkinderspielplatz Fliederplatz Dragonerkaserne 28 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 29 LINDENPLATZ IN MÜHLBURG Heute liegt der Mühlburger Lindenplatz ein bisschen verschlafen jenseits der großen Verkehrsströme, ganz im Westen Karlsruhes. Es ist kaum zu glauben, dass er einst den Mittelpunkt des Lebens in Mühlburg bildete. Kirche, Markt, Rathaus, alles war hier versammelt. Die Kirche ist als prägendes Element geblieben. Vor ihr liegt ein ruhiger Platz mit grünem Rand, wassergebundener Decke, einem Sandsteindenkmal und einem Baumdach. Das neue Linden- Geviert muss sich allerdings noch etwas entfalten, um dem Platznamen Ehre zu machen. Ergänzt wird das Bild durch einige schlichte Sitzgelegenheiten und Kleinkinder-Spielgeräte. Mehr war nicht nötig, denn ein großer Spielbereich für alle Altersstufen ist auf dem Fliederplatz in unmittelbarer Nähe vorhanden. Manchmal bringen Veranstaltungen in der Kirche oder im benachbarten Kulturzentrum „Tempel“ etwas Trubel auf den Platz, doch wer Ruhe sucht, ist hier meistens richtig. 1786 Bau der evangelischen Pfarrkirche nach den Plänen von Johann Friedrich Weyhing an der Stelle des früheren Kirchen- und Rathauses. 1844 Carl Benz wird in der evangelischen Pfarrkirche getauft. 1886 Eingemeindung Mühlburgs in die Stadt Karlsruhe, Umbenennung des Marktplatzes in „Lindenplatz“. 1965 Umgestaltung des Lindenplatzes, Entfernung des Wasserbeckens, Versetzung des Kriegerdenkmals, Spielplatz. 1983 Neugestaltung mit rundem Spielbereich. 2006 Mühlburg wird Sanierungsgebiet. Bürgerbeteiligungsverfahren. Der Lindenplatz ist der erste Platz, der im Rahmen des Programms „soziale Stadt Mühlburg“ saniert wird. ab 2010 Neugestaltung durch das Gartenbauamt. Hinweise zur Ausstattung: Kriegerdenkmal 1887 von Friedrich Wilhelm Volke, Spielgeräte für Kleinkinder SONNTAGPLATZ Ähnlich wie die Südstadt ist auch die Karlsruher Südweststadt ein dicht bebautes Stadtviertel, das sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts aus Industrieansiedlungen südlich der Kriegsstraße entwickelte. Grünfl ächen waren ursprünglich nicht vorgesehen. Was übrig blieb, war eine Restfl äche zwischen zwei Bahntrassen. Der Zwickel eignete sich nicht zur Bebauung, also entstand hier eine Grünanlage. Zunächst eher als Schmuck gedacht, wurden die Bedürfnisse der Anwohner mit jeder Umgestaltung des Platzes wichtiger. Die neueste Modernisierung ist ein Ergebnis des intensiven Gesprächs mit den Bürgern. Für jede Lebensphase soll auf kleinem Raum etwas geboten sein: Sand für Kleinkinder, Sport- und Klettergeräte für die Älteren, Boule und Sitzgelegenheiten für Erwachsene. Diese vielen verschiedenen Elemente gruppieren sich überraschend harmonisch unter großen Bäumen und der beeindruckenden Hirschbrücke von 1891. 1862 Eröffnung der Maxaubahn und 1870 Eröffnung der Rheinbahn (beide fuhren über die Mathystraße) 1891 Bau der Hirschbrücke nach den Plänen von Stadtbaumeister Hermann Schück. 1896 Benennung „Sonntagplatz“ nach Karoline Auguste Sonntag, einer Karlsruher Wohltäterin, die sich besonders für Witwen und verwaiste Mädchen einsetzte. 1899 Projekt zur Gestaltung als städtischer Schmuckplatz im landschaftlichen Stil. 1913 Stilllegung der Bahnen nach der Verlegung des Hauptbahnhofs. ab 1921 Straßenbahnlinie entlang des Sonntagplatzes. 1930 Errichtung des Zwerg-Nase-Brunnens. 1955 Der Bürgerverein Südweststadt verhindert den Abriss der Hirschbrücke. 1967 Anlage von Spielgelegenheiten. 1981 Umgestaltung des Geländes mit Spielplatz. ab 2015 Erneuerung. Hinweise zur Ausstattung: Zwerg-Nase-Brunnen von Karl Wahl 1930, Sandspielbereich, Bewegungs-Spielgeräte, Tischtennis, Bouleplatz 30 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 31 NOTTINGHAM-ANLAGE Mitten in einem Teil der Karlsruher Weststadt mit sehr hoher Einwohnerdichte wurde 1977 durch den Wegzug der Stadtwerke ein ausgedehntes Gelände frei. Da hier ein akuter Mangel an nutzbarem Außenraum und Spielgelegenheiten bestand, war schnell klar, dass ein Grünzug entstehen sollte. Heute teilt eine Wellenlinie aus Sitzmauern eine ruhige, grüne Fläche von einem intensiv bespielten Bereich für alle Altersgruppen ab. Von Wipptieren und Kletterburgen über ein Wasserlabyrinth bis hin zu Basketballkorb und Bolzplatz ist alles vorhanden, damit sich Kinder und Jugendliche voll entfalten können. Die Menge der Besucherinnen und Besucher nicht nur im Sommer, sondern auch an sonnigen Wintertagen gibt dem Planungskonzept Recht. Doch auch bei schlechtem Wetter bietet eine geräumige Überdachung aus der Stadtwerke- Epoche die Gelegenheit, sich in der Anlage aufzuhalten. Hier fi nden häufi g Spielaktionen des Stadtjugendausschusses statt. Weiter südlich wird der Grünzug durch den Innenhof des Moninger-Blocks mit einer etwas privateren Atmosphäre fortgesetzt. Kulturelle Einrichtungen wie die drei Theater im ehemaligen Ofenhaus mit angrenzendem Café oder Räumlichkeiten des Badischen Konservatoriums beleben die Grünanlage zusätzlich. Wer Ruhe sucht, fi ndet ein zurückgezogenes Plätzchen zwischen Schmuckpfl anzungen und Springbrunnen mit Blick auf die 8,5 Meter hohe Plastik „Lebensfahne“. 1994 trafen sich der Lord Mayor Vernon Gapper von Nottingham und der damalige Karlsruher Oberbürgermeister Gerhard Seiler aus Anlass des 25-jährigen Partnerschafts- Jubiläums in der Anlage und gaben ihr den heutigen Namen. 1844 Einrichtung der „Gasanstalt“ (erstes Karlsruher Gaswerk). 1977 Wegzug der Stadtwerke vom Gasanstalt-Gelände. 1985 – 1988 Bau einer Parkanlage nach den Plänen des Landschaftsarchitekturbüros Karl Bauer. Einzug des Jakobus-Theaters, des Figurentheaters Marotte und des Sandkorn-Theaters in das Ofenhaus des ehemaligen Gaswerks. 1992 Aufstellung des Brunnens „Lebensfahne“ von Horst Egon Kalinowski. 1994 Benennung der Parkanlage nach der britischen Partnerstadt von Karlsruhe. Hinweise zur Ausstattung: Zahlreiche Bewegungs-Spielgeräte für verschiedene Altersstufen, Wasserspielanlage, Basketball, Bolzplatz, Fontänen, Brunnen mit Kunstwerk, Staudenanlage mit Pergolen, überdachte Spielfl äche ZKM-GRÜNZUG Die Einrichtung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie im denkmalgeschützten Gebäude einer ehemaligen Munitionsfabrik in der Südweststadt 1997 war ein Meilenstein des Karlsruher Kulturlebens. Schon im Vorfeld stellte sich die Frage, wie der Grünzug vor dem über 300 Meter langen Bau angemessen gestaltet werden soll. Das Landschaftsarchitekturbüro Kienast, Vogt und Partner fand die passende Antwort. Die unter der Anlage durchgehende Tiefgaragendecke bildete dabei eine besondere Herausforderung. Tropfenförmige, erhöhte, durch rostenden Stahl und geschnittene Hecken eingefasste Bauminseln, von den Planern als „grüne Dschunken“ bezeichnet, bieten intime Rückzugsräume in der offenen Freiraum-Achse aus Rasen und Belag. Unter alten Bäumen in der nördlichsten „Dschunke“ befi ndet sich ein kleiner Spielplatz. Aufgereihte Tafeln mit einer Lichtinstallation des Künstlers Jeffrey Shaw führen auf den Haupteingang des ZKM zu. Dem hochkarätigen Inhalt des Kulturgebäudes adäquat wurde der Grünzug mit hohen Ansprüchen an künstlerisches Design realisiert. Trotzdem fühlen sich hier nicht nur diejenigen wohl, die avantgardistische Gestaltung ausdrücklich schätzen, sondern auch diejenigen, die sich nur eine Weile von den Menschenmengen des benachbarten Filmpalastes zurückziehen möchten, ebenso wie die Beschäftigten der angrenzenden Bürogebäude. 1914 – 1918 Errichtung des Baus A der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM) nach den Plänen von Philipp Jakob Manz. 1979 Umzug der Firma IWK Verpackungstechnik (Nachfolge- Unternehmen der DWM) nach Stutensee. 1992 – 1997 Umbau des Gebäudes für das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) durch die Architekten Schweger+Partner, Bau einer Tiefgarage unter dem gesamten Vorbereich. 1995 Wettbewerb zu den Außenanlagen des ZKM, 1. Preis Büro Kienast, Vogt und Partner, anschließend Umsetzung des Wettbewerbsentwurfs. 1997 Eröffnung des (1989 gegründeten) ZKM im Bau A. Einzug der Städtischen Galerie und der Staatlichen Hochschule für Gestaltung. 2000 Bau des Filmpalastes am ZKM (Architekt Till Sattler). 2015 Fertigstellung des Grünzuges Richtung Gartenstraße. Hinweise zur Ausstattung: Erhöhte Bauminseln mit Sitzgelegenheiten, Spielbereich, Kunstinstallationen 32 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 33 OTTO-DULLENKOPF-PARK Anlass für diesen Park war der Wunsch für die dicht besiedelte Karlsruher Oststadt eine große Grünfl äche ähnlich wie die Günther-Klotz-Anlage für den Westen oder der Schlossgarten für das Zentrum bereitzustellen. Die nötige Fläche musste allerdings erst von diversen gewerblichen Nutzungen, Gaswerk und Altlasten befreit werden. Heute sieht man dem ruhigen, grünen Raum diese Mühe gar nicht an. Alles wirkt ganz selbstverständlich: Alte Bäume, die vor nicht allzu langer Zeit zwischen Baracken standen, weitläufi ge naturnahe Wiesenfl ächen, neu gepfl anzte Gehölzgruppen, die noch an Volumen gewinnen werden, und der Wall zum Ostring. Es ist eine funktionale, schlicht gehaltene Parkanlage, die den Bewohnern der kompakten Gründerzeit-Quartiere ein Aufatmen ermöglicht. Zu ihrer Beliebtheit tragen die Nähe zum Kulturbetrieb im ehemaligen Schlachthof und in der Musikhochschule bei sowie ein gut besuchtes Restaurant, bei dessen Neubau ein historisches Gebäude integriert wurde. Direkt daneben können sich Kinder auf einem Spielplatz austoben, während die Erwachsenen Espresso oder italienischen Wein genießen. Ein besonderes Highlight ist die Skateanlage mit ihren Plaza- und Bowl-Komponenten. Angegliedert sind ein Basketballplatz und ein Bolzplatz mit Kunstrasen, der bei jedem Wetter genutzt werden kann. Der Park entwickelt sich weiter. Beispielsweise wurde zum 150-jährigen Bestehen des deutsch-japanischen Freundschaftsvertrages 2011 auf Initiative der Deutsch- Japanischen Gesellschaft Karlsruhe am Hauptweg ein elliptischer Kirschbaumhain gepfl anzt. Eine beträchtliche Erweiterung bringt der zweite Bauabschnitt, der einen Schwerpunkt für unterschiedliche Bewegungskünste bietet. vor 1982 Nutzung des Geländes vorwiegend als Gewerbegebiet, Gleisfl ächen, Polizeibehörde und Gaswerk. 1982 – 1989 Wiederaufbau des kriegszerstörten Gottesauer Schlosses durch das Hochbauamt Karlsruhe (Barbara Jakubeit), Nutzung als staatliche Hochschule für Musik, seit 2013 ergänzt durch den Multimediakomplex (Architekten 3P). 1999 Im November Einweihung des Bolz- und Skaterplatzes. 2001 Einweihung des ersten Bauabschnitts. seit 2006 Umnutzung des Alten Schlachthofs als Kreativpark. 2011 Pfl anzung des Kirschbaumhains auf Initiative der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Karlsruhe. 2012 Umbenennung des bisherigen Ostaueparks in „Otto-Dullenkopf-Park“ nach dem Karlsruher Oberbürgermeister von1970 bis 1986. 2016 Eröffnung der neuen Skate-Anlage am 8. April 2016 Fläche: Bisher 10,8 Hektar (ohne den letzten Bauabschnitt) Hinweise zur Ausstattung: Skaterplatz, Bolzplatz, Basketballplatz, Spielplatz, Kirschbaumhain, Restaurant 34 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 35 STADTPARK SÜDOST Nicht oft hat eine Stadt die Gelegenheit, einen neuen Park in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums zu bekommen. Für Karlsruhe bot sich diese Möglichkeit durch die Schließung des Bundesbahn-Ausbesserungswerks, das sich einst entlang der Gleise vom alten Bahnhof nach Durlach entwickelt hatte. Auf diesem Gelände entstand ab 2002 ein neues Stadtviertel mit einer etwa zehn Hektar großen Grünanlage. Der erste Bauabschnitt wurde schon 2007 fertiggestellt. Ein Teil dieser Fläche trägt heute den Namen der rumänischen Partnerstadt von Karlsruhe: Temeswar-Platz. Hier blieben einige stattliche alte Bäume erhalten. Neu hinzu kamen eine Rasenfl äche und ein großzügiger Kinderspielplatz. Am Südrand schließt die ehemalige Kantine des Ausbesserungswerks, die heute unter der Bezeichnung „Südwerk“ als Bürgerzentrum dient, den Temeswar-Platz ab. Entlang dieses Gebäudes und weiter Richtung Süden führt eine grüne Verbindung zu den anschließenden dicht besiedelten Stadtvierteln. Der Hauptteil des Stadtparks Südost erstreckt sich von Westen nach Osten. Er beginnt an der Rüppurrer Straße mit einer Wassertreppen-Anlage. Wenn man zu ihrer Quelle emporsteigt, erreicht man die „Esplanade“, einen um sechs Meter angehobenen, breiten Spazierweg, der die gesamte Grünanlage entlang der Bebauung an der Ludwig-Erhard-Allee begleitet. Von hier bietet sich die Aussicht über den Park und die angrenzenden Stadtviertel. Die Böschung, die die Esplanade mit dem fl achen Parkgelände verbindet, kaschiert geschickt die unter ihr angeordneten Parkhäuser und Nebenräume. Auf dem ebenerdigen Niveau befi nden sich Wasserspiele, schattige und sonnige Aufenthaltsbereiche, ein weiterer Kinderspielplatz, ein Bolzplatz, sowie der runde „Garten der Religionen“. Er verweist auf den Privilegienbrief von 1715, in dem der Stadtgründer Markgraf Karl Wilhelm von Baden- Durlach der Bürgerschaft die Religionsfreiheit zugesichert hatte. Der Stadtpark bildet gemeinsam mit dem Otto-Dullenkopf- Park eine Grünverbindung, die vom Stadtzentrum weit bis in den Osten reicht. 1849 Einrichtung des Bahn-Ausbesserungswerks östlich des damaligen Hauptbahnhofs entlang der Bahnstrecke Richtung Durlach. 1993 Städtebaulicher und landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb Karlsruhe-Südost-Gottesaue (im gleichen Jahr Umwandlung der Deutschen Bundesbahn in die Deutsche Bahn AG). 1. Preis: Rossmann+Partner (Architekten), Karl Bauer (Landschaftsarchitekt). 2002 Abriss des Ausbesserungswerks mit Ausnahme eines Wasserturms und der ehemaligen Kantine, Baubeginn (im gleichen Jahr Gründung der Aurelis Real Estate GmbH & Co. KG zwecks Vermarktung der nicht betriebsnotwendigen Immobilien der Deutschen Bahn AG). 2007 Fertigstellung des Temeswar-Platzes und des ersten Bauabschnitts des Stadtparks Südost westlich der Henriette-Obermüller-Straße. 2012 Fertigstellung des großen Spielplatzes. Eröffnung der Straßenbahnlinie für das neue Wohngebiet. 2014 Etwa 60 Prozent der 9,5 Hektar großen Grünfl äche sind realisiert. 2015 Bau des „Gartens der Religionen“ anlässlich des dreihundertsten Stadtgeburtstags. 2016 Wegen großer Nachfrage Fertigstellung des Stadtviertels mit Park fünf Jahre vor dem ursprünglich vorgesehenen Termin. Hinweise zur Ausstattung: Spielplätze mit zahlreichen Bewegungsgeräten, Sportfeld, Wasseranlagen, Garten der Religionen, durch Treppen und Rampen erreichbare Esplanade mit Aussichtsplattform SCHMALLEN Ursprünglich war der Schmallen, ein Ausläufer der eiszeitlichen Kinzig-Murg-Rinne, eine langgestreckte Senke in den Feldern der Gemarkung Bulach. Auf die Idee, links und rechts dieser Senke zu bauen, kam man schon 1926, aber das Vorhaben konkretisierte sich erst zwischen den 1960er und 1990er Jahren. Heute ist der 1,5 Kilometer lange und durchschnittlich 90 Meter breite Grünzug von Wohngebieten umgeben. Eine Kastanienallee durchzieht ihn wie ein Rückgrat, auf der gegenüberliegenden Seite begleitet von Gruppen aus Zierkirschen. An einer markanten Stelle stehen alte Linden mit einem Feldkreuz, das an die ländliche Vergangenheit des Gebiets erinnert. Der leicht abgesenkte Rasenstreifen in der Mitte des Parks ist im südlichen Teilstück zu einem Regenwasser-Auffang-Becken vertieft. Bei trockenem Wetter dient das Becken als Fußballplatz. Am Rand des Schmallens reihen sich Spielbereiche, die bei gutem Wetter von einer bunt gemischten Kinderschar bevölkert sind. 1926 Der Generalbebauungsplan enthält ein neues Stadtviertel auf dem Gebiet von Oberreut. Auf dem Schmallen sind Sportplätze vorgesehen. 1963 Baubeginn in Oberreut-Waldlage, ein Jahr später Bezug der ersten Häuser. 1985 – 1987 Pfl anzung des ersten Teils der Kastanienallee (110 Bäume), Anlage der Rasenfl ächen. 1990 Bebauungsplan „Oberreut-Feldlage III“. 1996 Bau des Wasserrückhaltebeckens als Teil des südlichen Schmallens. Hinweise zur Ausstattung: Historisches Feldkreuz aus dem Jahre 1878, 1926 in den Schmallen versetzt. Zahlreiche Spielplätze und Sportmöglichkeiten, Kastanienallee. Garten der Religionen Wasserachse 36 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 37 GÜNTHER-KLOTZ-ANLAGE Die Rolle, die der Otto-Dullenkopf-Park für die Oststadt spielt, kommt im Fall der Weststadt der Günther-Klotz- Anlage zu. Sie wird von weiten Wiesenfl ächen und der „Seenplatte“ geprägt. Gleich drei Wasserfl ächen hat man hier angelegt: Den Freizeitsee mit Ruderbooten und einer historischen Brücke, den Landschaftssee mit Feuchtbiotop und den Modellbootsee eine Ebene tiefer an der Alb. Die beiden Ebenen werden durch eine eindrucksvolle Kaskade miteinander verbunden. Ein „herausragendes“ Merkmal ist der 15 Meter hohe Hügel, im ebenen Karlsruhe eine Seltenheit. Während des weithin bekannten Open-Air- Festivals „Das Fest“ drängen sich an den Hängen Tausende von Zuschauern. In ruhigeren Zeiten hört man vor allem Kinder, die sich am Kletternetz, der Riesenrutsche und auf dem Aktivspielplatz vergnügen. Die Älteren nehmen Angebote wie Beachvolleyball, Basketball und Skaten wahr. Am gegenüberliegenden Ende des Parks, neben dem Lokal „Kühler Krug“, befi ndet sich der bei jungen Familien sehr beliebte Kleinkinderspielplatz. 1968 Ausrichtung der Bundesgartenschau 1975 auf dem Gelände wird durch den Gemeinderat abgelehnt. Trotzdem wird das Parkprojekt weiter verfolgt. 1971 Wettbewerb für den neuen Park auf dem bisherigen Acker- und Grabeland. 1.Preis: Büro Heinz Jakubeit. 1973 Der Park bekommt seinen Namen nach dem Initiator des Projekts, dem Karlsruher Oberbürgermeister (von 1952 bis 1970) Günther Klotz. Der Hauptweg ist nach Karl Johann Friedrich Wolf, einem erfolgreichen Hammerwerfer und Karlsruher Bäckermeister benannt. 1975 Erster Spatenstich. 1976 Einbau einer Alb-Brücke von 1905 am Freizeitsee. 1981 – 1983 Bau der Europahalle, Architekten Schmitt, Kasimir + Partner. 1985 Einweihung des letzten Bauabschnitts. 1988 Einweihung des Aktivspielplatzes. 1989 Labyrinth der Künstlerin Lieselotte Anschütz- Russwurm. 2004 – 2008 Bau des Europabades, Geier + Geier Architekten. Fläche: 19,7 Hektar Hinweise zur Ausstattung: Spielplatz am Kühlen Krug mit zahlreichen Bewegungsgeräten, Spiellandschaft am 15 Meter hohen Rodelhügel mit Kletternetz, Riesenrutsche, Hängebrücke, Bewegungs- und Klettergeräten, Wasserspielanlage, Wegelabyrinth, Beachvolleyballfeld, Basketballfeld, Rollschuhmulde, Skateplatz, Modellbootsee, Landschaftssee mit Feuchtbiotop, Freizeitsee mit Bootsverleih und historischer gedeckter Brücke, Kaskade, „Freundschaftsrondell“ des Freundeskreises Karlsruhe-Halle e. V., Kleingartenanlage. Ausstattung mit Kunstwerken: Labyrinth der Künstlerin Lieselotte Anschütz-Russwurm, Summsteine, Gedenktafel für Günther Klotz (auf dem Gipfel des Hügels) In direkter Nachbarschaft: Betreuter Aktivspielplatz, Sportareal Europahalle, Europabad Besonderheiten: In der Günther-Klotz-Anlage wird jedes Jahr die überregional bekannte Kulturveranstaltung „Das Fest“ abgehalten. 38 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 39 ALBGRÜN Das Flüsschen Alb durchquert das gesamte Karlsruher Stadtgebiet von Südosten nach Nordwesten. Bis zum Ersten Weltkrieg fl oss die Alb südlich an der Stadt vorbei und tangierte nur einige Dörfer wie Rüppurr, Bulach, Beiertheim, Mühlburg und Daxlanden. Erst durch die Errichtung der Siedlungen Weiherfeld und Dammerstock in den 1920er Jahren wurde ein Teil der Flussaue zum stadtnahen Park. Der Bau der Karlsruher Südtangente, der in den 1960er Jahren begonnen und 1988 abgeschlossen wurde, veränderte den Flusslauf stark. In Teilstücken musste die Alb verlegt werden. Man nutzte die Baumaßnahmen, um den Fluss mit seinen Ufern zu renaturieren und einen durchgängigen begleitenden Weg für Fußgänger und Radfahrer anzulegen. Von Ettlingen kommend beschränkt sich der Grünstreifen zunächst auf die unmittelbaren Ufer. Erst südlich der Dammerstock-Siedlung weitet er sich zu einem Park auf. Neben der St. Franziskus-Kirche lockt ein großer Spielplatz mit Holzschiff Familien aus der weiten Umgebung an. Die verbesserte Wasserqualität macht es möglich, dass Kinder am fl achen Ufer in der Alb planschen. Weiter nördlich trennt sich der Fußweg vom Wasser, um die Südtangente zu über- und dann die Bahn zu unterqueren. Hinter den Gleisen wird man geradewegs auf das klassizistische Gebäude des Stephanienbades geführt. Bevor man es erreicht hat biegt man nach links in eine großzügige, naturnahe Grünanlage ab. Darunter braust der Verkehr der Südtangente durch den 600 m langen Edeltrudtunnel. Der Weg führt an den Felsblöcken der spektakulären Kaskade vorüber, die mit Albwasser gespeist wird. Ein Stück weiter am Fluss entlang erreicht man schließlich die Günther-Klotz-Anlage. An deren Ende wendet sich die Alb hinter der Gaststätte „Kühler Krug“ zu einer Schleife nach Süden. Hier liegt das Lokal „Beim Schupi“ mit seinem beliebten Biergarten und Volkstheater. An der Stelle, wo die Alb wieder nach Westen biegt, weitet sich das Flusstälchen auf. Über einer gebogenen Stützmauer thront die Albkapelle aus dem 18. Jahrhundert. Etwas weiter fl ussabwärts produzieren die Stadtwerke in der Appenmühle mithilfe der Wasserkraft umweltfreundlich Strom. Passanten werden durch Informationstafeln über das Kraftwerk, die Wehranlagen und die Fischtreppe am Thomaswehr aufgeklärt. Hinter Daxlanden fl ießt die Alb etwas weniger attraktiv aber dennoch mit grünem Begleitweg am Rheinhafen, an der Raffi nerie und am Ölhafen entlang, bevor sie in den Rhein mündet. 1396 Erste urkundliche Erwähnung der Appenmühle in Daxlanden. 1811 – 1814 Bau des Stephanienbades als Tanz- und Veranstaltungssaal mit einem Badeareal an der Alb nach den Plänen von Friedrich Weinbrenner. Das Haus ist nach der Großherzogin von Baden Stéphanie de Beauharnais, der Adoptivtochter Napoleons, benannt. 1905 Einstellung des Badebetriebs im Stephanienbad wegen Gleisbau zum neuen Hauptbahnhof. Die Alb wird verlegt. Für die Gleisanlagen wird die Badepark- Anlage zerstört. 1913 Umsetzung der Maria-Hilf-Kapelle an die Alb, fi nanziert durch die Brauerfamilie Sinner. 1925 Erste Wasserturbine zur Stromerzeugung in der Appenmühle. 1988 Einweihung des 609 Meter langen Edeltrudtunnels. Der Tunnel ist nach der Ehefrau von Oberbürgermeister Otto Dullenkopf benannt, die Patin des Bauvorhabens war. 1988 Pfl anzung des „Sparkassenwäldchens“ aus 175 Bäumen am Tunnel, gestiftet von der Sparkasse Karlsruhe anlässlich ihres 175-jährigen Bestehens. 1988 – 1989 Bau der Grünanlage auf dem Edeltrudtunnel. Die Biotope Tümpel, Obstwiese, Totholzhaufen und Steinlesewall werden mithilfe der Gärtner- Ausbildungsgruppe des Gartenbauamtes angelegt. 1989 Die seit1986 von dem Bildhauer Günter E. Herrmann geplante Wasserkaskade am Edeltrudtunnel wird eingeweiht. Hinweise zur Ausstattung: Zahlreiche Spielplätze, naturnahe Bereiche, Wasserkaskade, Gewässerlehrpfad mit Informationsstationen, Steg und Strand Besonderheit: Die Alb und ihre Uferbereiche sind Teil des nach Europarecht geschützten Fauna-Flora-Habitat-Gebiets „Oberwald und Alb in Karlsruhe“. 40 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 41 KIRCHFELD NORD MIT SIEGFRIED-BUBACK-PLATZ Der Abzug der US-Streitkräfte aus Deutschland hat vielerorts ehemals unzugängliche Gebiete freigegeben, die wieder in die Stadt eingegliedert werden konnten. Im Zuge einer solchen Konversion entstand das Wohngebiet Kirchfeld Nord am westlichen Rand des Hardtwaldes, der sich vom Schlossgarten ausgehend in die Landschaft zieht. Der Lage in direkter Nachbarschaft zu Wald und Feldern entsprechend ist der neue Stadtteil stark durchgrünt. Wiesenfl ächen mit Regenwasser-Versickerungsmulden und einigen alten Bäumen trennen einzelne Wohn-„Cluster“ voneinander. Die Kinder aus den umliegenden Einfamilien- und Reihenhäusern strömen zum Wikingerspielplatz mit seinen urigen Holzhütten und einem kompletten Wikingerschiff. Der einzige Bereich mit Geschosswohnungsbau umgibt den zentralen Siegfried- Buback-Platz. Diese Anlage profi tiert von einer Reihe mächtiger amerikanischer Roteichen, Zeugen der Kasernen- Vergangenheit dieses Standortes. Mit blau blühenden Stauden bepfl anzte Bodenwellen auf dem Platz stellen eine gedankliche Verbindung zum Wikinger-Spielschiff und zu den dänischen Planern der Rahmenkonzeption der Siedlung her. Auch für diejenigen, die nicht hier wohnen, lohnt sich ein Spaziergang durch den naturnahen Grünstreifen am Waldrand entlang. 1959 Bau der Kaserne „Neureut Cantonment“ nördlich der Siedlung Kirchfeld (cantonment = Quartier, Ausbildungslager). Dies war die einzige Kaserne der US-Streitkräfte in Karlsruhe, die komplett neu errichtet wurde. 1996 Abzug der US-Streitkräfte, Belegung eines Teils der Hallen mit einem zentralen Materialpunkt des Heeres. Die Kasernengebäude verfallen. 2002 Planungswerkstatt mit sieben eingeladenen Architekturbüros. Der Entwurf von Tegnestuen Vandkunsten (Architekturbüro aus Kopenhagen) wird zur Realisierung empfohlen. 2005 Erster Spatenstich für die Konversion, Realisierung des zentralen Grünzugs. Planung: Gartenbauamt. 2006 Abschluss des Bebauungsplanverfahrens. Bebauung in Bauabschnitten („Cluster“) 2007 Wikingerspielplatz. 2008 Einrichtung des Sportgeländes. 2012 Einweihung des Siegfried-Buback-Platzes (benannt nach Generalbundesanwalt Siegfried Buback, der 1977 mit seinen Begleitern Wolfgang Göbel und Georg Wurster von Mitgliedern der RAF in Karlsruhe erschossen wurde und zu diesem Zeitpunkt in Neureut wohnhaft war) unter Anwesenheit von Generalbundesanwalt Siegfried Runge und Siegfried Bubacks Sohn Michael Buback. Planung: Gartenbauamt. Hinweise zur Ausstattung: Staudenpfl anzungen, alte Roteichenreihe und kleiner Spielbereich auf dem Siegfried- Buback-Platz, Wikingerspielplatz mit Wikingerschiff und verschiedenen Bewegungsgeräten, naturnahe Regenwasserversickerungsbereiche GRÜNZUG KNIELINGEN In Knielingen befand sich ein weiteres großes Militärgelände, das 1995 geräumt wurde. Inmitten der neuen Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser zieht sich ein Park von einem Ende der Siedlung bis zum anderen. Zwei Fußwege queren ihn. Dadurch ist die Fläche in drei vertiefte Rechtecke unterteilt. Die Vertiefungen entstanden teilweise aus den Kellerräumen der ehemaligen Bebauung. In der südlichen Mulde wurde ein großer Mehrgenerationenspielplatz mit Wasserstelle angelegt. Die beiden anderen dienen als grüner Bewegungsraum und gelegentlich als Regenwasser-Versickerungsfl ächen. Die südöstliche Grenze des Parks wird von einer terrassierten Böschung mit Bastionen aus Sandstein markiert, den nordwestlichen Rand begleitet ein geschwungener Pfad. Beide Ränder sind mit Baumreihen gefasst. Vom früheren Baumbestand wurden mehrere große Exemplare erhalten. Im Norden bildet ein kleiner Platz mit Sitzgelegenheiten, Staudenstreifen und einer berankten Pergola den Übergang zur Egon-Eiermann-Allee, zu einem weiteren, jedoch schmäleren Grünzug und zum ehemaligen Kasino, das heute Gastronomie beherbergt. Dieser Platz wurde 2012 nach der russischen Partnerstadt Krasnodarplatz benannt. 1936 Bau der Rheinkaserne Knielingen. Der zentrale Teil ist die Mudra-Kaserne, benannt nach General Bruno von Mudra. 2003 Begrenzt offener städtebaulicher Realisierungswettbewerb „Konversion des Kasernengeländes in Knielingen“. 1. Preis: Architektur und Stadtplanung Rosenstiel, gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten faktorgrün. ab 2007 Erstellung der zentralen Grünfl äche, Wettbewerbe für die einzelnen Bauabschnitte, fortschreitende Bebauung. 2012 Einrichtung des Sportparks Buchwegäcker. 2012 Benennung des Krasnodarplatzes Hinweise zur Ausstattung: Mehrgenerationenspielplatz, Platz mit Pergola, Sitzgelegenheiten und Stauden 42 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 43 LANDSCHAFTSPARK RHEIN Schon an der Straßenbahnhaltestelle Maxau hat man von einem baumbestandenen Aussichtspunkt den Überblick über Park, Hofgut und Fluss. Wenn man dann auf dem Rheindamm steht und am Fluss entlang blickt, kommt man unwillkürlich auf den Gedanken, wie schön es wäre, von hier aus loszuwandern oder loszuradeln, vielleicht sogar bis Basel oder Köln. Dieser Gedanke befl ügelte die Anlieger des Oberrheins schon lange und führte zur Gründung des Vereins „PAMINA Rheinpark“. Doch die große Vision muss erst einmal konkretisiert werden. Ein wichtiger Baustein auf diesem Weg ist der Landschaftspark Rhein. Schon früher war das Hofgut Maxau, das Herzstück des Landschaftsparks, ein beliebtes Ausfl ugsziel. Doch die Umgebung ließ mit dem vernachlässigten Vorfeld und den intensiv bewirtschafteten Ackerfl ächen zu wünschen übrig. Die Felder wurden in extensiv beweidete Grasfl ächen und kleinteilige Ackerfl ächen umgewandelt, ein Obsthain wurde gepfl anzt, ein Spielplatz für Kinder, Jugendliche und Erwachsene angelegt. Dieser Spielplatz greift symbolisch das Thema „Fluss“ auf, um seine einzelnen Stationen inhaltlich miteinander zu verknüpfen. Da darf ein Schiff natürlich nicht fehlen: Die „Maxau“, was sonst? Der angrenzende Knielinger See, als Baggersee entstanden, ist heute ein wichtiger Rast- und Überwinterungsplatz für Wasservögel. Ein behutsam vom Landschaftspark herangeführter Stichweg endet an einem Aussichtspunkt und macht dort diesen Reichtum der Natur für Besucher erlebbar, ohne die Vögel zu stören. Das Wichtigste aber ist und bleibt das Erlebnis Rhein. Dreiergruppen von Pyramidenpappeln markieren den Flussverlauf. An den Sitzterrassen hat man von der Dammkrone einen Rundblick vom Schwarzwald bis zum Pfälzer Wald. Seit der Neugestaltung kann man endlich über eine sorgfältig gearbeitete, fl ache Treppenanlage bequem bis an das Wasser hinabsteigen. 1817 Beginn der Rheinbegradigung durch Johann Gottfried Tulla, in wenigen Jahren 6 Durchstiche nördlich von Karlsruhe, dadurch Zugehörigkeitswechsel des Geländes des heutigen Landschaftsparks Rhein von der Pfalz (damals bayerisch) zu Baden. 1840 Bau des Hofguts Maximiliansau (später Maxau) als geschlossene Hofanlage. 1853 Errichtung des Tulla-Denkmals südlich des Hofguts. 1992 Einzug des Knielinger Museums in das Hofgut. 1998 Gründung des PAMINA-Rheinparks, in den der Landschaftspark Rhein eingebettet ist. 2005 Erwerb des Hofguts Maxau durch die Stadt Karlsruhe. 2007 Bewerbung für die Bundesgartenschau 2015 mit dem Landschaftspark Rhein, Rückzug der Bewerbung; dennoch Bestätigung des Projekts. 2012 Eröffnung der Dammterrassen und der Mehrgenerationen-Spielanlage. Pfl anzung eines Obstbaumhaines anlässlich des 200. Geburtstages der Sparkasse Karlsruhe. 2015 Betriebsbeginn des Hofgutes Maxau mit Gastronomie. Hinweise zur Ausstattung: Mehrgenerationen-Spielplatz mit Klang- und Wasserspielen, zahlreichen Bewegungsgeräten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade und einem symbolischen Wasserlauf, Sitzstufen-Anlage am Rhein, Gastronomie, Obsthain, Pappelgruppen, Aussichtspunkt am Knielinger See TURMBERGTERRASSE Der Durlacher Turmberg erhebt sich 256 Meter über dem Meeresspiegel und etwa 140 Meter über der Rheinebene. Von ihm hat man eine beeindruckende Aussicht auf das in der Rheinebene liegende Karlsruhe. Bei klarem Wetter sieht man bis weit in die Pfalz und ins Elsass hinüber. Kein Wunder, dass hier nicht nur im 11. Jahrhundert eine stolze Burg ihren Platz fand, sondern auch seit dem Ende des 19. Jahrhunderts beliebte Ausfl ugslokale eingerichtet wurden. Das Restaurant „Friedrichshöhe“ lag damals auf Terrassen unterhalb des alten Burgturmes. Damit sich die Ausfl ugsgäste nicht gar so abmühen mussten, baute man ihnen die Turmbergbahn, die älteste Standseilbahn Deutschlands (leider nicht mehr ganz originalgetreu erhalten). Die „Friedrichshöhe“ existierte bis weit in die Nachkriegszeit hinein. Nach ihrem Abriss diente die Kellerdecke als Aussichtsplattform neben der Bergstation der Turmbergbahn. Jedoch musste man 2008 feststellen, dass hier erhebliche statische Mängel bestanden. Das Betreten wurde zusehends riskant und schließlich untersagt. Seit 2015 kann man die Aussicht wieder genießen, ohne um die eigene Sicherheit bangen zu müssen. Die ehemals ebene Terrasse hat Sitzstufen aus Naturstein Platz gemacht, zu deren Gründung etliche Bohrpfähle in den Hang getrieben wurden. Gegenüber der Bahnstation fl ankiert eine auf drei Seiten offene Loggia die Stufenanlage. An ihrer Rückseite befi nden sich barrierefreie Toiletten und im Stockwerk darunter ein Veranstaltungsraum mit Küche. Alte Postkarten zeigen, dass der Turmberg früher fast vollständig von Weinbergen bedeckt war. An diesen historischen Zustand erinnert der im Zuge der Neugestaltung wieder angelegte 1000 Quadratmeter große Schauweinberg mit 800 Rebstöcken, der sich unterhalb der Sitzstufen erstreckt. Er wird vom Staatsweingut Karlsruhe-Durlach betrieben. Über das sanierte Hexenstäffele kann man den Weinberg und die Aussichtsterrasse in fast direkter Linie vom Tal aus erreichen, wenn man gewillt ist, sich etwas anzustrengen. 771 Erste Erwähnung des Turmbergs unter dem Namen „Hohenberg“. 11. Jh. Bau einer Burg auf dem Turmberg. 13. Jh. Bau des heute erhaltenen Turmes. nach 1870 Erste Gastronomie auf dem Turmberg. Das Restaurant „Friedrichshöhe“ besteht spätestens ab 1892. 1888 Einweihung der von Ingenieur Karl Müller geplanten Turmbergbahn (Standseilbahn), Antrieb durch Wasserballast. 1944 Das Restaurant „Friedrichshöhe“ brennt nach einem Angriff ab. 1959 Wiedereröffnung des Restaurants „Friedrichshöhe“. Später wird das Lokal abgerissen. Die Turmbergterasse bleibt als schlichte Plattform erhalten. 2012 Die Idee, an der Stelle der Terrasse ein Hotel zu bauen, wird verworfen. Mehrfachbeauftragung zur Neugestaltung der Turmbergterrasse mit kleinem Veranstaltungsraum. 1. Preis: Stefan Fromm Landschaftsarchitekten, Hähnig+Gemmeke freie Architekten. 2015 Einweihung. Hinweise zur Ausstattung: Sitzstufen, Sitzblöcke, Bäume, Hecken, Bauwerk mit einer barrierefreien WC-Anlage und einem Veranstaltungsraum für 60 Personen mit Küche und eigener Terrasse, Schauweinberg mit 800 Rebstöcken 44 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 45 27 1 2 3 4 5 6 7 8 10 11 12 22 21 24 26 26 28 25 13 1415 16 18 13 19 9 29 16 17 23 20 © Stadt Karlsruhe | Liegenschaftsamt | 2016-2026 Alter Flugplatz Hardt- wald Weiher- wald Äußerer Kastenwört Beiertheimer Feld Oberwald Rissnert Hardt- wald Rheinhafen Schloss Messe Rh ei n Knielinger See Landeshafen Wörth Erlachsee Alb Alb Alb Alb Alb Al b Rh ei n 1 Schlossplatz und Schlossgarten 8 2 Fasanengarten 11 3 Botanischer Garten 11 4 Friedrichsplatz 12 5 Nymphengarten 13 6 Zoologischer Stadtgarten 14 7 Beiertheimer Wäldchen 18 8 Festplatz 19 9 Schlossgarten Durlach 20 10 Alter Friedhof 22 11 Theaterplatz 23 12 Südstadt-Grünzug 24 13 Lina-Sommer-Anlage 26 14 Haydnplatz 26 15 Ehemalige Dragonerkaserne 27 16 Fliederplatz 27 17 Lindenplatz in Mühlburg 28 18 Sonntagplatz 29 19 Nottingham-Anlage 30 20 ZKM-Grünzug 31 21 Otto-Dullenkopf-Park 32 22 Stadtpark Südost 34 23 Schmallen 35 24 Günther-Klotz-Anlage 36 25 Albgrün 38 26 Kirchfeld Nord mit Siegfried-Buback-Platz 40 27 Grünzug Knielingen 41 28 Landschaftspark Rhein 42 29 Turmbergterrasse 43 STADTPLAN Grünfl ächen und Parkanlagen 46 | DER GRÜNE FÄCHER – PARKS UND ANLAGEN IN KARLSRUHE GARTENBAUAMT | 47 www.karlsruhe.de QUELLENVERZEICHNIS Uta Schmitt: Der Stadtgarten in Karlsruhe – Ein historischer Streifzug Karlsruhe 2007 Verdyck Gugenhan Freie Landschaftsarchitekten: Schlossgarten, Schlossplatz, Botanischer Garten und Fasanengarten Karlsruhe Parkpfl egewerk Historische Analyse, Dokumentation, Denkmalpfl egerische Zielsetzung Stuttgart 2011 Thomas Henz: Der Prozess einer großräumigen Stadtreparatur – Ein Beispiel aus Karlsruhe Südost in: Stadt und Grün 2/2012 S. 18 – 21 Thomas Henz: Militärische Konversionen in Karlsruhe – Neues Grün und eine Verschnaufpause für die Landschaft in: Stadt und Grün 8/2013 S. 15 – 21 Thomas Henz: Der Landschaftspark Rhein in Karlsruhe – Ein Konzept für Naherholung und Naturerlebnis in der Rheinaue in: Stadt und Grün 6/2012 S. 45 – 51 Horst Schmidt: Vernetztes Grün in der Gottesaue in: Garten und Landschaft 12/1992 S. 25 – 30 Horst Schmidt: Was ist dem Schloß angemessen? in: Garten und Landschaft 10/1984 S. 21 – 27 BÜGA 2015 (Hrsg.): Grün in Karlsruhe – Parks.Gärten.Bäume Karlsruhe 2015 Gottfried Leiber: Friedrich Weinbrenners städtebauliches Schaffen für Karlsruhe – Teil I: Die barocke Stadtplanung und die ersten klassizistischen Entwürfe Weinbrenners Karlsruhe 1996 Stadtarchiv Karlsruhe, Manfred Koch (Hrsg.): Stadtplätze in Karlsruhe Karlsruhe 2003 Stadt Karlsruhe | Gartenbauamt: 100 Jahre Gartenbauamt Karlsruhe 1905 – 2005 Stadt Karlsruhe | Gartenbauamt: Baustellen erleben in Karlsruhe – Stadtpark Südstadt-Ost Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat 25, Denkmalpfl ege, Dr. Kieser: Stadtgarten Karlsruhe Begründung der Denkmaleigenschaft gemäß § 2 DSchG 2006 www.karlsruhe.de: Leben und Arbeiten Datenbank der Kulturdenkmale: Christian Bereuther: Alter Friedhof, Waldhornstr. 61, Oststadt (Denkmaltag 2012) Mirko Felber: Der Schlossgarten Durlach, Durlach, Karlsburgstraße, Kastanienallee (Denkmaltag 2011) ka.stadtwiki.net http://sanierung.staatstheater.karlsruhe.de/sanierung/ baugeschichte www.durlacher.de 19.07.2012, 20.08.2014 Archiv des Gartenbauamtes Karlsruhe Stadtarchiv Karlsruhe IMPRESSUM Stadt Karlsruhe Gartenbauamt Lammstraße 7 a, 76133 Karlsruhe gba@karlsruhe.de www.karlsruhe.de/b3/freizeit/gruenfl aechen Amtsleitung: Helmut Kern Texte: Marketa Haist, Uta und Peter Gautel Bilder: Monika Müller-Gmelin – Stadtplanungsamt Helmut Kern – Gartenbauamt Thomas Henz – Gartenbauamt Roland Fränkle – Presse- und Informationsamt Layout: C. Streeck Gedruckt in der Rathausdruckerei auf 100 Prozent Recyclingpapier. Erscheinungsjahr 2017
https://www.karlsruhe.de/securedl/sdl-eyJ0eXAiOiJKV1QiLCJhbGciOiJIUzI1NiJ9.eyJpYXQiOjE3MTM2NDMzMDgsImV4cCI6MzMyMTc2MjY0NTYsInVzZXIiOjAsImdyb3VwcyI6WzAsLTFdLCJmaWxlIjoiZmlsZWFkbWluL3VzZXJfdXBsb2FkLzA0X0t1bHR1cl9GcmVpemVpdC8wNDdfRnJlaXplaXRfdW5kX1RvdXJpc211cy9QYXJrc191bmRfR3J1ZW5hbmxhZ2VuL0Jyb3NjaHVlcmVfRGVyX0dydWVuZV9GYWVjaGVyXzE3LTAwMDRfNThjMTExMzA5NWU4Zi5wZGYiLCJwYWdlIjo0MDU3fQ.lS_SpTztCObkN11sj1DNTEt6CBocFSOYZhVkXXhBg-A/Broschuere_Der_Gruene_Faecher_17-0004_58c1113095e8f.pdf
Kulturamt Stadt Karlsruhe_Jahresbericht 2015_Juli 2016.indd Stadt Karlsruhe Kulturamt Jahresbericht 2015 KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE KULTURAMT | 3 www.karlsruhe.de INHALTSVERZEICHNIS Kulturelle Vielfalt, gesellschaftliches Miteinander und Partizipation – die Arbeit des Kulturamtes 2015 im Überblick ....................................................................... 4 Allgemeine Verwaltung/Zentrale Dienste ................................................................................ 6 Kulturbüro ............................................................................................................................ 8 Städtische Galerie ............................................................................................................... 16 Stadtarchiv & Historische Museen ........................................................................................ 20 Stadtbibliothek .................................................................................................................... 26 4 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 5 www.karlsruhe.de DIE ARBEIT DES KULTURAMTES 2015 IM ÜBERBLICK KULTURELLE VIELFALT, GESELLSCHAFTLICHES MITEINANDER UND PARTIZIPATION 2015 standen der Stadtgeburtstag, vor allem aber die Schärfung des im Kulturkonzept verankerten Kulturbegriffs im Zentrum. Die Arbeit des Kulturamts wurde wieder von der Überzeugung geleitet, dass das Recht auf Kultur als ein Grund- und Menschenrecht gelten soll. Die Ermöglichung der kulturellen Vielfalt und der allgemeinen Teilhabegerechtigkeit waren prioritäre Ziele des Kulturamts, das sich dem Individuum als dem Subjekt kulturellen und künstlerischen Handelns verpfl ichtet sieht. Vor allem der Stärkung der kulturellen Vielfalt, der Integration und der Partizipation wurden viele Anstrengungen gewidmet und hierfür neue Wege gegangen. Die Stadtbibliothek legte einen Informationsfl yer auf, der die frei zugänglichen Angebote für Gefl üchtete und für die Arbeit der Ehrenamtlichen aufl istet. Stadtarchiv & Historische Museen erarbeiteten erneut partizipativ angelegte Ausstellungen und setzten – wie auch die Städtische Galerie – die Kooperation mit der vhs Karlsruhe fort, Teilnehmende der Integrationskurse in die Dauerausstellungen einzuladen. Dieses Vorhaben mit dem Titel „Kunst und Integration. Migrant/innen lotsen Migrant/innen“ dient zum einen dem Spracherwerb und führt gleichzeitig zu einem interkulturellen Kunstverständnis und dem Kennenlernen der Geschichte Karlsruhes. Inzwischen wird dieses 2012 vom Kulturamt initiierte Projekt auf der Ebene des vhs- Bundesverbandes als „Modell Karlsruhe“ gehandelt, das in anderen Städten Nachahmer fi nden kann. Ebenfalls eine Vorläuferrolle übernahm Karlsruhe, als auf Anregung des Kulturamtes hin die Generalkonferenz der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR), die im Oktober in Karlsruhe stattfand, sich dem Thema „Welcoming cities“ widmete. Erstmals wurde explizit die Bedeutung der Rolle der Kommunen im Umgang mit Flucht und Asyl, Integration und Willkommenskultur unterstrichen. Die Abschlusserklärung dieser Konferenz war der Auftakt für die UNESCO, in 2016 Leitlinien und Handreichungen mit den Städten zu erarbeiten für die Unterstützung der Städte beim Entwickeln einer Willkommenskultur. In der zweiten Jahreshälfte war auch das Kulturamt aufgefordert, ein umfassendes Konzept für den Haushaltsstabilisierungsprozess (HASPKa) zu erarbeiten. Dabei wurden sowohl die eigenen Einrichtungen genau betrachtet als auch die gesamte städtisch geförderte Kulturszene. Leitlinien für die Kürzungsvorschläge waren dabei die Setzungen, die der Kulturerklärung für Karlsruhe und den obersten Zielen des Kulturkonzeptes zugrunde liegen. Trotz aller Kürzungen soll das Recht auf Kultur gelten und das gesellschafts- und kulturpolitische Bekenntnis zu den Menschenrechten Ausdruck fi nden. Es geht um die weitgehende Beibehaltung des Niveaus und der Vielfalt der Angebote trotz aller Einschränkungen. Eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe erarbeitete in mehreren Sitzungen ein tragfähiges Konzept, vor allem die Abteilung Allgemeine Verwaltung/Zentrale Dienste war bei der HSPKa gefordert, die notwendige Zahlenbasis zu liefern, Formulare auszufüllen und Berechnungen anzustellen. Auch der Stadtgeburtstag „300 Jahre Karlsruhe“ spielte für die Arbeit des Kulturamtes eine große Rolle. Mit herausragenden Ausstellungen, der Ausrichtung von nationalen und internationalen Konferenzen und umfänglich-vielseitigen Unterstützungen der Jubiläumsveranstaltungen trugen wir viel für das Gelingen und auch die überregionale Strahlkraft der Kulturstadt bei. Die Städtische Galerie, die in den ersten Monaten noch mit der Rücklagerung der Kunstwerke der wegen Sanierung der Sprinkleranlage ausgelagerten Kunstwerke befasst war, zeigte drei umfangreiche Ausstellungen. Vor allem die dem badischen und Karlsruher Baumeister Friedrich Weinbrenner gewidmete Jubiläumsausstellung, die gemeinsam mit dem Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau am KIT erarbeitet wurde, fand sehr große überregionale Beachtung. Stadtarchiv & Historische Museen konnten große Fortschritte bei der Bestandserhaltung, unter anderem durch den erfolgreichen Neustart des Projekts „Rettung historischer Bauakten“, und beim Sammlungsaufbau erzielen und waren in allen Aufgabenbereichen der historischen Bildungsarbeit präsent. Die Digitalisierung der Bestände wurde ausgebaut, das digitale Stadtlexikon der Öffentlichkeit präsentiert. Unter der vielseitigen Ausstellungstätigkeit sticht die Doppelpräsentation von Pfi nzgaumuseum und Stadtmuseum „Genug gejubelt!? Pleiten, Pech und Glücksfälle der Stadtgeschichte“ heraus. Neue Wege der Gesprächskultur wurden mit der Einführung des „Historischen Mittwochabends“ gesucht. Ebenso konnte der Deutsche Archivtag nach Karlsruhe geholt werden, der auf großes Interesse stieß. Die Stadtbibliothek mit Hauptstelle, Zweigstellen und Medienbus konnte die Zahl der Medienentleihungen im Vergleich zum Vorjahr nochmals steigern auf nun über 1,7 Millionen. Der digitale Wandel zu E-Medien, E-Book-Reader und digitalem Bücherregal hat die Stadtbibliothek endgültig erreicht, zumal nun auch alle Zweigstellen mit E-Book-Readern ausgestattet wurden. Das Medienangebot erreicht fast alle Kreise der Stadtgesellschaft, auch weil die internationale Weltpresse digital vorliegt und umfänglich genutzt wird. Die Kinder- und Jugendbibliothek ist weiterhin ein Attraktionspunkt und hat erneut ein Rekordergebnis erzielt. Das Kulturbüro, das 2015 eine neue Leitung bekam, war über die gewöhnliche alltägliche Tätigkeit hinaus in sehr viele künstlerisch-kulturelle Projekte zum Stadtgeburtstag fördernd und beratend eingebunden und mit der Organisation der schon genannten Tagung der ECCAR befasst. Erstmals wurde unter anderem der im Kulturkonzept verankerte Fördertopf für interdisziplinäre Projekte an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie ausgeschrieben. Zudem wirkte das Kulturbüro beispielsweise bei der Konzeption und Umsetzung der Kulturmarketing-Kampagne mit, die gemeinsam mit der Stadtmarketing Karlsruhe GmbH und der Karlsruhe Tourismus GmbH erarbeitet wurde. Und wie schon im letzten Jahresbericht sei hier nochmals neben dem Recht auf Kultur mit Friedrich Schiller betont: „Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“ Dr. Susanne Asche Leiterin Kulturamt 6 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 7 www.karlsruhe.de ALLGEMEINE VERWALTUNG/ ZENTRALE DIENSTE Die Abteilung erbringt als Querschnittseinheit zentrale Verwaltungsdienstleistungen für das gesamte Kulturamt. Dies geschieht in den Bereichen Personal, Finanzen, Organisation, Controlling, IuK sowie durch organisationsübergreifende Servicedienste, wie Buchbinderei und Aufsichtspool. Nachfolgend Daten zur personellen Entwicklung des Kulturamts und zu den Finanzen: PERSONALBESTAND ANZAHL DER MITARBEITER/INNEN VOLLZEITSTELLEN IST-STELLEN zum 31.12.2013 zum 31.12.2014 zum 31.12.2015 zum 31.12.2013 zum 31.12.2014 zum 31.12.2015 Direktion 2 2 2 2 2 2 Verwaltung insgesamt darunter: Verwaltung Aufsichtspool  Stammpersonal  Saisonpersonal Buchbinderei 53 8 32 7 6 52 8 33 5 6 53 8 33 5 7 37,59 6,5 21,03 4,44 5,62 36,42 6,82 20,77 3,21 5,62 36,42 6,82 20,77 3,21 5,62 Kulturbüro 20 21 21 17,07 18,06 18,06 Kunstsammlungen 14 13 12 11 10 10 Stadtarchiv & Historische Museen 20 20 23 17,86 17,86 20,06 Stadtbibliothek* 66 64 64 52,24 51,70 52,41 175 172 175 137,76 136,04 138,89 * Haupt-, Jugend-, Amerikanische Bibliothek und Stadtteilbibliotheken WEITERE KENNZAHLEN ZUR PERSONALWIRTSCHAFT zum 31.12.2013 zum 31.12.2014 zum 31.12.2015 Frauenanteil insgesamt 72,32 % 71,53 % 69,71 % Frauenanteil Leitungsebene 66,00 % 66,00 % 50,00 % Volontariate, Auszubildende, studentische Praktika ** 2 / 7 / 13 + 3 GBJ 2 / 8 / 17 + 4 GBJ 2 / 7 / 13 + 4 GBJ Fehlzeitenquote 5,6 % 6,0 % 6,9 % Schwerbehindertenquote 13,71 % 14,53 % 13,14 % ** Darüber hinaus wurden zahlreiche kurzzeitige Betriebspraktika durchgeführt. FINANZEN 2013 2014 2015 Buchungsfälle im SG Finanzen 8.545 9.325 10.439 KULTURETAT 2013 2014 2015*** IST Anteil IST Anteil IST Anteil Ordentlicher Aufwand  davon Personal- und Versorgungsaufwand  davon Sachaufwendungen  davon Abschreibungen  davon Transferaufwendungen an Badisches Staatstheater (inklusive Zinsaufwand für Kulissenlager)  davon Transferaufwendungen an ZKM  davon Transferaufwendungen an weitere kulturelle Institutionen und kulturelle Projekte 47.420.101 € 7.752.856 € 2.811.884 € 916.339 € 21.898.603 € 8.126.900 € 5.913.519 € 16,4% 5,9% 1,9% 46,2% 17,1% 12,5% 48.195.700 € 8.189.753 € 2.635.881 € 933.388 € 21.810.201 € 8.526.200 € 6.100.277 € 17,0% 5,5% 1,9% 45,3% 17,7% 12,6% 52.853.902 € 8.432.706 € 3.614.951 € 957.410 € 23.149.451 € 8.933.000 € 7.766.384 € 16,0% 6,8% 1,8% 43,8% 16,9% 14,7% Ordentliche Erträge 1.968.289 € 2.010.052 € 2.089.368 € *** vorläufi ge Prognose, da Rechnungsabschluss 2015 noch nicht erfolgt ist. Die Erhöhung des Aufwands im Jahr 2015 resultiert insbesondere auch aus Maßnahmen im Rahmen des 300. Stadtgeburtstages. BUCHBINDEREI AUFTRÄGE FÜR 2013 2014 2015 Stadtbibliothek 58 % 56 % 60 % Stadtarchiv & Historische Museen 31 % 33 % 25 % Externe 11 % 11 % 15 % AUFSICHTSPOOL 2013 2014 2015 Anzahl der Ausstellungen 19 20 18 Bedarf an Aufsichtsstunden **** 40.025 41.666 42.756 **** inkl. Ausstellungseröffnungen, Konzerte, KAMUNA, Museumsfeste und sonstige Sonderveranstaltungen 8 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 9 www.karlsruhe.de KULTURBÜRO AUFGABEN ALLGEMEIN UND SCHWERPUNKTE 2015 1. KULTURFÖRDERUNG UND BERATUNG Das Kulturbüro ist die zentrale Förder- und Beratungsstelle für institutionelle und freie Kulturakteure in der Stadt. Es geht von einem weiten Kulturbegriff aus, wie er im Kulturkonzept 2025 seinen Niederschlag gefunden hat. Die Förderung wie auch eigene Projekte orientieren sich – neben den Vorgaben des Haushalts – vielfach an den Handlungsfeldern des Kulturkonzepts 2025 sowie an gesellschaftlichen Themen und Entwicklungen. Die Kulturförderung umfasst die Prüfung und Bearbeitung von institutionellen und projektbezogenen Förderanträgen und die Ermöglichung, Begleitung und Betreuung von Projekten der geförderten Kulturträger. Sie umfasst daneben die Beratung in Bezug auf Räume, Projektpartner, Fördermöglichkeiten, Drittmittelerschließung, Infrastruktur, Vernetzung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Presse. Wichtiger Bestandteil der Förderung sind ebenso die Kontrolle der Mittelverwendung, die Abrechnung und Belegprüfung wie auch die Evaluierung und Auswertung der Ergebnisse. Hinzu kommen die Betreuung baulicher Sanierungs- und Infrastrukturerhaltungsmaßnahmen. SCHWERPUNKTE 2015 Neben der Abwicklung der umfangreichen Förderaufgaben stand 2015 die Arbeit des Kulturbüros im Zeichen des Stadtjubiläums. In zahlreiche Projekte war es fördernd, begleitend, Rat gebend oder auch verwaltungsmäßig absichernd eingebunden. Raum nahmen die baulichen Projekte auf dem Gelände des Alten Schlachthofs ein, ebenso die vom Gemeinderat beschlossene Räumung der Ateliers hinterm Hauptbahnhof mit dem Verlust von künstlerischen Arbeitsstätten und die Erschließung und Vermittlung neuer kultureller Räume. Erstmals wurde der Wettbewerb für interdisziplinäre Projekte im Schnittstellenbereich von Kunst, Wissenschaft und Technologie ausgeschrieben. 2. VERANSTALTUNGEN Eigene Veranstaltungen des Kulturbüros werden in der Regel in Kooperation mit anderen Kulturakteuren durchgeführt und tragen zum Kulturprofi l der Stadt Karlsruhe nach innen und außen bei. Außerdem begleitet und unterstützt das Kulturbüro Veranstaltungen der Kulturinstitutionen und Kulturakteure und tritt als Partner von Veranstaltungen auf. Mit diesen Projekten und Festivals werden gezielt inhaltliche Akzente und Schwerpunkte in der Karlsruher Kulturlandschaft gesetzt. Das Kulturbüro versteht sich als Teil der inhaltlichen und konzeptionellen Entwicklung, als Koordinator und Organisator und sieht sich verbunden im Netzwerk der Karlsruher Kulturakteure. SCHWERPUNKTE 2015 Vorbereitung oder Durchführung folgender Festivals beziehungsweise Veranstaltungsformate: 3. Karlsruher Wochen gegen Rassismus einschließlich der zentralen Eröffnungsveranstaltung der Internationalen Wochen gegen Rassismus, 8. Karlsruher Krimitage, 22. Karlsruher Künstlermesse, 13. Frauenperspektiven „Über Arbeit – Über Leben“, KiX+JuX – Das Kulturfestival der Kinder und Jugendlichen, 3. Karlsruher Theaternacht, KAMUNA, 16. Reinhold-Frank-Gedächtnisvorlesung, ORGANUM – Konzert für acht Orgeln und Elektronik, 7. Generalkonferenz der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR) “Welcoming cities – keys for an anti-racist culture”, Karlsruher Literaturtage, Rathaus-Konzerte, ZeitGenuss – Festival für Musik unserer Zeit, ebenso zahlreiche Kooperationsveranstaltungen (zum Beispiel „Schwein gehabt 2015“ – 2 Tage Kunst und Kultur auf dem Alten Schlachthof, BEYOND) sowie Städtepartnerschaftsprojekte wie „Come Together“ der Jugendorchester der Partnerstädte. 3. KONZEPTE – SCHWERPUNKTE 2015 Erarbeitung von Einsparmaßnahmen im Rahmen der Haushaltsstabilisierung 2017 bis 2022, Kulturmarketing-Konzept zusammen mit Karlsruhe Tourismus GmbH und Stadtmarketing Karlsruhe GmbH, Weiterentwicklung des Kreativparks Alter Schlachthof und der Arbeit des K³-Kultur- und Kreativwirtschaftsbüros, Weiterentwicklung der Verortung des Jazzclub Karlsruhe e. V. 4. INTERNE DIENSTLEISTUNGEN Das Kulturbüro ist neben seinen externen Dienstleistungsaufgaben im Bereich der Kulturförderung auch interner „Dienstleister“. Hier werden hauptsächlich für den Oberbürgermeister, die Dezernenten und die Amtsleitung Reden, Stellungnahmen und Antwortschreiben verfasst. Außerdem ist das Kulturbüro als Mitglied oder Koordinator, vorbereitend oder fachlich begleitend mit folgenden Gremien verbunden: Stiftungsrat ZKM, Verwaltungsrat Badisches Staatstheater Karlsruhe, Stiftungsrat Centre Culturel Franco-Allemand, Kulturausschuss, Kunstkommission, Kuratorium der Europäischen Kulturtage, Arbeitskreis Kultur der TechnologieRegion Karlsruhe, Aufsichtsrat Karlsruher Fächer GmbH, Forum für Kultur, Recht und Technik, Stiftung Karpatendeutsches Kulturwerk, Mechthilde-Meyer-Stiftung, Reinhold-Frank-Gedächtnisvorlesung, Schule und Kultur, ECCAR Steering Committee, IBZ Mitgliederversammlung, Arbeitskreis Frauenperspektiven, Round Table Kulturelle Bildung, Arbeitskreis Karlsruher Bücherschau, Arbeitskreis ARD Hörspieltage, Netzwerk gegen Rechts, AKÖ Arbeitskreis Kulturelle Öffentlichkeitsarbeit des Kulturkreises, Verein „ausgeschlachtet“ Alter Schlachthof. Schließlich erarbeitet das Kulturbüro mit dem Presse- und Informationsamt regelmäßig die Schwerpunkte der kulturellen Berichterstattung. 10 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 11 www.karlsruhe.de 5. PERSONALIA Zum 1. Juli 2015 erfolgte ein Wechsel in der Leitung des Kulturbüros. Die frühere Leiterin, die diese Funktion seit 2008 innehatte, schied auf eigenen Wunsch aus dem Dienst der Stadt Karlsruhe aus. Im Rahmen einer internen Ausschreibung wurde der bisherige stellvertretende Leiter des Kulturbüros, Claus Temps, zum neuen Leiter gewählt. Die Stellvertretende Leitung des Kulturbüros wurde Claudia Lahn, der Leiterin des Fachbereichs 1 im Kulturbüro, übertragen. Die frei gewordene Stelle der Leitung des Fachbereichs Musik, Bildende Kunst, Wissenschaft, Projekte wurde im Frühjahr 2015 extern ausgeschrieben. Aus 186 Bewerbungen wurde Felicia Maier ausgewählt. Sie trat ihren Dienst im Oktober 2015 an. TÄTIGKEITEN 2015 (AUSWAHL) 1. KULTURFÖRDERUNG, BERATUNG, BEWILLIGUNGEN, VERWENDUNGSNACHWEISE Bewilligungsbescheide für institutionelle und projektbezogene Förderungen Prüfung von Verwendungsnachweisen Beratungsgespräche 880 450 circa 1.500 Haushalt 2015 Institutionelle Förderung Projektförderung Sachmittel (Eigene Projekte) Gesamt 36.871.207,75 € 2.074.808,82 € 1.239.285,81 € 2. VERANSTALTUNGEN UND PROJEKTE (AUSWAHL) THEMEN 2015 RELEVANT FÜR KULTURKONZEPT Planung und Durchführung der 22. Künstlermesse, 24. bis 26. April Rad: fördern, veranstalten Planung und Durchführung des Festivals ZeitGenuss, 23. bis 30. Oktober Rad: fördern, veranstalten Planung und Durchführung der Konzertreihe Musik im Rathaus, 4. November bis 16. Dezember Rad: fördern, veranstalten, Recht auf Kultur Schenkung einer Großskulptur aus Taiwan, 19. bis 21. August HF 4 Planung und Durchführung des Adventskonzerts mit dem Heeresmusikkorps Koblenz, 14. Dezember Rad: veranstalten, Recht auf Kultur Planung und Durchführung von ORGANUM, Konzert für acht Orgeln und Elektronik, Zeitgenössische Musik in KA, im Rahmen von KA 300, 19. September HF 5 Förderung von WESPE, Bundeswettbewerb der Besten unter den Besten, Deutscher Musikrat, 18. bis 19. September; Förderung des Landesjazzfestes, 4. September und 17. Oktober, Jazzclub Karlsruhe e. V. HF 2, Rad: fördern, veranstalten Planung und Durchführung des Karlsruher Kulturfrühstücks, sechs Termine HF 2 Ausschreibung und Durchführung des Wettbewerbes zur Vergabe des Hanna-Nagel-Preises Rad: fördern Begleitung der Planung der Karlsruher Museumsnacht am 1. August HF 1, Recht auf Kultur Planung und Durchführung der Tagung des Karlsruher Forums am 23. Oktober im ZKM HF 2, HF3, HF 5 Betreuung der städtischen Ateliers; Ausschreibung und Vergabe von Ateliers, Vergabe von Mietkostenzuschüssen für städtische Ateliers; Betreuung, Verwaltung und Abrechnung der Ateliers im Atelierhaus Alter Schlachthof HF 4, Rad: fördern Kunst im öffentlichen Raum: Bestandsaufnahme und Sanierung der Kunstwerke; Neukonzeption des Platzes der Grundrechte mit Sanierung, Ergänzung der Schilder, Erstellung eines neuen Flyers HF 4 UND8 – Plattform für Freie Kunst, Kunstinitiativen und internationale Gäste, 15. bis 18. Oktober, Förderung, Beratung, Begleitung Rad: fördern Vergabe des Karlsruher Kulturstipendiums und der Karlsruher Hochschulpreise HF 3, Rad: fördern Förderung und Begleitung der Belange der VHS, der JUKS und der PAMINA-VHS HF 2, Recht auf Kultur Förderung und Begleitung der ARD Hörspieltage mit dem 10. Kinder- hörspielpreis der Stadt Karlsruhe HF 2, Recht auf Kultur 33. Karlsruher Bücherschau, Förderung und Begleitung; 3. Karlsruher Literaturtage, Förderung und Begleitung, 8. Karlsruher Krimitage,13. bis 21. März, Planung und Durchführung Rad: fördern Badisches Staatstheater: Kulturlotsen, Förderung und Begleitung HF 2; Recht auf Kultur Literaturprojekte: AUTORIKA, Literatenrunde (unter anderem Projekte mit jungen Flüchtlingen), Lesereihe von Monika Lustig, Regine Kress- Fricke, Karlsruher Lesenacht, Imagebroschüre Literatur in Karlsruhe, Druckkostenzuschüsse. Recht auf Kultur, Rad: fördern interdisziplinäre Kinder- und Jugendprojekte: Jugendzirkus Maccaroni, Tiyatro Diyalog, Kindertheater der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Ana + Anda, African Summer Festival, Märchen-Projektwoche HF 2 HF = Handlungsfeld HF 1: Kulturelles Erbe HF 2: Kulturelle und gesellschaftliche Bildung HF 3: Stärkung der Verbindung von Kunst, Wissenschaft und Technologie HF 4: Stadt: Raum für Kultur HF 5: Kultur und Wirtschaft 12 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 13 www.karlsruhe.de Kinder- und Jugendtheaterprojekte: 29. Schultheaterwoche, 10. marottinale, EFI-Projekt, American Drama Group HF 2 Betreuung Fastnachtsumzüge Karlsruhe, Durlach, Daxlanden, Neureut; Förderung HF 1 Karpatendeutsches Kulturwerk, Bundestreffen 25. April, Tag der Heimat 2015, Bund der Vertriebenen HF 1 „Kultur und Schule“, Ausschreibung, Koordination, regelmäßige Qualitätskontrolle; Pilotprojekt „Kulturinseln“ an Ganztagesgrundschulen; Round Table Kulturelle Bildung HF 2 16. Reinhold- Frank-Gedächtnisvorlesung 2015, Planung und Durchführung HF 1 Diverse Theaterprojekte, Senioren- und Migrantenprojekte, Oliver Sehon Improvisationstheaterfestival, Tanztheater Patricia Wolf, Piotr Tomczyk, 10 Jahre Tanztheater Etage Gabriela Lang; 3. Karlsruher Theaternacht, 12. September, Förderung und Begleitung Recht auf Kultur, HF 2 Diverse Publikationen zum Stadtgeburtstag 2015, darunter der aktuelle Karlsruhe-Roman sowie Flyer „Goethe in Karlsruhe“, Karlsruher Kirchenführer HF 1, 2 Vereinsmusikpfl ege: Allgemeinzuschüsse, Mietzuschüsse, Erbbauzinsen, Sonderzuschüsse, Jubiläumszuschüsse HF 1, Rad: födern Orgelfabrik, Ausstellungen (Ausschreibung, Jurierung, Betreuung), Koordinierung und Förderung der Aktivitäten der Nutzer des Kulturzentrums HF 4, Rad: fördern Betreuung und Förderung der Kulturzentren Tollhaus, Tempel, Mikado, Wirkstatt, KOHI und Substage HF 4, Rad: fördern 3. Karlsruher Wochen gegen Rassismus, 13. bis 29. März, Planung, Koordination und Durchführung HF 2, Recht auf Kultur, Vielfalt, Bekennen 7. Generalkonferenz der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR) „Welcoming cities – keys for an anti-racist culture“ 8./9. Oktober, Kongresszentrum Karlsruhe; Planung, Durchführung, Begleitung HF 2, Recht auf Kultur, Vielfalt, Bekennen Internationale Projekte, Interkulturelle Projekte deutsch-ausländischer Gesellschaften und ausländischer Kulturvereine, Projekte des interreligiösen Dialogs, Betreuung und Beratung der Stiftung Centre Culturel Franco-Allemand Karlsruhe HF 2 „Garten der Religionen“ (Eröffnung 24. September), Bauliche Entwicklung, Finanzierung, Eröffnung HF 2, Recht auf Kultur, Vielfalt, Bekennen Städtepartnerschaftsprojekte mit Nancy (60 Jahre Städtepartnerschaftsjubiläum), Nottingham, Halle, Temeswar und Krasnodar; Projekt zum Stadtjubiläum: „Come Together“ mit Konzerten im Schlossgartenpavillon mit Jugendorchestern aus vier Partnerstädten und dem Jugendorchester Karlsruhe und ORGANUM; Projekte mit der Projektpartnerstadt Rijeka; neue Projektpartnerschaften mit Sakarya und Van (ab September 2015) HF 2 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Europathemen: Forum Kultur der Oberrheinkonferenz, Projekte mit dem Elsaß, Europa-AG, Europabericht, EUROCITIES Culture Forum und Creative Industries HF 2 Betreuung und Förderung des kommunalen Kinos Kinemathek; Filmfestivals und Filmreihen wie zum Beispiel Dokumentarfestival DokKa, Stummfi lmfestival, Independent Days, Ferienkino HF 4, Rad: fördern Betreuung und Förderung des ZKM, Vorbereitung der Sitzungen des ZKM-Stiftungsrats in Kooperation mit dem ZKM und Landesministerien, Begleitung von Projekten wie zum Beispiel GLOBALE, Wissenschaftsjahr, Beyond 3D-Festival HF 3, 4, Rad: fördern Einweihung „Platz der Menschenrechte“ auf dem ZKM-Vorplatz am 10. Dezember Rad: Kultur als Grund- und Menschenrecht Projekte auf dem Kreativpark Alter Schlachthof: unter anderem „Schwein gehabt 2015“ – Zwei Tage Kunst und Kultur auf dem Alten Schlachthof am 16./17. Mai, weitere geförderte Projekte wie zum Beispiel in der Fleischmarkthalle, im Atelieraus, Perfekt Futur, Tollhaus, Substage, der Alten Hackerei, Spuktheater HF 4, HF 5, Rad: fördern Projekte und Veranstaltungen des K³ Kultur- und Kreativwirtschaftsbüros in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung: zum Beispiel Kreativstart-Kongress, Veranstaltungsreihe „7x7“ und Creative Fem.Net (im Tollhaus), Kultur- und Kreativwirtschaftswoche (im Schlossgartenpavillon), neue Reihe: kreatives Speeddating (Wirtschaft trifft Kreative), Seminare, Vorträge, Beratungen, Vernetzung und Kooperationen mit der Kreativszene, K³-Internetportal HF 3, HF 5, Rad: fördern, veranstalten Förderung, Betreuung und Auswahl der Gründerfi rmen im Kreativgründungszentrum Perfekt Futur, Planung von Anschlussnutzungen (Wachstums- und Festigungszentrum) gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung und der Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs-KG HF 3, HF 4, HF 5 Interdisziplinäre Projekte (Querfunk, Gedok, CSD, Ladyfest, Farbschall e. V.) HF 2, Rad: fördern Erstmalige Ausschreibung und Vergabe von Fördermitteln für interdisziplinäre Projekte im Schnittstellenbereich von Kunst, Wissenschaft und Technologie HF 3, HF 5, Rad: fördern KiX+JuX – Das Kulturfestival der Kinder und Jugendlichen, 26. bis 29. Mai (KiX) und 11. Mai bis 27. Juni (JuX), Planung und Durchführung HF 2, Rad: fördern und veranstalten Festival Frauenperspektiven „Über Arbeit – über Leben“, 17. bis 26. April HF 2, Rad: fördern und veranstalten Organisatorische Unterstützung der Mahnwache für Frieden und Toleranz anlässlich des Anschlages auf die Redaktion von Charlie Hebdo HF 2, Vielfalt 14 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 15 www.karlsruhe.de 3. KONZEPTE, MITARBEIT UND UMSETZUNG (AUSWAHL) THEMA 2015 RELEVANT FÜR KULTURKONZEPT Stadtgeburtstag 2015: Bespielung des Pavillons durch Karlsruher Theater, Schule und Kultur Gesamtstadt Umsiedlung Badisches Schulmuseum HF 1, Rad: fördern, vermitteln Umstrukturierung Hofgut Maxau HF 1 Vorbereitung der 7. KinderLiteraturtage in Karlsruhe KLiK 29. Februar bis 11. März 2016 HF 2 Sanierung Gebäudetechnik ZKM-Hallenbau in Kooperation mit ZKM, Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft, Land (Baukorridor-Zuschuss) HF 3, HF 4 Sanierung und Gebäudeunterhaltung Orgelfabrik in Kooperation mit Stadtamt Durlach, Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft und Nutzern HF 4 Weiterentwicklung Kreativpark Alter Schlachthof in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung und der KFE: Regelmäßiger Jour fi xe mit Verein ausgeschlachtet und Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs-KG (KFE); Symposium 10 Jahre Alter Schlachthof; Ansiedlung neuer Nutzerinnen und Nutzer; Konzeptionen, zum Beispiel Kesselhaus, Wachstums- und Festigungszentrum, Großmarkthalle (kurz: FGS-Halle), Kühlhaus, Pferdeschlachthaus HF 3, HF 4, HF 5 Bauprojekt Musikclub Substage: Obergeschossausbau (Baukostenzuschuss und Darlehen) HF 4 Sanierung und Ausstattung Kulturzentrum Tempel: Erneuerung Bestuhlung und Einbau Lüftungsanlage Scenario-Halle (Baukostenzuschuss) HF 4 Konzept und Umsetzung der Online-Plattform zur kulturellen Kinder- und Jugendbildung HF 2 Pilotprojekt „KiTa + Kultur“ September 2014 bis Juli 2015 HF 2 Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule: Service Learning Dienste HF 2 Badisches Staatstheater, Neubau und Sanierung, Bauwettbewerb, Kommunikationskonzept HF 4, Rad: fördern Beratung/Vernetzung/Abstimmung mit KA-300-Team bezüglich diverser kultureller Beiträge zum Stadtjubiläum, insbesondere der Stadtteilprojekte Gesamtstadt Interne AG zur Überarbeitung der Förderformulare für institutionelle und Projektförderung, der allgemeinen Nebenbestimmungen und Prüfl isten Rad: fördern Koordination des städtischen Internet-Veranstaltungskalenders Rad: fördern, vernetzen Redaktion des Kulturportals www.karlsruhe.de/kultur Rad: fördern Koordination von Werbemöglichkeiten, insbesondere der städtischen Citylight-Plakatierungsfl ächen („Stadtseite“) und der Litfass-Säulen der Firma WallDecaux sowie technische Betreuung (baustellenbedingte Verlegung, Neuanschaffungen) der „Kulturring-Säulen“ Rad: fördern Konzeption und Umsetzung der Kulturmarketing-Kampagne „Kultur in Karlsruhe“, Start mit eigenem CD und ersten Maßnahmen zu Offerta und Christkindlesmarkt HF 5 Neukonzeption und Umsetzung des internen Planungskalenders zur Terminkoordination im Internet für Events, Pressetermine, Empfänge, Gemeinderatssitzungen, Kongresse Rad: fördern, vernetzen Vorbereitung der 23. Europäischen Kulturtage Karlsruhe 2016 „Wanderungen – Glück | Leid | Fremdheit“ Recht auf Kultur, Vielfalt, Rad: fördern, veranstalten Ateliers hinterm Hauptbahnhof, Kommunikation im Zusammenhang mit Kündigung und Räumung; Raumsuche HF 4, Rad: fördern, vermitteln Flyer „Kultur in Karlsruhe zur art Karlsruhe“ in Zusammenarbeit mit Stadt- marketing Karlsruhe GmbH und Karlsruhe Messe und Kongress GmbH HF 5 Neukonzeption Förderung Kirchenmusik Rad: fördern Jugendorchester Karlsruhe: Proberäume HF 4, Rad: fördern Weinbrenner-Broschüre, gemeinsam mit dem Arbeitskreis Kultur der TechnologieRegion Karlsruhe HF 1, HF 2 Jazzclub Karlsruhe, Raumsuche, Konzept zur Professionalisierung HF 4, Rad: fördern 4. INTERNE DIENSTLEISTUNGEN Reden, Grußworte, Stellungnahmen und Schreiben für den Oberbürgermeister, die Dezernenten und die Amtsleitung 2015 Mitwirkung in Gremien stadtintern und extern 2015 (Vorbereitung, Nachbereitung, sonstige Vorgänge) Reden, Grußworte, Stellungnahmen: 140 Schreiben: 160 circa 50 Ausbildung Anzahl 2015 Praktika 7 Gemeinnütziges Bildungsjahr 1 Berufs- und Studienorientierung am Gymnasium (BOGY) 1 Praktikant in der Ausbildung 1 16 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 17 www.karlsruhe.de STÄDTISCHE GALERIE KARLSRUHE Die Rücklagerung der Kunstwerke, die wegen der Sanierung der Sprinkleranlage unter anderem im ZKM | Museum für neue Kunst ausgelagert waren, und die drei umfangreichen Ausstellungen als Beiträge zum 300. Stadtgeburtstag Karlsruhes bestimmten die Tätigkeit in der Städtischen Galerie Karlsruhe während des Jahres 2015. Im Zentrum stand die Präsentation zu dem badischen Baumeister Friedrich Weinbrenner, die zusammen mit dem Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau am KIT erarbeitetet wurde. Sie fand bei den Besucherinnen und Besuchern und bei der Presse großen Anklang. Die Neue Züricher Zeitung (5. August 2015) schrieb von einer „betörenden Schau“. SONDERAUSSTELLUNGEN Bis zum 6. April 2015 war, parallel zur Auslagerung, die Präsentation „Von Ackermann bis Zabotin. Die Städtische Galerie Karlsruhe zu Gast im ZKM | Museum für neue Kunst“ zu sehen. Am 12. April 2015 wurde „A L L E ! Der Künstlerbund Baden-Württemberg in der Städtischen Galerie Karlsruhe“ (12. April bis 24. Mai 2015) zum 60-jährigen Bestehen dieser Künstlervereinigung eröffnet. Damit konnten die sanierten Ausstellungsfl ächen wieder in Betrieb genommen werden. Nur wenig zeitlich versetzt zu dieser Sonderausstellung im Erdgeschoss war im Forum die Hanna-Nagel-Preisträgerin 2015, Simone Demandt, mit ihrer Präsentation „tief blicken“ (23. April bis 7. Juni 2015) vertreten. Im Bereich der Dauerausstellung im ersten Obergeschoss musste der größte Teil der Fläche bis September als Zwischendepot für die zurück zu lagernde Kunst beziehungsweise für die hochwertige Verpackung verwendet werden. Gleichwohl bestand dort die Möglichkeit, sich vom 23. April bis zum 5. Juli 2015 mit der Installation des Werner-Stober-Preisträgers 2014 „David Semper – GIORNATA“ (23. April bis 5. Juli 2015) auseinanderzusetzen. Auf der gesamten Fläche wurde dort vom 10. Oktober an die „ars viva 2016“ (10. Oktober 2015 bis 17. Januar 2016) mit Werken der international vernetzten und in Berlin lebenden Kunstschaffenden Flaka Haliti, Hanne Lippard, Calla Henkel & Max Pitegoff präsentiert. Der ars viva-Preis wird jährlich vom Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft vergeben. Den Sommer über stand die Präsentation „Friedrich Weinbrenner 1766 – 1826. Architektur und Städtebau des Klassizismus“ (27. Juni bis 4. Oktober 2015) im Zentrum der Aufmerksamkeit, und zum Jahresende folgte, als weiteres besonderes Highlight, die „Kunstakademie Karlsruhe – Franz Ackermann, Silvia Bächli, Stephan Balkenhol, John Bock, Ernst Caramelle, Tatjana Doll, Helmut Dorner, Erwin Gross, Axel Heil, Leni Hoffmann, Harald Klingelhöller, Kalin Lindena, Meuser, Julia Müller, Daniel Roth, Marcel van Eeden, Marijke van Warmerdam, Corinne Wasmuht“ (14. November 2015 bis 21. Februar 2016) mit dem aktuellen Schaffen der zur Zeit lehrenden Professorinnen und Professoren. DAUERAUSSTELLUNG, NEUERWERBUNGEN UND AUSLAGERUNG DER KUNSTSAMMLUNG Die Schließung der Dauerausstellungsfl äche wegen der Auslagerung der Kunst im Rahmen der Sprinkleranlagen-Sanierung erstreckte sich bis in den September, dann wurde die Fläche für eine Sonderausstellung genutzt. Erst im Februar 2016 konnte das zweite Obergeschoss wieder als Präsentationsfl äche genutzt werden. VERANSTALTUNGEN Lebhaften Zuspruch fanden nicht nur Großveranstaltungen wie der alljährliche Tag der offenen Tür (6. Januar 2015, zusammen mit dem ZKM) und die Karlsruher Museumsnacht (1. August 2015), sondern auch der „Internationale Museumstag“ (22. Mai 2015) sowie zahlreiche Termine in der Reihe „Mittwochs um 6“, darunter Führungen, Zeitzeugengespräche und Konzerte. MUSEUMSPÄDAGOGIK, VERMITTLUNG Auch 2015 konnten die Vermittlungsarbeit und das museumspädagogische Angebot erfolgreich weitergeführt und ausgebaut werden. Zu allen Ausstellungen wurde ein detailliertes Programm der Workshops für Kinder, Jugendliche und Schulklassen vorbereitet und gedruckt. Die jede Woche geöffnete Kinderwerkstatt am Sonntag (parallel zur Erwachsenenführung) hat sich längst fest etabliert und wird das ganze Jahr über – außer in den Sommerferien – angeboten. Wie in den Jahren zuvor wurde bei jeder neuen Ausstellung zu Einführungsveranstaltungen für Lehrerinnen und Lehrer sowie für Erzieherinnen und Erzieher eingeladen. Der JugendKunstKlub LUX 10 bietet jungen Menschen ab circa 16 Jahren im monatlichen Turnus spannende Einblicke in die Museumsarbeit. Das 2012 in Zusammenarbeit mit der vhs Karlsruhe begonnene Projekt „Kunst und Integration. Migrant/innen lotsen Migrant/innen“ zur Bildung eines Multiplikatoren-Netzwerks und zur Vermittlung eines interkulturellen Kunstverständnisses konnte erfolgreich weitergeführt werden. 2013 startete die Städtische Galerie Karlsruhe in Kooperation mit der Tulla-Schule und dem jubez eines von vier Pilotprojekten im Rahmen der „Kulturinseln! Kulturelle Bildung an Karlsruher Ganztagsschulen“, gefördert aus Haushaltsmitteln des Kulturbüros. Das Projekt schaffte es 2014 sogar in die Finalrunde des Mixed-Up-Wettbewerbes von „Kultur macht Schule“. Auf eine langfristige Zusammenarbeit hin konzipiert, konnte die Kooperation auch für das Schuljahr 2015/2016 erfolgreich mit insgesamt 5 Ganztagsgrundschulklassen fortgesetzt werden. Darüber hinaus werden regelmäßige Kooperationen mit folgenden Kindergärten durchgeführt: Evangelischer Luther-Kindergarten, Städtische Kindertagesstätte Wolfartsweier, Städtischer Kindergarten Lußstraße und Schülerhort Draisschule. Anlässlich der aktuellen Brisanz der Flüchtlingsthematik konnten Gelder der Mechthild-Meyer-Stiftung dafür verwendet werden, ein Angebot für museumspädagogisch betreute Besuche von Gruppen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Karlsruhe ins Leben zu rufen. In Kooperation mit dem Helmholtz-Gymnasium in Karlsruhe entstanden mit dem Literaturkurs einer 11. Klasse im Rahmen einer „Schreibwerkstatt“ Texte zu ausgewählten Kunstwerken der städtischen Kunstsammlung. Die Ergebnisse dieser Workshops wurden im Rahmen einer Schulveranstaltung in der Städtischen Galerie vorgestellt. Die museumspädagogischen Angebote und die Vermittlungsarbeit der Städtischen Galerie orientieren sich am Handlungsfeld 2 („Kulturelle und gesellschaftliche Bildung“) des Kulturkonzepts 2025 als Ausdruck des Selbstverständnisses der Kulturstadt Karlsruhe, Kultur als Grund- und Menschenrecht zu begreifen und daraus ein allgemeines Recht auf Kultur mit einem kulturellen Teilhaberecht abzuleiten. BERATUNG, AUSKÜNFTE Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen der Galerie sind regelmäßig beteiligt an der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber für die Orgelfabrik und für die Künstlermesse. Hinzu kommen im Laufe des Jahres zahlreich Anfragen von Kollegen und Kolleginnen aus anderen Museen, von Institutionen und von Privatleuten, die Auskünfte zu Kunstwerken, Künstlerinnen und Künstlern erbitten. LEIHVERKEHR Kunstwerke aus dem eigenen Bestand und aus der Sammlung Garnatz werden regelmäßig für nationale und internationale Ausstellungen als Leihgaben erbeten. Die Auslagerung der Kunst an unterschiedliche Orte und ihre kompakte Unterbringung ließ 2015 die Ausleihe nur eingeschränkt zu. Marlene Dumas Gemälde „Magdalena (Patron Saint of Hairedressers)“ war in der umfassenden Retrospektive der Künstlerin in der Fondation Beyeler in Basel zu sehen. Zudem gingen zwei Gemälde von Wilhelm Volz in die Wessenberg Galerie nach Konstanz. 18 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 19 www.karlsruhe.de BESUCHERZAHLEN SONDERAUSSTELLUNGEN 2015 Von Ackermann bis Zabotin 6.933 Die Städtische Galerie Karlsruhe zu Gast (2014 = 10.605) im ZKM | Museum für Neue Kunst 3. Oktober 2014 bis 6. April 2015 A L L E ! 2.206 Der Künstlerbund Baden-Württemberg in der Städtischen Galerie Karlsruhe 12. April 2015 bis 24. Mai 2015 Simone Demandt – „tief blicken“ 1.633 (Forum) Demandt + Semper insgesamt) 23. April 2015 bis 7. Juni 2015 David Semper – GIORNATA Kunstpreis der Werner-Stober-Stiftung 2014 23. April 2015 bis 5. Juli 2015 Friedrich Weinbrenner 1766 – 1826 12.966 Architektur und Städtebau des Klassizismus 27. Juni 2015 bis 4. Oktober 2015 KAMUNA 2.200 1. August 2015 ars viva 2016 1.870 Flaka Haliti, Hanne Lippard, Calla Henkel & Max Pitegoff 10. Oktober 2015 bis 17. Januar 2016 Kunstakademie Karlsruhe 3.050 Franz Ackermann, Silvia Bächli, Stephan Balkenhol, John Bock, Ernst Caramelle, Tatjana Doll, Helmut Dorner, Marcel van Eeden, Erwin Gross, Axel Heil, Leni Hoffmann, Harald Klingelhöller, Kalin Lindena, Meuser, Claudia & Julia Müller, Daniel Roth, Marijke van Warmerdam, Corinne Wasmuht 14. November 2015 bis 21. Februar 2016 Gesamtbesucherzahl: 30.858 (bis Dezember 2015) BESUCHERZAHLEN: 2012 2013 2014 2015 Dauerausstellung 1.731 1.103 4.084 keine Dauerausstellung und 42.680 45.776 52.824 30.858 Sonderausstellungen Führungen in der Städtischen Galerie Karlsruhe 2015 Öffentliche Führungen: 174 205 216 204 Gebuchte Führungen: 23 42 38 75 Öffentliche Kinderkurse: 49 51 50 47 Gebuchte Kinderkurse: 84 93 103 57 20 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 21 www.karlsruhe.de STADTARCHIV & HISTORISCHE MUSEEN Auch 2015 führten Stadtarchiv, Pfi nzgaumuseum, Stadtmuseum und Erinnerungsstätte Ständehaus an die Stadtgeschichte heran. Sie leisteten damit einen Beitrag zur Identitätsbildung und zur Schaffung eines historischen Bewusstseins der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die Schwerpunkte der Arbeit lagen wieder in der Bewahrung des Kulturellen Erbes der Stadt (Handlungsfeld 1 des Kulturkonzepts 2025 der Stadt Karlsruhe) und der Kulturellen und gesellschaftlichen Bildung (Handlungsfeld 3). Während 2014 noch von der Geschichte des Ersten Weltkriegs geprägt war, stand 2015 das Stadtjubiläum im Vordergrund. Das Stadtarchiv arbeitete 2015 schwerpunktmäßig in den Bereichen Bestandserhaltung und Stadtgeschichte digital, hier besonders für das Digitale Stadtlexikon. Die Besuchszahlen blieben in dem in den letzten Jahren üblichen Bereich, wobei der schon im Vorjahr eingetretene Rückgang der Besuche im Stadtarchiv anhielt, der vor allem auf die stark angestiegene Zahl der digitalen Angebote zurückzuführen ist. Die Resonanz auf diese digitalen Angebote wurde erstmals erhoben und lag Ende des Jahres bei 1.720.567 Zugriffen. Auch die sonstigen regulären Arbeiten liefen weitgehend im gewohnten Maße ab. 2015 konnte die Zahl der verzeichneten erschlossenen Archivalien noch einmal leicht gesteigert werden trotz einer überproportional starken Einbindung des Archivpersonals in das Projekt „Digitales Stadtlexikon“. Auch die mit einem hohen Personaleinsatz verbundene Aktion „Rettung historischer Bauakten“ band weiterhin viele Personalressourcen des Stadtarchivs. Durch die zunächst in einer Projektstruktur zugewiesenen neuen Stellen von Dr. Patrick Sturm, Wissenschaftlicher Archivar, ab 1. Mai 2015 und Eric Wychlacz, Diplomarchivar, ab 1. September 2015, konnten die bis dahin in dem Projekt beschäftigten Archivarinnen wieder verstärkt ihren regulären Aufgaben nachgehen, wodurch unter anderem die Steigerung der Anzahl erschlossener Archivalien möglich wurde. Die neu geschaffene Personalsituation erlaubte aber auch eine stärkere Konzentration auf die Rettungsaktion der historischen Bauakten. So erfolgten im Sommer 2015 die Aussonderung und Überführung von 8.764 historischen Bauakten aus der Registratur des Bauordnungsamtes in das Stadtarchiv. Seit Juli 2015 sind 2.668 dieser Bauakten im Archivsystem Augias erschlossen worden. Von 1.500 aus den Akten herausgenommenen Bauplänen konnten 673 restauriert werden. Mit einem Massenentsäuerungsverfahren wurden 1.332 Bauakten und 214 Zeitungsbände behandelt. Die Digitalisierung wurde mit weiteren 243 Bauakten und 733 Bauplänen fortgeführt. Die Rettung dieses Teils des Kulturellen Erbes der Stadt wird neben den Entsäuerungsmaßnahmen und der Digitalisierung häufi g genutzter Bestände auch mittelfristig Schwerpunkt im Aufgabenbereich „Bestandserhaltung“ sein. STADTGESCHICHTE DIGITAL Noch einmal gesteigert wurden die Digitalisierungszahlen im Berichtsjahr, so dass das Stadtarchiv Ende 2015 über eine Million Digitalisate verfügte (siehe Grafi k). Digitalisierungsstatistik 2004 bis 2015 – Anzahl der Digitalisate Anzahl im Jahr Anzahl gesamt bis 2004 7.895 7.895 2005 12.704 20.599 2006 18.091 38.690 2007 73.389 112.079 2008 59.440 171.519 2009 34.468 205.987 2010 62.524 268.511 2011 49.923 318.434 2012 142.986 461.420 2013 156.200 617.620 2014 152.726 770.346 2015 244.063 1.014.409 Abgeschlossen wurde im Berichtsjahr die Digitalisierung des Bildarchivs Horst Schlesiger und der Bürgerausschussprotokolle. Begonnen wurde mit der Digitalisierung der Fotos der Städtischen Bildstelle und der Personenstandsbücher. Inzwischen sind verstärkt Anfragen aufgrund der Präsenz im Netz zu verzeichnen. Mit diesem Schritt in die digitale Welt wurde und wird ein wichtiger Beitrag zum Handlungsfeld 3 „Stärkung der Verbindung von Kunst, Wissenschaft und Technologie“ geleistet. 22 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 23 www.karlsruhe.de Erschienen sind im Berichtszeitraum insgesamt sieben Publikationen des Stadtarchivs: Reihe 2 Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte Band 16: Marion Deichmann: Ihr Name soll unvergessen bleiben. Eine Kindheit geprägt vom Völkermord, Karlsruhe 2015. Reihe 3 Häuser- und Baugeschichte Band 13: Matthias Maier und Nina Rind: Trinkwasser. Lebensgrundlage einer jungen Stadt, Karlsruhe 2015. Band 14: Christine Beil: Der Zoo in Karlsruhe. Ein historischer Streifzug. Mit einem Beitrag von Clemens Becker, Karlsruhe 2015. Band 15: Manfred Fellhauer: Die Kirche St. Valentin zu Daxlanden, Karlsruhe 2015. Außerhalb der Reihen: Der Zweite Weltkrieg – Last oder Chance der Erinnerung? Widerspruch gegen das Ehrenmal der 35. Infanterie-Division in Karlsruhe, Karlsruhe 2015. Michail Krausnick: Abfahrt Karlsruhe 16. Mai 1940. Die Deportation der Karlsruher Sinti und Roma, Ubstadt-Weiher 2015. Ferdinand Leikam: Karlsruhe so wie es war, Düsseldorf 2015 Das Stadtarchiv zeigte anlässlich des Stadtjubiläums die Ausstellung „Vor 50 Jahren ... Das Jubiläumsjahr 1965“ vom 3. Mai bis 21. Juni 2015 in der Krypta der Evangelischen Stadtkirche. Im Stadtarchiv wurde erstmals eine zweisprachige Ausstellung (deutsch-französisch) „Karlsruhe- Nancy: eine vielfältige und dauerhafte Partnerschaft“ vom 1. Juni bis 29. Oktober 2015 gezeigt. Konzipiert wurde sie von der französischen Archivarin in Ausbildung Aude Royer im Rahmen eines dreimonatigen Praktikums im Stadtarchiv Karlsruhe. Frau Royer studierte Archivwissenschaft in Frankreich an der Universität von Angers. Im Rahmen der städtischen Erinnerungsarbeit konnten 2015 16 neue Biographien (Beiträge für 36 Opfer) in das Gedenkbuch für die ermordeten Karlsruher Juden eingelegt werden. Generell wurde die Erinnerungsarbeit im Berichtszeitraum verstärkt. Das Stadtarchiv konzipierte 2015 die Erinnerungsstele zur Deportation der Jüdinnen und Juden am 22. Oktober 1940 beim Hauptbahnhof. Eingebunden war das Stadtarchiv auch in die Vorbereitung und Durchführung des 85. Deutschen Archivtages, der vom 30. September bis zum 3. Oktober in der Stadthalle stattfand und sich dem Thema „Transformation ins Digitale“ widmete und mit rund 800 Teilnehmenden eine gute Resonanz fand. Turnusgemäß hat das Stadtarchiv die Federführung des Karlsruher Notfallverbundes bis 2017 übernommen. Die Dauerausstellung des Stadtmuseums wurde wieder mit Themenführungen der freiberufl ich tätigen Museumspädagoginnen belebt. Zudem fanden auch wieder mehrere Führungen für Gruppen, Integrationskurse der VHS und öffentliche Vorträge statt und zahlreiche Schulklassen fanden den Weg in die stadtgeschichtliche Präsentation. Obwohl diese nun fast 18 Jahre alt ist, sind die jährlichen Besucherzahlen seit 2011 mit 9.000 bis 10.000 Personen konstant geblieben, ein deutlicher Hinweis darauf, dass ein solcher kompakter Gang durch die Stadtgeschichte immer wieder neue Besucher anzieht und ein wesentlicher Bestandteil des Angebots des Stadtmuseums ist. Wie in den vergangenen Jahren wurde das Stadtmuseum auch 2015 während der Karlsruher Museumsnacht am stärksten von Besuchen frequentiert (4.000 Besucher und Besucherinnen). Das jährliche Hausfest, das in Kooperation mit der Jugendbibliothek und dem Literaturmuseum mit museumspädagogischen Aktionen, Führungen und einer langen Lesenacht veranstaltet wird, besuchten circa 260 Personen. Die Sonderausstellung „Mittendrin. Menschen in Karlsruhe“ stellte persönliche Fotos von Karlsruherinnen und Karlsruhern in den Mittelpunkt: Als „wachsende“ Präsentation angelegt, konnten Interessierte ihre persönlichen Lieblingsfotos und Schnappschüsse aus Karlsruhe und seinen Stadtteilen über eine Uploadseite zur Verfügung stellen oder als Papierabzug im Prinz-Max-Palais vorbeibringen. Sie wurden so selbst zum Teil der Ausstellung. Die „Mittendrin“-Ausstellung war – auch in ihrer Kommunikations- und Werbestrategie und mit den Veranstaltungen im Rahmenprogramm – darauf angelegt, insbesondere jüngere Leute zur Beteiligung an dem Fotoprojekt und zum Museumsbesuch zu motivieren. Eine weitere Zielgruppe, die das Stadtmuseum bewusst in seine Arbeit einbinden konnte, sind Menschen mit Migrationshintergrund. Zu diesem Zweck ging das Stadtmuseum eine Kooperation mit der VHS Karlsruhe ein, um regelmäßig Führungen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Integrationskurse durchzuführen, die gleichzeitig dem Spracherwerb und dem Kennenlernen der lokalen Geschichte dienten. Einen besonderen Ansatz hatte auch die Sonderausstellung „Genug gejubelt?! Pleiten, Pech & Glücksfälle der Stadtgeschichte“, die das Stadtmuseum zusammen mit dem Pfi nzgaumuseum als Beitrag zum Stadtgeburtstag 2015 zeigte. Durch ungewohnte Perspektiven auf die Karlsruher Stadtgeschichte und durch ironische Brechungen wurde die Stadtgeschichte auf aufgelockerte und amüsante Weise präsentiert. In Kooperation mit Studierenden der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und mit dem Verein „Tribut an Carl Benz“ wurde 2015 die App „Carl Benz und Carlsruhe“ entwickelt, die verschiedene Lebensstationen des Erfi nders in Karlsruhe beim Gang durch die Stadt abrufbar macht. Alle Sonderausstellungen mit ihren zahlreichen Begleitveranstaltungen fanden eine gute Resonanz beim Publikum, so dass das Stadtmuseum mit 17.333 Besuchern ein gutes Ergebnis erzielen konnte. Das Pfi nzgaumuseum präsentierte auch 2015 mehrere Sonderausstellungen. Auf die bis 8. März 2015 verlängerte Ausstellung „Hufeisen, Birnkrüge, Engelsköpfe und…? Sammeln im Pfi nzgaumuseum gestern und morgen“ folgte vom 23. Mai bis 23. August die Fotoausstellung „Mittendrin. Menschen in Karlsruhe“, eine Doppelausstellung mit dem Stadtmuseum. Bei der partizipativ angelegten Ausstellung waren die Besucherinnen und Besucher aufgerufen, die präsentierten historischen Aufnahmen durch eigene, aktuelle Fotos zu ergänzen. Wie bereits oben erwähnt, zielten das Konzept sowie die Kommunikations- und Werbestrategie von „Mittendrin“ darauf, insbesondere auch jüngere Leute zur Beteiligung an der Ausstellung und zum Museumsbesuch zu motivieren. Im Rahmen der Ausstellungsreihe „Sammelfi eber! Sammlerinnen und Sammler im Pfi nzgaumuseum“ präsentierte das Pfi nzgaumuseum zudem vom 22. Februar bis 12. April „Freundschaftliche Eulen und therapeutische Fahrzeuge“. Anlässlich des 300. Geburtstags der Stadt Karlsruhe sowie des 450. Jahrestags der Residenzverlegung nach Durlach folgte ab dem 26. September mit „Genug gejubelt!? Pleiten, Pech & Glücksfälle der Stadtgeschichte“ eine weitere Doppelausstellung mit dem Stadtmuseum, bei der verschiedene neue – auch interaktive – Präsentationsformen erprobt wurden. In Vorbereitung auf „Genug gejubelt!?“ wurden im Sonderausstellungsraum des Pfi nzgaumuseums eine neue Ausstellungsarchitektur sowie ein neues Beleuchtungssystem installiert, wodurch sich die Nutzungsmöglichkeiten des Raumes nachhaltig verbesserten. Wie in den vorausgegangenen Jahren bot das Pfi nzgaumuseum auch 2015 regelmäßig Führungen durch die Dauer- und die Sonderausstellungen an. Neben diversen offenen Angeboten fanden in Kooperation mit der VHS Karlsruhe spezielle Führungen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Integrationskursen statt, die gleichzeitig dem Spracherwerb und dem Kennenlernen der lokalen Geschichte dienten. Als besondere Besuchermagneten erwiesen sich 2015 das Museumsfest im Februar, der Kindertag im September, die Modelleisenbahn-Vorführung in der Adventszeit sowie die im Frühjahr erstmals angebotene Mundart-Reihe „Dorlacher Deitsch“. 24 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 25 www.karlsruhe.de 2015 ging die Besucherzahl leicht zurück, blieb aber immer noch über den langjährigen Durchschnittszahlen. Insgesamt zählte das Pfi nzgaumuseum 12.100 Besucherinnen und Besucher. Die 2014 neu bzw. wieder eingeführte Öffnung des Museums am Mittwoch stieß weiterhin, insbesondere bei Schulklassen, auf große Nachfrage und wurde daher 2015 und darüber hinaus beibehalten. Im September 2015 übernahm Dr. Ferdinand Leikam vertretungsweise die Leitung des Pfi nzgaumuseums, da die Leiterin in Familienzeit ging. Die Erinnerungsstätte Ständehaus hat 2015 wieder eine zentrale Rolle in der städtischen Erinnerungskultur gespielt. Neben der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus erinnerten zwei Vorträge an die Situation in Karlsruhe und Nancy am Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit dem Jubiläum „70 Jahre CDU in Karlsruhe“ beschäftigte sich eine Sonderausstellung, außerdem fanden 2015 ein Historischer Mittwochabend sowie verschiedene Veranstaltungen, darunter drei Führungen, im Rahmen der KAMUNA statt. Die Gesamtbesucherzahl der Erinnerungsstätte (Ausstellungen, Führungen und sonstige Veranstaltungen) lag 2015 mit 6.328 Besucherinnen und Besuchern deutlich höher als im Vorjahr, was vor allem auf den guten Besuch bei der KAMUNA zurückzuführen ist. Im Berichtsjahr konnte mit einem neuen Magazin in der Fiduciastraße endlich ein geeignetes Magazin für das historische Mobiliar gefunden werden, das bis dahin in dem dafür völlig ungeeigneten Waldstadtkeller untergebracht war. Das Mobiliar wurde mittlerweile einer Holzwurmbehandlung unterzogen, gesäubert und restauriert und in das neue Magazin verbracht. Eine mehrstöckige Regalanlage und eine Anlage zur Aufbewahrung der Bildbestände der Historischen Museen haben dort nun weitere Kapazitäten zur Aufnahme der Sammlungen der Historischen Museen geschaffen. Der Bestand ist weiter gewachsen, vor allem durch Schenkungen von Objekten zur Stadtgeschichte, die weiterhin kontinuierlich inventarisiert werden. Ein großer Sammlungsbestand kam an das Stadtmuseum mit der Übergabe von Merchandising-Produkten der Stadtmarketing Karlsruhe GmbH zum Stadtjubiläum sowie eines wertvollen Modells des Pavillons zum Stadtgeburtstag, das als Objekt des Monats vorgestellt wurde. Die Sammlung des Pfi nzgaumuseums wurde 2015 vor allem durch Schenkungen erweitert. Größere Neuzugänge waren hierbei Unterlagen und Dokumente der Naturfreunde Grötzingen sowie zwei umfangreiche Sammlungen von historischen Ansichtskarten mit Durlach- bzw. Grötzingen-Motiven. STATISTISCHE ANGABEN STADTARCHIV & HISTORISCHE MUSEEN Stadtarchiv Stadtmuseum Pfi nzgau- museum Erinnerungsstätte Ständehaus Gesamt Gesamt Jahr 2014 Jahr 2015 Jahr 2014 Jahr 2015 Jahr 2014 Jahr 2015 Jahr 2014 Jahr 2015 Jahr 2014 Jahr 2015 Ausstellungen 2 3 4 6 6 8 2 1 14 18 Besucher Benutzer, Besucher Dauer- und Wechselausstellung 3.043 2.166 17.485 17.333 14.952 13.093 5.238 6.328 40.718 38.920 Ausgehobene Archivalien 1.434 2.293 1.434 2.293 Schriftverkehr 2.093 2.671 2.093 2.671 davon BTBs 63 51 63 51 Zugriffe auf digitale Angebote1) 0 1.720.567 1. Beständerecherche www. fi ndbuch.net (Projektstart 10/2014) 23.439 2. Seitenanfragen auf www. Stadtgeschichte 1.518.373 3. Seitenanfragen auf www. Stadtlexikon (Projektstart 12/2015) 178.755 Scanaufträge 188 641 188 641 Anzahl der Daten 1.905 1.719 1.905 1.719 Restaurierte Archivalien/Objekte 889 679 889 679 Digitalisierte Archivalien 152.726 244.063 152.726 244.063 Erschlossene Archivalien/Objekte 15.321 16.003 379 204 15.700 16.207 Publikationen 8 7 1 9 7 1) erstmals 2015 erhoben 26 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 27 www.karlsruhe.de STADTBIBLIOTHEK KARLSRUHE 2015 Trotz vielfältiger Events und Ereignisse rund um den Stadtgeburtstag 2015 war das letzte Jahr für die Stadtbibliothek durch Konzentration auf die Kernaufgaben sehr erfolgreich. In allen acht Bibliotheken „brummte“ der Betrieb, da täglich viele hundert Menschen die Einrichtungen besuchten und Services aller Art in Anspruch nahmen. Selbst der Medienbus verzeichnete trotz zahlreicher Reparatur bedingter Ausfälle eine äußerst lebhafte Nutzung. Die Stadtbibliothek und ihre Zweigstellen transformieren sich immer mehr zu freien Lernorten und öffentlichen Räumen der Kommune, die vielfache Aufenthaltsmöglichkeiten bieten und von Bürgerinnen und Bürgern selbst bestimmt, aus unterschiedlichsten Informationsinteressen und dem Bedürfnis nach Inspiration genutzt werden. So haben im Vergleich zum Vorjahr die Besuchszahlen der Stadtbibliothek zugenommen, während weiterhin beobachtet wird, dass Menschen immer mehr Zeit in den Bibliotheksräumen verbringen und die individuellen Aufenthaltszeiten länger sind als früher. Kinder und junge Erwachsene bleiben teilweise mehrere Stunden in einer der Bibliotheken, sie verbringen hier ihre Lern- und Freizeit. Für andere Erwachsene, für manche Ältere ist die Bibliothek wichtig als Ort gegen die Vereinsamung, an dem sie, ihren eigenen Interessen nachgehend, den Tag mit multimedialem Lesen und Lernen verbringen und sich dabei informell mit anderen austauschen oder sich wenigstens in Gesellschaft anderer wissen. Mit 9.730 Öffnungsstunden im Jahr 2015 (9.606 Stunden in 2014) standen die Einrichtungen der Stadtbibliothek im Sinne von Bildungsteilhabe allen Menschen in Karlsruhe zur Verfügung, dazu kommen Online-Services täglich rund um die Uhr. Im Laufe des Jahres wurden die Zentral- und die Jugendbibliothek zunehmend erkennbar auch von Gefl üchteten und Menschen aus anderen Kulturkreisen besucht bzw. aktiv genutzt, einige von ihnen wurden zur Stammkundschaft. Das gute Jahresergebnis der Stadtbibliothek insgesamt fand auch in 2015 seinen Niederschlag in den Jahreszahlen der EDV-Statistik. Entgegen dem deutschlandweiten Trend nahm die Zahl der Medienentleihungen im Vergleich zum Vorjahr nochmals zu und stieg auf 1,73 Millionen Entleihungen; die Zahl der Bibliotheksbesuche sowie der Besucherinnen und Besucher von Veranstaltungen, Lesungen stieg ebenfalls. Die Dienstleistungen und Ergebnisse der Stadtbibliothek entsprechen den Handlungsfeldern des Kulturkonzepts 2025 der Stadt Karlsruhe und fi nden sich in den Schwerpunkten Bildung (Hand- lungsfeld 2), Raum für Kultur (Handlungsfeld 4) und Smarter Technologie (Handlungsfeld 3). TÄTIGKEITSBERICHT IN ZAHLEN 1. AUSLEIHZAHLEN ALLER MEDIEN Printmedien, Romane, Sachliteratur, Zeitschriften, DVDs und BluRays, Konsolenspiele, Brettspiele, Kinder- und Jugendbücher, Hörbücher, Musik-CDs, E-Medien: 2013 2014 2015 Medienausleihe 1.680.484 1.710.235 1.735.092 In der Gesamtausleihe nimmt die Kinder- und Jugendliteratur unverändert einen hohen Stellenwert ein. Sowohl in den Stadtteilbibliotheken als auch in der Kinder- und Jugendbibliothek und dem Medienbus stand die Förderung der Lesekompetenz für Kinder nach wie vor an erster Stelle und die Lust am Buch und Hörbuch wurde systematisch durch attraktive Aktionen unterstützt. 2013 2014 2015 Entleihungen Kinder-Jugend- Bücher 396.866 406.347 414.669 2. MEDIENBESTAND Insgesamt konnten im Berichtsjahr 39.256 Medien (Verschleiß und Abschreibung = 35.878 ME) neu gekauft und zur Ausleihe zur Verfügung gestellt werden, was einer hohen Aktualitätsrate von über 10 Prozent entspricht. Gerade neue, sehr aktuelle Bücher und Medien sind verständlicherweise stark gefragt und tragen wesentlich zu hohen Umsätzen der Medien und damit hohen Ausleihzahlen bei. Der zur Verfügung stehende, physische Ausleihbestand umfasste Ende 2015 335.190 Medieneinheiten, der Bestand an E-Medien zusätzlich 19.123 Lizenzen. 2014 2015 Medienzugang 37.447 39.256 Medienabgang 32.690 35.878 Bestand insgesamt 316.699 ** 335.190 * * Freihand- und Magazinbestand ohne E-Medien ** nur Freihandbestand ohne E-Medien Wie im letzten Jahr betrug der Anteil an Literatur und Medien in anderen Sprachen, das heißt das Angebot an internationalen Medien, etwa 15 Prozent des Gesamtbestandes (circa 45.000 Bücher, Hörbücher, Zeitschriften unter anderem in Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Türkisch, Arabisch). 28 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 29 www.karlsruhe.de 3. BIBLIOTHEKSBESUCHE Die Zahl der realen Bibliotheksbesuche hat im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen, ebenso wie die Zahl der virtuellen Besuche, die für alle deutschen Bibliotheken nach einem standardisierten Verfahren zentral ermittelt werden (= es werden „Sessions“ auf der Homepage der Stadtbibliothek gezählt, das heißt es wird der erstmalige Zugriff pro Tag gezählt und nicht jeder Click auf einzelne Seiten). 2013 2014 2015 Reale Besuche 556.778 523.127 563.131 Virtuelle Besuche 284.003 278.904 292.461 Besuche gesamt 840.781 802.031 855.592 Trotz des Zuwachses an Besuchen ist die Zahl der Personen, die einen gültigen Bibliotheksausweis besitzen und gebrauchen, leicht zurückgegangen. Die Zahl der Neuanmeldungen ging erstmals deutlich zurück. 2013 2014 2015 Aktive Ausweise 27.360 28.042 27.995 Neuanmeldungen 6.219 6.101 5.795 4. DIGITALER WANDEL: E-MEDIEN/E-BOOK-READER/ DIGITALES BÜCHERREGAL Während sich in den Vorjahren die Nachfrage nach E-Books und anderen E-Medien jährlich nahezu verdoppelte, zeigte sich im Jahr 2015 eine weniger dramatische Zunahme des digitalen Lesens: von 98.841 E-Entleihungen (2014) stieg die Zahl der Ausleihen im Berichtsjahr auf 126.467 E-Ausleihen, das bedeutet eine Steigerung um 28 Prozent. Auf die gesamte Medienausleihe des Jahres bezogen beträgt der Anteil der E-Ausleihe damit 7,4 Prozent bei einem Angebot von 19.123 E-Medien (5,4 Prozent des Gesamtbestandes). Zum wiederholten Male konnte festgestellt werden, dass der Gebrauch von E-Medien Generationen übergreifend durch alle Altersgruppen geschieht, die stärkste Nachfrage jedoch aus Gruppe 50+ kam. Personen mittleren Alters zeigten auch das größte Interesse an der Ausleihe von E-Book-Readern, um die Eignung für den persönlichen Gebrauch in Ruhe testen zu können. Aufgrund der großen Nachfrage wurden nach der Zentralbibliothek im letzten Jahr alle Stadtteilbibliotheken mit E-Book-Readern zum Ausleihen ausgestattet. Parallel dazu wurden verstärkt öffentliche Schulungen für alle Bürgerinnen und Bürgern angeboten, die die Vermittlung von Grundkenntnissen zu E-Book-Readern und Online-Medien zum Inhalt hatten. Ende des Jahres erfolgte in der Zentralbibliothek eine äußerst nutzerfreundliche Innovation durch die Implementierung zweier „Digitaler Bücherregale“. Es handelt sich dabei um Terminals, die die virtuellen Medien der Onleihe am Bildschirm sichtbar machen, das heißt aktuell vorhandene E-Books, E-Papers und E-Audios anzeigen. Kundinnen bzw. Kunden mit Bibliotheksausweis können die angezeigten E-Medien über den Touchscreen am Bücherregal unmittelbar zum Beispiel auf den eigenen Laptop oder das persönliche Tablet ausleihen. Die Vorteile der digitalen Transformation zeigen sich nicht zuletzt beim internationalen, fremdsprachigen Medienangebot der Stadtbibliothek. Der Bezug von E-Medien in anderen Sprachen ist einfacher geworden und diese können sofort zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere die Zeitungsdatenbank „Press Reader“, die tagesaktuelle Magazine und Zeitungen in Originalausgabe aus über hundert Ländern enthält, erwies sich als Favorit. Die Weltpresse in arabisch, ungarisch, türkisch, serbisch, chinesisch, italienisch, englisch, russisch – um nur einige Beispiele zu nennen – stieß bei zahlreichen Nutzerinnen und Nutzern, die ursprünglich aus anderen Kulturkreisen kommen, auf höchstes Interesse. Gleichwohl steht diese Zeitungsdatenbank allen Sprachenlernenden sowie an Originalinformationen aus der Weltpresse Interessierten zur Verfügung. 5. TEACHING LIBRARY Wie in den vorangegangenen Jahren fand das Angebot an Bibliotheksführungen und Recherchekursen für Schulklassen und andere Lerngruppen regen Zuspruch, ebenso spielerische Entdeckerkurse für Kindergartengruppen in der Bibliothek. 2014 2015 228 229 Aufgrund der starken Nachfrage wurden zahlreiche Workshops zum Gebrauch von E-Book- Readern sowie zum Einstieg in die „Onleihe“ durchgeführt. Mit der Möglichkeit zum selbstorganisierten Lernen waren die Multimedia-PCs im E-Lernstudio der Zentralbibliothek täglich nahezu ausgebucht und wurden kontinuierlich gut genutzt. 6. VERANSTALTUNGEN Vorlesestunden, Lesungen und andere Leseaktionen für Kinder: 2014 2015 169 254 Wie immer fanden das ganze Jahr über regelmäßig in allen Stadtteilbibliotheken sowie in der Kinder- und Jugendbibliothek Vorlese- und Mitmachaktionen statt. Vorlesestunden zählen nach wie vor zum Kernprogramm der Leseförderung ebenso wie der stets beliebte Sommerleseclub für ältere Kinder, der jährlich in den großen Ferien in der Jugendbibliothek stattfi ndet. Ein typisch amerikanisches Format wurde aufgrund des großen Erfolgs der Vorjahre mit dem Wettbewerb „Spelling Bee“ in der Amerikanischen Bibliothek durchgeführt, an dem Dutzende von Schülerinnen und Schülern aus Karlsruher Schulen und der Umgebung teilnahmen. Die Durchführung war wie immer mit einem hohen Aufwand verbunden und gelang durch viel Engagement von Ehrenamtlichen. Das freundliche Sommerwetter lockte 2015 zahlreiche Kinder und Familien in die Freibäder, so dass die Leseförderungsaktionen rund um die Büchereicontainer in Rüppurr und Rappenwört großen Zuspruch fanden. In Rappenwört gab es außerdem ein Jubiläum zu feiern, da die Aktion „Leseratte trifft Wasserratte“ seit 2005 besteht und jetzt zum zehnten Mal in den großen Ferien stattfand. Die Feier neben den Schwimmbecken fand Ende August bei strahlendem Sonnenschein statt und zog fast 300 junge Badegäste und begeisterte Eltern an. Veranstaltungen für Erwachsene: 2014 2015 79 77 30 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 31 www.karlsruhe.de Für die Erwachsenen war der Durlacher Lesesommer erneut ein Besuchermagnet, ebenso wie die KAMUNA mit Poetry-Slam und musikalischem Kabarett im Neuen Ständehaus. Wie jedes Jahr beteiligte sich die Stadtbibliothek mit zahlreichen Lesungen und Vorträgen an Festivals und Aktionswochen, zum Beispiel:  Karlsruher Wochen gegen Rassismus  Faire Woche  Französische Woche  Karlsruher Literaturtage  Bibliothekskampagne Netzwerk Bibliothek  Karlsruher Krimitage  Nachhaltigkeitstage Viele Veranstaltungen wurden mit bewährten Kooperationspartnerinnen und -partnern durchgeführt. Eine der erfolgreichsten, kontinuierlichen Kooperationen war die gemeinsame Veranstaltungsreihe „Blickkontakt – Frau und Beruf“ mit der Kontaktstelle Frau und Beruf, die einmal im Monat am Samstag stattfi ndet. Regelmäßig nahmen zwischen 50 und 70 Frauen teil, um sich über Themen im Kontext von Familie und Beruf zu orientieren, kombiniert mit Informationen über ein selbst organisiertes Weiterlernen anhand der Bücher und Medien aus der Stadtbibliothek. 7. SPEZIELLE SCHWERPUNKTE 7.1 BIBLIOTHEKSANGEBOTE FÜR GEFLÜCHTETE UND EHRENAMTLICHE Mit Blick auf die Situation in Karlsruhe wurde ein Informationsfl yer erstellt und verbreitet, der aus dem vorhandenen Gesamtangebot die Medien und Teilhabemöglichkeiten hervorhebt, die für Gefl üchtete sowie für die Arbeit der Ehrenamtlichen besonders geeignet sind. Im Sinne einer „Integration am Bücherregal“ wurden Einladungen in die Bibliothek von Einzelnen und kleineren betreuten Gruppen angenommen. Die Stadtbibliothek eignet sich insofern gut für Menschen aus anderen Kulturen, als ihre Angebote überwiegend niederschwellig sind. Beispielhaft seien folgende Punkte genannt:  Sie ist für alle Menschen während der Öffnungszeiten frei zugänglich.  Es sind viele Bücher, Hörbücher und Zeitungen in Fremdsprachen vorhanden.  In den Bibliotheksräumen können alle Medien auch ohne Ausweis genutzt werden.  Arbeitstische und PCs stehen zum freien Lernen oder Lesen zur Verfügung.  Gefl üchtete können Zeitungen aus ihrer Heimat lesen über „Press Reader“.  Sie können Online-Services nutzen und ggf. E-Books auf ihrem Smartphone lesen.  Zahlreiche Sprachkurse zum Deutschlernen stehen zur Verfügung. 7.2 AUFENTHALTSQUALITÄT Die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Zentralbibliothek ist angesichts von Hunderten von Besucherinnen und Besuchern täglich eine kontinuierliche Herausforderung. 2015 wurde der Zeitschriftenbereich im EG durch den notwendigen Austausch des zerschlissenen Mobiliars neu konzipiert. Unter starker Beteiligung der Bibliothekskunden und Bibliothekskundinnen wurde die Auswahl an Zeitschriften neu festgelegt und erweitert, so dass jetzt 192 Abonnements zur Verfügung stehen (circa 10.000 Hefte). Der bis dahin etwas schäbig anmutende Bereich wurde zusätzlich durch mehrere kleine Maßnahmen verschönert und verbessert, ebenso wie alle durchgesessenen Lesesessel neu gepolstert wurden. Unsere Besucherinnen und Besucher nahmen die Verbesserungen mit viel positiver Rückmeldung wahr. 7.3 MEDIENKOMPETENZ Gemäß unserem Leben in der digitalen Gesellschaft baut die Stadtbibliothek den Sektor der konkreten Mediennutzung und Vermittlung von Medienkompetenz weiter aus. Folgende Formate wurden 2015 beispielhaft durchgeführt: CryptoParty – eine gemeinsame Veranstaltung mit Entropia e. V. zum Thema „Digitale Privatsphäre besser schützen“ Multimediale Klassenführungen – in der Stadtteilbibliothek Durlach wurden Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 und 6 mit iPads auf eine Bibliotheksrallye geschickt, im Anschluss erhielten die Kinder die Aufgaben, in Gruppen Bibliotheksrelevante Videos an den iPads zu erstellen. Gaming – im Prinz-Max-Palais wurden regelmäßig Wii-Turniere auf der Kinoleinwand im U-Max durchgeführt. Dabei wird Mario Kart Wii (FSK 0) gespielt. Teilnahmealter: 8 bis 12 Jahre, maximal 15 Kinder. Die Sieger erhielten Preise. 8. BIBLIOTHEKEN IN DEN STADTTEILEN UND KINDER- UND JUGENDBIBLIOTHEK Für die Kinder- und Jugendbibliothek war das Jahr 2015 außerordentlich erfolgreich. Die Zahl der Entleihungen hat gegenüber dem Rekordergebnis im Vorjahr nochmals zugenommen und betrug 339.487 ME (+ 1,6 Prozent). Bei der Evaluierung des Ergebnisses wurde deutlich, dass insbesondere die Kinderhörbücher wiederentdeckt und deutlich stärker als in den Vorjahren ausgeliehen wurden. Somit begeisterte ein traditionelles Medium auch die heutige Generation von Kindern. Die erhöhte Nachfrage nach Hörspielen bestätigte sich auch in der Arbeit der Stadtteilbibliotheken. Zusammenfassend sind in den Stadtteilbibliotheken und in der Amerikanischen Bibliothek Nutzung und Medienausleihe im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich geblieben. Ähnlich wie in der Zentrale hat die Zahl der Menschen, die die Bibliotheken besuchten, zugenommen bei einer zeitlichen Ausweitung des individuellen Aufenthalts. Anzahl Besuche Jugendbibliothek 86.769 Durlach 49.820 Medienbus 16.471 Mühlburg 17.194 Grötzingen 13.924 Neureut 25.929 Waldstadt 55.366 Amerikanische Bibliothek 15.448 Medienbus: Sowohl das Team als auch die Bevölkerung in den Stadtteilen hatten eine Häufung von technischen Ausfällen des Bücherbusses zu verkraften. An dreißig von insgesamt 226 Tagen konnten die regulären Haltestationen nicht angefahren werden (circa 13 Prozent Ausfallzeit). Obwohl die Enttäuschung auf Seiten der Kinder immer wieder groß war, blieb der Zuspruch an den normalen Tagen hoch, so dass der Bus von Nutzerinnen und Nutzern fast überrannt wurde und der Rückgang der Medienausleihe gegenüber dem Vorjahr marginal ist (-2,2 Prozent). Die Jahresergebnisse der einzelnen Bibliotheken in den Stadtteilen sind den beigefügten Grafi ken Teil 1 und Teil 2 zu entnehmen. 32 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 33 www.karlsruhe.de ANLAGE: TABELLEN ENTWICKLUNG DER MEDIENAUSLEIHE IM GESAMTSYSTEM 1993 BIS 2015 AUSLEIHENTWICKLUNG DER ZENTRAL- UND JUGENDBIBLIOTHEK 2000 BIS 2015 AUSLEIHENTWICKLUNG DER STADTTEILBIBLIOTHEKEN 2000 BIS 2015, TEIL 1 AUSLEIHENTWICKLUNG DER STADTTEILBIBLIOTHEKEN 2000 BIS 2015, TEIL 2 34 | KULTURAMT DER STADT KARLSRUHE – JAHRESBERICHT 2015 KULTURAMT | 35 www.karlsruhe.de AUSLEIHENTWICKLUNG DER ONLINE ANGEBOTE 2008 BIS 2015 IMPRESSUM Herausgegeben von: Stadt Karlsruhe | Kulturamt Redaktion: Dr. Susanne Asche, Claus Temps, Claudia Lahn Bilder: Kulturamt; Monika Müller-Gmelin; Roland Fränkle; Peter Bastian; MicialMedia; ZKM, Globale 2015, Ikeda Wagenhan Layout: Presse- und Informationsamt, Zimmermann Druck: Rathausdruckerei | 100 Prozent Recyclingpapier. Stand: Juli 2016
https://www.karlsruhe.de/b1/kultur/kulturfoerderung/kulturamt/HF_sections/rightColumn/1385637368833/ZZmHLFvoBorYQ0/Karlsruhe-Jahresbericht-Kulturamt2015.pdf
Pfinzgaumuseum Karlsruhe-Durlach Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Band 3 Herausgegeben von der Stadt Karlsruhe Das Pfinzgaumuseum in Karlsruhe-Durlach Akzente seiner Neugestaltung Karlsruhc 1976 Inhalt Dr. Ludwin Langenfeld : Geschichte des Pfinzgaumuseums . 7 Dr. Helga Walter-Dressler: Der Durlacher Maler und Zeichner Karl Weysser 19 Prof. Dr. Ernst Petrasch: Durlacher Fayencen 1723-1840 . 30 Dr. Walther Franzius: Zu r Technik der Fayeneeherstellung . 40 Dr. Ludwin Langenfeld: D ie Straßburg-Durlacher Bibel von 1529/30 und ih re Drueker Wo lf Köpfl und Velt in Kobian . 42 Dr. Eva Zimmerman n: Zwei spätgotische Bildwerke aus Wössingen 69 Ernst Schneider: Du rlach im Wandel der Jahrhunderte . 77 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibl iothek Das Pfinzgaumuseum in Ka rl sruhe-Durlach - Akzente seiner Neugestaltung Karlsruhe: C. F. Mü ller, 1976 ISBN 3-7880-9565-2 Redaktion: Archivdirektor Dr. Ludwin Langenfe ld Umschlagbild (Pfinzgaumuseum): Manfred Schaeffer, Karlsruhe Gesamtherstellung : C. F. Müller, Großd ruekerei und Verlag GmbH, Karlsruhe 5 Zugleich mit dem Erscheinen dieser Dokumentation öffnet das Pnnzgaumuseum im Prinzessinnen- bau des Durlacher Schlosses nach langw ieriger Restaurierung und Neugesta ltung wieder seine engen und doch so weit gewordenen Pforten. Eng, weil die al tehrwürdige Wendeltreppe wenig- stens zum Teil in den Zugang zu den einzelnen Stockwerken miteinbezogen bleibt. Weit, weil die Neugestaltung, indem sie große Akzente setz t, nämlich die Durlacher Fayencen, die Bi lder des Durlacher Malers Karl Weysser, die a lten Durlacher Buchdruckerzeugnisse und sd,ließlich die um die Schlacht bei Durlach kreisenden Revolu tionsdokumente von 1848/49, ei ne schöpferische und vita le Vielfalt offenbart, die der Mutterstadt Karlsruhes zur Ehre gereicht und der überörtliche Bedeutung und Ausstrahlung zukommt. Die Stadt Karlsruhe freut sich, das so erneuerte Museum, das der Initiative eines ei nzeln en seine Entstehung verdankt, der Offentlichkeit als Zeichen ihrer kulturellen Bemühungen übergeben zu können. Mögen alle sich mitverantwortlich fü hlen für die Erhaltung und Pflege der unersetzlichen Werte, die hier zusammengetragen wurden. E ine künfl:ige Restaurierung des gesamten Schloßkomplexes wi rd dem Museum weitere Räume ersch li eßen. Dann werden - über die heute gesetzten Akzente hinaus - all die vielfältigen Zeugnisse der Heimat- liebe gezeigt werden können, die den ei nzelnen Bürger mit der Gesamtheit der Gemeinde ver- binden . Ostern 1976 Otto Dullenkopf Oberbürgermeister Ludwin Langenfeld Geschichte des Pfinzgaumuseums Das Pfinzgaumuseum in Karlsruhe-Durlach verdankt seine Gründung und sei nen Aufbau der Privatinitiative einer einzigen Persönlichkeit, nämlich dem am 29. Juli 1877 in Durlach geborenen Friedrich Eberle. Er war das jüngste Kind der a lten Durlacher Bürgerfamilie des Werkmeisters Eustachius Eberle. Der Vater Eberle war, wie später sein Sohn, ein begabter Mann, Erfinder einer für seine Firma sehr brauchbaren Zündholz maschine. Schon als Kind interessierte sich der Sohn Fried rich für die Geschichte seiner Heimatstadt. 1909 fing er an, a lte heimatliche Gegen- stände zu sammeln . Inzwischen war er in den Dienst der damaligen Reichspost getreten, bei der er eine einundfünfzigjährige Dienstzeit (Postinspektor) verbrachte. Der Sechsunddreißigjährige trat im Jahre 1913 mit dem Anerbieten an den Durlacher Gemeinderat heran, daß er Altertümer sammeln und ein Museum entstehen lassen wo ll e. Am 16. September 1913 übertrug ihm dcr Gemeinderat Durlach das Ehrenamt ci nes "Städtisdlcn Konservators". Friedrich Eberle hat die- ses Datum mit Recht späterhin immer als den Gründungstag des Pfinzgaumuseums bezeichnet. Bereits am 24. September 1913 erschien der erste einer langen Reihe seiner Artikel und Aufrufe im "Durlacher Wochenblatt (Tageblatt)", in dem es heißt: "Einem langen und vielsei tigen Wunsch entsprechend, hat nun unsere Stadtverwaltung der Anlegung einer städtischen Sammlun g zuge- stimmt und für die Sammlungsobjekte einen Raum im Rathaus zu r Verfügung gestellt. Es ist jetzt Gelegenheit, Gaben, wie Durlacher Fayence, Zinnsachen, a lte Schlösser und Beschläge, Urkunden, Durlacher Abbi ldungen und Bücher, Du rlacher Produkte der letzten Jahrzehnte u.s.w., die da und dort noch herumliegen, an den richtigen Ort zu bringen und damit se inen Namen zu verewigen. Möge jedes dazu beitragen, daß alte, interessante Gegenstände nicht mehr zu Durlach hinauswandern. Es tut ei nem ordentlich wehe, wen n man fremde Sammlungen durch- geht und sieht, daß Durlacher Sachen, vielfach als Geschenk, dort aufgestellt sind ." Der Auf- ruf war .. Durlacher Altertümersammlung" überschrieben. Bereits fü nf Wochen später, am 30. Oktober 1913, konnte Eberle im "Durlacher Wochenbla!!" melden, daß der Sammlung in- zw ischen gegen dreihundert Objekte, darunter 27 Durlacher Fayencen, zugefüh rt worden seien. Zum gleichen Zeitpunkt zog die Sammlung in ei nen großen Kellerraum der Gewerbeschule um. In der Ausgabe des "Durlacher Wochenblatts" vom 5. Jun i 1914 taucht zum ersten Male der Name "Pfinzgaumuseum" fü r die .. Durlacher Altertümersammlung" auf. Diese Benennung ist eine glückliche Erfindung Friedrich Eberles, der damit schon damals - unter Beibehaltung der Zentralfunktion Durlachs - seine Sammelkonzeption auf die umgebende Landschaft, insbeson- dere den östlich angrenzenden Pfinzgau ausdehnte. Bereits in der Ausgabe des "Durlacher Wochenblatts" vom 25. Juli 1914 erscheint nur noch die Benennung "Pfinzgaumuseum", die wohl 7 auch durch die zu gleicher Zeit laufenden Landtagsverhandlungen initiiert wurde, in denen zur Sprame kam, die einzelnen Bezirke mödlten ihre Altertümer sammeln und der Staat solle ihnen hierbei mit Rat und Tat zu r Seite stehen. Einige Tage später unterbrach der Ausbruch des Welt- krieges die heimatpflegerischen Bemühungen. Die Sammlung wurde in ein großes Zimmer des Gymnasiums verbracht. Hier wäre sie, schreibt Eberle in seinen Aufzeichnungen, den Krieg über verblieben, .. wenn nicht ein so vergeßlicher Professor im StOckwerk obenan den Wasserhahnen Wappen tafel des Durlacher Schlosses von 1565 hätte offen stehen lassen, wod urch die Nacht das Wasser durch die Decke in das Sammelzimmer drang und die Gegenstände durchnäßte und beschmutzte". Nun wurde die Sammlung in ein Zim- mer im 3. Stock werk verlagert und kam von hier aus 1918 zunächst in die Privatwohnung Eberles. Im Juli 1922 gelang es Eberle, die 1905-1907 durch den Landeskonservator der Offentlichen Baudenkmale instandgesetz ten Räume des sogenannten Prinzessi nnen baues, der südwestlichen 8 Ecke des Durlacher Markgrafenschlosses, zu erhal ten. Die Sammlung war inzwischen bedeutend angewachsen, nicht zuletzt durch den Ankauf der umfangreichen Fayencensammlung der Familie Walz durch die Stadt Durlach (ein Ankauf, der 1963 eine Parallele durch den Ankauf eines 15teiligen Services durch die Stadt Karlsruhe fand) und durch weitere Spenden aus der Bevölke- rung. Hier muß insbesondere des Freiherrn Schilling von Canstatt zu Hohenwettersbach als eines hochherzigen Förderers des Museums gedacht werden. Anfang März 1924 wurde das Museum eröffnet. In einem Schreiben vom 6. März 1924 sprach der Oberbürgermeister der Stadt Durlach, Zöller, Friedrich Eberle den Dank des Stadtrates "fü r das Gelingen des großen Werkes" aus. Einige Tage später besichtigte der Stadtrat das Museum und in der Stadtratssitzung vom 19. März 1924 wurde Eberle nochmals der Dank der Stadtverwaltung ausgesprochen. Vom April bis Oktober 1924 war das Museum nunmehr den Besuchern sonntags von 11 - 13 Uhr zugänglich, die überwachung und das Kassieren des Eintrittsgeldes (30 Pfg.) waren Ehrensache des Konser- vators und seiner Frau. (übrigens wurde erst ab 1. April 1955 der Museumsbesuch entgeltfrei ge- macht.) Während des Winters blieb das Museum geschlossen, da es nur unzulänglich beleuchtet war und vor allem über keinerlei Beheizung verfügte (die Luftfeuchtigkeit betrug bis zum Beginn der Restaurierungsarbeiten 1972 im Mittel70 Ofo). Diese winterliche Schließung des Museums ist seither alljährlich durchgeführt worden, erst mit der völligen architektonischen und museums- technischen Neugestaltung des Museums, zu dessen Eröffnung im Frühjahr 1976 die vorliegende Dokumentation erscheint, wird - dank der modernen Heizungs- und Beleuchtungsanlagen - eine ganzjährige Offnung möglich. Da wir einen historischen Abriß schreiben, wollen wir um der Wahrheit wi llen nicht verschwei- gen, daß es 1925 zu einer Kontroverse zwischen dem Durlacher Oberbürgermeister und Konser- vator Eberle kam, in deren Verlauf Eberle sein Amt niederlegte. Der Stadtrat Resch wurde zum- ehrenamtlichen Verwalter des Museums bestellt ("Du rlacher Tageblatt" vom 19. 3. 1925; Proto- koll der Stadtratssitzung vom 18. 3. 1925; persönl. Aufzeichnungen Eberles). Im Anzeigenteil des "Durlacher Tageblatts" vom 21. 3. 1925 veröffentlichte Eberle eine persönliche "Erklärung", die zeigt, wie sehr er sich getroffen fühlte. Allzu lange scheint jedoch dieser Interimszustand nicht gewährt zu haben. Spätestens 1929 hat Eberle wohl seine Tätigkeit wieder aufgenommen, wie sein Artikel "Unser Pfinzgaumuseum" zeigt, den er in der Jubiläumsausgabe zum 100jährigen Bestehen des "Durlacher Tageblatts" am 1. 7. 1929 veröffentlichte. Aber schon im April 1934 kam es wieder zu Spannungen und einem Rücktritt Eherles von seinem Amt, weil das Museum wertvolle Durlacher Stücke an das Armee-Museum in Rastatt abgeben soll te. Die Verwaltung des Museums ging in die Hände der Durlacher Lehrerschaft über. Als im März 193 7 der damalige Rektor Edel infolge Arbeitsüberhäufung um Enthebung von seinem Amt als Konservator bat, erklärte sich Eberle zum zweiten Male bereit, das Amt mit Wirkung vom 1. 3. 1937 wieder zu übernehmen. Während des Zweiten Weltkrieges blieb das Museum geschlossen, die wertvollsten Stücke (insbesondere Fayencen) wurden zur Aufbewahrung an Durlacher Bürger verteilt. Um die übrige Sammlung bei einem eventuellen Luftangriff zu schützen, schlief Friedrich Eberle wäh- 9 rend der Dauer von sechs Monaten nachts im Museum. Im Mai 1945 wurde das Museum von den Friedrich Eberle Franzosen, im Juli von den Amerikanern als "Off limits") als unbetretbar für die Alliierten, erklärt. Die meisten Waffen der Sammlu ng (Geweh re, Pistolen, Säbel, Munition ) mußten den französischen Behörden abgeliefert werden, ein Verlust, den das Museum wohl am leichtesten ver- schmerzen konnte. Friedrich Eberle konnte die zweite Nachkriegszeit sein es Museums, das im Juni 1948 wiedereröffnet wurde, nicht mehr erleben. Im April 1948 zwang ihn sein Gesu ndheitszu- stand, sein Ehrenamt endgiiltig abzugeben . Am 16.6 . 1948 fan d im Amtszimmer des Leite rs des Stadtamtes Durlach durch Oberbürgermeister Töpper, Karls ruhe (die Stadt Ka rlsruhe war seit der 1938 erfolgten Eingemei ndung Durlachs rechtmäßiger Hausherr des Museums) , ein e Ehrun g Fricdrich Eberles statt, anschließend wurde das Museum besichtigt. Am 30. 11. 194 8 verstirbt Friedrich Eberle und wi rd am 2. 12. auf dem Durlacher Bergfriedhof beigesetzt . Am 7. 6. 1948 war der damalige Stadtoberrechnungsrat H ein rich Li ede vom Karlsruher Oberbürgermeister mit der ehrenamtlichen Betreuung des Museums beauftragt worden. Die Lehrerin Mathilde Sauder un d der Lehrer Hans Wolf aus Durlach erkl ärten sich zur Unterstützung Liedes bereit. Mit H einrich Liede war eine Persönlichkeit gefunden, die mit dersel ben Hingabe wie sei n Vorgänger Eberle die angesammelten Schätze rund 25 Jahre, bis z um Beginn der Restaurierungsarbeiten 1972, betreute. Seine Aufgabe war naturgemäß weniger das Sammel n als das Bewahren und Betreuen. Sein steti- ger Kampf galt der Verbesseru ng der Unzulänglichkeit der Räume, vo r a llem der (leider von ihm nicht mehr erreichten) Hinzugew innung wei terer Räume (vo r all em des erst mit der jetzigen Neueröffnung in Benutzung genommenen Raum es der frü heren Wanderherberge). Auch H einri ch Li edes Lei stung kann nicht hoch gen ug eingeschätzt werden. Unter seiner Leitun g haben von 194 8 bis 1972 rund 35000 Besucher das Museum besichtigt. W ie sein großer Vorgä nger war H einrich Liede Sonntag für Sonntag an der Spitze seiner ehrenamtlichen Aufsichtskräfhe im Museum anwesend, deren Namen hi er dankbar genannt werden soll en: neben der unermüd- lichen Witwe Fried rich Eberles, Fra u Walburga Eberle, di e am 29 . 3. 1960 versta rb, und der sdlOn genannten Lehrerin Mathilde Sauder waren dies die Damen: Gabrie le Stürzenacker und Em ma Mayer, die H erren: Heinz H entschel, Werner Krieger, Max Lenzi nger, OttO Meyer, Karl Pfatteicher, Siegfried Riemann, Wolfgang Rösch , Friedrich Schaaf, Helmut Voss und Max Zeiss. Zusammenfassend ist es unsere Pflicht, der Persönlidtkeit Eberl es gerecht zu werden. Dies ist ebenso leicht wie schwer. Leicht: den n seine Verdienste liegen klar zu Tage. E r hat aus tiefer Heimatliebe und echtem Heimatstol z heraus d ie An fänge des Museums gelegt und die Sa mmlun- gen fünfunddreißi g Jahre hindurch angereichert und betreut. Seine A ufgabe wa r mit Fug un d Recht das Sammeln, nicht das Sichten . Erst mußte ein Grundstock gescha ffen werden, der es uns H euti gen ermöglicht, auszuwähl en un d Akzente zu setzen. Für diese Sammlun g hat Eberl e auch seinen persönlichen Besitz und seine persö nlichen Mittel rückhaltlos hingegeben, unter- stützt von seiner dieser Aufgabe ebenso tief verbundenen Gattin. Gefördert wurde diese Gene- rosi tät Eberles durch seine menschliche Kommunikationsfreudi gkeit (er wa r Mi tg lied all er mög- lichen Vereine) und durch den feinen, still en Humor, der ihm zu eigen war und der sich an 11 Geburtstagen der Freunde in sinnigen Geburtstagsgedichten äußerte. Schwer: denn über den wahrhaft polyhistorischen Charakter seines Geistes wissen heute nur noch die wenigsten Bescheid. Eberle wa r ein exzellenter Kenner der Geschichte seiner Vaterstadt Durlach und des Pfinzgaus. In ungezählten Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften hat er sein Wissen ausge- breitet, in vielen Vorträgen seine Zuhörer belehrt, als Orga nisator vieler Festzüge die Zuschauer begeistert. Seine handschriftlichen Aufzeichnungen, darunter zahlreiche Manuskripte, bebilderte Mappenwerke (u. a.: "Die Pfinz von der Quelle bis Zl\r Mündung", "Der Turmberg") füll en ganze Regale. Eine einzigartige Schlagwort-Kartothek über die Geschichte Durlachs enttäuscht den Sud,enden selten . Eberle war aber auch ein gewandter Zeichner und Aquarellist. Mit fein em Strich hielt er jeden geschichtlich oder künstlerisch bedeutenden Gegenstand an Durlachs Gebäuden (Wappen , Türstürze, Fensterumrahmungen) fest. Die Flora des Turmbergs hat er in Einzeldarstellungen aquarelliert. Nic!1t zul etzt ließ er seine H eimatliebe in vielen Gedichten ausströmen. Eberles größte und nachwirkendste Tat aber war die In itiative, den sogenannten Prinzessinnenbau des Durlacher Schlosses als Museumsgebäude einzu richten. D enn wenn auch die zwa r schöne, aber auch enge und - besonders für ältere Besucher - unbequeme ehrwürdige Wendeltreppe mit ih ren neun verschiedenen Steinmetzzeichen, die im Prinzessi nnenhau die drei Stockwerke miteinander verbindet, einer Museumsplanung nicht gerade günstig war, so han- delte es sich hier doch, abgesehen von der Ruine des Gottesauer Schlosses, um die ä lteste und eine der schönsten Raumanlagen in Karlsruhe überhaupt. Das Karlsruher Schloß ist immerhin 150 Jahre jünger. Di e "Altertümersammlungen" konnten nirgendwo adäquater untergebracht sein als in diesen historischen Räumen VOn wahrhaft: einmali gem Wert. Bei all diesen Verdien- sten Eberles war es eine Ehrenpflicht für den Karlsruher Gemei nderat, 1960 eine Straße in Durlach nach ihm zu benennen. Der Prinzessinnenbau, in dessen volkstümlirnem Namen sich die Erinnerung an die Prinzes- si nnen des baden-durlachischen Hauses erhalten hat, ist - neben zwei Treppentürmen im Bereich des Baden-Werkes und einem Balkonstück im H ofdes sog. Wasserwerkes - der einzige erha ltene Bestandtteil der alten Karlsburg, die Markgraf Karl H. (Regentschaft 1553-1577) bei der Ver- legung seiner Residenz von Pforzheim nach Durlach 1563/65 erbauen ließ . Ober die Grü nde der plötzlichen E ntsch ließung des Markgrafen, sei ne Residenz von Pforzheim nach Durlach zu ver- legen, ist (ebenso wie über die G ründe des Markgrafen Karl Wi lhelm, seine Residenz 1715 von Durlach nach dem dadurch neu gegründeten Ka rlsruhe zu verlegen) wenig Greifbares beka nnt. Die Vermutungen reichen von der Behauptung des markgräflich baden-durlachischen Hi storikers Johann Christian Sachs (1770), es seien im Falle Pforzhei m Unstimmigkeiten zw ischen den Bürgern Pforzheims und dem Markgrafen bestimmend gewesen bis zu der, im Falle Karlsruhe, von modernen Historikern konstruierten geopolitischen Bewußtheit eines Markgrafen, der aus der topog raphischen E nge der durch die sumpfige Kinzig-Murg-Niederung gehemmten Residenz Durlach in das sandige Gebiet der Niederterrasse (und damit zum Rhein hin!) hinausstrebte. Ober das Durlacher Schloß schreibt Johann Christ ian Sachs: "Es wurde mit großen Kosten in kurzer Zeit zu Stande gebracht und erhielt nach dem durchlauchtigsten Erbauer den Namen Karlsburg. E r selbst hatte den Riß dazu entworfen und das ga nze Bauwesen ging unter sei ner 12 besonderen Aufsicht vor sich; er zahlte auch die Arbeitsleute mit eigener Hand aus und bekam daher den Namen : Karl mit der Tasche." Mag es sich hinsichtlich der Funktion der Tasche auch um eine liebenswürdige Fabel handeln (sie enthielt wohl eher das Schreibzeug des Fürsten), so hat dieses Anhängsel dem Markgrafen doch seinen volkstümlichen Namen eingetragen. Die eben zur Residenz erhobene dankbare Stadt Durlach ließ 1567 ihrem Markgrafen ein lebensgroßes Standbild aus gelbem weichem Sandstein errichten. Sein Schöpfer war der Tübinger Bildhauer Leonhart Baumhauer. Es war von 1567 bis 1862 a ls Krone des Durlacher Marktbrunnens vor dem Durlacher Rathaus aufgestellt, wurde 1862 auf den Schloßplatz, an die vordere Ecke des Platzes vor der Karlsburg, versetzt und mußte dort 1911 dem zunehmend en Verkehr weichen. Die starke Verwitterungserscheinungen aufweisende Statue wurde anschließend von dem Karlsruher Bild- hauer Heinrich Bauser zur ferneren Aufbewahrung in einern nicht den Wetterunbilden aus- gesetzten Raume restauriert. Zugleich fertigte Bauser eine naturgetreue Kopie des Standbildes, die seither den Balkon des Durlacher Rathauses schmückt. Die Originalstatue wurde erst ins Rathaus, dann in die Torhalle des Prinzessinnenbaues verbracht, wo sie jahrzehntelang der Jugend als willkommene Zielscheibe diente. Im Zuge der Neugestaltung des Museums wurde sie auf Veranlassung des Schreibers dieser Zeilen 1974 in den Steinsaal des Pfinzgaumuseums gebracht und in aufwendiger Arbeit durch den Karlsruher Restaurator Anton Rommel zum zweiten Male restauriert. Der Kunsthistoriker Hans Rott hatte zwar 191 7 in seinem bekannten Werk über "Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur G ründung Karlsruhes" noch die Ansicht vertreten : "Die Statue hat in Zuk unft, gleich einer wurmzerfressenen Altartafel etwa, als Museumsstück zu gelten, an der als einer monumentalen historischen Urkunde keine Restauration oder Erneuerung vorgenommen werden darf", aber die der Statue mutwillig und geda nkenlos zugefügten Schäden rechtfertigten die vorgenommene Restaurierung. Heute bildet sie, im zeitgenössischen Steinsaal des Museums aufgestellt, für die Besucher das treffendste Eingangssymbol. Im sei ben Steinsaal ist der Sockeltorso der Statue mit der Jahreszahl 1567 und ein künstlerisch wertvoller Grabstein (Frau in kniender Gebetshaltung) aus der Mitte des 16. Jahrhundert aufgestellt. Besondere Achtung verdient der hier ebenfalls aufgestellte Grab- stein des Baumeisters Demetrius Dangel von Zwiefalten (gestorben 1570), des Erbauers der Karls- burg (Bauperiode von 1563-65). Das von den Nachfolgern Karls 11. (den Markgrafen Ernst Friedrich - 15 77/ 1604 -, Georg Friedrich - 1604/ 1622 -, Friedrich V. - 1622/ 1659 -, Friedrich VI. - 1659/ 1677 - und Friedrich Magnus - 1677/ 1709, von letzterem zeigt das Museum Originaldokumente) erwei- terte Schloß wurde am 16. 8. 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch die Franzosen nieder- brannt. Reste der Ruinen standen mindestens noch bis zum Jahre 1834 , wie ein kleinesOlgemälde von L. Steinbach zeigt, das im Museum aufbewah rt wird und den Zustand nach der Natur festgehalten hat. Nach der Zerstörung begannen 1698 der Auf- und Neubau, der 1702 durch den inzwischen ausgebrochenen Spanischen Erbfolgek rieg, der alle Einkünfte auf Jahre hinaus wegnahm, wieder zum Erliegen kam. Dieser kurzen Bauperiode verdanken wir das heute an 13 den Prinzessinnenbau anschließende neue Schloß (Westwand des Haupthofes) mit barocker Fassade von Domenico Egidio Rossi. In der Torhalle des Prin zessinnenbaus, deren südliche Aus- fahrt jetzt zugemauert ist (bausthützeristhe Überlegungen zwangen dazu; in der Südmauer sind noth die Gleitri nnen des ehemaligen Fallgatters sichtbar, womit der Durthgang versth lossen werden kon nte), ist seit 1905/07 in die west lithe Wand die große Wappentafel von 1565 aus grauem Sandstein eingelassen, die einst über dem Portal der a lten Karlsburg prangte und die wohl das künstleristh wertvollste und ehrwü rdigste Monument des alten Durlath darstellt. Sie ist in drei Felder ein getei lt, bekrönt von einem Schmuck fries, umrahmt von Pilastern und Säul- chen mit reichem Renaissanceornament. Im mittleren Feld trägt sie das Wappen Karls 11., auf der linken Seite das Wappen seiner ersten Gemahlin Kunigunda, geborene Markgräfin zu Brandenburg, auf der rethten Seite das Wappen seiner zweiten Gemahl in Anna, geborene Pfalz- gräfin zu Veldenz . Besonders charakteristisch ist die Figur eines liegenden, die Geige spielenden Mannes, die der Meister der Tafel im Segmentbogen feld über dem Gesims, umrahmt von Engel- figürthe n angebratht hat. Reste der typisthen Bemal ung des Kreuzrippengewö lbes sind in der Torhalle noth sithtbar, mit ähnlithen Gewölben waren in der Karlsburg sämtlithe Räume des Erd- und des ersten Obergeschosses ei ngedeckt. Im ersten Obergesthoß des Museums geben die beiden Südzimmer mit ihrem dicken Mauerwerk, den tiefen Fensternischen und den ni edrigen Tü ren mit profiliertem Gewände noch einen Begriff von der Pracht der Räume der alten Karls- burg. Thre Bemalung wurde 1905/07 naturgetreu erneuert und 1975 verständnisvoll au fge- frischt. Der erste, kleinere Raum ist von einem Kreuzrippengewölbe überdeckt, der zweite von einem Netzgewölbe, dessen Rippen auf Konsolen in halber Wandhöhe ansetzen. Sie waren unverständlitherweise durth eine später angebrachte häßl ithe hölzerne Wandverkleidung ver- deckt, di e den Raumeindruck verdarb. Diese wurde bei der Restaurierung 1974 wieder ent- fern t, so daß der Raum jetzt wieder sein e ursprüngliche kompositorische Feinheit ausstrahlt , di e wir auch bew ußt durth ei n Minimum an Einrithtungsgegenständen (Vi tr inen, Möbel) erhal- ten wollten. So kann man diese beiden ältesten auch als die schönsten Räume in Karlsruhe bezeichnen. Der Fußboden bei der Räume wurde mit Bodenfliesen ausgelegt, die eigens nach dem Muster auf dem Turmberg gefundener Bodenfliesen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts von der Karls ruher Majolika gegossen wurden. Tn den bei den "Karl-Weysser-Sälen" und dem dazugehörigen Flu r des ersten Obergesthosses wurden 1974 die Flathdecken entfernt, so daß die ursprünglithen gewölbten Decken des Baumeisters Domenico Egi dio Rossi wieder zur Geltung kommen. Im zwei ten Obergesthoß wu rden die Gewölbe des großen Saales bei der Erneuerung 1905/07 d urth eine Stuckdecke ersetzt, di e 1974 in lithten Tönen bemalt wu rde. D ie hier an der Nord(Balkon)-Seite unter der Decke vorhandenen, mit Renaissanceornamenten verzierten Konsolen trugen das Gesims der al ten Süd wand des Sthlosses. Alle diese Maßnah- men wurden von dem Architekten Rolf Siemons in Durlath mit hohem stil ististhem Feingefühl getroffen. Wenn wir nun über die Nachkriegszeit des Pfinzgaumuseums zu berichten haben, so tun wi r dies, unserer Chronistenpflicht entsprechend, mit der gebotenen Genauigkeit. Wir können aber einleitend nicht verschweigen, daß diese Jahre (von der Wiedereröffnung 1948) bis zum Beginn 14 der Restaurierungs- und museumtechnischen Neueinrichtungsarbeitcn (1972) elOcn 1m Hin- blick auf das Museum selbst (beileibe nicht in Hinblick auf die aufopfernde Betreuung durch seinen ehrenamtlichen Leiter, Heinrich Liede, und sei ne schon genannten Mitarbeiter) unfrucht- ba ren Zeitraum darstellen, weil man in dieser Zeit weder in der Hinzugewinnung zusätz licher Räume noch (folgeri chtig) in der - immer wieder erkannten und geforde rten - Sichtung und Lichtung der Bestände weiterkam. Bis zum Ableben der verdienten Gattin Friedrich Eberles, Frau Walburga Eberle, im Frühjahr 1960, bestand allseits die pi etätvoll e Meinung, daß zu Lebzeiten der Witwe des Begrü nders des Museums an den Beständen und deren A ufstellung nichts geändert werden sollte. Späterhin scheiterte das Vorhaben immer wieder am Fehlen der benötigten Magazin- bzw. Abstellräume. SdlOl1 sei t 1956 hatten sich in PresseveröfFentlichungen immer mehr kritische Stimmen erhoben, die eine Neugestaltung des Museums forderten. Der Verfasser dieses Überblicks hat versucht, durch ei ne 1965 eingerichtete Ausstellung der Werke Karl Weyssers (Olbilder, Studien, Zeich nungen) im Rathaus-Saal in Durlad, und durch eine 1973 ebendort eingerichtete Ausstellung "Die Badische Revolution 1848-1849", welch letztere sich zum größten Teil auf die (i nzwischen im letzten Augenblick vor der endgültigen Zerstö- rung durch Nässe und Fäulnis restauriert,en) Bestände des Pfinzgaumuseums stützte, die Auf- merksamkeit einer größeren OfFentlichkeit auf die Gesamtrestaurierung des Phnzgaumuseums hinzulenken. In diesem Zusammenhang verdient festgehal ten zu werden, daß die durd1 die Restauration bedingte Schließung des Museums noch einen erfre ulichen NebenefFekt hatte. Das Badische Landesmuseum im Karl sruher Schl oß veranstaltete im Sommer und Herbst 1975 eine Ausstellung "Durlacher Fayencen - 1723-1847", die für al le Zukun ft vorbi ldlich und einmalig bleiben wi rd. Eine umfangreiche Katalog-Dokumentation aus diesem Anlaß wird als nidu mehr wegzudenk endes Standardwerk über diesen Gegenstand bestehen bleiben. Da das Phllzgaumuseum neben dem Badischen Landesmuseum die zweitgrößte Sammlung Durlacher Fayencen überhaupt besitzt, kam uns das Ane rbi eten des Badisd1en Landesmuseums, aus Anlaß der Ausstellung den gesamten Bestand des Phnzgaumuseurns wissenschaftlich zu bearbeiten und die fünfz ig schönsten Stücke daraus in der Ausstellung im Schloß zu zeigen, überaus gelegen. Für die so erstmals erfolgte, überaus ergebnisreiche und in vielen Details interessante wissen- schaft liche Bearbeitung der Bestände des Pfin zgaumuseums sind wi r dem Direktor des Badischen Landesmuseums, Prof. Dr. Ernst Petrasch, insbesondere dem w issenschaft lichen Sachbearbeiter Dr. Walther Franzius zu bleibendem Dank verpflichtet . Anfang der fünfz iger J ahre setzte sich verstärkt die Einsicht d urch, daß im Aufbau des Museums der tragende Gedanke, gewissermaßen der rote Faden, der den Besucher sinnvoll durch di e Aus- stellung geleiten könne, fehl e. Imm er dri ngender wurde ein e Umgestaltung gefordert. In einem Artikel der "Badischen Volkszeitung" vom 24 . 8. 1956 hieß es: Die Räumlichkeiten seien weder ausreichend noch zweck mäßig. In einem kleinen Raum seien wertvolle Antiquitäten unter- gebracht, die jedoch nicht zur vollen Geltun g kämen, weil sie wie in einem Trödlerladen angehäuft seien . Kostbare Urkunden und Drucke seien in vorsi ntflutlichen Vitrin en gelagert. 15 Ein kritischer Leserbrief mit der für sich sp rechenden Überschrift "Pfinzgau-Museum : Ein Besuch im Reich der Spinnen", erschien am 26. 5. 1959 in den "Badischen Neuesten Nachrichten". Unter dem 3. 10. 1959 berichtete das "Durlacher Tagblatt" unter der überschrift "Bestände des Pfinz- gau-Museums sollen gesichtet werden", daß der städtische Kulturauschuß eine Kommission zur Sichtung der Bestände gebildet habe, so daß nur das Wesentliche, für die eigentliche Durlacher Geschichte Wertvolle übrigbleibe und entsprechend besser zur Schau gestellt werden könne. In einem Expose legte am 12. 4. 1960 ein Kommissionsmitglied dar, die Bezeichnung Pfinzgau- Musum sei nicht der richtige Name, denn es gleiche eher einem Depot oder Magazin. Dies liege hauptsächlich an der Unterbringung. Die Sammlungen müßten zu einer chronologisch geordneten Schau zusammengestellt, die Spreu vom Weizen getrennt werden. In einem großen Artikel der "Badischen Neuesten Nachrichten" vom 10. 5. 1961 wird unter dem Titel "Das Pfinzgau-Museum braucht einen neuen Stil" festgestellt, daß die genannte Kommission "nur allgemeine Urteile zum Problem der Auslichtung dieses Urwaldes historischer Gewächse abgab, aber nicht für jedes einzelne der weit über 1000 Stücke eine endgültige Entscheidung fällte . Nur das hätte weiterhelfen können." Auch in diesem Artikel wird wieder festgestellt, daß diejenigen Stücke, deren Qualität den Wert des Museums ausmachen, durch die Masse zweitrangiger oder den Pfinzgau nicht betreffender Gegenstände erdrückt würden. Man dürfe sich daher nicht scheuen, einiges gänzlich zu beseitigen. Bei dieser "Herkules-Arbeit" gehe es nicht so sehr primär um eine Erweiterung des Museums, sondern um eine zeitgemäße Form. Ein Museum sei heute näm- lich nur wirksam, wenn es nicht auf Vollständigkeit Wert lege, sondern auf sorgfältig ausge- wählte wenige Beispiele. Da die Kommission über allgemeine Erwägungen nicht hinaus gekom- men war, wurde nun das Stadtarchiv mit einer Durchsicht der Bestände beauftragt. Der damalige Archivdirektor teilte aber zum Jahresende 1960 mit, daß mit einer Aussortierung nidtt begonnen werden könne, da die Museumsräume nicht beheizbar seien und keine ausreichenden Magazin- räume zur Verfügung stünden . In einem Artikel vom 23 . 9. 1961 berichtete das "Durlacher Tagblatt" von einer erneuten Sitzung des Kulturausschusses . Man sei sich darüber einig gewesen, daß das Museum durch unnötigen und wesensfremden Ballast beeinträchtigt sei. Die weniger guten Bestände müßten ausgeschieden werden; eine gründliche Durchsicht durch Fachleute sei nicht zu umgehen. Diese Forderung wurde wiederum in einer Sitzung des Gemeinderates vom 31. 12. 1961 aufgestellt. Am 24 . 3. 1962 berichtet das "Durlacher Tagblatt" über die bekannten Unzulänglichkeiten. Der Artikel räumt ein, daß das Museum einmal von einem Kunstkenner "der größte Ramschladen in Karlsruhe und Umgebung" genannt worden sei. Immer wieder wird auch in allen Veröffentlichungen auf die Feuchtigkeit der Räume und die Problematik der engen Wendeltreppe, insbesondere für ältere Besucher, hingewiesen . Inzwischen hatte die Stadt in ihrer Gemeinderatssitzung vom 12. 5. 1964 einen Vertrag zwischen Stadt und Land Baden- Württemberg gebilligt, der die überlassung der Karlsburg an die Stadt zum Preis von 1,6 Mil- lionen Deutsche Mark vorsah. Am 4. 1. 1965 machen die "Badischen Neuesten Nachrichten" wieder auf die unzulänglichen Zustände im Museum aufmerksam. Am 27 . 7. 1971 berichtet dieselbe Zeitung von einem Einbruch ins Pflnzgaumuseum, wobei insgesamt 21 Pistolen gestohlen wurden. 16 Inzwischen waren die Überlegungen hi nsichtlich einer Gesamtrestauration des Prinzessinnen- baues endgültig in Gang gekommen. In ei ner Sitzung von Vertretern der Durlacher Bürger- gemeinschaft, der Stadtverwaltung und des Staatlichen Denkmalamtes vom 8. 12. 1971 wurde der einzuschlagende Weg in Form ei nes Stufenplanes festge legt. Von der Idee der Restauration der jetz igen Museumsräume kam man bald zur größeren Idee des Ausbaus des gesamten Schloß- komp lexes als Kulturzentrum. Dies war fü r das Pfinzgaumuseum insofern schon von Bedeutung, als man a ls erste Etappe die Bereitstellung f reier Räum e im angrenzenden Sdlloßflügel für die Auslagerung der Museumsbestände beschloß. Das widltigste Ergebnis betraf die E ntlastun g der so vielfach kri tisierten alten Wendeltreppe. Durdl eine Verwendung des direkt an den alten Teil des Prinzessinnenbaues angrenzenden Treppenhauses im neueren Teil des Rossiflügels konnte, wie die Architekten nun feststellten, ein normaler Treppenzugang zum ersten und - auf dem ßesuchcrrückweg - vom zweiten zum ersten Stockwerk geschaffen werden ; der Zugang zum dritten Stockwerk würde allerdings immer über die Wendeltreppe erfolgen müssen. Immerhi n ergab diese Treppenkombination eine wesen tliche Verbesserung der Zugänglichkeit. Die Artikel in den "Badischen Neuesten Nach richten" vom 15 . 11., 19. 11. und 30. 11. 1971 berichteten über die erwähnten Aktivitäten der Bürgergel1Jeinschaft Durlach und A ue bzw. des Freundesk reises Pfinzgau-Museum innerhalb dieser Bürgergemeinschaft im Hinbl ick auf die Bestrebungen, das Museum unbedingt im Prinzessinn enbau zu belassen. Unter dem letzterwähnten Datum hielt der A rchitekt Dipl.-In g. Prosper Collin g in Form eines altertüml ichen Briefes an den Erbauer des Prinzessinnenbaues Demetrius Dangel ein Plädoyer für das Pfinzgaumuscum und ein im Sch loßflü gel zu erstellendes Durlaeher Kulturzentrum. Es fol gte am 15. 12. 1971 eine Gesamt- vorstandssitzung der Bürgergemeinschalt Durlach und Aue mit dem als Vertreter der Stadt ent- sandten Kulturreferenten; am 4. 2. 1972 eine Sitzung des Bezirksbeirats Durlaeh im Sitzu ngs- saa l des Durlacher Rathauses; am 8. 5. 1972 eine Sitzung bei dem Baudezernenten; am 23. 6. 1972 ei ne Ku lturausschußsitzung im Karlsruher Rathaus und am 29 . 3. 1973 ei ne weitere Sitzun g des Bezirksbeirats Durlach im Sitzu ngssaal des Durlacher Rathauses, die sich sämtlich eingehend auch mit den Maßnahmen für das Pfinzgaumuseum befaßten. Gleichzeitig eröffnete die Bürger- gemeinschaft Durlach und Aue unter ihrem Vorsitzenden Dr. Karl-Wilhelm Maurer ein e Bürger- spendenaktion für das P finzgaumuseu m, die überaus erfreulichen Anklang bei der Bevölkerung fa nd . Im Spätsommer 1972 wurden die Bestände des Museums in die angrenzenden Räume des Schloßflügeis ausgelagert und die bauliche Restaurierung konnte beginnen . Dazu erschien im August 1973 eine reich bebilderte Dokumentation über den Prinzessin nenbau (Mitteilungen des Baudezernates, N r. 20). Das neu erstandene Museum öffnet seine Pforten zu Ostern 1976. Seine Akzente liegen - neben der Sicherstellun g der erwähnten Steindokumente - bei der Repräsentation der Durlacher Fayencen, der Werke des in Du rl adl geborenen Malers Karl Weysser, der Dokumente der Revo- "ltion 1848/49 (in der Durlach d urch die Schlacht bei Durlach am 25. Juni 1849 eine besondere Rolle spielte) und der alten Durlacher Druckerzeugnisse (in ihrem Mittelpunkt die sogenannte 17 Durladler Bibel von 1529). Eine künftige Erwei terung der Raumverhältnisse im Zuge der Restaurierungsarbeiten am gesamten Schloß flügel birgt die Möglichkeiten, dieses Grundsatzpro- gramm durch die Vielfalt heimatkundlicher Exponate zu erwei tern. Bei unseren Akzentsetzungen gingen wir von der Wichtigkeit und dem Wert der zusammenhängenden Bestände aus; im Sin ne der Thesen, die der Geschäftsführer des Verbandes der Rheinischen Heimatmuseen, Professor Dr. Rudolf Stampfuß 1968 für die Heimatmuseen von heute aufgestellt hat und in denen es heißt: "Wi r wollen keine romantischen Heimatstuben mehr, wir wollen den Dingen den Moder nehmen. Das Museum ist eine Halle, in der man diskutieren darf; die Zeit der Filzpantoffel ist vorbei. Ei n Museum soll auch keine Schauerkammer sein . Die Heimatmuseen sind echte For- schungsstätten, die das Material für die Zukunft erhalten müssen." Möge sid1 das nun erneuerte Pfinzgau-Museum schon in seiner jetzigen Gestalt würd ig in den Kreis der baden-württembergischen Heimatmuseen einordnen. Möge die Bewahrung seiner alt- ehrwürdigen Räume und die Pflege seiner wertvollen Bestände ein Anliegen aller Bürger sein! 18 Helga Walter-Dressler Der Durlacher Maler und Zeichner Karl Weysser Karl Weysser wurde am 7. September 1833 in Durlach geboren '. Er war das zehnte und letzte Kind des damaligen Durlacher Bürgermeisters Friedrich Wilhelm Weysser und seiner Frau Karoline geb. Musculus . Der französische H ei ratskontrakt der Eltern aus dem Jah re 1815 in kunstvoll verschnörkel ter Kanzleischrift ist noch vorhanden. Aus ihm geht hervor, daß die elsässische Braut, eine Apothekerstochter aus Sulz am Wald, 5068 Franken, der Bräutigam 8571 Franken mit in die Ehe brachten. Offensichtlich stammten beide aus wohlhabenden Ver- hältnissen . Karl Weyssers Vater war ursprünglich Kaufmann. Mi t den Jahren hatte er auch im öffent- lichen Leben Erfol g. Er wurde Stadtrat und Mitglied des evangel ischen Kirchengemeinderats, sch ließlich von 1830 bis 1836 Bürgermeister von Durlach. Von 1832 bis 1838 wa r er außerdem Mi tglied der von der Bevölkerung gewählten 2. Kammer der badischen Landstände ' . Die Familie wohnte bis 1860 am Durlacher Marktplatz im Eckhaus Hauptstraßel Kronenstraße (heute Pfinztalstraße 56). Von Kar! Weyssers zahlreichen Geschwistern lebten bei seiner Geburt nur noch zwei Brüder und eine Schwester " ein bei der damaligen hohen Säuglin gssterblichkeit leider übliches Familienschicksal. Die Schulzeit absolvierte Weysser an der Durlacher Höheren Bürgerschule, dem sog. "Pädagogium", wo er 184 1 eintrat ' . Dann schickte ihn der praktisch denkende Vater, der vom fin anziell unsicheren Künstlerberuf offenbar nicht viel wissen wollte, auf das Polytechnikum nach Karlsruhe, die spätere Technische H ochschule und heutigen Uni- versität . Dort hat sich in dem noch erhaltenen "Einschreibbuch für die Eleven" für das Studien- jahr 1852/ 53 Karl Weysser eigenhändig eingetragen. Vorher hatte er schon den ,, 1. In genieur- cours" besucht und wollte nun in die "Mechanisch-technische Schule" überwechseln, mit dem Berufsziel "Leh rfach" '. Die über Karlsruhe hinaus berühmte Po lytechnische Schule bestand damals aus drei allgemeinen mathematischen Klassen und darauf aufbauend sieben "Fachschul en". In den dreijähri gen mathematischen Grundkursen wurden neben den Kenntnissen für die technischen Fächer auch Sprachen, Religion und Geschichte sowie Freihandzeichnen, Kalligraphie und Modellieren geleh rt. Die Spezialisierung fand dann in den Fachschulen statt, zu denen die obengenannte Ingeni eur- schule und die Mechanisch-technische Schule gehörten ' . Obwohl Kar! Weyssers eigentliche Neigung dem Nebenfach Zeichnen gal t, scheint er sei n Mathe- matik- und Maschinenbaustudium 7 mit Ernst und Interesse betrieben zu haben. Denn viele Jahrzehnte später schreibt er: "Während ich mich aber noch heute meinen li ebsten, nun längst verstorbenen Lehrern der rei nen und an gewandten Mathematik: Karl Buzengeiger, Guido 19 Schreiber, Wilhelm Eiseniohr, Jakob Ferdinand Redtenbacher, Peter Gustav Lejeune-Dirichlet, Jakob Steiner und Johann Franz Encke und auch dem Geographen Karl Ritter zu großem Dank verpflichtet fühle, war ich leider im Bezug auf meine ästhetische Bildung meist nur auf eigene Erfahrungen angewiesen 8 ," Es ist zu verm uten, daß unter Weyssers obengenannten Lehrern, von denen die meisten noch heute als Kapazitäten ihres Fachs in der Literatur bekannt si nd, vor allem Redtenbacher einen prägenden Einfluß auf den jungen Studenten ausübte. Redtenbacher leitete damals die Mecha- nisch-technische Schule und wurde später Direktor des Pol ytechnikums. Er verstand nicht nur sein Fach, den Maschinenbau, außerordentlich lebendig und mit umfassender Kenntnis darzu- stell en, sondern er hatte auch darüber hinausgehende Interessen, die sich mit denen seines Schülers Weyssers unmittelbar berührten: .Seine liebste Mußebeschäftigung war das Skizzieren in der Landschaft und das Aquarellieren, das er in späteren Jahren durch das Malen in 01 ablöste'." Wie lan ge Weysser am Karlsruher Polytechnikum studiert hat, ließ sich bis jetzt nicht feststellen, ehensowenig wann er an die Berliner Bauakademie gegangen und wie lange er dort gebliehen ist 10. Inzwischen war in Karlsruhe im Juli 1854 die Großherzogliche Kunstschule gegründet und als Direktor der Düsseldorfer Landschaftsmaler Johann Wilhelm Schirmer berufen worden. Im ersten Schuljahr war Karl Weysser noch nicht dort, aber im zweiten Schuljahr 1855/56 finden wir ihn eingeschrieben 11, Die Ausbildung dauerte damals insgesamt 7 Jahre. Großer Wert wurde auf die Schulung des Formensinns durch Zeichnen gelegt. Einem Spezialgebiet (Historien-, Porträt-, Landschafts- und Genremalerei) durfte sich erst zuwenden, wer den "Antikensaal" durchgemacht hatte, wo nach Gipsabgüssen antiker und moderner Statuen gezeichnet wurde. Für die Landschaftsmaler, die in Karlsruhe als Schüler Schirmers die größte und bedeutendste Gruppe bildeten, folgte dann der Besuch der vorbereitenden Landschaftsklasse. Dort kopierten sie vor allem Naturstudien ihres Lehrers in 0 1 und lernten nach der Natur zeichnen und kleinformatige Bilder malen. In die Künstlerklasse schließl ich wurde nur aufgenommen, wer in der Vorbereitungsklasse genügend Talent gezeigt hatte. "Schi rmer regierte in Karlsruhe ganz im Sinne der Akademiedirektoren des 19. Jahrhunderts als unumschränkte Autoritätsperson. Seinen Anweisungen hatten die Schüler Gehorsam zu leisten ... Auch außerhalb der offiziellen Unterrichtsstunden sollten die Schüler im Geiste ihres Lehrers erzogen werden " ." Zu Weyssers Studienkollegen in der Landschafts- klasse gehörten u. a. earl Ludwig Fahrbach, Emil Lugo, Gusta v Osterrot und ab 1859/60 auch Hans Thoma. Nach vierjährigem Studium verließ Weysser die Karlsruher Kunstschule und siedelte im Herbst 1860 zur weiteren Ausbildung nach München über, wo er bis zum Juni 1861 blieb ". Ob er dort an der Akademie ein geschrieben war oder, was naheliegender erscheint, dem Kreis der Maler um Eduard Schleich d. 1\. und Kar! Spitzweg angehörte, ließ sich bis jetzt noch nicht feststellen. Für den Wechsel des Studienortes zu diesem Zeitpunkt sind verschiedene Gründe denkbar: 1859 wa r Weyssers Vater gestorben und 1860 das Elternhaus am Durlacher Marktplatz von den vier Geschwistern verkauft worden 14. Möglicherweise hat der Maler seine günstige Finanz- 20 lage benutzt, um einen Studienaufenthalt in München zu fi nanzieren . Vielleicht gehörte Weysser auch zu denjenigen Kunstschülern, die in den Jahren 1859-61 aus Protest die Karlsruher Schule verließen, weil sie sich durch ungerechtfert igte bürokratische Eingriffe der Obrigkeit in ihrer Ausbildung behindert fühlten ". Nicht zuletzt mag der Wunsch, ein intensiveres Studium der Architekturmalerei zu absolv ieren, für einen Wechsel nach München bestimmend gewesen sein. Im Schuljahr 1861 /62 kehrte Karl Weysser wieder an die Karlsruher Akademie zurück ". Nach dem Tod seines Lehrers Schirmer im September 1863 ging er im November 1863 ei n zweites Mal nach München und blieb dort bis zum März 1864 ". Offenbar hat er dann noch das restl iche Studienjahr bis zum Sommer 1864 in Karlsruhe verbracht 18. Damit war seine Ausbildung abgesch lossen. Schon während der Studienzeit war Weysser in den Sommerferien zeichnend und malend in Süddeutschland unterwegs. So hat er, wie man den datierten Zeichnungen im Karlsruher Denk- malamt und den Olskizzen der Städtischen Kunstsammlungen entn ehmen kann , im Jahre 1862 den Bodensee bereist. Im Sommer 1863 war er u. a. am Hochrhei n in Laufenburg, Säckingen und Basel, 1864 am Neckar, in Schwäbisch-Gmünd und Marburg an der Lahn . Wo Weysser nach dem Verkauf des elterlichen Hauses 1860 wohnte, ist unbekannt. Jedenfalls war er von 1865 bis 1869/ 70 in Karlsruhe ansässig ". In diesen Jahren reiste er u. a. ins Tauber- tal, in den Schwarzwald und an die Mosel. 1869 unternahm er eine Fahrt nad, Südtirol, was durch Zeichnungen und O lskizzen aus Klausen und Brixen belegt wird. Für die Zeit zwischen 1870 und 1881 fehlt jeg licher Hinweis fü r einen festen Wohnort. Weysser war offenbar ein unruhiger Geist, den es nie lang am seI ben Pla tz hielt. So ist überliefert, daß er am liebsten einen Zigeunerwagen besessen hätte, um damit unabhängig in der Gegend herum- zukutschieren 20 Vielleicht hat er also in den 70e r Jahren, der Zeit seiner größten Produktivität, überhaupt keinen festen Wohnsitz gehabt und immer nur ein paar Wochen an ei nem O rt zuge- bracht. 1872 war der Künstler offensichtlich längere Zeit im Elsaß (das seit 187 1 zum deutschen Reichsgebiet gehörte), denn über 100 Zeichnungen elsässischer Denkmäler und Bauten von seiner Hand aus diesem Jahr befinden sich im Straßburger Denkmalarchiv ". Seine Tätigkeit dort beschränkte sich jedoch nicht nur aufs Zeichnen, sondern bezog auch das Malen mit ein, denn im Oktober 1875 waren Bilder aus dem Elsaß von Karl Weysser im "Kunstverein der Groß- herzoglichen Kunsthalle" in Karlsruhe ausgestellt". 1880 zeichnete Weysser viel am Mannheimer Hafen, 1881-1884 wohnte er in Heidelberg". In Heidelberg gab er 1883 unter dem Pseudonym "K. W. H eisster" (Karl Weysser heißt er) auch seine erste kleine Veröffentlichung heraus. Si e trug den Titel "An di e Mitglieder des Kunst- vereins in Hutzelwaldberg" und richtete sich in sati rischer Form gegen Vorstand und Jury des Heidelberger Kunstvereins. Von 1885 bis 1888 lebte Karl Weysser in Baden-Baden " . Auch hier hat er sich publ izistisch betätigt und im Jahre 1887 ein satirisches Bän dchen unter dem Titel "Durch Dick und Dünn - Asthetische und auch andere Betrachtungen" herausgebracht. Von 1890 bis 1894 wohnte er noch- 21 mals in Karlsruhe ", von 1895 bis zu seinem Tod am 28 . 3. 1904 war er wieder in Heidclberg ansässig ~t1 . Dort erschien 1898 sei ne dritte und letzte Veröffentlichung .,Der Darwinismus und die moderne Malerei im Spiegel einer möglichst richtigen Weltanschauung". Seinem unsteten Leben nach zu schließen, hätte man an nehmen können, daß Kar! Weysser nie verheiratet war. Mit ann ähernd 52 Jahren hat er aber doch noch geheiratet, und zwa r am 7. Februar 1885 in Baden-Baden ". Seine Frau, Auguste Luise Sickinger, stammte aus Durlach und war 21 J ah re jünger als er " . Viell eicht faßt e der Künstler den Entschluß zur Ehe unter dem E indruck seiner drohenden E rblindung. Das früheste bekannte Gemälde Karl Weyssers ist ei n Brustbild seines Vaters. Es ist weder datiert noch vom K ünstl er signiert; aber auf der Rücksei te w urde vermerkt, daß es den Bürger- meister Weysser 1840 darstelle, von seinem Sohn Karl gemalt und von Frau Weysser 1936 erworben worden sei ". 1840 kann nicht das J ahr sein, in dem das Bild gemalt wurde, der Künstler wäre damals erst ein Kind von 7 Jahren gewesen. Vielleicht soll es ,, 1849" heißen, da wurde nämlich der Vater 60 Jahre alt . Es wäre denkbar, daß ihn der dann immerhin 16jährige angehende Maler aus diesem Anlaß porträtiert hat. Als Zeichen der Verehrung und auch als Beweis für sein Talent. Mit liebevoll beobachtendem Blick hat sich der junge Mann in die Gesichtszüge des Vaters vertieft. Daß er den 60jährigen - abgesehen vom grauen H aar - etwas zu jugendlich ideal isiert da rgestell t hat, wäre von sei nem eigenen Alter her durchaus begreiflich. D ie feine fa rbliche Differenzierung verrät aber dod, schon eine gewisse Schulung. Vielleicht hat er das Bildnis auch in seiner Karlsruher Akademiezeit noch einmal übermalt 30. Manche von Weyssers landschaftlichen Olskizzen aus den frühen 60er Jahren zeigen noch deut- lich den Einfl uß der Schirmerschen Olskizzen. E r bevorzugt eine dunkle, au f tiefgrünen und rostroten Tönen basierende Palette, die Einzelheiten w ie z . B. Blätter und Aste sind sehr genau mit spitzem Pinsel hingetupft. Der Maler kämpft gelegentlich noch mit Komposit ionsschwierig- keiten wie z . B. auf dem Blatt von Schwäbisch-Gmünd, wo er zur Belebung des Vordergrundes ein kleines Mädchen zu absichts voll in die Mitte plaziert. Ahnlich genau durchgearbeitet sind auch Weyssers Zeichnungen aus den frühen 60er Jahren, die vor a llem Stadtansichten am Bodensee und Hochrhein darstellen. Eine ganze Reihe dieser Zeichnungen wurde fünfundzwanzig Jahre später (1887) im 1. Band der "Kunstdenk mäler des Großherzogturns Baden - Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz" veröffentlicht. Der Künstl er ha t damals sei ne Motive bis in die Einzelheiten mit der Feder durchgezeichnet. Beson- deren Wert legt er auf die Beleuchtung und schaflt so Atmosphäre. E r kontrastiert geschickt helle, weiß gelassene Partien mit beschatteten, die er mit einem dichtmaschigen Netz von Schraffuren überzieht. Dabei fällt auf, daß auch komplizierte perspektivische Verkürzungen ihm sichtlid, keinerlei Mühe machen, ja, daß er sie sogar sucht. Figü rliche Darstellungen si nd dagegen nur Neben- sache und selten überzeugend in den Gesamtzusam menhang eingebu nden. Sie wi rk en oft im Maßstab falsch und in der anatomischen Durchbildung unsicher. Ei ne Erk lärung fü r di esen Unterschied der zeichnerischen Fähigkeiten gibt Weysser sel bst in einer seiner Schriften. Er meint dort, daß . der Maler, je nach dem Gebiet, das er sich erwähl t, eine gründl ichere Kennt- 22 Marktplatz in Dur!ach. Gemälde von Kar! Weysser I1lS In manchen Hülfswissenschaften, z . B. der Landschafter in der Anatomie, gar nicht not- wend ig hat ... " 31. In den Zeichnungen der 70er Jahre verzichtet Weysser meist auf eingehende Schilderung der Einzelheiten und hebt von einem ganzen Komplex - Ortsansicht oder Straßenbild - nur besonders markante Partien wie geschnitzte oder bildhauerisch gestaltete Erker, Brunnen, Kirch- türme, Tore usw. durch genaue Zeichnung hervor, während er das übrige mit raschen Strichen a ndeutet. Die Technik ist raffinierter, er verwendet jetzt neben Lavierungen auch Weiß- höhungen als Beleuchtungseffekte und zeichnet gelegentlich auf farbigem, meist grau-blauem Papier. In diesem J ahrzeh nt zwischen 1870 und 1880 entstehen seine freiesten und ei ndrucks- vollsten Zeichnungen . Mit sparsamen, gezielt eingesetzten Mitteln zeichnet er Blätter vol ler Atmosphä re. Eine entspredlende E ntwicklung zur Großzügigkeit zeigt sich auch in den Olstudien der 70er Jahre. Die Pinselschrift ist jetzt freier und verzettelt sich nicht mehr in allzu genauer Schilderung der Einzelheiten. Dort, wo der Maler auf jede effektvolle Komposition verzichtet, nah an sein Motiv herangeht und sich ganz in das nuancenreiche Spiel der Farben vertieft, sind sie am über- zeugendsten. Mit Vorl iebe sieht er in verwinkelte Gassen, a lte Höfe, zerfallene Schuppen und Hintereingänge, schl ichte Motive ohne jeden "höheren" Anspruch. Diese Bildehen sind auch eine Augenschule für den Betrachter, der zuerst v ielleicht achtlos an ihnen vorübergega ngen ist. Beim näheren Hinsehen erkennt er den Reichtum der verschiedenen Grau-Braun-Grün- und Ockertöne und ihr fein abgestuftes Zusammenspiel. Darüber hinaus versteht Weysser es meisterhaft, die unterschiedliche Stofflichkeit von Holz, Ziegel, Sandstein, Verputz usw. zu charakterisieren. Immer wieder sind es Struktur und Farbe von sonnen beschienenem altem Gemäuer, meist in Verbindung mit Pflanzen, die ihn zum Malen locken. So hat er z. B. den Hof der alten Zehntscheuer in Durlach aus den verschiedensten Blickwinkeln festgehalte~ . Karl Weyssers Einstellun g zu solchen schlichten Motiven kommt in seinen "Ästhetischen Betrach- tungen" von 1887 deutlich zum Ausdruck: " ... überlassen wir das unschönste lind nüchternste Bauwerk sich selbst und damit allen Einflüssen und Zufällen der Witterung und pflanzlichen Entwickelung, so wird es endlich, und wenn auch erst als Ruine mit Moos und Epheu, Gesträuch und Bäumen bewachsen, ein e Schönheit erreichen, die wenig zu wünschen übrig läßt. Dieser in ästhetischer Beziehung wohltäti ge Einfluß der Natur und nicht immer die a ltertümlidle Bauart ist es auch, welche den Architekturmaler veranlaßt, vorzugsweise in alten Ortschaften Studien zu machen 3:! . " In der freien Natur wird Karl Weysser besonders vom Wasser angezogen. Am Bodensee, am Neckar, am Rhein, an der Pflnz, der Murg und der Mosel ist er den verschiedensten Stimmun- gen nachgegangen, hat das stille dunkle Gewässer um die Hungersteine am Necka r, die wind- gekräuselte Oberfläche des Bodensees und den zwischen Steinen dahinplätsdlernden Sd,warz- waldbach in nuancierten Farben festgehalten. Seine Liebe gil t der "unverfä lschten Gottesnatur" . Allem Menschenwerk steht er skeptisch gegen über, das äußert er immer wieder: "Während z. B. jede natürliche Felspartie zu ihrer ebenso natürlichen U mgebung in allen Jahreszeiten gleich gut 24 stimmt, steht z. B. bei Bauwerken der rote S:lndstein im Sommcr nicht seltcn grcll in dcr Land- schaft, während er mit dem Schnee wieder besser harmoniert. Umgekehrt wirkt ein gelb licher Stein neben dem Schnee leicht süßl ich, während seine Farbe im Sommer nichts zu wünschen übrig läßt. Aus diesen Beispielen erkennen wir aber auch wieder die ästhetischen Vo rzüge, welche die reine Natur allen menschlidlen Werken voraus hat :3:3." Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre zeichnet Kar! Weysser kaum noch mit der Feder, sondern meistens mit dem P insel. Dabei fällt a uf, daß die bisher außerordentlich sichere Art der Erfassung und Darstellung deutlid, nachläßt. Außer mit dem zuneh menden Alter - er ist jetzt Ende SO - hängt das wohl mit seiner Augenkrankheit zusammen. Bei den farbigen Studien macht sich diese Schwäche weniger bemerkbar. Hier hilft vielleicht die langjährige Erfah rung im Umgang mit Farben, die verminderte Fähigkeit zu genauer Beobachtung zu überbrücken. Ge rade die etwas diffuse, mehr a uf den zartfarbigen Zusammenklang als das deutliche Detail cingehcnde Malweisc verleiht den Bildern dieser Zeit einen besonderen Zauber. Möglicherweise hat sich Weyssers Sehkraft aud, durch eine Operation noch ein mal vorüber- gehend gebessert. Eine Stelle in seiner Schrift über den Darwinismus und die moderne Malerei von 1898 scheint von persönlicher Erfa hrung diktiert. Es heißt dort: "Nun werden al lerdings in unserer Zeit sehr bedeutende Operationen zur Heilung krankhafter oder verletzter Organe gemacht. Wenn es aber der Arzt mit seinem Wissen und Können auch fcrt igbringt, einen ver- schlimmerten Zustand des Auges, z . B. die Blindheit wieder a ufzu heben oder zu mildern, so ist dcch die An näherun g an den gcsu ndcn und normalen Zustand nod1 lange nid1t mit einer dem normalen Zustand vorausgehenden Selbsterfindung oder Selbstbildung des Auges zu ver- gleichen 34." Man hat Karl Weysser oft den "badisd1en Spitz weg" genannt und dabei wohl vor a llem a n ver- gleimbare Stadtansichten mit winkligen alten Gassen gedacht. Die Münchener Schule um Schleich d. Ä. und Spitzweg mit ihrer Vorliebe für die intime Darstellung im kleinen Format scheint tatsächlich nachhaltiger auf ihn gewirkt zu haben als Schirmers Karlsruher Sd1Ule, der in seinen offiziellen Gemälden die heroische großformatige Landschaft pflegte. Trotzdem trifft die Bezeichnung "badischer Spitz weg" auf Weysser nicht zu. Denn bei Spitzweg ist die Archi- tektur Bühnenkulisse für seine psychologisierenden Bildererzählungen, für Weysser dagegen sind Architektur und Landschaft in ihrer natürlid1Cn Erschein ung das Hauptthema und das F igür- liche nur malerisches Beiwerk. Obwohl Weysser soviel herumgereist ist, waren es immer wieder ä hnliche Winkel und Ecken, die ihn interessierten. Es ist also nicht das cha rakterist isch andere einer besti mm ten Gegend, was ihn anzieht, sondern er sucht und fi nd et das ihm Gemäße, eng Umgrenzte, Schlichte, Bescheidene. Das aber verzaubert er mit der Subti lität se iner Malerei . In klarer Einsrnätzung seiner Begabung hat Weysser damit glückl ich verm ieden, was er an anderen Malerkollegen auszusetzen fand: " ... mand1es Talent, das bei einer richtigen Erkcnntni s seiner Leistungsfähigkeit als Bäch lein fri sch und klar hätte dahin fließen können, wurdc nun, wei l es sidl nach allen Seiten ausbreiten wollte, zu einem stehenden Sumpf, a n dem höd1stens die 25 Kritiker als quakende Frösd,e ihre besondere Freude hatten "." Daß es sich bei Weyssers tllskizzen nicht nur um künstlerische Nebenprodukte gehandel t hat, scheint mir sowohl durch die ziemlich konsequente Signierung wie vor all em durch seine sch rift- lichen Außerungen bekräftigt zu werden. In seiner schlichten, unprätcntiäsen Schilderung von Natur und A rchitektur war Weysscr durch- aus fortschrittlich im Sinne der zuerst von den Mündmcr Malern Leibl und Lier vertretenen Auffassung, daß nicht wie bisher ein effekvolles Motiv die H auptsache sei, sondern die male- rische Verklärung eines anspruchslosen Stücks Natur. Der Anstoß zu dieser Auffassung, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der deutschen Landschaftsmalerei immer mehr durch- zusetzen begann, war von Frank reich ausgegangen. Dort hatten schon in den 1850er Jahren die Münchner Maler Spitz weg und Schleich d. i'i.., vor a ll em aber ein Jahrzehnt später Li er die Werke der Maler von Barbizon - einem D orf südöstlich von Paris - kennen- und schätzen gelernt. "übera ll wo ich ging und stand , gingen mir die Meisterwerke der großen Land- schaftsma ler D upre, Daubigny, Corot und Rousseau nach ... es wurde mir klar, daß die wi rkl iche Poesie der Landschaftsmalerei in der einfachen, schönen Natur selber liegt und nie durch künstliche Mittel herbeigezaubert werden kann " ." Dieses Bekenntnis Liers könnte auch sein 7 Jahre jüngerer Generationsgenosse Karl Weysser abgelegt haben. An der Karlsruher Kunstakademie verfolgte die jüngere Generation, die unter dem bei Lier geschulten Schön leber die Landschaft um ih rer selbst will en zu malen begann, ähnliche Ziele. Es war ein kü nstlerische Bewegung, die Wcyssers zurückhaltend-versponnenem Naturell, dem alles Pathos zuw ider war, wohl im Inn ersten entsprodlen hat. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß Weysser in den 1880er Jahren auch andere Bilder gemal t hat - offensichtlich im Atelier komponiert-, die im absichtsvollen Arrangement verschiedener Archi tektur- und Landschaftselemente einen altertümlicheren Eind ruck machen. Wie weit dies etwa mit Rücksicht auf Auftraggeber geschah oder ob man darin nicht doch eine gewisse Zweigleisigkeit seiner künstlerischen Außenll1gen sehen muß, bedarf noch der Klärung. Die Käufer von Karl Weyssers kleinformatigcn, unprätentiösen Bildern waren und sind wohl heute noch vor a llem Privatleute. Museen scheinen sich zu Weyssers Lebzeiten kaum für seine dem Repräsentativen abholde Kunst interessiert zu haben. Das heißt aber nicht, daß er im offiziellen Kunstbetrieb ein völlig Unbekannter wa r. So erwa rb z. B. der "Ku nstverein für das Großherzogtum Baden" 1863 neben Bildern anderer bad ischer Maler Weyssers "Der al te Marktbrunnen in Durlach" und stellte, wie schon erwähnt, 1875 mehrere Wochen lang seine Bilder aus dem Elsaß in der Karlsruher Kunstha ll e aus. Die dok umentarische Bedeutung von Weyssers Architekturzeichnungen, in denen sich sach liche Genau igkeit mit künstlerischer Qualität verband, wu rde dagegen schon damals von den für die nAl tertumssammlungen" zuständigen Stellen erkannt. So erwarb beispielsweise die "Großher- zogliche Badische Altertumshalle" eine ganze Reihe sein er badischen Stadtansichten. Wie eben- fa lls schon erwähnt, erschi enen sie ab 1887 zum Teil als Illustrationen in den Kunstinventar- bänden . Die über 100 Zeichnungen elsässischer Motive, die sich im Straßburger Denkmalamt befinden, werden vermutlich auch wäh rend Weyssers Aufenthalt dort angekauft worden sein . 26 Die im Pfinzgau-Museum ausgestellten Bilder lind Zeichnungen Karl Weyssers sind zu m Teil als Geschenke an das Museum gekommen. Der weitaus überwiegende Teil stammt aus dem Nachlaß des Malers in Pforzheimer Privatbes :tz, von dem die Stadt Karlsruhe 1942 zahlreiche Stücke erwerben konnte. Auch für Durlach haben Weyssers Bilder und Zeichnungen neben der künstlerischen eine histo- rische Bedeutung. Denn zum Teil zeigen sie Ansichten, die heute in dieser Form gar nicht meh r ex istieren. So gibt zum Beispiel das schöne Bild des Durlacher Marktbrunnens 37 eine Ansicht wieder, die schon zu Weyssers Lebzeiten histo:-isch geworden war : Der Brunnen ist hi er noch mit der bekrönenden Figur des "Karle mit der Tasch" dargestellt. Sie wurde 1862 entfernt und auf den Durlacher Schloßplatz versetzt 38 . Dasselbe gilt für den Gebäudekomplex mit der alten Zehntscheuer, den Karl Weysser in den 1870er Jahren verschiedentlid, gema lt hat. A ls man das Gelände für den Bau der Friedrichschule zw ischen Lamm- und Zehntstraße benötigte, wurde der ganze Komplex vor 1878 abgerissen. Es ist anzunehmen, daß der Durlacher Maler und Zeich ner Karl Weysser ni e ernsthafte finanzielle Sorgen hatte, denn er lebte immer in Wohn - gegenden , in denen wohlhabende Bürger ansässig waren. Sicher hing das auch mit seinem Eltern- haus und den sich daraus ergebenden per~önlichen Beziehun gen zu einer entspred1enden Käufer- schicht zusammen. Trotzdem darf man sich den Lebensweg des Künstlers nicht sorgenfrei vor- stellen. Denn ein Augenleiden hat ihn in den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens stark beeinträchtigt. Und was könnte einem Maler, der vor allem :1uf seine Augen angewiesen ist, Sd,lim meres widerfahren. Anmerkungen 1 Taufbuch der Durlacher Evangelischen Kirchengemeinde 1828-1838, S. 242. 2 Nachruf v. 29. Mai 1859 im Durlacher Tagblatt und Durlacher Stadtrechnungen (Stadt- a rd,iv Karlsruhe). 3 Friedrich Ludwig (geb. 1822), Emil Ludwi g (geb. 1826) und Marie (geb. 1828) . Nach Taufbüchern der Ev. Kirchengemeinde Durlach. 4 Stadtarchiv Karlsruhe, Bestand Durlach 2824. 5 Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 448 / 2606. 6 Anzeige der Vorlesungen an der Großherzoglich Badischen Polyted111ischell Schule zu Carls- ruhe für das Jahr 1853/ 54. Carlsruhe o. J. 7 In Thieme-Beckers Künstlerlexikon Bd. XXXV, S. 486 irr tümlich "Stud. zuerst Archi - tektur . .. " 8 K. Weysser, Der Darwinismus und die moderne Malerei im Spi egel ei ner mögl ichst richtigen Weltanschauung. Heidelberg 1898, S. 5. 9 O . Kraemer, Ferdinand Redtenbacher. In: Die Tech ni sche Hochschule Fridericiana Karl s- ruhe. Festschrift zur 125-Jahr-Feier 1950. Karlsruhe 1950, S. 81. 10 Leider sind keinerlei Archi valien über Weysser bei in Frage kommenden Berliner Nachfolge- 27 behö rden der Bauakademie vorhanden (brief!. Mitt. von Dipl.-Ing. Ute Büchs, Plansamm- lung Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, v. 6.10.1975) . 11 R. Theil mann, Johann Wilhelm Schirmers Karlsruher Schule. Diss. Heidelberg 1971, S. 371 . 12 ders. a. a. O . S. 127. 13 Brief]. Mitt. des Stadtarchivs München v. 14.10. 1975 über einen Eintrag im poli zei lid1en Fremdenkartenregister (Serie 6, N r. 26135), aus dem hervorgeht, daß Weysser vom 15 . 11. 1860 bis 10. 6. 1861 zur Ausbildung in München war, am Sendlinger-Tor-Platz 1/ 2 wohnte und am 10. 6. 1861 wieder nach Durlach abreiste. 14 Grundbuch Bd. 17, S. 52. 15 Die Ei ngriffe betrafen die Aktmodelle. Da die Behörden Aktmodellstehen als sittenwidriges Verhalten ansahen, wurden mehrmals weibliche Modelle von der Sittenpolizei gewaltsam abgeführt. Erst eine Verordnung des Innenministeriums von 1860 stellte klar, daß Studien "a uch nach dem Nackten zur Ausbildu ng der Kunstschüler nothwendig und durd, nichts anderes zu ersetzen sind", verpflichtete aber die Direktion, darüber zu wachen, daß dabei "nichts vorgeht, was die Zwecke der Kunstanstalt irgend wie überschreitct'j (Theil mann a. a. 0 ., S. 84 ff. ). 16 Theilmann a. a. 0 ., S. 374 . 17 Brief]. Mitt. des Stadtarchivs München v. 4. 10.1975 über ei nen Eintrag im polizei lichen Frem- denkartenregister (Serie 6, Nr. 26 135), aus dem hervorgeht, daß Weysser vom 23.11. 1863 bis 1864 zu r Ausbildung in München war und in ·der Schwanthalerstraße 2311 wohnte. Be- merkung vom 15 . 3. 1864: "z. Z. im Irrenhaus, am 26. 3.1864 abgereist nach Hause." 181m Schuljahr 1863/64 ist Weysser noch ei nmal an der Karlsruher Kunstschule eingeschrie- ben (Theilmann a. a. 0., S. 375). 19 Er woh nte in der Kriegsstr. 11 , damals ein e Wohngegend wohlhabender Bürger, H aus- besitzer war der Architekt und Bauinspektor Serger, außer Weysser wohnten dort der Maler G leichauf, der Hofmusikus Braun und der Zeichner Gladbach. Nach Weyssers Wegzug über- nahm der Maler Anton von Werner die Wohpung (nach Karlsruher Adreßkalender 1865- 1870). 20 G. Kird1er, Der Maler Karl Weysser, ein Nachfah r der Romantik: In: Das Bild. Karls- ruhe, Jg. 6 (1936), S. 83. 21 Thieme-Beckers Künstlerlexikon Bd. XXXV, S. 486 und brief]. Mitt. der Di rection Regio- nale des Affaires C ultllrelles, Strasbourg v. 4. 11. 1975. 22 Karlsruher Nachrichten v. 31. Oktober 1875, S. 1022. 23 Brief]. Mitt. des Heidelberger Stadtarchivs v. 29. 10. 1975. 24 Brief]. M itt. der Stadtgeschichtlichen Sammlungen in Baden-Baden v. 7. 10. 1975, daß Weysser 1885 im Haus Scheibenstr. 4 wohnte (außer ihm noch ein Maler August Schott, Prof. Eduard Eisen und der Musiker-Maler Vitus Staudacher). 1888 woh nte er im Haus Rettigstr. 4. 25 ]n einem neu erbauten Haus in der Lcopoldstr. 7. Mi tbewoh ner waren Lieutenant Frh. v. Beaulieu-Marconnay, Prof. Ludwig Levy, Architekt, und Johan n Schroth, Architekt. Das Haus gehörte dem Major a. D. Hoffmann (nach Karlsruher Adreßkalender 1890-1894). 28 29 26 Briefl. Mitt. des Stadtarchi vs Heidelberg v. 29.10.1975. 27 Standesamt N r. 8/1885 (bri efl. Mitt. des Standesamtes Baden-Baden v. 16. 12 . 1975). 28 Sie starb am 23 . Januar 1912 in Heidelber;; im Alter von 58 Jahren. Ih r Vater war der Postschaffn er Wilhelm Sickinger und sta mmte aus Spöck . Ihre Mutter hieß Magdalene geb. Beck und lebte zuletzt in Waghäusel (briefl. Mitt. des Stadtarchi vs H ei delberg v. 29. 10. 1975). 29 Frau Anna Weysser war ei ne angeheiratete N ichte des Malers, wahrschcinlid1 di e Frau seines 1855 geborenen Neffen ea rl Fri ed rich Weysser. Sie lebte später in Mün chen und hat dem Pfin zgaumuseum u. a. den H eiratskontrakt der Eltern Weysser geschenkt. Sie starb 1965 fast 99jährig in München. 30 Auf diese Möglichkeit hat mich der Restaurator der StaatI. Kunsthalle Karl sruh e, Herr Brammer, hingewiesen. 3 1 Weysser, Darwinismus, 5 . 54. 32 Weysser, Durch Dick und Dünn. Baden-Baden 1887, 5.35. 33 Weysscr, D arwinismus, S. 86. 34 ders., a. a. 0., S. 7. 35 ders., a. a. 0., S. 9 1 f. 36 Zi ti ert nach Theilmann, Die Grötzinger Ma lerkolonie, Ausstellu ngskatalog der Staa tI . Kunst- halle Karlsruhe. Karlsruhe 1975, S. 11 . 37 Das Bild (Inv. Nr. 60/1690, siehe Abb.) ist n icht identisch mit dem oben erwähnten Gemäld e aus den 1860er Jahren, da es weder datiert noch signiert ist und auch di e Schlußiiberm alun g fehlt. Auch sti listisch läßt es sich nicht mit Weyssers Früh werken vereinbaren. Offensichtlich handelt es sich um die in einem Briefwechsel erwähnte Kopie, di e er Ende 1903 in Arbeit hatte, aber nicht mehr vollenden konnte, wei l er nach längerer Krankheit im März 1904 starb . Das Bild war ein Geschenk des Kü nstlers a n seine Vaterstadt Durlach, die zuvo r verschiedene Skizzen des Brunnens angekauft hatte, da man an die Wiederaufstellung der Brunnenfigu r dadlte (nach Akten im Stadtarchiv Karls ruhe, Bestand Durlach A 3156). Die Skizzen si nd vielleicht identisch mit denjenigen, die sich heu te unter der In v.-Nr. W 98-100 im Karlsruher Denkmalamt befinden. 38 s. S. 13. Ernst Pet rasch Durlacher Fayencen 1723-1840 Auf die Frage, welche unter den deutschen Fayence-Fabriken die älteste ist, gi bt uns der "Badensche gemeinnützige Hof- und Staatskalender für das Jahr 1786" die Auskunft, "daß wahrscheinlich die zu Durlach" allen anderen deutschen Manufakturen "ebenso an Alter wie an Güte und Schönheit der Waare vorgehe". Dieses zweifellos lokalpatriotisch gefärbte Urteil der ältesten gedruckten Chronik über die Durlacher Fayence-Manufaktur läßt sich heute - soweit es die Entstehungszeit betriffi - freilich nicht mehr aufrecht erhalten. Denn bekanntlich wurden die ersten deutschen Fayence-Fabriken bereits um di e Mitte des 17. Jahrhunderts in Hanau, Frankfurt und Berlin gegründet. In künstlerischer Hinsicht jedoch erweisen sich vor allem die nod, vor 1800 in Durlach ent- standenen Fayencen den Erzeugnissen anderer führender Fabrikationsstätten mindestens eben- bürtig und haben ihren hervorragenden Rang in der deutschen Fayencekunst bis heute behalten. Auf eindrucksvolle Weise hat dies die große, 1975 vom Badischen Landesmuseum im Karls- ruher Schloß veranstaltete Ausstellung bestätigt, die zum ersten Male einen umfassenden über- blick über die Gesamtproduktion der berühmtesten badischen Fayence-Fabrik vermittelte und ihre künstlerische Leistung in einem gänzlich neuen Licht erscheinen ließ . Die noch vor wenigen Jahrzehnten geäußerte Meinung läßt sich heute jedenfalls nicht mehr aufrechterhalten, daß nämlich "Durlach in dem gewaltigen deutschen Fayence-Orchester nur ein bescheidenes Instru- ment gespielt hat" . Gewiß nicht die Sologeige - so dürfen wir dieses gleichnishafte, aber unzureichende Urteil jetzt mit gutem Grund zurechtrücken - aber ein dominierendes Instru- ment von durchaus eigenem und beglückendem Wohlklang unter den rund hundert Fayence- Manufakturen, die im 18. Jahrhundert in Deutschland existierten. In der heiteren Anmut ihrer manni gfaltigen Dekore, mit ihrer meist strahlend weißen Glasur von porzellanartiger Brillanz und in ihrer oftmals delikaten Farbgebung lassen Durlacher Erzeugnisse einen Wesenszug erkennen, der bei deutschen Fayencen im allgemeinen nicht allzu häufig in Erscheinung tritt. Mit ihren Geburtswehen, ihrem mehrmaligen Besitzerwechsel, den durchzustehenden Konkur- renzkämpfen und ständigen Geldnöten unterscheidet sich die Durladler Manufaktur jedoch kaum von der C hronik äh nl icher Betriebe jener Zei t. 1723 - acht Jahre nach der Grü ndun g von Karlsruhe - erteilte Markgraf Kar! Wi lhelm von Baden-Durlach "Johann Heinrich Wachenfeldt dem Porcellain-Fabrikanten, von Wolfshaagen auß dem Hessen Casselischen gebürtig" das Privil eg, "allda eine Porcellain und Tabac Pfeifenfabrique aufzurichten" . Wie wir aus dem Privileg vom 3. März 1723 weiter erfahren, überließ der Markgraf Wachenfeld zu diesem Zweck "Unsern bißhero eigenthümlidl zuständig geweßten Bauhof-Platz zur Durladl in der Vorstatt außer dem Pfinzthor, sambt denen darauf stehenden Gebäudten und Hofraithung . .. 30 neben dem Roßschwemme weg liegendt, vornen auf die Landstraß und hinten auf die Pfinz- bach stoßend .. . um Ein Tausend Gulden Reichswährung . .. " . Die Gründung der Fabrik entsprach durchaus der merkantilistischen Wirtschaftspolitik im Zeit- alter des Absolutismus, der badische Regent folgte als Protektor einer "Porcellainfabrique" dem Beispiel manch anderer Landesfürsten. Denn mit den neueingeführten exotischen Getränken Tee, Kaffee und Schokolade hatte auch das aus Ostasien importi erte Porzellan sei nen Sieges- zug durch ganz Europa angetreten, das für jene mod ischen Tafelgenüsse wie gesdlaffen war. Als dann 1709 dem Alchimisten Friedrich Böttger in Meißen die Nacherfindung des China- porzellans gelungen war, da wollte bald selbst der kleinste unter den rund dreihundert deut- schen Duodezfürsten seine eigene Porzellanfabrik. Freilich war das, was die meisten dieser Betriebe zu produzieren imstande waren, bestenfalls Fayence, die dem Porzellan nur äußerlich ähnlich ist. Man nahm es abcr mit dcr Bezeichnung nicht so genau und verlieh auch der weniger kostspieligen Fayence den Namen Porzellan, das damals von aller Welt begehrt war. Aber nichts wäre falscher, als die Fayence deshalb geri nger einzuschätzen. Ist doch die Tonmasse, die zu ihrer Herstellung verwendet wird, gleichermaßen plastisch gut bildsam, und ihre glänzend weiße, undurchsichtige Glasur bietet denselben idea len Malgrund für jederlei bunte Ausstattung. SdlOn im alten Babyion und Agypten bekannt, war die Fayence auf ihrem weltweiten Weg über die Perser, Araber und Mauren im Mittelalter nach Spanien gelangt. Mallorca (Majorca), von wo aus dieses farbenprächtige Irdengut nach Italien exportiert wurde, gab der hier bald selbst crzeugten Majolika den Namen . Faenza hinwiederum, das widltigstc Zentrum der italienischen Kunsttöpferei im 16. Jahrhundert, wurde zur Lehrmeisterin und Namensgeberin für die Fayencekunst nördlich der Alpen. Ober Frankreich und die Niederlande, wo Delft sich bald eine führende Rolle eroberte, wurde die Fayence schließlich auch in Deutschland bekannt. Doch kam es wegen des Dreißigjährigen Krieges hier erst nach der Mitte des 17. Jahrhunderts zur fabrikmäßigen Produktion von Fayence. Die meisten deutschen Fayence-Manufakturen wuchsen jedodl erst seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wie Pilze aus dem Boden. Um diese Zeit wurdc - wie bereits erwähnt - auch die Durlacher nPorccllain-Fabrique" gegründet. Hinter dem vielversprechenden Firmentitel verbarg sich allerdings auch hier nichts anderes als eine Fayence-Manufaktur. Johann H einrich Wachenfeld, ihr Grü nder, hatte erst wenige Jahre zuvor gemeinsam mit Karl Franz Hannong die nachmals berühmte Straßburger Fayence-Fabrik ins Leben gerufen . Ungeachtet mancherlei wirtschaftlicher und technischer Schwierigkeiten ist es Wachen feld auch in Durlach gelungen, die Produktion bald in Gang zu bringcn. Fabrikation und Warenverkauf erfreuten sidl anscheinend gerade ihres erstcn Auf- schwungs, als Wachen feld - kaum 32 Jahre alt - 1726 plötzlich starb. Obgleidl seine Frau Anna Maria, eine Tochter des Durlacher Hufschmieds Peter Geibel, das Geschäft unverzagt weiterführte, wollte sich der anfängliche Erfolg nicht wieder einstellen . Auch dann nicht, als sie 1728 den "Porzellaner" Johann Ludwig Wagner geheiratet hatte, wohl aud, in der Hoffnung, 31 dem Betrieb damit wieder zu einem sachverständigen Prinzipal zu verhelfen. Die Schulden- last der Manufaktur, die damals kaum mehr als zehn Arbeiter beschäftigt haben dürfte, wurde von Tag zu Tag drückender, während der Absatz immer mehr zurückging. Als 1733 der Polnische Erbfolgekrieg auch Durlach in Mitleidenschaft zog, scheint die Fabrik überhaupt stillgelegt worden zu sein. 1739 übernahm Joseph Vincent das Unternehmen, ver- strickte sich jedoch bald in immer größere Schulden und entfloh 1744 "bei Nacht und Nebel" kurzerhand wieder nach Frankreich. 1749 ersteigerte der Herrenalber Klosterwirt und Handelsmann Johann Adam Benckiser das verwaiste Fabrikgebäude und richtete darin mit seinem Schwager) dem Durlacher Posthalter Georg Adam Herzog, eine .. Cotton- und Fayencen-Fabriqucn CompagnieU ein. Dieser Neu- beginn hat nach jahrelang stagnierender Produktion zugleich jene Blütezeit der Manufaktur eingeleitet, die den eigentlichen Ruhm der Durlacher Fayencen begründete. Ein wesentlicher Anteil an diesem schwunghaften Auftrieb ist zweifellos Dominikus Cuny zuzuschreiben, dem neubestellten technischen Direktor des Unternehmens. Cuny oder "König aus Nancy in Lothringen gebürtig" - wie der erfahrene Fachmann in Durlach benannt wurde -, sammelte bald einen ständig wachsenden Stab geschickter Formdreher, tüchtiger Maler und erfahrener Brenner um sich. 1750 heiratete er Christina Frankin, eine Tochter des Durlacher Scharfrichters, übersiedelte aber einige Jahre später nach Hollitsch in Mähren, um die dortige Fayence-Manu- faktur zu übernehmen. In den ersten Jahrzehnten nach dem Neubeginn erreichte die Fabrik mit nahezu hundert Arbeitern ihren wirtschaftlichen und künstlerischen Höhepunkt. Durlacher Fayencen müssen schon damals weithin bekannt und beliebt gewesen sein . Schenken wir zeitgenössischen Berichten Glauben, so muß sich der rege Absatz zu jener Zeit nicht nur nach Schwaben, Bayern und Tirol erstreckt haben, sondern auch die Schweiz und Holland wurden beliefert. Abnehmer der Ware waren zunächst bürgerliche Kreise, ebenso der Adel und die markgräfliche Hofhaltung, wie uns aus mehreren Akten bekannt ist. In späterer Zeit fanden die Erzeugnisse der Manufaktur vor- wiegend unter den "kleinen Leuten" ihre Käufer, bei Handwerkern und bei der ländlichen Bevölkerung. Die Konkurrenz neuentstandener Unternehmen in den Nachbarländern, die bislang zum festen Durlacher Absatzgebiet gehörten, begann sich bald nachteilig auszuwirken. Es waren dies vor allem die 1771 errichtete Porzellanfabrik Baden-Baden und die im gleichen Jahr gegründete kurpfälzische Fayence-Manufaktur in Mosbach. Inzwischen hatten Christian Friedrich Benckiser und Georg Friedrich Gerhard Herzog, die Söhne der Gründer, die Leitung des Unternehmens übernommen. Nach wie vor waren in der Fabrik - wie es noch 1768 heißt - "Jahraus, Jahr- ein, gegen 60 Personen, worunter 20 Maler, 12 Dreher und Poussirer, 6 Brenner ete." tätig. Obgleich der Betrieb weiterhin florierte, machte sich gegen Ende des Jahrhunderts ein gewisser künstlerischer Rückgang bemerkbar. Die Geschichte der Manufaktur ist rasch zu Ende erzählt. 1806 war Johann Adam Benckiser, ein Enkel des Gründers, neuer Fabrikinhaber geworden. Unter dem allgemeinen Einfluß der neuen 33 gesellschaftlichen Verhältnisse und der zunehmenden Industrialisierung ging man jetzt auch in Durladl dazu über, zur H ebun g der Rentabilität anspruchslosere Massenware zu produzieren. So wurde 1813 mit der Fabrikation von Stein gut begonnen, jenem billigeren und widerstands- fähigen keramischen Produkt, das seit dem Ende des 18. Jahrhunderts von England aus Fayence und Porzellan mehr und mehr vom Markt verdrängte. Aber wie andernorts, ließ sich auch in Durl ach der weitere Verfall der Produktion nicht mehr aufhalten; die Tage der Manufaktur waren gezählt. H eißt es doch in ei nem Bericht des Durlacher Oberamts von 1831: "Kaum und mühselig erhält sich die Porcellain-Fab rik, die ein en Waaren Vorrath von 20 000 Gulden hat und nicht verkaufen kann. " Nachdem sie im gleichen J ahr noch- mals den Besi tzer gewechselt hatte, wurde die Manufaktur ein Jahrzehnt später von den Lahrer Kaufleuten Friedrich Lichtenberger und Friedrich Engler im Zeichen des fortsch reitenden lndu- striezeital ters in eine "Cichorien-Caffee und Kartoffel-Mehl-Fabrik" umgewandelt und ihre Brennöfen wurden für immer gelöscht. So fand schließlich auch die einz ige und erfolgreid1Ste von allen a lten Fabriken der ehemaligen Residen zstadt Durlach, die sich ins 19. Jahrhundert hinüberretten konnten, ihr Ende. Einige der brotlos gewordenen Arbeiter haben dann nod, etliche Jahre in dem benachbarten "Kutsd,er Schenkelschen Hause" Birnkrüge und an~eres Geschirr nach alter Manier in eigener Regie bemalt und gebrannt. Vom einstigen Fabrikgebäude, dessen Ansicht uns eine beschei dene Tuschzeichnung von 1795 überliefert, ist im Geviert der jetzigen Pfinz-, Hub- und Kleinbachstraße nur noch ein un an- sehn lid,er Rest stehengeblieben. * Im Prinzessinnenbau des Durlacher Schlosses - nur wenige hundert Meter von der einstigen Manu fa ktur entfernt - hat man zwischen den beiden Weltkriegen neben vielen anderen Kunstwerken, Dokumenten und Erinnerungsstücken zur Stadtgeschichte auch eine ansehnliche Sammlung von Durlacher Fayencen zusammengtragen; nach jahrelanger Magazinierung ist sie nun im gänzlich neugestalteten Pfinzgaumuseum der Offentlichkeit w ieder zugänglich. Mit ihren über 200 Einzelstücken bildet sie nicht nur ein e der wichtigsten Abteilungen des jetzigen Museums, sondern sie ist nach Art und Umfang di e zweitgrößte Sammlung neben den nodl wesentlich umfangreicheren Beständen im Bad isdlen Landesmuseum . Rund 50 Fayencen dieser Kollektion haben die 1975 im Karlsruher Schloß präsentierte A usstellung a ls wichtige Leih- gaben bereichert und sind im Ausstellungskatalog ausführlich beschrieben und abgebildet. Wenn- gleich in der Sammlung des Pfinzgau museums die Blütezeit der Manufaktur (1749-1800) mit einer Reihe seltener und interessanter Stücke vertreten ist, so übcrwie~en der Zahl nadl die Erzeugnisse der Spätzeit nad, 1800. Aus der Frühzeit der Durlacher Fabrik (1723-49) hingegen, deren Produktion bis vor wen igen Jahren noch gänzlich unbekannt war, haben sich überhaupt nur einige Beispiele im Sd,Ioß Favorite bei Rastatt erhal ten. Ihre kürzliche Entdeckung und Darbietung a ls Durladler Fabrikate wa r eine der ü berraschungen der Karlsruher A usstellung. Es handelt sid, dabei um 35 etliche T ell er, Platten, Schalen, Krüge und Wandleuchter, die mit ein em kräftigen Randborten- dekor in Blaumalerei ("Style rayonnant") geschmückt sind und außer dem Wappen von Baden- Durlach noch das Spiegelmonogramm des Mark grafen Karl Wilhelm zeigen. Wahrscheinlich haben w ir es dabei mit Resten eines Services zu tun, das die Manufaktur in den ersten Jahren ihres Bestehens als wohlgelungene Probe ihres Könnens für die markgräfliche H of tafel gelie- fert hat. Was in den wirtschaft lich und künstler isch ergiebigsten Jahrzehnten des Unternehmens nach 1750 erzeugt wurde, gehört zu den besten Leistungen Durlachs und bildet zugleich den Fundus, aus dem alle fo lgenden Maler- und Formergenerationen bis zur Schließung der Manufaktur immer wieder Anregungen geschöpft haben. Merkwürdigerweise scheint man beim Neubeginn 1749 zunächst auf Formen und D ekore der Frühzeit zu rückgegriffen zu haben. Jedenfa lls zeigen die um 1750 entstandenen Stücke in modifizierter Form jenen charakteristischen blauen Behang- dekor, der das vorhin erwähnte Service im Schloß Fa vo rite ziert. Dem gewandelten Zeit- geschmack entsprechend, sind die Formen der Teller, Platten und Terrinen jetzt aber vielfach geschweift und fassoniert, der zarte Randdekor ist in feines Blatt- und Bandelwerk aufge- lockert. Bald aber kam eine Fülle neuer Formen und Dekore hinzu. Allein im "Preis-Courant" von 1786 sind an die zweihundert der verschiedenartigsten Geschirrformen verzeichnet, die einzeln aufz uzählen hier zu weit führen wü rde. Begnügten sich d ie Maler zunächst mit Kobaltblau - der keramischen Kardinalfarbe schlecht- hin, die mit dem chinesischen Porzellan nach Europa gelangt war - so fand en alsbald weitere Malfa rben reichliche Verwendung: Gelb, G rün und Manganviolett, später dann noch Eisenrot. Mi tunter wurden die Dekore auch nur in einer Fa rbe gemalt, dem sogenannten "cn cama'ieu", und damit äußerst delikate Wirkungen erzielt. Verwendet wurden in den Durlacher Malerstuben aussch ließlich Scharffeuerfa rben. Daneben blieben viele Stücke auch unbemalt, um sie bi ll iger in den H andel bringen zu können; außer den obligaten weißglasierten Fayencen - die in mehre- ren Exemplaren im Pfinzgaumuseum vorhanden sind - haben sich auch einige Gesdli rre mit lindgrüner und kaffeebrauner G lasur erhalten. Der Modelaun e der Zeit entsprechend, fo lgten dem vorhin erwähnten Behangdekor die "india- nischen" Blumen, w ie man die stilisierende Blumenmalerei nach ostasiat ischen Vorbildern da- mals nan nte. Diese großflächig und flott gemalten Blumensträuße mit eigenartig aufbrechenden Blütendolden und "geknickten" G räsern finden sich auf zahlreichen Geschi rren . Zunächst nur in Blau gemalt, kamen dann bald noch Gelb und Grün dazu; in Verbindung mit der schwarzen Um- ri ßzeichnung erbrachten sie jenen harmonischen und wa rmen Farbd rei klang, der für diese Periode Durladls besonders charakteristisch ist. Wohl angeregt von anderen Manufak turen treten um 1760 auch in Durlach die ersten . deutschen" Blumen auf den P lan. Anfangs noch mit ostasiatischen Motiven gemischt und als bescheidene Nebenmotive verwendet, füllen die aus Nelken, großen Tulpen und Rosen locker gebildeten bunten Sträuße bald die Schauseiten der Gefäße und sind bis ans Ende der Produktion der bevor- zugte Dekor geblieben. Solch ein Rosenzweig in gestufter Blaumalerei schmückt auch eine um 1770 entstandene Kachel in der Sammlung des Pfi nzgaumuseums, der ein besonderer Seltenheits- 36 wert zukommt: Als einziges bisher bekanntes Exemplar dieser Gattung liefert uns dieses quadra- tische Pl ättchen den sichtbaren Beweis für die aktenkundige ü berlieferung, daß in der Durlacher Manufaktur auch Kachelöfen und Fliesen hergestellt wurden. Im Gefolge der Chinamode in der europäischen Kunst des 18. Jahrhunderts erscheinen um 1765 auch auf Durlacher Erzeugnissen figürliche Chinoiserien. Diese bezaubernden Darstellungen gehören nicht nur zum besten, was Durlach an malerischer Ausstattung geschaffen hat, sondern dürfen überhaupt zu den reizvoll sten Schöpfungen der gesamten deutschen Fayencemalerei ge- zählt werden. Inmitten exotisch anmutender Gärten oder bizarrer A rchitekturen, einzeln oder in Gruppen placiert und in phantasievol le Kostüme gekleidet, agieren di ese mu nteren Chin esen- fi gü rchen in verschiedenen Beschäftigungen und a llerl ei Vergnügungen. Meist von fli egenden Vögeln und überlebensgroßen Insekten umschwirrt, bevölkern diese europäisierten Miniatur- Ch inesen nun die Durlacher Platten, Teller, Tee- und Wärmegeschirre, Leuchter und Schreibzeuge. Zun ächst nur ein farbi g in Blau, Schwarz oder in modi schem Seladon grün gehalten, werden die C hinoiserien später auch mehrfarb ig gemalt. Wie der Verfasser kürzlich an anderer Stelle nach- weisen konnte, dienten den Durlacher Malern für ihre Chinoiserien vornehmlich Stiche von El ias Baeck a ls graphische Vorlagen, die ein Augsburger Verlag bereits um 1724 herausgegeben hatte. Reizvollen Exemplaren dieser Durlacher Ch inesendekore begegnet der Besucher des Pfi nzgau- museums außer auf einigen Kaffee- und Milchkännchen vor allem in dem großen Tablett mi t durchbrochenem Rocaille-Rand, auf dem ein Angler inmitten einer üppigen Flußlandschaft w ieder- gegeben ist. Auch das Zeitalter der Romantik hat auf Durlacher Erzeugnissen seinen Niederschlag gefunden, als man um 1780 dazu überging, die Gesch irre mit zum Tei l miniaturartig kleinen "romanti- schen" See- und Ruinen landschaften zu schmücken, wobei jetzt als neueingeführte Farbe ein leuch- tendes Eisenrot vorherrscht. Ein mehrtei liges Service, bestehend aus einem rechteck igen Tablett, mehreren Kannen und Tassen, das 1963 von der Stadtverwaltung für das Pfinzgaumuseum er- worben werden konnte, sei hier a ls besonders geglücktes Beispiel dieser in li ebevoller Klein arbeit gema lten Landschaftsdekore hervorgehoben. Diese Landschaftsmalerei ist bekanntlich in Mosbach so getreulich nachgeahmt worden, daß die Erzeugnisse der bei den Ma nufak turen oft kaum zu unterscheiden si nd, wenn sie nicht - w ie dies bei Mosbacher Fayencen häufig der Fa ll ist - mit einer Marke versehen sin d. Durlach hingegen hat niemals ein Fab rikzeichen geführt. (Nur das sei t 1813 fabrizie rte Steingut mu ßte auf amtliche Ano rdnung ab 1818 den mit Blindstempel eingepreßten H erstellungsort "Durlach" aufweisen.) Aktenstücke wurden gelegentlich mit einem Petschaft gesiegelt, dessen Buchstaben FFD (Fayence Fabrik Durlach) auch auf ei ner sei denen Jubiläumsfah ne von 1828 wiederkehren, die jetzt im Pfinzgaumuseum verwahrt wird. Ledi glich ein er größeren Zahl von Malermarken begegnen wi r auf zahlreichen Durlacher Stücken; gelegentlich haben einige der etwa fünfzig in den Fabrik- akten aufgeführten Maler ihre A rbeiten auch mit vo llem Namen signiert. Es gibt indessen ein E rzeugnis der Manufaktur, das nachhaltiger als jede Marke ihren Namen 37 weithin so vertraut gemacht hat, daß es heute gewissermaßen als das eigentliche Wahrzeichen .. der Fabrik angesehen w ird. Es sind jene schmucken Birnkrüge, die vorwiegend zu Gesmenk- zwecken auf Bestellun g in verschiedenen G rößen einzeln angeferti gt wurden. Neben figürlichen Szenen un d Zu nftem blemen - die meist von ei ner Rocaille-Kartusche und Blumenzweigen um- rahmt sind -, überliefern sie uns in ihren Aufsch riften oftmals auch den Namen, Beruf und Wohnort des Auftraggebers sow ie das H erstellu ngsjahr. Da sie nachweislich von 1754 bis zum endgült igen Verlösd,en der Brennöfen - also fast ein J ahrhundert hindurch - prod uziert wurden, hat ihre weite Verbreitun g freilich andererseits die übri gen Du rl acher Erzeugnisse etwas überschattet. Zugleich läßt sid, an diesen buntbemalten und meist recht volkstümlichen Birnkrügen - gleichsam wie in ein er Musterkoll ektion - di e gesamte künstlerische Entwicklung der Manu- faktur ablesen, wie dies beisp ielsweise auch an den fund fü nfzig Birnkrügen des Pnnzgaumuseums möglich ist, deren ältester 1757 entstanden und deren spätester 1843 datiert ist. Verwendu ng fa nden sie vorwiegend als Schenkkrü ge, mit welchen der H austrunk aus dem Keller geho lt und bei Tisdl kreden zt wurde. H andelt es sich aud, nicht um Werke "hoher Kunst", so si nd diese schlichten , in der Spätzeit zuweilen mit unbeholfenem Pinsel bemalten Wein krüge vor a llem für di e Familienforschung und H eimatgeschichte, fü r die Kostüm- und Volkskunde ei ne wahre Fundgrube. Diese nach Hund erten zählenden und in vielen Sammlungen verwah rten Birn- krüge bilden mit ihren mannigfalt igen Darstellungen einen bunten Bilderreigen, gleichsam einen ein zigarti gen Kultur- un d Zei tsp iegel vom täglichen Leben in Stadt und Land, der uns von der hei teren Welt des graziösen Rokoko über die Drangs"ale und Kriegsnöte der napoleon ischen Ara bis an die Schwe lle unseres Industri ezeitalters führt. Als weitere Du rl acher Spez iali tät seien hier noch jene reizvollen Anbietplatten in Kleeblattform genannt, di e sonst keine deutsche Manufaktur auf den Markt gebracht hat. Besonderer Beliebheit dürften sidl auch di e zierlichen Schreibzeuge erfreut haben, die in Nieren- und Herzform aus- geformt, oder aud, geschweiften Rokoko-Kommoden en mi ni ature nachgebildet und origi nalge- treu bemalt wurden. Ein namentlich in D urlach gepflegtes Formstück wa ren auch jene kegel- stumpfförmi gen Warmhaltegefäße mit abnehmbarem Napf, sogenan nte Rechauds, die zugleich als Nachtl icht gerne Verwendung gefu nden haben. Al s bescheidene Besonderheit seien noch die kleinen runden Schälchen erwähnt, die aufs Spinnrad aufgestülpt werden konnten und zum Benetzen der Finger dienten. Figü rl iche Plastik hingegen, wie sie bei anderen Manufakturen zu finden ist, wurde in Durlach so gut wie überhaupt nicht hergestellt. Belege fü r beschei dene Versuche auf diesem Gebiet liefern uns unter anderem einige Gipsformen für kleine Fa yencetiere sowie ein liegendes Löwenfigü rchen aus Du rladler Stein gut, die zu den Raritäten der Sammlung des Pfinzgaumuseums zählen, jedoch eher als interessant denn als künstlerisch bedeutsam bezeichnet werden können. Alles in allem spricht es für die Gediegenheit der in Durlach entwickelten Formtypen und für ih re Beliebtheit bei den Käufern, daß so ma nd,es Modell der Blütezeit in nur geringfügiger Abwandlung selbst noch in der Spätperiode der Manufaktur ausgefo rmt wurde. Das wichtigste Schmuckelement in der Produktion nach 1800 bi lden neben figürlichen Darstellun- gen die verschiedensten Blumenmoti ve, die jetzt frei lich !lidlt mehr die künstlerische Feinheit der 38 39 Blütezeit aufweisen, sondern meist summarisch mit flüchtigem Pinsel hingesetzt sind . An die Stelle der lockeren Rokokosträuße treten in zunehmendem Maße nun didltgeflodltene G irlanden und Kränzchen, bei welchen vor allem zu r Zeit des Biedermeier das modische Vergißmeinnicht und das Stiefmütterchen die Hauptrolle übernehmen. Auf vielen Geschirren, vor allem auf Platten und Tellern, nehmen außer den verschiedenen Blumendekoren jetzt kurze und längere Inschrif- tcn,Widmungen und Sprüche den beherrschenden Platz ein. Obgleich sie niemals über den Rang sogenan nter Gelegenheitsdichtung hinausgeh en, spricht aus diesen meist unbeholfenen, zuwcilcn aber humorvoll gewürzten Versen stets der nai ve Ton urwüchsigen Volksempfindens. Sie künden von den Freuden und Leiden eines bestimmten Berufsstandes, preisen die Liebe, Treue und Freundschaft und huldigen emphatisch - wie könnte es im Weinland Baden anders sein - dem edlen Rebensaft. Proben dieser schlichten "Dichtkunst" findet der lesefreudige Bctradlter auch auf zahlreichen Stücken im Pfinzgaumuseum. Kommen wir abschließend noch auf eine besondere Gruppe d1arakteristisd1er Formstücke und Dekore zu sprechen, die in Durlach von etwa 1825 bis ans Ende der Produktion gebräud1 1ich waren. In auffälliger Weise gleichen diese Stücke bis ins unscheinbarste Detail hinein manchen Erzeugnissen einiger Schweizer Manufaktllren, namentl ich jenen der Zürcher Fabrik im Schooren und der in Matzendorf im Kanton Solothurn. Schon seit einiger Zeit beschäftigt die Keramik- fo rschung dieses Problem, ohne daß es bisher gelungen ist, eine schlüssige Begründung für diese merkwürdige Duplizität zu finden . Die Ausstellung im Badischen Landesmuseum, in der erstmals ges icherte Schweizer mit DurIacher Fabrikaten direkt konfronti ert wurden, konnte zur weiteren Klärung dieser umstrittenen Frage wesentl iche Argumente beisteuern . Dabei hat sich unter ande- rem herausgestellt, daß so manches bislang Durlach zugesch riebene Stück jetzt eindeutig als Schweizer Erzeugnis anerkannt werden muß; neben etlichen Terrinen, Kannen, Tassen und Tellern, die als vermeintliche Durlacher Fabrikate ins Pfinzgaumuseum gelangt si nd , triffi dies beispielsweise auch für das hübsche Barbierbecken von Johannes Brunner zu, das erst 1849 - a lso fast ein J ahrzehnt nach Stillegung der Durlacher Manufaktur - entstanden ist. Walther Franzius Zur Technik der Fayenceherstellung Für die Fayenceproduktion bedient man sich ei nes gut bildsamen und möglichst kalkhaltigen Tones. Die Vasen, Kannen und sonstigen Ge fäße werden vorwiegend auf der Töpferscheibe gedreht. Beim Abschneiden des Gegenstandes von der Scheibe mit Hilfe einer Drahtschlinge ent- stehen auf dem Boden bogenförmige Parallel rillen. Sie sind für die Böden von Durlacher Birn- krügen cha rakteristisch und verschwinden erst um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als man zur Glättung der Böden übergeht. Die von der Scheibe abgenommenen Objekte läßt man zunächst an der Luft etwa lederhart trock- nen . D an n werden die meist in besonderen Formen hergestellten Henkel und Ausgußtüllen "an- garn iert". Mi t Tonbrei werden sie an genau festgelegten Stell en auf die Gefäße gek lebt. Da der trockene Ton von Henkel bzw. Ausgußtülle und Gefäß der Kittmasse die Feuchtigkeit entzieht, entsteht eine feste Verbindung. Darauf kommen die Stücke in den Ofen zum sogenannten "Schrühbrand" mit Temperaturen von etwa 8000 Celsi us. Durch die Hitze wird ihnen weitere Feuchtigkeit entzogen und damit eine größere Festigkeit verliehen. In einem neuen Arbeitsgang werden sie glasiert, d. h. mit einer besonderen Schicht überzogen. Grundbestandteil der Glasur ist Quarzsand, dem vor allem Zinnoxyd zugefügt wird. Das Gemenge wi rd fein gemahlen und mit Wasser zu ein em verhältnismäßig dünnflüssigen Brei angerührt. In diesen weißgrauen Glasur- brei werden die gesch rühten Stücke nur kurz eingetaucht. Die Glasurmasse sch lägt sich als mehli- ger überzug auf der Oberfläche des Gefä ßes nieder, weil der poröse Ton die in ihr enthaltene Feuchtigkeit rasch aufsaugt. Ein zweiter Brand bei etwa 10000 Celsius bringt den überzug zum Schmelzen, so daß er mit dem Scherben ei ne feste Verbindung eingeht. Die gebrannte Glasur ist wasserundurchlässig und hat eine glasartige Konsistenz. Ihr porzellanähnl iches Weiß ist für die Durlacher Fayencen besonders charakteristisch. Neben der "Weißware" wurde auch ein- oder mehrfarbig bemalte Fayence hergestellt. Für die Dekoration bediente man sich in Durlach ausschließlich der sogenannten Scharffeuerfarben. D iese werden in vorwiegend grauer Lösung auf die noch ungebrannte Glasur aufgetragen. Erst im "scharfen Feuer", a lso im Glasurbrand bei etwa 1 0000 Celsius, erha lten sie die Leuchtkraft ihrer Farben. Sie sink en in die schmelzende Glasur ein und ergeben besonders zarte, manchmal leicht verschwommene Umrißlinien. N ur weni ge der aus Metalloxyden bestehenden Farben halten die hohC' Temperatur des Glasu rbrandes aus, ohne zu verbrennen : Blau, Gelb, Grün , Manganviolett und Schwarz. Erst um 1780 kam in Durlach auch das Eisenrot a ls Scharffeuerfarbe auf. Man verzichtete bewußt au f die reichere Farbskala der sogenannten "Muffelfarben" , die bei geringerer Temperatur in einem dritten Brand auf die bereits fertige Glasur aufgeschmolzen 40 41 werden . Mit den Scharffeuerfarben hatte man einen unempfindlichen, homogen mit der Glasur verschmolzenen Dekor. Die nur auf der Oberfläche der Glasur haftenden Mulfelfarben dagegen waren viel eher Beschädigungen ausgesetzt. N ur das Scharffeuer-Schwarz, das man in Durlach gewöhnlich in ausgezeichneter Qualität herstellte, ist gelegentl ich ausgebrochen und hat dann ei ne spürbare Vertiefung in der Glasur hinterlassen . Der Scherben - so nennt man die gebrannte Tonmasse - ist bei den Du rlacher Erzeugnissen meist geblich, doch kommt er bisweilen auch in rötlicher Tönung vor. Das wegen seiner Porzellan- ähnlichkei t bekannte glänzende Weiß der Glasur ist sahniger und nicht so kalt wie bei der Por- zell anglasur. Außerdem hat die Du rlacher G lasur, besonders an dünn aufgetragenen Stell en, häufig einen rötl ichen Schimmer. Ludwin Langenfeld Die Straßburg-Durlacher Bibel von 1529-30 und ihre Drucker Wolf Köpfl und Veltin Kobian Ober das im fo lgenden kurz "Durlacher Bibel" genannte Druckerzeugnis von 1529/30 ist in der Populärlitcratur soviel Ungereimtes zusammengeschrieben worden, daß wir uns hier eingehen- der damit beschäftigen wo ll en. Dieser Bibeldruck und sein Durlacher Buchdrucker haben den Namen Durlachs seit jetzt 445 Jahren anfangs in die religiöse, dann in die wissenschaftlich inter- essierte Welt hinausgetragen. Johann Daniel Schöpflin, übrigens Schüler des markgräflichen Gymnasi ums zu Durladl, hat in seiner "Historia Zaringo Badensis" 1764 den Vermerk: "A. 1529 & 30. D urlac i imp rcssa est Gcrma ni ca versio parti s Bib liorum Lutheri 1, " D er mark gräflieh Baden-Durlachische wirkliche Kirchenrat und Rektor des Gymnasi ums JIlustre, Johann Christian Sachs, berichtet 1769 in seiner Geschichte der Markgrafschaft Baden " daß "im Jahr 1529 und 30 ein Teil der Heiligen Schrift, wie sie von DoktOr Luthcrn in die deutsche Sprache übersetzt worden, gedruckt wurde". Julius Lampadius (d. i. Julius Leichtlen) berichtet 181 1 in seinem Büchlein "Bei- träge zur Vaterlandsgeschichte", daß der Markgraf (er gibt irrtümlich M. Ernst statt M. Phi lipp an) die Bibel 1529/30 Zl1 Durladl drucken ließ. Siegmund Friedrich Gehres berichtet in seiner Kleinen Chronik von Durladl 1824 ebenfa lls, daß 1529/30 ein Teil der Bibel, wie sie von Doktor Luther ehemals ins Deutsche übersetzt ward, in der "Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei" in Durlach im Druck erschien '. Schließlich berichtet auch Kar! Gustav Fecht in sei ner Geschichte der Stadt Dur!ach 1869 über den Dur!acher Bibeldruck und fügt kursorisch hinzu: "Anfang und Schluß erschienen aber in Straßburg, auch ist nicht Alles nach Luther's Obersetzung, weldlc erst einige Jahre später fertig wurde '." Mit Fechts Feststellu ng sind di e bei den widltigsten Themenkreise angeschlagen, die wir nachfolgend präzisieren wollen. Die »Durlacher Bibel" eine sog. »kombinierte" Bibel Luthers gesamte Bibelübersetzung wurde erst 1534 abgeschlossen, die erste Wittenberger Voll bibel ersdlien im September 1534. Seither beherrschte Wittenberg im ganzen weiteren 16. Jahrhundert hinsichtlidl des Druckes von Voll-Bibeln das Feld. Aber schon vorher wu rde Luthers Bibel-über- setzu ng durch den Nad1druck der schon fertiggestellten Teil e weit verbreitet. Hi er standen seit 1523 in Norddeutschland Erfurt, in Süddeutschland Augsburg, Straßburg und Nürnberg und bis 1527 aud, Basel im Vordergrund. Man stellte dabei seit 1529 sogenannte kombinierte Voll-Bibeln in der Weise her, daß man die von anderer Hand bereits übersetzten Propheten (der Züricher "Prädikanten" oder der Wormser Wiedertäufer Hetzer und Denck) und die Apokryphen (des Zü rid,er Theologen Leo Jud) dem Luthertext hinzufügte. So erschienen 1527/ 29 und 1530 in Zü rich bei C hristoph F roschauer 2 kombinierte Bibeln, 1529 die sogenan nte "Wiedertäuferbibel " bei Peter Schöffer in Worms, ei ne 1534 in Frankfurt bei Ch ristian Egenolph , ei ne 1534 in Augs- 42 bu rg bei H einrich Stay ner und eben unsere Straßburg-Duriacher Bibel bei Wolf Köpfl und Veltin Kobian 1529/30 (Nachdruck bei Wolf Köpfl, Straßburg 1530/32). Sie benutzt neben der Luther- übersetzun g für die Apokryphen Juds übersetzun g, fü r die Propheten (außer den bereits von Luther übersetzten Jesaja, Jona, H abakuk und Sacharia) Hetzer-Dencks Wormser Prophetenver- deutschung ' . Die "Durlacher Bibel" teils in Straßburg, teils in Durlach gedruckt Das zweite Kennzeichen des uns beschäftigenden Bibcldrucks ist, daß er zum Teil in Durlach, zum Teil in Straßburg gedruckt ist. Dabei ist von vorn herein festzuhalten, daß die Arbeitsteil ung zwi- schen Straßburg und Durlach nicht identisch is t mit der eben geschilderten Auftei lung zwisd,en Texten Luthers und Texten anderer übersetzer. Wir wissen nicht) wie diese Arbeitsauftcilung zustande kam. In Durlach wurden ged ruckt: der Dritte Teil des Alten Testamentes, di e "Lehr- bücher": Das Buch Hiob, Der Psal ter, Die Sprüche Salomos, Der Prediger Salomo, Das H ohelied Salomos, ferner sämtliche Propheten. Der in Durlach gedruckte Teil nimmt a lso, wie Fecht richtig bemerkt, den Mittelteil der Bibel ein. Auf dem Titelb latt zum "Dritten Teil des Alten Testamen- tes " ist Durlach angegeben (1529) und - wie wir noch zeigen werden - das Kennzeidlen , um nicht zu sagen di e Druckermarke Veltin Kobians angebracht. Die links davon befindlid,e Seite (Schluß des "anderen", Zweiten Teils des Alten Testamentes) schli eßt mit der markanten Drucker- marke Wolf Köpfls Zl1 Straßburg ab (Abb. I ). Das Titelblatt der Propheten, ein großartiger Renaissanceentwurf, trägt zwa r den Vermerk: "Straßbu rg bey Wolff Köpfl " (1530) (Abb. Ir), aber am Ende der Propheten steht - wie übrigens auch am Ende des Dritten Teils des Alten Testamentes (vgl. Abb. III, linke Seite) der Vermerk: "Gedruckt zu Durladl durch Vel tin Kobian / auß verlegung Wolff Köpffels / burgcrs zu Straßburg I" (Abb. IV). Das Renaissance- titelblatt zu den Propheten ist also unzweifelhaft in Straßburg ged ruckt, wohl weil Vel tin Kobian ei nen so aufwend igen und teuren Druckstock in Durlach nicht zur Verfügu ng ha tte. (Übri gens soll nach einer Mitteilung Engelbert Strobels' der Stuttga rter Wasserzeichenforsdler Gerhart Piccard festgestellt haben, daß auch der in Durlach herausgebrachte Teil der Bibel auf Straßburger Papier gedruckt ist.) Und Veltin Kobian in Durlach hat "auß verl egung Wolff Köpffcls, burgers zu Straßburg" gedruckt, d. h. im Auftrag Wolff Köpffels. Damit kommen wi r zu der Frage nach den bei den Druckern und ihrem gegenseiti gen Arbeits verhältnis. Die Drucker Wo lf Köp{l in Straßburg und Veltin Kobian in Hagenau' Als Luther sich 1519 öffentlich vom Papsttum lossagte, stellte er die Geister sei ner Zeit vor die offene Entscheidung. Das Elsaß, insbesondere Straßburg, empfing die Reformation mit offenen Armen. Seit 1519 wurden die Schriften Luthers in Straßburg gedruckt. Durdl den Reformator Martin Butzer erhiel t die Reform einen spezifisch straßburgischen Charakter. 1524 hatte sie schon die Mehrheit der Bevölkerung erfaßt. Zum großen Teil ist dies dem Einfl uß der Buchdrucker zuzusdlrei ben. Neben den D ruckereien von Crato, Myl ius und Wendel in Rihel gehörte Wolf Köpfl (in der "Durlacher Bibel" stehen die beid en Schreibweisen Wollff Köpffl und Wolff Köphl 43 nebeneinander; auch nannte er sich Wolfius Cephalus; in der Sekundärliteratur heißt er Wolfgang - Köpfel) zu den drei großen Druckern in Straßburg zur Reformationszeit. Wolf Köpfl wa r der Neffe des berühmten Reformators Wolfgang Capiton (einer latinisierten Form des Familien- namens Köpfel ). O hne Zweifel ha t nicht nur der Ei nfluß, sondern auch die finan ziell e Unter- stützung seines Onkels Wolf Köpfl zur Verbreitung der reformatorischen Schriften angeregt. Sie stell en mehr als die H älfte seiner Produktion dar. Er druckt die Schriften Luthers (35 Ofo seiner Druckerproduktion), die Capitons und der anderen straßburgischen Reformatoren Matthias Zell und Martin Butzer. Se in erster Mitarbeiter ist Petcr Braubach (aus Braubach am Rhein), der in der Folgezei t dann eine Druckerei in H agenau gründete (wo 1532 auch Veltin Kobian auftaucht!). 1522 ersdleint das erste Druckwerk KöpfIs, ein Brief Luthers an Hartrnut von Kronberg. Der Druckvermerk weiSt aus: "gedruckt zum Steinbruck". Steinbruck, auch Roßmarktbruck, gelegen am Roßmarkt, heute Place Broglie, wa r wahrscheinlich die Steinbrücke, die über den Graben der Lohgerber fü hrte, wenn man von der Domstraße kam, denn die anderen vier Brücken in der Nähe wa ren aus Holz. Köpfl kümmerte sich nicht um das Edikt von Worms von 152 1, das verbot, häretische Schriften zu d rucken . Der Bischof selbSt intervenierte beim MagiStrat gegen KöpfIs Geschäftigkeit. 1524 erließ der MagiStrat bindende Vorschriften für die Buchdrucker: sie mußten ihre Werke vorh er der Zensur vorlegen, mußten ihren Namen auf ihre Publikationen drucken und durften nichts anonym drucken. Im a llgemeinen wurden die Vorschriften beachtet, um 1525 trugen 80 % a ller in Straßburg veröffentlichten Werke den Druckernamen. Trotzdem veröffent- lichte Köpfl 1526 anonym ein Colloquium, das der. Reformato r Oeco lampade (H ausschein), Mittler zw ischen Luther und Zwingli , gegen sei ne katholi schen Gegner gehal ten hatte. Köpfl wu rde ins Gefängnis gesteckt, aber als sei ne Frau ein Kind erwartete, wu rde er kurze Zeit später gegen ein e Buße von 5 Florins wieder f re igelassen. Köpfl wa r stolz darauf, seinen Namen auf die Titelblätter seiner Bücher zu seezen, stolz darauf, durrn sein Engagement die neuen Ideen zu pro- klamieren. Er druckte aus reformatorischer überzeugung, erst in zweiter Linie als Kaufmann. 1524 veröffentlicht er die erste Ausgabe einer deutschen Messe, im seI ben Jahr wurde die erste Messe in DeutSch in der Kapelle St. Johannes der Kathedra le gehalten. Köpfl hat außerdem lateinische und besonders griechische Werke ged ruckt, auch eine griechische Bibel 1526, er selbst konnte Griechisch. Um sein e dreibändige Bibelausgabe von Luther, 1524125, zu ill ust rieren, wandte er sich an den großen Illustrator Joha nn Weiditz (den Alteren). Von ihm bezog Köpfl auch ornamentale Umrahmungen ("encadrementS"), die in der Mitte Platz für den Titel frei- ließen und nicht weni ger a ls 15 verschiedene Druckermarken. Im Neuen Testament a llerdings begnügte sich Weiditz damit, die Apokalypse mit Kopien nach H olbein (1523) zu schmücken ' . Auch Hans Baldu ng Grien (1476-1545) hat für Wolf Köpfl gearbeitet. Köpfl hatte neben der Druckerei auch eine der blühendsten Papiermühlen in Deutschland. 154 7 verhei ratete sich Köpfl zum zweiten Mal mit Margrethe Einhart, Witwe von Ulrich Würtemberger, Pastor von Schiltig- heim. Köpfl starb 1554. Aus der ersten Ehe hatte er zwei Söhne: Paul und Philipp, die erst das väterl iche U nternehmen fo rtführten, dann, 15 57, nach Worms übersiedelten, wo sie bis 1563 druckten. Das Bürgerbuch erwähnt eine Tochter Köpfls, die sich 1551 mit Danicl Günter aus Worms verheiratete. 44 Die Druckerzeichen Köpfls sind fast ausschließlich charakterisiert durd1 einen Eckstein, der in den verschiedensten Variationen auftaucht. Nur einige Marken reduzieren sidt auf Engel- oder Tierköpfe, in Schilder oder in Bordüren plaziert und machen Anspielungen auf den Namen des Druckers. Das Sinnbild des Ecksteins ist aus der Heiligen Schrift genommen: "Christus ist der Eckstein / Und ein Schildt der Wahrheit / Wer auff disen steyn feilt der wirt zurschellen" heißt cs auf der wohl schönsten Druckermarke (1525), die Köpfl verwandt hat (Abb. V). Dieser Eckstein wird tei ls durch Engel gehalten, teils von zwei Schlangen umschlungen (wie in dcr "Durlacher Bibel"), die, umgeben von einer Strahlenkrone, eine Taube übersteigt (vg l. Abb. I). Von diesem Eckstein-Schlangen-Signet gibt es noch eine einfachere Variante (in der "Durlacher Bibel " als Abschluß des 1. Teils des Alten Testaments). Wir zeigen sie in Abb. VI (allerdings mit dem in der DB nicht ausgedruckten Namenshinweis Ce-phal = Cephalus) '. Nach Straßburg nimmt Hagenau den zweiten Platz in der Geschichte des elsässischen Buchdrucks cin ". Gegen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts rivalisieren zwei große Drucker in Hagenau, Heinrich Gran und Thomas Anshelm, mit Straßburg. Von 1523 bis 1532 führt Johann Setzer, dann, bis 1536, dessen Schwiegersohn Peter Braubach. Von 1532 bis 1542 machte Veltin (Valentin) Kobian ihm Konkurrenz, der -:- wie Köpfl in Straßburg - der eifrigstc Propagan- dist der Reformation in Hagenau war. Er druckte vorwiegend Wiedertäufer-Sd1rifttum . Kobian stammte, nach Angabe Ritters 11, aus Durlach. Bevor er eine eigene Druckerei hatte, arbeitete er während mehrerer Jahre (mindestens seit 1520) in Hagenau als Druckereigeselle. Hier heißt er 1524 "Veltin Durlach buchtrucker" oder" Veltin Kobie buchtrucker" . Zwischen 1525 und 1530 ist man ohne Nachrichten von ihm. 1529/ 30 lindet man ihn als selbständigen Drucker zu Durlach. Aber schon 1530 siedelt er nach Ettlingen über, wo er, unter dem Impressum "Ettelingae apud Va- lentinum Kobian" fünf Drucke erscheinen läßt. Warum Kobian von Durlach nach Ettlingen über- siedelte, ist unbekannt, man nimmt an, daß ihn die um die Mitte des 15. Jahrhunderts dort errich- tete erste Papiermühle Badens dazu verlockte ". Im September 1532 gründete er seine Druckerei in Hagenau, in der er, anschließend an seine Durlacher und Ettlinger Publikationstendenz, drei weitere medizinische Werke veröffentlichte. Der Erfolg dieser medizinischen Abhandlungen beim Publikum scheint nicht sehr groß gewesen zu sein. Kobian verzichtet auf dieses Genre und ver- öffentlicht ab 1534 vorzüglich religiöse Werke der sektiererischen Wiedertäufer-Richtung (Mel- chior Hofmann, Johann Eisenburg, Kaspar Beck, Michel Wächter). Der Hagenauer Magistrat überwachte - wie in Straßburg - seine Produktion (etwa 30 Werke), indessen scheinen die Stadtväter der katholischen Stadt doch ziemlich tolerant gewesen zu sein, weil sie 1536 eine Verdeutschung einer Kampfschrift gegen den kirchlichen Zölibat des Venezianers Franziskus Barbarus durchgehen ließen. 1537 wird er a ls "Feltin in der Rosengasse" genannt. Am 16. August 1543 (nach Ritter, a. a. 0., Anm. 7) oder nach einer anderen Quelle am 17. August 1542 (nach Heitz-Barack, a. a. 0., Anm. 9) stirbt Kobian im Hospital, dem er die bescheidene Summe von 10 Batzen hinterläßt. Wennig vor 1550 verschwindet die Kobian-Druckerei in Hagenau. Ober die Hagenauer Druckermarken Kobians besteht offensichtlich Ungewißheit. Er besaß wohl 45 in Hagenau keine eigene Druckermarke, sondern nur ornamentale Titeleinfassungen. Das schöne - Signet mit dem sein Gefieder spreizenden Pfau, der einen Fuß auf e inen H ahn, den anderen auf einen Löwen setz t, wobei der Pfau, dem österreichisd1en Wappen entlehnt, a ls Anspielung auf die kaiserliche Stadt H agenau zu gelten hätte, schreibt Hanauer dem persönlichen Wappen Jerome Gebweilers zu, des Direktors der Lateinschule in Hagenau, der bei verschiedenen Druckern drucken ließ ". Auch die Druckermarke Kobians mit zwei Schilden, deren eines die Rose von H agenau, das andere ein Hufeisen mit zwei Sternen und einem Kreuz zeigt 14, ordnet Hanauer dem Hagenauer Hufsd1mied und Verleger Hans Griesbach zu. Tatsächlich tri tt in den übrigen H agcnaucr Druckermarken kein Hufeisen au f, nur die der Stadt zugeord nete Rose. Die srnriA:- künstl erische Qualität eines Hagenauer Kobian-Druckes von 1536 möge unsere Abb. VII zeigen. Die Druckertätigkeit Veltin Kobians in Dur/ach 1529130 Vel tin Kobian hat in den woh l knapp zwei Jahren sei ner Durlacher Tätigkeit außer sei nem Bibeldruek "auß verlegung Wolff Köpffls, burge rs zu Straßburg", noch drei kleinere Schriften gedruckt. Bleiben wi r zu nächst bei der uns zen tral interessierenden Bibel: Wir w issen nicht, w ie di e Geschäftsverbindung mit Köpfl in Straßburg zustande kam, können nur vermuten, daß die Sdla ltstation dieser Verbindung Hagenau war. Weder das städtische noch das staatliche Archiv in Straßburg besitzen Unterlagen, die sich auf die Verbindung Köpfl - Kobian beziehen ". Selt- samerweise erwähnen auch weder Ri tter noch Hanauer (vgl. Anm. 7) das gemeinsame Bibel- U nternehmen zwischen Köpfl und Kobian . Auch feh ren uns verbindliche Fakten darüber, wie Velti n Kobian aus Hagenau nach Durlach kam, wenn man hier nicht seine von Ritter 16 behaup- tete Durlacher H erkunft a ls ausschlaggebend werten wi ll. 17 Jahre vor Kobians Durlacher Bibel- druck hatte a ll erdings Du rlach (auch Turrclaci, Thurrelacum) bereits eine kl eine Druckerei zu verzeich nen, der man bisher drei Drucke zuschreiben konnte 17. Als Drucker bezeichnet sich der Durlacher Pfarrer N ikol aus Keibs, Mitglied des Johanniterordens. Er stand offenbar in näheren Beziehungen zu dem bekannten Künstler Hans Schäuffelin, da drei H olzschnitte desselben a ls Einblattdrucke den Keibschen Druckvermerk tragen . Keibs bedeutendster Druck wa r di e "Passio C hristi" von Ulrich Vannius, 1512, dessen Titelblatt wir zeigen (Abb. VIII) . Vermutlich kam Veltin Kobian nach Durlach (oder nach Durlach zurück), weil die damals schon sich in Durlach bei Hof und Bevölkerung zeigenden lutherischen Neigungen sein em Bibelunternehmen günstiß waren . Zwar wurde die Reformation in Durlach, wie überhaupt in der ganzen Markgrafschaft Baden-D urlad1 erst 1556 durch Markgraf Kar! II. (eben unseren "Karl mit der Tasche", Regie- rungszeit 1553 - 1577) offi zie ll eingeführt. Der Rcformationsbefehl gin g am 1. Juni 1556 ins Land hinaus >s. Aber schon der Vo rgänger Karls 11. , Markgraf Ernst (Regierungszeit 1527 bis 1553), nahm zwar keine offizielle Reformation in seinen Landen vor, bekannte sich auch nicht öffentlich zur "Augsburgischen Konfession" (1530), der maßgeblichen Bekenntnisschrift der luthe- rischen Kird1e, arbeitete aber auf den Reichstagen an der Vereinigung der Gemüter, nahm sich der Evangelisd1en zu Kenzingen und Waldshut an und hi elt sich selbst einen evangelischen H ofpredi- ger. D ie Durlacher Bibel war noch unter Markgraf Philipp (t 1533) gedruckt worden und Vier- ordt behauptet, wohl in Anlehnung an Leichtlen (vgl. Anm. 3), der Markgraf selbst habe Auftrag 46 gegeben, sie zu drucken ". Adolf Wolfhard drückt den Sad1Verhalt so aus: "Die Markgrafen hatten cvangelisd1c Neigungen, wollten es aber doch mit dem Kaiser nicht verderben ." Wolf- hard weist auch auf die Tatsache hi n, daß der aus Du rl ach stammende Jakob Si mmler Luthers ständiger Begleiter während dessen H ei delberger Aufenthalts im Frühjahr 1518, a lso ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung der 95 Thesen, war . "Er dürfte also der erste Durlacher gewesen sein, der mit Luther in persönl iche, freundsrnafHiche Beziehungen trat :!O ." Vor dem Hintergrund dieser günstigen geistesgesch ichtlichen Posi tionen muß man Veltin Kobians Durlacher Bibeldruck-Unternehmen sehen, von dem man annehmen kan n, daß es woh lwollende Förderung durch den Markgrafen Phil ipp erfuhr. überhaupt waren ja die Markgrafen in religiö- sen Fragen stark engagiert, w ie auch das sogenannte "Stafforter Buch" beweist, das der Nach- folge r Karls 11. , Markgraf Ernst Friedrich (Reg ierungszei t 1577 - 1604), der sich seit 1599 öffentl id, zu r Leh re Ca lvi ns bekannte, auf Anraten sei ner Berater Georg Hanfeid, Johann Pisto- ri us und Joha nn von Münster im Jah re 1599 in dem Fürstlid1en Schlosse zu Staffort drucken ließ. Dieses Bud1 ist ei ne Abhandlung über die Grü nde, die den Markgrafen veranlaßten, zur Calvi- nischen Glaubenslehre überzutreten . Das Buch rief heftige Gegenschriften württembergischer und säd1sischer Theo logen hervor, ein Exempl~r dieses sehr seltenen D ruckes befi ndet sich im Pfinz- gaumuseum " . Schließlich sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, daß die Gemahlin von Friedrich Magnus, Markgräfin Augusta Maria, während ihres durch die französischen Kriege (1689 völlige Zerstörung Durlachs) erzwungenen zehnjährigen Aufenthalts im BaseIer Domizil, ein e vierbändige Bibelausgabe veranstaltete, d ie vor allem für die vielen markg räflichen Pfarrer bestimmt war, deren Bücher in dem unseli gen Kri ege verbrannt wa ren . Es ist ein sorgfältiger, von Augusta Maria seit 1696 begonnener, stets überwachter und 1698 zu Ende gebrachter Druck des Basler Druckers Joh. Jak . Battier ". Veltin Kobia n druckte, wie bereits erwähnt, außer der Bibel in Du rlach noch drei k leinere Sch ri f- ten, und zwar 1529 eine fünfzehnseitige naiv-medizin ische Abha ndlu ng "Eyn Regiment Wie man sich vor der Neüwen P lage / Der Englische Schweis gena nt / bewaren . Unnd so man da mit ergrif- fen wi rt / darinn halten soll / Durch Euricium Lord um / Der Artzney Doctorem und Professo- rem zu Margpurg". Das Büchlein ist im Pfinzgaumuseum vorhanden (Abb. IX). Auf dem letz ten Blatt steht der Drllckervermerk: "Gedruckt zu Durlach durch Velt in Kobian / Anno 1529", aber auch die Zierleiste auf dem Titelblatt weist das Büchlein, wie wir noch zeigen werden, als Kobian-Druck aus. - Der zweite Druck von 1530 ist eine Art Gesch ichtskalender von Christi Geburt bis 1529 auf achtundzwanzig Seiten unter dem Titel: "Annotatio seu Breviarium Rcrum Memorabilium ac magis insign ium a nato Ch risto usq ue ad nostra tempora gesta rum . Ex pro batissimis historiographis Industrie se lectar." Der D ruckervermerk steht auf dem Titelbl att : "Turrelaci per Valentinum Kobian, An : 1530." Auf der letzten Seite ist nur noch" Turrelacum" genan nt (Abb. X). Die Zierleiste ist dieselbe, aber auch das typische Druckerzeid1en Kobians (wie wi r noch zeigen werden) t ritt auf dem Titelblatt auf. - Der dritte DlIriacher Druck hat den Titel: "Xpovos sive Cronichon ins in gn iorum gestarum 1530" und hat uns nid1t vorgelegen. Er 47 ist lateinisch gehalten ". Die buchtechnisch-künstlerische Gestalt der "Durlacher Bibel" Neben un vollständigen beziehungsweise aus erstem und zweitem Druck zusammengesetzten wenigen sogenannten nMischexemplaren" und w enigen "Tei lexemplaren" der "Durlacher Bibel" gibt es - neben dem Exemplar des Pfinzgaumuseums - nur noch drei vollständige Exemplare der ganzen Bibel. Wir hatten das Glück, zwei davon mit dem Durlacher Exemplar durch Augen- schein vergleichen zu können " . Wolf Köpfl hat seine Bibel mit reichem Buchschmuck ausgestattet, der zu einem erheblichen Teil gewiß besonders für sie hergestellt worden is t. Wen n wi r Ritter glauben können " , ist der Illustrator H einrich Vogtherr, 1490 in Dillingcn (Donau) geboren, 1556 in Wi en gestorben. Textbilder finden sich an 332 Stellen der Bibel, doch ist dasselbe Bild oft zwei mal und mehrmal gebraucht, so daß die Zahl der vorhandenen verschiedenen Bilder erheb- lich nied ri ger ist " . Köpfl selbst gibt auf dem Eingangs- bzw. Gesamttitelblatt an: ,, !tem auch mitt zweyhundert Figuren mehr dann vo r hien nie / im Truck auß gangen seind ." Die Charakteri- stik der Personen auf den Tex tbildern ist gut. Die Bilder sind sämtl ich durch Zierleisten an der einen Seite auf di e Breite des D rucksatzes gebracht und des öfteren auch durch soldlC oben oder un- ten, bzw. oben und unten höher gemacht. Besonders schön ist das schon erwähnte Renaissance-Titel- bl att der Propheten, im Mittelpunkt unten eine weibliche H albfigur, deren Körper in zwei Schlan- genleiber ausgeht, ein Motiv, das in ähnlichen Varianten im 16. Jahrhundert immerwieder auftaucht (Abb . ll) ". Das Ein gangs- bzw. Gesamtti telbl att selbst is t in der Einfassung ident isch mit dem Teiltitelblatt zum "Ander they l des Alten Testaments", wie wi r durch Vergleichung mit dem Wolfenbüt teler Exemplar feststellen konnten. Da das Gesamtti telblatt im Exempl ar des P fin z- gaumuseums und im Stu ttga rter Exempl ar fehl t , im Wolfenbütteler Exempl ar im Druck ver- schmi ert ist, zeigen wi r statt dessen ein en guten Abdruck des, wie gesagt, identischen Teiltitel- blatts des "andern Teils des Alten Testaments" (Abb. X I). Das Blatt zeigt den Kampf Josuas mit den Amalekitern . In der Mitte unten das Druckerzeichen Köpfls in einer gegenüber den Abbil- dungen I und VI va riierten, reicheren Form. A uf der linken Seite ist auf einem Fahnentuch die Jahreszahl 1528 sichtba r (die auch einmal auf einem Textbild im "Buch der Richter" auftaucht). Der Bildersd,mllck des Neuen Testaments ist unabhängig von dem des Alten Testaments, künst- lerisch wen iger wertvoll und, wie es scheint, in den Anfängen steckengeblieben. D as Titelblat t zum Neuen Testament zeigt in sei ner Einfassung Gegenstände der Rüstung und Ausrüstung eines Kriegers. Unter den vier Bildern der Evange listen, Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, taucht dasjenige des Johannes zweima l auf, mit einem Gesicht von mädchenhafter Weichheit. Es fo lgen fünf Apostelbilder von immer demselben H olzstock, dem auf besonderem H olzstock jedesmal das Attribut mit der haltenden H and zugefü gt is t. Sie trägt bei Pau lus (oft wiederholt) das Schwert, bei Petrus den Schlüssel, bei Joha nnes den Kelch mit der Schlange, bei Jakobus d ie TlId1 wa lkerstange, bei Judas die Keul e ". Zum T ext der Offenbarung find en wir die 21 H olbein- schen Bilder in schl echten Abdrücken (in allen verglichenen Bibelexemplaren), d ie eine starke Abnutzung der Stöcke erkennen lassen. Zierleisten sind in den in Straßburg ged ruckten Teilen durchgehend verwendet, um den zu schmalen Bildern die Breite der Kolumne zu geben; zuwei- 48 len ist außerdem oben oder unten oder aum an beiden Stellen eine Zierleiste an das Bild ange- fügt. Die Initialen sind von verschiedener Größe und Gestalt (teils Pflanzen-, tei ls Körperorna- mentik), künstlerisch besonders herausragend sind zwei N- und I-Initialen (42/3 x 42/3 mm) im zweiten Teil des Alten Testamentes (Straßburger Teil) und zwei schöne Zierbuchstaben (E und D), die mit den besten europäischen Leistungen der Zeit konkurrieren :!II. Der in Durlach gedruckte Teil weist - neben z. T. schönen Initialen - kaum Bildschmuck auf. Kobian ver- fügte in Durlach offensichtl ich nicht über die entsprechenden Druckstöcke (was wir sd10n beim Titelblatt zu den Propheten feststellten). So bleibt aud, das in Durlach gedruckte Titelblatt zum Dritten Teil des Alten Testaments ohne Zierrahmen (Abb. I). Lediglich bei den Propheten finden wir links von der kleineren Initiale zwei verschiedene leistenartige Bilder (insgesamt 16mal) mit einem bärtigen Mann mit Spruchband neben einer tragenden Säu le, einmal von vorn, einmal von der Seite dargestellt. Besondere Erwähnung verdienen aber im Durlacher Teil (Dritter Tei l des Alten Testaments) zu Beginn des Buchs Hiob und des Psalters zwei große bildliche Darstellungen Hiobs und Davids (letzterer von der B-Initiale eingefaßt; 11,5 x 7,2 cm und 10 x 8 cm, s. Abb. XII u. XIII) . Kobians Bemühen um die Schönheit des Satzbildes soll Abb. XIV demonstr ieren. Das Druckerzeichen Köpfls findet sid1, wie scho n erwähnt, öfters (vgl. Abb. I, I V, X I). Auf den von Kobian in Durlach gedruckten Teilen fehlt das Druckerzeichen, es sei denn, man macht sid, unsere folgende Theorie zu eigen : Kobian verwendet, gewissermaßen als Ersatz für ein eigenes Druckerzeichen (das er, weil er im Auftrag Köpfls druckte, nicht bringen konnte) 30 ei ne ihm spez ifisch eigene Zierleiste. Es handelt sich um ein e vertikal angelegte, aber stets horizontal gedruckte Komposition mit Schild- und Körperornamentik, insbesondere mit einem spitzbärtigen nackten Mann und einer nackten Frauengestalt. Diese .,Zwei Körper-Leiste" taucht in dem in Durlach gedruckte Teil (Kobian) insgesamt sieben mal auf, insbesondere auch auf dem absolut sicher in Durlach ged ruckten Titel zum Dritten Teil des Alten Testaments (Abb. J), aber auch z. B. unter dem benannten König-David-Bild (Abb. XIII). Diese Zierleiste hat Kobian aber auch bei seinen dem Durlacher Bibeldruck vorangehenden kleinen Durlacher Drucken verwandt (Abb. IX u. X) . Sie scheint also wirklich eine Art Ersatz-Druckermarke zu sein ' 1. Der kleine, sozusagen verspielte Zierschnörkel aus einer herz- oder blattförmigen Figur mit versch nörkeltem Stiel (Abb . I) taucht außer auf dem Durlacher Titelblatt am Ende des Buches Hiob (ebenfa lls Durlacher Teil) noch einmal auf. Das Zeichen ist auf einem der Bibel vorangehenden Durlacher Druck eindrucksvoll variiert (Abb. X) und ist auch auf einem Hagenauer Druck Kobians aus dem Jahre 1536 zu sehen (Abb. VII) . Obwohl dieser Zierschnörkel in mannigfach variierter Form von vielen deutschen und europäischen Druckern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhu nderts benutzt wird 3:!, scheint Kobian eine besondere Vorliebe für seine dekorative Verwendung gehabt zu haben. Die spezifische Gestalt des Bibelexemplars im Pfinzgaumusettm Der Vergleich unseres Bibelexemplars mit den Exempl aren von Stuttgart und Wolfenbüttel 49 ermöglicht erstmals eine genaue Zustandsschi lderu ng des Exemplars im Pfinzgaumuseurn. Sein - Zustand ist im allgemeinen als gut zu bezeichnen. Gebunden ist es in einen einfachen Kalbs- ledereinband aus den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts. Es fehlen insgesamt 85 Seiten, die sich wie folgt au fteilen: Gesamttitelblatt und Rückseite (" Register der gantzen Bibel ") Vorrede D. Martin Luthers und leere Rückseite Das erste Buch Mose Der in Durlach gedruckte "Dritte Teil des Alten Testamentes" ist voll- ständig vorhanden . 2 Seiten 9 Seiten Seite 62 Seiten (Renaissance)-Titelblatt der Propheten (Abb. 11 ) 1 Seite und Rückseite (erste Seite der Vorrede) Seite Im Durlacher Exemplar statt dessen ein leeres Blatt (2 leere Seiten); der Druckstock für das Titelblatt der Propheten befand sich augenscheinlich in Straßbu rg; sonst ist auch dieser in Durlach gedruckte Teil vollständig vo rhanden. Titelb latt: "Dye bücher dye bey den alten ... " (Abb. IV) Seite (nach "End des Propheten Maleachi") und Rückseite ("G nad und frid dem Chris tlichen Leser") Seite Rückseite von "Bel. cvij", vor Titelblatt "das gantz New Testament" Seite (enthält Köpfls Druckermarke und den Text: "Getruckt zu Straßburg by Wolff Köpphel uff den neünden tag des H erbstmons im ja r M.D.XXIX." D ie Seite ist im Durlacher Exemplar unlösbar überklebt. Offenbarung 4 Seiten (zwischen - rechts unten - "Das xvi . Capi tel" und - rechts mitte - "Das xx. Capitel") Vorletzte Seite: .. Hie volgt das Register . .. " und Rückseite (letzte Seite): "Errata" Seite Seite 85 Seiten Handschriftliche Ei ntragungen aus der Zei t zeuge n von frühem eifrigem Studium der Bibel, augen- schein lich durch einen Theologen. Das in Durlach ged ruckte Titelblatt zum D ritten Teil des Alten Testaments weist in roter Tinte die Jahreszahl 1533 aus. Besonders der "Psalter" ist mit Unterstreichungen und Anmerkungen versehen, an seinem Schluß finden wir einen Sdmörkel mit der Jahreszahl 1540. übri gens zeigt ein Schriftvergleich der Eintragungen im Durlacher und Straßburger Bibelteil (um 1533/40), daß beide Teile sd10n von Anfang an zusammengebunden waren . Am Schluß des Buches "Esther" find et sid, ein Eintrag: "Anno 1667 hab ich die Bibell ... kauft kost Ein Reichsdaler ... " Das statt des Renaissance-Titelblatts der Propheten gesetzte leere Blatt ist vor- und rückseitig mit einer der üblichen fam il iä ren Eintragun gen (Tauf-Vermerk 1670) und Hinweisen auf Bibelstel len beschrieben. 50 Wie wir sahen, stellt uns dieser gemeinsame Straßburg-Durlacher Bibeldruck noch vor manche ungelöste Probleme. Als Zeugnis der religiösen Entwicklungen, der frühen drucktechnischen Mög- lichkeiten wie als Dokument der hei matlichen Geschichte ist er uns gleicherweise wichtig und ehrwürdig. Anmerkungen 1 Johann Daniel Schöpflin, Hi storia Zaringo Badensis. Carlsruhe 1763-1766, Bd. I!, 1764, 5.333. 2 Johann Christian Sachs, Ei nlei tung in die Geschichte der Marggravschafl und des marggräv- lichen altfürstlichen H auses Baden. Carlsruh e. II! . Teil, 1769, S. 190; IX. Teil, 1770, S. 58. 3 Julius Lampadius (d . i. Julius Leichtlen), Beiträge zur Vaterlandsgeschichte. Heidelberg 1811 , 5.50. - Siegmund Friedrich Gehres, Kleine Chronik von Durlach. Ein Beitrag zur Kunde deutscher Städte und Sitten. Karlsruhe 1824, I. Teil, S. 70 . - Woher Gehres die Bezeichnung "Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei " hat, ist uns unbekannt. 4 Karl Gustav Fecht, Geschichte der Stadt Durlach. Heidelberg 1869. S. 243. 5 Vgl. M. Luther, Die gantze Heilige Schriffi Deudsch. Wittenberg 1545 . Nad1druck Mün- chen (Rogner & Bernhard) 1972, I. Bd., S. 77. Weitere Nachd rucke bei Köpfl 1535/ 36 und 1537/38. Letzterer bringt schon ganz Luthers übersetzung. 6 Engelbert Strobel, Ein Streifzug durch die Geschichte von Alt-Durl ach. Tei l 11. In : Badische Neueste Nachrichten . Karlsruhe. Vom 3. 11. 1961. 7 Sämtliche Inhalte dieses Abschnitts verdanke ich der grundlegenden Arbeit von Fran,ois Ritter, Histoire de )'imprimerie alsacienne aux XVc er XVIc siecles. Strasbourg-Paris 1955 (eingehend besprochen von Jean Rott, Note sur I' imprimerie Alsacienne aux XVc et XVIc siecl es. In: Revue d'Alsace. Bd. 95 (1956), S. 63 ff .) und der Arbeit von A. H anauer, Les imprimeurs de Hagenau. Straßburg 1904. - Die Arbeit von Ca rl Schmidt, Zur Geschichte der ältesten Bibliotheken und der ersten Buchdrucker zu Straßburg, Straßburg 1882 (unver- änderter Nachdruck Graz 1971 ) ist für unsere Untersuchung unergiebig, da sie mit dem Jahre 1520, das "den übergang aus dem Mittelalter und dem elsässischen streng katholischen Humanismus zur Periode der Reformation" bezeichnet, absch ließt. 8 Seltsamerweise erwähnt die grundlegende Arbeit von Ritter - Anm. 7 - KöpfIs Gesamt- bibelausagbe von 1530 nur am Rande, nämlich an läßlich ihres Illustrators Heinrich Vogtherr (a. a. 0., S. 283 ). D iese Erwähnung geschieht ohne jeden Bezug auf Kobian. 9 Vgl. Pau l Heitz und K. A. Barack, Elsässische Büchermarken . Straßburg 1892, S. XIX, XV I-XX. (Ein Exem plar im Lesesaal der Württembergischen Landesbibliothck Stuttgart.) 10 Ritter - Anm . 7 - hat augenschein lich Hanauers Forschungen mitverarheitet. In unseren Darlegungen sind die Ergebnisse beider Forscher zusammengefaßt. 11 Ritter, a. a. 0., S. 402: "Valentin Kobian etait originaire dc Durlach." Woher Ritter (der sich auch hier auf Hanauer stützt) dies wissen will , ist unbekannt. Wahrscheinlich schließt er dies 51 aus Kobians H agenauer Druckervermerk von 1524 "Veltin Durlach buchtrucker" . Sicher ist • nur, daß Kobian als selbständiger Drucker zum ersten Mal in Durlach auftaucht. Die Durla- cher Kirchenbücher, die allein Auskunft geben könnten, si nd 1689 sämtlich verbrannt. 12 Vgl. Karl Springer, Ettlinger Wasserzeichen. Ein Beitrag zur Geschichte der Papiermacherei . In: Badische H eimat, 15 Jg. (1928), S. 232 ff . Ferner: Strobel - s. Anm. 6 - und den Artikel "Medizinbücher aus Ettl ingcr Druckereien" in: Badisme Neuestc Naduichten, Karlsruhe, vom 7. 9. 1968. Die Ettlinger Drucke sollen danach auf Ettlinger Papier ged ruckt sein; Strobel behauptet dies teilweise auch für den im nächsten Kapitel näher behandelten Durlacher Druck "Annotatio" von 1530. Die Ettlinger Drucke waren: Jak. Schenk, Gerichtsordnung, 1530; Kaspar Gretter, Drey schön Psalmen .. . 23 . 8.1531; Joh. Virdung, Novus medicinae metho- dus, 1532 ; Joh. Brenz, Tractatus casuum ... matrimonialium, 1532 ; Avicenna, Quarta fen, primi de universali ratione medendi, 1531. (Quel le: Josef Benzing, Buchdruckerlexikon des 16. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1952, S. 50).- Das Albgaumuseum in Ettlingen war im Besitz einiger Ettl inger Kobian-Drucke, sie sind, wie der Leiter des Museums mitteilt, vor einigen Jah ren entwendet worden . 13 Vgl. Heitz - Barack, a. a. 0., Anm. 9, S. LXVIII, Nr. I, und Ritter, a. a. 0., Anm. S. 407. 14 Vgl. H eitz - Barack, a. a. 0 ., Anm. 9, S. LXVIII, Nr. 2, und ei ne Notiz S. XXXII. Es scheint so zu sein, daß di e Komposition mit zwei Schilden, von denen eines obl igatori sch die Hagenauer Rose trug, das andere das jeweilige Drucker- (oder Verleger) zeid1en, die übliche Form der Hagenauer Signete darstellt . So finden wir diese Komposition z. B. auf ei ner Titel- einfassung aus Heinrich Grans Druckerei um 1510, wo das rechte Schild ein X-förmiges Zeichen, darüber das Monogramm H. G. trägt (vgl. A. F. Butsch, Die Bücher-Ornamentik der Renaissance. Leipzig 1878, Tafel 74). Siehe ferner Anm. 30. 15 An dieser Stelle sei dem Direktor des Städtisd1en Ard,ivs in Straßburg, Monsieur F. J. Fuchs, und dem Direktor des Archives Departementales in Straßburg, Monsieur F. J. Himl y, für freund liche Auskünfte gedankt. 16 VgI.Anm.11. 17 Vgl. Josef Rest, Die Entwicklung des Buchd rucks in Baden. In: Klimschs Druckerei-Anzeiger, Frankfurt a. M., 57 Jg. N r. 26 v. 1. 4. 1930 und Engelbert Strobel, Von alten Durlacher Druckern. In: Soweit der Turmberg grüßt, Karlsruhe, 2. Jg. Nr. 5 v. 1. 7. 1950. - Der im folgenden erwähnte Druck "Passio Christi " war 1924 im Buchhandel angeboten . 18 Sachs, a. a. O. - Anm. 2 -, IV Teil, Carlsruhe 1770, S. 95 ff. - In diesem Zusammen- hang ist interessant, was Sachs über die Beziehungen der badischen Markgrafen zu Straßburg berichtet: "Die Freundschaft, welche die Herren Markgrafen zu Baden seit langen Jahren gegen die Stadt Straßburg gezeigt hatten, veru rsachte, daß Markgraf Karl an demjenigen Anteil nahm, was zwischen derselben und ihrem Bischof vorgi ng. Der Stadtrat hatte Anno 1529 das Meßwesen in den Hauptkirchen eingestellt." Sachs berichtet dann von den jahre- langen Verhandlungen der Stadt Straßburg mit dem katholischen Bischof E rasmus und fährt fort: "Bei diesem ganzen Geschäfte wurde von den Straßburgern nichts ohne unsers Mark- grafen Rat und Gutbefi nden vorgenommen." (Sachs, a. a. 0., S. 132 f.) 52 19 a. a. O. - Anm. 18 -, S. 10,17,22 f., 56. Ferner: J. Chr. Sachs, Auszug aus der Geschichte der Markgrafschaft und des markg räflichen altfürstlichen H auses Baden, Carlsruhe 1776, S. 85. - Durlach kam erst nach dem Ableben Markgraf Philipps (Baden-Badische Linie) 1533 zur Pforzheimischen oder Durlachischen Linie. - Vgl. Karl Fried rich Vierordt, Ge- schichte der evangelischen Kirche in dem Groß herzogturn Baden, Karlsruhe 1847, Bd. I, S. 243. 20 Adolf Wolfhard, Aus Durlachs Vergangenheit. In: Evangelischer Bundesbote. Karlsruhe, Jg. 1928, Nr. 8/9, S. 4. - Den Gesamtzusammenhang der badischen Reformationsgeschichte beleuchtet Ernst Walter Zeeden, Klein e Rcformationsgeschichte von Baden-Durlach und Kur- pfalz. Karlsruhe 1956 (hier insbesondere S. 20 ff.). 2 1 Titel: "Christi ichs Bedencken und erheb liche wolfund irte Moti ven deß Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten und Herrn / Herrn Ernst Friderichen Markgraven zu Baden und Hochberg / ... Welche ihre Fürst. Gn. biß dahero von der Subscription der Formulae Con- cordiae abgehalten / auch nachmaln / dieselbige zu underschreiben / bedencken haben. Samt ihre F. G. Confession und Bekandrnuß über etliche von den Evangelischen Theologen erweckte strittige Artickel. An den Durchleuchtigen Hochgebornen Fü rsten und Herrn / Sei ner F. G. geliebten Herrn Brödern und Gevattern / Herrn Georg Friderichen / Markgrafen zu Baden und Hochberg / . .. Ausser den / in Ihrer F. G. vorhero gesetzem schreiben / oder Epistel / an statt der Pracfation / ei ngewendten Ursachen / getreuer Brüderlicher wohlmeinung / selbsten verfast / und in Truck verfertigt. Getruckt in Ihrer F. G. Schloß Staffort Durch Bernhardt Albin M.D.XCIX." - Im selben Jahr erschien in Staffort ei ne kleinere Ausgabe dieses Buches zum Gebrauch in der Schullehre, deren Satz, abgesehen vom Titel, vorangestelltem Edikt und Paginierung sich buchstäblich mit S. 359-555 der größeren Ausgabe deckt (vgl. Lautenschla- ger, Bibliographie der badischen Geschichte. Bd. H , 1, Karlsruhe 1933, S. 37, Nr. 9572 . Und: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 18. Bd., Leipzig 1906, S. 744 f.). - Der Markgraf hatte den Speyerer Drucker Bernhardt Albin, Calvinist und bedeutendster Speyerer Drucker im 16. Jahrhundert, eigens nach Staffort kommen lassen. - Staffort liegt nörd lich von Karlsruhe, gehört jetzt zur Großgemeinde Stutenscc. Das Schloß wurde 1689 völlig zerstört und nicht wieder aufgebaut. Markgraf Ernst Friedridl weilte häufig zu länge- rem oder kürzerem Aufenha lt dort. - Literatur: Sachs, a. a. 0., Anm. 18, S. 252 ff.; Sachs, Auszug, a. a. 0., Anm. 19, S. 99; Gehres, a. a. 0 ., Anm. 3, 2. Teil, S. 95; Karl Friedrich Vierordt, a. a. 0., Anm. 19, Tr. Bd. Karlsruhe 1856, S. 32 ff.; Fecht, a. a. 0., Anm. 4, S. 251 (Titel des "Stafforter Buches" ist fa lsch wiedergegeben); Die Kunstdenkmäler Badens, IX. Bd., 5. Abteil.: Karlsruhe Land (bearb. v. Lacroix, Hirschfeld, Paeseler), Karlsruhe 1937, S. 197. Emi l Strauß hat den Widerstand der Pforzheimer Bürger gegen das kalvinistische Engage- ment Ernst Friedrichs in seinem 1912 erschienenen Roman "Der nackte Mann" behandelt. 22 Titel: "Bi blia ... Teutsch Doct. Mart. Luther. Auff gnädigste Vero rdnung und Vorschub der durchlauchtigsten Fürstin Frauen Augustae Mariae Marggräfin zu Baden und Hochberg. Basel 1698 bei Joh. Jak. Battier." Literatur: Hans Rott, Kunst und Künstler am Baden-Durlacher 53 Hof bis zur Gründung Karlsruhes. Karlsruhe 1917, S. 141. F 23 Der Druck soll in der Vatikan-Bibliothek in Rom vorhanden sem. Vgl. Benzing, a. a. 0 ., Anm. 12, S. 43 u. 5 . 7. - Der zweitgenan nte Druck .,Annotatio" stand uns in einem seltenen Exempla r der Stadtbibliothek Trier zur Verfügung, wofür wir H errn Bibliotheksdirektor Dr. Laufner, Trier, zu Dank verpflidltct sind. (Ein Exemplar war 1927 im Antiquariat an- geboten.) - In dieser Geschichtschronik heißt es unter der Jahreszahl 1222: "Conradus Fridcrici primi Cesaris frater occisus in Du rlach oppidu lo, prope Lueshardum si luam, ob adu lterium, dum proficiscitur contra Zeringeses." Unter 1230: "Rudolphus Habspurgen . Alsatiae dominus Durlachum, Mulbergum ac Baden cepit, turrim Durlacensem destruxit." Unter 1519 : "Pestis admodum sevit, ur a Pasce festo uscß Martini in Durlarn mille ceorum, & apud Ettlingen Sesquimille emigrarent." Der Verfasser (oder Kobian) hat also in weltge- schichtlichem Zusammenhang der Druckerstadt Durlach gebührende Reverenz erwiesen. Unter 1524 vermerkt er auch die von uns schon berichtete Intervention des Markgrafen Ernst zugu nsten der Kenzingcr Lutheraner. - Im ganzen handelt es sich um ein Kompositum aus weltgeschichtlichen und provinziellen Daten. 24 Die "Durlacher Bibel" ist in Stuttgart (Württembergische Landesbibliothek), Wolfenbüttel (Herzog-August-B ibliothek) und Wernigerode als Gesamtexemplar vorhanden . Die Bayerische Staatsbibliothek München hat ihr Exemplar durch Kriegseinwirkung verloren, die Schloß- bibliothek Maihingen (FürstI. Bibliothek Harburg) hat ihr Exemplar 1934 verkauft. Für die freu ndl iche Vermittlun g in die Einsichtnahme des Stuttgarter und Wolfenbütteler Exemplars sowie des in Stuttgart vorhandenen Nachdrucks von 1530/32, sind wir dem Leiter der Badi- schen Landesbibliothek Karlsruhe, Bibliotheksdirektor Dr. Elmar Mittler, zu Dank verbun- den . 25 Ritter, a. a. 0., Anm. 7, S. 283. 26 Diese wie die folgenden Angaben sind - nach Überprüfung - folgender maßgeblichen Quelle entnommen: P. Pietsch, Bibliographie der deutschen Bibel Luthers. Nr. 146. In: M. Luther, Deutsche Bibel. Bd. 2, 1909, S. 472 u. S.490/500. Wir ergänzen diese Angaben später durch spezielle Hinweise auf die Druckermarken Kobians und auf das Bibelexemplar des Pfinzgaumuseums. 27 Erinnert sei auch an die bei den Schlangenleiber in der Druckermarke Wolf KöpfIs. 28 Derselbe Druckstock ist auf einem Corvinus-Druck KöpfIs aus dem Jahre 1540 für Sankt Andreas wiederverwendet, das Attribut ist hier das Kreuz mit schräggestelltem Balken (vgl. Ritter, a. a. 0 ., Anm. 7, S. 241). 29 z. B. mit den Arbeiten von Geoffroy Tory in Paris um 1536 (vgl. A. F. Butsch, Die Bücher- Ornamentik der Renaissance. Leipzig 1878, Tafel 97). 30 Es war üblich, daß ein Drucker, der im Auftrag ("auß Verlegung") druckte, keine eigene J!1ruekermarke benutzte, sondern dem betreffenden Werk das Signet des Auftraggebers mit- g~b. So zeigte z. B. der Straßburger Drucker Matthias Schürer, der für die Brüder Atlantsee in Wien druckte, in diesen Büchern nur das schöne Atlantsee-Wappen) nicht das Schürersmc Wappen mit der Garbe (vgl. auch Anm. 14). 54 55 31 Im ganzen in Straßburg ged ruckten Bibelteil taucht diese Zierleiste nur dreimal auf (Neues Testament, Episteln St. Pauli u. St. Johannis). Es ist zu vermuten, daß dieser Teil auch in Durlach ged ruckt wurde. Unsere These wi rd gestützt durch die Einsicht in den Straßburger Nachdruck von 1530/ 32, der ohne Kobians Mitwirkung bei Wolf Köpfl erschien. In dieser Neuauflage, die im übrigen im ganzen nicht mehr so reich illustriert ist wie die Erstausgabe (es fehlen Holbeins Holzschnitte zur Offenbarung; dafür ist als Titelblatt für das Neue Testa- ment die Renaissance-Umrahmung der Erstausgabe - Abb. II - übernommen) taucht weder di e spezielle Zierleiste noch der besagte Zierschnörkel auch nur einmal auf. 32 z. B. bei dem Straßburger Drucker Christian Egenolph, dem Mainzer Peter Schöffer oder dem Franzosen Jean de Tournes. - Das Exemplar des Pfinzgaumuseums wurde wohl beim späte- ren Einband beschnitten, ebenso wie die Exemplare in Stuttgart und Wolfenbüttel. Einer Seiten höhe von 25,5 cm (Exempla r Pfinzgaumuseum) steht eine Seitenhöhe von 28 cm (Exemplar Stuttgart der Neuauflage 1530/32) gegenüber. Dagegen erwähnt Schöpflin 1764 (a. a. 0., Anm. 1) ein Durlacher Exempla r in Quartformat aus der nach Basel geretteten Baden-Durlachischen Bibliothek. ... .' : , , ; ... I . ' .. ; : ". J)lop~(tdl ~lUc groß 6nb fkitt. J.Ja~u Urcr~tQ Gar fU! <tnitrdil. ~ ~IOi~lr blr I})!Op~tltn. f<) ' "'f (JI(aia Jncmla 11111 • LJr~totitl ~anlll f<)it IlI>öltf flrplI/n I})lop~tlCn f. J.Jorta. ~il. O1~~um. ij. Jo~d. \)iij J)abafuf iJj. :2Ionoe. ir. @<vI/ania 'ili; .o6.1bia. r. J)aßoai. ]"olla. rj. 6rdlaiia rolidia. ril. ~aladii. , .. -)./ # .', ' 1"'".1. 1 ' '., I • • ' .,', . ,,' jJ '" l( il 'I,t 'O lpll(il l!J..U'~J U 9 "JJ °tlU O C ·'I'OOttcr 'J ' t I ~ "!1J1IiJd>e 'J, .... ,1.'; Jnl"q.C ( I". 'p~oC . _ ~ . _ 'wngotcl '1.1' " ')0 (( 'I 1~ ;C1I'~ W I,qclo'({, ",uam M I!"" 1)(3' ;t~ \ : ?'W " , ~ P)J"9 '(1 '1111 lI'" """,uC .).j'C J ... . '" "'''ljdo:\t> 1lQ 1l~)O'lG liO 'IlJIJ'PIX tUl ,.0 # l''')n nv.Ci 'U Pij ~U9 ~O.l!3 lJl).cs !P"AdOt{f ,p)I<I,"O ) IJlQ ung ~l"" UIllI~lj UlQ "9 0 IJU l)"!)) 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XXX, • XI .. ~a6~n~g;icb. _ ii . rnadill fldi DtemOlgme fra aufT~.l OvfT« It b.dOovffcrtnadi i~!a(ftr ;.'/~tii.f,Jio~ Q) gtOadilt/ m,ine fÖnt m~dilfllge("nDietl! 1In0 Dfn~mn gt('Ontt ~abtn inl~ltm ~q: qen.~Wo I~rt J)iob aUt taßt • .E~6eßa&fldi a6er anfT t~nCtag/Da Dt~ finDe r Q!Otlt, tamm MnD für Dm RERRf!! I",um/tam D,r6atd and) ~nDerflt.~q: HERRa&cr (p'adi.u Dem 6alan/ll'0 tüp~ bu ~cr'6atan anltl>OllU Dem HERREN bR fp,at!ilJdi ~ab im fanO bm6~er .ogrn ~R 6~n ~erDlIrlf1 jogrnn. ~er HERR (p"'di;~ 6atan/.f,Jafr Ou nidit adil 9~61 auff llIti nm fnedit .f,Jio&, ~rnn reifr ('in gftidie nidil im fanD'/(dif'dir ~nDrcdif/90ttf~'di tiß ~nD m,tDu Oaß 60(e. 6arall anrWOlfte Dem HERREN ~nnD (pI4di/ ro?t~nfr Du Daß .f,Jio6 bm6 fUnfr <!loft (o'ditrt' .f,Jafr 01. bodi i~n/ fein flallv~nnD affte wae ,r ~al/ rin9hm6~"~ml>art/ ou ~fr Dem ",erd fein.fl ~rnOt9'f'9nef/\,"Dfrin 06r ~.I ndi aa~!tVfltl im fanO,/<lI&crml"brin, ~dO auv ~nnb rafr' an olfe~ wae er ~afl "'a5 gifbfO/rr wirt bidi ine ongrfldil fe9f·~,r HERRE f",odi!IA 6at.n/ 6i~e/ allt&wae -.! tr ~.f/f'v in Deintr ~,lbf/ on aUevn an ;~II ftfbe fege Oein, ~,lbt nidit.~a 9irnO 6!V lan auv \'on btln HERREN. . ~ae raoeea6cr Da ftint (ont ~nD radi' malTen ~nnD rrunden Ivrill in i~,e6 &:Ö' . Dr.re~au(t btHlflfl farn tvn 601r;1i J,Jio6 man lm ~IID fp,adil ~it rinDrrp/l'ugtftn NIIID Die fanOt<:lOIJ.Dtr&i,& tfdvnnen oi,"gtnne6mi~n an berwIV> . ,. gOUfoUig .~I/ Dalldrn bit auv ffidi 21r06io ~mvnl \,"nb namtll flt ~nnD fdifügtfl Diefna6tll mir.DII fdicrpfTt Dte fdin'erDIP/\'nb id! bIll 'amldl f'Önfrbil alftvn tnrrunen/bae icf) Dite anfagtt/~4 Dtrnv.di rtDtf/fam tvn anDcrbnnb fp:adjt al? baeftf\!! ~rtte fit! bom ~piitd/MnDwf' . b:.nDI (diaff~nbfna6m ~nD wrltlet fltt madi .~nD icf)6vlI affr~n tnlrUnntnl bae idj biro auff allfa9tl .. ~a Du nodi "betl fam rvnirl1~ .!D .N ..... 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Um so größer wa r die Überraschung, als an läßlich der Neuein ridltung des Pfinzgaumuseums zwei aus Wössingen stam- mende Figuren dieser Epoche, eine Madonna und ein männlicher Heiliger, ans Licht kamen, die mit besonderer Sorgfalt geschnitzt sind '. Leider tragen die Bildwerke schwere Schäden: beiden si nd die Hände sowie die Nase bzw. Nasenspitze abgeschlagen; mit den Händen hat der Heilige seine Attribute, hat die Maria ihr Kind verloren. Dies si nd typische Wunden, w ie sie ein Bi lder- stürmer den ihm verhaßten Idol en zuzufügen pflegte. Fragen wir, wann das geschah, stellt sich ganz a llgemein die Frage nach der Geschichte der Bildwerke. Ehe sie im April 1893 in die dama- lige Großherzogliche Sammlung vaterländischer Altertümer kamen, befanden sich die Figuren im Rathaus von Wössingen. Ein hl. Sebastian und eine weibliche Heilige, die heute verschollen si nd, gehörten noch dazu:!. Es hieß damals, daß die vier Bildwerke aus einer der zwei früheren Kirchen von Wöss ingen sta mmten 3. Diese Angabe läßt sich heute genauer fassen: die Figuren müssen vom Hochaltarsch rein der Kirche zu Unterwössingen herrühren, für den sie am Ausgang des 15. Jahrhunderts, also noch vor der Reformation, geschaffen wurden. Der Ort, der ursprüng- lich in Unter- und Oberwössingen getrennt war, gehörte zur Markgrafschaft Baden; nach den im 16. Jahrhundert erfolgten Erbteil ungen kam er zur Linie Baden-Durlach. Das bedeutet, daß spätestens mit der Kirchenordnung von 1556 U nter- und Oberwössingen evangelisch geworden si nd . Welche Patrozinien die Kirchen in den beiden Ortsteilen zur katholischen Zeit besaßen, ist nicht bekannt; doch wissen wi r, daß zu Unterwössingen eine Kaplanei St. Katharina und eine Kapla nei St. Wendelin gehörten '. Wendel in ist nun auch die Benennung, die w ir aufgr und der ikonographischen Untersuchung unserer männlichen Figur geben müssen. Trotz der Verstümmelung lassen sich die Attribute dieses Heiligen erkennen : der jetzt kopflose Schäferhund, der auf der rechten Seite des Man- nes hockt, vo rne am Sockel der Ansatzpunkt der Hirtenkeule, die der Heilige in der Linken gehalten hat, und schließlich auf der linken Seite ein ebenfalls als Attribut gedachtes, min iatur- haft klein es Felsengebi rge mit buschigen Bäumen und zwei kopflosen Tieren, die wohl Schaf und Schwein darstellten. Wendel in war ei n iroschottischer Königssoh n, der auf den Thron verzichtet hatte und nach einer Rom-Wallfahrt bei Trier ein Einsiedlerleben führte. Er hütete die Tiere eines Edelmannes und pflegte die Herde zu einem weit entfernten Berg, dem heutigen St. Wendel, zu treiben, wo er betete. Darüber geriet der Edelmann in Zorn, weil er glaubte, daß die Tiere nicht mehr rechtzeitig heimkehren würden, was aber wunderbarerweise doch geschah. Wendclin wurde 69 später Abt des Klosters Tholey. Sein Grab fand er auf jenem Berg, zu dem er so oft zum Beten .. HI. Wendelin aus Wössingen, vermutlich Straßburger Arbeit, Ende 15. Jhdt. gezogen war. Vielleicht soll das kleine Felsmassiv zu Füßen unserer Figur eben diesen Berg andeu- ten. Die besondere Kleidung des Heiligen: über violettem Gewand trägt er eine rote Pelerine mit Kapuze und einen breitkrempigen roten Hut (kann sowohl Pilger- wie Hirtentracht sein); nur wenn sich auf der jetzt abgeschlagenen vorderen Hutkrempe eine Muschel, das typische mittel- alterliche Pilgerabzeichen, befand, war eindeutig das Pilgergewand gemeint. Als Schutzpatron des Viehs war Wendelin im späten Mittelalter ei n viel verehrter, volkstümlicher Heiliger, der in der spätgotischen Kunst oft dargestellt wurde, so z. B. nicht weit von Wössingen in dem 1523 datierten Beiertheimer Altar 5. Dadurch, daß glücklicherweise St. Wendelin als Patron der einen Kaplanei in Unterwössingen überliefert ist, läßt sich die Kirche dieses Ortsteiles als ursprünglicher Standort unserer Figuren bestimmen. Die Größe der Bildwerke - die Muttergottes ist immerhin 114,5 cm hoch - legt es nahe, in ihnen die Reste des Hochaltarretabels zu sehen. Wenn die beiden verschollenen Figuren, Sebastian und eine weibliche Heilige, auch dazu gehörten - wofür die übereinstimmenden Maße sprechen -, müßten wir aus Gründen der Symmetrie sogar einen stattlichen, mit fü nf Bildwerken gefüllten Altarschrein annehmen: ZU Seiten der Madonna standen dann je zwei Figuren. Die Ver- stümmelung der Skulpturen geht wahrscheinlich auf die Reformationszeit zurück. Danach mögen die Figuren auf dem Kirchenspeicher verschwunden sein . Vielleicht hat man sie erst wiederent- deckt, a ls nach dem Neubau einer Kirche für ganz Wössingen, die 1821-1822 nach dem Entwurf Weinbrenners entstand, die beiden alten Gotteshäuser abgerissen wurden. Reste einer steingrauen Bemalung, die über den jetzt freigelegten Spuren original er Fassung lag, sprechen dafür, daß man die Figuren im 19. Jahrhundert "aufgefrischt" hat. Trotz aller Beschädigungen, trotz des weitgehenden Verlustes der ursprünglichen Fassung, die den Bildwerken etwas Leuchtendes gegeben hatte - während wir heute den stumpfen dunklen Holzton sehen -, ist noch so viel künstlerische Substanz vorhanden, daß wir die Leistung des Schnitzers zu erkennen vermögen. Beide Skulpturen stehen auf hohen mitgeschnitzten Architektursockeln, wobei derjenige der Maria durch reichere Profilierung ausgezeichnet ist. Auch die Körperhaltung entspricht sich hi er und dort : mit leichtem Tritt ist das unbelastete rechte Bein, das "Spiel"bein, vorgeste ll t, auf der Gegenseite schwingt die Hüfte aus, die Schulter folgt dieser Schrägstellung, d. h. die rechte Schulter hängt herab, doch der Kopf ist wieder aufgerichtet, beim Wendelin sogar der erhöhten Schulter zugeneigt. Dadurch ergibt sich ein Aufbau in schwingender gotischer S-Linie, der alle gewichtigen ruhenden Horizontalen meidet. Bei der Madonna als der Hauptfigur ist die Schwin- gung stärker ausgeprägt; durch die Neigung des Oberkörpers nach rückwärts - a ls Gegenbewe- gung zu dem ehemals vorne auf dem link en Arm sitzenden Kind - gew innt sie auch noch an räumlicher Tiefe. Das ruhige Antlitz der Maria mit dem nur eben angedeuteten Lächeln in den Mundwinkeln war ursprünglich wohl als stilles Gegenbild zum Christkind gedacht, das die Spätgotik quirlig-bewegt - wie ein richtiges Kind - darzustellen pflegte. Der H eilige dagegen zeigt die Vorliebe der Zeit 71 für ed le Charakterköpfe von schmerzlich-bewegtem Ausdruck . Scheinbar bildnisgetreu in der • Madonna aus Wössingen, vermutlich Straßburger Arbeit, Ende 15. Jhdt. genauen Wiedergabe der Einzelheiten, jeder Runzel, jeder Locke, ordnen sich die Formen doch nach dem Gesetz künstlerischer Ebenmäßigkeit ; auch der Ausdruck bleibt verhalten im Sinne spätmi ttelalterlicher Frömmigkeit. Die Gewänder sind auffallend knittrig. Dies gilt wieder für die Marienfigur in besonderem Maße: nach dem weitgehenden Verlust der Fassung mit ihren sondernden Farben ist es oft schwer zu unterscheiden, was Kleid, was Kopftueh, was Mantelfutter, was Außenseite des Mantels ist . Der Blick schräg von der Seite zeigt, wie auch hier die Gewandgebung nicht abgerundet, sondern die Tiefe räumlich zu staffeln versucht. Maria trägt ein eng tailliertes blaues Kleid mit Pelzbesatz am Hals, wie es zu Ende des 15. Jahrhunderts Mode war, darüber einen goldenen, rotgefütter- ten Mantel, d. h. eigentlich ei n loses Tuch, das unter den Ellenbogen hochgenommen ist und dessen ei ne Bahn quer über den Leib gezogen ist, so daß sie vorn e den Unterkörper deckt. Offen herabfallendes Haar, Schleier und Kronreif kennzeichnen die Gestalt a ls die jungfräuliche Him- melskönigin; der Mond zu ihren Füßen ist das Attribut des apokalyptischen Weibes (Offenba- rung 12, 1), das von der mittelalterlichen Theologie seit dem 12. Jahrhundert oft mit Maria gleichgesetzt wurde. Gerade bei diesen Motiven zeigt sich die Lust des Künstlers an ein er kompli- zierten Verknüpfung der Formen: der Schleier deckt nicht nur das Haupt der Mutter, sondern diente mit sei nem Ende auch als Unterlage für das - sicher nackt dargestellte - Kind; und die Mond- sichel muß sich gleich in zwei Kleidungsstücken - Rocksaum und Mantelsaum - verfangen. Auch der Schäferhund des Wendel in ist halb vom Mantel des Heiligen verdeckt. Beide Figuren tragen spitze Schuhe, wie sie nach dem Jahr 1500 nidn mehr Mode waren. Die nächstverwandten Skulpturen - auch sie heute Eigentum des Badischen Landesmuseums - stammen aus der Kirche von Knielingen, ebenfalls einem altbadischen Ort, welcher zum Gebiet der protestantischen Durlacher Linie zählte ' . Die ursprüngliche Aufstellung der Knielinger Figu- ren läßt sid, nicht mehr mit Sicherheit bestimmen. Vielleicht stand das große Vesperbi ld in der Mitte des Hochaltarschreins und die Anna Selbdritt ebenda als Seitenfigur, während die kniende Maria Magdalena zur Kreuzigung im Gesprenge gehörte. Oder es handelte sich um einen Kreuzaltar mit der Kreuzigungsgruppe im Schrein; in diesem Fall wäre zumindest das Vesper- bild a ls isoliert aufgestelltes Andachtsbild zu denken . Obwohl durch den Holzwurm hier viel von der Oberfläche zerstört wurde, lassen sich Gemeinsamkeiten mit den Wöss inger Figuren er- kennen: die Gesichter mit den tiefliegenden Augäpfeln, den scharf umrissenen, schweren Ober- lidern, die Bildung des Halses bei der Wössinger Madonna und der Maria des Vesperbildes, die fei ne knittrige Behandlung der Binnenfalten, überhaupt die genaue Ausarbeitung der Einzel- fo rmen, und schl ießlich die Bändigung dieser kleinteiligen Unruhe durch den geschlossenen Umriß . Wir sehen uns hier der Spätform eines Stiles gegenüber, der den großen, oft versch lun genen, aber immer räumlich aufgelockerten Faltenwurf schätzte, der Gestalt und Gewand gerne vonein- ander zu lösen versuchte, um dadurch ein reiches Gegenspiel ihrer Formen zu erzeugen (Da ngols- heimer Maria im Museum Berlin-Dahlem, Hochaltar der Nördlinger Georgskirche). Doch jetzt sind aus der ehemals großzügigen Faltenfülle kleine scharfkantige Splitterformen, aus den 73 Raumtiefen zwischen Mantel lind Körper schmale Schluchten geworden. Neu ist, daß nun der Kopf des hl. Wendclin Vesperbild aus Knielingen, vermutlich Straßburger Werkstatt, um 1500 • Umriß die räumliche Bewegung zusammen faßt, wodurch die bildhaft-flächige Ansicht der Skulp- tur betont wird. Bei den Knielinger Figuren - vor allem bei der Anna Se1bdritt - ist darüber hinaus auch ein Flacherwerden der einzelnen Motive festzustellen . Sie dürften deshalb etwas später als die Wössinger - schon um die Jahrhundertwende - entstanden sein. Doch sonst ist vom Neuen der Renaissance-Zeit noch nichts zu spüren. Seinem Ursprung nach ist dieser Stil straßburgisch. Das spricht dafür, daß die Wössinger und Knielinger Bildwerke aus einer bisher nicht mit Meisternamen belegbaren Straßburger Werkstatt stammen; auch andernorts in der Markgrafsdtaft, in Baden-Baden, Oos und Beiertheirn, hat man sich damals Altäre in diesem Hauptort spätgotischer Schnitzerkunst bestellt. Anmerkungen 1 Bei diesen Figuren handelt es sich um Dauerleihgaben des Badischen Landesmuseums, die sich seit 1924 im Pfinzgaumuseum befinden . - Maria, Höhe mit Sockel 114,5 em, Inv.-Nr. C 6704; hl. Wendelin, Höhe mit Sockel 104,5 em, Inv.-Nr. C 6706; beide aus Lindenholz, dreiviertelrund, rückseitig ausgehöhlt. Herr Restaurator Anton Rommel hat die Figuren im Sommer 1975 von übermalungen befreit und gereinigt. 2 Hl. Sebastian, Höhe 110 em, Inv.-Nr. C 6703; weibliche Heilige, Höhe 111 em, Inv.-Nr. C 6705 . 3 Die Kunstdenkmäler des Großherzogturns Baden, -Bd. IX, 1, Kreis Karlsruhe, Amtsbezirk Bretten, Tübingen 1913, S. 162 ff. erwähnt die Figuren nicht. Für Auskünfte und Hi lfe bin ich Herrn OttO Bickel, Herrn Dr. Hans Huth, Herrn Dr. Hermann Rückleben, Herrn und Frau Pfarrer Hans-Ulrich Schulz und Herrn Dr. Hans Martin Schwarzmaier zu Dank ver- pflichtet. 4 Wössingen im Wandel der Zeit, 1971, S. 69. 5 Ausstellungskatalog Spätgotik am Oberrhein, Meisterwerke der Plastik und des Kunsthand- werks 1450-1530, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe 1970, Nr. 147-152, Abb. 130. 6 Alle drei Figuren aus Lindenholz, Fassung abgelaugt. Vesperbi ld Höhe 106,5 em, untere Breite 53 em, Inv.-Nr. C 1993; Anna Selbdritt, Höhe 112 em, Inv.-Nr. C 1996; Maria Mag- dalena, Höhe 70,5 em, Inv.-Nr. C 1992. Nähere Angaben bei A. v. Schneider, Die plastischen Bi ldwerke, Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseum, Karlsruhe 1938, Nr. 90-92, Taf. 44-46, und bei Spätgotik am Oberrhein (Anm. 5), Nr. 112-113, Abb. 104. Aus Knie- lingen stammten außerdem die heute verschollenen Figuren: Christus am Olberg, Holz, Höhe 68 em, Inv.-Nr. C 1994, und ein Holzrelief mit männlicher Figur, Höhe 70 em, Inv.-Nr. C 1995; der Zusammenhang dieser bei den mit den drei hier behandelten Figuren ist unklar. Laut Inschrift am Westturm wurde der spät gotische Bau der Knielinger Kirche 1480 begonnen (siehe: Die Kunstdenkmäler Badens, Bd. IX, 5, Karlsruhe-Land. Karlsruhe 1937, S. 157). 76 Ernst Schneider Durlach im Wandel der Jahrhunderte Im Uf- und Pfinzgau lassen sich sei t der Mitte des 12. Jahrhu nd ertS die Sta ufer nachweisen. Sie konnten in diesem Raum vor allem als Inhaber der Vogtei über klösterlichen Besitz, in erster Li nie des Klosters Weißenburg, Fuß fassen. Im Pfinzgau kam dem heutigen Turmberg bei Du rl ach eine wichtige Stellung der staufischen Macht zu. Zwischen 1187 und 1196 sind di e Staufer in den Besitz der Burg Grötzingen (auf dem Tu rmberg) gelangt, haben die G rafschaft im Pfinzgau und die weißenburgischen Lehen an sich gezogen. Als ihr bedeutendstes Werk im Pfinzgau gilt die Gründung der Stadt Du rlach, die in den Jahren 1191/92 wohl gleichzeitig mit Etdingen durch Kaiser H ein rich VI. erfolgt sein dürfte. D ieser Kaiser hielt sich vom Dezember 11 91 bis Mai 1192 - eine ungewöhnlich lange Zeit - in Weißenburg, H agenau und Speyer auf. Im Jahre 11 96 weilte H einrich VI. in Durlach und hat hier zwei Urkunden ausgestellt. Und aus dem Jahre 11 96 stammt die erste urkundliche Erwähnung von Du rlach als "oppidum" . Diese Fak ten bewei- sen, daß Du rlach im Jahre 11 96 als Stadt bestanden hat. Vorher ist der Name nicht nachzuweisen. Wie andere frühe Stauferstädte liegt Du rl ach an der Grenze zwischen Altsiedel- und Rodun gs- land , zwischen Ebene und Hügelland. Von Bedeutung ist auch die Lage an der alten Straße von Frankfurt nach Basel. Die Stauferstad t Durlach, woh l a ls Festungsstadt gedacht und im Bereich der Gemarkung Grötz ingen angelegt, wurde durch ein 5traßenkreuz bestimmt, dem sich im Laufe der Jahrhunderte vier Stadttore anschlossen. Vo n dieser Stauferstadt ist nichts mehr erhalten. Durlach zählt aber auch zu den Städten, die durch Anlehnung an ei ne berei ts vorhandene Burg entstanden sind. Diese Burg erhob sich auf dem heutigen Turmberg und ist, entgegen Angaben im Durlacher Schrifttum, ä lter a ls die Stadt. Zu Ende des 11 . Jahrhunderts haben auf diesem Berg die Grafen von Hohenberg ihre Burg err ichtet. Das Gebiet gehörte seit dem 8. Jahrhundert dem Kloster Weißenburg, die Burg stand vo r der Gründ ung von Durlach auf Grötzi nger Ge- markung und heißt deshalb auch "castrum Grecingen". Von hi er aus kolonisierten die H ohen- berger den H ardtwa ld und gründeten das Kloster Gottesaue. Im 12. Jahrhundert war diese Burg Sitz der G rafen von Grötzingcn, die in engen Beziehungen zu den Staufern standen. Auch die Grabungsergebnisse lassen den Sch luß zu, daß diese Burganlage vor 1100 entsta nden ist. Nu r weni ge Jahre verblieb Du rlach in staufischem Besitz. Markgraf H ermann V. von Baden (11 90-1243) hatte sich mit Irmingard, der Tochter des welfischen Pfal zgrafen Heinrich des Jüngeren, verheiratet. Dadurch wa r er in den Besi tz der Stadt Pforzheim und ei nes Teils der braunschweigischen Güter gelangt. Im Jahre 1219 tauschte H ermann V. von Kaiser Friedrich 11. die Reichs- und Stauferstädte Lauffen, Eppingen und Sinsheim als P fa ndschaften, Etdingen als Lehen und Du rlach a ls Eigentum gegen die bra unschweigischen Güter. In einer späteren U rkunde vom November 1234 wurde dieser Tausch durch Kaiser Fried rich II . nochmals bestäti gt . Mit Durlach war sicher die Burg Grötzingen an die badischen Markgrafen gekommen, auch die Vogtei über das Kloster Gottesaue, aber nicht der gesamte Stauferbesitz. Für die markgräfliche Städtepolitik bedeutete diese Erwerbung, daß dad urch eine Verbindung vom oberrhei nischen Gebiet zu den a lten markgräflichen Besitzungen am mittleren Neckar geschaffen werden konnte. Die Markgrafen förderten die Stadt und bauten sie aus. Die überlieferung ist zu dürftig, um den Ausbau Durlachs vom 13. bis 15. J ahrhundert genauer verfolgen zu können. Selbst über ein so hervorstechendes Merkmal der mittelalterlichen Stadt, nämlich die Stadtummauerung mit den Stadttoren und -türmen, lassen sich zur Entstehung keine genauen Angaben mad1en. Die Stadtmauer erscheint urkundli ch als Lagebenennung seit dem 14. J ahrhundert und umschloß ursprünglich das von der (heutigen) Bienleinstor-, Zunft-, Amt- haus- und Kclterstraße gebi ldete Oval. Im 15. Jahrhundert wurde die Stadtmauer nach Nord- osten hinausgerückt, 1468 wurde das Blumentor errichtet. Früh belegt si nd die Kirche (ecclesia Durlach 1255) und die mittela lterl iche Ticfburg, auf deren Stelle die spätere Karlsburg mit dem heutigen Prinzessinnen bau errichtet wurde. Für den Rang Durlachs als Stadt ist auch die Verleihung des Marktrechts von Bedeutung. Am 10. August 1418 verlieh König Sigismund der Stadt das Recht, jährlich zwei Jahrmärkte, auf St.-Jakobs- und St.-Gallen-Tag, abzuhalten. Dies ist die friiheste Nachricht über die Abhaltung von Jahrmärkten in Durlach. Das Marktwesen wurde .wie überhaupt das öffentlid,e Leben durch Ord nungen geregelt, die 1536 im Durlacher Rechtsbuch zusammengefaßt wurden, aber sicherlich schon lange vo rher bestanden. Sowohl die Königsurkunde von 1418 als auch das Rechtsbud1 von 1536 befinden sich im Stadtarchiv Karlsruhe. Als im Jahre 15 35 die Markgrafen Ernst und Bernhard den Vertrag über die Teilung der Mark- grafsd1aft schlossen, erhi elt Ernst neben seinen bisherigen Besitzungen u. a. die Städte, Schlösser, Amter pforzheim, Durlach, Mühlburg. Er wählte Pforzheim als Residenz, die sein Nachfolger, Markgraf Karl 11. , im Jahre 1565 nach Durlach verlegte. Durlach - Residenz der Markgrafen von Baden-Durlach. Dies wirkte sich zunächst im Stadt- bild aus. Im Vordergrund stand der Bau des Residenzschlosses, der Karlsburg, aber auch Stadt- mauer und Stadttore wurden erneuert, Straßen und Plätze wurden gepflastert. Die Durlad1cr wurden von manchen Abgaben befreit. Das Verhältnis des Landesherrn zu den Einwohnern sciner Residenz wird in besonderer Weise durch den Inhalt einer am 17. Mai 1567 ausgestellten Urkunde gekennzeichnet. Karl I I. sprach in dieser Urkunde die Befreiung der "E inwohner und gantzen Gemeindt unser Statt Durlach" von der Leibeigensd1aft gegen Bezahlung einer bestimmten Summe aus. In diesem "Servitut" sah der Landesherr ein großes Hindernis für die Entwick lung seiner Residenzstadt. Auch diese Urkunde wird im Stadtarchiv Karlsruhe verwahrt. Als selbstbew ußter Landesherr hat Karl TI. die Errichtung einer Münzstätte ins Auge gefaßt (Ende 1571). Von 1572 bis 1575 wurden unter Karl 11. Münzen geprägt : Taler, Halbbatzen, Dreier und Pfennige. Die Talerprägungen von 1575 waren nur von kurzer Dauer und gehören heute zu den Seltenheiten. Unter Karls Sohn, Markgraf Ernst Friedrich, wurd e 1586 das Dur- 78 lacher Gymnasium vollendet und eingeweiht. Zahlreiche bedeutende Gelehrte haben an diesem Gymnasium gewirkt. Diese Entwicklung der Residenzstadt auf den verschiedensten Gebieten fiihrte im 17. Jahrhundert zu schweren Rückschlägen. Der 30jährige Krieg lastete schwer auf den Oberrheinlanden, aud, auf Durlach und sei ner Bevölkerung. Nur langsam gelan g es, normale Verhältnisse zu schaffen, als das Land vom Pfälzischen Erbfolgek ri eg heimgesucht wurde. Schicksalstag für die Stadt und ihre Bewohner wurde der 16. August 1689 : an diesem Tag ging Durlad1 in Flammen auf. Das Schloß brannte bis auf den Prinzessinnenbau ab. Nur wenige Häuser blieben verschont. Unter den zahl reichen Maßnahmen, die nach diesen schw eren Kriegsjahren zur Förderung der Stadt ergriffen wurden, ist der von Markgraf Fried rid1 Magnus seiner Residenzstadt am 3. April 1699 erteilte "Freiheitsbrief" zu nen nen . Die bisherigen Privilegien blicben bestehen, also auch die Befreiung von der Leibeigenschaft. Wer ein modellmäßiges Haus baute, war 20 Jahre lang von gewöhnlichen und außergewöhnl ichen Abgaben und Lasten befreit, auch von Frondiensten. Die Sorge um das Wohl der E inwoh ner geht aus folge nder Stelle dieser Urku nde hervor: "Uns wi rd auch übrigens immerfort gelegen sein, die jetzige sowohl als künftige Bürger und Inwohner dieser unser lieben Statt Durlach nicht all~in bey guter auskömm licher Nahrung zu conserviren und zu schützen, sondern auch darin von Tag zu Tag nach Möglichkeit zu verbessern ... " Auch dieser "Freiheitsbricf" zähl t zum Bestand des Karlsruher Stadtarchivs. Mitten in den nur langsam vorankommenden Wiederaufbau der zerStörten Stadt trat ein Ereig- nis, durch das die weitere Entwicklung von Durlach einen empfindlichen Stoß erlitt: 1715 ver- legte Markgraf Karl Wilhelm seine Residenz von Durlach nach Karlsruhe. Man darf diesen Vor- gang nicht isoliert, nur auf Durlach bezogen sehen. Durlach zählt zu der Städtcgruppe an der Bergstraße und am Gebirgsrand, die als planmäßige Gründung ebenso wie andere Randstädte längere Zeit landesherrliche Residenz war und im 18. Jahrhundert diese Funktion an die Neu- gründungen in der Ebene abtreten mußte. Die Stadt DurIach war sich der Folgen, di e sich aus diesem Verlu st ergaben, durchaus bewußt. Wohl versuchten die Markgrafen Ka rl Wilhe1m und vor allem Karl Friedrich, die Wirtschafts- kraft der Stadt zu fördern. Es entstanden im 18. Jahrhundert Fabriken oder Manufakturen, die auf landesherrliches Privileg hin gegründet und mit zahlreichen, immer wieder erneuerten Frei- heiten von Abgaben, Steuern und Zöllen ausgestattet wurden. Diese industriellen Versuche sind als Ausdruck des merkantilistischen Wirtschaftssystems zu sehen. Sie haben sich für die Stadt öfters nachteilig ausgewirkt: wiederholt waren ihre Besitzer unter Hinterlassung von Schulden "echap- piert". N ur eine dieser Gründungen hat das 18. Jahrhundert überdauert: die Fayencefabrik . Im Jahre 1779 befaßte sich der Durlacher Rat mit der Frage über die Errichtung einer Univer- sität. Aus zwei Gründen sei dieses Vorhaben genannt: zum einen zeigt es das Bemühen der städti- schen Organe um Mittel und Wege für die Entwicklung der Stadt, zum andern aber gibt dieses Vorhaben Aufschluß über allgemeine Durlacher Verhältnisse des 18 . Jahrhunderts. Wegen des Universitätsprojektes hat sich der Durlacher Rat am 30. April 1779 in einer ausführlichen Bitt- schrift an den Landesherrn gewandt. Darin wird die wirtschaftliche Lage, die Armut und der • Zerfa ll der Stadt in bewegten Worten geschildert. "Hätte Durlach das unschätzbare Gl ück eines solchen Instituts, so würden die Brandstätten und Lücken der Stad t, welche bisher traurige Zeugen der Un vermögenheit der Inwohner sind, bald in modellmäßige Gebäude verwandelt seyn, schlechte Lotterfall en niedergerissen, zu tauglichen Häusern gemacht, an dere um ei n Stockwerk erhöhet und die ganze Stadt nach und nach verschönert werden.« Nach diesem Zeugnis hatte Durlach im ausgehenden 18. Jahrhundert die Folgen langer Kriegs- jahre noch nicht überwunden. Erst die im 19 . Jahrhundert eingetretenen territorialen, politischen und wirtschaft lichen Veränderungen schufen auch für Durlach ein en Wandel. Vor a llem war es die zunehmende Industrialisierun g, die nicht nur neue StädtetypeIl SdlUf, sondern auch die älteren Städte veränderte. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist in D urlach ein wi rtschaftlicher Auf- schwung zu verzeichnen. Als im Jahre 1903 die Durlacher Gewerbe- und Indust rie-Ausstellu ng veranstaltet wurde, befanden sich unter den 230 Ausstellern 132 Durlacher Firmen. Eine wichtige Voraussetzung für diese Entwicklung bildete der Ausbau der Verkehrsverbindun- gen, vo r a ll em der Bahnbau (Lini en H ei delberg - Karlsruhe, Durlach - Mühl acker, Kraichgau- bahn). Aber auch städtische Einrichtun gen wurden geschaffen wie das Gaswerk (1861) und das Wasserwerk (1896/97). Um die Jah rhundertwende wuchs die Stadt weit in das Umland hinein . Eine wesentliche Strukuränderung brachte der aufs trebenden Stadt das Jahr 1938, in dem sie in die Großstadt Karlsruh e eingegliedert wurde . . Die Geschichte einer Stadt und ihrer Bewohner is t Spiegelbild der Landes- und Reichsgesch ichte. Durlach, von den Staufern gegründet, seit dem 13. Jahrhu ndert Markgrafenstadt, 150 Jahre lang Residenz der Markgrafen von Baden-Durlach, ha t in dieser jahrhundertelangen territoria- len Zugehöri gkeit Zeiten friedliche r Entwicklung und Entfaltung, aber auch schwere, von K rieg, Not und Armut geprägte Jahre erlebt. Alle diese Schicksalssch läge hat die Durlacher Bevölke- rung gemeistert. Der Gegenwa rt obliegt die verpfli chtende Aufgabe, sich dieser Tradition bewußt zu sein und das überlieferte Kultu rgut zu bewah ren. Dieser Aufgabe dient auch das neugestaltete Pfin zgaumuseum . Hinsichtlich der Revolutionsdokumente 1848/49 des Pfinzgaumuseums verweisen wir auf "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs" Band 2 Die Badische Revolution 1848/49 im Pfinzgaumuseum erhältlich (DM 2,-) Vorankündigung: Als Band 4 der "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs" wird erscheinen: Ernst Schneider Durlacher Volksleben 1500 - 1800 Volkskundliches aus archivalischen Quellen
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/literatur/stadtarchiv/HF_sections/content/ZZmpZbwlSRBoIy/Pfinzgaumuseum.pdf
Mühlburg - Streifzüge durch die Ortsgeschichte MÜHLBURG Streifzüge durch die Ortsgeschichte INFO Verlag · Mühlburg . Streifzüge durch die Ortsgeschichte MÜHLBURG Streifzüge durch die Ortsgeschichte 750 Jahre Müh lburg 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Müh lburg 100 Jahre Bürgerverein Mühlburg 100 Jahre Radsportverein Karlsruhe 100 Jahre Bayernverein Weißblau Almfrieden Hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Ernst Duo Bräunehe in Verbindung mit dem Bürgerverein Miihlburg, dem Bayernverein Weißblau Almfrieden, dem Radsportverein Karlsruhe und der Freiwilligen Feuerwehr Miihlburg •• INFO VERLAG KARLSRUHE Herausgeber Stadt Karlsruhe - Stadtarchiv Ernst Otto Bräunche Produktion INFO Verlagsgesellschaft Karlsruhe Käppelestraße 6 . 0-76131 Karlsruhe Postfach 3367 . 0-76019 Karlsruhe Telefon (0721) 61 78 88 . Fax (0721) 62 12 38 ISDN (0721) 96 13 850 . info-verlag-karlsru he @t-on line.de Gesamtgestaltung Thomas Lindemann Satz Christoph Morlok Michael Neurohr Mitarbeit Constanze Jung Bernd Vi llhauer Titelbild Blick auf die 1942 abgebrochene alte Mühle am Lameyplatz . Foto 1926 Repros Li thostudio 75 Vorho lzstraße 25a . 76137 Karlsruhe Druck rufdruck GmbH Im Husarenlager 13 . 76187 Karlsruhe Ged ru ckt auf 1000/0 chlorfrei gebleichtem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Mühlburg : Streifzüge durch die Ortsgeschichte ; 750 Jahre Mühlburg ; 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Mühlburg ; 100 Jahre Bürgerverein Mühlburg ; 100 Jahre Radsportverein Karlsruhe ; 100 Jahre Bayernverein Weißblau Almfrieden I hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Ernst Otto Bräunehe in Verbindung mit dem Bürgerverein Mühlburg ... - Karlsruhe : INFO Verl., 1998 ISBN 3-88190-227-9 Alle Rechte vo rbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, ohne Genehmigung des Verlages nicht gestattet. ISBN 3-8B190-227-9 OBERBÜRGERMEISTER PROF. DR. GER HARD SE ILER ERNST OITO BRÄUNCHE HARALD RINGLER ANGELI KA SAUER DANIELA BLANCK THOMAS MEYER ERNST OITO BRÄUNCHE ULRIKE DEISTUNG KURT ERNST ERNST OITO BRÄUNCHE HAGEN BLUCK . EUGEN SINGER . HORST WEBER KURT ERNST KARIN REITZ BARBARA HUBER· EMIL REITZ . AUGUST VOGEL FRANZ KLEINWÄCHTER . RICHARD DOLDE ANGELIKA SAUER ERNST OITO BRÄUNCHE KATJA L1NDER Inhalt Geleitwort ....................................... ................................................................... 7 Grußworte .......................................................................................................... 8 I. 750 Jahre Mühlburg - Stre ifzüge durch die Ortsgeschichte Die Eingemeindung .. ..... ...... ............................................................................. 1 2 Mühlburg im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ......................... 1 7 Revolution 1848/ 49 ...... ............... .......................... .......................................... 26 Karl Friedrich Benz (J 844-1929) ................................................................ 31 Mühlburg als Stadtteil .................... ............................................................... 37 Mühlburg im Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik ........... 37 Mühlburg im Dritten Reich ........................................................................... 42 Die städtebauliche Neuordnung in den 50er Jahren ........................ 56 Nachkriegszeit ................................................................................................... 76 Die Kirchen .. .......................................................................................... .............. 90 Die Schulen ... ...... .............................................. ...... .......................................... 100 Die Brauerei Seideneck .................... ...... ...................................................... 108 Die Maschinenfabrik Seneca .......... ........................................... ............... 114 Der Rheinhafen ...................... ...... ......... ........................................ ................. 120 Häuser und Straßen .................................................................................... 126 11. Fotodokumentation : Mühlburg gestern und heute ...................................................... 160 111. Mühlburger Vereinsgeschichte : Ein Überblick .............. 184 IV. 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Mühlburg .................... 198 100 Jahre Bürgerverein Mühlburg .......................................... 230 Mei liewes Mühlburg .................................... ............................................... 244 100 Jahre Radsportgemeinschaft Karlsruhe ................... 250 100 Jahre Bayernverein Weißblau Almfrieden ............. 268 V. Mühlburger Vereine ............................................................................ 277 Literatur ............................................................................................................ 284 Ortsindex .......................................................................................................... 286 Personenindex ................................................................................................ 290 Bildnachweis ................................ ..................... .............................................. 295 Aktuelles Luftbild von Mühlburg. Foto : Horst Pompei. f:\ 1. Januar 1886 wurden Karlsruhe und Mühlburg vereinigt, nachdem die beiden Städte in den Jahren zuvor bereits zügig aufeinander zu gewachsen waren . Mühlburg profi- tierte dabei auch vom Wachstum der aufstreben- den badischen Haupt- und Residenzstadt. Zum ei- nen waren die Gasthäuser der Stadt traditionell ein beliebtes Ausflugsziel der Residenzstädter, zum anderen fanden auch viele Mühlburger in der auf- strebenden Karlsruher Industrie Arbeit. Diese Vereinigung war für beide Partner von Vorteil. Die Mühlburger mußten nun weniger Ab- gaben zah len, Gas- und Wasserpreise fielen, der Wert der Liegenschaften stieg. Karlsruhe hatte im Gegenzug in den folgenden Jahren den nötigen Raum für eine weitere Ausdehnung. Heute ist Mühlburg ein voll in das städtische Le- ben integrierter Stadtteil, mit dem Karlsruhe gerne dieses besondere Jubiläumsjahr 1998 fe iert. Mühl- burg kann auf eine mindestens 750jährige Ge- schichte zurückblicken, die Freiwillige Feuerwehr wird 150 Jahre alt, und gleich drei Vereine - der Geleitwort Bürgerverein, die Radsportgemeinschaft Karlsru he und der Bayernverein Weißblau Almfrieden - feiern ihr 100jähriges Bestehen. Ich freue mich, daß im Rahmen des attraktiven und vielseitigen Festpro- gramms auch dieser Bildband erscheinen kann, der zug leich Geschichtsbuch und Vereinschronik ist. Das ehrenamtliche Engagement in den Vereinen und bei der Freiwilligen Feuerwehr für diese Fest- schrift, die große Bereitschaft der Mühlburger und Mühlburgerinnen, dem Stadtarchiv Bilder zur Ver- fügung zu stel len, sowie die professionelle Betreu- ung durch Stadtarchiv und INFO Verlag haben ein Buch zustande gebracht, das über das Jubiläums- jahr hinaus auf das Interesse der Alt- und Neu- mühlburger und der ganzen Stadtbevölkerung stoßen wird. PROFESSOR DR . GERHARD SEILER Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe o Im vorigen Jahrhundert, genau am 10. März 1848, schlossen sich einige beherzte Männer aus verschiedenen Bevöl keru ngssch ichten zusam- men, um einen geordneten Brandschutz zu organi- sieren. Dieses Jubiläum ist ein Anlaß, all den Män- nern zu gedenken, die vor 150 Jahren diese Freiwil- lige Feuerwehr Mühlburg gegründet und im weite- ren Verlauf geformt haben. All denjenigen Kameradinnen und Kameraden sei hier heute mein ganz besonderer Dank ausge- sprochen, ebenso den Abteilu ngskommandanten. Sie alle haben mit ihrem besonderen Einsatz und ihrer Kameradschaft es ermög licht, daß wir heute auf 150 Jahre Feuerwehrgeschichte der Freiwilligen Feuerwehr Mühlburg zurücksehen können . Herzlichen Dank auch unseren Familienangehö- rigen für ihre Unterstützung und ihr großes Ver- ständnis, das sie uns für die Erfüllung unserer nicht immer sehr leichten Aufgaben entgegenbringen. Gerade diese Aufgaben haben sich natürlich im Laufe der Jahre sehr verändert. War es zur damali- gen Zeit nur die Brandbekämpfung, die im Vorder- grund stand, so liegt heute ein sehr großer Anteil o Grußwort im Umweltbereich sowie in der technischen Hilfe- leistung. Eine solide Ausrüstung und die Bereitschaft, sich ständig aus- und weiterzubilden, war und ist uns heute noch eine Notwendigkeit, um den techni- schen und fachlichen Aufgaben gerecht zu werden. Diesen heutigen Stand unserer Wehr haben wir durch das Verständnis und das entgegengebrachte Interesse der Stadtverwaltung erreicht. Ihr gebührt unser besonderer Dank. Möge der gute Geist, der die Wehrleute beseelt, erhalten bleiben, damit die Wehr auch in Zukunft die anfallenden Aufgaben und Herausforderungen erfüllen kann, getreu dem Wahlspruch der Feuer- wehr: "Gott zur Ehr - dem Nächsten zur Wehr". Allen, die in irgendeiner Form zum Gelingen des Jubiläumsfestes beitragen, möchte ich im Namen der Wehr meinen Dank aussprechen. JÜ RGEN REiTlE Abt. Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Karlsruhe-Mühlburg Guten Morgen, guten Tag, guten Abend, gute Nacht, Ha llo, Servus, Grüß Dich, Bonjour, Salü, Grüezi ... Grußworte, die wir täglich an unsere Mitmenschen senden. Herzlich mit einer freundschaftlichen Miene, einem Lächeln auf den Lippen, gedankenlos, ernst und sach lich oder lei- dend mit heruntergezogenen Lippen. Grußworte - Grüß Dich Mühlburg, Du Sieben- hundertfünfzigjährling, so alt bist Du und doch so jung. Hallo, Du Bürgerverein Müh lburg, Du Einhun- dertjährling, ich grüße Dich und Deine Vorstands- damen und -herren, vor al lem aber Deine Mitglie- der und alle Mühlburgerinnen und Mühlburger, die in Deinen Mauern leben, lieben, arbeiten, feiern, traurig sind oder erschöpft. Guten Morgen allen Kranken, auf daß der Mor- gen Hoffnung bringt und Linderung der Leiden. Grußworte auch diesem Buch, grüß Dich liebes Mühlburg, erzähl mir aus Deiner Vergangenheit, sprich zu mir, ohne N, laß Deiner Phantasie freien Lauf und schenk mir gute Gedanken. Grußwort Grußworte - laßt es nicht die letzten sein, laßt uns Grüße senden an unsere Mitmenschen, laßt es nicht die letzten sein. Guten Morgen liebes Mühlburg! KURT ERNST Erster Vorsitzender des Bürgerverei ns Mühlburg 1898 e.v. Mit Freude und Stolz dürfen wir in diesem Jahr 199B unseren 100. Geburtstag fei-ern. Geselligkeit und Freude am Radfah- ren standen Pate bei der Gründung des Vereins vor 100 Jahren. Die kulturelle Arbeit, von den Grün- dungsmitgliedern begonnen, wurde von wackeren und einsatzbereiten Männern gemäß unserem Wahlspruch "In Sturmesbraus ziehn wir hinaus" in Kameradschaft weitergetragen. Ihnen allen gilt unser Dank. Möge dieser Jubiläumsbildband mit dazu beitra- gen, Interesse und Freude am Radfahren bei Jung und Alt zu wecken, ob für den Leistungssport oder im Breitensport, zur Wahrung der Tradition und zur Sicherung der Zukunft unseres Vereins. Bei allen Mitgliedern, Freunden und Gönnern möchte ich mich recht herzlich für Ihre Treue und Unterstüt- zung bedanken. Unserem Verein wünsche ich für die Zukunft alles Gute und eine positive Weiterentwicklung, sowie allen Gästen und Festbesuchern ein paar schöne erlebnisreiche Stunden bei der Radsport- gemeinschaft Karlsruhe "RSG" und Ihren Jubilä- umsveranstaltungen. RÜDIGER ORTNER Erster Vorsitzender der Radsportgemeinschaft Karlsruhe Grußwort zu unserem 100jährigen Jubiläum sagen wir allen Lesern dieser Jubiläumsschrift ein herz-liches "Grüß Gott". 100 Jahre Vereinsleben, das heißt schon etwas, denn gerade die heutige, von der Hektik, dem ma- teriellen Denken und den Massenmedien geprägte Zeit, braucht Menschen, die Idealismus und Liebe zum althergebrachten Brauchtum mitbringen und dieses pflegen. In der wechselvollen Geschichte unseres Vereins waren wir stets bemüht, die alten Traditionen zu erhalten, und auch Frohsinn und Humor kamen nicht zu kurz. Mit unserem Wahlspruch "Sitt und Tracht der Alten wollen wir erhalten" wünschen wir allen Lesern dieser Jubiläumsschrift eine anregende Lektüre. KURT URBAN Erster Vorstand der Bayern- und Trachtenvereinigung Weißblau Almfri eden e. V. Immer wenn in den letzten Jahren ein Kar lsruher Stadtteil ein Jubiläum feiern konnte, hat sich das Stadtarchiv als das Zentrum städtischer Ge- schichtsarbeit durch eine Publikation daran betei- ligt. Sowohl historische Jahrestage als auch Ge- denktage gehören zu den festen Bestandteilen der historischen Bildungsarbeit. Mühlburg kann in diesem Jahr nun sogar fünf Jubiläen feiern, was das Stadtarchiv veranlaßte, mit der Konzeption des Bildbandes "Müh lburg. Streif- züge durch die Ortsgeschichte" neue Wege zu ge- hen. So ist ein Band entstanden, in dem der Schwerpunkt auf dem Bild liegt. Neben Bildern aus den Beständen des Stadtarchivs, die oft von profes- sionel len Photographen wie z. B. Wilhe lm Kratt oder Horst Schlesiger stammen, enthält das Buch auch etliche Amateuraufnahmen, die von Privat- personen nach einem Aufruf über die Presse zur Verfügung gestellt worden sind. Ulrike Deistung hat diese archivisch bearbeitet, so daß nun auch die Bilder, die aus Platzgründen keine Aufnahme fin- den konnten, den an der Ortsgeschichte Mühlburgs Interessierten im Stadtarchiv zur Verfügung stehen. Die Bilder des Buches werden natürlich in den historischen Kontext eingebettet entweder als Be- standteil der Textbeiträge oder durch entsprechen- de Erläuterungen. Hier haben professionelle Histo- Vorwort riker und Historikerinnen Hand in Hand mit den Ju- bi läumsvereinen und der Freiwilligen Feuerwehr gearbeitet, die von Mitgliedern geschriebene Text- beiträge zur Verfügung stellten. So ist dieser Band ein gutes Beispiel für Kooperation und Synergieef- fekte zwischen dem Stadtarchiv und den Vereinen. Al len an der Produktion dieses Buches Beteilig- ten möchte ich für die gute Kooperation danken. Die Autoren und Autorinnen haben auch in der hei- ßen Endphase der Buchproduktion schnell und zu- verlässig ihre Beiträge und die Korrekturen abgelie- fert. Kat ja Linder hat das Personenregister erstellt. Der INFO Verlag Karlsruhe und die Druckerei ruf- druck haben unter denkbar knappen Zeitvorgaben die Buchgestaltung und den Druck bewältigt, so daß diese "Streifzüge durch die Mühlburger Orts- geschichte" pünktlich zum Mühlburger Festtag er- scheinen. DR. ERNST OITO BRÄUNCHE Leiter des Stadtarchivs Karlsruhe Als diese Aufnahme van Nordwesten gemacht wurde, war Mühlburg noch keine 25 Jahre Stadtteil der badischen Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe. Deutlich zu erkennen sind (van links nach rechts) die Gebäude der Moschinen- fabrik Seneca, die Türme der St.-Peter-und-Paul-Kirche, die Malzfobrik Wimpfheimer und die Karl-Friedrich-Gedächtnis- kirche, die nach ihren alten Turm hat. ERNST ono BRÄUNCHE Die Eingemeindung Als Mühlburg zum Jahreswechsel 1885/86 mit der benachbarten Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe vereinigt wurde, so ll zu mitternächtlicher Stunde ein Festzug mit Fackeln und Musik von Mühlburg nach Karlsruhe geplant gewesen sein. Auf eine diesbezügliche Zeitungsmeldung hin hatten sich auch zah lreiche Karlsruher und Karlsruherinnen an der Grenze zwischen Karlsruhe und Mühlburg ver- sammelt, um sich dieses Schauspiel "einer romanti- schen Stadtvermählung" nicht entgehen zu lassen. Sie mußten all erdings unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen, da sie offens ichtlich einer Zei- tungsente aufgesessen waren. Dennoch wurde die Eingemeindung auch in Mühlburg, und zwar am 11 . Januar 1886, mit einem Festm ahl im Gasthaus Zum Hirschen gebührend gefeiert. 1 Die Eingemeindung war seit längerem vorberei- tet worden. Ein Ortsbereisungsbericht des Bezirks- amts Karl sruhe sprach sich schon 1883 für eine Vereinigung aus, als Karlsruhe mit Mühlburg we- gen Gemarkungsabtretungen verhandelte. Der Mühlburger Stadtrat lehnte dies am 19. März 1885 zwar ab, schlug aber Verhandlungen über eine Ver- einigung bei der Städte vor. 2 Am 1. Mai 1885 beriet der Bürgerausschuß Karlsruhe über die Eingemein- Streifzug durch die Mühlburger Geschichte bis Kriegsende 1945 dung, die von der Stadtverwaltung mit einer aus- führ li chen Begründung vorbereitet worden war : "Die Stadtgem ei nde Karlsruhe hat im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl (über 53.000) eine sehr klei - ne Gemarkung (784 ha 74 a) . Fast nach allen Rich - tungen reichen die Bauquartiere bis zur Grenze und würden sie vielfach überschreiten, wenn es nicht in Auf diesem Plan aus dem Jahr 1885 ist die Mühlburger Gemarkung zum Zeitpunkt der Eingemeindung eingezeichnet. Im Sommerstrich im Osten der Gemarkung, um die sich die Stodt Karlsruhe schon vor der Eingemeindung bemüht hotte, sind einzelne Brauereigebäude zu erkennen, ebenso der Verlauf der Maxou-Bahn im Süden, an die Mühlburg seit 1862 angeschlossen war. Ja. aß. BlUdtt.G tuatt. 1886. ~ef~nntm~d)unß. ~emli ,1I)kb 6donnl eClllo~t, boi ble no4Pt'eribm l5ltoien btf e tGblleill Illn~16Ut8 lolgmbe Slcnntn'.llmbeqlnaen ItfO~ttll: -, , 1 le 61t~ttlae -~n~IPto&e ~it' l<it IiIlmk'IIPtofie, , "- ,, ' • tlbrerntal!e.. l!olllt~fltafie, S. • IIbraquctnrilfie • • lUdne, elt4fie, " ". '. e410jPtaie • • 8U6Ptaee, ~ • ltollerntafie.. ~btPrafie, "6. • 'Wrlebrl4'Pta&e.. 'lllotrtProi .. "1. • ,e4Ulerflnfie.. \!5ebonPtoie, 8. ber • 1lla:rt~lo~ , •• l!lnbenl>r~. er er~Art ble ,il,urla4er l!oabPtol!e, 10lOdt fle GIIf ltatl.~tr (itlllarfunB liegt , lur beuUI4eren Unterl4dbune bon ber Ut~er Ilat.. ," ' ie llonbPtait 1~lr4en bCIII Illn~16UtBttI~t&ain~of uab ber ral~. ltlt4e In Illn~16Utg ~att ben Slamtn ltGller,Vlae .. ltCltr'ru~e, ben,29. 3anuGr 1886. IZtllbtfllt. ", eltne;lt'. Bekanntmachung der Straßenumbenennungen anlößlich der Eingemeindung, den letzten Jahren gelungen wäre, verschiedene Gemarkungserweiterungen herbeizuführen," 3 Da- mit war die erste Eingemeindung nach Karlsruhe einge leitet, sieht man einmal von Klein-Karlsruhe ab, das 1812 mit der Stadt vereinigt wurde. In den ersten 150 Jahren se it der Stadtgründung war die- se f lächenmäßig durch Gemarkungserweiterungen vor allem auf Kosten des herrschaftlichen Grundbe- sitzes noch nicht einma l auf das Doppelte ange- wachsen, obwohl die Bevölkerung seit 1718 auf mehr als das 15fache angestiegen war. Neben der unzureichenden Gemarkungsfläche führte man eine Reihe von Argumenten für diese Eingemeindung ins Feld: "Die Bewohner von Stadt- quartieren auf fremder Gemarkung genießen fast all e Vorteile der Stadt: sie schicken ihre Kinder in die städtischen Schulen, sie benützen die städt i- schen Straßen und Plätze, in ihren Diensten stehen Angehörige der arbeitenden Klassen, die hier wohnen und im Falle der Erwerbsunfähigkeit die öffentliche Hilfe hier in Anspruch nehmen; sie haben ferner teil an den hiesigen Einrichtungen für Feuerschutz, öffentliche Sicherheit, Gesundheit und Rei nli chke it; sie betreiben vielfach hier ihre Geschäfte, haben hier ihre Kundschaft und sind überhaupt in ihrer wirtschaftlichen Existenz auf die Stadt angewiesen, wogegen aber ihre Steuer- kapita li en anderwärts umlagepflichtig sind." 4 Dar- über hinaus sah man vor allem die Gefahr, daß die Großindustrie aus der zu engen Stadtgemarkung herausdränge, Desha lb hatte Karlsruhe versucht, Müh lburg zur Abtretung der östl ich des Schwimmschulwegs, der heutigen Yorckstraße, gelegenen Gemarkungsteile zu bewegen. Dies hät- te für Mühlburg den Verlust der Steuereinnahmen der dort angesiedelten Union-Brauerei, der chemi- schen Fabrik Dr. Schmittborn und der Fabrik elek- trischer Apparate Schwert in Höhe von 6.000 Mark bedeutet. 5 Da auch die Karlsruher Stadtverwaltung zugeben mußte, daß eine Veräußerung der ins Auge gefaßten Gebiete die "vitalsten Interessen" Mühl- burgs schwer schädigen würde, das ja ebenfalls nur über eine sehr kleine Gemarkung verfügte, be- schritt man im Jahr 1885 gern den von Mühlburg selbst ins Gespräch gebrachten Weg einer Ein- gemeindung, die zum 1. Januar 1886 vollzogen wurde. Diese war nach der badischen Gemeindeordnung von 1831 bzw. der Städteordnung von 1874 mög- lich durch die Auflösung einer Gemeinde per Landesgesetz, das nach der Zustimmung der beteiligten Gemeinden auch problemlos am 12. Dezember 1885 erlassen wurde. Die Karlsruher Gemarkung wuchs damit am 1. Januar 1886 um 212 ha, von denen der Großteil, nämlich 181 ha Acker- und Wiesen waren. Die Einwohnerzahl stieg um 4.106 auf 61.078. Von diesen Einwohnern wur- den 1885 nur 32, also weniger als 1 % der Bevölke- rung als "Arme" durch die Gemeinde unterstützt. 6 Nuitsstraße (heute Marktstraße) und aus dem Marktplatz der Lindenplatz. Die Mühlburger Land- straße wurde in Kaiserallee umbenannt. 7 Zwei Mit- glieder des Mühlburger Gemeinderats, die dieser in seiner letzten Sitzung am 22. Dezember 1885 be- stimmte, bekamen einen Sitz im Karlsruher Stadt- rat, 9 Mitglieder des Bürgerausschusses wurden Karlsruher Stadtverordnete. Bürgermeister Wilhelm Wörner übernahm die Aufgaben eines städtischen Ratsschreibers für Mühlburg. Gemeinderechner Bi- schoff wurde in den Ruhestand versetzt. Diese Vereinigung brachte für beide Partner Vor- teile : in Mühlburg konnte die Gemeindeumlage um mehr als die Hälfte gesenkt werden. Das bis dahin übliche Pflastergeld wurde abgeschafft, die Preise für Gas und Wasser fielen, das Schulgeld wurde er- mäßigt, und die Liegenschaftspreise stiegen. Außer- dem erhielten die Mühlburger die Zusage, daß Ih- nen das sogenannte Gnadenholz, das an die 200 äl- testen Bürger verteilt wurde, weiterhin gewährt werde. Auch die zwei Wochenmärkte durften wei- terhin stattfinden. Die Freiwillige Feuerwehr konn- te ihr Vermögen behalten und über ihre Sterbe- kasse verfügen . Die Stadt verpflichtete sich zudem, die im Hardtwald gelegene Düngerlagerstätte zu In Mühlburg mußten nach der Ver- einigung etliche Straßen umbenannt werden : aus der Bahnhofstraße wurde die Eisenbahnstraße (heute Nuitsstra- ßel. aus der Schloßstraße die Albstraße (heute Teil der Lameystraße), aus der Adlerquerstraße die Kleine Straße (heute Sternstraße), aus der Kaiserstra- ße die Hardtstraße, aus der Friedrich- straße die Marktstraße (heute Sedan- straße), aus der Schillerstraße die ";~-~" ... .." '~"I verlegen, da diese die westlichen Stadt- teile und auch Mühlburg bei West- oder Nordwestwind erheblich mit Geruch be- lästigte. Außerdem wollte sich die Stadt Karlsruhe bei der Karlsruhe-Mühlburger und Durlacher Pferde- und Dampfbahn- gesellschaft für eine Ermäßigung der Sonntagsfahrkarte von 15 auf 10 Pfennig einsetzen. 8 , ' :~ \., \ Der letzte Bürgermeister von Mühlburg, Wilhe/m Wörner. Zwar mußte nun die Karlsruher Ge- meindeumlage geringfügig erhöht wer- Die Pferdebahn fuhr seit September 1877. Mühlburger Marktszene in der Marktstraße. den, dafür war nun - zumindest vorerst - der nöti- ge Raum für die weitere Ausdehnung der Stadt vorhanden. Die bereits durch die Maxaubahn 1862 näher zusammengerückten Städte, zwischen denen seit 1877 auch eine Pferdebahn verkehrte, wuchsen in den folgenden Jahren rasch zusammen. Mühlburg im Mittelalter und in der frühen Neuzeit Mit Mühlburg war ein Ort eingemeindet worden, der heute auf eine viel längere Geschichte als die Stadt Karlsruhe selbst zurückb licken kann, nämlich auf mindestens 750 Jahre, wenn man die Erster- wähnung in einer Urkunde der Markgrafen von Ba- den aus dem Jahr 1248 als Maßstab nimmt. Mit dieser in "Mulenberc" ausgestellten Urkunde über- trugen die Markgrafen Hermann und Rudolf ihr Lehen in Eichstett bei Emmendingen an Hesso von Üsenberg .9 Wie bei nahezu allen mittelalterlichen Erster- wähnungen ist aber davon auszugehen, daß der Ort oder in diesem Fall die Burg älter ist. Das Gebiet um Mühlburg war schon in der Römerzeit besiedelt, wie Funde aus dieser Zeit belegen. In einer Urkunde aus dem Jahr 1258 wird die Burg Mulenberc aus- drücklich als "castrum mulenberc" erwähnt. Es han- delte sich um ein sogenanntes Weiherhaus, ein turmähnliches Gebäude mit einem doppelten Was- sergraben. 10 Die Vermutung liegt nahe, daß zu diesem Zeitpunkt bereits eine Mühle vorhanden war, die dem Ort den Namen gab. Die Mühle an der Alb war Bannmühle für die benachbarten Dörfer Beiertheim, Bulach, Hagsfeld , Knielingen, Neureut und Rintheim, d. h. diese Dörfer durften aus- schließlich in der Mühlburger Mühle mahlen lassen. Die Mühlburg war aber ursprünglich königlicher Besitz, dessen sich die badischen Markgrafen in der Zeit des Interregnums, als die Königsmacht darnie- derlag, bemächtigt hatten. Nach dem Ende der staufischen Regierung mit dem Tod des letzten Stauferkaisers Konrads IV. im Jahr 1254 hatten vie- le kleinere Territorialherren dies genutzt, um sich Königsgut anzueignen, darunter auch die badi- schen Markgrafen. 1265 wird Markgraf Rudolf von Baden als Besitzer der Burg erwähnt. Als im Jahr 1273 das Interregnum mit der Wahl Rudolfs von Habsburg beendet war, machte sich dieser sogleich an die Rückgewinnung des verlorenen Königsguts und "eroberte, von dem Kriegsg lück begünstigt, die sehr festen Schlösser und Städte Mulenberc, Cre- zingen und Durlach und ganz Schwabenland jen- seits des Rheines, welches dem Markgrafen gehör- te." 11 Mühlburg wurde kurzfristig wieder Reichs- burg, welche die Nichte König Rudolfs, die einen der Söhne Markgraf Rudolfs heiratete, als Wittum bekam. 12 1330 erhielt Markgraf Rudolf IV. nach dem Tode seines Vetters Rudolf Hesso Mühlburg als Reichsle- hen. 13 1372 bekam Markgraf Rudolf VI. die Rhein- zö ll e zu Selz und Mühlberg. 14 Ende des 14. Jahr- hunderts ist ein Hans Cunzmann Amtmann in Mühlburg. 15 Diese recht fragmentarischen Infor- mationen belegen, daß die Quellen zur Mühlburger Geschichte im Mittelalter sehr spärlich sind. Daran änderte sich auch in den folgenden Jahrzehnten nichts wesentliches. Erst 1424, als Mühlburg wo- chen lang von feindlichen Truppen der oberrheini - schen Städte Basel, Freiburg, Straßburg u. a. bela- gert wurde und allen Angriffen widerstand, rückte die offensichtlich stark befestigte Burg wieder in den Mittelpunkt. Die Auseinandersetzung des --- Die "1 o teste Ansicht von Mühlburg und Umgebung. Plan der oberen und unteren Hordt um 1560. Markgrafen mit den Städten wurde mit der soge- nannten Mühlburger Richtung beigelegt. 1430 wi- derstand die Festung erneut heftigen Angriffen, diesmal des Erzbischofs Raban von Speyer. 16 Seit dem 15. Jah rhundert war Mühlburg auch Sitz des gleichnamigen Amtes, obwohl es nach wie vor kein Dorf, geschweige denn eine Stadt war. "Es lebte hier niemand, der nicht in einer Beziehung zur Festung stand, die zugleich Sitz des Amtmannes war, der die Rechte des Markgrafen in den umlie- genden Dörfern wahrnahm." 17 Näheres erfahren wir aus einem Zinsbuch, das auf das Jahr 1468 datiert wird. Ihm ist zu entneh- men, daß es zu diesem Zeitpunkt zwei Mühlen gab, eine als "neu errichtet" gekennzeichnete Ölmühle und eine ältere herrschaftseigene Mühl e, von der Mühlburg wohl den Namen hatte. 18 Außerdem gab es noch eine Gastwirtschaft, die ein Jost Klump von Durlach betrieb. Es wird mit einiger Berechtigung vermutet, daß diese Wirtschaft den Hande lsleuten als Herberge diente, die an dieser Stelle ihren Zoll - eine vom Reich verliehene Einnahmequelle des Markgrafen - entrichten mußten. Zur Gastwirt- schaft gehörten 110 Morgen Acker- und Wiesfeld. 19 1516 vergab Markgraf Philipp I. die Mühle an Bal - this Gymsel von Schwäbisch Hall als Erblehen. 1534 wird Zimbrecht von Hefen-Ebertstein als Beständer genannt. 1561 kauft Markgraf Karl die Mühle für 600 Gulden zurück. Zu diesem Zeitpunkt gab es vermutlich noch eine zwe ite Mühle, denn 1552 wurde eine Ordnung über Holzabgaben nach der Erbauung einer Holzmühle erlassen.2o Außerdem wird in den Quellen immer wieder eine "Dubadurn" genannt, offensichtlich ein Tau- benturm, der die Schloßküche mit Eiern und Jung- vögeln versorgte. Ausgrabungen vor dem Ersten Ausschnitt aus dem nebenstehenden Plan mit Schloß Mühlburg. Zu erkennen sind auch die Mühle und der Taubenturm. Weltkrieg stützen die Vermutung, daß er im Bereich der heutigen Lameystraße stand. 21 Eine, wenn auch kleine Rolle sp ielte Mühlburg im Bauernkrieg : 1525 ließ Markgraf Philipp aufständische Bauern in der Burg einsperren. 22 Bei der badischen Landesteilung von 1535 kam Mühlburg zur Linie Baden-Pforzheim, später Ba- den-Durlach. Um diese Zeit soll Markgraf Philipp I. das "alte Wasserhaus" zu einem Schloß ausgebaut haben. 23 1542 siegten die kaiserlichen Truppen in der Schlacht bei Mühlburg über die protestanti- schen Fürsten. 24 Unter Markgraf Philipp (1527-1533) begann der Ausbau der Burg zu einem Schloß. Markgraf Karl (1553-1577) nutzte Mühlburg als Sommerresidenz, Markgraf Ernst Friedrich (1577-1604) soll sie um 1600 prächtig eingerichtet haben. 25 Nach wie vor war der Ort aber eine von einigen wenigen Gebäuden umgebene Burg, ein kleiner Burgflecken. Während des 30jährigen Krieges sam- melte sich bei Mühlburg zunächst die markgräfli - -=..:::... ~- --~~-:-: .. _ ... oben: Rekonstruktion des Mühlburger Schlosses von Dtto Linde aus dem Jahr 1917. Linde arbeitete alle damals verfügbaren Unterlagen ein, darunter auch eine unvollendete Ansicht von Hans Schmalkalder. Taubenturm, Ausschnitt. IJ I.,,, ".'NM'/ h",.. """"""",,,. IIUI"f"N J.,fIW/ll_,..""",,,,,,, .. 1' /'~J.~"t,,--/"'-7'" /-J,._r/'Y"~ Das Schloß Mühlburg vor der Zerstörung 1689. r1 . .... che Artillerie, die von hier aus in die Schlacht bei Wimpfen zog und dort Tillys Truppen unterlag. Die Sieger brandschatzten und plünderten daraufhin die Markgrafschaft, darunter auch Mühlburg. 1632 hielt Martin Zeiller in seinem "Teutschen Reyss- buch" fest, daß Mühlburg nach der markgräflichen Niederlage "ganz verderbt und verbränt worden". 26 Mühle und Gastwirtschaft waren zerstört. 1667 erhielt jedoch ein Franz Strauß eine Wirt- schaft, die nun die "Strauß-Wirtschaft" 27 hieß. In 11*,"",.",1" -/'--?'*'-n-- ?HI' ,."..,. r#/ 1..,""",..,. diesem Jahr wandten sich die Mühlburger Bürger an den Landesherren mit der Bitte, ein eigenes Sie- gel führen zu dürfen. Sie erhielten aber nicht das ursprünglich vorgeschlagene Wappen, das in ge- spaltenem Schild vorne den badischen Schrägbal- ken und hinten ein halbes Mühlrad vorgesehen hatte, sondern das bis zur Eingemeindung gültige Wappen. Der Markgraf persönlich hatte den Ent- wurf geändert, ohne daß der Hintergrund dieser Entscheidung bekannt ist. Im Polnischen Erbfolgekrieg (1733- 1735) befand sich hier das französische Hauptquartier. Markgraf Friedrich VI. ließ das zerstörte Sch loß wieder aufbau- en und zwar "viel herrlicher, als es je ge- wesen", wie es bei dem Hofprediger Jo- hann Fecht heißt. 28 Architekt war der 1667 nach Durlach berufene Augsburger Architek- turtheoretiker Georg Andreas Böckler, der beim Wiederaufbau die noch erha ltenen Teile des Sch los- ses integrierte. "Der breit ge lagerte Wohnba u des Schlosses bestand damals aus einem Mitteltrakt, zu dessen kleinerem zweiten Obergeschoß umlaufende Pultdächer den Übergang bildeten, einem der östli- chen Hofseite zu vorgesetzten Mittelturm und zwei seitlich in der Längsachse angebauten, sch lichten Flügeln. Dem Mitteltrakt war auf der westl. Rück- seite eine auf drei Bogen ruhende Terrasse vorgela- gert. Seitlich vom Schloß lagen die Wirtschaftsge- bäude, gegenüber ein Torbau mit Turm" 29, be- schreibt ein Zeitgenosse das Sch loß. Am 20. April 1670 verlieh der Markgraf Mühl- burg Stadtrechte und er ließ die entsprechenden Stadtprivil eg ien, die Mühlburg zur Handels- und Gewerbestadt werden lassen sollten. 30 Der Frei- heitsbrief wurde ged ruckt und in der Markgraf- schaft sowie in den umliegenden Ländern verbrei - tet. Mühlburg wird als "nächst dem Schloß daselb- sten mit etlich wenig anderen Gebäuden besetzt gewesener Ort" bezeichnet, in dem künftig "aller- hand Manufacturen und Gewerbe nutzbarlich getrieben werden könnten". 31 Einfluß auf diese markgräfliche Entscheidung dürfte auch die ver- kehrsgünstige Lage Mühlburgs gehabt haben : hier kreuzten sich die Straße von Basel nach Mannheim und die Ost-West-Verbindung Pforzheim-Durlach- Das Mühlburger Wappen : In gespaltenem Schild vorne in Gold ein roter Schräg balken, hinten in Grün ein silbern er Hirschkopf. Knielingen, hier befand sich die Zoll- station zw ischen Baden-Baden und Ba- den-Durlach. Besonders erfo lgreich war der Aufruf wohl nicht. 1678 wohnten gerade einma l zwölf Bürger und vier Hintersassen in Mühlburg. Diese beantrag- ten am 15. April 1678 die Befreiung von allen Kriegslasten. 32 Mühlburgs Aufwärtsentwicklung wurde auch schon bald wieder durch kriegerische Ereignisse unterbrochen: Als französische Truppen während des Pfälzischen Erbfolgekrieges die Dörfer und Städte am Oberrhein plünderten und in Brand steckten, wurde Mühlburg erneut in Schutt und Asche gelegt. Die 60 Mann Besatzung unter Leut- nant Haas waren nach Durlach abgezogen worden, dessen Zerstörung sie allerdings nicht verhindern konnten. 33 "Das Schloß zu Mühlburg mit allen desselben Gebäuwen und Behausungen sambt dem langen Stall, so zwischen beeden Gräben ge- standen, item das Wäschhaus und anders ist in anno 1689, den 26ten Aug. durch den feindlichen frantzösischen Einfall sambt den Bevestungen völlig eingeäschert, übern Haufen geworfen und folglich totaliter ruiniret worden" 34 berichtet ein Zeitgenosse. Mit dem Wiederaufbau der Stadt, nicht aber des Sch losses, wurde begonnen. Die Steine des Sch los- ses fande n 171 5 beim Bau des Karlsruher Schlosses Verwendung. Auch die 1689 zerstörte Mühle wur- de nicht wieder aufgebaut. Erst Ende des 18. Jahr- hunderts entstand wieder eine Mühle, die bis 1877 in Betrieb war und erst 1942 abgebro- chen wurde. 1699 erneuerte Markgraf Friedrich Magnus auch die Stadtpriv il e- gien, mit denen er Ansiedlungswilligen, die ein modellmäßiges Haus bauten, u. a. 20 Jahre Abgabefreiheit versprach. Diese Zusicherungen zogen nun offensichtlich eine Reihe neuer Anwohner an. Zu- nächst kamen fünf jüdische Familien, aber auch ein katholischer Biersieder Prinz Wilhe/m Ludwig von Boden (1732-1788). Die Gründung der neuen Residenz Karls- ruhe warf die Stadt Mühlburg natürlich zurück. Ein Teil der Einwohner zog um, neue Bürger ließen sich kaum noch nie- der. Immerhin bestanden 1732 sechs Wirtschaften, 1741 waren es schon 41 bei 685 Einwohnern, was für den klei- nen Ort ein ähnliches Überangebot an Wirtshäusern bedeutete wie für das be- und etli che Waldenser wurden genannt. Schon zu dieser Zeit gab es eine Reihe von Wirtschaften . In den Einwohnerverzeichnissen von 1688 bis 1719 werden ein Hirsch-, Strauß-, Löwen-, Schwanen-, Blumen- und ein Ochsenwirt genannt. Daß es nicht immer ordnungsgemäß in diesen Wirtschaften zugegangen sein mag, belegt die Notwendig- keit, daß wegen der "Nichteinhaltung der Feier- abendstunde" die Ortspolizei des öfteren eingreifen mußte, was "die zeitweise Schließung von Wirt- schaften zur Folge gehabt und so lches vorbildliche Wirkung" gezeigt habe. 35 1709 waren in Mühlburg 44 Bürger, 10 Hintersassen und 17 Juden ansässig. 36 Kurz vor der Gründung von Karlsruhe hatte Mühl- burg 521 Einwohner, von denen nahezu zwei Drit- tel Protestanten waren - zum Vergleich: in Du rlach lebten 1709 2.826 Einwohner. 37 Zu diesen 52 1 nachbarte Karlsruhe. 39 Im Jahr 1815 be- richtete der erste Karlsruher Stadtchronist Theodor Hartleben, daß die Bewohner der Residenz am Wo- chenende "fleißig" die "gut eingerichteten Gasthö- fe" der Nachbarstadt besuchten. 40 Von ein iger Bedeutung für Mühlburg war der Entschluß des badischen Prinzen Wilhelm Ludwig, auf Mühlburger Gelände für seine bürgerliche Ehe- frau ein Freigut zu erwerben, das die Vorausset- zung dafür war, daß sie zur Freifrau von Seideneck geadelt werden konnte. 1769 entstand eine Krapp- fabrik, ein Jahr später eine Brauerei, die bald den Kundenstamm der ehema ligen Brauerei Gottesaue übernahm.41 Die Seidenecks kauften in den folgen- den Jahren einen Großteil der Mühlburger Gemar- kung und wurden zum größten Grundbesitzer. Be- reits 1765 war von einem Straßburger Kaufmann eine Segeltuchfabrik gegründet worden. Besser zäh lten 200 Eheleute, 7 Witwer, 19 Wit- wen, 17 Knechte, 7 Lehrjungen, 44 Mägde, 64 Schulkinder und 76 kleinere Kinder. Bürgermeister war zu dieser Zeit Philipp Ludwig Hetz. Zu den Bürgern gehörten u. a. Hans Georg Dhollt, Hans Bernet Ermel, Hans Jakob Nagel, Stefan Nill, Hans Jerg Schlotterbeck, Ludwig Sutter und Johann Werner.38 Christine schortmonn, Freifrau von Seiden eck. ging es der Stadt allerdings erst zu Be- ginn des 19. Jahrhunderts, als die wachsende Residenz Karlsruhe auch für Mühlburg einen Aufschwung brachte. Viele der Mühlburger Handwerker und Taglöhner fanden dort Arbeit. 1814 zäh lte Mühlburg 714 Einwohner, besaß eine Schule, seit 1719 eine Kirche und 96 Wohn - und 43 Nebengebäude.42 Dieser Plan zeigt Mühlburg und Umgebung um das Jahr 1700. Postkarte mit dem Seldeneck'schen Schlößchen, einem der öltesten Mühlburger Ge- böude, dos 1965 abgerissen wurde. Blick auf Mühlburg um 1830, Lithographie van Velten. Eine Mühlburger Biertischgesell- schaft im Gast- haus "Zum Hirschen", 1856. Die Berufe verteilten sich folgendermaßen: je 1 Bierwirt, Brauer, Brauereibesitzer, Chirurg, Kaffee- fabrikant, Dreher, Wagner, Kaminfeger, Müller, Hut- macher, Seifensieder, Färber, Strumpfstricker, je 2 Zimmerleute, Hufschmiede, Schlosser, je 3 Nagel - schmiede, Seiler, Schreiner, je 4 Krämer, Maurer, Bäcker, je 5 Metzger, Schneider, 7 Schuhmacher, 8 Schildwirte, 18 Leinen- und Bildweber. 43 Zu den Wirten gehörte auch jener, der den russi- schen Zaren veranlaßt haben soll, seine Reise von Rastatt nach Karlsruhe im November 1818 kurz zu unterbrechen. Der Mühlburger Wirt hatte sein Haus festlich geschmückt und mit der Aufschrift verse- hen "Es lebe Zar Alexander! Er ist unser bester Ver- wandter!" Der darüber amüsierte Zar ließ anhalten und dankte seinem Verehrer, der ihm auf diese Wei- se seine Anerkennung dafür aussprechen wollte, daß er sich für das noch junge Großherzogtum Ba- den eingesetzt hatte. 44 Um 1800 bauten die Karlsruher Kaufleute Griesbach - der spätere erste Karlsruher Ober- bürgermeister - und Reuther eine Tabakmühle an der Mühlburger Brücke. Im Laufe des 19. Jahrhun- derts folgten weitere gewerbliche und industrielle GrÜndungen. 45 1843 zählt "das kleine, aber freundliche Städt- chen Mühlburg ... in seinen 160 Häusern 1500 Ein- wohner", wie Eugen Huhn in dem Stadtführer "Karlsruhe und seine Umgebungen" festhält. 46 Huhn schreibt weiter, daß Mühlburg nicht zu den vermögenden Gemeinden gehört: "Seine Bewohner sind auf wenige Gewerbe und Ackerbau be- schränkt; der Nähe von Karlsruhe wegen, von wo man durch stets bereitstehende Fiaker zu jeder Zeit um wenige Kreuzer hierher fahren kann, gibt es hier aber mehrere viel besuchte Wirtshäuser. Mühl- burg hat eine Krappfabrik und eine Fischbeinfabrik, von welchen die letztere erst in jüngster Zeit ange- legt wurde, ebenso eine Mühle und ein Schlößchen, das den Freiherren von Seideneck gehört, die hier sehr begütert sind." 47 Revolution 1848/49 Über die Ereignisse in Mühlburg während der Revo- lution 1848/49 ist bislang nur sehr wenig bekannt. Am 21 . März 1848 beriet eine Gemeindeversamm- lung zwar über die Einrichtung einer Bürgerwehr, beschloß aber mit der Gründung zu warten, bis das entsprechende Gesetz erlassen sei .48 Knapp vier Monate später, am 12. Juli beriet man über die An- schaffung von Gewehren, was auf die Existenz ei- ner Bürgerwehr schließen läßt. 49 Unter der Leitung des Pfarrers Dr. Konrad Friedrich Emil Otto bestand auch ein Volksverein. Dieser Pfarrer Otto war ganz offensichtlich auch die Ga llionsfigur der Revoluti - on in Mühlburg. Ein amtlicher Bericht bezeichnet ihn deshalb als "Wühler". Im eigentlichen Revoluti - onsjahr 1849 wird er als Obmann und Präsident des Deutschen Vereins und als Verfasser eines Flugblat- tes an die Wähler vom 28. Mai aufgeführt, das zur Unterstützung der Revolution aufforderte. Ob er auch für den folgenden Beschluß des Gemeinderats verantwortlich war, kann aber nur vermutet wer- den. Im Protokoll heißt es: "Geschehen Mühlburg, den 24. Februar 1849 vor dem Gemeinderath. Die Neuzeit als Feindin alles alten Zopfwesens erforderte es dringend, daß aller Unterschied der politischen Gemeindemitglieder aufhört. Der zeiti- ge Gemeinderath verzichtet deshalb auf die bisher in der Kirche gehabten Plätze und überläßt solche den Mitgliedern des Kirchengemeinderaths zur be- Pfälzische Revalutianstruppen, hier beim Übergang über den Rhein bei Knie/ingen, ziehen auf ihrem Weg in die Stadt Karlsruhe auch durch Mühlburg. liebigen Verfügung . Nachricht hiervon dem Vor- stande des Kirchengemeinderaths dahier." Wenig später, am 8. März 1849 ist festgehalten: "Die Er- richtung einer Bürgerwehr betreffend und Schrei- ben des Vorstandes des Deutschen Vereins an den Gemeinderath in obigem Betreff. 1. Solle in Mühlburg eine Bürgerwehr errichtet werden oder nicht? Antwort : Sämtlich einverstanden, und zwar auf dem Grund des Bürgerwehrgesetzes. 2. Solle eine Commission, wie sie die Eingabe des Vorstandes des Deutschen Vereins vorschlägt, er- richtet werden? Antwort : Ja, und zwar 3 Mitglieder vom Deut- schen Verein und 2 Mitglieder von der Feuerwehr, welche beide nur berathende Stimmen haben und den Sitzungen des Gemeinderaths in Bürgerwehr- angelegenheiten beizuwohnen haben. 3. Anerbieten des Deutschen Vereins die An- schaffung der Gewehre betreffend, so wie die Auf- bringung der nöthigen Geldmittel hierzu. Antwort: Das Anerbieten wird mit Dank ange- Die älteste Ansicht des Mühlburger Rathauses aus dem Jahr 1864, Aquarell van B. Pfeifer. nommen und ist der Stadt seiner Zeit, soweit es diese betrifft, Vortrag zu erstatten. Beschluß: Vorstehende Vorschläge werden vom Gemeinderath genehmigt und sind unverzüglich Anstalten zu treffen, um die gewählte Commission sog leich zur Berathung zu veranlassen." Es bestand also ein Deutscher Verein, eine Feuer- wehr und eine Bürgerwehr in Mühlburg während der Revolution. Pfarrer Otto wird auch mehrfach in Untersuchungsakten anderer Mühlburger Revolu- tionäre z. B. von Christian Bauer, Thomas Lahr und Karl Maag genannt, wo vermerkt ist, daß diese von dem revolutionären Pfarrer eine Flinte bekommen hätten. Otto mußte für seine Überzeugung und sein Eintreten für die Demokratie büßen. Am 4. Juli 1849 wurde er verhaftet und wegen seiner Beteili- gung an der Revolution "mit einem gedruckten Aufruf, Majestätsbeleidigung, Aufforderung zur Beteiligung am Aufruhr und eifrigen Förderung der Bewaffnung der Volkswehr" 50 angeklagt. Als er sich weigerte, auszuwandern, verurteilte man ihn am 27. Mai 1850 zu zwei Monaten peinlicher und sechs Wochen bürgerlicher Gefängnisstrafe. Die Strafe hat er offensichtlich nicht abbüßen müssen, da er im Berufungsverfahren "klagfrei" gestellt wurde, d.h., daß er außer den bereits abgegoltenen Strafen keine weiteren mehr aufer legt bekam. 1851 fo lgte seine Entlassung aus dem Kirchendienst. 51 Sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt, 1857 befand er sich nicht mehr im Landamtsbezirk Karlsruhe. Der zweite Mühlburger Revolutionär, der noch lange unter den Folgen seines mutigen Engage- ments für demokratische Rechte zu leiden hatte, war der Fabrikant August Friedrich Deimling, der ebenfa lls zum Vorstand des Deutschen Vereins ge- hörte. Da er mehrere Männer zum Ausrücken an die Knielinger Rheinbrücke und zum Bau von Schanzen veranlaßt haben so llte, wurde sein Vermögen beschlagnahmt. Nach Aberkennung des Staats- bürgerrechts wurde er zusätzlich am 12. August 1850 noch zu vier Jahren Zuchthaus in Abwesen- heit verurtei lt. Offensichtlich war es ihm gelungen, zunächst ins Elsaß, dann in die Schweiz zu fliehen. Nach seiner Begnadigung im Jahr 1857 führte sein Weg nicht nach Mühlburg zurück. Möglicherweise ist er aber identisch mit dem Rentier August Deim- ling, der 1859 erstma ls im Karlsruher Adreßbuch in der Stefanienstraße genannt ist. Dem Vorstand des Deutschen Vereins gehörten auch die Gemeinderäte Gottlieb Ankhelen, Kauf- mann, der Hutmacher Johann Kohler, der Haupt- lehrer Christian Stolz und Karl Zimmermann an, die 1849 alle suspendiert wurden. Da zudem der Arzt des Ortes Dr. Theodor Wagner als Schriftführer des Deutschen Vereins fungierte und als Mitglied der Wahlversammlung zur Vorbereitung der Wahl zur Verfassunggebenden Badischen Versammlung auf- trat, kann man sch li eßen, daß ein nennenswerter Teil der Mühlburger Führungsschicht im Sinne der Revolution tätig war. Insgesamt 39 in Mühlburg wohn hafte Personen fielen den Behörden wegen revolutionärer Aktivitäten auf. Darunter waren zwar einige Personen nur dadurch auffällig gewor- den, daß sie Abonnenten des "Volksführers" waren wie der Lehrer Weber oder der Hirschwirt Schmit, es befanden sich aber auch Mitglieder der deutsch- polnischen Legion wie der Maurer Daniel Schmidt oder der ungarischen Legion wie der Bäcker Johann Dörrfuß darunter. Nach der Niederschlagung der Revolution durch preußische und Bundestruppen mußten die Mühl- burger wie alle anderen badischen Gemeinden zur Bestreitung der Kriegskosten und zur Versorgung der Besatzungstruppen beitragen. Doch befand sich das Mühlburger "Arrestlokal" in einem schlechten baulichen Zustand, so daß drei "liederliche Weibs- bilder", die der Mühlburger Polizeidiener Deck im August verhaftet und in Arrest gebracht hatte, flie- hen konnten. Die Stadt sollte deshalb bessere Ar- restlokale in dem ehemaligen Brauereigebäude der Ritterwirtschaft bauen, das sie kurz zuvor gekauft hatte. Am 20. August 1849 teilte man dem Land- amt mit, daß das alte Arrestlokal wiederhergestellt sei: "Es wird seit dem 26. v. M. durch die preußische Einquartierung benutzt, in dem immerwährend 3 und 4 Arrestanten sich darin befinden. Die Herstel- lung zweier Arrestlokale in dem neuen Schulhause würde einen Aufwand von wenigsten 50 fl [Gul- den] verursachen, und wir sind in dieser bedräng- ten Zeit und durch die starke Einquartierung so wie von Lieferungen von Lebensmitteln & Fourage in eine Schuldenlast von fl ca. 1500 gerathen. Wir sind daher außerstande der Landamtl. Aufforde- rung zu genügen." Der Bau der Arrestlokale blieb Mühlburg zwar erspart, dennoch war man am 6. Oktober 1849 gezwungen, eine Kriegskostenumla- ge zu erheben. Zu diesem Zeitpunkt war das neue Rathaus be- reits erbaut, das bis 1886 als Sitz der Mühlburger Gemeindeverwaltung diente. In einer Festschrift, die an läßlich der 34. Versammlung deutscher Na- turforscher und Ärzte in Karlsruhe im Jahr 1858 er- schien, pries dessen Verfasser Mühlburg als "offe- Progromm zur Feier des Sieges und Friedensfestes am 11. März 1871. Das Kriegerdenkmal auf dem Lindenplatz kurz nach der Errichtung im Jahr 1887. nes, freundliches Städtchen" mit rund 280 meist evangelischen Familien, "einer Pfarrkirche, einem Schlößchen nebst großer Brauerei der Herren von Seideneck, einer bedeutenden Stärkefabrik und mehreren guten Wirtshäusern mit Gärten." 52 Als nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/ 71 das Deutsche Reich gegründet wurde, stieß dies auch in Mühlburg auf eine lebhafte positive Reso- nanz. Am 11. März 1871 fand wie in den meisten deutschen Orten eine Feier des Sieges und ein Frie- densfest statt. Ein Kriegerdenkma l für die 1870/71 gefallenen Mühlburger entstand erst mehr als 15 Jahre später auf dem Lindenplatz vor der Karl- Friedrich-Gedächtniskirche. Es war noch von der Stadt Mühlburg geplant worden, wurde aber erst nach der Eingemeindung am 18. September 1887 feierlich eingeweiht. Im Gegensatz zu den Gebäu- den am Lind enplatz erlitt es 1944 keine größeren Schäden. Wegen Umgestaltungen des Lindenplat- zes mußte es zweima l versetzt werden. Heute ge- denkt es "UNSEREN GEFALLENEN AUS BEI DEN WELTKRIEGEN". In den folgenden Jahren wuchs Mühlburg im Zuge der beginnenden Industrialisierung kontinu- ierlich. Die Bevölkerung fand nun in der benach- barten Residenz in den dort entstehenden Indu- striebetr ieben Arbeit. Seit 1870 bezog man auch aus Karlsruhe vom dortigen Gaswerk das Gas. An Fabriken gab es in Mühlburg selbst zur Zeit der Eingemeindung außer der Seldeneck'schen Braue- rei nur die Badische Kartoffelmehlfabrik Wahl & eie in der Fabrikstraße, die Malzfabrik Leopold Eypper in der Falterstraße, heute Stösserstraße und die Glacelederfabrik Mühlburg vorm. R. Ellstätter in der Hardtstraße. Seit 1862 war Mühlburg auch an den Eisenbahnverkehr angeschlossen. Die Max- aubahn hielt an dem Bahnhof beim Fliederplatz, der heute als Jugendtreffpunkt dient. In dessen un- mittelbarer Nachbarschaft siedelte sich kurz nach der Eingemeindung auch die Eisengießerei Seneca an. Noch kurz vor dem Verlust ihrer Selbständigkeit ehrte die Stadt mit dem Medizinalrat Theodor Wagner einen verdienten Bürger mit einem Ehren- pokal, der 50 Jahre als Arzt in Mühlburg praktiziert hatte. Der 1812 geborene Wagner ließ sich nach erfolgreichem Studium an den Universitäten Frei - burg und Heidelberg mit 22 Jahren in Mühlburg Ehrenpokal der Stadt Mühlburg für Medizinalrat Wagner, 1885. nieder, wo er bald zu den Honoratioren des Ortes gehörte. Wagner gründete zahlreiche land- wirtschaftliche Vereine in Karlsruhe und Umge- bung, den Geflügelzuchtverein sowie den ärztlichen Verein und zählte zu den Mitbegründern des Karls- ruher Tiergartens. Für seine Verdienste ehrte ihn Ein anderer großer Sohn Mühlburgs, von dem man sagt, er gehöre zu den Personen, welche die Welt auf Räder gestellt haben, hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Heimatort bereits lange verlassen. Karl Friedrich Benz (1844 - 1929) Karl Friedrich Benz wurde am 25. November 1844 in Mühlburg geboren, wobei nicht zu ermitte ln ist, in welchem Haus. Vermutet wird, daß es sich in der Hardtstraße befand. Die Vorfahren von Karl Benz waren Dorfschmiede in Pfaffenrot. Sein Vater ver- lies das Dorf und wurde Mechaniker bzw. Werkfüh- rer in einer Zuckerfabrik in Grötzingen, wechselte aber schon bald als Lokomotivführer zur ersten ba- dischen Eisenbahn. Nach dem Willen seiner Mutter, die nach dem frühen Tod des Vaters den Lebensunterhalt der Familie verdienen mußte, so ll te Karl Benz Beamter werden und besuchte deshalb das Karlsruher Gymnasium. Dort waren Physik und Chemie seine Lieblingsfächer. Darüber hinaus bewies er handwerkliches Geschick und eignete sich mecha- nische Kenntnisse an, dank derer er u. a. Uhren re- parieren konnte. Mit 17 Jahren besuchte er das Po- lytechnikum in Kar lsruhe mit dem Ziel, Ingenieur zu werden; der Schü ler von Ferdinand Redtenbacher und Franz Grashof verriet über die wissenschaftliche Arbeit hinaus auch eine große Neigung zur prakti- schen Arbeit, die ihn oft an die Werk- bank führte. nicht nur seine Heimatstadt, sondern auch der Großherzog durch die Verlei - hung des Titels Medizinalrat und des Ritterkreuzes I. Klasse des Zähringer Lö- wen . Als er im Februar 1894 verstarb, fand die Beisetzung unter starker An- teilnahme der Mühlburger Bevölkerung und mit Beteiligung von Delegationen mehrerer Vereine und der Freiwilligen Feuerwehr statt. 53 Medizinalrat Th eodor Wagn er (1 812- 1894). Bei der traditionsreichen Maschinen- baugesellschaft Karlsruhe in der Süd- weststadt, die 1904 nicht weit von sei- nem Geburtsort ihren Standort im Ge- ~nt\ 1 ca. -nu.t i~~ gute ~d.,Sttt' Karl Benz mit seinem Dreirodwagen aus dem Jahr 1886. wann Oberfeld finden sollte, fand er nach dem Stu- dium die erste Anstellung. In diesem Werk hat Benz nach Beendigung seines Studiums 1864 bis 1867 "als Arbeiter an Schraubstock und Drehbank ge- standen", um noch einmal "ganz unten bei den Grundlagen anzufangen." Später erinnerte er sich : "Der Dienst war hart, Sommer wie Winter von mor- gens 6 bis abends 7 Uhr, nur mit einer Stunde Mit- tagspause. Hier lernte ich, wenn ich zwölf Stunden lang im Halbdunkel der damals noch mangelhaft beleuchteten Fabrikräume gebohrt und gefeilt hat- te, das Wort 'Lehrjahre sind keine Herrenjahre' von seiner strengsten Seite kennen." Mit dem Ende se i- ner Tätigkeit bei der Karlsruher Maschinenbauge- sellschaft verließ Benz Karlsruhe. 1871 gründete er mit dem Mechaniker August Ritter die erste eigene mechanische Werkstätte "Karl Benz und August Ritter" in Mannheim, die er im folgenden Jahr allein übernahm. Drei Jahre spä- ter begann er mit der Arbeit an einem Zwei- taktmotor, 1884 arbeitete er auch an Viertakt- motoren . Mit dem Benz- Patent von 1886, einem Dreiradwagen, gelang ihm die Konstruktion, die ihn zu den bahnbrechenden Erfindern der Automobil - technik gehören läßt. Am 4. April 1929 verstarb Karl Benz, nachdem er noch kurz zuvor seinen 84. Geburtstag begehen konnte. Karl Benz gelangen seine Erfindungen zwar nicht mehr in Mühlburg oder Karlsruh e. Sein Name bleibt aber mit der Stadt verbunden, in der er ge- boren wurde. Im Stadtteil Mühlburg brachte der dortige Bürgerverein am 17. April 1933 am ehema- ligen Rath aus eine Gedenktafel an, am 23. Juni 1935 wurde ei n Denkmal an der Kriegsstraße er- richtet, dessen Oberteil im Zweiten Weltkrieg ein- geschmolzen wurde. Erst am 26. April 1958 baute man das Denkmal mit einer neuen Büste von dem Bildhauer Carl Egler wieder auf. Im Zuge des Um- baus der Kriegsstraße 1963 wurde es schließlich an seinen heutigen Standort an die Beiertheimer Allee verlegt. Heute erinnert auch die am 10. Juli 1971 eingeweihte Carl-Benz- Halle an diesen bedeuten- den Mühlburger. Karl Benz (1844- 1929). BERUFSBEVÖLKERUNG IM STADTBEZIRK MÜHLBURG 1895 54 Berufsabteilung Gesamtzahl der berufausübenden Personen Männer Frauen zusammen A. Landwirtschaft, Gärtnerei, Tier- zucht, Forstwirtschaft und Fischerei ......................................... 118 ..................... 102 ................ 220 ........ 4,6% B. Bergbau und Hüttenwesen, Industrie und Bauwesen .................................................................................. 972 ..................... 215 .............. 1187 ...... 70,1 0/0 C. Handel und Verkehr .................................................................. 136 ..................... 106 ................ 242 ...... 11,40/0 D. Häusliche Dienste (einschI. persönl. Bedienung, auch Lohnarbeit wechs. Art) ............................... .. ... 8 ........................ 16 .................. 24 ........ 1,4% E. Militär-, Hof-, bürgerlicher und kirchlicher Dienst, freie Berufsarten ........................................... 56 ........................ 19 .................. 75 ........ 4,0% F. Ohne Beruf und Berufsangabe ............................................... .. 42 .................. ...... 98 ................ 140 ........ 8,5% Summe ............................................................................................ 1332 ................... .. 556 ............. 1888 ...... 100% BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG IN MÜHLBURG 1714 BIS 1998 Jahr Bevölkerung Jahr Bevölkerung Jahr Bevölkerung 1714 .......................... 521 1895 ...................... 4.486 1946 .................... 14.134 1741 .......................... 685 1900 ................... ... 5.103 1950 ................. ... 16.194 1814 ............ .. .... .. ...... 714 1905 ...................... 7.214 1956 .................... 24.748 1843 .................. .. .. 1.500 1910 .................... 11 .304 1960 .................... 28.183 1871 ...................... 2.605 1916 .... ................ 15.508 1970 ....... .. ........... 19.256 1875 ...................... 2.882 1919 ................ .. .. 13.826 1980 .................... 16.363 1880 ...................... 3.520 1925 .................... 15.806 1990 .................... 16.395 1885 ...................... 4 .110 1933 .................... 15.905 1997 .................... 15.713 1890 ...................... 4.127 1939 .................... 15.248 Mühlburger Hochzeitsgesellschoft, Foto 1897. Mühlburg als Stadtteil Zum Zeitpunkt der Eingemeindung war die Bevöl - kerung Mühlburgs seit 1843 um mehr als das zwei- einha lbfache angewachsen und betrug nun 4.110 (siehe Tabelle "Bevölkerungsentwicklung") . Nach der Vereinigung mit der Stadt Karlsruhe wuchs de- ren neuer Stadtteil Mühlburg kontinuierlich weiter und erreichte im Ersten Weltkrieg 1916 den vorläu- figen Höhepunkt mit 15.508 Einwohnern. Die be- reits vor der Eingemeindung begonnene Entwick- lung zu einem Industrievorort wurde fortgesetzt. Deshalb überrascht es nicht, daß 1895 in der Mühl- burger Bevölkerung die in der Industr ie tätigen Ar- beiter eine deutliche Mehrheit hatten, wie die obe- re Tabelle auf S. 34 zeigt. Einige der Arbeiter hatten eine Nebenerwerbs- landwirtschaft. Daneben gab es auch noch haupt- berufliche Landwirte, deren Anteil bei immerhin noch 4,6 % lag. Die Dominanz der Arbeiterschaft spiegelt sich auch bei den Ergebnissen der Reichstagswahlen wi- der. 1890, nach dem Fall des Sozialistengesetzes, war Mühlburg nur knapp nach der Oststadt der stimmstärkste Bezirk der SPD. Die SPD erhielt 51,6 %, die Nationalliberale Partei 28,3 % und die links- liberale Freisinnige Partei 20,1 % der Stimmen. Das Zentrum trat bei dieser Wahl nicht an, da ei ne Kan- Am 18. Oktober 1899 wurde das Waisenhaus in der Stösserstraße 17 durch Großherzogin Luise eingeweiht. In ihm konnten 100 Kinder aufgenommen werden. Heute befindet sich die Firma Kondima in dem Haus. Bahnbedienstete vor dem Bahnhafsgebäude am Fliederplatz. Mühlburg war seit 1862 Station an der Maxaubahn, heute ist dort ein Jugendtreff. Foto um 1900. Eröffnung der Autobuslinie Mühlburg-Daxlanden am 30. Dezember 1911, Blick auf die Ecke Hardt-/Rheinstroße. didatur in dem bis dahin nationalliberal dominier- ten Karlsruhe wenig Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Mühlburg zählte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zu den Karlsruher SPD-Hoch- burgen. Mühlburg wuchs kontinuierlich weiter und er- hielt auch weitere Verbesserungen seiner Infra- struktur. So wurde es 1898 an die Karlsruher Kana- lisation angeschlossen. 55 Im Jahr 1903 weihte die Großherzogin persönlich das neue Waisenhaus an der Stösserstraße ein, 1908/09 baute die Stadt nach Plänen von Wilhelm Strieder das neue Schulhaus an der Hardtstraße. In den Jahren 1901 bis 1904 entstanden auf dem Mühlburger Gewann Oberfeld, das die Stadt zunächst von den Seidenecks erwerben mußte, die neuen Fabrikgebäude der Maschinenbaugesell- schaft, die 1841 noch als Maschinenfabrik Keßler und Martiensen die erste badische Lokomotive "Ba- denia" produziert hatte. Mit der renommierten Fir- ma zog einer der großen Karlsruher Arbeitgeber von seinem ursprünglichen Standort südlich der Kriegsstraße an der Beiertheimer Allee gegenüber dem Stadtgarten nach Mühlburg um. Mit dem Nachbarort Daxlanden wurde Mühlburg am 30. Dezember 1911 durch eine neue Autobusli- nie verbunden . Mühlburg im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik Als am 1. August 1914 mit dem deutschen Mobil - machungsbefehl der Erste Weltkrieg begann, wur- de dies auch in Mühlburg begeistert begrüßt. Über vier Jahre später hatte der Krieg, an dessen Aus- bruch das Wilhelminische Deutsche Reich ganz ent- scheidenden Anteil besaß, letztlich 5.510 Karlsru- hern das Leben gekostet, davon 37 freiwillige Kran- kenpfleger und -pflegerinnen, die an der Front ge- storben waren, und 149 Fliegeropfer, die Luftan- griffen auf Karlsruhe zum Opfer gefallen waren. 56 Rasch mußte sich die Bevölkerung auf die Kriegsverhältnisse einstellen. Frauen übernahmen bald Arbeiten, die zuvor den Männern vorbehalten waren, da diese nun zum Militär eingezogen waren, z. B. als Straßenbahnschaffnerinnen und -fahrerin- nen, aber auch in der Kriegsgüter produzierenden Industrie. Bald traten auch Versorgungsprobleme auf. Die Stadtverwaltung versuchte, diese durch re- gulierende Eingriffe zu steuern und übernahm die Lebensm ittelvertei I ung über Lebensm ittel ma rken. In Mühlburg wurde die Turnhalle der Hardtschule für die Kriegsspeisung genutzt. Lebensmittel kamen mit von Pferden gezogenen Transportwagen oder mit Güterwagen auf den Straßenbahnschienen in den Stadtteil. An der Maxaubahn entlang wurden Kartoffelmieten angelegt, beim Bahnhof fand re- gelmäßig der Verkauf von Gemüse statt. Vor allem der "Kohlrüben winter" 1916/17, als die Lebensmit- telknappheit katastrophale Ausmaße annahm, traf die Bevölkerung hart. Karlsruhe war als grenznahe Stadt bereits in die- sem Krieg das Ziel feindlicher Luftangriffe. Vor al- lem der erste große Angriff zwei Tage vor dem 200. Jahrestag der Stadtgründung am 15. Juni 1915, der 29 Todesopfer und 58 Verletzte forderte und der noch folgenschwerere am Fronleichnamstag 1916, als 120 Menschen, darunter 71 Kinder, ums Leben kamen und 169 verletzt wurden, blieben den Men- schen nachhaltig in Erinnerung . Mühlburg wurde trotz der Nähe des Rheinhafens allerdings weitge- hend verschont. Am 31. Mai 1918 ging ein abge- Krautverkauf am alten Bahnhaf in Mühlburg im Oktaber 1915. Kinder stehen Schlange bei der Kriegsspeisung in der Mühlburger Turnhalle. Milchtranspart während des Ersten Weltkriegs. Die Milchkannen kamen mit Güterwagen auf den Straßenbahnschienen in die einzelnen Stadtteile. Im Hintergrund eine Straßenbahn der Linie 2 und die Rheinapatheke, Foto 1915. Der Kriegsspeisewagen bringt im dritten Kriegsjahr 1916 Lebensmittel zur Mühlburger Turnhalle. Kartoffelmieten an der Maxaubahn, im Hintergrund Häuser der heutigen Ludwig-Marum-Straße. Ausflug einer Mühlburger Schulklasse während des Ersten Weltkrieges, wahrscheinlich im Lutherisch Wälde/e. Alte Mühlburgerin mit ihrem Pferdefuhrwerk vor einem der Mühlburger Bauernhäuser. schossenes feindliches Flugzeug in der Nähe des Süd beckens des Rheinhafens nieder. Ob es von den zwei auf dem Rennbuckel stationierten oder den vier Grünwinkler Flakgeschützen abgeschossen wurde, ist nicht bekannt. Bei einem der letzten An- griffe am 20. September 1918 fielen acht Bomben beim Mittelbecken des Rheinhafens in der Werft- straße und drei im Bereich der Brahms- und Bach- straßeY Der Krieg hatte damit eine neue Dimensi- on erreicht. Nun war die Zivilbevölkerung feind- lichen Angriffen ausgesetzt, ohne daß das Kriegs- geschehen zu Lande bereits den eigenen Wohnort erreicht hatte. So waren die Mühlburger erleichtert, als der Er- ste Weltkrieg beendet war. Die Revolution von 1918/19 und die Weimarer Demokratie stieß sicher bei einer großen Mehrheit der Mühlburger auf Zu- stimmung, wie die Wahlergebnisse in der Weimarer Republik beweisen. Mühlburg war und blieb bis 1933 eine der SPD-Hochburgen in Karlsruhe, ob- woh l den Nationalsozialisten in der Weltwirt- schaftskrise seit 1929 auch hier starke Einbrüche gelangen. Im Ersten Weltkrieg war die Mühlburger Bevöl- kerungszahl erstmals zurückgegangen und blieb auch noch in den ersten Nachkriegsjahren unter dieser Höchstmarke. Erst seit 1925 war wieder ein leichtes Wachstum über diese Marke hinaus festzu- stellen. Mühlburg war im erweiterten Stadtkern der Stadtteil mit der geringsten Bevölkerungsdichte (18 Einwohner pro ha) und wurde nur von den am Stadtrand gelegenen Stadtteilen Daxlanden, Rint- heim und Rüppurr unterboten. 58 In den 20er Jahren, die von einer starken Woh- nungsnot geprägt waren, entstanden in Mühlburg auch etliche neue Häuser. So wurde die Moltkestra- ße zwischen der heutigen Stösserstraße und der Hardtstraße mit weiteren viergeschossigen Häusern bebaut. Mühlburg als ein Arbeiterstadtteil war natürlich auch von der Arbeitslosigkeit in der Weimarer Re- publik in besonderem Maße betroffen. Vor al lem die metallverarbeitende Industrie hatte in zuneh- menden Maße unter der wirtschaftlichen Krisensi- tuation zu leiden, die sich nach dem Höhepunkt im Inflationsjahr 1923 auch nur vorübergehend bes- serte. Sym ptomatisch ist das Ende der traditionsrei- chen Maschinenbaugesellschaft. Deren Beschäftig- tenzahl war von der Höchstmarke mit ca. 1.400 Be- schäftigten im Jahr 1917 in der Nachkriegszeit auf rund 300 gesunken. Schon das Geschäftsjahr 1924 war für die Firma außerordentlich schlecht verlau- fen, im Dezember 1923 und Januar 1924 hatte die Produktion völlig stillgestanden. Die Lage besserte sich auch in den folgenden Jahren nicht entschei- dend, da die Aufträge von der Reichsbahn weit- gehend ausblieben. 1927 bestellte die Reichsbahn zwar noch einmal elf Lokomotiven, doch im folgen- den Jahr geriet der deutsche Lokomotivenbau er- neut in eine Krise. 59 Die Maschinenbaugesellschaft nahm deshalb mit der Stadt wegen eines Kredits in Höhe von 500.000 RM Verhandlungen auf, den der Stadtrat am 25. Oktober 1929 ablehnte. Als sich auch Ka ufinteres- senten aus Berlin, die den Niedergang noch hätten aufha lten können, zurückzogen, mußte die Firma, die 1936 ihr 100jähriges Jubiläum hätte feiern kön- nen, am 11. Januar 1930 mitteilen, daß der Konkurs unabwendbar war. Die Versuche der Stadt, neue Industriebetriebe auch in Mühlburg auf dem noch nicht durch die Maschinenbaugesellschaft bebauten Oberfeld an- zusiedeln, waren wegen der grenznahen Lage Karls- ruhes mehrfach gescheitert. Nur im Falle der Firma Michelin gelang es im Jahr 1930 noch, den Zu- schlag zu erhalten. Die französische Firma erwarb einen Teil des Oberfeldes, das bereits 1921 als Indu- striege lände ausgewiesen worden war. Der Reifen- hersteller bekam das Gelände zu einem sehr niedri- gen Preis, verpflichtete sich aber, soweit möglich, seinen Personalbedarf aus der Stadt Karlsruhe und hier spezie ll aus dem Kreis der Fürsorgeempfänger Luftbild der Maschinenbaugesellschaft um 1930. zu decken. Die Ansiedlung war also ein Versuch der Stadt, auf diese Weise die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Man setzte sich hier u. a. gegen die Konkurrenz der Nachbarstadt Durlach durch. 60 Mit der Weltwirtschaftskrise stieg in Mühlburg die Bereitschaft, Parteien zu wählen, welche die Weimarer Demokratie bekämpften. Bei der Reichs- tagswahl am 31. Juli 1932, bei der die NSDAP in Karlsruhe ihr bestes Ergebnis bei regulären Wahlen erzielte, war diese Partei auch in Mühlburg der ein- deutige Wahlsieger. Bei einer Wahlbeteiligung von fast 80 % erhielt sie 34,4 % der Stimmen. Die SPD erzielte in ihrer alten Hochburg noch 22,2 0/0. Die Spaltung der Arbeiterbewegung, die im Ersten Weltkrieg begonnen und in der Weimarer Republik mit dem Auftreten der KPD abgeschlossen worden war, führte auch in Mühlburg dazu, daß mit der NSDAP eine antidemokratische Partei zur stärksten Partei wurde. Hätte die SPD die Stimmen der KPD bekommen, die 16,4 % erreichte, wäre dies noch verhindert worden. Das katholische Zentrum, das in dem eher protestantischen, von einer Arbeiterbe- völkerung dominierten, Mühlburg immer eine un- tergeordnete Rolle gespielt hatte, erreichte immer- hin noch 13,8% der Stimmen. 61 Bei der folgenden Reichstagswahl im November 1932 verlor die NSDAP wie im Reich wieder an Stimmen. Man kann deshalb davon ausgehen, daß sie ohne die Ernen- nung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 kaum an die Macht gekommen wäre. Mühlburg im Dritten Reich Das Jahr 1933 begann in Mühlburg, ohne daß et- was darauf hindeutete, daß in diesem Jahr die Wei- marer Demokratie durch die nationalsozialistische Terrorherrschaft abgelöst werden so llte. Die NSDAP hatte das Jahr 1933 zwar mit dem Motto "Der Gau Baden mit seinen 40.000 Mitgliedern greift an" be- gonnen, doch ohne die verheerende Entwicklung auf Reichsebene wären die Vorgänge, die sich auch in Karlsruhe im Zuge der "Machtergreifung" und "Gleichschaltung" abspielten, nicht denkbar gewe- sen. In Ansätzen begann sich bereits eine Besserung der wirtschaftlichen Situation abzuzeichnen, als konservative Kräfte um den ehemaligen Reichs- kanzler von Papen Adolf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar erwirkten, die auch von den Karlsruher NSDAP-Anhängern mit einem Fackelzug durch die Innenstadt gefeiert wurde. Die Einschätzung dieser konservativen Kreise, daß man Hitler und die NSDAP in eine deutsch na- tional bestimmte Regierung einbinden und dome- stizieren könne, erwies sich bald als Trugschluß. Die Verfolgung der politischen Gegner der NSDAP und die Diskriminierung von Teilen der Bevölkerung aus rasseideologischen Gründen machte schon bald deutlich, wie sich das "Dritte Reich" entwickeln sollte. Nach der systematischen Ausschaltung der Gegner und der Gleichschaltung all er staatlichen und kommuna len Behörden und Parlamente sowie der Vereine und anderer wichtiger gesellschaftli - cher Gruppierungen begann der Aufbau der "Volks- gemeinschaft" unter Führung Adolf Hitlers. Zu den vermeintlichen Erfolgen Adolf Hitlers zählte auch der Abbau der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Übersehen wird dabei, daß derartige Maßnahmen bereits in der Weimarer Republik häufig angewandt wurden und die neuen Machthaber nur daran anzuknüpfen brauchten. In Mühlburg gehörte z. B. die Kanalisie- rung und der Umbau der Honsellstraße von 1936 Die alte Mühle am Lameyplatz mit Fahnenschmuck anlößlich einer der zahlreichen nationalsozialistischen Feiertage. bis 1938 mit dem Anschluß an den Lameyplatz dazu. Nach einer konsequent betriebenen- Kriegsvor- bereitung, die angesichts der ohne Zweifel einset- zenden wirtschaftlichen Besserung viele nicht er- kennen wollten und konnten, führten Adolf Hitl er und die ihn unterstützenden Personen und Grup- pierungen Deutschland schließlich in einen Krieg , der zur weitgehenden Zerstörung der deutschen Städte und zum Tode vieler Millionen Menschen führen sol lte. Massenmord und Vernichtung der europäischen Juden ließen den Krieg in bis dahin ungeahnte Dimensionen des Terrors und des Ver- brechens eskalieren. Am Ende des Zweiten Welt- kriegs hatte auch Deutschland, das am 1. Septem- ber 1939 mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, schwerste Verluste an Menschenleben und Bausubstanz zu beklagen. Noch vor den reichsweiten Deportationen in die Vernichtungslager im Osten wurden am 22. Okto- ber 1940 6.504 Juden aus Baden und der Pfalz, darunter 945 aus Karlsruhe, in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Von den Karls- ruher Juden wohnten zum Zeitpunkt der Deporta- tion 39 in Mühlburg. Das für 15.000 Menschen aus- gelegte Camp de Gurs, etwa 40 km nördlich der spanischen Grenze und 60 km von der Atlantikkü- ste entfernt, am Fuße der Pyrenäen in sumpfigem Gelände gelegen, war im Frühjahr 1939 zur Inter- nierung der aus Spanien geflohenen Soldaten der Republikanischen Armee errichtet worden und be- fand sich unter Verwaltung der Vichy-Regierung . Das Lager war ringsum von Stacheldraht einge- zä unt und wurde streng bewacht. Es bestand aus 300 primitiven rund 25 qm großen Baracken, in denen jeweils bis zu 60 Personen untergebracht Kanalbau beim Umbau der HanselIstraße 1936- 1938, 81ick auf den Lameyplatz von Süden, Fata vom 2. August 1936. Anschluß der neuen Hanse11- straße an den Lameyplatz, Blick auf den "Goldenen Anker", Fata vom 29. November 1937. HonselIstraße, Blick noch Westen mit dem neuen Bohnhofsgebäude, Foto vom 12. Moi 1938. HonselIstraße, Blick zum Lomeyplatz, links die alte Mühle, Foto vom 12. Mai 1938. Amerikanisches Senkrechtluftbild vam 14. März 1945. Das Bild zeigt den Zerstärungszustand Mühlburgs am Ende des Krieges. Am unteren Bildrand sind die Rheinstraße mit der zerstörten St.-Peter-und-Paul-Kirche. am linken Bildrand der Lameyplatz als Orientierungspunkt zu erkennen. waren. Das Essen war spärlich, es fehlte an sanitä- ren Anlagen.62 210 der Deportierten und Internierten starben an Entkräftung, Epidemien oder Mangel an Medi- kamenten in Frankreich, darunter all ein 136 in Gurs selbst. Nur wenigen gelang noch die Flucht. Etwa ein Drittel der nach Gurs deportierten Juden wurde zwischen 1942 und 1944 in die Vernichtungslager im Osten gebracht und dort ermordet, darunter nachweislich 15, die aus Mühlburg verschleppt worden waren. Mühlburg im Luftkrieg In dem vom nationalsozialistischen Deutschland durch den Überfall auf Polen am 1. September 1939 begonnenen Zweiten Weltkrieg wurde auch Mühlburg schon relativ früh das Ziel von Luftan- griffen. Seit 1941 griffen englische Flugzeuge ver- stärkt Karlsruhe aus der Luft an, so daß es in diesem Jahr schon eine größere Zahl von Toten gab. Da in Karlsruhe keine schweren Flakgeschütze stationiert waren, trafen die in der Nacht vom 5. auf den 6. August anfliegenden eng lischen Bomber auf eine relativ schwache Luftabwehr. 23 Menschen starben direkt, elf an den Folgen ihrer bei dem Angriff er- littenen Verletzungen . Betroffen waren vor allem die Stadtteile Daxlanden, Grünwinkel und Mühl - burg im Westen, Hagsfeld und Durlach im Osten sowie die Bahnhofsgegend. 63 Bereits bei diesem er- sten schweren Angriff auf Kar lsruhe wurde Mühl- burg in Mitleidenschaft gezogen, da ein Schwer- punkt dieses Angriffs dem Hafengebiet und den benachbarten Stadtteilen Daxlanden, Knielingen, Mühlburg sowie der Alb- und Nordsternsiedlung galt. An der Nordsternsiedlung hatte die Freiwillige Die Bachstraße während des Krieges. Die Häuser Nr. 13, 15 und 17 wurden schon bei Luftangriffen im August 1941 durch Bombeneinsch/äge in den Hintergärten der Hände/straße stark beschädigt und mußten geräumt werden. Feuerwehr Mühlburg 1938 anläßlich des Kreis- feuerwehrtages eine Übung veranstaltet, ohne zu ahnen, daß aus der Übung bald der Ernstfall wer- den so llte. Der Zeitzeuge Friedrich Rahäuser berich- tet über die Schäden nach den Luftangriffen in der Nacht vom 5./6. und 6./7. August 1941 : "Der Fliegerangriff auf Karlsruhe in der Nacht vom 5. auf den 6. August d. J. war der erste plan- mäßige feindliche Luftangriff ... Bereits um 0 Uhr 30 erschienen die ersten Flieger, die mit kurzen Pausen bis 3 Uhr über der Stadt kreisten und dabei eine Anzahl Bomben abwarfen; wir haben im Keller Zerstörte Höuser in der Sonnenstraße. Die Nordsternsiedlung wor einer der Schwerpunkte des Angriffes im August 1941. ungefähr 60 Bombeneinschläge gezählt, es waren wahrscheinlich mehr, weil die in größerer Entfer- nung einschlagenden Bomben infolge des Abwehr- feuers kaum hörbar waren. Das Abwehrfeuer war etwas schwach; die schwere Flak fehlte gänzlich . ... die von mir persönlich besichtigten getroffenen Objekte weisen zum Teil ganz erhebliche Beschädi- gungen auf ... " Zu den von Rahäuser aufgeführten Schäden ge- hörten: " ... 7) Händelstraße: 4 Häuser dieser Straße wur- den fast völlig demoliert und sind unbewohnbar; 1 Blindgänger bei der Klinik des Dr. Ihm krepierte erst gegen Morgen und verursachte weitere Beschädi- gungen, so daß die Patienten der Klinik z. T. um- quartiert werden mußten. 8) Häuser Bachstraße 13, 15 und 17: Durch Bombeneinschläge in den Hintergärten der Händel- straße wurden diese Häuser sehr stark beschädigt und mußten wegen Baufälligkeit ganz geräumt werden; sie dürften unbewohnbar sein. 9) Eckhaus Brahms- und Händelstraße: Dieses Haus wurde sehr stark beschädigt; der Straßenzu- gang war, wohl wegen Blindgängers, abgesperrt. 10) In der Maxaubahnstraße, östlich und west- lich der Tannhäuserstraße, waren sehr viele Fenster- scheiben zertrümmert durch die Wirkung eines Bombenvolltreffers in der 11) Tannhäuserstraße. Hier wurde ein 3-stöcki- ges Wohnhaus getroffen und bis in den Keller durchschlagen. Das Haus stürzte in sich zusammen, die Bewohner sollen dabei 4 Tote im Keller gehabt haben. Dieses Haus ist völlig zertrümmert und muß abgerissen werden . 12) Ecke Moltke- und Ludendorffstraße: Dieses Eckhaus, das zu den Kasernengebäuden gehört und ein Kasino enthielt, wurde durch rückwärtigen Bombeneinschlag stark zerstört und in Brand ge- setzt. Es ist unbewohnbar geworden. 13) Nordsternsiedlung: In der Steubenstraße schlug eine sehr schwere Bombe von rückwärts in die Häuser, riß die Rückfronten bis unters Dach her- ab und schlug die Vorderfront parterre und zweiten Stock ebenfalls hinaus. In einem Keller gab es 4 Tote, 4 Häuser sind unbewohnbar geworden. Hier dürfte der Sachschaden sehr bedeutend sein, zumal die Wohnungseinrichtungen von zwei Häusern völ- lig demoliert wurden. 14) Der Lameyplatz in Mühlburg war abgesperrt, da dort Blindgänger liegen; sonst ist dort kein we- sentlicher Schaden entstanden." 64 Im Jahr 1942 wurde Karlsruhe nach den Städten Lübeck, Rostock und Köln eines der ersten Ziele der Flächenangriffe, auf die die englische Luftflotte nach dem Scheitern der gezielten Einzelangriffe übergegangen war. In Karlsruhe markierten erst- mals Leuchtbomben, im Volksmund "Christbäume" genannt, die Ziele. Der Angriff in der Nacht vom 2. auf den 3. September 1942 traf die Stadt, darunter auch den Stadtteil Mühlburg, schwer. Eine Zeitzeu- gin berichtet: "Mühlburg: die Rheinstraße ist von der Philippstraße ab bis zu ihrem Ende stark be- schädigt. Besonders von den 3 Linden ab nehmen die Zerstörungen zu, sehr viele Häuser sind völlig zertrümmert, darunter die Wirtschaft Westendhal- le. Beim Lameyplatz sind sämtliche Häuser der Rheinstraße völlig ausgebrannt. Ebenso sind sehr viele Häuser stark beschädigt und zum Teil restlos ausgebrannt in den Seitenstraßen : Philippstraße, Bachstraße, Nuitsstraße und Gluckstraße. Am La- meyplatz ist die große Wirtschaft zum Anker ganz ausgebrannt, ebenso die Anlagen auf dem Sport- platz des VfB Mühlburg . Die Häuser der nördlichen Seite der Lameystraße sind größtenteils völlig zer- stört; die Häuser auf der gegenüberliegenden Seite und in der Sternstraße meist beschädigt. Die Hardt- straße ist von Anfang bis Ende beschädigt; der nördliche Teil nicht besonders schwer, dort ist die Nahrungsmittelfabrik Brenner z. T. ausgebrannt. Südlich der Rheinstraße sind die Schäden in der Hardtstraße wesentlich größer; das Schulhaus bei der ehemaligen Maschinenbaugesellschaft und alle gegenüber liegenden Wohnhäuser sind völlig aus- gebrannt ... Weingärtensiedlung und Flugplatzgelände: Malzfabrik an der Hardtstraße ganz ausgebrannt. Die Nordsternsiedlung westlich der Hardtstraße brannte diesmal völlig aus, nachdem sie schon im vorigen Jahr beim ersten Angriff schwer gelitten hatte. Heimgartenweg: Schwere Dach- und Fen- sterschäden. Feierabendweg : Hinter Haus 34 schlug eine Sprengbombe ein, durch die 3 Häuser zum Einsturz gebracht wurden; durch die Fernwirkung erlitten alle Häuser des Feierabendwegs erhebliche Dach-, Fenster-, Rolläden- und Türschäden. (Das Gleiche gilt für Haus Nr. 7, Liesel Beer). Das Haus Beim Angriff am 3. September 1942 wurden sehr viele Häuser der Philipp-und der Bachstraße getraffen und brannten zum Teil restlos aus. Im Vordergrund der vom Luftdruck umgerissene Schorns tein der Bäckerei Müller. Das Nordsterngebäude in der Feldstraße nach dem Angriff am 3. September 1942. Die Nordsternsiedlung brannte vä llig aus. En tsetzt schauen die Menschen au f die noch brennenden Häuser der Lameystraße Nr. 28/30. Die Häuser der närd- lichen Seite wurden beim Fliegerangriff om 3. September 1942 gräßtenteils vällig zerstärt, die Häuser der gegen- überliegenden Seite meist beschädigt. Blick auf das schwer beschädigte Gasthaus "Zu den drei Linden ", in dessen Luftschutzkeller am 4. Dezember 1944 mindestens 100 Menschen umkamen. Nr. 2 ist vollständig abgebrannt infolge Übergrei- fens des Großfeuers von Markstahier & Barth, Möbelfabrik, die völlig abbrannte. Laubenweg: Ebenfalls schwere Dach- und Glasschäden als Ne- benwirkung der Bombe im Feierabendweg. Luden- dorffstraße: Auch hier Dach- und Glasschäden an mehreren Häusern." Im Jahr 1943 blieb Karlsruhe trotz zahlreicher Luftalarme weitgehend vor Luftangriffen ver- schont. Dafür so llten im Jahr 1944 aber die alliier- ten Luftangriffe die Stadt und in besonderem Maße auch den Stadtteil Mühlburg mit voller Wucht tref- fen. Ein erster, von 600 Bombern durchgeführter Angriff am 25. April, der eigentlich der Kernstadt galt, wurde durch einen aufkommenden Gewit- tersturm vor all em nach den Vororten Rintheim und Grötzingen abgedrängt, wo insgesamt 118 Menschen zu Tode kamen. 5 schwere Tagesangriffe, die dem Hauptbahnhof und den Eisenbahnanlagen ga lten, forderten bis Anfang September weitere 925 Todesopfer. Die Angriffe, die das Stadtbi ld weitaus nachhaltiger verändern sol lten, standen aber erst bevor. Neben dem Angriff am 27. Septem- ber, als 237 Bomber fast eine halbe Million Brand- bomben abwarfen, die die Stadt in ein Flammen- meer verwandelten, traf der Großangriff vom 4. Dezember die bereits stark zerstörte Stadt ein wei- teres Mal entscheidend. Die St. Peter-und-Paul-Kirche in Mühlburg brannte aus, im Pfarrhaus kamen alle Insassen des Luftschutzraumes um. Die Evangelische Gemeinde verlor ihren Gemeindesaal in den "Drei Linden"; die Karl-Friedrich-Gedächtniskirche ging in Flammen auf. Über den Angriff hält der Tagebucheintrag von Heinrich Eil fest: "Als ich durch die Nuitsstraße auf die Rheinstraße kam, sah ich, wie der große mehr- stöckige Bau der "Drei Linden" in hellen Flammen stand. Vor dem westlichen Eingang sah ich einen riesigen Bombentrichter, um den herum Verwunde- te und tote Menschen lagen. Mit meiner Taschen- lampe konnte ich in den Keller vordringen, der als öffent licher Luftschutzkeller für 200 Personen - wie man mir sagte - eingerichtet war, meist für Frauen und Kinder der Umgebung. Aber auch die zur Arbeit verpflichteten Ausländer, die im Saal der "Drei Linden" einquartiert waren, hatten in dem Keller Schutz gesucht. Der Keller war durch Zwi- schenmauern abgeteilt. Die Bombe hatte anschei- nend den Eingang getroffen und hatte durch den ungeheuren Luftdruck diese Mauern umgedrückt und ihre Teile auf die dahinter sitzenden Menschen geworfen. [ ... ] Als wir in den nächsten Kellerraum eindrangen, bot sich unter dem dürftigen Schein der Taschenlampe erhöhtes Grauen und Schrecken. Auch hier war eine Zwischenmauer eingedrückt und hatte dahinter die Menschen erschlagen und begraben. Diesem Anblick sich hinzugeben und ge- müthaft zu reagieren, dazu war jedoch keine Zeit. [ ... ] Nach stundenlanger Arbeit gingen unsere Kräf- te jedoch zu Ende; wir mußten auch an die eigene Sicherheit denken. Denn über uns brannte der mehrstöckige Bau der "Drei Linden" weiter herun- ter. Fenstergewänder und Mauerteile stürzten her- ab, auch vor dem Kellereingang. Ich ging also nach oben und die Rheinstraße vor bis zur Peter-und- Paul-Kirche, die mit ihren schönen Wandgemälden ebenfalls ausbrannte. Neben der Kirche war das Pfarrhaus durch eine schwere Bombe völlig zerstört worden und alle Menschen im Luftschutzkeller er- sch lagen worden . Wie ich von den weinend umher- stehenden Schwestern des nahen Schwesternhau- ses erfuhr, waren alle Geistlichen der Kirche und ei- nige Nachbarn, insgesamt neun Personen, ums Le- ben gekommen. In den folgenden Tagen wurden Trümmer des Pfarrhauses weggeräumt, um die To- ten im Keller zu bergen. [ ... ]" 65 Als französische Truppen am 4. April einrückten - Knielingen und Neureut waren bereits am Vortag besetzt worden - war Mühlburg zu einem großen Teil zerstört. Neben den Todesopfern unter der Zivilbevölkerung hatten 5.802 Soldaten aus Karlsruhe ihr Leben verloren, 3.554 weitere wurden vermißt. 66 Der von Deutsch- land provozierte und ausgelöste Krieg hatte also insgesamt mehr als 12.000 Menschen aus Karlsruhe das Leben gekostet, darunter auch viele Mühlbur- ger. Die Befreiung durch die französischen Truppen, die damals noch nicht alle als Befreiung sehen wollten oder konnten, erlebten nur noch rund 60.000 Menschen in der zerstörten Stadt. Anmerkungen 1. Vgl. Chronik der Haupt- und Residenzstadt Kar lsruhe für das Jahr 1886, Karlsruhe 1887, S. 5. 2. Vgl. Stadtarchiv Karlsruhe (StadtAK) 5/Müh lburg B 14. 3. Bürgerausschußvorlage vom 1. Mai 1885, StadtAK 3/B 21, S. 285-326. 4. Ebenda, S. 4 5. Vgl.: Aus der Karlsruher Stadtgeschichte. Vor 80 Jahren wur- de Mühlburg eingemeindet, in : Die Nordweststadt Nr. 1, 7. Jg., März 1966. 6. Vgl. StadtAK l/AEST 176. 7. Vgl. Chronik 1885, S. 18, Karlsruher Tagblatt vom 6. Februar 1886 und StadtAK 5/Mühlburg B 14. 8. Vgl. StadtAK 3/B 21, S. 357f .. 9. Vgl. Johann Daniel Schoepflin: Historia Zaringo-Badensis, 7 Bde, Karlsruhe 1764-1773, Bd. 5, S. 213. 10. Vgl. Heinz Schmitt: Karlsruher Stadttei le, Mühlburg, Karls- ruhe 1982, Begleitheft zur Ausstellung im Prinz-Max-Palais, S.10. 11 . Perz, Mon. Germ Hist. XV11.124, zitiert nach Karl Gustav Fecht: Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe. Im Auftrag der Städtischen Archivkommission bearbeitet. Mit IlIu- strationen und einem Situationsplan der Gegend, Karlsruhe 1887 (Nachdruck Karlsruhe 1976), S. 64. Vgl. auch Hansmartin Schwarzmaier: Hand buch der baden-württembergischen Geschichte 2. Die Territorien im Alten Reich, Stuttgart 1995, S. 184. 12. Vgl. Schwarzmaier (wie Anm. 11), S. 185. 13. Vgl. Friedrich von Weech: Badische Geschichte, Karlsruhe 1890, S. 32. 14. Vgl. Weech, Badische Geschichte (wie Anm. 13), S. 39. 15. Vgl. Berthold Sütterlin: Geschichte Badens. Bd. I: Frühzeit und Mittelalter, Karlsruhe 1965, S. 283. 16. Vgl. Weech, Badische Geschichte (wie Anm. 13), S. 58. 17. Paul Waibel: Mühlburg vor 500 Jahren, in : Soweit der Turmberg grüßt 16, 1964, S. 41-72, S. 48. 18. Vgl. Ebenda, S. 52. Vgl. dort, S. 55 und S. 57, auch zum Folg enden. 19. Albrecht Thoma: Geschichte von MühlbLirg, Karlsruhe 1903, S. 9. Vgl. dort, S. 8, auch zum Folgenden. 20. Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA) 229/6904. 21. Vgl. Schmitt (wie Anm. 10), S. 13. 22. Vgl. Weech, Badische Geschichte (wie Anm. 13), S. 127. 23. Vgl. Schmitt (wie Anm. 10), S. 5. 24. Vgl. Weech, Badische Geschichte (wie Anm. 13), S. 280. 25. Vgl. Emil Lacroix, Peter Hirschfe ld, Wilhelm Pauseier: Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Karlsruhe Land. Kreis Karls- ruhe, Karlsruhe 1937, S. 168 und Schmitt (wie Anm. 10), S. 7. 26. Bernhard Weiß: Schloß und Stadt Mühlburg. Date ihrer Geschichte, 1961, S. 4. 27. Vgl. Thoma (wie Anm. 21), S. 9. 28. Zitiert nach Bernhard Weiß (wie Anm. 29), S. 4. 29. Lacroix (wie Anm. 28), S. 168. 30. Vgl. Wolfgang Leiser: Das Karlsruher Stadtrecht 171 5- 1752. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins (ZGO) 114 (1966), S. 207-239, S. 208. 31. Zitiert nach eben da, S. 226. 32. Vgl. GLA 229/69032. 33. Vgl. Thoma (wie Anm. 13), S. 15. 34. Zitiert nach Lacroix (wie Anm . 28), S. 168. 35. Zitiert nach Weiß (wie Anm. 29), S. 76. 36. Vgl. Herman Jakob : Einwohnerbuch der Markgrafschaft Baden-Durlach im Jahr 1709, Schopfheim 1935, S. 34. 37. Vgl. Schmitt (wie Anm. 10), S. 8, und Susanne Asche: Die Bürgerstadt, in : Dies./Olivia Hochstrasser. Durlach . Staufer- gründung, Fürstenresidenz, Bürgerstadt, Karlsruhe 1996, S. 147-444, S. 154 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadt- archivs Bd. 17). 38. Vgl. Jacob (wie Anm. 36), S. 34. 39. Vgl. Eugen Singer, Festschrift 110 Jahre Freiwillige Feuer- wehr Karlsruhe Abteilung Mühlburg, S. 51. 40. Theodor Hartleben: Statistisches Gemälde der Residenz- stadt Karlsruhe und ihrer Umgebungen, Karlsruhe 1815, S. 420. 41. Vgl. Rainer Beck/Winfried Flammann : Die Seldeneck'sche Brauerei in Mühlburg, in: Industriearchitektur in Karlsruhe, Karlsruhe 1987, S. 32-50 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 6). 42. Vgl. Johann Baptist Kolb: Historisch-sta tistisch-topogra- phisches Lexikon von dem Großherzogthum Baden, 2. Band, Karlsruhe 1814, S. 288. 43. Vgl. ebenda, S. 289. 44. Vgl. StadtAK 8/ZGS 93a. 45. Vgl. GLA 236/6626. 46. Eugen Huhn : Kar lsruhe und se ine Umgebung. Geschichte und Beschreibung. Mit einem Plan der Stadt und einer Karte der Umgegend, Karlsruhe 1843, S. 256. 47. Ebenda, S. 256. 48. Vgl. StadtAK 5/Mühlburg B 15. 49. Vgl. StadtAK 5/Müh lburg B 11 , S. 48 Rs. 50. Heinrich Raab : Revolutionäre in Baden 1848/49. Biographi- sches Inventar für die Quellen im Generallandesarchiv KarIs- ruhe und im Staatsarchiv Freiburg, bearbeitet von Alexander Mohr, Karlsruhe 1998, Eintrag Otto, Konrad Friedrich Emi l, Dr. Vgl. in der Raab-Datei auch zum Folgenden. 51. Vgl. hierzu und zum Folgenden Raab (wie Anm. 50) 52. Josef Bader: Die Residenzstadt Kar lsruhe, ihre Geschichte und Beschreibung. Festgabe der Stadt zur 34. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte, Karlsruhe 1858, S. 279. 53. Vgl. Badische Presse vom 25. Februar 1894. 54. Ergebnisse der Berufszä hlung vom 14. Juni 1895, Karlsruhe 1899, S. 66f. (= Beiträge zur Statistik der Stadt Karlsruhe Nr. 8). 55. Vgl. StadtAK 3/B 29, S. 213ff. 56. Vgl. Ehrenbuch der Stadt Karlsruhe 1914-1918, Karlsruhe 1930, S. XXX. 57. Vgl. StadtAK 8/PBS XVI 1219 BI. 5 und 12. 58. Vgl. Generalbebauungsplan der Landeshauptstadt Karls- ruhe, Karlsruhe 1926, S. 48 59. StadtAK l/H-Reg 2284, dort jeweils Geschäftsbericht der Maschinenbau-Gese llschaft, vgl. dort auch zum Folgenden. 60. Vgl. StadtAK 3/B 44, S. 241f, Verwaltungsbericht der Lan- deshauptstadt Karlsruhe für das Wirtschaftsjahr 1932 (1 . April 1932 - 31. März 1933), Karlsruhe 1933, S. 113 und Asche (wie Anm. 37), S. 366f. 61. Zu den Wahlergebnissen vgl. Karlsruher Tagblatt vom 1. August 1932. 62. Zu Gurs vgl. Gurs. Ein Internierungslager in Südfrankreich 1939-1943. Zeichnungen. Aquarelle. Fotografien. Samm lung Eisbeth Keser, Viborg 1990 und Michael Philipp (Hrsg .): Gurs - Ein In ternierungslager in Südfrankreich 1939-1943. Literari - sche Zeugnisse. Briefe. Berichte, Ham burg 1991. 63. Vgl. Erich Lacker: Zielort Karlsruhe. Die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg, Karlsruhe 1996, S. 30ff. und S. 168 (= Ver- öffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 18). 64. StadtAK ZGS 1/8.8 65. StadtAK 8/StS 17/107 66. Vgl. Josef Werner : Karlsruhe 1945. Unter Hakenkreuz, Tri- kolore und Sternenbanner, Karlsruhe 1985, S. 98. Entenfang um 1956 Plan van earl Pflästerer von 1942 mit großem Kreisverkehrsplatz. HARALD RINGLER Mühlburg in den 50er Jahren Ein Vergleich der Einwohnerzahlen von 1950 und 1996 zeigt für diesen Stadtteil eine ähn liche Grö- ßenordnung (16.200 und 15.700). Die Wohnver- hältnisse haben sich aber in dieser Zeit stark verän- dert. Die Sanierung der Rheinstraße und die Neu- bautätigkeiten an der Lameystraße, eine neue Wohnsiedlung auf dem Mühlburger Feld, die Be- bauung des Seldeneck'schen Feldes und die Schlie- ßung von Baulücken erhöhten das quantitative und qualitative Wohnungsangebot. Weniger Menschen wohnen jetzt in mehr Wohnungen. Die meisten dieser Projekte wurden in den 50er Jahren verwirk- licht. Damit ste llt der Stadtumbau und die Erweite- rung Mühlburgs, realisiert innerhalb von 10 Jahren, die größte städtebau li che Nachkriegsleistung in Karlsruhe dar. Verkehrsplanung als Sanierungsanlaß "Wer von der Innenstadt aus zum Rheinhafen oder in die Pfalz gelangen will, muß seinen Wagen am Entenfang nach rechts in einen Straßenschlauch hineinsteuern, der den Kraftfahrern ebenso wie den Straßenbahnführern und den Fußgängern täglich mehr Kummer bereitet. Wenn eine typische Klein- Die städtebauliche Neuordnung Mühlburgs in den 50er Jahren stadt plötzlich einem nie gekannten Großstadtver- kehr preisgegeben wäre, so könnten die Verhältnis- se nicht schlimmer sein als in dem manchmal fast unentwirrbaren Verkehrstumult, der sich auf die- sem Straßenstück bis zum Lameyplatz abspielt. Während Karlsruhe sowohl nach Norden und Osten als auch nach Süden halbwegs gute Ausfallstraßen besitzt, muß sich der Verkehr nach Westen, also zum Rheinhafen und in die Pfalz, durch diese schmale Gasse Alt-Mühlburgs zwängen. Was ist da zu tun? "fragte 1952 ein Karlsruher Journalist.1 Eine Antwort enthielt bereits der Entwurf zum Generalbebauungsplan 1926. Er enthielt eine Neu- ordnung des Verkehrs mit einer Fortsetzung der Rheinstraße im Zuge der heutigen Vogesenbrücke, der Weinbrennerstraße und Lameystraße als Haupt- verkehrsstraßen und des Ausbaues des Verkehrs- knotens Entenfang. Während des "Dritten Reichs" gab es Planungsüberlegungen zum Ausbau einer Ost-West-Achse nach dem Muster der für viele Städte geplanten Monumentalachsen als bauliche Manifestation der totalitären Ideo logie.2 Eine der zwischen 1938 und 1942 von earl Pflästerer ent- worfenen Varianten sah eine geradlinige Fort- setzung der Kaiserallee westlich der Drei-Linden- Apotheke bis zu einem riesigen Kreisverkehrsplatz im Bereich des Lameyplatzes vor (siehe Abbildung Mühlburg 1945. S. 56 unten).J Dort wäre auch ein gewaltiger bauli- cher Abschluß der vom Durlacher Tor beginnenden Ost-Westachse bzw. ein westlicher Stadteingang vorgesehen gewesen. Von diesem Verkehrsplatz in Form eines riesigen umbauten Rondells sollten die Straßen sternförmig nach allen Himmelsrichtungen angelegt werden. Eine südliche Umfahrung hätte die Ausfal lstraßen nochmals halbkreisförmig ver- bunden. Dafür wäre der Abbruch von 140, zum Teil bereits durch Bombenangriffe beschädigten oder zerstörten, Gebäuden notwendig gewesen. Erste Kalkulationen führten zu einem Entschädigungs- wert von 6,5 Mio Reichsmark. Bereits 1945 war der Traum von der Realisierung dieser Planungen end- gültig ausgeträumt (siehe Abbildung oben). 1952 legte das Stadtp lanungsamt einen Bericht "zur Neuordnung der Verkehrsführung in den west- lichen Stadttei len und zur Aufstel lung der neuen Bebauungspläne für Mühlburg" vor.4 Die damalige Einbindung Mühlburgs in das städtische Verkehrs- netz wurde kritisch beleuchtet: schlechter An- schluß der B 36 von Süden über die Durmersheimer Straße (Bahnübergang), schlechte Führung und un- genügende Breite der B 10 (Rheinstraßel. unklare VERKEHRSFÜHQUNG iM WESTEN BUND€S5T R.10 !CNltiL.!NCOIN . PfAl"l BUNDESS1"Q. .?b NliUREUTH -' M"NM1Ei M HEUTi~ER ZUSTAND z MJNOESS"R . ~6 DOA./'1ER3HEiM - RAST"H HAUPT VERI<EHR.SSTl2ASSf;N U8RiC.~ ST RASSENNEH STRMSENBAHH Verkehrs führung im Westen vor der Neuordnung. Verbindung der Kriegsstraße mit Mühlburg über die Bannwaldallee und die Hardtstraße, schwierige Kreuzungen Hardtstraße-Rheinstraße, Hardtstraße- Lameystraße, Honsellstraße-Rhein- und Hardtstra- ße, Rheinstraße-Entenfang und fehlende Umge- hungsstraßen (siehe Abbildung S. 59). Die Verbesse- rung dieser Verhältnisse stand als vordringliches Zie l an, vor allem die Verbindung nach Westen mit der Verbreiterung der Rheinstraße und die Entla- stung des Ortskerns von Mühlburg. Diese Möglich- keit bestand in der Neuanlage der Lameystraße, de- ren Ausbau zum Abbruch von Gebäuden auf der Südseite führte (siehe Abbildungen S. 60 und S. 61) . Die östliche Rheinstraße erhielt als Fortführung der Kaiserallee die Verlängerung nach Süden in die Vo- gesenstraße über eine zu bauende Straßen brücke. Für die Straßenbahn linie nach Daxlanden über den Entenfang (siehe Abbildung im Beitrag Ernst S. 162) bestand bereits seit 1928 eine Überführung über die Bahnanlagen. Die Straßenverbindung nach Daxlanden verlief in der Hardtstraße an der Voge- senschu le vorbei über einen Bahnübergang in die Vogesenstraße. Heute befindet sich dort eine Fuß- gängerunterführung unter der Südtangente und Hardtstraße und Lameystraße vor der Neuordnung. den Bahngleisen. Die Straßenbahnlinie nach Knie- lingen bzw. zum Rheinhafen wurde aus der engen westlichen Rheinstraße in die neue Lameystraße verlegt. Die Planung enthielt auch noch die seit den 20er Jahren geplante direkte Führung der Bundesstraße 36 aus Neureut nach Rastatt (Abbil- dung S. 63). Die Verlängerung der Weinbrennerstraße zum Entenfang und die Weiterführung in die Lameystra- ße war schon seit Anfang des Jahrhunderts als Ver- Bebauung an der Westseite der alten Lamevstraße. bindung der Kriegsstraße mit dem Westen der Stadt gedacht. Ihr kam nach der Planung von 1952 als "natür liche Ver längerung der Kriegsstraße" eine größere Bedeutung für den Autoverkehr zu als der Rheinstraße, was schon damals berechtigter- weise starke Kritik hervorrief.5 Vor dem Baubeginn auf dem Mühlburger Feld, worüber später noch zu berichten ist, wurde der Stadtverwaltung ver- deutlicht, daß diese neue Wohnsiedlung durch eine Hauptverkehrsstraße durchschnitten und der süd- Am Entenfang 1954. Iiche Teil damit zwischen dieser Straße und der ebenfa lls vorgesehenen Ebertstraße eingezwängt wäre. Die Gegner der städtischen Planung verwie- sen auf die Ebertstraße, die als südliche Umge- hungsstraße ausreichen würde. Dieser Planungs- fehler wurde erst Jahrzehnte später durch verkehrs- beruhigende Maßnahmen gemildert. Die anbau- freie Ebertstraße sollte die Verbindung in Richtung Bahnhof herstellen und hätte nach Westen die Fortsetzung mit der umzubauenden Lameystraße gefunden. Damit war der "Vorläufer" der späteren Südtangente im Westen konzipiert. Dem Enten- fang - die obige Abbildung zeigt den Zustand um 1954 - für den über Jahrzehnte hinweg auch die Anlage ei nes Kreisverkehrsplatzes überlegt worden war, kam dadurch eine ungeheure Bedeutung als Verkehrsknoten zu. Dies beeinträchtigt die städte- bauliche Eingangssituation und läßt trotz der vor- handenen Läden, der Post und der Straßenbahn- und Busstation wenig Atmosphäre für ein Stadt- teilzentrum aufkommen. Die Abbildung S. 63 ver- deutlicht die Gesamtplanung für die Neuordnung des Verkehrs im Westen Karlsruhes. Letztendlich beruhte diese auf dem Entwurf des Generalbebau- ) .J VERKEHRSFÜHRUN~ iM WESTEN .\lNoe"l ..... OUIt" •• 'H.l" ~ lt"lr ... n &Z == HAtlPTVERKEHRKr""""N = ,n::v-.,.SlH 1·0tt0HUNq = G81t!<.ca OT",,_n% - .- &TRAioSEHe... ... N 1952 geplante Verkehrsführung im Westen der Stadt. ungsplans 1926. Der Leiter des Stadtplanungsamtes nach dem Krieg, earl Pflästerer, war auch an diesem bedeutenden Planwerk aus der Zwischenkriegszeit maßgeblich beteiligt. Interessant sind die Ergebnisse der für die Unter- suchung angestellten Verkehrszählungen und Pro- gnosen der Verkehrsbelastung. Eine Querschnitts- zäh lung im Februar 1951 wies in der Rheinstraße vor dem Entenfang eine Belastung in beide Rich - tungen von 4.300 Kraftfahrzeugen innerhalb von 14 Stunden auf. Weitere Belastungswerte waren: Bannwaldallee und Honse llstraße je 2.600, Rhein- NEUPLANUNG brückenstraße über 3.100, Neureuter Straße 900 und westliche Kriegsstraße 3.800. In Karlsruhe gab es 1952 ein Motorisierungsverhältnis von 62 Kraft- fahrzeugen (Kfz) auf 1.000 Einwohner (EW). Der Prognose lag ein Wert von 125 Kfz auf 1.000 EW zugrunde. (Ende 1996: 585 Kfz je 1.000 EW). Für die Zukunft wurde das 3,5-fache der damaligen Belastungen angenommen. Für die Rheinstraße hätte das einen Wert von 14.800 Kfz in 14 Stunden bedeutet (Ende der 70er Jahre waren es dort über 20.000 Kraftfahrzeuge). Die tatsächliche Zunahme der Motorisierung und damit des Verkehrsge- Die ehemalige Ebertstraße. schehens war Anfang der 50er Jahre nicht ab- sehbar. Die meisten Maßnahmen waren Ende der 50er Jahre abgesch lossen. Der Entenfang mit der teil- weise ausgebauten Lameystraße konnte bereits ab 1954 in der alten Rheinstraße eine Einbahnführung ermöglichen und damit die Verkehrsproblematik entschärfen. Die Eröffnung der Vogesenbrücke folgte 1962. Die bedeutendste Wirkung für eine Verkehrsentlastung erfo lgte durch die 1963 begon- nene und 1988 fertiggestellte Südtangente. Die Ebertstraße zwischen Kühler Krug und Entenfang - . ' die Abbildungen S. 64 und 65 zeigen den früheren und den heutigen Zustand - wurde im Zuge der Fertigstellung der Südtangente rückgebaut und dem Albgrün "zurückgegeben". Die neue Rheinstraße Wer früher vom Mühlburger Tor in Richtung We- sten fuhr, erlebte auch die Abfolge unterschied- licher Straßenräume. Die Weite von 48 m zwischen den 1887 festgelegten Baufluchten der Kaiserallee6 endete bei der Händelstraße. Die damals bereits Der Grünzug auf der Trasse der ehemaligen Ebertstraße. teilweise bestehende Bebauung in Richtung Phil - ippstraße ließ im Anschluß daran nur noch eine Breite zwischen den Gebäuden von 38 m zu. Östlich der Philippstraße endet die Kaiserallee. Es beginnt die Rheinstraße, deren Verlauf heute ei- genartig erscheint. Die frühere Hauptverkehrslinie folgte der Rheinstraße, die vor dem heutigen En- tenfang einen leichten Knick nach Nordwesten macht. Ein Vergleich der Abbildungen S. 66 und 67 macht die Veränderungen an dieser Stelle deutlich. Die ersten drei Gebäude wurden abgerissen. An de- ren Stelle befinden sich heute Verkehrsfl äche und ein sechsgeschossiges Gebäude. Die nun so selbst- verständliche Hauptverkehrsrichtung über den erst seit den 50er Jahren bestehenden Verkehrsknoten Entenfang gab es früher nicht. Die Kreuzung Rheinstraße-Hardtstraße war der Hauptverkehrs- knoten Mühlburgs. Hier kreuzten sich die Landstra- ße Mannheim- Rastatt mit der Verbindung Karlsru- he-Rheinhafen- Pfalz. Nach der St.-Peter-und- Paulkirche verengte sich der Straßenraum weiter um einige Meter, bis er vor der Nuitsstraße auf ungefähr 17 m geschrumpft war. Die nördliche Häuserreihe verlief ab hier bis über die Gellert- Beginn der westlichen Rheinstraße vor der Neuordnung. straße an den heutigen Straßenbahngleisen (siehe Abbildung S. 68). Die Enge der weiteren Rheinstra- ße wurde oben bereits deutlich geschildert. Die Planung für Mühlburg enthielt auch die Ver- breiterung der östlichen Rheinstraße auf 38 m für Geh- und Radwege, Fahrbahnen und Straßenbahn- trasse. Die zah lreichen Kriegszerstörungen in der Rheinstraße, vor allem des Angriffs am 4. Dezember 1944 (siehe Abbildung S. 46), hinterließen Ruinen, deren Wiederaufbau an der sei ben Stelle nicht der geplanten Neuordnung entsprochen hätte. Schon einige Jahre vorher hatte die Stadt eine Bausperre an der Rheinstraße und Lameystraße erlassen, um unerwünschte bauliche Entwicklungen zu verhin- dern. Der 1954 verbindlich gewordene Bebauungs- plan Mühlburg- Ost regelte nicht nur die schon 1953 begonnene Bebauung des Mühlburger Feldes, sondern auch die Verbreiterung der Rheinstraße und den damit verbundenen Wiederaufbau bzw. Neubau in der Rheinstraße. Auf der Südseite er- Beginn der westlichen Rheinstraße nach der Neuordnung. (~ .... >" , ". ~~. • ~. g . der Rheinstraße. e Baufluchten In Alte und neu _______ ---==:-_ ß um 1955. Die östliche Rheinstra e ~ J .. :r l "., , c ! :: -: .. = !l , ... --... .. l' ..!i ... ....>,....: r- l00~ 100 I ? t---'~! --'--_ Zustand der Rheinstraße um 1955 mit teilweise bereits zurück versetzter Bauflucht. Blick nach Westen in die heutige Rheinstraße. Das alte Mühlburger Feld von der Alb aus gesehen. folgte zwischen der Kirche und der Nuitsstraße eine viergeschossige Bebauung an der zurückversetzten Bauflucht mit Ausnahme des dreigeschossigen Eck- hauses Rheinstraße 25, das noch als Bestand erhal- ten blieb (siehe Abbildung S. 68). Die anschließen- de Häuserzeile zwischen Nuitsstraße und Entenfang behielt die alte Bauflucht und läßt auch noch auf die Vorkriegsbebauung schließen. Vier Gebäude, drei davon nur zweigeschossig, stammen noch aus der Vorkriegszeit. Die Nordseite erhielt eine durch- gehende neue Bebauung mit fünfgeschossigen Wohn-und Geschäftsgebäuden an der zurückver- setzten Bauflucht. Der Architekturstil ist typisch für eine innerstädtische Bebauung der 50er Jahre. Die ersten neuen Gebäude westlich der Philippstraße standen schon, während im Anschluß daran die al- ten Häuser noch auf ihren Abbruch warteten (siehe Abbi ldung S. 69). Damit startete in Karlsruhe noch vor der Altstadtsanierung das erste Sanierungspro- jekt. Straßendurchbrüche oder -verbreiterungen waren bis dahin in vielen Städten schon immer die Auslöser von Sanierungsprojekten gewesen. Die notwendige Bodenordnung erfolgte unter freiwilli- ger Mitwirkung der privaten Eigentümer unter Ein- scha ltung der "Gemeinnützigen Wohnungsgesell - schaft Sozialwerk". 7 460 Wohnungen, über 20 La - dengeschäfte und einige Bankfilialen entstanden bis Anfang der 60er Jahre. Das Mühlburger Ein- kaufszentrum hat sich damit von Westen nach Osten entwickelt. Die "Atmosphäre" der neuen Rheinstraße leidet unter ihrer Breite, der Funktion als Durchgangsstraße und einem fehlenden attrak- tiven zentralen Bereich. Die potentiellen Örtlichkei- ten dafür, der Platz vor der St.-Peter-und-Paulkir- che im Osten und der Entenfang im Westen, liegen zwar am Rande der Geschäftszone, sollten aber dennoch weiterentwickelt werden. Das Mühlburger Feld Der zweite Teil der 1952 vorgelegten Planungsstu- die befaßte sich mit der Bebauung des Mühlburger Feldes. Das ca. 19 ha große Gelände zwischen der Alb im Süden und der heutigen Sophienstraße im Norden (Abbildung S. 70) befand sich zur Hälfte im Eigentum der Stadt und war als Kleingartengelän- de genutzt. Überlegungen zur baulichen Nutzung gab es schon seit Anfang dieses Jahrhunderts. Die Wohnungsnot Anfang der 50er Jahre führte zur verstärkteri Erschließung von neuem Baugelände. Den kleineren Siedlungsprojekten an der südlichen Erzbergerstraße und in der Nordweststadt wie die Siemens-, Binsenschlauch- und Rennbuckel-Sied- lung folgte ab 1953 die Bebauung des Mühlburger Feldes. In der 1952 vorgelegten Studie war ein Be- bauungskonzept des Stadtplanungsamtes entha l- ten (Abbildung rechts), das für den Wohnungsbau einen konsequenten Nord-Süd orientierten Zeilen- bau vorsah. Am Entenfang waren bereits in diesem Entwurf drei Punkthäuser vorgesehen. Die Hoch- hausgruppe war als "architektonischer Akzent" und "Auftakt für das neue Wohngebiet" gedacht. Hier entstand dann auch 1954 das erste Hochhaus in Karlsruhe (Entwurf Architektengemeinschaft Back- Vorschlag des Stadtplanungsamtes 1952 für die Bebauung des Mühlburger Feldes. haus und Brosinsky, Lauer, Schloms), die nächsten folgten 1955 und 1969. Die beiden ersten zeigen mit ihren Attikageschossen und den auskragenden Flachdächern einen typischen Abschluß, wie es der Architektursprache dieser Zeit entsprach. Im Ver- gleich dazu kann das Ende der 60er Jahre gebaute Hochhaus nur wenig Qualität nach außen zeigen. Architektur der 50er Jahre am Entenfang: Kiask, Pastamt und Hachhaus. Rheinstraße und Mühlburger Feld mit den beiden Hochhäusern om Entenfong um 1955. 4.000 bis 5.000 Menschen sollte diese Siedlung be- herbergen. Bemerkenswert ist der später nicht rea- lisierte Vorschlag, zwischen Weinbrenner- und So- phienstraße ein gemischtes Baugebiet für Kleinbe- triebe vorzusehen. Die wesentlichen Merkmale die- ser Gesamtplanung wurden, trotz Auslobung eines Wettbewerbes, in die Realität umgesetzt. Das Be- bauungsplankonzept enthielt bereits die wichtig- sten planerischen Vorgaben und Ziele, welche die heute so selbstverständlich wirkende Erscheinung dieser Nachkriegssiedlung prägen: die bereits er- wähnte offene drei- bis fünfgeschossige Zeilenbau- weise mit überwiegender Nord-Süd-Ausrichtung und die dazwischen liegenden 30 m tiefen Grünflä- chen. Ein öffentlicher Grünzug von der St.-Peter- und Paulkirche nach Süden zur neuen Grundschule bildet die Siedlungsmitte. Im Januar 1953 beschloß der Gemeinderat die Bebauung des "Mühlburger Feldes". Von den 32 Teilnehmern des im März desselben Jahres abge- "ÜAUUlllöl'LAN M HLBURG - OST AU' • AU' L ... " .111000 iilI~ =-cc __ !'~---- ~~ ~T'",,- -""" Der Bebauungsplan Mühlburg-Ost 1953/54. Luftbild mit Blick van Westen Ende der 50er Jahre. schlossenen Architektenwettbewerbs errang Alfred Gärtner den ersten Preis, Martin und Johanna Mef- fert, die späteren Architekten der Friedrich-Ebert- Schule erh ielten den zweiten Preis und Erich Ross- mann und von Norden die beiden dritten Preise. Nach dem Einspruch des Bundes Deutscher Archi- tekten mußten die eigentlichen ersten Preisträger Hans W. Jung und Ralph W. Becker als nichtteilnah- meberechtigt ausgeschlossen werden. Vor der endgültigen Rechtskraft des überar- beiteten Bebauungsplans Mühlburg-Ost (Abbil- dung S. 72) Ende 1954 waren die meisten Gebäude bereits errichtet. Innerhalb von zweieinhalb Mona- ten wurden 42 Wohnhäuser im Rohbau fertig ge- steilt. Die stadteigene "Volkswohnung" baute ins- gesamt über 1.300 Wohnungen, davon über 900 Wohnungen in fünfgeschossigen, bis zu 80 m lan- gen Zeilen. 97 % des Wohnungsbestandes sind Zwei- bzw. Drei-Zimmerwohnungen. Gegen Ende des Projekts regten sich auch kriti- sche Stimmen. So wurde wie bereits in der Pla - nungsphase 1952 die Lage eines Großteils der Sied- lung zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen beklagt. Der Volkswohnung wurde vorgeworfen, keinen der preisgekrönten Entwürfe übernommen, die Ge- schoßzahl durchwegs auf fünf erhöht und die be- auftragten Architekten nach der ersten Bauphase ausgeschaltet zu haben.8 So sei hier die Chance für eine Mustersiedlung nicht genutzt worden. Von allen neuen Siedlungen nach dem Krieg be- saß das Mühlburger Feld von Anfang an die gün- stigste Versorgungssitu ation durch die in die Sied- lung integrierten Grundschule und Kindergärten sowie die kurze Entfernung zur Rheinstraße mit ih- rem reichen Einzelhandels- und Dienstleistungsan- gebot und den Straßenbahnhaltestellen. War die Sied lung 1952 noch für 4.000 bis 5.000 Einwohner vorgesehen, so leben heute in den zwischen 1987 bis 1992 modernisierten Wohnungen und Altenein- richtungen etwa 2.700 Menschen. Die Situation des Wohnumfeldes hat sich nach dem Rückbau der Ebertstraße und nach verkehrsberuhigenden Maß- nahmen in der Weinbrennerstraße wesentlich ver- bessert. Anmerkungen 1. Badische Neueste Nachrichten (BNN) vom 20. September 1952. Großräumige Verkehrsplanung für Mühlburg. 2. Stadtarchiv Karlsruhe (StadtAK) 7/NL Pflästerer 176. 3. StadtAK 7/NL Pflästerer 90. 4. Karlsruhe-Mühlburg Planung und Aufbau, Oktober 1952. 5. BNN vom 21. März 1953, "Mühlburger Feld im Zwielicht". 6. Baufluchtenplan der Kaiserallee vom 25. Januar 1887. 7. Die Sanierung in Mühlburg. Karlsruher Wirtschaftsspiegel 1/1958. 8. BNN vom 13. Oktober 1956 und 3. November 1956. Anläßlich der legendären Bambi- Verleihungen kamen auch schan einmal die Filmgrößen der Zeit nach Mühlburg, hier Saphia Loren beim Verlassen einer Tank- stelle. Foto vom 31. August 1958 ANGELIKA SAUER Die folgenden Bilder wollen einen zwanglo-sen Spaziergang durch das Mühlburg der Nachkriegszeit unternehmen und einen Ein- druck vom Leben in dem wiedererwachenden Stadtteil nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in der "Wir sind wieder wer"-Zeit in den 50er Jahren vermitteln. Die meisten Bilder stammen aus dem fotograph ischen Nachlaß des Karlsruher Fotojour- nalisten Horst Schlesiger, der von 1950 an für die Badischen Neuesten Nachrichten fotografierte. Badebetrieb im Plantschbecken des Kinderspielplatzes im Mühlburger Feld. Foto: Horst Schlesiger, 19. Juli 1955. Mühlburg in der Nachkriegszeit Weihe der neuen Glocken für die Kirche St. Peter und Paul. Foto: Harst Schlesiger vom 21. Oktober 1957. Das neue Pos t- gebäude am Entenfang fand nicht nur Zu- stimmung. Ein Zeitungsartikel vom 25. Septem- ber 1956 bemän- gelt, daß dem Gebäude die in ihm unterge- brachten tech- nischen Anlagen anzusehen seien. Zu dem Sgraffito- Bild an der Stirn- seite bemerkte der Journalist, daß "die Mühl- burger gern wüßten, was es bedeutet': Foto: Horst Schlesiger Die beim Luft- angriff vam 4. Dezember 1944 zerstörte Kirche St. Peter und Paul var Beginn der Wiederaufbau- arbeiten. Fata: Harst Schlesiger vam 25. Februar 7954. Abbruch eines der öltesten Mühl- burger Höuser im Zusammenhang mit baulichen und verkehrs- technischen Verönderungen zwischen Enten- fang und Lamey- platz. Foto: Horst Schlesiger vom 22. September 7954. ------- Großbaustelle "Mühlburger Feld" im Rahmen des Wohnungsbau- programms 7953. Foto: Harst Schlesiger vom 20. Juni 7953. Abbrucharbeiten in der Rheinstraße. Im Hintergrund das Kino "Gloria': Fata 7959. Blick in die Hardtstraße, Fata um 1950. Lameystraße Anfang der sechziger Jahre mit landwirt- schaftlichem Pferdewagen und Autoverkehr. Luftaufnahme vom Lomeyplatz mit dem Sportplotz der Turnerschoft Mühlburg. der bis zur Inbetriebnahme des Wildporkstodions im Jahr 1955 Sportstadion des KSC war. Foto 1955. Blick in die Rhein- straße vom Haus Nr. 21 aus in Richtung Entenfang. Die Straßen- einmündungen in der Bildmitte bilden die Nuitsstraße. Foto 1958. Abbrucharbeiten in der Rheinstraße im Zusammenhang mit der Verlegung der Bauflucht. Bis zur Kirche St. Peter und Paul ist die Straßen- verbreiterung bereits ab- geschlossen. Im Vordergrund die Nuitsstraße. "s'Leyerles Häus/e", Mühlburgs damals ältestes Haus in der Lameystraße 63, in der Mitte Wilhe/m Leyerle, der letzte Besitzer des Hauses, Fata: Horst Schlesiger vom 25. September 1954. Einer der ältesten Bauernhäfe Mühl- burgs in der Sternstraße 8, den der letzte Besitzer Friedrich Halstein im Sommer 1969 verließ und auf einen Aussiedlerhof zog. Foto: Horst Schle- siger vom 13. Juni 1969. Die Malzfabrik Wimpfheimer gehörte zu den traditions- reichen Mühlburger Industriebetrieben. Foto um 1960. Abriß der Gebäude der Malzfabrik Wimpfheimer an der Hardtstraße. Foto: Harst Schlesiger vom 5. Oktaber 1983. " Zu den traditionsreichen Mühlburger Gasthäusern gehärte der "Adler", Lameystraße 13, dessen Tage 1976 gezählt waren. Foto: Horst Schlesiger vom 21. Juli 1976 . .. ., Nach 36 Jahren schließt der "Tante-Emma-Laden" von Karl Scheerer in der Rheinstraße 85. Fata: Horst Schlesiger vom 13. September 1986. Die Karl-Friedrich- Gedächtniskirche um 1900, mit einem Stern ist Freiherr von Sel- deneck, mit zwei Sternen Dekan Ebert gekenn- zeichnet. DANIELA BLANCK Die Karl-Friedrich-Gedächtniskirche Die am Lindenplatz gelegene evangelische Pfarrkir- che hat eine lange Geschichte. Seit 1488 gab es im Mühlburger Schloß eine Kaplanei, 1556 wurde die Reformation eingeführt und bis zum Dreißigjähri- gen Krieg waren alle Einwohner Mühlburgs evan- gelisch-lutherischer Religion. Der Ort war zunächst eine Filiale von Knielingen, und alle 14 Tage hielt der dortige Pfarrer einen Gottesdienst im Mühlbur- ger Schloß. Nach der Zerstörung des Schlosses mußten die Mühlburger in die Mutterkirche nach Knielingen gehen. 1713 begann Pfarrer Wechsler mit einer Sammlung für den Bau einer Kirche, wei- che er bei der damals in der Nähe von Mühlburg liegenden Reichsarmee durchführte und an der sich etliche deutsche Fürsten beteiligten. Außerdem zo- gen zwei Abgesandte durch die protestantischen Gebiete und sammelten ebenfalls für ihre Kirche. 1719 konnte man ein Kirchenhaus errichten, in dem gleichzeitig auch das Schul -und das Rathaus untergebracht waren. Obwohl die Kosten von An- gehörigen aller Konfessionen getragen werden mußten, wurden bei der Versteigerung der Kirchen- stühle die Lutheraner gegenüber den Katholiken bevorzugt. Mit dem Kirchenhaus erhielt Mühlburg nun seine eigene Pfarrei. 1729 konnte dann auch Die Kirchen aus Spenden ein Pfarrhaus gebaut werden. Doch schon 1786 befand sich das Kirchenhaus in einem "elenden und baufälligen" Zustand, die Schwellen waren verrottet, und der Turm begann sich gefähr- lich zu neigen. Der damalige Regent, Markgraf Karl Friedrich, ließ sich von seinem Bruder, Prinz Wil - helm Ludwig - einem eifrigen Kirchgänger-, dazu bewegen, das alte Gebäude niederzureißen und eine neue Kirche in einfachem Barockstil nach Plä- nen Johann Friedrich Weyhings zu bauen. Zudem schenkte er der Gemeinde die Orgel aus der Karls- ruher Schloßkirche, die allerdings schon 1810 er- setzt werden mußte. 1903 wurde die Kirche renoviert, erweitert, und der Blick ins Innere der Karl-Friedrich-Gedächtniskirche vor der Umgestaltung im Jahr 1903. Blick auf Lindenplatz und Karl-Friedrich-Gedächtniskirche nach dem Umbau, Foto nach 1903. Jugendgottesdienst in der Karl-Friedrich-Gedöchtniskirche in den 20er Jahren. Turm bekam ein neu barockes Obergeschoß mit La - terne. Die Glocken goß man zu einem vo ll eren Klang um. In Erinnerung an ihren Gründer erhielt die Kirche den Namen Karl-Friedrich-Gedächtnis- Kirche. Beim Bombenangriff am 4. Dezember 1944 wurde sie fast vollständig zerstört, nur Reste des Turmes blieben stehen. In den Jahren 1945 bis 1951 mußte der Gottesdienst im Saal des Gemeindehau- ses abgehalten werden. 1949/50 dann ermöglich- ten Spenden den Wiederaufbau nach Plänen des Professors Gisbert von Teuffel, wobei Mauersteine aus der Ruine des völlig zerstörten Gasthofes "Zu den drei Linden" verwendetet wurden. 1951 konnte die wiederaufgebaute Kirche, allerdings mit verän- dertem Innenraum, feierlich eingeweiht werden. Da die Baumaterialien der Nachkriegszeit von sehr schlechter Qualität waren, mußte die Kirche 1978 erneut renoviert werden. Im Zweiten Welt- krieg wurde die Karl-Friedrich- Gedächtnis- kirche sch wer beschädig t. Fata noch 1945. Gottesdienst in der zerstörten Karl-Friedrich- Gedächtniskirche. Die Karl-Friedrich- Gedächtniskirche nach dem Wiederaufbau. Die St.-Peter-und Paul Kirche kurz nach der Ein- weihung 7886. Fato: Wilhe/m Kratt. rechts : Die St.-Peter-und Paul Kirche wurde im Zweiten Welt- krieg schwer beschädigt. St. Peter und Paul Die Katholiken waren lange eine Minderheit in Mühlburg. 1714 betrug ihr Bevölkerungsanteil im- merhin schon rund ein Viertel, doch der Bau einer eigenen Kirche blieb ihnen noch lange verwehrt. Alle Kinder mußten die evangelische Schule besu- chen, und Trauungen, Taufen und Begräbnisse wur- den von evangelischen Geistlichen vorgenommen. 1805 beauftragte das Großherzog liehe Geheime Ratskollegium den katholischen Stadtpfarrer Huber in Karlsruhe mit der seelsorgerischen Betreuung der Mühlburger Katholiken. 1814 wurde sie dem j ewe i- ligen Pfarrer von Daxlanden übertragen, allerdings immer noch mit der Auflage, daß katholische Tau- fen und Beerdigungen vom jeweiligen evangeli- schen Pfarrer in Mühlburg vorgenommen werden mußten. 1847 schließ lich erhielt Daxlanden die ge- samte katholische Pastoration, und die katholi- schen Kinder Mühlburgs besuchten die katholische Schule in Grünwinkel. 1867 richtete man einen ka- t holischen Kirchenbaufond ein. Der Kulturkampf der siebziger Jahre verzögerte aber den Bau einer katholischen Kirche in Mühl- burg, mit dem 1884 begonnen wurde. Baurat Adolf Williard leitete den Bau der neuen St.-Peter-und- Blick ins Innere der St.-Peter-und-Paul Kirche kurz nach der Ein weihung 1886. Foto: Wilh elm Kratt. Fronleichnamsaltar am Pfarrhaus Paulkirche. Im August 1885 richtete ein Wirbel- sturm erhebliche Schäden an dem noch unvollen- deten Bauwerk an und verzögerte seine Fertig- stellung um Monate. Mit Vollendung der Kirche 1886 kam es zur Gründung der Kuratie Mühlburg mit dem Filialort Grünwinkel und den Diaspora- orten Knielingen, Maxau, Welsch neu reut, Teutsch- neureut, Eggenstein und Leopoldshafen; sie umfaß- te 2545 Mitglieder. 1896 wurde Mühlburg eigene Pfarrei mit dem seit Fronleichnamsprazession 1897. 1893 in Mühlburg wirkenden Pfarrkurator Friedrich Isemann als erstem Pfarrer. I n den zwa nziger Ja h ren sch uf AI bert Ha ueisen eindrucksvolle Kreuzwegbilder, die aber leider nicht erhalten sind. Das Gemeindeleben entwickelte sich, und einige karitative und kulturelle Einrichtungen wurden geschaffen. Nach 1933 bekam man auch hier die Auswirkungen des Kirchenkampfes zu spüren, so wurde der Pfarrvikar Ferdinand Maurath 1941 wegen verschiedener Delikte angezeigt und ohne Gerichtsurteil bis Kriegsende in das Kon- zentrationslager Dachau gebracht. Beim Bomben- angriff wurde die Kirche bis auf die Doppelturm - fassade zerstört. Wegen der finanziellen Notsitu- ation nach dem Kriege konnte mit dem Wieder- aufbau erst zehn Jahre später begonnen werden. 1994 erhie lt die Kirche einen neuen Kreuzweg, ge- sta ltet von einem peruanisehen Künstler. Heute sind die 6327 in Mühlburg lebenden Katholiken eine Mehrheit. Zeugnisbüchlein der Volksschule Mühlburg 1883. DANIELA BLANCK Die ersten Informationen über eine Schule in Mühlburg stammen aus der Zeit nach des-sen Stadterhebung . Alle Kinder des Ortes wurden von einem evangelischen Schulmeister un- terrichtet, der aber auch noch einen handwerkli- chen Beruf ausübte. Ab 1719 waren die Schulräu- me sowie die Wohnung des Lehrers im neu einge- weihten Kirchenhaus untergebracht. Wo vorher der Unterricht stattgefunden hatte, ist nicht bekannt. 1786 wurde das baufällige Kirchenhaus abgerissen und an seinem Platz die Karl-Friedrich-Gedächtnis- kirche erbaut. Der Unterricht fand daraufhin in ei- ner Schulstube statt, die aber bald nicht mehr aus- reichte. Das Landamt Karlsruhe forderte die Ge- meinde Mühlburg auf, durch den Bau eines neuen Schulhauses für mehr Unterrichtsraum zu sorgen. Dies mußte der Gemeinderat jedoch am 1. August 1831 mit folgender Begründung ablehnen: "Wegen Unvermögenheit der hiesigen Stadtkasse ist die Er- bauung eines neuen Schulhauses nicht möglich. Die Schulstube seye bis zum künftigen Frühjahr zu ver- größern, sodeshalb in diesem Sinne Bericht ans Landamt zu erstatten." So kam es erst 1848 zum Bau eines Schul- und Rathauses. Die katholischen Kinder gingen seit 1847 in die Schule nach Grün- winkel, ab 1857 gab es dann auch in Mühlburg eine private katholische, die bis 1874 bestand. Die evan- Die Mühlburger Schulen gelische Gemeinde richtete 1867 eine Kleinkinder- schu le ein, die zunächst im früheren Spritzen- und Dielenhäuschen untergebracht war und später in das 1901 gebaute Gemeindehaus umzog. 1874 führte man hier die Simultanschule ein, und ein neues Schulhaus wurde gebaut, in dem die heutige Hardtschu le untergebracht ist. Nach der Eingemeindung 1886 erweiterte die Stadt das Ge- bäude. 1908/09 entstand in direkter Nachbarschaft die Mühlburger Schule, die spätere Hardtschule, welche auch eine eigene Turnhalle bekam. Die neue Schu le sollte etwa 1300 Kinder aufnehmen, das Ge- bäude war in Mädchen- und Knabenflügel unter- teilt. In der Zeit von 1935/36 bis 1945/46 hieß die Die Hardtschule, heute Vogesenschule, während des Baus 1908/09. Die Hardtschule, heute Vogesenschule, kurz nach ihrer Fertigstellung 1909. Gruppenbild einer Klasse der Evangelischen Kinderschule in der Geibeistraße. Die Schule wurde 1867 gegründet und war vor dem Bau des evange/isch~n Gemeindehauses 7907 im früheren Die/en- und Spritzenhäuschen untergebracht, Foto 1904. Wasserbrunnen in der Hardtschu /e, Fata 1909. Schule Herbert-Norkus-Schule nach ei nem Hitler- jungen, der bei Straßenkämpfen ums Leben gekom- men war. Als nach einem Bombenangriff am 9. Au- gust wegen Blindgängern ein ige Gebäude in Dax- landen zeitwei lig geräumt werden mußten, wurden die Bewohner in der Herbert-Norkus-Schu le unter- gebracht. Bei einem britischen Fliegerangriff am 3. September 1942 brannte die Schule völlig aus, der Unterricht blieb lange Zeit beeinträchtigt. Nach dem Wiederaufbau reichte der Platz in der Schule bald nicht mehr aus, und es kam 1952/53 Brunnen auf dem Schulhof der Draisschu/e. die Draisschule dazu. Di e Stadt hatte das Grund- stück bereits am 13. Oktober 1928 von Hans Frei- herrn von Seideneck erworben, da man schon zu diesem Zeitpunkt damit rechnete, daß über kurz oder lang ein weiteres Schulgebäude erforderlich werde. Die Hardtschu le mußte zu Beginn der neun- ziger Jahre der Erweiterung der Südtangente wei- chen, wurde aber nicht abgerissen, sondern nur teilweise abgetragen und versetzt wieder aufge- baut. Heute sind in dem Gebäude die Kimmel- mannschule und die Vogesenschule untergebracht. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Herbert-Norkus-Schule stork beschädigt. Blick auf die Herbert-Norkus-Schule nach der Zerstörung. Blick auf d· le neue Draisschule. Luftbild der Draisschule kurz nach der Erbauung 1952/53. Die rristanstraße ist nach kaum bebaut. Die Seldeneck'sche Brauerei im Johr der Eingemeindung von Mühlburg, Lithographie von CH. Kiefer 1886. THOMAS MEYER Ä s die Mühlburger Brauerei im Jahre 1920 von der Sinner AG in Grünwinkel übernom- men wurde, bedeutete dies das Ende eines 150 Jahre alten Betriebes, der vor dem Ersten Welt- krieg zum Kreis der Karlsruher Großbrauereien ge- hörte. Sitz des Unternehmens, von dem wichtige Gebäude noch erha lten sind, war das ehemalige Seldeneck'sche Freigut an der Hardtstraße, das in der Mitte des 18. Jahrhunderts von Prinz Wilhelm Ludwig von Baden, einem Bruder des Großherzogs Karl Friedrich, durch den Kauf zahlreicher Grund- stücke gegründet wurde. Im Jahre 1770 errichtete er dort eine Biersiederei, die zunächst für die eige- nen Bediensteten braute, schon bald aber auch die Mühlburger Kundschaft der um diese Zeit aufgege- benen Brauerei des Kammergutes Gottesau über- nommen haben dürfte. Während die Selden- eck'sche Brauerei die Zeit der· Koalitionskriege durch die geschickte Führung der Witwe Wilhelm Ludwigs gut überstand, kam der Betrieb an der Wende zum 19. Jahrhundert vorübergehend zum Erliegen. In den folgenden Jahrzehnten nahm die Brauerei jedoch einen stetigen Aufschwung, der sich in einer umfangreichen Bautätigkeit nieder- sch lug. Die Lithographie von C. H. Kiefer aus dem Jahre 1886 zeigt deutlich die schloßartige Anlage, deren Vorderfront von der Fabrikantenvilla domi- Die Brauerei Se Iden eck niert wird, während die eigentlichen Produktions- gebäude im Hintergrund bleiben. Als bedeutende Schritte auf dem Weg vom handwerklichen zum in- dustriellen Brauen ist die Aufstellung der ersten Dampfmaschine in einer badischen Brauerei 1864 und die Installation von Eis- und Kühlmaschinen des Systems Linde 1890 zu nennen. In dieser Zeit wurden die meisten der zahlreichen Neubauten im Stil des Historismus errichtet, die auch heute noch das Erscheinungsbild des ehemaligen Brauereikom- plexes prägen. Im Jahre 1900 wurde die Freiherr von Seldeneck 'sche Brauerei in die Mühlburger Brauerei AG umgewandelt, die mit 72 Beschäftig- ten 1912 an der fünften Stelle der Karlsruher Brauereien stand. Absatzverluste, Rohstoffmangel Werbekarte der Brauerei aus dem Jahr 1904. Postkarte mit dem Seldeneck'schen Schlößchen um 1900. Briefkopf der Brauerei Seideneck aus dem Jahr 1898. Rückansicht des Seldeneck'schen Schlößchens, Fata 1965. und die wirtschaftliche Krise nach dem Ende des Ersten Weltkrieges führten dazu, daß das Unter- nehmen 1920 von der Sinner AG übernommen und der Betrieb eingestellt wurde. Die Gebäude wurden fortan für verschiedene Zwecke genutzt. Da das Seldeneck'sche Sch lößchen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts im Jahre 1965 trotz seines an- geblich guten Zustands abgerissen wurde, sind heute nur noch Gebäude aus der Zeit zwischen 1863 und 1909 erha lten, von denen insbesondere die beiden Sudhäuser und der alte Eiskeller einen Eindruck vom Aussehen der Anlage um die Jahr- hundertwende vermitteln. Seit 1985 steht das Hauptgebäude der Seldeneck'schen Brauerei unter Denkmalschutz. Quellen: Rainer Beck, Winfried Flamman, Die Seldeneck'sche Brauerei in Mühlburg, in: Industriearchitektur in Karlsruhe. Beiträge zur Industrie- und Baugeschichte in der ehema ligen Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrie- ges, Karlsruhe 1987, S. 32-50 (= Veröffentlichungen des Karls- ruher Stadtarchivs Bd. 6) Barbara Guttmann, Hopfen und Malz. Karlsruher Braukunst seit 1715, Kapitel 2, Brauerei Seideneck, Karlsruhe 1998. Albrecht Thoma, Geschichte von Mühlburg, Karlsruhe 1903. Ehemaliger Bier- und Eiskeller, Nordfossade, Westteil, Foto 1986. Blick in den Gewölbekeller der Seldeneck'schen Brauerei, Foto 22. Juni 1995. Das alte Sudhaus I, Ostfassade zum Haf. Arbeiter der Firma Seneco. THOMAS MEYER Die Eisengießerei Seneca ging ursprünglich aus der 1856 gegründeten "Galvanop lasti-schen Anstalt G. L. von Kress & Co." hervor, die ihren Sitz im sogenannten Promenadenhaus vor der Stadt an der Kriegsstraße hatte. Da der erhoffte unternehmerische Erfolg ausblieb, wurde der Be- trieb bereits im Jahre 1859 an den Kaufmann Au- gust Nerlinger und den damals erst 22jährigen In- genieur Ferdinand Seneca verkauft. Diese wandel- ten den Betrieb in eine Eisengießerei um, da die aufstrebende Technik und Industrie einem eisen- verarbeitenden Unternehmen gute Entwicklungs- möglichkeiten versprachen. N1lchdem Nerlinger ausgeschieden war, wurde die Firma 1864 in "Eisen- und Metaligießerei F. Seneca" umbenannt. Zu den Erzeugnissen jener Zeit gehörten Kleingußprodukte wie Maschinenkleinteile, Grabkreuze oder Hänge- gewichte für die Schwarzwälder Uhrenindustrie ebenso wie Zier- und Bauguß, Nähmaschinenge- ste lle, gußeiserne Kandelaber, Zierbrunnen und Ge- länder. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ermöglichte die Errich- tung einer Werkstätte für Eisenbau die Beteiligung an größeren öffent li chen Projekten. Außerdem belieferte man die Badische Staatsbahn mit kleineren Brücken und Bahnsteigüberdachungen. Die Eisengießerei F. Seneca Auch die Fertigung von Kanalisations- und Han- deisguß wurde aufgenommen. Bereits in dieser Zeit wurde das Gelände an der Kriegsstraße zu klein, da die rasche Erweiterung der Stadt und die umliegende Bebauung keine Vergrö- ßerung eines derartigen Betriebes mehr zuließen. Entsprechend errichtete man 1886 bis 1888 weit außerha lb der Stadt, nahe des damaligen Bahnhofs Mühlburg an der heutigen Kärcherstraße 6/7, eine moderne Fabrik mit Gleisanschluß an die Maxau- bahn und weitete die Produktion aus. Einen Höhe- punkt ste llte die 1890/91 in mehreren Abschnitten erbaute Hirschbrücke in der Südweststadt dar, de- ren Konstruktionsgewicht 352 Tonnen betrug. 1908 starb Ferdinand Seneca im Alter von 71 Jahren, worauf sein ältester Sohn Ferdinand die Lei- tung übernahm. Dieser starb jedoch bereits 1915, weshalb sich die Familie auch angesichts der Krise nach dem Ersten Weltkrieg 1919 entsch loß, das Un- ternehmen zu verkaufen. Der nun folgende ständi- ge Wechsel in den Gesellschafterver- hältnissen führte zu einer Stagnation des Betriebes und einer immer schwie- Ferdinand Seneca (1837-1908). Seneca gehörte zu den Hanoratioren der Stadt, er war u. a. Mit- glied der Handelskammer und des Bürgeraus- schusses. o Büro- und Pförtnerhaus um 1895. rigeren finanziellen Lage, da auch die inzwischen veralteten technischen Anlagen die Konkurrenzfä- higkeit einschränkten. Anfang der 20er Jahre wurde der Dampfantrieb durch elektrische Antriebe ersetzt, der Eisenbau aufgegeben und die Produktion um Bremsklötze und Roststäbe für die Reichsbahn erweitert. Den- noch bewirkte erst die Errichtung einer Maschinen- bauabteilung im Jahre 1932 allmählich eine Stabi- lisierung der Verhältnisse, da nun die Spezia lisie- rung auf Fleischereimaschinen der Marke "SEMA" (Seneca Maschinenbau) Schwankungen im Bereich des Kundengusses ausgleichen konnte. 1936 über- nahm der betriebstechnische Leiter Franz Meese als geschäftsführender Gesellschafter die Führung des nun in eine Kommanditgesellschaft umgewandel - ten Unternehmens. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Werk stark be- schädigt und büßte durch Demontage die Maschi- nenbauabtei lung ein, konnte aber durch die Kon- Blick in die Gußputzerei um 1910. junktur der Aufbaujahre in der Nachkriegszeit er- neut expandieren und beschäftigte 1956, im Jahr des 100jährigen Bestehens 280 Mitarbeiter. Da nun abermals das Werksgelände von Wohngebieten umschlossen war, häuften sich seit Mitte der 50er Jahre Klagen wegen der unvermeidlichen Emissio- nen des Betriebes, die eine Verlegung notwendig erscheinen ließen. Aus Altersgründen kam dies jedoch für die damaligen Besitzer nicht mehr in Frage, weshalb der Gießereibetrieb 1967 eingestellt werden mußte. Der Maschinenbau wurde mit stark reduzierter Belegschaft noch bis zur Einstellung des Betriebes im Jahre 1975 fortgeführt. Danach wurde das Gelände an der Kärcherstraße verkauft, die Fabrikationsgebäude wichen moderner Wohnbe- bauung. Quelle: Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Eisengi eßerei F. Se- neca, Karl sruh e 1956. Blick auf die Firma Seneca in den 1960er Jahren. Arbeiter der Firma Seneca. Dieser Nutz- brunnen an der Ecke Amalien- und Hirschstraße wurde van der Firma Seneca angefertigt. Im Stadtgebiet standen über 50 weitere Brunnen dieses Typs. Fata um 1875. Luftbild des Rheinhafens vom 10. Mai 1926. ERNST ono BRÄUNCHE Ä s der Karlsruher Rheinhafen, der heute zum Stadtteil Mühlburg gehört, am 1. Mai 1901 in Betrieb ging, entstand er nicht auf Mühlburger, sondern auf Bulacher und Daxlander Gemarkung. Die feierliche Einweihung fand im fol- genden Jahr 1902 statt und zwar anläßlich des 50jährigen Regierungsjubiläums Großherzog Fried- richs I. Karlsruhe hatte auf einem langen Weg zum Rhein sein Ziel erreicht. Bereits im 18. Jahrhundert hatte man erste Überlegungen angestellt, wie man Karlsruhe mit einem Rheinhafen an die Schiffahrt ansch ließen könne. Doch erst im Zuge der beginnenden Indu- strialisierung, als das expandierende Mannheim, das seit 1828 einen Rheinhafen hatte, zum Vorbild wurde, fand man eine erste Lösung in dem kleinen Hafen des Dörfchen Schröck. Der 1833 an läßlich der Hafeneröffnung zu Ehren des regierenden Großherzogs in Leopoldshafen umbenannte Ort war aber nur unzureichend ausgestattet, die Waren mußten auch noch nach der Einführung des Eisen- bahnverkehrs mit Pferdefuhrwerken transportiert werden. 1862 versprach die Ausbaggerung des kleinen Hafens Maxau end lich Abhilfe, der immerhin schon mit einer Bahnlinie, der über Mühlburg verlaufen- den Maxaubahn, direkt mit Karlsruhe verbunden Der Rheinhafen war. Trotz unzureichender Infrastruktur stieg der Güterumschlag so rasch an, daß der Hafen 1899 mit über 200.000 Tonnen an seiner Kapazitäts- grenze ange langt war. Zu diesem Zeitpunkt waren die Würfel al lerdings schon gefallen. 1896 hatten die Stadt und der badische Staat beschlossen, "ei- nen mit der Eisenbahn und der Wasserstraße des Rheins in unmittelbarer Verbindung stehenden, der Großschiffahrt dienenden Hafen in der Niederung westlich von Mühlburg" zu bauen. Nach nur zwei- einha lbjähr iger Bauzeit unter der Leitung des Inge- nieurs Max Honsell, von dem auch die Idee stamm- te, wurde der Hafen am 1. Mai 1901 eröffnet. Im Rheinhafen entstanden schon im zeitlichen Umfeld der Hafeneröffnung einige der heute noch charakteristischen Bauten: die Werfthallen, das Getreidelagerhaus und das Wohnhaus des Hafen- vorstands prägen das Erscheinungsbild des Rhein - hafens. Sie gehören zu den herausragenden Bei- spie len Karlsruher Industriearchitektur. Ausgelegt war der Hafen auf zunächst 300.000 Tonnen jährlich, die bereits im dritten Betriebsjahr erreicht waren, 1913 war mit knapp 1,5 Millionen Tonnen die vorläufige Höchstmarke erreicht. Di e Zahl der angekommenen Schiffe verzehnfachte sich innerhalb von 10 Jahren nahezu, so daß Erwei- terungen bald erforderlich waren. 1916, mitten im Am 27. Mai 1902 eröffnete das Graßherzogspaar feierlich den Karlsruher Rheinhafen. Der Rheinhafen, der heute zum Stadtteil Mühlburg gehört, wurde auf Bulacher und Daxlander Gemarkung errichtet. Ersten Weltkrieg ging ein weiteres Becken, das Nordbecken, in Betrieb. Der Umschlag erreichte im Ersten Weltkrieg all erd ings nicht mehr den Vor- kriegshöchststand und sank nach der Ka- pitulation rapide ab. Im Jahr 1922 er- holte sich der Umsatz zwar wieder, um 1923 dann aber wegen der Ruhrkrise und der Besetzung des Karlsruher Rheinhafens durch französische Trup- pen erneut stark zurückzugehen. Am 3. März 1923 besetzten französische Truppen für rund 18 Monate den Hafen, der damit zu einem Politikum zwischen Frankreich und Deutschland wurde. Durch zahlreiche restrikti- ve Verordnungen ging der Umsatz wiederum deut- lich zurück. Erst 1924 setzte ein erneuter Aufschwung ei n, der gegen Ende des Zweiten Weltkrieges abrupt unterbro- chen wurde. Selbst in den Weltwirt- schaftskrisenjahren 1929 bis 1932 blieb der Aufwärtstrend erha lten, was Das Wohnhaus des Hafenamtsvorstands wurde 1899-1901 gebaut. Die Werfthal/e I war 1901 fertiggestellt. nicht zuletzt an der 1930 abgeschlossenen Rheinregulierung der Strecke Mannheim-Sondern- heim lag. 1928 war Karlsruhe nach Duisburg, Mannheim, Ludwigshafen und Köln der fünftgröß- te deutsche Rheinhafen. Die Expansion war in er- ster Linie zu Lasten des Mannheimer Rheinhafens erfolgt, der 1904 noch fast drei Viertel des Schiff- verkehrs auf dem Oberrhein abwickelte. Der im Vergleich mit der Gesamtentwicklung des Rheinschiffahrtsverkehrs relativ stabile Um- schlag im Karlsruher Rheinhafen nahm dafür in den Jahren 1933 bis 1936 nur unwesentlich zu, während der Rheinschiffahrtsverkehr insgesamt wieder stärker anstieg. Die Eröffnung des Hafens in Heilbronn im Jahr 1935 und die Angliederung des Saarlandes, das nun verstärkt den südwestdeut- schen Raum mit Kohle versorgte, dämpfte den Auf- wä rtstrend zusätzl ich. In den 30er Jahren erhielt der Rheinhafen - sieht man einmal von dem Ölhafen ab - auch seine heu- tige Größe, 1934 konnte das Süd becken eingeweiht und die Verbreiterung des Stichkanals zum Rhein abgeschlossen werden, 1935 folgte die Erweiterung des Öl beckens. Obwohl das Rheinhafengebiet im Das Getreidelagerhaus stand 1903 zur Verfügung. Zweiten Weltkrieg immer wieder das Angriffsziel al liierter Bombenangriffe war und auch erhebliche Schäden davontrug, wurde bereits 1948 beim Güterumschlag wieder die Millionengrenze er- reicht. Zehn Jahre später waren die Vorkriegser- gebnisse mit mehr als drei Millionen Tonnen übertroffen. 1990 wurde gar ein neuer Rekord mit nahezu 12 Millionen Tonnen aufgestellt. Heute ge- hört der Rheinhafen trotz eines durch die Zusam- menlegung der beiden großen Raffinerien Esso und Oberrhei nische Mi nera lölwerke zu r Mi nera löl raffi - nerie Oberrhein (Miro) verursachten rückläufigen Umschlags nach wie vor zu den größten europäi - schen Binnenhäfen. Blick in den Hafen 1936. Im Hintergrund sind die Werfthalle I und das Getreidelagerhaus zu erkennen. Ecke Kaiserallee/Yarckstraße, "eafe Müller': Die Straße führte zur Militärschwimmschule und hieß deshalb Schwimmschul- straße. Heute befindet sich an dieser Stelle eine "Wien er- wald-Gaststätte': Rheinstraße mit der Gaststätte "Zum Rheinkanal': Mühlburg war bekannt für seine Lakale und schon vor der Eingemein- dung ein beliebtes Ausflugziel der benachbarten Residenz- städter. Um 1900. Noch bis in unser Jahrhundert verkehrten Pferdefuhrwerke auf der Rheinstraße. ULR IKE DEISTUNG M it den folgenden Bi ldern so ll ein kleiner Spaziergang durch das alte Müh lburg unternommen werden - ein Spaziergang durch die historischen Straßen hin zu historischen Das alte Mühlburg - Häuser und Straßen Gebäuden. Die Fotografien und Abbildungen wur- den dem Karlsruher Stadtarch iv zu einem großen Tei l von der Müh lburger Bevölkerung zur Verfü- gung gestel lt. Blick in die Rheinstraße. Die Mühle im Hintergrund wurde 1942 abgebrochen. Vermutlich das älteste Luftbild von Mühlburg vor dem Ersten Weltkrieg mit Blick auf die Rheinstraße und die St.-Peter-und Paul-Kirche. Die Gaststätte "Z R . Daneben ha um heInkanal" wurde bi Bild von tte Karl Scheuerpflug ein K I s . 1943 betrieben. 1916. 0 anwlwarengeschäft. So kennen sicher einige Mühlburger noch die Rheinstraße mit der Goststätte "Drei Linden", die im Krieg zerstärt wurde. Blick in die Rheinstraße. Foto um 1935. In den 20er und 30er Jahren gab es auch eine Autoreparaturwerkstatt in der Rh eins traße. Hermann Witze- mann hatte in der Rheinstraße 34a eine Fahrradhand- lung. Hier ist Frau Witzemann mit Enkelkind gerade auf der Treppe vor der Ladentür zu sehen. Das Gebäude nach der Bombardierung des Nebengebäudes im Zweiten Weltkrieg. 1958 wurde das Haus abgerissen. Bis 1921 befand sich die hier abgebildete Bäckerei und Konditorei "Karl Reinmuth" in der Rheinstraße 53, später die Bäckerei van Eugen Häberle. Blick in die Backstube der Bäckerei Reinmuth. Hier durfte der Meister auch It. Urkunde von 1900 Lehrlinge "anleiten': In der Nuitsstraße 2 betrieb Friedrich Kohler ein Baumaterialiengeschäft. Hardtstraße/Ecke Rheinstraße. Fuhr- werke beherrsch- ten um die Jahr- hundertewende nach das Straßenbild. Ein Blick in die Hardtstraße. als noch 1 PS genügte. Auf dieser Post- karte aus dem Jahr 1902 ist das Gasthaus "Zum Lamm" in der Hardtstraße abgebildet, das bis in die SOer Jahre existierte. Dieses Haus in der Hardtstraße wurde bereits Mitte der 30er Jahre abgerissen. ~ l- und cliankll"illscliafl zum goldenen J .;Jmm /JO II. F. JUilJlllw1'le. QJ)rnij lll15 211ü[11bllrg Hardtstrde GruB aus Karlsruhe-Mühlburg ~ Evang. Kirche Blick in die Hardtstraße bis zur Hardtschule und in die andere Richtung zur Evangelischen Kirche auf dem Lindenplatz. Im Hof des Fahrradgeschäfts Hottner bereiten die beiden Töchter das familien- eigene Automobil für ein Blumenkorso vor. Foto vor 1930. Vor dem Fahrradhaus von Xaver Hottner in der Hardtstraße Nr. 27 stand die erste Mühlburger Tankstelle. Hier läßt der Michelin-Mann grüßen. Die Firma Michelin baute 1930 auf Mühl- burger Gemar- kung im Gewann Oberfeld eine deutsche Zweig- niederlassung. Das Gasthaus "Goldener Hirsch" in der Hardtstraße 34. Außenansich t und Blick in den Gastraum. An der Mo/tkestraße zwischen der heutigen Stösserstraße und der Hardtstraße am nördlichen Gemarkungsrand von Müh/burg wurde das erste Haus mit der Nr. 137 von dem Blechnermeister Batschauer errichtet. Spöter war dart eine Böckerei. In der Lamevstraße standen die ältesten Häuser Mühlburgs, teilweise auf den Grundmauern des alten Wasserschlosses, das 1689 zerstärt wurde. Seit 7908 gab es den "Galdenen Anker" in der Lameystraße. Heute stehen in der Nachbarschaft des "Galdenen Anker" zahlreiche Wahnhäuser. Ansicht des Gasthauses "Zum Adler" in der Lameystraße. In der Mühlstraße 1 hatte das Zigarren- haus Eder ein Geschäft. Davor nahm eine Klasse der Hardtschule Aufstellung. Foto 1926. Auf dieser Postkarte aus der Zeit um 1900 sind beliebte Mühlburger Mative am Lindenplatz wiedergegeben: das Seldenecksche Schlößchen, das Kriegerdenkmal und die evangelische Karl- Friedrich-Gedächtniskirche. Fliederplatz, Ecke Glümer-/Geibeistraße um 1900. links: Das Haus Lindenplatz Nr. 10 mit seinen Bewohnern. Fliederplatz und Linden- platz um 1900. Marktstraße um 1900, Alt-Mühlburger Wohnhaus mit seinen Bewohnern. GD In der Murktstraße. Fa tu um 1900. Alt-Mühlburger Hinterhöfe Wohnhaus in der Sternstroße. Es gehörte zu dem öltesten Bauern- gehöft Mühl- burgs und mußte 1969 dem Bou der Carl-Benz- Halle weichen. Die im Volksmund so genannte "Villa Dörrfuß ", Sedonstraße 9, steht heute nicht mehr Auch auf diesem Bild um 1907 mit einem Haus in der Sternstraße wird deutlich, daß in Mühlburg zu dieser Zeit nach Stallungen und Hinterhöfe üblich waren. Um 1960 am Müh lburger Bahnhof Das von Maurermeister Pfeifer erbaute Haus im Uferweg um 1930. - -- So wie hier im Uferweg soh es vie lerorts in Mühlburg nach dem Krieg aus. GD Heuernte in Mühlburg. An der Alb. Im Hintergrund sieht man die Militärschwimm- schule beim Kühlen Krug, die 1944 zerstärt wurde. Die Mühlburger Bleiche an der Alb. Blick auf Mühlburg aus dem Flugzeug am 1. August 1930, im Vordergrund die Hardtschule und der Entenfang. rechts: Blick auf Mühlburg 1997, im Vardergrund Vogesenbrücke und Entenfang. Fotodoku mentation KURT ERNST Mühlburg gestern und heute Die folgenden Bilder sind eine kleine Auswahl Stadtteilbild, die vor al lem durch den Zweiten aus der in den Mühlburger Banken im Jubi- Weltkrieg hervorgerufen wuden. Sie zeigen aber läumsjahr zeitweise geze igten Fotodoku- auch Vertrautes, das den Krieg unbeschadet über- mentation. Sie belegen die Veränderungen im standen hat oder wiederaufgebaut wurde. Mühlburg nach dem Zweiten Weltkrieg, Blick von dem Hochhaus om Entenfong auf die Ecke RheinstraßejEntenfong. Blick auf die Ecke Rheinstraße/Entenfang April 7998. Das al te Mühlburger Rathaus wurde zeitweise als Polizeirevier genutzt. Foto 1959. Seit 1987 befindet sich in dem ehemaligen Rathaus das Feuerwehrgerätehaus. Blick vom Bohnübergang Hardtstraße auf den Mühlburger Bahnhof vor 1914. Heute wird der alte Bahnhof ols Kinder- und Jugendtreff genutzt. Blick auf den alten Bahnhof vom Fliederplatz aus, Fata vor 1914. Kinder- und Jugendtreff Mühlburg, Foto Oktober 1997. Die Firma K. H. Wimpfheimer, Malz- und Kaffeefabrik wenige Jahre var dem Abriß, Fato 7976. Heute stehen on der Stelle der Molzfobrik moderne Wohnhäuser. Blick auf die Maschinenfabrik Seneca, die van 1886/88 bis 1975 auf dem Seldeneck'schen Feld nahe beim Mühlburger Bahnhof produzierte. Heute befinden sich am Platz der Eisengießerei Seneca Wohnhäuser. Das erste Kriegerdenkmal zum Gedenken an die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges 1870/71 vor der Karl- Friedrich-Gedächtniskirche wurde bereits kurz nach Kriegs- ende errichtet. rechts davan eine Festdekoration mit temporärem Denkmal, Fato vor 1886. Heute steht auf dem Platz vor der Karl-Friedrich- Gedächtnis-Kirche das 1886/87 errichtete neue Kriegerdenkmal. Foto 1998. Blick über den Lindenplatz auf das Gasthaus "Zum Stern ': Lindenplatz mit Blick auf den "Sternen': Foto April 1998 Bis 1942 stand am Lameyplatz die alte Mühle, Foto kurz vor dem Abbruch. Heute steht om Lomeyplatz ein Hochhaus, Fato 1998. Ursprüngliche Bebauung der Lameystraße, die Häuser wurden in den 60er Jahren abgerissen. o Lamevstraße 1998. Blick auf das alte Gasthaus "Stadt Karlsruhe ': Heute steht dort das Kaufhaus Waolworth, Foto 1998. 50jähriges Stiftungsfest des Casina-Liederkranzes Mühlburg 1887. 75jähriges Stiftungsfest des Casino-Liederkranzes Mühlburg 1912. ERNST OITO BRÄUNCHE M üh lburg verfügte schon zum Zeitpunkt der Vereinigung mit der badischen Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe über etliche Vereine aus unterschiedlichen Bereichen, wie ein Blick in das Adreßbuch von 1888 zeigt: Evangelischer Kirchenchor, Gesangsverein Frohsinn, Casino Liederkranz, Katholischer Kirchenchor, Män- nerverein, Ortsversicherungsverein, Spar- und Vor- schußverein e.V. und Turnverein Mühlburg. Neben den konfessionellen Vereinen gab es also vor allem Gesangvereine und Sportvereine. Der äl- teste dieser Vereine war das Kasino Liederkranz, das 1844 aus dem Zusammenschluß des Gesangvereins Liederkranz und der im Jahr 1834 von einigen Mühlburger Honoratioren gegründeten Casinoge- sellschaft entstanden war. Diese erste Gründung reicht also bis in den Vormärz zurück, als auch an anderen Orten Gesangvereine entstanden. Eine Le- segesellschaft wie in Karlsruhe oder Durlach scheint es in Mühlburg dagegen nicht gegeben zu haben. Zweitältester Verein war der Turnverein, die heu- tige Turnerschaft 1861. Der Verein entstand in einer Zeit, in der sich wieder eine Liberalisierung des öf- fentlichen Lebens ankündigte. Nach der gescheiter- ten Revolution 1848/49 waren alle Sport- und Ge- sangvereine, die revolutionärer Umtriebe verdäch- tig waren, verboten worden. In dieser Zeit wurde Mühlburger Vereinsgeschichte: Ein Uberblick auch der Gesangverein Frohsinn im Jahr 1862 ge- gründet. Die Vereinslandschaft entwickelte sich im Karls- ruher Stadtteil Mühlburg wie in der ganzen Stadt kontinuierlich weiter. Gegen Ende der Weimarer Republik waren vor allem weitere Sportvereine und der Arbeiterbewegung angehörende Vereine ent- standen, wie ein Blick in das Adreßbuch von 1931 beweist: Angelsportverei n ig ung Ka rlsru he-Müh I bu rg e.v. 1921, Arbeitergesangsverein Maschinenbauer "Sängerkranz", Athleten-Club "Einigkeit" Karls- ruhe-Mühlburg, Bayernverein Weißblau Karlsruhe Bürgerverein Karlsruhe-Mühlburg, Cäcilien-Verein St. Peter und Paul, Casino Liederkranz Mühlburg, Evangelisch-kirchlicher Krankenpflegeverein, Evan- gelischer Mädchenbund Mühlburg, Evangelischer Männer- und Jünglingsverein, Evangelischer Kran- kenverein Mühlburg, Evangelischer Jungfrauenver- ein Mühlburg, Evangelischer Kirchenchor Mühl- burg, Frauen-Vinzentius-Verein, Freiwillige Sani - tätskolonne vom Roten Kreuz Mühlburg, Fußba ll- club "Viktoria" Mühlburg, Fußballclub Mühlburg eV, Gemischter Chor Bruderbund Karlsruhe-Mühl - burg, Gesangsverein "Frohsinn" Mühlburg, Ge- sangsverein "Eintracht" Karlsruhe-Mühlburg, Ju- gendbund Mühlburg, Kaninchen- und Geflügel - zuchtverein Karlsruhe-Mühlburg, Karlsruher Fuß- Ausflug des Sängervereins Mühlburg Mai 1897. Sängerverein Mühlburg um 1900. Vereinshaus des Fe Phoenix Mühlburg. Postkarte, um 1910. ballverein e. V., Katholischer Fürsorgeverein - Mäd- chen- und Zufluchtheim, Katholischer Jungmän- nerbund Mühlburg, Katholischer Jugendverein Mühlburg, Katholischer Männerverein Badenia, Kirchlich-positive Vereinigung Ortsgruppe Mühl- burg, Militärverein Mühlburg, Naturfreunde, Orts- verband der deutschen Gewerkvereine H. D. Mühl- burg, Radfahrerverein Sturm, Turngemeinde Mühl- burg 1927 e. V., Turnverein Mühlburg 1861, Volks- chor Karlsruhe West e. V. Mühlburg, Wanderverein Mühlburg eV, Zitherclub Mühlburg. In dieser Liste ist auch der 1895 gegründete Fußballclub Mühlburg eV vertreten, der 1933 in dem VfB Mühlburg aufging, der wiederum 1953 mit dem FC Phoenix zum Karlsruher Sportclub, dem KSC, fusionieren sollte. Dieser Vereinsvielfalt wurde durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten in vielen Fällen ein gewaltsames Ende gesetzt. Zu den ersten Zielen der nationalsozialistischen Gleichschaltung gehörten neben den Arbeiter- sportvereinen und den Naturfreundevereinen Karlsruhe und Mühlburg die Arbeitersängerbünde, die aufgelöst und deren Vermögen beschlagnahmt wurde. In Karlsruhe waren von den 1932 bestehen- den insgesamt 74 Gesang- und Kirchenchorver- einen einschließlich des Deutschen Arbeitersänger- bundes Gau Baden, der seine Geschäftsstelle in der Weltzienstraße hatte, 19 Vereine betroffen. Ein Blick ins Adreßbuch von 1934/35 belegt, daß auch Mühlburg in besonderem Maße betroffen war, da viele Vereinsnamen fehlen. Die verbliebenen waren im Sinne der NS-Ideolo- 9 ie 9 lei chgescha Itet wo rden: Angelsportverei n i- gung Mühlburg, Bürgerverein Karlsruhe-Mühlburg, Cäcilienverein St. Peter und Paul, Casino Lieder- kranz, Evangelischer Krankenverein, Evangelischer Kirchenchor, Gesangsverein "Frohsinn", Gesangs- verein "Eintracht", Hausgehilfinnenverein Mühl- burg, Katholischer Jungmännerverein Mühlburg, Kathol ischer Mä nnervere i n Baden ia, Mi I itä rverei n Mühlburg, Radfahrerverein Sturm, Sanitätskolonne Mühlburg, Turngemeinde Mühlburg, Turnverein Mühlburg, Verein für evangel ische Gemeindepfle- ge, Zither-Club Mühlburg. Das Vereinssterben war damit noch nicht zu Ende. 1943/44 werden gerade einmal noch die fol- genden 12 Vereine genannt: Cäcilienverein St. Pe- ter und Paul, Casino Liederkranz, Evangelischer Kir- chenchor, Gesangsverein "Frohsinn", Kleinkaliber- Schützenverein "St. Hubertus", Kriegerkamerad- schaft Mühlburg, Männer-Vinzentius-Verein, Peter und Paul-Konferenz, Radfahrerverein Sturm, Schachklub Mühlburg, VfB Mühlheim, Zither-Club Mühlburg, Turnerschaft Mühlburg. In der Nachkriegszeit wurden nach und nach ei- nige der aufgelösten Vereine wiedergegründet, an- dere entstanden neu, so daß die im letzten Kapitel dieses Buches dokumentierte heutige Vereinsviel- falt wieder erreicht werden konnte. Die folgenden Bilder können diese Vielfalt nicht in ihrer vollen Breite dokumentieren, da nur für ei- nige Vereine historische Aufnahmen vorhanden sind. 58jähriges Stiftungsfest des 1V Mühlburg im Jahr 1919. Sieger des 1V Mühlburg beim Gauturnfest in Durlach am 25. Juli 1920. A ., Gesangsverein Frohsinn im Jahr 1896. Ausflug des Gesangsvereins Frohsinn nach Mau/bronn im Jahr 1928. Athletenclub Einigkeit Mühlburg am 7. Mai 1922. Turnfest 1930. Turnfest 1930. Umzug durch die Rheinstraße. Turnfest 1930. Im Hintergrund die Malzfabrik Wimpfheimer. Die süddeutsche Meistermannschaft des FC Mühlburg im Jahr 1911. Mannschaftsfoto noch dem Spiel des FC Mühlburg gegen TSV 1860 München im Jahr 1919. Mannschaft des FC Mühlburg im Jahr 1926. Mannschaft des FC Mühlburg im Jahr 1929. .I\L"fN~I\Usq.j~E b[L VEiss ~ ~i\~i Lif:H-V[~fiH KI\KLSf\UHE:-f'\ÜHLßU~~ t\ f\ i 1903. Cöcilienverein Mai 1903. Der Zitherclub Mühlburg um 1900. Ausflug des Männervereins Badenia, 1910 links: Eine Festabordnung des Turnvereins Mühlburg, heute Turnerschaft. Theateraufführung mit Mitgliedern des Kirchenchars St. Peter und Paul "Versprechen hinter dem Herd", um 1900. .. ~t,"uttn . u:JHiblburgtr I tUtrtutbr. "on hm Ilh.~'oro(\t "'S.~.'o, ~.j SlS •• r.IUs' {>ilr, in Wot~ tUtl> tfil~r, )trontln. ~ti .erQnQ.f~afl1, flttt ~IIiSt !8ir9tT~~f~r i~, ~t ~~ in ,iengtr Wtmthl'tot QUf. b-n !titlt \'rr !8u'gtrr~ft tin $nrin QtbUtd I tDd~r ff~ Nt 3ldtuJtg N' 1:0111 ijcutr '&t~ro~ttn iji9tnt~umt UMI> &:bfnf aUf ~uf· g.b. ~.Ul. l>itf'l' tltuill ~Qt 'rtn ~Qmtn: mlO~I&lIrger 8'cutr- "'l' •• s •• omlll'., .... ~~ r't&~ foIS ..... e.~ .. 9 .. cel •• tuttn) gcse&trL, tDel~t tin ie~f' IDlit9lit~ tlllc6 $ftäfhn GUr- rod/I jll ,,~.It'" ~~ ",~~i~I.,. §. I. tlie ~tUtt"'t9r btptlt auf 4 ~&I9tUunBell, iUtb: .",~n: I~ Tli. e~ri~ •• m.nnr~.rt. i TlI, lIr&.il.m.nn~'fI. 3 !Di, Md ... S ...... f~.fI. 4 !Di. !lI3.~ .... nfdJ.fI. §. i. 1)ie o$'ti~tttlnQllllf~Qft leitd un'tl &d>!tllt bit e~ri~. .n" " ... n e<Vlö.~. u.'o &.rorSI .... ßul"sen .... nÖI\is.. !lI3.~"."r.I\.. ei, I><p.\1 "'\" ... 15 ~ 10 11 ". rü9Tun unb (h~ti9Un, 1)um~nn \lab euttuaha.. S ,,,. !I. 'Im e.it, ~'il 'on "p. .ri ..... rip ....... nömli4 epri\\tltlnl1nn f~Qft. 'tlltit'lllilnnf4Ilfl uno Shllung'" m.n'f~'~' • "Pi~ld, fog(,," I.b. %''',,'''* 111 "fo$~",n, ~i i{;o.JVUlQnltfdJllft ~esiM ~. O~lIt bOl'~t1'9t~t:nbt $nfg:ml\'" ta,n9 11lr ~Nn'c!lätt., \B1l am ~rf~tilltn btf_lnbnt Ip, tat i1tlln~fb U ®htUMIt ftint ilttfE9ulMguns \ll'ün e b,' {thnm Obmalu, 'fLI ub Ing,n. S. JO- el 1'11: f t Il nn~ in ~t\' WtllrfiOt~r trin' luhiflla, o.u§n :.-"' ..... 'C<tr ~hrllHif UII~ tott WUjr~lItpupg:. ~ut !8t1'\l'ti.ß rr~ .... -" .... I~t1rtn ro",o~r 't'tr ~Quph1Jqllnl Illf au~ ~it .obm,lnnn füt bit i~ntl. Ilnt('rgtbrntll. ':Dir Ithl ;.f~'ieGtln!l fllnll nur 1111<$9'- f~r!,)~tn ItItrbtn, 1\1(1111 ~"'ti 'DrHtt~eltt 't-rl' rotttsl1i'cn ~t 6t. flilfiepen, QU~ i~ t' rem ~u4Sef,~forrtntlt lIi~t mf~r se~alttt, 'l'ie "u,~ei4IluJl9 '(Itl' Seun"',.r 3u h'Ag,n. §. Jt. t6tr bei 't'm UebuPSCIt t''Dt1- ki Qu",,~tlbrl&l ..!8rllnbt o.nt srnügtnbt ntf~tl'i9111l9 \lu.hl(i~t, OHr ~ct, fOll:jtclI 1.l1t. lIungd'Q.Iil'rlg belrQllt, Nn triift 't'it elrllfe l:tt $tliMiftf. !Dit't'tf~olt ~dt ofltr 'c-il~ untnlr~ull:'lstt "ll.bfdben o'rn' 'N~ otronung,.,i'nigt $dtLlSfn ,intl$ mitSti~~tG, ot'tr trlaubt et ~~ riut oritnt m.Hbuft~(iWhit glgtll 'ttie tll)ratft,ttlt, fl) fann feine ~u"i~HcÖllng nfl1l1nt w"r'o(II, §. 12. ~r( 'tCII lhbulIgtll f~\nlo~t, 01. ~ci '6rollbfoU~n trl1gt 't'it !RQrtnfd:oft 'oie '!Iitll~flthung, btpe~ftlt- au. tintr Stau .. frintnt. 30dt, 9fti~tll oftn, tlntm ~"llrA unb 'Ol~ 8'· ""i"I(tI (»Drld unb rinn; rntf~r~tn'ttll O\)fot'otdUng. '!liefe .!t(ri'tlung fd<affl ~~ ein ich. 'Wg1ieb auf cistne !Rt~nuns fdb,l an, nur 'otn ürtft !IIit haI th1.lil nol918tl1 etil o'cer ~ei" unb ~eit n9&U er Oll' ~er tlmin"llfft. §. 13 . .!lebtf !lHt9rit~ nhl~t ~~ Aur !8fJll~ttlnt:l rint. lnonill. li~tn 'lkitrllg' bell f e~. Str t u ~ t l' n 'Ocr(iln'o1i4 I .,tfl\lt in rl~~19~:rb~~~~~~ ~~r" ~~b j:~t ~:!~ti!~:9 t~:tl!i\l;:t~~4:!: j_trl, ""(~,, ... '0 .. (jj.r.Urdj.~ S ... dj!t .. i~. ~,,~:~~" 'l!bl1!.f"i.it r~'n el.a.",,,, .. , ~" 1I1!~It, e~ri~"" §. 3. 'l;!ic "r&til.tlIIQ;nl\ f~llft {\cf~\r9t 'Cit truflltUung btr bwtrlriletu, 10 \l)Jt ra. lIöl~i.s IUtr"t'eIl"t'C ~illrrigtlt unt> ~&s br~en \)on Ansrgrilftltfn ob" hbro_ten ~4ufi~tfittn. §. 4 • Tli. M~llun~I".unr~.~1 i.1 ~i, uflt_", <I. bt. 'or(\~kn ~tnr~fnttb(n unb %1l9rt1Jlft auf 'ctl\ breuntut-trt ~'brr~ .• an~optn'DtI1 QJtbl1\1r.tn ~(fIlUG 311 Irll:sell , bitftlbt- Oll ~~rh. ~t\l)ll~rIUl8'Qrle au bu&til1gtll un'O 'Oft !ID1l~utllnnr.~aft AU\' ~~aum~ti9un9 a" übergfOtll, ' §. Ö. 1)tr ~Qu~tutl'lnn, fo U)ie feilt 6teO\!ntrtttr ItIn'o n !.Ion rJou.llfi"m !Hitg1it't'trlt> gnt,lJ~U, Nsrgtn 11.111911 lebt lflbl9ti, lURg i'rm OOIttIlIUI unb btlftll !!teU'nftntn für ~~ arfrin~ I8ti ttl! WQ'ltn mUfftn 116cr \l)tni~pen. Awtl 'Drillt9dle M 6ttnlftnbtn 1ltitglit~rr IlIIU'tfcn'o ftm. S. 6. 'Dtt t)llupl*altll, ober "'tffen eteUbtrtrtftr, fiH;l'Itid rtu Ueba:~:r :::elll°lt:I~!t~t~~It'otn $8fllllbt orblnl « im $mflle; nlit Nm ~iir9mllti~tr bi. Aur l'htfut:lO ~tt .o6n'bl.1mtm ober btlfell t,U'Ontrder '01'1' !Röt~iSt on un'o ptnt p~ f1.l'c-IlIUl 'olm lt~ttt'tt iur tlnfüsung. §. 14 . • ur",~b1'f.its in 'oi. il' ••• "",~r in . j.b" ~i'~8~ ~in. .o,nn. 'tot" roo. ~~Qnai8Itt ~t&tn.ja~r tnti~t 94t un'O rin'" ullber~ohnt" Biufte glnitit. 'I>lt JHurna9tn'SfrU~t ~nb 41t 'otn .oQu~hnonlt au pcUtn, ~tU tintnttnbt 9Rtts(it'ttr 1O"~rn bon be.nl ~Qu~hnl1n" un'O hn O&m~nn"1t AU 'Mrjtlligrn lb· ~~~1~tlnt ,ti~~~t.~t: ;: ~~f~: i:':O!~~~:f~~t~:b ~:(i~; 't'ltftr !6qthnnmng o~nt ~'htrf'ot ~u fÜsfJt. §. I~ . '!Irr ~Qu~hnQnlt mit fQ.tIItnt1i~en p&nlännnn un'D tiner \l)titcrn (S:ommif11I)n ~Qn ~e&tn '!ll1.itgtitb~nt, bie bl)n r(imml~ . ti~cn !llitSlitbt1'lt AU Ilht9hn ~n'D, bf!'otn mit 3U~'if~UIIg: bH i81ritistu !.8ih9uulei~U' rinr" lRl1tij CStUmllt9 , ~d~tr über 'oie l!(tf8dtgtn~titltf ttt f;ßtft:Uf~QP au buat In un'O iU l.r~lI'i'" ~.I. .' 16. ~Q;tI, 3:::ei ~~~; bi~in;::ti!~~~rf(~itn:~t~~~t~l1:ri~~ru::;~~~t~ 1Inb, ~on btm tRt~lIer itbc.r t.it .Qkmrll'Duug 'ttt G)d'ett Wod.)" ",dfullg Sfl4t~fn wirb, and> nöl~i8fnroUd ~ie IStatuten bn· anbrtl obn nsän~t 1l'nbtn rolltn. . §. 11. Tll! nit~<s" ß'f~S"'t9f"'fl .. , .11 il'!U"li>ri~t. e~{äu~t. 'filUf I ~ulttn, ~tittTn unb SeUtr~Qdflt wtt'l'rll .on Mr G)tmrin'et 9t~tlfl unb n~1telt. S. t8. 13« .... 1(1<11. W.91 .. ~n' •• f jlO" 3*' Siltis • !IJ!'~lburs, 3'"u" lBö !. ~, :tlofffo.1I IIfr rotüJ,16u'6tr \lflIe""J". r ..... ,.,.· Die ersten Statuten der Mühlburger Feuerwehr vom Jonuar 1851. HAGEN BLUCK . EUGEN SINGER . HORST WEBER Erst Anfang des vorigen Jahrhunderts setzte sich allmäh lich die Erkenntnis von der Bedeu-tung freiwi lliger Feuerwehren übera ll durch. Nun wurde ihre vornehme Pflicht anerkannt, in Not und Gefahr das Hab und Gut des einzelnen wie das der Gesamtheit zu erha lten, vor Schäden zu schüt- zen und vor Ver lust zu bewahren. Vom Feuerwehr- mann wird eine gewisse Entsagung, eine große Hin- gabe an seinen freiwi lligen Dienst, ja sogar Aufop- ferung verlangt, wenn Menschen leben zu retten sind. Daraus erg ibt sich auch die besondere Stei- lung der Freiwil ligen Feuerwehr Karlsruhe-Müh l- burg und ihr Recht, ja ihre Pflicht, das 150-jährige Bestehen zu feiern . Das Hundertste fiel in die Nach- kriegszeit, als die Menschen mit den Alltagsprob le- men, vor allem der Lebensmittelversorgung und dem Wiederaufbau der zerstörten Stadt, beschäf- tigt waren . Im Gründungsjahr der Residenzstadt Kar lsruhe wurde für Baden-Durlach eine "Al lgemeine Landes- feuerordnung" erlassen, die u. a. von den Städten die Anschaffung einer Feuerspritze ver langte. In Karlsruhe stieß dies zunächst auf wenig Gegenlie- be, da die Bürger der Meinung waren, daß eine solche Feuerspritze von der Landesherrschaft zu bezahlen sei . Der Stadtgründer Markgraf Karl-Wil- helm setzte sich aber ba ld durch und erließ 1727 Die Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Karlsruhe- Mühlburg 1 eine eigene Feuerordnung für die Stadt und den Vorort Klein-Karlsruhe. Die Müh lburger dagegen waren einsichtiger. Im Jahre 1754 bekam die Stadt Mühlburg ihre erste Feuerwehrleiter, die aus den Umlagen bezahlt wer- den konnte und 1806 die erste Feuerspritze, für de- ren Beschaffung die von Seldeneckschen Erben 400 Gulden und die Regierung 280 Gulden bewilligt hatten. Zur Bekämpfung größerer Stadt- und Waldbrände hatte schon im Jahre 1802 der Karlsru- her Stadtbaumeister Friedrich Weinbrenner die Bil- dung eines Feuerwehrkorps in Stärke von 400 bis 600 Mann empfohlen, das einem sachverständigen Kommando unterstellt werden sol lte. Obwohl diese Vorschläge in der Feuerlöschordnung von 1809 Aufnahme fanden, wurden sie doch lange nicht durchgeführt. Bei kleineren Bränden behalf man sich so gut es ging mit Feuereimern, gewöhnlichen Leitern, Wasserpumpen und Spritzen, die von der Nachbarschaft des Brandherdes und einigen frei- willigen Helfern bedient wurden . Die männliche Bürgerschaft hielt sich aber mit ihrem Einsatz durchaus zurück, obwohl bei jedem Brand Alarm zum Löschen geblasen und mit der Feuerg locke ge- läutet wurde. Nach wie vor bestand keine ausgebil - dete Feuerwehr. Eine Änderung dieser Zustände ging erst von dem schon seit ei niger Zeit an zwei Feuer- spritzen geübt hatte, sch loß sich so- Brand des großherzoglichen Hof- theaters am 28. Februar 1847 aus. Wenige Jahre zuvor hatte der Hei- delberger Spritzenfabrikant Karl "lIeHllin U"IU~' fort an. l{a\'lsruQt·mii~(bur9· Am 17. März 1847 war ein Korps - ....... -Metz 1843 eine Feuerlöschspritze '------...:..::....-------' auf den Markt gebracht, die von geübten, aufein- ander abgestimmt agierenden Männern bedient werden mußte. Ende Juli 1846 gründete in Durlach der Gewerbelehrer Christian Hengst ein Pompier- Korps, dem sich zahlreiche Mitglieder des ebenfalls gerade ins Leben gerufenen Durlacher Turnvereins anschlossen. Diese bedienten nun die moderne Stadtspritze der Firma Metz und gaben sich ein strenges Reglement. Als am 28. Februar 1847 durch eine unvorsichtig gezündete Gaslampe während einer Vorstellung eine Draperie im Großherzog lichen Hoftheater in Brand geriet und das Haus in Flammen setzte, fan- den 65 Menschen bei dieser Katastrophe den Tod. Zu dieser Zeit bestand in Karlsruhe schon eine Verpflichtung aller waffenfähigen Männer zum Feuerlöschen. Eingeteilt waren sie in acht Spritzenabteilurrgen, zu denen jeweils ein Vorste- her, zwei Ersatz- und 20 Obmänner, 46 Mann zum Pumpen, 24 zum Buttentragen und vier für die Handspritzen gehörten. Sie wa ren aber nicht so gut ausgebildet und geübt wie das Durlacher Pompier- korps. Dessen Eingreifen verhinderte das Übergrei- fen des Feuers auf die benachbarte Orangerie und führte den Karlsruhern vor Augen, wie notwendig auch in ihrer Stadt eine solche Einrichtung war. von 362 Männern entstanden. Die Mannschaft trug eine einfache gelbe Blechhaube, einen grünen Rock, in Schritt und Form wie die Bürgerwehr, mit grünen Epauletten, aber ohne Troddeln, und dunkelgraue Hosen mit grüner Biese. Gemahnt durch diese Brandkatastrophe, die hauptsächlich durch das Fehlen ausgebildeter Feu- erwehrleute und ausreichender Mittel zur Brandbe- kämpfung ein so ungeheures Ausmaß hatte errei- chen können, gründeten die Mühlburger ein Jahr später am 10. März 1848 die "Freiwillige Feuerwehr Mühlburg" unter der Leitung eines Ver- waltungsrates, in welchem der Kommandant die Führung hatte. Einberufer und Leiter der ersten Zu- sammenkunft und dann der Kommandant der zukünftigen freiwilligen Feuerwehr war der Mau- rermeister Si mon Pfeifer. Am 29. Dezember 1850 wandte sich eine aus zwölf Mitgliedern bestehende Kommission der "Feuerwehrgesellschaft in Mühlburg" an das groß- herzogliche Landamt mit der Bitte, die von ihnen ausgearbe iteten Statuten zu bewilligen. Die Gesell- schaft sei der Meinung, "obgleich sie aus lauter freiwilligen Mitgliedern besteht, ihre von der gan- zen Gesellschaft gemeinschaftlich berathene und entworfene Statuten, würden viel nachhaltiger Na- tur se in, wenn solche von einem großherzoglichen Freiwillige Feuerwehr Noch vor der Beerdigung der Brandopfer ergriffen mehrere Karls- ruher Bürger die Initiative, um ein freiwilliges Pompiers-Korps zu grün- den. Der Karlsruher Turnverein, der Karloruhe-MUhlburg Landamt sanktioniert wären, und bitten deshalb ein großherzogliches Landamt um hochgefällige Genehmi- gung der anliegenden Statuten." Das Landamt genehmigte die Statuten mit der Anmerkung, daß noch die Bestimmung aufgenommen werden müsse, daß in einem Brandfalle bis Freiwillige Feuerwehr ben, wenn sie Boules spielen: jetzt mach ich auch nicht mehr mit. Um diesem Übelstand aber vorzubeu - zum Eintreffen des großherzoglichen Oberbeamten der Feuerwehrhaupt- Karlsruha· MOhlburg. gen und abzuhelfen und um dieses mann gemeinsam mit dem Bürgermeister den Oberbefehl habe. Das Bürgermeisteramt Mühlburg erhielt die Genehmigung mit der Bemerkung zu- rück, "daß man aus dieser Vorlage mit Verg nügen die segensreiche Thätigkeit des Bürgermeisters Sut- ter ersehen habe und diese hiermit lobend anerken- ne." Im Januar 1851 wurde die Satzung als "Statu- ten der Mühlburger Feuerwehr" gedruckt und ver- öffentl icht. Wenig später wandte sich Bürgermeister Sutter an Markgraf Wilhelm mit der Bitte um finanzielle Unterstützung der Feuerwehr und betonte in seinem Schreiben den Einsatz seiner Leute : "Schon in den letzten 3 Jahren [bei] theils hier, theils in der Umgegend ausgebrochenen Feuersbrünsten hat unsere Feuerwehr ihren Muth und ihre unermüdli- che Thätigkeit bewiesen, daß ohne ihre Hilfe das Feuer viel weiter um sich gegriffen und einen viel größeren Schaden angerichtet hätte." Bitten dieser Art hatten durchaus Erfolg; Bürgermeister Sutter hatte wiederholt Gelegenheit, sich für Spenden zu bedanken. Knapp drei Jahre später, Ende Dezember 1853, schrieb Bürgermeister Sutter wieder an das Land- amt: "Schon seit einiger Zeit ist bei der hiesigen Feuerwehr eine gewisse Lauheit eingetreten und Wohlthätigkeitsinstitut nicht fal len lassen zu müssen, so hat der Gemeinderat und - ausschuß in seiner heutigen Sitzung zu der Verord- nung der hohen Kreisregierung vom 30. April 47 im Verordnungsblatt Nr. 10 seine Zuflucht genommen und darauf nachstehenden Beschluß gefaßt: 1. daß jeder hiesige Bürgersohn, welcher das Bürgerrecht anzutreten wünscht, oder ein Fremder, welcher hier als Bürger angenommen sein will, in- sofern er würdig und tauglich ist, ohne Entschuldi- gung nach obenerwähnter Verordnung in die Feu- erwehr einzutreten verpflichtet ist. 2. Will er solches nicht thun, oder er ist nicht tauglich oder nicht würdig unter dieses Corps auf- genommen zu werden, so hat derselbe 2 Kreuzer in die Feuerwehrkasse zu zah len und hat sich unter die Reservekorps einreihen zu lassen, welche nur im Ernstfall bei einem ausbrechenden Brande ver- wandt werden. 3. Um einen Fonds zu gründen, im Fall einer von der Feuerwehr bei einem ausgebrochenen Brand verunglücken sollte, eine Unterstützung verabrei- chen zu können, so soll jeder Bürger und Hausbe- sitzer angehalten werden, eine jährliche Leistung von 24 Kreuzer in die Feuerwehrkasse zu bezahlen. Zu diesem von uns gefaßten Entschluß bitten wir großherzogliches Landamt die Genehmigung ge- zwar darum, daß wenn das Bürger- meisteramt mit einem oder dem an- ,------------, fälligst erteilen zu wollen." Diese deren im Dienstwege nicht gerade nach seinem Willen verfügen kann, so machen es solche als wie die Bu- Freiwillige Feuerwehr Karlsruhe-MDhlburg Genehmigung erteilte das Landamt am 20. Juli 1854, und die Mühl - burger Feuerwehr war weiterhin ge- '--_________ --' sichert. Mühlburger Feuerwehrspritze aus dem Jahr 1855. Freiwillige Feuerwehr Mühlburg mit Uniformen aus dem Jahr 1855. In das Jahr 1860 fällt die Beschaffung und Ein- weihung der Fahne der Freiwilligen Feuerwehr Mühlburg. Am 26. August fand die feierliche Fah- nenweihe mit einem Festprogramm statt. Der Tag begann um 5 Uhr mit einem "Tagwachsigna l von der Musik der Feuerwehr" und endete mit einem Spaziergang an den Rhein. Das Fahnentuch aus weißer Atlasseide trägt auf der Vorderseite das alte Mühlburger Stadtwappen mit dem Wahlspruch der Feuerwehr: "Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr". Die Fahne wurde von den Frauen und Jungfrauen Mühlburgs angefertigt und gestiftet. Zwei Jubiläums- und Freundschaftsbän- der und ein goldener Lorbeerkranz schmücken die Fahne. Nachdem Mühlburg im Januar 1886 mit der Stadt Karlsruhe vereinigt worden war, führte die Feuerwehr den Namen Freiwillige Feuerwehr Karls- ruhe Abteilung Mühlburg. Kommandant war zu dieser Zeit der Maurermei- ster Friedrich Pfeifer. Der Wille zur Hilfsbereitschaft auch für die Angehörigen der Feuerwehr und der Ausdruck des Dankes all en Mitgliedern gegenüber ist aus der Tätigkeit der am 14. Dezember 1861 er- richteten Begräbniskasse der Feuerwehr Mühlburg zu erkennen. Es war ein vom Staate anerkannter Verein auf Gegenseitigkeit mit allen Rechten und Pflichten. Dem damaligen Vorstand Friedrich Pfei- fer und Wilhelm Weiß, Kassier Georg Kugel und dem Schriftführer August Müller ist es zu verdan- ken, daß die Kasse sich über alle sch lechten Zeiten, auch über die Kriegszeit 1870/71, wieder in bessere Tage hinüberretten konnte. Im Jahr 1876 hatte die Feuerwehr Mühlburg 178 Mitglieder, die zwei Fahrspritzen und eine Hand- spritze bedienten. Die Eingemeindung nach Karls- MÜHLBURG Jlufna~m.s }Mtuni}, r" ~c):. \ d~~-\t:~\.~\'e\ . ~ .. td".fc,\,;. ' _l'..&.n .Ln • .& t:.. .. t.:, ... -ULoW,r .. .f> J~, "\' .... _rt .... *'~ .. I" ... 1. !u._rr.j • -",,"w.G, •• <W.~".'" _ . .). ~) H"l~f~u~ k,,::1 el1Hif- Ism, Aufnahmeurkunde für den Goldarbeiter Friedrich Kahler vom 29. April 1870. ruhe hatte für die Feuerwehr über die Namensän- derung hinaus kaum Auswirkungen. Das Bezirksamt Karlsruhe teilte am 12. Februar 1886 dem Stadtrat Karlsruhe in lakonischer Kürze mit, "daß die Mühl - burger Feuerwehr wohl der Organisation der Karls- ruher Feuerwehr in geeigneter Weise wird einzufü- gen se in". Der Eingemeindungsvertrag hatte unter § 12 festgeste llt, daß es zweckmäßig sei, daß die Feuerwehren miteinander in ein durch eine Satzung geregeltes Verhältnis treten würden, wie dies schon mit den Feuerwehren der Maschinenbaugesell- schaft und der Eisenbahn geschehen sei . "Schwie- rigkeiten werden einer solchen Vereinigung in kei- Spie/korps der Freiwilligen Feuerwehr, Foto um 1900. ner Weise entgegenstehen. Die Stadtgemeinde wird dann der Mühlburger Feuerwehr-Abteilung diesel- ben Vergünstigungen zukommen lassen wie der hiesigen Feuerwehr." Die neue Satzung der "Freiwi l- ligen Feuerwehr Karlsruhe (Stadtteil Mühlburg)", die zu diesem Zeitpunkt 176 Mitglieder hatte, wur- de im Januar 1886 verabschiedet und in Mühlburg von der Druckerei Dannheimer & Mech ler gedruckt. In der Präambel heißt es: pflicht ist, hat sich in Mühlburg schon im Jahre 1848 ein Verein von gleichgesinnten Männern ge- bildet, welcher sich die Rettung des vom Feuer be- drohten Lebens und Eigentums ihrer Mitmenschen zur Aufgabe stel lt. Dieser schöne Entsch luß möge nie erka lten und die späteren Nachkommen zum regen Eifer entflammen. Es möge jedem Feuer- wehrmann stets zur größten Ehre gereichen, die- Freiwillige Feuerwehr "Von den Gedanken durchdrun- gen, daß gegenseitige Hilfe in Not und Gefahr, insbesondere bei Brandfäll en, eine heilige Bürger- Karlsruhe-Mühlburg sem wohltätigen, schönen Verein anzugehören und jeder sei stets be- müht, dem Wahlspruch unserer Fahne: 'Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr', wo es auch immer sei, Geltung zu verschaffen. Dieser Wahlspruch möge jeden aufm untern, die übernommene Pflicht jeder- zeit treu und standhaft zu erfüllen und die sich selbst gegebenen Gesetze pünktlich zu befolgen und aufrecht zu erhalten, was jeder mit Namensun- terschrift gelobet." Kommandant in dieser für Mühlburg sehr bewegten Zeit war der am 28. Juli 1848, also im Gründungsjahr der Mühlburger Feu- erwehr, geborene Friedrich Pfeifer. Der Maurermei- ster Pfeifer wurde in der Stadtratssitzung am 19. April 1906 wegen seiner 25jährigen Tätigkeit als Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Mühlburg beglückwünscht und ihm der Dank "für seine unei- gennützige Wirksamkeit" ausgesprochen. Zum Festbankett am 5. Mai in dem Gasthaus "Drei Lin- den" wurden die Stadträte Gabser, Roth und SchIe- bach gesch ickt. Pfeifer legte sein Amt Ende am 10. Januar 1913 aus gesundheitlichen Gründen nieder. Mit 31 Dienstjahren war er bis heute der Kommandant mit der längsten Dienstzeit. Er hatte seinen Einsatz für die Allgemeinheit gründlich unter Beweis gestellt. Der Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr war ihm zur zweiten Natur geworden. Können, Geradheit und Mut, drei große Tugenden, wiesen ihm bei der Führung der Mühl- burger Feuerwehr stets den richtigen Weg. Von al- len Seiten brachte man ihm eine aufrichtige Zunei- gung und großes Vertrauen entgegen. Er wurde deshalb auch beim Ausscheiden zum Ehrenkom- mandanten ernan nt. Kameradschaft stand bei ihm in hohen Ehren. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Feuerwehr Mühl- burg ihr 50jähriges Bestehen bereits lange hinter sich. In den Tagen des 11. bis 13. Juni 1898 beging die Feuerwehr Mühlburg ihre 50-Jahrfeier. Beim Sebastian Rüssel als Tambour der Freiwilligen Feuerwehr Mühlburg, Foto um 1900. 'OIJ~Jmm " . "uln der Freiwilli~<m Feuerwehr K~r1sruhe 5 t a d tt h eil M ü h I bur g. Sl\lUstng, den 11. Juni 1898: Abend. 1/,9 Uhr: Zapfenstreich. Sonntng, den 12. Juni 1898: Morgens 6 Uhr : W eckruf mit Böllerschiessen. '/,8- 1/,n Uhr: Empfang der auswärtigen Gäste. '/,9 Uhr : Antreten in der Marktstrasse zum Festgottesdienst in den beiden Stadtkirchen. 9 Uhr: Festgottesdienst. '/, 11 Uhr: Antreten dcr hiesigen Feuerwehr beim Commandanten ; Abholung der Fahne und Abmarsch auf deli Festplatz. BcgrUssung der Gliste durch den Commandanten dnseibst. Hierauf Uebergabe der von Sr. K. H. dem Grossherzog und der Stadtgemeinde gestifteten Ehren?eichen und Medaillen an die Jubilare und Ueberreichutl{l der von Frauen und Jungfl·auen ge.tifteten Fahnenschleife. Mittag. '/,12 Uhr : Probe der hiesigen Feuerwehr am Steighause. " 1 Uhr: Festessen in elen verschiedenen Gasthäusern. NaChmittag. ß Uhr: Aufstellung sämmtlicher Feuerwehren zum Festzug vor dem ehe- maligen Rathhaus nach alphabetischer Ordnung. Festzug durch die Lnmeystrasse, Rhei nstrasse, Hardtstrasse, Markt- strasse, Rheinstrasse, Kaiser·Allee ulld zu rUck durch die Rheinstra. .. e und Sedan.trasse auf den Festplatz. - Festrede daselbst. Hierauf gesell ige Unterhaltung. Abend. 9 Uhr: Festball im "Gasthaus zum Hirsch". Montng, (len 13. Juni 1898: Morgens 11 Uhr: FrUhschoppen·Concert in der" We.. tendhalle". NaChmittags ß Uhr: Gesellige Ullterhahung auf dem Festplatz. Festakt vertrat Oberbürgermeister Karl Schnetzler (1892-1906) die Stadt Karlsruhe, die zur Deckung der Ausgaben einen ansehnlichen Betrag zur Verfü- gung stellte. Gefeiert wurde auf dem Lindenplatz. Samstag abends 20.30 Uhr Zapfenstreich. Sonntag, 12. Juni, um 6 Uhr war Wecken mit Böllerschüssen. Von 7.30 bis 8.30 Uhr Empfang der auswärtigen Gäste, hernach Festgottesd ienst in den beiden Stadtkirchen, Abholung der Fahne und Abmarsch auf den Festplatz, Begrüßung der Gäste durch den Kommandanten und Übergabe der von der Regie- rung und der Stadtgemeinde gestifteten Ehrenzei- chen und Medaillen an die Jubilare, Überreichung der von den Frauen und Jungfrauen Mühlburgs ge- schenkten Fahnenschleife. Anschließend fand eine Feuerwehrübung am Steighaus statt. Um 13.00 Uhr begann das Festessen in den verschiedenen Wirt- schaften. Der Festzug zog um 15.00 Uhr vom alten Rathaus durch die Straßen Mühlburgs auf den Fest- platz. Im Gasthaus zum Hirsch fand abends der Festball statt. Auch das 60jährige Bestehen der Feuerwehr wurde am 16. Mai 1908 gefeiert, wiederum mit fi- nanzieller Hilfe der Stadt Karlsruhe. Das Festban- kett war im Saal der Drei Linden, verbunden mit ei- ner Theateraufführung "Eine gefährliche Feuer- wehranzeige", bei der Fräulein Maria Schwab, Luise Bitterwolf, Friedrich Doldt, Karl Scheuerpflug, Her- mann Doldt, Bernhard Müller und Friedrich Joos m itwi rkten. Kurz nachdem Friedrich Pfeifer in der ordentli- chen Generalversa mmlung vom 9. Oktober 1910 zum Kommandanten und Wilhelm Weiß zu seinem Stellvertreter gewählt worden waren, berieten die Stadträte von Karlsruhe wieder über die Freiwilli- gen Feuerwehren. Sie beschlossen am 23. Februar Jl<Elt dem fe\lervre~rTfI3nn 2,5 j_thri!\l' vicnl't[cil'lunn "'" frelwdhgen feuerwe~r Ehrenurkunde für 25jährige Dienstleistung als Feuerwehrmann. 1910, daß die freiwilligen Feuerwehren der Alt- stadt, der Stadtteile Beiertheim, Daxlanden, Grün- winkel, Rintheim, Rüppurr und Mühlburg sowie der Maschinenfab rik und des Hauptbahnhofs zur Erzie- lung eines einheitlichen Vorgehens in Brandfällen und hauptsächlich im Interesse einer planmäßigen, sach- und fachgemäßen Ausbildung unter Wah- rung ihrer bisherigen Selbständigkeit in Verwaltung und inneren Angelegenheiten sowie der Stellung ihrer Kommandanten dem Karlsruher Feuerwehr- korps gegenüber als weitere Kompagnien sich an- zuschließen hatten. Mühlburg erhielt die Bezeich- Das SOjährige Jubiläum der Mühlburger Feuerwehr 1898 nung 5. Kompagnie. Oberkommandant war der Kommandant der Altstadtkompagnie. Nachfolger von Pfeifer wurde der bisherige Stellvertretende Kommandant Zimmermeister Wil - helm Weiß. Maurermeister Ferdinand Doldt wurde neuer Zweiter Kommandant. Die Feuerwehrleute setzten sich aus allen Schichten der Einwohner- schaft zusammen. Das Übungshaus (Steighaus) stand in der Hardtstraße, gegenüber der Firma Wimpfheimer, auf der früheren "Kohlplatte" (Zin- ken). Es mußte bei der Erschließung neuen Bauge- ländes als Hindernis weichen. Die Feuerwehrübun- gen fanden jeweils samstags in den frühen Abend- stunden statt. Die Bevölkerung Mühlburgs nahm regen Anteil daran, denn die Übungen waren ein Ereignis für jung und alt. Es gab zwischendurch auch große Generalübungen, die recht volkstümlich waren. Besonders für die Jugend schienen sie eine nie versiegende Quelle von Vergnügen, wenn ihr zuliebe ein Wasserstrahl aus den Rohren daneben ging und die Zuschauer "getauft" wurden oder wenn die Mannschaft nach Verbringung der Geräte ins Spritzenhaus, sauber ausgerichtet und im Marschtempo in einem der Wirtshäuser ver- iireiwUUge iieuerwel)r j\atlsru~e=!Dlü~lbutg Übungslllan 3u ber nm Sal1l5tag, ben 16. !lIlal 1914, alienbs '/, 8 U~t am <BeMube bes <Baltgaules 3 .• 'llb[er" in ber i!ameqltraae !Jlr. 3 ltatt~nbenben I. ßauptübung. 'D" bi"la~rlg,n lfr1lbla~T5prob. 1I.gl bio :lb •• au 0TUnb., bob In bem binteren Wnbau b .. 0all~aul's lum • 'llbl,,' , in wol<l).m Im 2. Stodt .in, !!!ß~n. aufg.I<I)lag.n war, lf.u" an.g.brod).n Iit unb In !folg. b.. l)errf<l).nb.n lIark.n SUbw'ltwlnb .. 10 raf<l) Um lid) grln, baß bis lum IElnt"n.n ber 1f.u"w.~r, ber ~Int." :t.1I In !flamm.n flanb. IE. 111 oo~" mit all.n ""IUgOO"n Jlrö~.n babin IU roirk.n, bab bit "orberen 0.böub. lowobl, alo aud) bit In b'T IDlnbrld)tung Ii.g.nb.n 0.böuli<l)k.lt.n bot 'llad)barld)aft g.I<I)Ubt w"b.n. ('!ler Soal war t.llw.il' mit 0ölt.n b.l'bt.) 'Der 'lIngriff erfolgt luer\t lugw.II., rool<l).m .In 0'lamtangriff fid) anl<l)II,&1. '110<1) b.m Signal ,'Das 0ana' - Soll" finbe! .In 'llunbgang iur !!I'II<I)lIgung ber .Ingcnomm.n,n St.llung.n unb Ib" IDirkung.n \tatt, IU ro.I<I).m bio lEing.lab.n. n fid) b.m llommanbo anld)li'b,n rooll.n. - 3'" !!Ierfolgung b.s 'lIngrlffs bitt,n mir 2luflt.llung g.g,nßber b,m Qlall~aus ium . 'lIbler' !U n,~m,n . ~as .ftommanbo :I. ~. 3'erb. 'DO[bt - 'DIent a[s <fln[abung - 'lI. mUlIer. schwand, um dort nach ihrer Meinung weitere Lö- schübungen durchzufahren . Da li efen die Buben nebenher, und manches Scherzwort f iel dabei zwi- schen Vater und Sohn. In schönster Harmonie ver- liefen die Familienunterhaltungen, Weihnachtsfei- ern und die stets überfüllten Feuerwehrbä ll e. Die "go ldene Zeit" der Feuerwehr Karlsruhe-Mühlburg dauerte bis August 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Manche Männer mußten Heim, Herd, Fa- milie und den Arbeitsplatz verlassen. Wo all es in Bewegung war, gab es auch in der Besetzung des Kommandos eine Änderung. Am 14. Januar 1915 rogramm ~ 60-Jdhrlgen Stlitungsieler ~ de. ~Tetwlfltgen ~euerwehr Karlsruhe·mOhlburg am I &. mal 1908. t. m".ÖI. t . [lied 1 .. mQltllRod\t" (e:GSIDo.Wec!erttMnz). s. Beart~Wl9 dllldl KomtnonÖGIlt Sen Fr ltdrldt Pfeiler • •. mldllt. S. Prolos. gelprodll:n POn Hem K CI n n 6. tdtel l .. moleutog" (~rQnguertln Froltllnn). 1. Tbea' ...... lHIkr ..... : "Etne ge!~hrltdie feuerwehr·Bnzelge" lIelh:r der auffllhrung : Kameraden Fronz ,GgeT und !louis mtluer. mllwlrlltnftl 'mltll! 111 111. S4l 1ll. " ,,-.. au .... D. I. 1. M Inlu Ill lluIII.IL .. llu.'lItl IIU Uu . II_ 'M trl",'d! O. UL _ fll t lhl<ll 'n .. s. muhll. 9. (1I1d I " tief 111 die milhle ptrli:tlnelt" (Gelangverein eintred\l). 10. Turll,rlkb, BunUbrulIg, eusge/ahrt lIon ßWglledern dH T\lrn\lerelns rnQhlburg. 11, muDII. I!. bllMl: .. Bergmanns Bulfohlt" (e:nslnOoWedetiretlz). IS. muDir, 14. bild I Q, .. Dos ptrloßeAe mOgdlflo". b. Die Ver[a[[ent" (li3eloll.Qocrein rrobAnn). IS. muDir. 16. laltd : .. Die Weil 111 10 fonn.la. lo wunderiMn" (3ektIl,jUClCIn elnh'adll). trat der bisherige Kommandant, Zimmermeister Wilhelm Weiß, zurück und Maurermeister Ferdi- nand Doldt wurde in der ordentli chen Generalver- sammlung vom 10. Januar 1915 zu seinem Nach- folger gewäh lt. In diesem Amt bl ieb er bis zum 2 April 1919. Die Generalversammlung vom 16. März 1919 bestimmte Architekt Friedrich Pfeifer zum Kommandanten und Bl echnermeister Friedrich Golling zum Stellvertretenden Kommandanten. Durch den Krieg 1914/18 und se ine Nachwir- kungen schien das In te resse für die Feuerwehr nachzulassen . Doch die Mühlburger Feuerwehr- KARLSRUHE.MüHLBURG, 25. April 1923. Unter höfl Bezugnahme auf das 8ngeschlossene Programm beehren wir uns. Sie tu unserer tim StlmstDg, den 2 und Sonntag. den 3. Juni stattfindenden Feier des 75 jl1hrigen Bestehens ergebenst emzuladen, Von grösseren festlichkeiten muss. dem Erost der Zelt entsprechend, Abstand genommen werden Wir werden aber dennoch bemUht sein. dem bedeutungsvollen Ereigniss In wllrdlger Weise Ausdruck tu verlelh6n Beiliegender Fragebogen wolle bis längstens 15. Mei en uns zurl.ick. gesandt werden Wir wUrden es uns zur Ehre rechnen, Sie bei unserem Jubelfeste begrOssen tu dOrfen und zeichnen mit kameredschaftllchem Grussl Das Kommando: Fr, Pfe ifer W Keul männer wollten lieber sein als scheinen. Der alte Geist der Mühlburger, zäh und ausdauernd, über- wand alle Hindernisse. Nach Besserung der wirt- schaftlichen Verhältnisse und der politischen Zu- stände wurde wieder unermüdlich und mit Erfolg in und an der Feuerwehr gearbeitet, so daß am 2./ 3. Juni 1923 das 75-jährige Bestehen gefeiert wer- den konnte. Im Festsaal der "Drei Linden " fand das große Bankett mit Ehrung verdienter Kameraden statt. Am Sonntagmorgen um 6 Uhr war großes Wecken, nach Empfang der auswärtigen Gäste um 8.30 Uhr Gottesdienst für beide Konfessionen und um 11 Uhr eine große Angriffsübung auf die "Alte Mühle". Nachmittags 15 Uhr begaben sich die Feu- erwehren und mit ihnen fast die ganze Mühlburger PROGRAMM SAMSTAG, DEN 2. JUNI Abends 8 Uhr: Banketi mit Ehrung verdienter Kameraden im Fest· saele "Zu den · 3 Linden", MUhlburg (Besonderes Programm). SO NNTAG, DE N 3. JUNI Morgens e Uhr: Weckruf. Von B Uhr ab: Empfang der auswärtigen Kameraden. Vorm, '~g Uhr: Gottesdienst beider Konfessionen. Vorm. 11 Uhr: AngriffsObung an der alten MOhle. Nachm. '~ 3 Uhr: Aufstellung vor den "Drei Linden". Abmarsch nach dem Friedhof zur Gedenkstein -EnthOltung for die gefallenen Kameraden. AnschlieBend Festzug durch MOhlburg. Endziel "Drei Linden". (6emot· liches Beisammenseinr- - -. Abends 8 Uhr: Fest·Ball im Festsaal der "Drei Linden", ·:::::E!iiiiiiii?1:::::· Einwohnerschaft auf den Mühlburger Friedhof zur Denkmalenthüllung für die gefallenen Kameraden . Anschließend bewegte sich unter einem wahren Blumenregen und unter herzlichen Zurufen und Winken ein stattlicher Festzug durch Mühlburg. Ihm schloß sich ein gemütliches Beisammensein der beteiligten Wehren an. Am Abend vereinigte alles ein glänzender Festball. Wie sich die Wehr in Not und Gefahr überall und stets uneigennützig ein- setzte und sich in jeder Hinsicht bewährte, so ver- stand sie sich durch gesellige Unterhaltung beliebt zu machen. Sie erfreute sich großen Ansehens und hatte viele Freunde unter der Bevölkerung. Die au- ßerordentliche Generalversammlung vom 12. Ju li 1924 bestimmte Schreinermeister Adolf Doldt zum Kommandanten, Mechanikermeister Karl Pfeifer zum Stellvertreter und als Gerätewart Fritz Gram- bacher. Daß die Mühlburger Feuerwehr zu feieren verstand, bewies sie auch 1928, als die Stadt Karls- ruhe zur Feier des 80jährigen Bestehens wieder ei - nen Beitrag zur Deckung der Unkosten stiftete. Abends fanden sich Wehr und Freunde im Saal der "Drei Linden" zu einem Bankett mit auserlesenem Programm zusammen. Im Jahr 1929 kam es zu einer gewissen Unruhe in der Mannschaft, als in der Presse darüber speku- liert wurde, daß die Altersgrenze für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren herabgesetzt und die Mannschaftsstärken auf 50 begrenzt werden soll - ten. Der zuständige Bürgermeister Hermann Schneider konnte diese Bedenken allerdings aus- räumen. Die Vertreter der Mühlburger Feuerwehr nutzten aber die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß ihre Wehr "noch Pferdebespannung habe, was heute etwas vorsintflutlich anmute." Auch hier ver- sprach Schneider Abhilfe und stellte die Beschaf- fung von zwei "Schnelllastwagen" in Aussicht. Tat- sächlich erhielt man auch einen solchen Lastwagen, den man aber ein Jahr später für nicht ausreichend hielt und um Beschaffung eines weiteren bat. An- laß waren Differenzen zwischen der inzwischen ge- gründeten Karlsruher Berufsfeuerwehr über den Einsatz von Geräten und der Art der Übungen, die aber rasch ausgeräumt werden konnten . "Einträch- tige Zusammenarbeit zwischen Freiwilliger Feuer- wehr und Berufsfeuerwehr soll vornehmste Aufga- be sein" lautete das Ergebnis. Als der Kommandant Adolf Doldt Ende 1931 starb, gab es am 31. Januar 1932 einen Führungs- wechsel. Nun wurden Karl Pfeifer zum Komman- danten und Malermeister Gustav Doldt zu seinem Freiwillige Feuerwehr Karlsruhe - Mühlburg 1848' ._._ ••.. _ ..... l .B..Q .. I 1928 Fest-Programm z u d ~ m ttm SamS l tlv. dt n 18. AUa U&f 1928. a bt nd s B Uh r. Im Pu l &lI al e ZIJ den . Drel L i nd en" MUhlburg, sf flllfi nd t nd en fESTBANKETT zur Feier des 80 jl:ihrigen Bestehens M ITWIR KE ND E : T urnverein MlihlhUl'V (1861), OUlInllvenln Prohsinn MUhlburv : eint Ableilunll der KlIrlaruhtr PeutfWt.hrlu'ptlit 1. roulmorsd\ .,. ... ßdltr i. Quvtrlurr :r:urOpcr . Martka" , .. .... ..... rtolOw lI. M8nntrdlor: .. Weiht des OtNng.- . . . .. Mourl .... Bqrill)unll dllrm den I. KommalMionlcn &. Polpoun"l aus .PlmmlOua" . . , . • SImilI> 6. Prolog, Fr! UeN Ooldl 7. Ehrunv dtr Jllltl illre. 0) RtlJltruolf. b) S, ... d' a. I iandtlUbunrtn der ManlM!rri~ ; LeUun, 0. DoId 9. Sirentnuuber, Wal",r . . . Waldltukl 10. MUnotrdlor : . Waldmaonahel'" .... ß.IroulMn" 11. RtlVtn der Tumerlnncn: leITung PrlO e rb 11. huermeno .....•...• . . Slork I&. Dackrumtn dtr 'rLlmtr ; LtUunt H. Drdklufl , ... T.nll't~ .. Mr TurntrlnMn; LAhunw rrlt erb ,I. Schlu&mllrsdl . . . . . . . . . Rhode FESTBALL Pmvrllmme om Sanlelllg'anlJl PTowremm-Aendt:runwen vo, bthallen l Stellvertreter gewählt. Pfeifer hatte im Vorfeld an- gekündigt, daß er ein besonderes Augenmerk auf die Wartung der Geräte legen werde, zu denen auch eine Motorspritze gehörte. Die Freiwillige Feuerwehr Mühlburg verfügte als einzige freiwilli- ge Wehr über eine solche Motorspritze vor Ort. Der erste Kommandant, der am 25. Oktober 1934 auf- grund der veränderten Machtverhältnisse im "Drit- ten Reich" nun von Staatswegen, dem Ministerium des Innern, in sein verantwortliches Amt eingeführt wurde, war Wagnermeister Alfred Wenner (senior), der langjährige Korpssprecher, unter dessen rühri- ger und verdienstvoller Leitung die Wehr sich wie- der festigte und weiter ausgebaut wurde. Sein Ver- treter war der Gärtnermeister Hans Trede. Anläßlich crreiwillige CfeuefIDehr CJ(tJrlsruhe-CJ)ur/tJm e. CU. fM8 9/ht./lung CJ(DrI.,uh.- ']rlühlhurg f938 ~_.poo1!1.I~' t () • • ')~Jn NJI '.IV 9(.,"""'.J..'5. fj.N'o.:M 5tablD(lrlooliung 22.1U1.19l8 Rorlnuh. 9(ameradschajis- und 9(relslre/fon _ ~n!" J.4 gtJ-JlINt".. '&.sIrhMu 11M ~M"Iu", 9f1JT1MU/J.-'.JtWJ6." Dm 1J, und 14. ~ugtJJl f9Jd /11 CXn,IJTulN~9r1t1hlhUfg. 'lJf# rr,.,.,/I/I,. q;,u.~!Jr 9(4,tu.J»..Cb,,,ktJ, I. cu. t;I!' ''futlf '>h1H!11f1l HvbI 4IJr 1J. Im' 14. t;fllfuj/ J.8. all q"" J~ 90 jdhrl~ ~fhl-II. ~ .naIIM IUU. 9b,., l1~h cw,br", a.H_ CXttlMMflddftm.ff'" ""I/I/4dt., Hf nltb.m 1111. l"ofW ~11_1II' IItNPftb" .mJ. _11" .Ik 9(_"41,,, i'#'J 8nl.,.g, W", _M". ~/lf aN Cffjlfol,. wt./f .tr H.toIIlJ", brn /l1It! A/If'1f unJ th" MI/Hllftltkn rr,~ Ah .JPd1N1,M .3O.8ull J. 8 . .,,,_rifM. ~I .o,d, UM 1"-. mIII "n, 'J(_,MIm H"."jtm t# dir,",. WH 1:_~/khM Q"'jJl ?frflC)IIIJ,d 91/fr~ CZ1h'/ll~r !l(..:::::;::.. .. NB ..u,. .... ~~"H~a..-...-- .... --- .,..,. t}J.6r.. fttr ... ,-AtIIti. t:'*"-t .w ........... oa.... -....",. des 90jährigen Jubiläums wurden in Anbetracht ih- rer Verdienste um die Wehr, Kommandant Alfred Wenner, zum Ehrenkommandanten mit Beibehal- tung der Führung der Wehr und sein Stellvertreter Hans Trede auf allgemeinen Vorschlag zum Ehren- mitglied der Feuerwehr ernannt. Von ihrer Anlage her war die Wehr politisch neu- tral. Dennoch mußte sie nunmehr unter den gege- benen Verhältnissen und durch die ständigen Ein- griffe des Staates im Laufe der Zeit eine Wandlung in ihrer Organisationstruktur erfahren. Im Jahre 1937 wurde auf höhere Anordnung die noch ver- bliebene Selbständigkeit der einzelnen Wehren auf- 9(ameradschaf!s- und 9(relstreffen d,.., $itnJ# d" fXJ-j4/Jrl/IfM ~«-.J rJ., 5f!/IrlIrm, 9(tHl"'II"'~ 9If11h1/Ju" rkr rrrrllJlI/f,." Cf",,,,,,,,,,, 'XtrfMUN-ttJurlMD •• 'lJ. <,m 1J. und 14. 91ugllJI 19Jd In 9(afIMuh". g;"'hlhufg Cfesfordnung: 7"'14" d", 12. ~/I/{U4I 19Jd IIIHttrh I/.g ClJh, ,. ~nflfhnlM j.I"/1J,, 7/~ht&Wlli J..,u.". tiM 1.1 ~ 1;.1c7 Htnrh 'li g ClJIH "" 7H1&M/ rJ" .• J ~". 91bHrr,"./4 14 CfesfbtJnkeff C)t11/ID/rk.nrN , ÖJ/ffIJ~/I'PI'/" ~I/ ?lall", JI, 9rl1hI6u,.,., (}NrutplnI"", crllrn"Mhojl. _" a.., <ft'Ofllpt/vfkotp,t du t;if,HII'rf~ltIHnl, 35. ?ftHUrub. tim" 8«111116 _ CM-1I4Ik-"'tr 'X/f.JlJbdt 11M J,.. ~"""d/iR J" t;l},htlluIfI 9tliJb/iJM'i a.-t'f"rtIDIIl1fl"tq,." .. IN. ÖotflfllJg. IhM 14. ~/lgwJ 19.Jd '1.1 q}b" 9ro~ '7/),d,n, ~ _ ~IlfJr 7t~""'7 ___ -' V,.,mri~ ., SlrlIH.,.,.,..,.. !Irr. 3J. __ ...... ~ ",.q" .... ..,_~ClI. s.".J.. " ClJIH, fAll,""" _ am~ ~/I' r;t/tJlI-&,.. '1.9 CU"" ''''''Ift_bn''tf auf _ 'T'MJIIo/ '1,10 CU"" 9(m.Hotlllfi '" "*' qu..,,.,.JbtJ/I. 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Allmählich wurde die Wehr zu einer Poli- zeiexekutive besonderer Art. Alle diese Erscheinun- gen in der staatspolitischen Führung stellten auch den Wehrbetrieb zwangsweise um. So wurden z. B. die Wehrmänner zu Luftschutzübungen herangezo- gen und überhaupt dem Luftschutzdienst zugeteilt. Führung und Wehrmänner hielten aber fest an der Jubiläum 1938, Vorbeimarsch der Mühlburger Feuerwehrleute on dem Kreis feuerwehrführer. alten Tradition, so daß im Jahre 1938 in größerem Rahmen das 90jährige Jubiläum gefeiert werden konnte. Eine groß angelegte Übung am "Nord- stern"-Wohnblock vereinigte die Mühlburger Feu- erwehr mit denen von Grünwinkel, Daxlanden, In- nenstadt, Durlach, der Wehr der Sinner AG und der Berufsfeuerwehr. Eine Abteilung der Baden-Bade- ner Wehr führte die damals neu aufgekommenen Lanningerrohre vor, die auch auf die Zuschauer ei- nen großen Eindruck machten. Das Ganze aber bot nicht nur ein prächtiges Bild, sondern war zugleich eine Leistungsprobe jeder der beteiligten Wehren, die allerseits volle Anerkennung fanden und reiches Lob ernteten. Lange Zeit danach wurde noch davon gesprochen. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs leisteten die Männer der Feuerwehr ihren Dienst bei der Wehrmacht sowie beim Sicherheits- und Hilfs- dienst. Viele von ihnen sahen ihre Angehörigen und die Heimat nicht wieder. Der eigentliche Feuer- wehrbetrieb lag fast völlig darnieder. Durch den Tod des allgemein beliebten Kommandanten Alfred Wenner (senior) durch eine Rauch- und Phosphor- vergiftung bei den Löscharbeiten im Rheinhafen und infolge Ausscheidens des Stellvertretenden Kommandanten Hans Trede aus dem aktiven Dienst Löschübung am Nordstern, Fata aus "Der Führer" vom 15. August 1938. Aus der Übung wird der Ernstfall. Löscharbeiten noch einem Luftangriff in der Rheinstraße, vermutlich noch dem Angriff vom 4. Dezember 1944. wegen Überschreitung der Altersgrenze war Ende des Krieges die Wehr ohne Führung, da der damit beauftragte Alfred Wenner, der Sohn des verstorbe- nen Kommandanten, eingezogen war. Im Herbst 1945 beauftragte die Stadtverwaltung den kommissarischen Leiter der Berufsfeuerwehr, Hauptbrandmeister Julius Seiler, die Feuerwehren der Vororte wieder neu aufzubauen. Im Benehmen mit dem Leiter der Bezirksstelle Mühlburg wurde Georg Merz mit dieser Aufgabe betraut. In uner- müdlicher, gemeinsamer Arbeit mit Kamerad Seiler, der seit dem Jahre 1948 das arbeitsreiche Amt des Schriftführers versah, gelang das Werk trotz aller schwierigen Verhältnisse. Die alten Kameraden hat- ten, was verständlich ist, kein In teresse mehr daran, als aktive Feuerwehrmänner mitzumachen. Viele von ihnen hatten auch die Altersgrenze erreicht. So mußte in mühevoller Werbung und Kleinarbeit um jeden Mann gerungen werden, um ihn für die Feu- erwehr zu gewinnen. Kamerad Merz, der keine Mühe scheute, hatte es durch sein gefälliges Wesen verstanden, sich einen willigen Mitarbeiterstab her- anzubilden. Dazu gehörte viel Mut und volles Ver- trauen, um so mehr, da die elementaren politischen Ereignisse die Kulturarbeit der Freiwilligen Feuer- wehr zu ersticken drohten. Das seit 1848 verfolgte Ziel war jedoch nicht aus dem Auge verloren. Aller- dings hatte die rührige Stadtverwaltung das Ihrige getan, war den freiwilligen Wehren zur Seite ge- standen und hatte ihnen geholfen, soweit es in ih- rer Befugnis und auch in ihren Mitteln stand. Das soll hier nicht vergessen werden. Zu nennen wären als treue Mitarbeiter von damals die Kameraden AI- fred Wenner, Karl Eiseie, Marcel Friedmann und Fritz Grombacher senior (t 2. Januar 1958). Im Lau- fe von drei Jahren stand die Feuerwehr Mühlburg wieder auf festen Beinen, so daß im Jahre 1948 das 100-jährige Jubiläum gefeiert werden konnte, al- lerdings sehr bescheiden, da die Folgen des letzten Krieges noch täglich zu spüren waren. In folge hohen Alters mußte in diesem Jahre Kommandant Georg Merz sein Amt einer jüngeren Kraft abgeben. In Würdigung seiner Verdienste wurde er in einer außerordentli chen Generalver- sammlung am 2. August 1948 zum Ehrenkomman- danten ernannt. Sein Nachfolger wurde der schon seit über 20 Jahren dem engeren Verwaltungsrat als Schriftführer angehörende Alfred Wenner, stellver- tretender Kommandant Emil Pertzborn, Schriftfüh- rer Julius Seiler und Rechner Marcel Friedmann. Die Zeit verging in rastloser Tätigkeit. Veranlaßt durch berufliche Inanspruchnahme schied der stellvertre- tende Kommandant Emil Pertzborn aus. Seinen Platz nahm Richard Rastetter ein. Das 105-jährige Bestehen wurde wiederum in ganz schlichtem Rah- men abgehalten. Als Übungsobjekt diente die alte Brauerei Seideneck. Es nahmen teil die Wehren Grünwinkel, Daxlanden, Knielingen und die Berufs- feuerwehr. Wieder bewiesen die Wehren ihr großes Können. Dank der Unterstützung der Stadtverwal- tung konnte der Geräte- und Fahrzeugpark weiter ausgebaut werden, so daß nach Abschluß des Be- richtsjahres die Wehr über folgende stadteigene Fahrzeuge verfügte : 1 LF 25, 1 fahrbare Lafetten- spritze (neueres Modell) TS 8, VW und 1 Drehleiter mit 20 m Steighöhe. Richard Rastetter trat im Laufe des Jahres 1956 von seinem Amt als Stellvertretender Kommandant zurück. An seine Stelle trat der bisherige Rechner, Marcel Friedmann. Das 110-jährige Jubiläum wurde in großem Rah- men gefeiert. Die reichliche Vorarbeit, die durch Feuerwehrübung anläßlich des 100jährigen Bestehens 1948 bei der Malzfabrik Wimpfheimer. Feuerwehrleute und Zuschauer in der Hardtstraße auf der Höhe des Gasthauses "Jägerhaus" Kommandant Wenner, Schriftführer Seiler und den stellvertretender Abteilungs-Kommandanten Fried- mann in Zusammenarbeit mit Herrn Eugen Singer geleistet wurde, ermöglichte es, eine Festschrift herauszubringen, die über die Grenzen von Karlsru- he hinaus Interesse und Anklang gefunden hat. Der erste Festtag (Freitagabend) galt der Ehrung unse- rer in den letzten Kriegen und in der Zwischenzeit verstorbenen Kameraden. Um 20.30 Uhr versammelten sich die Kameraden der Wehr und der eingeladenen Wehren, Gäste und Abordnungen der Mühlburger Vereine sowie zahl- reiche Zuschauer beim geschmückten Ehrenmal auf dem Mühlburger Friedhof. Als Vertreter der Stadt war Bürgermeister Dr. Franz Gurk erschienen. Die Feier wurde umrahmt von der Harmonie-Kapelle und der Sängervereinigung Mühlburg. Pfarrer Schuchmann hielt die Gedenkrede. Kommandant Wenner gab den toten Kameraden in einem Nachruf das Versprechen, ihr Wirken stets in ehrender Erinnerung zu halten. Unter den Klän- gen des "Guten Kameraden" wurde zum Abschluß ein Kranz am Ehrenmal niedergelegt. Dem Eggen- steiner Spielmannszug folgend, marschierten die Teilnehmer zum großen Zapfenstreich auf den Flie- derplatz. Dies sollte ein Ausdruck, ein Höhepunkt, der Ehrung der gefallenen Kameraden sein. Bürgermeister Dr. Hermann Otto Ball und Brand- direktor Farrenkopf, Stadträte und Major Spiel- mann, gaben durch ihre Anwesenheit der Feier eine besondere Note. Für den, der dabei war, wurde es zum unvergeßlichen Erlebnis, zumal es der erste große Zapfenstreich war, der hier in Karlsruhe nach dem Kriege durchgeführt wurde. Am 5. Juli trafen sich die Gäste und ein großer Teil der Bevölkerung auf dem Fabrikgelände der Firma Metz zu einer Ernstfall-Einsatzübung. Im Zu- sammenwirken mit der Berufsfeuerwehr Karlsruhe und den freiwilligen Feuerwehren von Grünwinkel und Daxlanden sowie dem Roten Kreuz Daxlanden wurde unter der Gesamtleitung von Branddirektor Farrenkopf diese Einsatzübung durchgeführt. Mit Sachkunde verfolgten Bürgermeister Dr. Ball, Re- gierungsrat Hein vom Regierungspräsidium und die Kreisbrandmeister von Karlsruhe-Land und Wein- heim diese Übung. Bei der anschließenden Kritik war man sich einig, daß die Übung durchaus gelun- gen war. Der Abend verlief angenehm bei einem harmonischen Beisammensein mit den Mühlburger Vereinen. So brach der Sonntag an. Um 8 Uhr war gemein- samer Kirchgang beider Konfessionen. Danach be- gann um 10.30 Uhr der große Festakt im Rhein- gold-Filmtheater, da ein anderer Saal nicht zur Ver- fügung stand. Der Raum war dem Charakter des Festes entsprechend mit Blumen und Lorbeerbäu- men ausgeschmückt worden. Nach Begrüßung der Gäste durch den Kommandanten Alfred Wenner war schnell der Kontakt mit allen Teilnehmern an der Feierstunde hergestellt. Die musikalische Um- rahmung wurde von der Harmonie-Kapelle unter Leitung ihres Dirigenten Pfortner und der Sänger- vereinigung Mühlburg unter der Leitung von Rek- tor Feil gestaltet. Altstadtrat Müller, der Vorsitzen- de des Badischen Sportbundes, hielt die Festrede. Er sprach darin den Dank an all diejenigen aus, die sich in uneigennütziger Weise als Idealisten zum Wohle ihrer Mitmenschen in die Reihen der Freiwil- ligen Feuerwehr gestellt haben. Bürgermeister Dr. Ball übermittelte als Dezer- nent der Feuerwehr die Grüße des Oberbürgermei- sters und der Stadtverwaltung sowie des Gemein- Alte Kameraden : von links Reitze (Abt. Kommandant), Wein eich, Böttcher (Stellvertr. Kommandont], Klausmann, Eder. Schötzle, Kaufmann derats mit dem Wunsche, daß das hohe Idea l des Dienstes am Nächsten auch in Zukunft Leitspruch für die Freiwillige Feuerwehr Mühlburg sein möge. Anschließend zeichnete Dr. Ball im Auftrag des Innenm inisters Renner die Kameraden Hermann Klausmann und Fritz Grombacher für 25jährige Ak- tivität mit dem si lbernen Feuerwehr- Ehrenzeichen aus. Für seine Verdienste wurde dem Kommandan- ten der Mühlburger Wehr, Alfred Wenner vom Prä- sidenten des Nordbadischen Feuerwehrverba ndes, Debatin, das Feuerwehr-Ehrenkreuz verliehen. Der leider zu früh verstorbene Kamerad, Haupt- brandmeister und Schriftführer Julius Seiler, und der ste llvertretende Abteilungs- Kommandant Mar- ce l Friedmann wurden mit der goldenen Ehrennadel der Freiwilligen Feuerwehr Mühlburg geehrt. Mit der Überreichung von Ehrentellern und Ehrenpla- ketten wurden sodann al l jene ausgezeichnet, die sich um die Mühlburger Wehr verdient gemacht haben. Damit sollte der Festakt zum Beweis der Ka- meradschaft, gegenseitiger Achtung und dankbarer Anerkennung werden. Was gemeinsame Pl anung und Zusammenarbeit zuwege bringen, so llte sich bei dem am Sonntag- nachmittag durchgeführten Festzug zeigen, der zur Krönung der Festlichkeiten wurde. Erstmals wurde eine improvisierte Jugendfeuerwehr hinter der Fah- ne als Zukunftsgedanke mitgeführt, aus dem ja be- kanntlich inzwischen Wirklichkeit geworden ist. Unterstützt durch die Spielmannszüge der befreun- deten Wehren, der Harmonie-Kapelle, der Musikka- pelle von Daxlanden und der Schülerkapelle, be- wegte sich der Umzug durch Mühlburg. Der Abend wurde gesellig mit den Bürgern Mühlburgs ver- bracht. Für die musikalische Unterhaltung sorgte dabei der Musikverein Daxlanden. Am Montag klang das Fest mit Musik, Sport und Gesang aus. Denkwürdige Tage. Tage der Freude, der Kameradschaft und der Zusammengehörig keit, aber auch Tage der Besinnung. Der Ausbau der Wehr ab 1958 Die Wehr wurde unter der Leitung von Komman- dant Wenner weiter ausgebaut. Ab dem Jahre 1961 wurde Kamerad Moser zur Unterstützung des Ka- meraden Seiler als Zweiter Schriftführer eingesetzt, während Kamerad Dieter Schandeiwein die Feuer- wehrkasse als Rechner übernahm. Die folgenden Jahre waren ausgefü llt mit Diensten, Theaterwa- chen, den jährlichen Abschlußübungen und den traditionellen Feuerwehrbällen im "Küh len Krug". Im Jahre 1965 übernahm der bisherige Zweite Schriftführer Gerhard Moser das Amt des Ersten Schriftführers. Kamerad Julius Seiler, der der Wehr weiterhin beratend zur Verfügung stand, wurde in Anbetracht seiner großen Verdienste um die Wehr mit dem goldenen Ehrenring ausgezeichnet. Eine Ehrung, die dadurch an Bedeutung gewinnt, daß dieser Ring nur von jeweils einem einzigen Aktiven getragen werden kann und in seiner Gestaltung einmalig ist. Am 2. März 1968 wurde die Wehr von Alfred Wenner in die Hände des bisherigen Stellvertretenden Kommandanten Marcel Fried- mann übergeben und Schriftführer Moser das Amt des Stellvertretenden Abteilungs-Kommandanten übertragen. Damit schied Alfred Wenner aus dem aktiven Dienst, der schon über 40 Jahre - davon jeweils 20 Jahre als Schriftführer und Kommandant - der Wehr gedient hatte. Für die unzählbaren Verdien- ste, die Alfred Wenner sich in der Mühlburger Wehr erworben hat, erfolgte in der Generalversammlung einstimmig seine Ernennung zum Ehren- kommandanten. Doch bereits im April 1968 mußte unser allseits geschätzter Ehrenkommandant Alfred Wenner zu seiner letzten Ruhestätte getragen wer- den. Sein Wirken in der Wehr wird in dankbarer Er- innerung bleiben. Anfang September. 1968 begann der langer- sehnte und in vielen Besprechungen vorgeplante Um- und Erweiterungsbau unseres Feuerwehrhau- ses, das am 3. Mai 1969 in einer würdigen Einwei- hungsfeier seiner Bestimmung durch den Dezer- nenten Bürgermeister Jahn übergeben werden konnte. Die Verwirklichung dieses Vorhabens ist den Bemühungen von Stadtrat Ludwig Iig zu ver- danken, der sich mit Nachdruck für dieses Bauvor- haben eingesetzt hatte. Ein denkwürdiger Abschnitt der Mühlburger Wehr war die Gründung der Jugendfeuerwehr im Jahre 1969, die mit Unterstützung der Schulleitun- gen von Drais- und Hardtschule zum vollen Erfolg wurde. So erhöhte sich im Laufe des Jahres 1970 die Zahl der Feuerwehrjugend auf 25 Jugendliche. Als Jugendgruppenwart wurde Kamerad Rainer Freiwillige Feuerwehr Mühlburg, Einsatz beim Brand des Städtischen Klinikums. Fata vom 5. Februar 1973. Musahl am 5. Januar 1970 eingesetzt. Begeisterung und die erstaunliche Auffassungsgabe der Jugend bilden das solide Fundament unserer Zukunft. Ab 14. Februar 1970 übergab der Stellvertreten- de Abteilungs-Kommandant Gerhard Moser, der zusätzlich noch das Amt des Schriftführers beklei- det hatte, das Amt des Ersten Schriftführers in die Hände von Kamerad Udo Kohm. Kamerad Dieter Schandeiwein gab sein Amt als Kassierer im Jahre 1971 aus beruflichen Gründen ab. Er hatte dieses Amt seit 1961 vorbildlich geführt. Kamerad Günter Louis übernahm das Rechneramt und hat sich gut eingearbeitet. Am 8. Januar 1972 fand der Feuerwehrball erst- mals in der neu erbauten Car l-Benz-Halle statt. Bei gut besuchtem Haus durften wir neben Branddirek- tor Farrenkopf die Stadträte Toni Menzinger (MdL), Günter Rüssel, Rudi Voigt, Gerhard Stein, Johann Volm und H. Schneider begrüßen. Ein ausgesuchtes Programm mit musikalischer Umrahmung ließen diesen Abend zu einem Erfolg werden. Nach längerer Vorbereitungszeit konnte das 125-jährige Jubiläumsfest vom 1. bis 3. Juni 1973 stattfinden. Es stand unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Otto Dullenkopf. Vorausge- gangen war am 26. Mai 1973 eine Katastrophen- einsatzübung im Zusammenwirken mit der Berufs- feuerwehr, den freiwilligen Feuerwehren des Stadt- kreises Karlsruhe sowie dem Roten Kreuz. Einsatz- ste il e war der Silospeicher und die Werfthalle 2 am Mittelbecken des Karlsruher Rheinhafens. Bei der Manöverkritik bezeichnete Oberbranddirekter Far- ren kopf die Übung als ein Lehrstück für die spätere Zusammenarbeit der einzelnen Mannschaften. Am Samstag, den 27. Mai 1973 fand ein gemeinsamer Kirchgang statt. Freitag, den 1. Juni folgte eine Totenehrung auf dem Mühlburger Friedhof mit anschließendem gro- ßen Zapfenstreich am Lindenplatz vor der evange- lischen Kirche. Zu den Mitwirkenden gehörten auch die Feuerwehrkapelle Malsch und der Spielmanns- zug der Freiwilligen Feuerwehr Durlach 1846 unter der Leitung von Brandmeister Willi Haug. Erfreulich war auch die zahlreiche Beteiligung der Mühlbur- ger Bürger und Bürgerinnen. Am Samstagabend fand ein großer, bunter Abend mit Tanz in der Carl- Benz-Halle mit bekannten Künstlern aus Funk und Fernsehen statt. Sonntag, den 3. Juni 1973 wurde der Festakt mit Ehrungen im geschmückten Jung-Stilling-Saal in der Sed anstraße abgehalten. Die Festrede hielt Oberbürgermeister Otto Dullenkopf. Als Beauftrag- ter des Deutschen Feuerwehrverbandes ehrte Kom- mandant Heinz Sattler Abteilungs-Kommandant Macel Friedmann mit dem "Deutschen Feuerwehr- Ehrenkreuz" in Silber für besondere Verdienste im Brandschutz. Der Dezernent für das Feuerlöschwesen der Stadt Karlsruhe, Bürgermeister Paul Hugo Jahn, verlieh für 40jährige Zugehörigkeit bei der Mühl- burger Wehr den Kameraden Hermann Klausmann und Fritz Grambacher das Feuerwehr- Ehrenkreuz in Gold des Landes Baden-Württemberg. Die musika- lische Umrahmung übernahm die Sängervereini- gung Mühlburg und die Kapelle Pfortner. Um 14 Uhr zog der Festzug mit 28 Wehren und sechs Mühlburger Vereinen von der Oberen Bach- straße durch die Straßen Mühlburgs zur bis auf den letzten Platz besetzten Carl-Benz-Halle. Spiel- manns- und Fanfarenzüge der Gastwehren sowie der Bläserchor St. Peter und Paul spielten zur Unterhaltung der Gäste auf. Zum Festausklang am Freiwillige Feuer- wehr Mühlburg, Einsatz beim Brand des Städtischen Klinikums. Fata vom 5. Februar 1973. Abend gab die Tanzkapelle "Minados" ihr Bestes. In den folgenden Jahren wurde an der Aus- und Weiterbildung der Floriansjünger gearbeitet. Den neuen Richtlini en entsprechend mußte jeder Aktive einen Erste-Hilfe-Kurs und einen Grundlehrgang abso lvieren. Nach entsprechender gesundheitlicher Untersuchung wurden geeignete Kameraden zu Atemschutzträgern ausgebildet. Ein neues Alarm- system alarmierte nun die Feuerwehrkameraden über Funk. Hierfür erhielt man die ersten FunkmeI- deempfänger. So konnte unsere Wehr bei den Großbränden im Städtischen Krankenhaus, bei der Firma Ritter in Durlach, beim Th eaterbrand, dem Brand bei Firma Heine und bei den Hochwassern in Rüppurr und zweima l im Hafengebiet ihre Schlag- kraft unter Beweis ste llen. Die Jahresha uptversamm lung im Jahre 1978 wählte ein neues Kommando, da seit geraumer Zeit der Gesundheitszustand des Kommandanten Fried- mann nicht zufriedenste ll end war. Aus diesem Grund übergab er nun die Führung in jüngere Hän- de. Die neue Leitung bestand nun aus dem Abtei- lungs-Kommandanten Gerhard Moser, dem Stell- vertretenden Abteilungs-Kommandanten Udo Kahm, dem Schriftführer Peter Schmerbeck sowie dem Rechner Günter Louis. Auf Antrag der Wehr wurde Kamerad Marcel Friedmann von der Stadt zum Ehren-Abteilungs- Kommandanten ernannt. Es war eine Verpflichtung für ihn nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst, in dem er für die Wehr lange Jahre tätig war, einen Ehrenabend zu gestalten. Als Geschenk überreichte Kommandant Moser eine Tischuhr. Kamerad Friedmann stand uns weiter mit Rat und Tat zur Seite, doch lange konnten wir dies nicht in Anspruch nehmen, denn er verstarb plötz- lich und unerwartet im April 1983. Er war uns stets ein treuer Kamerad und vielen ein väterlicher Freund. Nach vielen Jahren des Hoffens konnte im Früh- jahr mit dem Aus- und Umbau des Gerätehauses, des ehema li gen Mühlburger Rathauses, begonnen werden. Zum ersten Mal in der Geschichte der Mühlburger Wehr (d. h. seit 1848) konnten wir ei- nen richtigen Aufenthalts- und Unterrichtsraum nutzen. Nach Absprache mit der Branddirektion und dem Hochbauamt wurde die Wehr verpflichtet, in Eigenleistung se lbst am Umbau mitzuwirken. Dem haben wir in vielen hundert Stunden in nicht immer einfacher Arbeit entsprochen. Durch den de- solaten Bauzustand traten immer wieder Schwie- rigkeiten (auch finanzieller Art) auf. Die Einfahrt- store für die Fahrzeuge, die in den Schulhof der Vo- gesenschule/Hardtschule führten, mußten auf die Sternstraße verlegt werden. Nach einem kräftigen Endspurt fand die Einweihung am 26. Oktober 1987 statt. Für die Finanzierung, Beantragung und Unter- stützung bei dem gesamten Vorhaben, danken wir vor all em Ltd . Branddirektor Wiechmann, der Stadt Karlsruhe mit ihrem Dezernenten Herrn Bürgermei- ster Ulrich Eidenmüller, dem Hochbauamt der Stadt Karlsruhe, den Stadträten Rüssel, Buchenau, Vogel und König sowie dem Architekten Biro für die ge- lungene Harmon ie von alter Substanz und neuen Ideen. Die größte Anerkennung jedoch gebührt dem Kommandanten Gerhard Moser, der von Anfang an bis zum letzten Pinselstrich se lbst mit Hand ange- legt hat und uns all en in selbstloser, aufopfernder Weise ein Vorbild war. Doch leider wurde ihm dies nicht von all en Seiten gedankt. Freiwillige Feuerwehr Mühlburg, Feuerwehrjugend. Kommandowechsel 1988 Abteilungs-Kommandant: Udo Kohm, Stellvertre- tender Abteilungs-Kommandant: Jürgen Reitze, Schriftführer: Luigi Verdone, Rechner: Michael Kury. Das 140-jährige Jubiläum wurde im kleinen Rahmen, mit einer Totenehrung vor dem Ehrenmal der Wehr und einem 2-tägigen Sommerfest im Ge- rätehaus gestaltet. Feierlich eingeweiht wurde im Oktober 1990 auf dem Mühlburger Friedhof das neue Ehrenmal für die gefallenen Wehrleute. Eine Restaurierung des durch Umwelteinflüsse stark beschädigten ur- sprünglichen Ehrenmals war nicht mehr möglich gewesen. Die Feier wurde gestaltet von den Pfar- rern Hoffmann und Barth sowie Kurt Ernst vom Bürgerverein Mühlburg. Die musikalische Umrah- mung übernahm der Spielmannszug der FFW Dur- lach. Die Finanzierung erfolgte ausschließlich aus Spenden der Stadt Karlsruhe, des Bürgervereins Mühlburg, der beiden Kirchengemeinden, der Mühlburger und Kar lsruher Geschäftsleute und in eigener Sache der Alterskameraden sowie passiv unterstützender und aktiver Mitgliedern. 25 Jahre Jugendfeuerwehr Um den Nachwuchs der Feuerwehren zu sichern, überlegte man Mitte der sechziger Jahre, Jugend- feuerwehren zu schaffen. Unter Mitwirkung des damaligen Abteilungs-Kommandanten Marcel Friedmann, der Hardt- und der Draisschule, des Ju - gendwartes Rainer Musahl sowie der Ausbilder Udo Kohm und Günter Louis wurde im Spätjahr 1969 die Jugendfeuerwehr Mühlburg gegründet. Die Ju- gendarbeit ist sehr vielfältig. Neben der feuerwehr- technischen Ausbildung werden durch Sport, Spiel, Jugendfreizeiten, Zeltlager, Schwimmwettbewerbe, Pokalwettkämpfe, Jugendfeuerwehrspielen etc. die Kameradschaft und das Zusammengehörigkeitsge- fühl gefördert. Anteil am Gelingen der nicht immer leichten Aufgaben, die viel Freizeit und Idealismus erfordern, hatten Rainer Musahl, Peter Schmerbeck, Jürgen Braun, Torsten Herrmann und Gerhard Lamm. So konnte man - auch mit etwas Stolz - im Oktober 1994 das 25-jährige Jubiläum feiern. Stell- vertretend für den Bürgermeister hielt Stadtrat Heinz Vogel die Festrede. Anschließend sprach der Stadtjugendfeuerwehrwart Michael Wiedemann in Anwesenheit fast aller ehema ligen Jugendfeuer- wehrmitglieder. Aus gesundheitlichen Gründen hatte Abtei- lungs-Kommandant Udo Kohm die Führung der Wehr an seinen Stellvertreter Jürgen Reitze über- geben. So war bei der nächsten Jahreshauptver- sammlung eine Neuwahl des Kommandos erforder- lich. Die neue Führung 1994 setzte sich fo lgendma- ßen zusammen: Abteilungs-Kommandant Jürgen Reitze, Stellvertretender Abteilungs-Kommandant Frank Kohm, Schriftführer Luigi Verdone, Rechner Dietrich Bergmann. Frank Kohm legte nach kurzer Zeit sein Amt nie- der. So war wiederum die Wahl des Stellvertreters notwendig. Bei der Generalversammlung wurde Rene Kaufmann 1995 zum Stellvertretenden Abtei- lungs-Kommandanten gewählt. Von einer schweren Krankheit heimgesucht ver- starb im März 1995 unser ehema liger Kommandant Gerhard Moser. Wir begleiteten ihn mit einem Eh- renzug auf seinem letzten Weg. Durch den wachsenden technischen Fortschritt wurden die Aufgaben der Feuerwehr immer kom- plexer. War man früher auf die Rettung von Mensch und Tier aus Feuer und Wassernot einge- ste llt, so kamen immer mehr technische Hilfelei- stungen hinzu, wie z. B. bei Unfällen, Gasunfällen, Wasserrohrbrüchen (man denke nur an den großen Wasserrohrbruch in der Lameystraße), Ölunfällen und diversen anderen kleinen oder größeren Kata- strophen. So mußte die Ausbildung in theoretischer und praktischer Hinsicht intensiviert werden. Ehrungen in den letzten 25 Jahren Für 40-jährige pflichttreue, aktive Dienstleistung wurden mit dem "Feuerwehrehrenzeichen in Gold" des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet: Heinz Reize t, Karl Daubmann t, Heinz Weineich, Gerhard Wenner, Alfred Eder, Horst Weber, Günter Louis und Rolf Schätzle. Für besondere Verdienste in der Feuerwehrsache wurde Günter Louis im Jahre 1989 das "Silberne Feuerwehr-Ehrenkreuz" des Bundes verliehen. Die goldene Ehrennadel der Mühlburger Wehr erh ielten: Gerhard Moser, Udo Kohm, Günter Louis, Horst Weber. Ein einmaliges Jubiläum in der Geschichte unserer Festausschuß, von links: Abt. Kommandant Reitze, Beier. Weber. Schwaninger. Bluck, Kaufmann, Bergmann, Weber H., Lauis. Wehr so llte hier an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Unser "Alters- und Ehrenkamerad" Her- mann Klausmann konnte am 1. Mai 1997 auf die 65-jährige Mitgliedschaft bei der Mühlburger Wehr zurückblicken. Weit über 40 Jahre hat er sich für die Mühlburger Wehr aktiv engagiert und ist uns noch heute in seinem hohen Alter in kamerad- schaftlicher Weise sehr verbunden . In der Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Mühlburg muß aber auch der Kameraden gedacht werden, die als Schriftführer, Korpsrechner, Ob- männer, Zug- und Gruppenführer oder als Beisitzer im Verwaltungsrat mitgewirkt haben, und nicht nur in guten Tagen, sondern auch in den Zeiten der Not und Bedrängnis der Wehr die Treue hielten. Wir ge- denken in größter Dankbarkeit all jener Kameraden, die durch ihre uneigennützige Hingabe im Dienste der Feuerwehr die Idea le der Wehr zur Wirklichkeit werden ließen. Sie waren es, die ermöglichten, daß der Wahlspruch "Einer für Alle - Alle für Einen ; Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr" Sinn hatte und hochgehalten werden konnte. Dank gebührt auch all denen, die es als passive und fördernde Mitglieder durch ihre Unterstützung möglich machten, daß auch das gesellschaftliche und kameradschaftl iche Zusam mengehörig keitsge- fühl gepflegt und gefördert werden konnte. Nicht zuletzt sei auch der Stadtverwaltung und dem Stadtrat herzlich gedankt für alle Mühe, Hilfe und Förderung der Freiwilligen Feuerwehr. Eine weit- und umsichtige Stadtverwaltung wie die Karlsruhes wird auf die gemeinnützige Einrichtung der Freiwilligen Feuerwehr niemals verzichten. Möge die Bevölkerung, aber auch - und insbeson- dere - unsere Jugend, sich zu den Id ea len der Grün- der der Freiwilligen Feuerwehr Mühlburgs beken- nen und sich dieser Organisation der Nächstenhilfe zuwenden . Es wäre dies das schönste Jubiläumsge- schenk, das wir uns wünschten . Wir alle hoffen, daß es unserer Feuerwehr gelingen möge, auf dem bis- her begangenen Wege weiter zu schreiten, mit glücklichem Erfolg und mit neuem Wetteifer. Die Jubelfeier wolle aber auch dahin wirken, daß die Wehren, die sich in diesen Tagen in Mühlburgs gastlichen Mauern zusammenfinden, und all e an- deren in Einigkeit und Freundschaft eina nder näher treten und zusammenha lten. In diesem Geiste einer echten Kameradschaft wollen wir die uns gestellten Aufgaben erfüllen, aber auch gleichzeitig um das Vertrauen der Stadt Karlsruhe bitten, sowie um die Bereitwilligkeit aller Bevölkerungskreise, ihr Interesse an der Freiwilligen Feuerwehr durch Beitritt als aktive oder fördernde Mitglieder zu bestätigen. Die Kommandanten der Wehr seit ihrer Gründung 1. Pfeifer, Si mon vom 10.03.1848 bis 21.03 .1852 2. Sutter, Karl vom 21.03.1852 bis 11.01.1857 3. Ludwig, A. vom 11.01.1857 bis 09.01.1859 4. Kiefer, Christian vom 09.01.1859 bis 03.01.1869 5. Lattner, Franz vom 03.01 .1869 bis 26.03.1881 6. Pfeifer, Friedrich vom 01 .05.1881 bis 12.12.1912 7. Weiß, Wilhelm vom 05.01.1913 bis 15.05.1914 8. Doldt, Ferdinand vom 10.01 .1915 bis 16.03.1919 9. Pfeifer, Friedrich vom 16.03.1919 bis 03.03.1924 10. Doldt, Adolf vom 12.07.1924 bis 27.12.1931 11 . Pfeifer, Ka rl vom 31.01.1932 bis 01.02.1934 12. Wenner Alfred sr. vom 01.02.1934 bis 14.11 .1944 13. Wenner Alfred jr. vom 15.11.1944 bis 07.05.1945 (mit Führung beauftragt) 14. Merz, Georg vom 17.10.1945 bis 27.08.1948 15. Wenner, Alfred vom 27.08.1948 bis 02.03 .1968 16. Friedmann, Marcel vom 02.03 .1968 bis 23.01.1978 17. Moser, Gerhard vom 23 .01 .1978 bis 25.01.1988 18. Kohm, Udo vom 25.01.1988 bis 25.04.1994 19. Reitze, Jürgen se it 25.04.1994 Einteilung der Wehr 1997 Kommando: Jürgen Reitze, Abteilungs-Kommandant, Rene Kaufmann, Stellvertretender Abteilungs-Komman- dant, Luigi Verdone, Schriftführer, Dietrich Berg- mann, Rechner/Kassierer Festausschuß: Jürgen Reitze, Abteilungs-Kommandant, Rene Kaufmann, Stellvertretender Abteilungs-Komman- dant, Gerhard Weber, Feuerwehrmann, Gerhard Lamm, Jugendwart, Luigi Verdone, Schriftführer, Hagen Bluck, Stellvertretender Schriftführer, Heiko Beier, Gerätewart, Uwe Schwaninger, Oberfeuer- wehrmann, Günter Louis, Zugführer, Horst Weber, Vertreter der Alterskameraden, Dietrich Bergmann, Kassierer Ehrenkommandanten: Friedrich Wenner t; Alfred Wenner sen. t; Georg Merz t; Alfred Wenner jun. t Aktive Mitglieder: Beier, Heiko; Berg, Oliver; Bergmann, Dietrich; Bitterwolf, Horst; Bluck, Hagen; Böttger, Udo; Dannenmaier, Nicole; Dietrich, Albert; Doninger, Jürgen; Eder, Alfred; Enzinger, Pascale; Friton, Rainer; Herbig, Alexander; Hollingshaus, Robert; Johe, Thomas; Kaufmann, Rene; Kiefer, Udo; Kohm, Udo; Kümmerle, Markus; Lamm, Gerhard; Lamm, Thomas; Louis, Günter; Potschka, Manfred; Reitze, Jürgen; Reuss, Tobias; Ruder, Franz; Sattler, Joachim; Schätzle, Rainer; Schwaninger, Uwe; Stöhr, Uwe; Verdone, Luigi; Vitrano, Micheie; Weber, Gerhard; Weber, Horst; Weber, Marc; Wein- eich, Markus; Weinlein, Frank; Wenner, Gerhard; Winter, Ralf; Zizza, Cosimo; Zorn, Michael; Altersabteilung: Böttcher, Eberhard; Klausmann, Hermann; Roth, Roland; Schätzle, Rolf; Weineich, Heinz Die Jugendfeuerwehr im Jubiläumsjahr 1998: Contini, Dennis; Da Silva, Raphael; Eschbach, Pa- trick ; Essig, Mathias; Kaufmann, Andreas; Kauf- mann, Sven; Lazoo, Kai ; Nagel, Torben; Schlind- wein, Annette; Westphal, Julius; Williamson, Jür- gen; Winter, Sven Anmerkung: 1. Der Artikel basiert auf der "Geschichte der Freiwilligen Feu- erwehr Karlsruhe-Mühlburg" von Eugen Singer in der Fest- schrift 110 Jahre Freiwillige Feuerwehr Karlsruhe Abteilung Mühlburg, Karlsruhe 1958, der überarbeitet und bis in die Ge- genwart aktualisiert wurde. Obere Reihe von links: Lamm. N., Dietrich, Hollingshous, Beier, Lamm rh., Reuss, Eschboch, Weber M., Friton, Kahm, Bitterwolf. Mittlere Reihe von links: Lamm G., Vitrono, Zorn, Verdone, Schwaninger, Herrmann, Kaufmann A., Bluck, Weber G., Wenner, Kümmerle, Schätzle. Untere Reihe von links: Zizza, Klausmann, Weineich, Sattler, Kaufmann R., Reitze, Louis, Bergmann, Weber H., Eder, Bättcher. Zeitungsbericht über die Wiedergründung des Bürgervereins om 23. November 1925. KURT ERNST Einhundert Jahre zu begreifen, zu erfassen, in welcher Zeitspanne geschichtliche Ereignisse an uns Menschen vorübergehen, zwingt uns schon einmal nachzudenken, wenn man ein solches Jubiläum begeht. In unserer schnel len Hightechzeit die vergangenen hundert Jahre mit viel Akribie aufzuschreiben und sie dann auch noch zu lesen, wäre ein sinnloses, mühseliges Verlangen. In zehn Dekaden jedoch einige Impressionen zu setzen, bringt uns einen bescheidenen Überblick über zehn Eckpfeiler des Geschehens: 1898: Grossherzog Friedrich I. vollendet am 9. September sein siebzigstes Lebensjahr. Deutschland beginnt mit dem planmäßigen Ausbau seiner Flot- te, die im Sinne einer deutschen Weltmachtpolitik eingesetzt werden soll. 1908: Alfred Graf von Schlieffen erarbeitet den nach ihm benannten Schlieffenplan, die Grundlage zum deutschen Überfall auf Belgien und die Nie- derlande im Jahr 1914. 1918: Der Erste Weltkrieg endet mit der deut- schen Niederlage. Nach der Novemberrevolution wird das Deutsche Reich Republik. 1928 : Die Faschisten in Italien ergreifen die Macht unter ihrem Führer Mussolini. In Deutsch- land geht aus der Reichstagswahl eine große Koa- 100 Jahre Bürgerverein Mühlburg 1898 e. V. litionsregierung hervor, deren Scheitern 1930 den Niedergang der Weimarer Demokratie einleitet. 1938: Auf dem Wiener Heldenplatz verkündet Adolf Hitler am 14. März 1938 unter begeistertem Jubel der Bevö lkerung den "Eintritt seiner Heimat in das Deutsche Reich". 1948: Mit dem 20. Juni 1948 endete die erste Nachkriegszeit in Westdeutschland mit der Währungsreform! 1958: In der DDR wird die Rationierung von Fleisch, Zucker und Fett aufgehoben. Nach den So- wjets haben jetzt auch die Amerikaner einen Sateli- ten im All, den "Explorer". Die Arbeitsämter in Westdeutschland melden den niedrigsten Arbeits- losenstand, nämlich 300.000 Arbeitslose. 1968: In den USA wird der Bürgerrechtler Mar- tin Luther King durch Schüsse tödlich verletzt. In Deutschland bedeutet die Studentenrevolte den Beginn eines innenpolitischen Wandels, der 1969 zur sozialliberalen Koalition führt. 1978: Im Volkswagenwerk Emden wird der letz- te "Käfer" in der Bundesrepublik produziert. Insge- samt waren es 20,6 Millionen. Hans Filbinger, Mini- sterpräsident von Baden-Würtemberg tritt von sei- nem Amt zurück. Reinhold Messner bezwingt den höchsten Berg der Welt, den 8848m hohen Mount Everest, ohne Sauerstoffgerät. Prominenten-Draisinenrennen "Kerwe" mit dem späteren OB Seiler. Ökumenischer Gottesdienst auf der "Kerwe': 1988: Im Rhein-Main Gebiet und entlang der Donau kommt es zum folgenschwersten Hochwas- ser seit vielen Jahren. Dämme brechen, ganze Dör- fer müssen evakuiert werden. Im oberbayrischen Dorfen erschießt ein Waffennarr drei Polizeibe- amte. Auch der Mordschütze kommt ums Leben. 1998: Der ICE "Wilhelm Conrad Röntgen" ent- gleist nach dem Bruch eines Radreifens und zer- schellt an einer Brücke in der Nähe von Eschede. Bei dem schwersten Zugunglück in der Geschichte der Bundesrepublik sterben einhundert Zuginsas- sen. Eschede steht nicht nur für Schrecken und Tod, sondern auch für gelebte Menschlichkeit und spon- tane Solidarität. Nach dem Unglück sind viele Men- schen aus dem Ort über sich hinausgewachsen. Eindrücke aus 100 Jahren, gelebt, erlebt, pas- siert, geschehen, die den folgenden Beitrag über einhundert Jahre Bürgerverein relativieren und ein- ordnen so llen. Ein seltenes Jubiläum für einen Bürgerverein, ein sto lzes Jubiläum, wenn man bedenkt, daß vor 100 Jahren Männer die Idee und den Mut hatten, für ihre Mitbürger bei ihren Obrigen etwas zu errei- chen, Mittler zu sein und Dinge zu bewegen, die festgefahren sind, Unmögliches zu diskutieren um machbare Lösungen anzustreben, Finanzlösungen zu erarbeiten und auf den Weg zu bringen. Dazu mußte man die Mitbürger motivieren, als Mitglie- der dieses Vereins zu zeichnen, um ihn auf eine ge- sunde finanzielle Basis zu stellen. Das in einer Zeit, die, vergleicht man sie mit der Gegenwart, gewiß nicht als einfach bezeichnet werden kann. Sie hat- ten den Mut und heute, 1998, feiert dieser Verein mit einer Mitgliederstärke von 812 seinen hundert- sten Geburtstag! Was war vor 100 Jahren? Mühlburg war gerade mal zwölf Jahre mit Karlsru - he vereinigt. Zwei Jahre zuvor hatte der populäre und bei den Karlsruhern sehr beliebte Großherzog Friedrich I. am 9. September 1896 se in siebzigstes Lebensjahr vollendet. Ein kurzes Stimmungsbild der damaligen Zeit: Im Mittelpunkt der Geburtstagsfei- erlichkeiten stand ein Festzug, der über vierzig Prachtwagen zählte und an dem viertausend Men- schen beteiligt waren. Der Zug bestand aus den zwölf Abteilungen Schule, Erziehung, Wissenschaft, Kunst, Gewerbe, Handel und Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Feuerwehr, Turner und Schützen, das deutsche Lied, Huldigung für den Fürsten und das Haus der Zähringer und als Schluß das Volk in Waffen. Zwei Jahre später, 1898, wurde die Dragonerka- serne an der Kaiserallee fertiggestellt. Prof. Engelbert Arnold gründete das elektro- technische Institut an der TH Karlsruhe, und am Montag, den 21. November 1898, ein denkwürdiges Datum für Mühlburg, traf sich im Gasthaus zum Storchen in der Rheinstraße eine kleine Anzahl von Grundstücksbesitzern und beschloß einem zu grün- denden Bürgerverein für den Stadtteil Mühlburg als ordentliche Mitglieder beizutreten und die durch die Vorarbeiten anfallenden Kosten zu glei- chen Teilen zu tragen. Mit der Prüfung aller ein- schlägigen Fragen wurden Färbermeister Julius Zink und ihm zur Seite die Bürger Fritz Kohler, Wilhelm Hauk, August Wörner, Ernst Oberle und August Stückle beauftragt. Zu der von diesen Herren dann am 28. November einberufenen öffentlichen Ver- sammlung kamen etwa 100 Interessenten, von de- nen 80 sofort die Mitgliedschaft des neuen Vereins des Hafens. Eine Selbstverständlichkeit war es auch, daß der Vorstand zu Feiern der Geburtstage und Regierungsjubilä- en des allseits geliebten Landesfürsten eingeladen wurde. Allerdings machte sich nach der Erle- digung der Schadensersatzansprüche erwarben. An sich hatte seit den poli- tisch bewegten Jahren des Vormärz in Mühlburg das Vereinsleben immer recht erfreulich geblüht: Dem Casino-Lieder- kranz und dem Sängerkranz der Ma- schinenbauer von 1837, den Freiwilli- gen Feuerwehrmännern von 1848 wa- ren 1861 die Turner, 1862 der Frohsinn Ferdinand Daldt unverkennbar eine ziemliche Interesse- losigkeit bemerkbar. Nicht einmal die in jeder zwei-Mühlburg gefolgt, die selbst unter widrigen Zeit- verhältnissen ihr liberales Bewußtsein und Ihre frei- heitlichen Ideen behauptet hatten. Nun, im nicht weniger aufgeregten Jahre 1898, nach den alle politischen Leidenschaften aufwüh- lenden Reichstagswahlen, ging es in unserem Mühlburg um interne, lokale Angelegenheiten, um die Neufeststellung der Baufluchten, die Verbreite- rung der Fahrstraßen und Gehwege, vor allen Din- gen aber um die Wahrung zahlreicher Einsprüche angesichts der durch die Kanalisation in der Rhein- straße eingetretenen Nachteile und Schäden. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß die von Ein- zelpersonen vorgetragenen Beschwerden bedauer- licherweise nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt hatten. Der Vorstand des Bürgervereins nahm sich sogleich jedes einzelnen Falles an und scheute sich nicht, den damaligen Ober- bürgermeister Karl Schnetzler selbst zu Ortsbesich- tigungen zu bitten. Im übrigen zeigte ten oder dritten Vorstandssitzung vorgebrachte, an "Clochemerle" gemahnende Forderung, nun endlich in Mühlburg eine Bedürfnisanstalt zu bauen, konn- te die Gemüter ernsthaft bewegen. Danach trat eine relative Stille um den Bürgerverein ein; bis ins Jahr 1925 sind keinerlei Informationen vorhanden. Als der Schriftführer des im Jahre 1925 neu be- lebten Bürgervereins das Protokoll buch übernahm, mußte er feststellen, daß in diesem ein Teil fehlte. Wahrscheinlich muß aus einer Zeit jahrelanger Sta- gnation nicht viel Positives zu berichten gewesen sein . Es handelte sich um ganze sechzehn Seiten. Der Schriftführer war es auch, der sich im Proto- kollbuch diese fehlenden Seiten bescheinigen ließ. Mit der am 23. Dezember 1925 in der "Westend- halle" vollzogenen Wiedergründung kam frischer Wind in die Segel des Vereinsschiffchens. Maurer- meister Ferdinand Doldt, der neu gewählte Erste Vorsitzende, durfte in den folgenden man durchaus Verständnis für die Pläne und den großartigen Unternehmungs- geist der Stadtverwaltung. Als man je- doch bei der Rheinhafeneinweihung keine Möglichkeit sah, dem Großherzog bei dieser Gelegenheit zu huldigen, er- zwang der Bürgerverein eine Änderung des Anfahrtsweges zum Mittelbecken Albert Schneider Jahren ein stetiges Wachsen der Mitgliederzahlen registrieren. Viele der nach Honsells Rheinregulierung entlang der Hafenkais neu angesiedelten Industriefirmen traten dem Bürgerver- ein als Mitglieder bei und halfen bei der Durchsetzung so mancher Verbesse- rungsvorschläge wacker mit. Der 1927 In der Westendhalle, Rheinstraße 30, wurde am 23. Navember 7925 der Bürgerverein neugegründet. neu gewählte Vorsitzende Albert Schneider setzte die ausgezeichneten Beziehungen zu r Stadtverwal- tung fort, deren Generalbebauungsplan dem Stadt- teil Mühlburg direkte Verbindungen zum Haupt- bahnhof und zur Reichsstraße Hamburg - Basel in Aussicht stellte. Auf dem Seidenecksehen Feld wur- de mit der Bebauung begonnen; die Verbreiterung des Stichkanals sowie der Bau eines Öl beckens wa- ren in die Planung mit einbezogen. Dann kamen leider die Jahre, in denen man an der Ecke von Rhein- und Hardtstraße die Arbeitslo- sen in großen Rotten herumstehen sah. Die Welt- wirtschaftskrise mit all den Folgeerscheinungen für Politik und Staatsführung lähmten die Vereins- arbeit mehr und mehr. Der Bürgerverein konnte am 17. April 1933 noch zur Enthüllung der von ihm gestifteten Carl-Benz- Ehrentafel einladen. Im Jahre darauf, also 1934, mußte sich der Verein aus eigenem Entschluß "bis auf weiteres stillegen", was angesichts der damali- gen Zwangslage im "Dritten Reich" wohl die klüg- ste Lösung war. Bis hierher mag die romantische Stimmung einer Beschreibung von Eugen Singer über Mühlburg Tour de Fronce durch die Rheinstroße. Fliederfest ouf dem Fliederplotz. noch in etwa stimmen: Wer offenen Auges und freudigen Herzens die Alt- stadt von Mühlburg durchschreitet, be- sonders in einer schönen Nacht, wenn das Mondlicht auf den Straßen und Gassen liegt, findet so manches heime- lige und trauliche Bild, daß ihn an- spricht und von früheren Zeiten erzählt. 't '" ", '" " "" "&. ....• ~ .. ' .. ,TI . " . .' '1,. "'" _. :r~ sitzender Aug ust Erhard; Schriftführer Karl Gröber; Kassier Kurt Weisser; Bei- sitzer Albert Schneider, Otto Karcher, Eugen Häberle, Anton Klumpp, Arthur Henninger. Der damalige Oberbürgermeister Gün- ther Klotz übersandte zur Neugründung Carl Brehmer Glückwünsche mit den Worten "Auf zur Tat!". Der Wiederaufbau der Werfthallen, die Pla-Alte schöne Häuser mit abgeschrägtem Sattel- dach, spitzen Giebeln und runden Torbogen, Fach- werkbauten und altersgraue Häuschen, unter deren weißer Tünche die rissigen und verbogenen Balken- züge hervortreten, stehen still und verträumt am Wege. Heute regt in Mühlburg nicht mehr viel zum Träumen an. Die Romantik der Vorkriegszeit ist endgültig verschwunden. Von dem wenigen, was die schweren Bombenangriffe des Zweiten Welt- krieges an alten Bauten übriggelassen haben, ist manches noch der modernen Stadtplanung gewi- chen. Mühlburg ist heute ein durch und durch großstädtischer Bezirk im Westen von Karlsruhe. Albert Schneider war es vorbehalten, im Jahre 1953 den Bürgerverein wieder zu erneuter Aktivität aufzurufen und Carl Brehmer als seinen Nachfolger ins Amt des Ersten Vorsitzenden vorzuschlagen. Etwa 90 alte und neue Mitglieder waren Zeugen der am 9. März 1954 vor sich gegange- nen abermaligen Neugründung des Bürgervereins Mühlburg, die gerade im richtigen Zeitpunkt angesichts der für den Stadtteil Mühlburg bevorstehenden bedeutsamen Entfaltung erfolgte. Fol- gende Herrn wurden in den Vorstand gewählt: nungen für das Mühlburger Feld und für den im- mer stärker frequentierten Verkehrsknotenpunkt Entenfang, insbesondere aber die Rheinstraßensa- nierung, brachten Mühlburg ein ganz außerordent- liches Bevölkerungswachstum. Bei den unter der Leitung von OB Klotz häufig stattfindenden Bür- geraussprachen war unser Stadtteil mehr denn je Mittelpunkt der Erörterungen. Es gelang nun auch, die Grundlagen für eine po- sitive Zusammenarbeit der in ihrer Zahl ständig wachsenden Vereine herzustellen. Der damalige Er- ste Vorsitzende der Turnerschaft Mühlburg, Josef Allgayer, sowie der Vorstand der Mühlburger Sän- gervereinigung, Friedrich Kohler, heute Ehrenmit- glied des Bürgervereins, traten an die Spitze der nunmehr zu einer Arbeitsgemeinschaft zusam- mengeschlossenen Mühlburger Vereine, wobei Stadtrat Gustav Betz die Verbindung zu den städti- schen Ämtern aufrechterhielt. Er war es 1. Vorsitzender Carl Brehmer; 2. Vor- Dtto Kareher auch, der sich um die nun beginnende erste Planung einer Mehrzweckhalle beim Hochbauamt kümmerte. Die trau- rige Tatsache, daß gerade in Mühlburg die großen Gesellschaftsräume und Kul- turzentren während des Zweiten Welt- krieges durch verheerende Bombenein- wirkung weitgehend zerstört waren, galt es immer wieder der Stadtverwal- tung vor Augen zu führen, bis man sich dann beim Hochbauamt unter Leitung von Baudirektor Stefan entschloß, mit der Planung einer modernen Kultur- und Sporthalle zu beginnen. Andenken der in den Kampf gegen Frankreich in den Jahren 1870 - 11 ge- zogenen Mühfburger". Auf der unteren Sockelseite befanden sich etwa 75 Na- men, die man bei der Umfunktionierung zum Gefallenendenkmal des Ersten Der Volkstrauertag, der heute immer noch auf dem Mühlburger Friedhof be- Hermann Pfeifer Weltkrieges entfernte! Dafür fügte man auf Betreiben des Mühlburger Militär- vereins eine Inschrift im Jahr 1931 hinzu, die von gangen wird, hatte im Jahre 1961 eine besondere Bewandtnis. Die Gräber der Kriegsopfer waren inzwischen umgebettet worden und fanden einen besonders geeigneten, würdigen Platz am Fried- hofseingang. Für diese letzte Ruhestätte schuf der in unserem Stadtteil lebende bekannte Bildhauer Professor earl Egler ein wohlgelungenes Mahnmal "Die Flehende", das im Beisein vieler Vereine, die Kränze zum Gedenken niederlegten, enthüllt wurde. Am 2. Oktober 1962 wurde auch die neue Voge- sen brücke durch den damaligen Bundesverkehrsmi- nister Seebohm unter reger Beteiligung der Mühl- burger Bevölkerung dem allgemeinen Verkehr übergeben. Durch diese neue Ausfallstraße nach Süden wurde wieder ein großer Fortschritt für den Verkehr erzielt. Genau auf dem Platz der alten Mühle am Lameyplatz entstand wie zum Symbol des aufstrebenden Stadtteils das 19stöckige Wohn- haus der Volkswohnung, das bis heute einem ins Unmenschliche gesteigerten Nationalis- mus zeugt, wie ihn in dieser Krassheit kein anderes Kriegerdenkmal in Karlsruhe vertritt : "Das Totenmal spricht: Dienst an Deutschland ist Pflicht. Arbeit fürs Volk ist Gewinn. Braucht dein Volk dein Leben, so gib es hin." Als 1965 der Platz umgestaltet wurde, versetzte man das Kriegerdenkmal wenige Meter und fand dabei im Innern des Sockels eine Blechkassette, die neben mehreren Exemplaren der lokalen Tagespres- se vom August 1870 auch die Stiftungsurkunde des Komitees enthielt. Dekan Heinz Schuchmann, der mit Vorständen des Bürgervereins die Kassette öff- nete, gab in geordnetem Zustand die Urkunden und Zeitungsausschnitte in die Kassette zurück und ergänzte die Inhalte mit Schicksalszahlen des Zwei- ten Weltkrieges, von 5802 gefallenen Soldaten aus unserer Stadt, 1754 Zivilpersonen, welche bei Luftangriffen getötet wurden und das höchste Wohnhaus der Stadt ge- blieben ist. Vor der Gründung des ersten Bürger- vereins 1898, nämlich 1886, war in Mühlburg auf dem Lindenplatz ein Kriegerdenkmal für die gefallenen Mühlburger von 70/71 errichtet wor- den. Die erste Inschrift lautete: "Dem .~, .,:;;,' ,~.~ " , ~ .... . :-j 3554 Vermißte. Die Urkunde wurde mit den Unterschriften sämtlicher Vor- standsmitglieder und Pfarrer Schuch- manns Unterschrift wieder ins Denkmal versenkt. Else Dissinger Dem in der Generalversammlung am 8. Februar 1965 gewählten neuen Vor- sitzenden Otto Karcher, welcher unseren altverdienten Carl Brehmer ablöste, stellten sich zunehmend neue Aufga- ben. Am wichtigsten erschien dem un- ternehmungsfreudigen Weinkaufmann die seit Jahren erwogene und geplante, aber seitens der Stadtverwaltung immer wieder zurückgestel lte Sport- und Kul- es hingewiesen und bei jeder sich bie- tenden Gelegenheit die Initiative ergrif- fen. Schließlich erkannte auch das Schuldezernat, an der Spitze Schuldi- rektor Egon Funk, die Dringlichkeit die- ses Bauwerkes für den Turn- und Sport- betrieb der vielen Klassen der Hardt- turha ll e für den während des Zweiten Ludwig IIg und der Sonderschule. Auch die Klagen Weltkrieges zerbombten Stadtteil, der nunmehr der Elternbeiräte über den mangelhaften Schul- langsam in Großstadtverhältnisse hineinwuchs. sport wurden immer lauter. Folgende Mitglieder wurden in den Vorstand ge- Endlich im Frühjahr 1968 hieß es dann "Grünes wäh lt: 1. Vorsitzender Otto Karcher; 2. Vorsitzender Karl Becker; Schriftführer Ferdinand Ensberger; Kassier Hermann Pfeifer; Beisitzer Friedrich Kohler, Albert Doldt, Otto Fetzer, Irene Arker, Heinrich Engel, Ferdinand Ruf. Mit Unterstützung der Herren Friedrich Kohler, Josef Allgayer und ganz besonders des damaligen Stadtrats Ludwig Iig wurde in zah ll osen Bespre- chungen immer wieder auf die Dringlichkeit des Mühlburger Vorhabens hingewiesen. Ludwig Iig sorgte auch dafür, daß die Gelder im städtischen Etat hierfür vorgesehen wurden. Die Turner hatten zwischenzeitlich dank des großen Arbeitseinsatzes ihrer Mitglieder ihr neues Heim geschaffen, wäh- rend die Mehrzahl der übrigen Vereine auf die Lo- kale angewiesen war. Die neuen Pfarrzentren, z. B. der schöne Jung-Stilling-Saal, waren mehr oder weniger für eigene kirch li che Bedürfnisse vorgese- hen. Gleichwohl hatten die Pfarreien immer ein of- fenes Ohr für Veranstaltungswünsche mancher Mühlburger Vereine. Fünfzehn Jahre lang - wenn man so will - hat der Bürgerverein und die Arbeitsgemeinschaft der Mühlburger Vereine die Stadtverwa ltung bzw. das Hochbauamt auf die Notwendigkeit des Hallenbau- Licht für die Kulturhalle", zu welchem Zeitpunkt alsdann auch die Planung fortgesetzt wurde. Be- sichtigungen von Mehrzweckhallen, sowoh l in der benachbarten Umgebung als auch in Tauberbi- schofsheim und Essen, wurden durch die Ver- antwortlichen mit dem Ergebnis durchgeführt, daß die Baugesellschaft "Mero" beauftragt wurde, eine 42 x 27 Meter große teilbare Halle zu erste ll en . Stadtrat Rüssel war es dann auch, der die notwen- dige Teilunterkellerung im Bauausschuß durchset- zen konnte. Wir wissen, daß während der Bauzeit viele Ab- und Umänderungen nötig waren, die Baudirektor Stefan und seinem Mitarbeiterstab manches Kopfzerbrechen machten. Trotzdem ist es bedauerlich, daß man den Vorschlägen von Stadt- rat Ii g nicht folgen konnte, wonach die Tribüne et- was größer gestaltet werden so ll te, um wenigstens Tische und Stühle auf Saa lebene zu haben und so Zeit und Kosten zu sparen. Am 3. November konnte der erste Spatenstich stattfinden für die Halle, die nach einem Vorstandsbeschluß den Namen Carl- Benz-Halle bekommen sol lte, nach dem großen Sohn Mühlburgs, der mit seiner Erfindung, dem Automobil, die Welt verändert hat. So wurde der 10.7.1971 zu einem Freudentag für ganz Mühlburg. Fliederfest auf dem Fliederplatz. Die leitenden Persönlichkeiten der Stadt und der Schulen, sowie die Mehrzahl der Stadträte waren in der neuen Carl-Benz-Halle versammelt, als OB Dul- lenkopf die Festrede hielt. Auch er brachte seine Freude über das wohlgelungene Bauwerk, ein 2,5- Millionen-Projekt, zum Ausdruck. So gipfelte seine Festrede in der Feststellung: "Die neue Halle steht in Mührburg. Nach einem Mühlburger wurde sie benannt. Von einem Mühlburger wird sie einge- weiht." In seiner Dankesrede erwähnte dann der Vorsitzende des Bürgervereins alle diejenigen, weI- che durch ihren persönlichen Einsatz am Gelingen des großen Bauwerkes beteiligt waren. Besondere Dankesworte fand er für die Stadtverwaltung, daß nunmehr ein langgehegter Wunschtraum doch noch in Erfüllung ging. Die von Prof. Carl Egler - seit langem Mitglied unseres Vereins - geschaffene Büste im Foyer der Halle zeugt von dem Traditi- onsbewußtsein einer früheren, keineswegs homo- gen, mit der Zeit jedoch zusammengewachsenen Bevölkerung. Die letzte Hauptversammlung vor dem Jubilä- umsjahr wurde am 26. April 1972 im Gasthaus "Zum Lamm" abgehalten und dabei dem Ge- samtvorstand wie folgt, das Vertrauen ausgespro- chen : 1. Vorsitzender Otto Karcher; 2. Vorsitzender Gerhard Häberle; Schriftführer Wolfgang Kistner; Kassier Hermann Pfeifer; Beisitzer Friedrich Kohler, Ludwig Ilg, Albert Doldt, Heinrich Engel, Otto Fet- zer, Ferdinand Ruf. Hermann Pfeifer wurde auf- grund seiner Verdienste für den Bürgerverein in dieser Versammlung zum Ehrenmitglied ernannt. Herr Schendzielorz führte in dankenswerter Weise das Amt des Kassiers weiter. Im Januar 1973 konnte der Erste Vorsitzende Otto Karcher eine vollbesetzte Carl-Benz-Halle zum 75jährigen Bestehen des Bürgervereins Mühlburg begrüßen. Ein reichhaltiges Programm Mühlburger Vereine mit anschließendem Tanz bis in die frühen Morgenstunden zu den Klängen der Kapelle "Ernst" gaben diesem Jubiläum das Gepränge. Am 18. April 1975 fand eine denkwürdige Jah- reshauptversammlung im Gasthaus zum Lamm statt. Im Geschäftsbericht konnte der Erste Vorsit- zende Otto Karcher den anwesenden Mitgliedern und Gästen mitteilen, daß für die Neugestaltung des Fliederplatzes von der Stadt Karlsruhe 200.000 DM bewilligt wurden. Die Anregung einer Weihnachtsbeleuchtung fand keine Gegenliebe bei der Mühlburger Ge- schäftswelt, und so mußte "Mühlburg auch zur kommenden Weihnachtszeit im Dunkeln bleiben." Der Erste Vorsitzende Otto Karcher hatte eine Wiederwahl aus Altersgründen abgelehnt, so daß eine Neuwahl des Ersten Vorsitzenden erfolgen mußte. Vorgeschlagen wurde der bisherige Zweite Vorsitzende Ludwig Ilg, der wie seine Stellvertreter Werner Jung und Heinz Vogel von den anwesenden Mitgliedern einstimmig per Akklamation gewählt wurde. Als Beisitzer wurden in geheimer Wahl Al - bert Doldt, Heinrich Engel, Otto Fetzer, Gerhard Moser, Ferdinand Ruf, Friedrich Kohler, Gerhard Hä- berle gewählt. Der neu gewählte Vorstand ernann- te den bisherigen Ersten Vorsitzenden, Herrn Otto Karcher, zum Ehrenvorsitzenden des Mühlburger Bürgervereins mit Sitz und Stimmrecht auf Lebens- zeit. Nach langem Bemühen der Vorstandschaft ist es schließlich in Zusammenarbeit mit der Stadtver- waltung und der Geschäftswelt gelungen, die erste Weihnachtsbeleuchtung in Mühlburg zu installie- ren. Wir schreiben Weihnachten 1976! Die Kosten, Der Vorstond des Bürgervereins 1973: Oben von links: Otto Fetzer, Ernst Schendzie/orz, Ferdinond Ruf. Ludwig IIg, Albert Doldt, Friedrich Kohler, Wolfgong Kistner sitzend: Heinrich Engel, Gerhord Häberle, Otto Korcher, Hermann Pfeifer. die zum größten Teil von der Mühlburger Ge- schäftswelt aufgebracht wurden, beliefen sich auf DM 46.000,-. Die beiden Vorsitzenden Ludwig Iig und Heinz Vogel lobten das gute Zusammenwirken der Stadt mit dem Bürgerverein. Am 31. März 1977 begann die Ära Heinz Vogel, die über 12 Jahre andauern sollte. In den Beginn seiner Vorstandschaft kam die Neuorganisation der Mühl- burger Kerwe "neuer Zeitrechnung". Die Zusam- menarbeit mit dem Marktamt der Stadt Karlsruhe, den Festwirten Horst Geppert und Horst Siebentritt, dem Schaustellerverband, den Kirchen st. Peter und Paul und Karl-Friedrich-Gedächtnis-Kirche, deren Pfarrer Lerchenmüller und P. G. Lassahn hat der Bürgerverein Mühlburg mit den Mühlburger Bür- gern gerne angenommen. Von Freitag bis Dienstag wurde den Besuchern ein reichhaltiges Programm geboten, das für wahrhaft jeden etwas zu bieten hatte. Daß dabei Besinnung in Form eines ökume- nischen Gottesdienstes im Zelt ihren Platz fand, war für das Atemholen inmitten der Mammut- veranstaltung ein neuer Aspekt, den die beiden Pfarrer mitgetragen haben, in dem sie den zahlrei- chen Gottesdienstbesuchern eine würdige Besin- nung schenkten. Wenn dann am Dienstagabend nach einem bis auf den letzten Platz besetzten Seniorennachmit- tag (500 bis 600 Besucher) die bunten Raketen in Mühlburgs Nachthimmel stiegen, hatten viele Bür- ger und Gäste Frohsinn, Gastlichkeit, Kommunika- tion im Rahmen der Mühlburger Kirchweih genos- sen und erlebt. Sie ist aus Mühlburg trotz gesell- schaftlicher Veränderung auch nach über 20 Jahren nicht mehr wegzudenken. Auch oder gerade im Ju- biläumsjahr hoffen wir wieder auf viele zufriedene Besucher. Lassen Sie den Chronisten bei den jährlichen Veranstaltungen bleiben. So wurde in jener Zeit 1977 aus der Veranstaltung "Ein Platz an der Son- ne" die Idee des Fliederfestes geboren. Ein mutiges Unterfangen, ist doch das Fest in der zweiten Mai- woche im Freien auf dem Fliederplatz angesiedelt. Diese Herausforderung an "Petrus" gingen die Mühlburger Vereine nicht aus dem Weg und veran- stalteten am 20./21. Mai auf dem im März neu fer- tiggestellten Fliederplatz ihr erstes Fest! Das Fliederfest so llte, so damals der Erste Vorsit- zende des Mühlburger Bürgervereins Heinz Vogel, als fester Bestandteil alljährlich abgehalten werden. Das Fliederfestgremium, allen voran Peter Klemm und Klaus Brenner sowie die Vereine, hat sich bis heute über zwanzig Jahre daran gehalten und vie- len Mühlburgern und Mühlburgerinnen sowie zahl- reichen Gästen die erste Frühlingsfestfreude bei meist gutem Frühlingswetter gebracht. Nur einma l in zwanzig Jahren mußte das Fliederfest am Sams- tag morgen wegen strömenden Regens kurzfristig abgesagt werden. Das heutige Fliederfestgremium wird von dem Präsidenten der Mühlburger Karne- valsgesellschaft Hans Wiedemann und Frau Cramer von der RsG geleitet. Chronisten pflicht. An Ideen war die Vorstandschaft des Mühlburger Bürgervereins noch nie arm, und 50 hatte das Vor- standsmitg li ed Jürgen Wiedemer eine brillante Idee, die er in Zusammenarbeit mit dem Vorstand und deren Partnern hatte, ja Partnern und Ehefrau- en, dies sei hier auch einmal ausgesprochen. Ohne sie wäre so ein Ehrenamt nie und nimmer auszufül- len, dafür se i ein herzliches Dankeschön gesagt. 1983 setzte der Vorstand also die Id ee von Jü rgen Wiedemer in die Tat um. Man suchte Hobbyisten, die zu r Freude der Besucher ihr Hobby im Entste- hen vorführten. Eine akt ive Ausstellung also, die Ideen und Tips zur Freizeitgestaltung direkt an die Interessierten weitergibt. Die Carl-Benz-Halle wurde gemietet, in einer gemeinsamen Aktion umgestaltet und mit genü- gend Werktischflächen versehen, - ein herzliches Dankeschön an die Karl-Friedrich-Gemeinde für die zur Verfügung gestellten zusätzlichen Tische. Zwi- schenwände wurden angeschafft und montiert. Mit über 60 Ausstellern war die Halle bestückt, als am zweiten Novemberwochenende Punkt 14 Uhr der Vorsitzende Heinz Vogel die Ausstellung eröffnete, nicht ohne dem Ideengeber Jürgen Wiedemer und seinem Team aus dem Vorstand große Bewunde- rung und Dank auszusprechen! Mit großem Fleiß und Akribie demonstrierten zwei Tage lang ein- drucksvoll die Bastler ihren verwunderten Besu- chern, welche Betätigungen sie an den vor Ihnen liegenden Winterabenden faszinieren könnten. Bis zum heutigen Tag hat diese Ausstellung Akteuren und Besuchern - bis zu 2.000 an zwei Tagen - Freu- de gebracht. Freude über die Hobbys, aber auch Mei liewes Mühlburg Du hasch en runde Geburtsdag dies Jahr; wersch 750 Jahr alt! E bissie dusch ja mogle. Du wörsch aigent- lieh scho e paar Jährle älter. Ja doch, des kannsch net abstreite. Mer hat uff deim Bode Funde aus de Rämerzeit gmacht. Also, 0 scho zu sellere Zeit isch kain Weg an der vorbeigange. Awwer was soll's, seit 750 Jahr haisch Mühlburg - oder wenigschtens so ähnlich - un somit welle mer's debei lasse. Hasch de im Prinzip gut ghalte; siehsch immer noch ganz passabel aus. Es sin ja ainige Stürme iw- wer de weggange in derre lange Zeit. Da bleibt e manche Narb zrick un d'Falte komme wie von se/- wer. Awwer mach der nix draus. Des geht jedem so, wenn er in die Jahre kommt - guck mich 0, es geht mer 0 net annerscht. Kannsch de iwwerhaupt noch dra erinnere -mei liewes Mühlburg- an damals, vor 60 Jahr, wo ich uff d'Welt komme bin? Da warsch du grad 690 Jahr alt, des mischt'sch aigentlich noch wisse. Es hat näm- lich mit mir e hunnertprazentiges Mühlburgerle des Licht der Welt erblickt. Denn scho mei Vadder un mei Mudder sin echte Mühlburger Kinner gewese; hawwe in deiner Hardtschul d'Schulbank gedrickt; sin - gerecht vertailt - in deine zwai Kirche zur Kommunion un zur Konfirmation gange. Net jeder Mühlburger kann des so von sich behaupte un ich bin da scho e bissie stolz druff. A ich bin in dei Hardtschul gonge, hab sogar in deine Mauere mei Lehrzeit gmacht. Un dann hab e der halt doch de Rücke zugekehrt. Fir iwwer dreißig Jahr hob e de verlasse. Da derfsch mer awwer net bees sei. Waisch, wenn aim d'Liebe packt, da lasst mer alles ligge un stehe un geht mit seim Liebschte iwwer alle Berg. Un ganz stimmt's ja 0 net, des mit dem Rücke zukehre. So oft wie's gange isch bin e uff Bsuch haimkomme. Un kannsch mer's sicher glawe - VON KARIN REITZ mei liewes Mühlburg - wenn e gsagt hab "dehaim", dann warsch immer du demit gmaint, nie der Ort wo e grad gwohnt hab. Ja un wo e dann haimkomme bin fir immer, da hawwe mir zwai uns erseht widder anenanner gwehne misse. Dein Entefang hat mer gar net gfal- le. Da isch mer's viel zu laut un zu truwelich zugan- ge. Frieher - waisch des noch? - da hawwe glei beim Entefang scheene, lauschige Wegle agfange. Heit gibt's die alle nemmeh. Wo gehn denn heit die junge Pärle na, wenn se e bissie al/ai sei wel/e? Awwer des kann mer ja grad egal sei, ich brauch se nemmeh, die Wegle. E paar scheene Fleckle hasch der scho erhalte. Dei Lindeplätzle un dei Fliederplätzle, des muss e sage, sin fascht noch scheener worre. Ach - un waisch, wo e gar zu gern nageh? Derfsch me awwer net aus- lache. Ich geh so gern uff dein Friedhof. Ich hab mol nachgezählt, wieviel Leitle von meiner Familie in deiner Erd ihr letschte Ruh gfunne hawwe. Uff zwanzig bin e komme un sicher hab e noch e paar vergesse. Wenn e da bin, uff deim Friedhof, da waiß mei Mann, dass e so schnell net haimkomm. Net bloß weil e so lang Zwiesprach halt mit de Verstor- ~~~n~m~~~~~~~~h~ mit de quicklebendige Bekannte, die mer uff deim Friedhof bständich immer un immer widder iwwer de Weg laafe. Mei liewes Mühlburg, ich kennt der noch viel meh verzähle, awwer fir heit muss e zum Schluss komme. Fir die nächschte 750 Jahr wünsch e dir un alle dei- ne Mensche, die sich unner deine Fittiche geborge fühle, von ganzem Herze viel, viel Glück un Gottes Sege. Un dass 0 an deim 1500ste Geburtsdag, im- mer noch jemand zu der sage kann : MEI LlEWES MÜHLBURG! Freude über die Kommunikation mit den Mitmen- schen. Genau hier sieht der Bürgerverein auch sei- ne Aufgabe, Menschen im Gespräch zusammenzu- bringen. Nachdem J. Wiedemer krankheitshalber aufhö- ren mußte, übernahm Vorstandmitglied und Kassier Klaus Schippereit diese Aufgabe, bis sie vor nun vier Jahren von unserer Kassiererin Frau Barquet übernommen wurde. 1989 kam es zu einem Führungswechsel beim Bürgerverein Mühlburg, die "Ära Heinz Vogel " war zu Ende. "Nach zwölf Jahren Vorsitz an Horst Weis- ser übergeben." So kündeten die Badischen Neue- sten Nachrichten den Wechsel an der Spitze des Bürgervereins Mühlburg an. Wir schreiben den April 1989 und Dr. Karl Heinz Hugenschmidt als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Bürgervereine (AKB) betonte in seiner Würdigung: "Die Ära Vogel hat Mühlburg sehr viele neue Impul- se gegeben." Heinz Vogel hat trotz seiner Tätigkeit als CDU-Stadtrat stets und immer in seiner Aufga- be als Bürgervereinsvorsitzender eine absolute Bürgerball 1985 mit !reen Sheer. Neutralität gelebt. Oberstes Gebot war für ihn , die Mühlburger Bürgerin nen und Bürger, ganz gleich welcher Cou- leur, zu hören und ihnen mit Rat und Tat zu helfen. Heinz Vogel hat Zeichen gesetzt, und es ist gut, daß er den Bür- gern noch als Stadtrat erhalten blieb und bleibt. Der Vorstand des Bü rgerver- Heinz Vogel ris Lorenz, Sopran, Badisches Staats- theater; Sängervereinigung Mühlburg; Horst Ru ether, Bariton , Badisches Staatstheater; Tanzkapelle Webrados. Heute Nostalgie, damals vom Feinsten. In festlicher Robe, elegantem Cut, ließ sich Mühlburg im Kühlen Krug sehen, wie gesagt 1966! Machen wir einen eins hat Hei nz Vogel aufgru nd seiner Verdienste und Dankbarkeit zum Ehrenvorsitzenden ernannt und zwar einstimmig. Horst Weisser, der neugewählte Erste Vorsitzen- de des Bürgervereins Mühlburg, machte in sei ner "Regierungserklärung" deutlich, daß der ansonsten komplett wiedergewählte Vorstand den gemeinsa- men mit Heinz Vogel eingeschlagenen Weg weiter- gehen werde. Eine Maxime von H. Weisser lautete : "Ich trage als Vorsitzender keine Entscheidung mit, die ich vorher nicht kenne." Seine Forderung war : "Die Bürgerveine müssen stärker in die Entschei- dungen der Stadt ei ngebunden werden." Horst Weisser setzt die Bürgervereinsarbeit mit dem be- währten Führungsteam fort. Ein gesellschaftlich hochrangiges Ereignis in Mühlburg war schon lange Jahre ein Ball, einst bis etwa 1966 "Winterball" genannt, später von Heinz Vogel in Bürgerball umgetauft. Ausschnitt aus dem Programm "Die Vorstandschaft des Bürgervereins Mühlburg freut sich, Sie zu ihrem einz igen Fest des Jahres, dem Winterball , welcher am Samstag, dem 15. Ja- nuar 1966 im Saa le des Kühlen Kruges stattfindet, höflichst einzuladen." Die Mitwirkenden waren: Werner Horn, Kapel lmeister des Staatstheaters; 00- Zeitsprung ins Jahr 1979, im mer noch Programm mit meist eigenen Kräften und doch siehe da , 1980 taucht schon ein Künstler vom Funk auf, Walter Schultheis vom SDR Stuttgart, ebenso die WeItmei- sterin auf dem Akkordeon Christa Behnke mit dem Tanzorchester Fred Rabbold. Ein weiterer Schritt nach vorne zeigt sich dann 1982 mit der Verpfli ch- tung des Medium Terzetts. Im Jahre 1985 folgte eine Sternstunde mit Ireen Sheer, einer Künstlerin der Sonderklasse. Unvergeßlich bleibt ihr Uniso lo mitten auf der Tanzfläche ohne Mikrophon, dem das vollbesetzte Haus stürmischen Applaus zo ll t. 1986 boten Jürg en Marcus und Wolfgang Sa uer ei- nen weiteren Leckerbissen, dem 1988 Cyndi und Bert folgten. Die Bemühungen der Organisatoren des Bürgervereins, dem Publikum etwas Besonders zu bieten, waren nicht nur die Verpflichtung von Gaststars, sondern auch aus der Carl-Benz-Hal le ein Ballhaus zu zaubern, das inklusive der Bühne ein to lles Flair ausstrahlte. Hier haben sich unter der Ideenvielfa lt von Jürgen Wiedemer die ganze Vor- standschaft mit ihren Freunden und Helfern un- endli che Mühe gegeben. Aber die Flut von Bäll en hat sich von Jahr zu Jahr auch bei uns auf di e Be- sucherzah l negativ ausgewirkt und das trotz her- vorragender Tanzorchester und Stars, die natürlich auf der Kostenseite zu Buche schlug en und schließ- lich nicht mehr zu verantworten waren. Der letzte Versuch war ein Gemeinschaftsball mit der K. G. Fidelio, die ihrerseits bei den Bällen ebenfalls unter einer deutlich nachlassenden Resonanz zu leiden hat- ten. Dennoch kamen wieder nur 228 Besucher, die alle ausnahmslos von die- sem Ballabend begeistert waren und teller bei Horst Weisser für die geleiste- te Arbeit als Stellvertretender Vorsit- zender und vier Jahre als Erster Vorsit- zender, ebenso bei Manfred Kudert für insgesamt zehn Jahre ehrenamtlicher Arbeit. unser gemeinsames Bemühen hono- Kurt Ernst Der momentane Gesamtvorstand des Bürgervereins Mühlburg 1898 e.v. re- rierten, gegen den stetig um sich greifenden Zeit- trend Ballmüdigkeit anzukämpfen. Der Bürgerball wurde laut Vorstandsbeschluß, bei einer Stimmenthaltung, bis auf weiteres ausge- sultiert aus der Wahl der Hauptversammlung am 17. April 1997. Erster Vorsitzender: Kurt Ernst, Stellvertreter: Peter Klemm und Klaus Brenner, Schriftführerin: Gertrud setzt, da auch hier wieder die Kosten bei weitem Schäfer, Kassiererin: Lintgard Barquet, Beisitzer: nicht gedeckt werden konnten. Daß diese Entschei- Marianne Ernst, Andreas Kumeth, Frank Heck, dung weh tat, ist selbstverständlich, war doch der Bernd Antonowitsch, Andreas Machauer, Ehrenvor- Bürgerball Dank des Organisators J. Wiedemer in sitzender: Heinz Vogel. den vielen Jahren auf ein hohes Niveau gekommen. Am 25. März 1993 zeichnete sich bei der Jahres- 100 Jahre Mühlburger Bürgerverein e.V. 1898. hauptversammlung wieder eine Wachablösung ab. Der Erste Vorsitzende Horst Weisser, ebenso sein Stellvertreter Manfred Kudert, kandidierten nicht mehr. Einziger Kandidat war Kurt Ernst, der ein- stimmig von der Versammlung gewählt wurde. Pe- ter Klemm und Jürgen Link wurden zu seinen Stell- vertretern gewählt. Schriftführer Jürgen Bickel und die Seniorenbeauftragte Marianne Ernst wurden im Amt bestätigt, Kirchen und Schulen: Ellen Fenrich, Mitgliederpflege: Andy Kumeth, Schatzmeister: Klaus Schippereit, Vereine: Klaus Brenner, z.bV. und Technik: Frank Heck. Der neu geWählte Erste Vorsitzende Kurt Ernst berichtete über sein hartes Ringen, ob er überhaupt für ein solch verantwortungsvolles Amt kandidieren sollte, nachdem so zwei bedeutende Leute, nämlich Heinz Vogel und Horst Weisser diese Position einge- nommen hatten. Er bedankte sich mit einem Ehren- Nicht nur das Thema Kultur, in ihm eingebunden die immer wiederkehrenden Veranstaltungen, be- stimmen die Aktivitäten des Bürgervereins unter dem Jahr, sondern unser Bestreben, Mittler zu sein zwischen dem Bürger und der Stadtverwaltung in den Bereichen Verkehrswesen, Polizei, Umweltthe- men, Wirtschaft, Jugend, Senioren, Schulen, Kir- chen und Vereine. Der Bürgerverein wird von der Stadtverwaltung informiert bei Bauvorhaben, z. B. über die Umge- staltung von Straßen oder öffentlichen Plätzen, öf- fentlichen Anlagen usw. Der Bürgerverein kann vor Ort Gespräche mit Vertretern der Stadt organisie- ren. Der Bürger kann sich über seinen Bürgerverein mit seinen Wünschen besser durchsetzen. Politisch ist der Bürgerverein neutral geführt, pflegt jedoch Kontakte zu allen Parteien. Eine lieb gewordene Einrichtung ist das Sprach- rohr des Bürgervereins und der Mühlburger Verei- ne, das "Mühlburger Leben". Über 35 Jahre infor- miert sechsmal im Jahr das Blatt über das Leben in unserem Stadtteil. Zusammengestellt von unserem Ehrenmitglied, Herrn Ferdinand Ruf, erreicht dieses "Mühlburger Leben" einen Großteil unserer Bürger mit den Inseraten der Mühlburger Geschäftswelt, ohne die eine kostenlose Verteilung nicht möglich wäre. Zu Pfingsten 1959 erschien das Mühlburger Le- ben als erstes Organ nur für den Bürgerverein. Erst nach und nach bedienten sich die Vereine, Schulen und Kirchen der Mitteilungsmöglichkeit. 100 Jahre Mühlburger Bürgerverein, dem Chro- nisten war es sicher nur möglich, Impressionen über die Aktivitäten unseres Vereins zu schildern, dessen Mitglieder zur Zeit über 800 Bürgerinnen und Bürger zählen und der von zehn Vorständen geleitet wird, Vorstände, Damen und Herren, die ihre Zeit, ihr Engagement ehrenamtlich zur Verfü- gung gestellt haben und weiterhin stellen für unse- re Bürgerinnen und Bürger. 100 Jahre si nd gefüllt mit Leben, Ereignissen, Krieg, Frieden, Freiheit, Lebensstufen eines jeden Einzelnen von uns. Daran soll das abschließende Gedicht von Hermann Hesse erinnern: Lebensstufen Wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend. Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stuf um Stufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegensenden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ... Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde! Aus: Hermann Hesse, Gesammelte Werke. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp Verlages. Ausflug mit dem Rad durch zwei Jahrhunderte. BARBARA HUBER, EMIL REITZ, AUGUST VOGEL f\f eine stolze Entwicklung kann die Rad-sportgemei nschaft Ka rlsru he zu rückb lieken, die aus dem Zusammenschluß der Rad- sportvereine "Sturm Mühlburg" und "Freiherr von Drais" hervorgegangen ist. Der neue Verein setzt die Tradition fort, die der Radsportverein "Sturm Müh l- burg", vor 100 Jahren einge leitet hat. Entsprechend umfangreich ist auch das Sportan- gebot. Rennsport, Kunstradfahren, Radball, BMX- Free/Style oder Rad-Tourenfahren sind vertreten . Auch eine historische Gruppe besteht, die vom Laufrad über Hoch- und Sessel räder bis zur zeitge- nössischen Kleidung komplett ausgerüstet ist. Die Gründung des Radfahrvereins Sturm 1898 Mühlburg und seine Entwicklung bis 1958 Im Dezember des Jahres 1 B97 faßten einige Stammgäste des Gasthauses zum Lamm in Mühl- burg den Entschluß, einen Radfahrerverein zu gründen, um sich an freien Tagen auf dem Fahrrad von der Arbeit Mühe zu erholen, für ein paar Stun- den die Sorgen zu vergessen, der Hetze im täg- lichen Leben zu entfliehen, Freundschaft und Ge- se ll igke it zu pflegen und vor all em die Jugend für den Radsport zu gewinnen. Die unverdrossene und unermüdliche Werbung von Radsportgemeinschaft Karlsruhe e.V. 1898 100jähriges Vereins-Jubiläum 1 Mitgliedern für diesen gesunden und schönen Sport ermög lichte es, daß am 13. Oktober 1898 eine Generalversammlung einberufen und die Gründung des Radfahrervereins Sturm in Mühlburg vollzogen werden konnte. Unter der Leitung des tüchtigen Vorstandes Heinrich Noll konnte der Ver- ein in der Einwohnerschaft Müh lburgs festen Fuß fassen. Von tatkräftigen Sportkameraden unter- stützt, war schon nach zwei Jahren seit Bestehen des Vereins die Mitgliederzahl derart angewachsen, daß an die Anschaffung eines Banners gedacht werden konnte. Am 14. Juni 1903 fand die Banner- weihe statt, verbunden mit einem Preiskorso. Dem jungen, aufstrebenden Vereine ging es also ernst- lich darum, se inem Bestehen auch nach außen hin Ge ltung zu verschaffen. In schönen wie in sturmbe- wegten Zeiten hielt das Banner die Mitglieder in Treue zusammen. Getreu auch seiner Parole : "In Sturmesbraus - zieh'n wir hinaus" setzte sich der Verein trotz aller inneren und äußeren Schwierig- keiten des Vereinslebens durch. Der Mitg liederstand bewegte sich damals zwischen 80 bis 100, manch- ma l darüber. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 warf unseren Sport zurück. Im Laufe des Jah- res 1919 aber fanden sich einige ehema lige Sport- kameraden zusammen, um den Verein wieder auf- zurichten und es gelang dem energischen Zweiten Radlerousflug vor der Gründung des Radfahrervereins Sturm Mühlburg im Jahr 1895. Vorsitzenden, unserm Kameraden Albert Dafferner, die Mitglieder des Vereins zusammenzuhalten, bis der Erste Vorsitzende, Franz Berg, aus der Kriegsge- fangenschaft zurückkehrte. Bei seiner Rückkehr in die Heimat im Jahre 1920 wurde ihm ein begeister- ter und würdiger Empfang bereitet. Neues Leben erwachte in den Reihen der Ver- einsmitglieder, und in kurzer Zeit war der alte Mit- gliederstand wieder erreicht. Bis zur Jahreswende 1921/1922 war die Mitgliederzahl auf über 100 an- gestiegen. Im Jahre 1924 wurde der Verein Mitglied im Bund Deutscher Radfahrer. Mit einer einheitli - chen Sportkleidung trat der Verein nun bei öffent- lichen Veranstaltungen erfolgreich auf. Durch Kunst- und Reigenfahren wurde ein weiteres Sportgebiet geschaffen und mit großem Erfolg be- trieben. Bei historischen Festzügen mit der Gruppe "Die Entst~hung und Entwicklung des Fahrrades", vom Draisrad bis zum vollendeten Kunstrad, konn- te der Verein viele erste Preise erringen. Auch im Vor dem Gasthaus "Zum Lamm " im Jahr 1957. Rennsport wurden schöne Erfolge erzielt, desglei- chen im Radwandern . Unsere historische Gruppe war im Bundesgebiet einma lig und wurde deshalb bei allen besonderen Anlässen angefordert. So be- teiligte sie sich unter anderm auch am Olympia- festzug in Hamburg im Jahre 1936 mit unseren Fahrern und erntete reichen Beifall. Schmerzlich traf uns deshalb der Verlust von 18 Rädern dieser Gruppe. Bei einem Fliegerangriff im Dezember 1944 wurden sie im Gasthaus zum Lamm, wo sie aufbewahrt waren , vernichtet. Nur ein Hochrad, das Draisrad und ein Kunstrad, die bei Mitgliedern untergebracht waren, blieben erhalten . Beim Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 hatte der Verein seine beachtlichste Höhe erreicht. Auch während des Krieges wurde das Radwandern immer weiter gepflegt, und es wurden bis zum Jahre 1944 schöne Ausfahrten unternommen. Die in der Hei- mat verbliebenen Mitglieder kamen auch weiterhin zusammen und hielten steten Kontakt mit den zur Auf dem Hochrad durch die Stadt. Wehrmacht einberufenen und im Felde stehenden Kameraden. Beim Einmarsch der Franzosen in Karlsruhe, im April 1945, retteten die beherzten Vereinsmitglie- der H. Ortner, A. Bastian, Frau Bastian und Emil Bür- ger das noch vorhandene Inventar und die Vereins- preise vor Plünderung und Vernichtung, indem die- se Kameraden unter Lebensgefahr die für den Ver- ein sehr wertvollen Gegenstände bargen und bei Kamerad Ortner unterstellten. Darunter befand sich auch das Banner mit den Bannerschleifen. Nachdem die Besatzungsbehörden die Wiederbe- gründung und Fortführung von Sportvereinen zu- gelassen hatten, versammelten sich am 9. April 1948 im Gasthaus zum Lamm 22 frühere Mitglieder des alten Vereins und beschlossen seine Wieder- gründung bzw. seine Fortführung laut Satzung. Diese Versammlung wurde von August Bastian, H. Ortner, A. Vogel, Frau K. Bastian und E. Reitz einbe- rufen. Am 24. Oktober 1948 wurde dann in engem Rahmen das 50jährige Jubiläum des Vereins gefei- ert. Immerh in konnte wieder ein wohlgelungenes Vereinsrennen durchgeführt und ein Festbankett mit Ehrungen im "Lamm" abgehalten werden. Von nun an ging es unter der verdienstvollen Leitung von August Vogel als Ersten Vorsitzenden stetig aufwärts. Bereits im Jahre 1949 wurde vom Verein die Badische Straßenmeisterschaft über eine Strek- ke von 150 km durchgeführt. Es war ein voller Er- folg für den Verein. Im Jahre 1951 wurde im Garten des Gasthauses "Zum Engel" ein Gartenfest abge- halten und gleichzeitig der "Große Straßenpreis von Mühlburg" durchgeführt. Auch diese Veran- staltung verlief reibungslos und brachte uns wieder weitere Mitglieder. Gleichzeitig wurde das Kunst- und Reigenfahren, sowie das Radballspiel in die sportliche Tätigkeit aufgenommen, nachdem zuvor die erforderlichen Kunsträder beschafft worden waren. Im gleichen Jahre beteiligten wir uns mit der historischen Gruppe am Bundesfest in Mann- heim und erhielten im Preiskorso den I. Preis. Wie- derum im nächsten Jahr errangen wir beim Bun- desfest in Speyer mit derselben Gruppe den I. Preis. Im Jahre 1952 wurde erstmals die Gesamt-Badische Meisterschaft im Vierer-Vereinsmannschaftsfahren über 100 km durchgeführt. Zum Gedenken unseres verstorbenen Mitglieds und eifrigen Rennfahrers Emil Bürger wurde von nun an fast jedes Jahr das "Emil - Bürger-Gedächtnisrennen" in Mühlburg durchgeführt, das Tradition wurde und sich allge- meiner Beliebtheit erfreute. Am 31. Oktober 1953, an läßlich unseres 55. Stif- tungsfestes, nahmen wir nach Renovierung unseres Banners die zweite Bannerweihe vor, die gleichzei- tig das 50. Bannerjubiläum war. Die Weihe vollzog der Erste Vorsitzende des Badischen Sportbundes, Franz Müller, der in herzlichen Worten die Verdien- ste des Vereins würdigte. Unter der umsichtigen und stets bewährten Le itung aller Vorsitzenden machte der Verein große Fortschritte, so daß er in den 50er Jahren mit zu den rührigsten Bundesver- einen zäh lte. Unzählige erste Preise sowohl im Lan- desverband als auch im Kreis und Bund Deutscher Radfahrer wurden errungen, ebenso im Kunst- und Reigenfahren und im Radballspiel. Unsere Rennfah- rer waren nicht weniger erfolgreich, so daß das Ziel, die "Breitenarbeit", die im Vordergrund des Vereins steht, voll und ganz zum Ausdruck kommt und in vollem Ausmaß als erreicht gelten konnte. Aber auch in der Förderung der Jugendarbeit wurde nichts unversucht gelassen, um den nötigen Nach- wuchs zu erziehen und heranzubilden. In der Geschichte des Radsports in Mühlburg muß aber noch ein Ereignis besonders hervorgeho- ben werden. Eines der größten Verdienste des Mühlburger Vereins war, daß die Bundeshauptver- sammlung Deutscher Radfahrer in Karlsruhe abge- halten wurde. Der Anlaß war der 100. Todestag des Erfinders des Fahrrades. Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn, Badischer Forstmeister (geb. 1785, gest. 1851), dessen Denk- mal in der Kriegsstraße in Karlsruhe oft Anlaß zu Feierstunden mit Kranzniederlegungen und Ge- denkreden war. Bei al len Groß-Veranstaltungen im Radsport, die in Karlsruhe zur Durchführung kamen, beteiligten sich "Stürmler" bei den Vorbereitungen und Aus- richtungen. Olympia -Ausstellungen, Internationa le Radball-Turniere und Hallenradsport-Meisterschaf- ten des Bezirkes und des Verbandes waren immer Höhepunkte der Vereinsarbeit. Selbst die Groß- Veranstaltungen "Quer durch den Sport" des KSC, mit den Spitzenkönnern im Kunstradfahren und Radball, waren durch Vermittlung und Betreuung Der Vorstand im Jahr 1958. Oben von links: Kurt Zinsmeier, Heinz Vogel, Fritz Kiefer, Manfred Reitz, Werner Ortner, Korl Weiß, Kar! Armbruster. Unten von links: Emi/ Reitz, Frau Köppel, August Vogel, Karl Köppel, Hermann Ortner. Mino Printz, 1958 Ehrenmitglied, ers te und älteste deutsche Kunstradfahrerin. der mehrfachen Deutschen Meisterinnen und Mei- ster, ja, der doppelten Weltmeister, für unseren Ver- ein ehrenvolle und dankbare Aufgaben . Als zufriedenstellende Bilanz muß auch der Er- folg in der Schaffung von Radfahrwegen in der weiten Umgebung Karlsruhes bezeichnet werden, denn auch auf diesem Gebiete sind Stürmler maß- gebend aufgetreten. Neben all diesen aufgezeigten, gemeinsamen und großen Leistungen auf allen In- Der Vorstand im Jahr 1998. Oben von links: Beisitzer J. Huber, Fachwart Radlager M. Wagner, Jugendleiterin H. Lang, Fachwartin Halle M. Ortner, Fachwart RTF A. Kitt!, Beisitzer KI. Reitz. Unten von links: Ehrenvorsitzender H. Vogel, Zweiter Vorsitzender und Kassenführerin K. Lange, Geschäftsstelle B. Hub er, Erster Vorsitzender R. Ortner. teressengebieten des Radsportes, wurde aber auch innerhalb des Vereins alles getan, um zunächst den Aktiven all es das zu beschaffen, was sie zu sportli - chen Leistungen und Erfolgen führt und ihre Kräfte sichert, um Meisterschaften in allen Disziplinen für den Verein zu erringen. Daß aber auch die Gesellig- keit und Kameradschaft im Verein eine große Rolle spielten, ist wohl am besten daraus zu ersehen, daß man an Ostern und an Weihnachten die große Ver- Reinhard Degen, Gründungsmitglied des Vereins im 75. Jubiläums- jahr 1958. RSG , J. Huber und M. Wagner. RSG 11 M. Weber und R. Haug. RSG "' ehr. Ganz und T. Rauprich. einsfamilie ebenso reich versammelt sah, wie sie sich beim alljährlichen Familienausflug eingefun- den hat. An den Fastnachtsumzügen des Verkehrsvereins in Karlsruhe beteiligte sich der Verein mit wir- kungsvollen humoristischen Gruppen, die allgemein Anklang fanden . Anläßlich der "350-Jahrfeier der Stadt Mannheim" wurde dort ebenfalls ein großer Fastnachtsumzug durchgeführt. Der an den Verein ergangenen Einladung leisteten wir mit der histori- schen Gruppe gerne Folge und ernteten reichen Beifall und Anerkennung. An der Einweihung des Ersten Deutschen Zwei- rad-Museums in Neckarsulm 1956 in Verbindung mit einer "Großen Internationalen Veteranen- Rallye" beteiligten wir uns mit unserer gesamten "Historischen Gruppe" in Originalkostumen. Dabei konnten wir neben den 17 Einzelpreisen für unsere Teilnehmer jeweils die goldene Erinnerungs-Plaket- te für volle Erfüllung der gestellten Bedingungen und ferner im "Internationalen Mannschafts-Wett- bewerb" den ersten Preis erringen. Als im Jahre 1957 in Mühlburg die Arbeitsge- meinschaft der Mühlburger Vereine ins Leben geru- fen wurde, waren auch die Radsportier dabei. Der gemeinsam errungene Erfolg war der Ansporn, auch in Zukunft Veranstaltungen innerhalb dieser Arbeitsgemeinschaft durchzuführen. Im Jubiläumsjahr 1958 wurde dem Verein vom Bu nd Deutscher Radfahrer zu dem vorgesehenen "Großen Straßenpreis von Mühlburg" gleichzeitig als Würdigung seiner Pionierarbeiten das Auswahl- rennen zur Bildung der Deutschen National-Mann- schaft angetragen. Diese große Ehre wußte der Ver- ein zu schätzen, und es war diese Veranstaltung, die mit der 110. Jahrfeier der Freiwilligen Feuerwehr Mühlburg und gemeinsam mit dem Volksfest der Mühlburger Vereine durchgeführt wurde, die der Feier zu einem vollen Erfolg verhalf. Die wichtigsten Ereignisse aus der Vereinsgeschichte 1958-1998 1958 1961 1963 1967 1971 1972 4.- 7. Juni, 60jähriges Jubiläum an der Honsellstraße gemeinsam mit der Frei- willigen Feuerwehr. Ausrichtung der Ba- dischen Straßen meisterschaft. Sieger: Kuntz, Linkenheim, früher Mühlburg. Treffen der Bundesehrengilde des BOR anläßlich des 110. Todestages der Frei- herrn von Drais (Ausrichter: RV Sturm Mühlburg). Großer Straßenpreis "Um den Gritzner- Preis" über 156 km Weltmeisterschafts- vorbereitungen. Zweiter der C-Klasse: Schön laub, Sturm Mühlburg. 30. Juni : Städtevergleichskampf Karls- ruhe-Nancy (Sieger Karlsruhe). Dieses Treffen wurde jährlich vom Sturm Mühl- burg durchgeführt mit entsprechendem Gegenbesuch in Nancy. Teilnahme an der Draisinen-Rallye Straßburg-Karlsruhe aus Anlaß der Bun- desgartenschau. Neugründung der Abteilung Kunstfahren. Gesa mtbadische Ha lien radsportmeister- schaften in der Carl-Benz-Halle erstmals um den August-Vogel-Gedächtnis-Wan- derpoka I. Erstma Is Sch ü lermeisterschaft für die Schuljugend. Pokalstifter: Günter Rüssel. RSG-Junioren B. Stolz und FI. Huber. 1974/75 Fusion der beiden Vereine "Sturm Mühl- burg" und "Freiherr von Drais" zur Rad- sportgemeinschaft Karlsruhe. Nach zweijähriger Verhandlung, damals noch mit Rot-Gold Karlsruhe, wird dieser Schritt von Heinz Vogel und Günter Schneider vollzogen. 1975 Annette Vogel und Daniela Ortner wer- den erstmals Badische Meisterinnen im 2er Kunstfahren. Diese Erfolge setzten sich bis 1982 fort. 1977/78 Wagner/Schäfer Badische Jugendmeister im Radball. Rodbollnachwuchs mit den Trainern T. Rauprich und KI. Reitz. 1978 1979 Vogel/Ortner erstmals Teilnehmer an den Deutschen Meisterschaften im 2er Kunstfahren. Günter Kobek gewinnt bei den Junioren- weltmeisterschaften im Radrennen in Buenos Aires/Argentinien die Bronze- medaille. 1982/83 Günter Kobek: Militärweltmeister im 4000m Einer Verfolgungsfahren. 1983 Günter Kobek: Deutscher Meister in 1985 100 km 2er Mannschaftsfahren, zweifa- cher Sechs-Tage-Sieger. Großveranstaltungen in Karlsruhe zum 1986 200. Geburtstag des Erfinders des lenk- baren Laufrades, Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn (Badischer Forstmeister): Draisfestival bei der Europahalle mit Rennen für Junioren, dabei sind auch Gäste aus Nottingham. Rad ba Iitu rn ier/B MX-Da rbietu ngen/ Hoch rad ren nen/ Veteranenra llye. Ausstellung im Prinz-Max-Pa lais. Bundeshauptversammlung des BOR in Karlsruhe, Ausrichter: Radsportgemein- schaft Ka rlsruhe. Rainer Schadowski wird Deutscher Mei- ster BMX Größenklasse und Vize welt- meister Helmke Ortner/Marita Jäkel erst- mals bei der Deutschen Meisterschaft im 2er Kunstfahren in Berlin. 1987 Juni : Tei lnahme der Histor ischen Gruppe bei den Weltmeisterschaften in Holland. Rüdiger Ortner Weltmeister im 800m Draisinenfahren. 1987 3. Juli : Start der 3. Etappe der Tour de France von Karlsruhe nach Stuttgart. 1988 Juli: Teilnahme der Historischen Gruppe als Abordnung des Landes Baden-Würt- temberg bei der 750-Jahrfeier in Berlin. 1988 Jubiläumsjahr Badische Meisterschaften Kunstfahren der Schüler. Volksradfahren durch den Hardtwald. Radrennen um den Binding-Preis. 1988 6. Radtouristikfahrt. Badische Meister- schaften Radball der Oberliga. Radkriterium um die Draisschule. Jubilä- umsveranstaltung im Gemeindezentrum Peter und Paul. Radballsuperturnier. Die sportliche Bilanz der Radballer der RSG Karlsru- he der vergangenen zehn Jahre dokumentiert das hohe Leistungsniveau unserer Mannschaften nicht nur auf Landesverbandsebene in Nordbaden, son- dern im gesamten badischen Raum. In den letzten neun Jahren sicherten sich die Mannschaften der RSG Karlsruhe in der höchsten Spielklasse des Lan- desverbandes Nordbaden den Meistertitel der Oberliga. Weiterhin gelang es in manchen Jahren sogar, noch eine weitere Mannschaft in die Medail- lenränge zu bringen. Der Gesamtbadische Meister- titel der Oberliga konnte seit 1989 dreimal errun- gen werden und viermal stellte die RSG den Vize- Meister. Ein ähnliches Bild zeichnete sich im Nachwuchsbe- reich ab, wobei hier die Kontinuität der Erfolge un- ter der rückläufigen Entwicklung im Bereich der Neuzugänge zu leiden hatte. Abteilung Kunstrad. Treffen der Draisinenfahrer vor dem Rathaus. Im überregionalen Vergleich waren die Mannschaf- ten der RSG immer für spannende Spiele gut, jedoch mußte immer wieder die leidvolle Erfahrung gemacht werden, daß die Hochburgen des deut- schen Radball in anderen Landesverbänden an- gesiedelt sind. So wurde bisher das gesteckte Ziel, eine Amateur-Mannschaft in die 2. Bundesliga zu bringen, noch nicht erreicht. Zwar wurden in den Jahren 1989, 1990, 1993 und 1996 mit dem Er- reichen des Finales der Aufstiegsrunde große Hoff- nungen geweckt, die aber aufgrund des vorhan- denen Leistungsunterschiedes zwischen den einzel- nen Landesverbänden nicht erfüllt werden konn- ten. Im Jahr 1995 machte eine Schü lermannschaft der RSG auf sich aufmerksam. Mit dem über- raschenden Einzug in das Viertelfinale der Deut- schen Meisterschaften wurden die Vereinsfarben bei einem überregionalen Großereignis würdig vertreten. Viele freundschaftliche Beziehungen zu anderen Vereinen wurden in der Vergangenheit gepflegt. Dies äußert sich auch durch regelmäßige und gegenseitige Einladungen zu Pokalturnieren. Hier sind es die Kontakte u. a. nach Öflingen!Wehr, Im Draisjahr 7985 stand das Fahrrad im Mittelpunkt, hier var dem Draisdenkmal an der Beiertheimer Allee. Sindelfingen, ReichenbachjFils, Robertsau (Frank- reich), IsmaningjMünchen, Leimen, Mainz-Hechts- heim und zum RMSC Karlsruhe, bei denen nicht nur das sportli che Kräftemessen, sondern auch der Erfahrungsaustausch und das Miteinander vor und nach den Wettkämpfen im Vordergrund stehen. Zwei BMX Karrieren in der RSG Die BMX Abteilung wurde 1982 gegründet. Bedingt durch viele US-amerikanische Boys, die schon ein BMX Bike hatten, kamen auch in Karlsruhe ver- stärkt 12-16jährige auf den Geschmack und trai- nierten mit Rainer Schadowski auf seinem eigenen Trainingsgelände am Maxauer Hafen. Sein Vater Dieter Schadowski organisierte als Fachwart al le Teilnahmen an Deutschen, Europa- und Weltmei- sterschaften. Di e BMX Rennfahrer im Verein wuch- sen auf über zehn Fahrer an, und es kam eine Renn- strecke in Grötzingen dazu. In 14 Jahren aktivem Leistungssport holte Rainer über 140 Siegerpokale nach Hause, dazu gehörte auch 1986 der Vize-WM- Titel in England, die Deutsche Meisterschaft 1984, Radakrobaten im Fest- zug beim 60jährigen Jubiläum des Rad- fahrervereins "Sturm" im Jahr 1958. Fata: Harst Schlesiger. 1986,1991 und 1993. Seiner Vorliebe für amerika- nische Sportarten ist er treu geblieben, 1995 stieg er auf Autos um. Albert Retey, geboren 1970 in der Schweiz, kam erstmals 1985 mit BMX in Kontakt. Er probierte mit seinem Bike auf Parkplätzen die schwier igsten Tricks, während sich auch diese Art BMX als "Flat- land Freestyle" in den USA und Europa zum Sport entwickelte. Erst 1987 nahm Albert erstmalig an ei- nem Wettbewerb in Köln t eil. Ab 1989 gab es in Deutschland keinen besseren Flatland Freestyler als Albert Retey. Den Titel des Deutschen Meisters errang Albert ohne Unterbrechung von 1989 bis 1995. Auch bei den Weltmeisterschaften, die ab 1990 ausgetragen wurden, konnte er sich behaup- ten und errang 1993 den WM -Titel in Limoges (F), in den folgenden Jahren landete er auf Platz 2 oder 3. Seine sportliche Laufbahn beendete Albert Retey 1996, im gleichen Jahr, in dem er auch sein Physik- Studium abschloß. Die Rad-Tourengruppe mit ihren vier aktiven Punktesammlern hat sich mit der AOK zusammen die Aufgabe gestel lt, Ausfahrten für mehr oder minder geübte Radfahrer zu organisieren. Jeden Mittwoch um 18 Uhr wird gestartet, das heißt, wenn der Wettergott gut will, denn wenn es in Strömen regnet, wird die Gesundheit nicht geför- dert. Zwischen 8 und 14 Personen sind auf dem Sattel. All e Altersklassen sind dabei, da auch mit der Geschwindigkeit nicht übertrieben wird. Mit Pausen in verschiedenen Garten- und Sportheimen werden pro Abend 30 bis 35 km gefahren, so daß jeder seine Freude zum Wiederkommen am näch- sten Mittwoch hat. Zu einem festen Bestandteil der Aktivitäten der historischen Gruppe sind die Umzüge zu den Jah- resfeiern geworden. 12 bis 16 historische Fahrräder sind in Maxstadt und in Wissembourg im Elsaß so- wie anläßlich 500 Jahre Neudorf und 750 Jahre Wiesental im Badischen unterwegs. Bei Landesgar- tenschauen, z.B. in Stuttgart oder Mosbach, aber auch in Nordrhein-Westfalen, in Grevenbroich, ist die Gruppe gefragt, um die Entwicklung des Fahr- rades vorzustellen. Zum 800jährigen Stadt jubiläum Durlachs starteten in Karlsruhe am Rathaus 17 Draisinenfahrer, darunter vier von der RSG. Zum 210. Geburtstag des Fahrraderfinders Frei- herr von Drais wurde in Karlsruhe die Bundes- hauptversammlung des Bundes Deutscher Radfah- rer abgeha lten. Bei der Kranzniederlegung am Drais-Denkmal zeigte die historische Gruppe ihre Räder. Zur Präsentation für die Stadt Karlsruhe und die KKA stellt die Gruppe ihre Räder vor. Für den Ver- kehrsverein werden in Zusammenarbeit mit dem Bogenschützenclub Seminare durchgeführt. Erfolge unserer Kunstradsportier 1993 Fidelitas Pokal 1er Schüler B 1995 Kreismeisterschaft 2er Schüler A Platz 1 Brigitte Pietruska Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1993 Fidelitas Pokal 1 er Schüler A 1995 Kreismeisterschaft 1er Schüler C Platz 1 Karin Pietruska Platz 2 Nina Bacarella 1993 Fidelitas Pokal 2er Schüler A 1995 Fidelitas Pokal 2er Schüler A Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1993 Deutsche Meisterschaft 1 er Schüler A 1995 Rhein-Neckar-Pokal (2) 2er Schüler A Platz 22 Karin Pietruska Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1994 Kreismeistersch aft 1 er Schüler B 1995 Rhein - Neckar-Pokal (2) 1 er Schüler C Platz 1 Brigitte Pietruska Platz 2 Nina Bacarella 1994 Kreismeisterschaft 1 er Schüler A 1995 Na chwuchswettbewerb 1 er Schüler C Platz 1 Karin Pietruska Platz 1 Julia Schlager 1994 Kreismeisterschaft 1 er Schüler B 1995 Badische Meisterschaft 2er Schüler A Platz 2 Denise Feix Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1994 Fidelitas Pokal 1 er Schüler B 1995 Deutsche Meisterschaft 2er Schüler A Platz 3 Denise Feix Platz 10 Karin und Brigitte Pietruska 1994 Fidelitas Pokal 1er Schüler B 1995 Mitglied im D-Kader Baden-Württemberg Platz 1 Brigitte Pietruska Karin und Brigitte Pietruska 1994 Fidelitas Pokal 1 er Schü ler A 1996 Kreismeiste rschaft 2erJugend Platz 1 Karin Pietruska Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1994 Rhein-Neckar- Pokal (2) 1 er Schüler B 1996 Kreismeiste rschaft 1 er Schüler C Platz 2 Brigitte Pietruska Platz 1 Nina Bacarella 1994 Rhein-Neckar-Pokal (2) 1 er Schü ler A 1996 Fidelitas Pokal 2erJugend Platz 1 Karin Pietruska Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1994 Badische Meisterschaft 1 er Schüler B 1996 Fidelitas Pokal 1 er Schüler C Platz 2 Brigitte Pietruska Platz 1 Nina Bacarella 1994 Badische Meisterschaft 1 er Schüler A 1996 Rhein-Neckar-Pokal (2) 2erJugend Pl atz 1 Karin Pietruska Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1994 Badische Meisterschaft 1er Schüler B 1996 Rhein-Neckar-Pokal (2) 1er Schüler C Platz 11 Denise Feix Platz 1 Nina Bacarella 1994 Deutsche Meisterschaft 1 er Schüler 1996 Badische Meisterschaft 2erJugend Platz 1 Karin Pietruska Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1995 Kreismeisterschaft 1er Schüler A 1996 LBS-Cup Bad.-Württemb. (3) 2erJugend Platz 1 Karin Pietruska Platz 3 Karin und Brigitte Pietruska CD 1996 Deutsche Meisterschaft 2er Jugend Platz 3 Karin und Brigitte Pietruska 1996 Mitglied im D-Kader Baden-Württemberg Karin und Brigitte Pietruska 1997 Kreismeisterschaft 2er Jugend Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1997 Kreismeisterschaft 1 er Sch üler B Platz 2 Nina Bacarella 1997 Kreismeistersch aft 1 er Schüler A Platz 4 Miriam Fritz 1997 Fidelitas Pokal 2er Jugend Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1997 Rhein-Neckar-Pokal (2) 2er Jugend Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1997 Rhein-Neckar-Pokal (2) 1er Schüler B Platz 3 1997 Rhein-Neckar-Pokal (2) Nina Bacarella 1 er Schüler A Platz 5 Miriam Fritz 1997 Badische Meisterschaft 2er Jugend Platz 1 Karin und Brigitte Pietruska 1997 Badische Meisterschaft 1 er Sch üler B Platz 6 Nina Bacarella 1997 LBS-Cup Bad.-Württemb. (3) 2er Jugend Platz 2 Karin und Brigitte Pietruska 1997 Deutsche Meisterschaft 2er Jugend Platz 4 Karin und Brigitte Pietruska 1997 C-Kader-Sichtungen 2er Jugend Platz Karin und Brigitte Pietruska und somit C-Kader-Mitglied ab 1998 1997 Mitglied im D-Kader Baden-Württemberg Karin und Brigitte Pietruska 1997 Rhein-Neckar-Nachwuchs 1 er Sch üler B Platz 3 Judith Botta 1997 Schnupperwettbewerb 1er Schüler C Platz 1 Gina Wintermantel Gesamtvorstand im Jubiläumsjahr 1998 Erster Vorsitzender Zweiter Vorsitzender Geschäftsführerin Kassiererin Jugend leiterin Fachwart Halle Radball BMX Tourenfahren Historische Gruppe Beisitzer Kassenprüfer Presse Rüdiger Ortner Karin Lange Barbara Huber Karin Lange He/mke Lang Maria Ortner Michael Wagner Dieter Schadowski Anton Kitt! Barbara Huber Jörg Huber Klaus Reitz Edeltraud Leyer Rainer Haug Jörg Huber 1. Der Artikel basiert auf "60 Jahre Radsport in Mühlburg" in der Festschrift "60 Jahre Radfahrerverein 'Sturm' 1898 Müh l- burg", Karlsruhe 1958, von Emil Reitz und August Vogel, der überarbeitet und bis in die Gegenwart aktualisiert wurde. Fahnenweihe 1929. FRANZ KLEINWÄCHTER UND RICHARD DOLDE Die Fächerstadt Kar lsruhe wurde 1715 ge-gründet und hat woh l dank ihrer schönen architektonischen Bauweise und herr lichen Lage zwischen Rhein und Schwarzwa ld seit jeher reichen Zuzug aus anderen deutschen Gauen. So hatte sich woh l be reits um die Jahrhundertwende eine statt liche Anza hl unserer bayerischen Lands- leute innerhalb der Tore der Stadt Kar lsruhe ange- siedelt (wir vermuten, daß wir Ihnen woh l zuschrei- ben können, daß heute in Karlsruhe ein so ausge- zeichnetes Bier zum Ausschank kommt). Doch noch mehr dürfen wir diesen Landsleuten dafür danken, daß sie sich bereits im Jahre 1898 zusammengefun- den haben, im Gasthaus zum Tiroler in der Hirsch- straße unter der Fahne Weiß-Blau, die gestiftet wurde vom Prinzregent Luipold von Bayern. Der Name des Vereins war "Bayernverein Weißblau Karlsruhe", und er erfreute sich großer Beliebtheit bei den hier ansässigen Bayern und Einwohnern unserer Stadt. Groß ist die Anzahl der stattgefun- denen Veranstaltungen in der damaligen Festhalle und im Stadtgarten, noch reicher waren die Besu- che und Gegenbesuche auswärtiger Vereine zu Trachtenfesten und Fahnenweihen. Nach dem Ersten We ltkrieg, der große Lücken in die Reihen unserer Vereinsmitg lieder riß, fand sich der Verein doch bald wieder zusammen und strebte Bayern- und Trachtenvereinigung Weißblau Almfrieden Karlsruhe e.V. mehr alsje zuvor danach, die Sitten und Gebräuche unserer Heimat zu pflegen und zu erhalten. Im Jah- re 1924 wurde in Karlsruhe ein weiterer Bayern- und Trachtenverein gegründet unter dem Namen "Almfrieden". In enger landsmännischer Zusammen- arbeit mit dem bereits bestehenden Verein Weiß- blau wurde manche Veransta ltung bestritten und zum vo ll en Erfolg geführt. Vom 8. bis 10. Juni 1929 war der Bayernverein Almfrieden dank seiner intensiven Vereinsarbeit und Opferbereitschaft aller Vereinsmitglieder und einiger Gönner des Vereins in der Lage, ebenfalls eine Fahnenweihe, verbunden mit einem großen Trachtenfest. in der Karlsruher Festha lle abzuhal- ten. Freudigen Herzens begleitete der Verein unter Teilnahme des Patenvereins Almrausch Pirmasens und vieler auswärtiger Trachtenvereine vom Rhein - Main-Gau und aus der bayerischen Heimat die Fah- ne zur kirchlichen Weihe in die Liebfrauenkirche. Stolz verließ die große Trachtenschar die Kirche, voran die neue Fahne, gefolgt von den Fahnen der Gastvereine, und sie alle zogen in einem einmaligen Festzug durch die Straßen unserer Stadt zur Fest- hal le. Groß waren die Opfer des Bayernvereins Alm- frieden, um in der schweren Zeit der beginnenden Weltwirtschaftskrise ein solches Fest abha lten zu Aktive Mitglieder 1932/33. können, und es gebührt heute noch besonderer Dank dem damaligen Vereinsvorstand und späteren Ehrenvorstand Josef Lehmeier und seinen engsten Mitarbeitern. Nun war den Anhängern des Bayern- vereins Almfrieden das Symbol gegeben, dessen ein Verein bedarf, der fern der Heimat se in Wirken entfaltet. Durch die politischen Wirren hindurch ging der Bayernverein seinen Weg, getreu seinem Wahlspruch "Sitt und Tracht der Alten wollen wir erha lten". Ein weiterer Bayernverein "Bavaria" wurde im Jahre 1931 gegründet. Dank der guten Zusammenarbeit wurde im Jah- re 1933 die Zusammenfassung der drei Karlsruher Bayernvereine Weißblau, Bavaria und Almfrieden beschlossen, und mit Fug und Recht wurde das Gründungsjahr 1898 anerkannt, da viele Mitglieder aus dem 1898 gegründeten Bayernverein Weißblau stammten. Der Name des so gebildeten Vereins lau - tete nun : "Bayern- und Trachtenvereinigung Weiß- blau Almfrieden Karlsruhe". Die kommenden Jahre galten vor all em dem Aufbau der Trachtensache, dem Einüben von Tänzen und Liedern. Der Erfolg zeigte sich auch bald bei der Teilnahme an Trach- Im Stadtgarten 1951. tenfesten und Trachtenschauen, von denen unser Verein immer wertvolle Preise mit nach Hause brachte. Doch da nn brach der Zweite Weltkrieg aus, und unsere Burschen mußten die Lederhose mit der feldgrauen Uniform und den Trachtenhut mit dem Stahlhelm tauschen . Unsere beiden Fahnen wurden oft mit dem Trauerflor verhangen, wenn wieder ei- ner unserer Besten von uns gegangen war, bis dann in jener unglücklichen Nacht vom 3. auf 4. Septem- ber 1942 im Klapphorn se lbst unsere beiden Fah- nen samt dem gesamten Vereinsinventar mit wert- vollen Preisen und Pokalen den Bomben zum Opfer fielen. Es schien so, als ob damit das Schicksal un- seres Vereins endgültig besiegelt sei . Doch das jah- relange Hoffen und Warten auf ein Wiedersehen in der Heimat führte die Menschen schnel ler als er- wartet zusammen. Bereits im August 1946 kramten die ersten Heimkehrer ihre treu gehüteten Trachten wieder aus den Kellern und veranstalteten von da ab wieder regelmäßig Vereinsabende im Philister. So wie der Wiederaufbau in unserer stark zerstör- ten Stadt nach der Währungsreform vorangetrie- ben wurde, so gestaltete sich auch der Aufbau in Ein Vereinsmitglied war der Zitherfranzl. Fahnenweihe am 10. Mai 1953. unserem Verein. Neue Mitglieder wurden aufge- nommen, Trachten angeschafft oder verlorenge- gangene Teile ergänzt. In der Silvesternacht 1951 auf 1952, genau um Mitternacht, wurde der "Grundstein" zu einer neu- en Fahne gelegt. Zwei Riesenbrezeln von Fritz und Friedl Ruland wurden aufgeteilt und zum Verkauf dargeboten. Der seit dem 3. Oktober 1951 a mtie- rende Erste Vorstand Franz Kleinwächter übergab mit den besten Wünschen die beiden Brezeln ihrer Bestimmung und gab der Hoffnung Ausdruck, in den kommenden Jahren wieder eine Fahne unser eigen nennen zu dürfen. Bereits in dieser Nacht spendeten unsere Mitglieder 41 DM. Das nun kommende Jahr stand vollständig im Zeichen unserer zukünftigen Fahne. In zahlreichen Veranstaltungen und mit den Spenden unserer Mit- glieder gab man sein Bestes, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Im September 1952 wurde dann un- sere Fahne in der Taubstummenanstalt Kloster Ho- henwart bei Ingolstadt bestellt und bis April 1953 fertiggestellt. Vereinsmitglieder beim Gruppenfoto. Eine Jugendgruppe. Ein e Jugendgruppe. Am 9. und 10. Mai 1953 wurde sch ließlich in der Ausstellungshalle die Fahnenweihe mit einem gro- ßen Trachtenfest gefeiert. Groß war die Anzahl der Vereine mit dem Patenverein Almrausch an der Spitze, die zum Gelingen des Festes beitrugen, und stark war das Interesse der Karlsruher Bevölkerung an der zweitägigen Veranstaltung in der Ausstel- lungshal le am Festplatz und dem schönen Festzug durch die Innenstadt. Besonders erwähnenswert bei der Fahnenweihe in der Liebfrauenkirche ist, daß damals wohl zum ersten Male in einer Karlsruher Kirche bayerische Schrammelmusik erklang, welche unsere Sängergruppe zur Bauernmesse von A. Th o- ma begleiteten. Ein weiterer Markstein in der Vereinsgeschichte ist auch das 60jährige Stiftungsfest, das am 21./22. Juni 1958 unter der Schirmherrschaft von Ober- bürgermeister Günter Klotz in der Schwarzwald hal- le veranstaltet wurde. Gebirgs- und Volkstrachten, Musikkapellen, Jodlerinnen aus der Schweiz, Tirol, Bayern und dem Rhein-Main-Gau sowie unser Ver- ein sorgten für schöne Programme an beiden Tagen und einen herrlichen Festzug durch die Stadt. 1966 wurden al le das Vereinslokal betreffenden Proble- Heimatabend. me auf längere Sicht aus der Welt geschafft. Zu- sammen mit dem Gartenverein Oberer See wurde ein Vereinsheim erstellt. Unsere Mitglieder haben hierzu weit über 2.000 Arbeitsstunden geleistet und Materialwerte von 1.400 DM beigesteuert. Heute sind wir froh, daß wir im "Oberen See" ein Vereinslokal haben, in dem wir regelmäßig unsere Vereinsabende abha lten können - wie wir immer wieder von anderen Vereinen hören, ist dies nicht selbstverstä nd I ich . Leider bleibt auch der Bayernverein von der Ver- einsmüdigkeit vieler Mitbürger und Mitbürgerin- nen, vor al lem auch der jungen, zunehmend nicht verschont. Während wir unser 85- und 90-jähriges Vereinsjubiläum noch aus eigener Kraft mit einem großen Heimatabend feiern konnten, so müssen wir in den letzten Jahren - auch aufgrund des enormen wirtschaftlichen Risikos - kleinere Brötchen bak- ken. Für größere Auftritte ist zur Zeit unser Stamm an Aktiven zu klein. Nichtsdestotrotz hat der Verein nach wie vor ein lebendiges Vereinsleben. Die nach wie vor über 60 Mitglieder freuen sich, 1998 das Hundertjährige feiern zu können . ANGE LI KA SAUER VEREIN GRÜN- GRÜNDUNGS- DUNG MITGLIEDER Berufsvereinigungen ......................... . . . ......... ........... . . ..... . ..... Interessengemeinschaft 1979 Erb, Rudi Attraktives Mühlburg e.v. Gemeinnützige Vereine .... . ..... . . ................ . . . . . . . . . . . ..... .. ..... . ......... Freiwillige Feuerwehr 1848 Nagel Mühlburg Arbeiterwoh Ifah rt ; 1947 Kistner, Albert; Stadtbezirk Karlsruhe- Reger, Frieda; Mühlburg Reichert, Karl VdK Ortsverband; 1947 Bernius; Daubmann; Ka rlsru he- M ühl bu rg Dupper; Kurz, Margarete; Mehl, Karl; Merz, Daniel; Metzger, Mar ia; Müh lebach, Werner; Prescher, Kurt; Wagner, Paul; Walz, Hi lde ard; 9 Die Mühlburger Vereine im Jahr 1998 1 ZIELE UND ZWECK BESONDERE EREIGNISSE UND PUBLIKATIONEN . ... . .... . ..... . ............... . ......... . ................... Gemeinschaftliche Seit 1996 Veranstaltung Werbung für den eines Weihnachtsmarktes Stadtteil Mühlburg in Mühlburg; Durchfüh- rung verkaufsoffener Sonntage . . . ......... .. .... .. ........... ...... .......... . . . . ....... . .. Brandschutz, Katastro- Siehe Beitrag phenschutz, technische "Die Geschichte der Hilfele istung Freiwilligen Feuerwehr Ka rlsru he-M ü hlbu rg" Unterstützung von Bedürftigen und sozial schwachen Familien während der Nachkriegs- jahre; Initiierung und Durchführung sozia ler Hilfe leistungen; Beratu ngstätig keit Einsatz für die sozialen Rechte der Kriegshinter- bliebenen und Kriegsbe- schädigten; Einsatz für Versorgungs- und Rentengesetze; Einsatz für die Interessen von Behinderten, chronisch Kranken und älteren Menschen Bürgerverein Bürgerverein Mühlburg 1898 e.v. Karnevalsvereine Karn eva Isgesellschaft Fidelio e.V. Karlsruhe Mühlburger Carnevalsgesel lschaft e.V. 1898 1955 Bamberger, Helmut; Bastian, Karl; Benna, Herbert; Kopia k, Günter; Laible, Ella; Leimenstoll, Dieter; Leppert, Kurt; Mayer, Günter; Meppiel, Edgar; Gustav, Heinz und Horst; Nufer, Irmgard; Ruf, Dieter; Steiner, Heinrich; Zöller, Rolf 1969 Gun ia, Anneliese und Marita; Ilg, Ludwig; Schilling, Else und Hans; Weidemann, Hans; Wolf, Gloria und Lothar F. Pflege eines guten Verhältnisses zwischen Behörden und Bürger- schaft; Vertretung von Belangen und Interessen der Bürgerschaft Mühlburgs gegenüber der Stadtverwaltung Karlsruhe Pflege des fastnacht- lichen Brauchtums Pflege des karnevalisti- schen Brauchtums siehe Beitrag "100 Jahre Bürgerverein Mühlburg 1898 e.v." 1 965: Gründung der "Residenzgarde" der KG Fidelio; Verei nsnachrichten "Eulenspiegel", Jährliche Begleitschrift zur Fastnachtssaison 1978 bis 1997: Verleihung von 24 Deutschen Meistertiteln an die Tanzgarden; Fernsehauftritte in ARD, ZDF und regiona len Fernsehsendern; Gewinn des ZDF-Fern- sehgartenpoka ls durch die "Grünschnäbel"; Vereinseigenes Mittei- lungsheft "die Narreschell" Kl eingarte nvereine .... .. ... ......... ..... ... .. ... ...... ... ..... .. ..... . . .. . .... ..... . ... ...... .. ... .. .... . ... . .. ..... . ..... .. . ... . .......... Kleingartenverein 191 9 Förderung des Kl ein- 1974: Eröffn ung des Ver- Exerzierplatz e.v. gartenwesens; der Verein einsheims "Gärtner Hütt" ; erstrebt den Zusammen- 1982: Stromverlegung im schluß der Siedler und gesamten Gelände; Fest- Kle ingärtner in Karlsruhe schrift "60 Jahre Kleingar- und Umgebung tenverein Exerzierplatz Karlsruhe e.v. 1919 - 1979"; Festschrift "75 Jahre Klein - gartenverein Exerzierplatz e.v. Karlsruhe 1919 - 1994" Kleingartenverein 1919 Förderung des Klein- Städtisches Sonnenbad gartenwesens; Verwirk- e'v. Karlsruhe-Mühlburg li chung von Erholungs- und Freizeitfunktion der Kleingärten Kleingartenverein "Hinter 1919 Büh ler, Hans; Förderung des Kleingar- 1981 : Err ingen der der Hansa" HeB, Anton; tenwesens; Förd erung und Goldmedaille im Bundes- Wi ehl, atto Schaffung von öffentl i- wettbewerb "Gärten im chem, der Allgemeinheit Städt~bau"; Festschrift zugäng lichem Grüngelän- "75 Jahre Kleingartenver- de im Interesse der Ge- ein 'Hinter der Hansa' sunderhaltung der 1919 - 1994" Bevö lkerung Kulturelle Vereine . . . .. . .. . . ... . . ..... . .... . . . ....... .. . . ... . . . .... . .. ......... . .... .. .... ... .. . . . . ..... .... . . .. . . .. .. . ... . . .... ....... . . ... Bayern - und Trachten- 1898 Pflege und Erhalt von siehe Beitrag "Bayern- und vereinigung Weißblau Sitten und Gebräuchen Trachtenvereinigung Weiß- Almfrieden Kar lsruhe e.V. der bayrischen Heimat blau Almfri eden Karls- ruhe e.v." ; Vereins-Ch ronik Kulturverein Tempel e.v. 1984 Erhaltung, Restaurierung Jährliche Durchfüh ru ng u. Pfl ege des Kulturdenk- des Tempelfestes mals ehema lige Selden- eck'sche Brauerei und Be- re itstellung von Räumen für Musiker, Künstler, Ju- gendgruppen u. Vereine zu günstigen Bedingun- gen; Förderung der Kom- munikation der Mieter untereinander und mit der Öffentlichkeit durch Veransta ltungen Musik- und Gesangvereine ........................... . .. .......... .......................... ....... .. ....... . .. . ............ Männerchor Karlsruhe- 1837 West 1837 e.v. Zither-Orchester 1894 Pflege der Volksmusik und zeitgenössischer Zithermusik Bläserchor St. Peter- und - 1947 Degler, Carl; Mitgestaltung von kirch- Paul Mühlburg e.v. Heidelberger, Th.; lichen und weltlichen Kraut, G.; Veranstaltungen und Krotil, V.; Festen; Ausbildung und Kuhn, A.; Schulung von Musik- Müller, E.; freunden, insbesondere Penz, R.; Jugendlichen Schach, H.; Scheerer, K.; Werling, K. Harmonika 1986 Pflege und Erhal- Seni oren-Orchester tung der Volksmusik; Ka rlsru he-M ü hlbu rg Musizieren in Alten- und Pflegeheimen ........ . ..... . .......... . ........ 1837: Fusion der Gesellschaft "Casino" und des Gesangver- eins "Liederkranz" zum Männerchor "Casino- Liederkranz" ; 1837 - 1924: In Mühlburg entstehen die Gesangvereine "Maschinen- bauer-Sängerkranz (1837)", "Gesangverein Frohsinn- Mühlburg (1862)", "Volkschor West (1919)" und "Eintracht Mühlburg 1924", von denen einige 1946 in der "Sängerve einigung Mühlburg" aufgehe 1946: Gründung der "Sänger r- n· vereinigung Mühlburg"; 1976 Fusion der "Sängervereinigun 9 Mühlburg" und des 1905 gegründeten "Silcherbunds Karlsruhe" zum "Männerchor Karlsruhe-West e.v." 1974: das Jugendquintett St. Ingbert belegt beim Ju- gendwettbewerb des Deut- schen Zitherbundes den ersten Platz 13.-20. Sept. 1989: Konzertreise nach Malta auf Einladung der maltesischen Regierung aus Anlaß der 25. Wiederkehr des Unabhängig- keitstages; Festschrift "25 Jahre Bläserchor Mühlburg 1947- 1972" ; Festschrift "50 Jahre Blasmusik 1947- 1997" Festschrift "10 Jahre Har- monika - Senioren Karlsruhe- Mühlburg 1986- 1996" Sportvereine .... . .......... . .... .. ... ........ . .. . . . ................... . ............... . .... . ......... . ... . ... . .. . . . .. .... .... . ...... . . Turnerschaft 1861 Bischoff, Ch.; Ausübung des Turnsports 1968: Einweihung des neuen Mühlburg 1861 eV Dobmann, H.; sowie der Sportarten Vereinsheims auf dem Ge- Morlock, H.; Handball, Ski, Leichtath- lände hinter dem Mühlburger Scheuerpflug, A.; letik, Tennis, Tischtennis, Bahnhof; 1986: Verleihung Schübelin, G.; Volleyball und Wandern der Sportplakette des Bun- Stemmermann, H. despräsidenten; Jubiläums- festschriften 1951, 1961, 1986 Karlsruher 1891 Bensemann, W.; Ausübung des Fußball- 1910: Deutscher Meister; Fu ßballverein e.V. Drach, R.; Just, G.; sports sowie der Sport- seit 1963 Kontakte der KFV- Helbing, H.; arten Tennis, Gymnastik Jugend zu Vereinen in USA Langer, E.; Roth, C.; und Bowling; Ausrich- und Kanada; 1990: Vier- Stutz, W.; tung von Turnieren und Städte-Turnier zwischen Wagner, R.; Gedächtn isspielen Karlsruhe und den Partner- Zimmer, A. städten Nancy, Halle und Nottingham; "90 Jahre Karls- ruher Fußballverein 1891 - 1981 "; "100 Jahre Karlsruher Fußballverein 1891 - 1991" Radsportgemei nschaft 1898 Ausübung der Sportarten siehe Beitrag "100 Jahre Karlsruhe e.v. 1898 Rennsport, Kunstradfah- Radsportgemei nschaft ren, Radball, BMX-Free/ Karlsruhe" Style und Rad-Touren- fahren DJK Blau-Weiß 1922 Büchel, Werner; Ausübung der Sportarten 1926: in den Meisterschafts- Mühlburg Fitz, Hans Albert; Fußball, Damengymna- spielen der DJK-Vereine wird Förderer, Anton; stik und Freizeitsport der DJK Blau -Weiß Mühlburg Groß, Bernd; (Fußball-AH, Volleyball, süddeutscher Meister; 1933: König, Alfons; Boccia) Vereinsverbot; 1965: Neu- König, Bernhard; gründung des Vereins; 1978: Maier, Joachim; Einweihung des Sportplatzes Maisch, Werner; am Mühlburger Bahnhof und Makschin, Joachim; des Vereinsheims; Festschrift Reinach, Heinrich; zur Einweihung; Festschrift Scheerer, Ka rl; "25 Jahre DJK Blau-Weiß Scherer, Walter; Mühlburg 1965 - 1990" Schneider, Karl; Wasner, Bruno; Weber, Ludwig; Werling, Kurt; Wild, Willi Sportverein Schwarz- 1952 Hartmann, Her- Förderung und Durch- 1976: Baufertigstellung Weiß Mühlburg 1952 e.v. mann; führung aller Sportarten, des Clubhauses in JODS, Günther; insbesondere des Eigenarbeit; 1994: Strack, Josef Fußballsports und der Wiedereinführung der Damengymnastik Jugendarbeit Schützen-Club 1957 Dammert, Herbert Pflege und Ausübung 1961: Inbetriebnahme des Mühlburg e.v. und Hildegard; des Schießsports; Schützenhauses in der Fränkel, Albert; Durchführung von Honselistraße; 1968: Häusser, Ruth; Schießsport- und Aufnahme des Schieß- Lorenz, Dieter; geselligen Veran- betriebs an der neuen Ruf, Horst; sta ltungen Schießsportanlage mit Schaber, Helmut Vereinsheim; 1973: Grün- und Heinz; dung einer Bogensport- Schneider, Herbert abteilung; 1982: Ein- und Sieglinde; weihung der Vereinsfahne; Schulte, Siegfried; Erfolgreiche Teilnahme an Stubenrauch, Kreis-, Landes- und Magda und deutschen Meisterschaften Wilhelm; Walch, Rolf; Weimar, Gerhard Tierzuchtvereine ........................ .... .. ... .... . ....................... . ..... . ...... . ... . ...... .... ... .... ... ..... ..... ... ...... ... . Brieftaubenverein Züchten von Brieftauben Mühlburg 1. Poli ze ihundesportver- Durchführung und ein Karlsruhe-Mühlburg Teilnahme an Zucht- schauen 1 Zusammengestellt aufg rund der Angaben der Vereine Vorstandschaft des Medizinalvereins von 1900. Der Verein besteht heute nicht mehr. literaturauswahl Susanne Asche: Die Bürgerstadt, in: Dies./Olivia Hochstrasser, Durlach : Staufergründung, Fürstenre- sidenz, Bürgerstadt, Karlsruhe 1996, S. 147-444. [Josef Bader]: Die Residenzstadt Karlsruhe, ihre Ge- schichte und Beschreibung. Festgabe der Stadt zur 34. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärz- te, Karlsruhe 1858. Adolf Bayer: Die neue Stadt Mühlburg nach der Planung von Georg Andreas Böckler ab 1688, Karls- ruhe 1981. Rainer Beck/Winfried Flammann: Die Selden- eck'sche Brauerei in Mühlburg, in : Industriearchi- tektur in Karlsruhe, Karlsruhe 1987, S. 32-50 (Ver- öffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 6). 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Ortsindex bearbeitet von Ernst atto Bräunehe A Adlerquerstraße 15 Alb 71 Albgrün 64 Albstraße 15 Altstadt, Karlsruhe 207 Arrestloka l 29 Ausste ll ungshalle, Karlsruhe 275 Autobuslinie Mühlburg-Daxlanden 36 Autoreparaturwerkstatt 131 B Bachstraße 13, 15, 17, 40, 47-50, 221 Baden-Baden 22, 199, 213 Baden-Württemberg 221 Bahnhof 30, 36-38, 45, 62, 155, 166-168, 172, 281, 282 Bahnhofstraße 15 Bannwaldallee 59 Base l 17, 22, 235 Bauernhof 40, 85, 152 Bayern 275 Beiertheim 17, 207 Beiertheimer Allee 33, 37 Berlin 261 Binsenschlauchsied lung 71 Brahmsstraße 40, 48 Brauereien 15, 23, 30, 108-113, 172, 215, 280 Brauerei Gottesau 23 Se ldeneck'sche Brauerei 108-113, 172,215 Union-Brauerei 15 Bulach 17, 121, 122 c Carl-Benz-Halle 33, 152, 221, 239, 241, 243, 247, 259, 282 D Dachau 99 Daxlanden 36, 37, 41, 47, 59, 97,103,121,122,207,213, 215,217,219 Dragonerkaserne 233 Drais-Denkmal 265 Duisburg 123 Durlach 17, 19,22,23,42,47, 185,188,199,200,212,213, 221, 223, 224, 265 Durmersheimer Straße 58 E Ebertstraße 62, 64, 65, 75 Eggenstein 217 Ehrenmal 217, 224 Eichstett 17 Eisenbahnstraße 15 Elsaß 28, 265 Emmendingen 17 Entenfang 57, 59, 61-65, 70-73, 78, 79, 83, 160, 162, 163, 237 Erzbergerstraße 71 Essen 239 F Fabrikstraße 30 Firmen und Geschäfte Badische Kartoffelmeh lfabr ik Wah l & Cie 30 Bäckerei Eugen Häberle 134 Bäckerei Müller 50 Bäckerei und Konditorei Karl Reinmuth 134 Ba u materia liengeschäft Friedrich Kohler 135 Brauereien siehe dort Drei-linden-Apotheke 57 Fabrik Dr. Schmittborn 15 Fahrradhaus Witzemann 132, 133 Fischbeinfabrik 26 Glacelederfabrik Mühlburg vorm. R. ElIstätter 30 Kartoffel meh Ifa bri k Wahl & Cie 30 Kaufhaus Woolworth 183 Ko lonia Iwarengeschäft Karl Scheuerpflug 129 Kondima 36 Krappfabrik 23, 26 Ma lzfabrik Leopold Eypper 30 Ma lzfabrik Wimpfheimer 12, 30, 49,86,87,171, 191,208,216 Masch i nen ba ugesellschaft, vorma ls Maschinenfabrik Keßler und Martiensen 37,41, 49, 203, 207 Maschinenfabrik Seneca 12, 30,114-119,172 Michelin 41 Möbelfabrik Markstahier & Barth 53 Nahrungsmittelfabrik Brenner 49 Rheinapotheke 38 Zigarrenhaus Eder 145 Fa Iterstraße 30 Feierabendweg 49, 53 Festhalle, Karlsruhe 269 Festplatz, Karlsruhe 207, 275 Feuerwehrgerätehaus 165, 224 Fliederplatz 30, 36, 147, 168, 217, 236, 240, 243 Flugplatz 49 Frankreich 47 Freiburg 17,30 Friedhof 210,217,221,224,238 Friedrichstraße 15 G Gasthäuser 13, 19, 21, 23, 25, 26, 30,49,52,88,137,141,144,176, 182, 205, 207, 208, 216, 233, 241, 248, 251, 253-255, 269 Adler 88 Anker 49 Blume 23 Cafe Müller 126 Goldener Anker 44, 144 Goldener Hirsch 141 Jägerha us 216 Kühler Krug 64,158,219 Löwen 23 Ochsen 23 Ritter 29 Schwanen 23 Stadt Karlsruhe 182 Sternen 176, 177 Strauß 21, 23 Westendhalle 49, 234, 235 Zu den drei Linden 20, 49, 52,53,93,130,207,210,211 Zum Adler 144 Zum Engel 255 Zum Hirschen 13, 23, 25, 207 Zum Lamm 137, 253 Zum Rheinkanal 126, 129 Zum Storchen 233 Zum Tiroler 269 Gaswerk, Karlsruhe 30 Geibeistraße 102, 147 GelIertstraße 65 Gemeindehaus, ev. 93, 102 Gemeindezentrum Peter und Paul 261 Getreidelagerhaus 121, 124, 125 Gluckstraße 49 Glümerstraße 147 Gottesa u 109 Grevenbroich 265 Großherzog lichen Hoftheater, Karlsruhe 200 Grötzingen 17, 31, 53, 263 Grünwinkel 40, 47, 97,98,101, 109,207,213,215,217 Gurs 43, 47 Gymnasium, Karlsruhe 31 H Hafen, Maxau Hagsfeld 17, 47 Hamburg 235 Händelstraße 47, 48, 64 Hardt 18 Hardtstraße 15, 30, 31, 37, 41, 49, 59,60,65,81,87, 109,136-139, 141,142,166,208,216,235 Hardtwald 261 Hauptbahnhof 207, 235 Hauptfriedhof, Leichenhalle 48 Heidelberg 30, 200 Heilbronn 123 Heimgartenweg 49 Hirschstraße 23, 269 Holland 261 Holzmühle 19 Honselistraße 42, 44, 45, 59, 63, 259, 283 Ismaning/München 263 J Jung-Stilling-Saal 221, 239 K Kaiserallee 15, 59, 65 Kaiserstraße 15 Kärcherstraße 11 5 Kasino 49 Kinder- und Jugendtreff Mühlburg 30, 36, 167,169 Kirchen 12, 23, 26, 46, 53, 66, 78, 79, 83, 91, 93, 96-99, 128, 138, 175, 221, 242, 244, 248, 249, 269, 275 Ka rl-Fried rich-Gedächtn iski rche 12,53,90-96,101,174 Liebfrauenkirche, Karlsruhe 275 St.-Peter-und-Paul-Kirche 12, 46, 53, 65, 71, 73, 78, 79, 83, 96- 99,128, 185, 242 Kleine Straße 15 Knielingen 17, 22, 27, 47, 54, 61, 91,98,215 Kohlplatte 208 Köln 49, 123, 265 Kriegerdenkmal 30, 145, 174, 175, 238 Kriegsstraße 33, 37, 59, 61, 63, 11 5, 255 L Lameyplatz 43-46, 49, 57, 79, 82, 178, 179, 238 Lameystraße 15, 19,49,51,57, 59-62, 64, 66, 81, 84, 143, 144, 180, 181,225 Laubenweg 53 Leimen 263 Leopoldshafen 98, 121 Leyerles Häusle 84 Limoges 265 Lindenplatz 15,30,91,138,145, 147, 176, 177. 207, 221, 238 Linkenheim 259 Lübeck 49 Ludendorffstraße 49, 53 Ludwig-Marum-Straße 39 Ludwigshafen 123 Luftsch utzra u m 53 Lutherisch Wäldele 39 M Mahnmal 238 Mainz-Hechtsheim 263 Malsch 221 Mannheim 22, 33, 65, 123, 259 Marktplatz 15 Marktstraße 15, 16, 148,149 Maulbronn 189 Maxau 98 Maxaubahn 13, 17, 30, 36, 37, 39, 115, 121 Maxaubahnstraße 49 Maxstadt 265 Militärschwimmschule 126, 158 Moltkestraße 41, 49, 142 Mosbach 265 Mühlburger Brücke 26 Mühlburger Feld 57, 61, 70, 71, 73, 75, 77, 80, 237 Mühlburger Landstraße 15 Mühle 17, 19, 21, 22, 26, 43, 45, 127, 178, 210, 238 Mühlstraße 145 N Neckarsulm 259 Neudorf 265 Neureut 17, 61 Neureuter Straße 63 Nordrhein-Westfalen 265 Nordsternsiedlung 47-50, 65, 70,213,114 Nordweststadt 71 Nottingham 261 Nuitsstraße 15, 49, 53, 65, 66, 70, 131 .. .. o Oberer See 276 Oberfeld 33, 37, 41 Öflingen/Wehr 262 p Pfaffenrot 31 Pfalz 43, 57 Pforzheim 22 Phillippstraße 50, 64 Pirmasens 269 Polen 43 Polytechnikum, Karlsruhe 31 Post 62, 72, 78 , Prinz-Max- Palais, Karlsruhe 261 Promenaden haus, Karlsruhe 115 Pyrenäen 43 R Rastatt 61, 65 Rathaus 28, 29, 33, 91, 101 , 164, 165,207, 223, 262, 265 Rathaus, Karlsruhe 262 Reichenbach/Fils 263 Reichsstraße 235 Rennbuckel 40 Rennbuckelsiedlung 71 Rhein 17,27,59,121,123,203, 235, 266, 267, 269, 275 Rheinbrücke 28 Rhein - Main - Gau 275 Rheinbrückenstraße 63 Rheingold-Filmtheater 217 Rheinhafen 40, 47, 57, 61 , 65, 120- 124,213,221 Rheinstraße 36, 46, 49, 53, 57-59,61,63-71,73,75,80,83, 89 , 126-128,130-134, 136, 162, 163,191,214,233- 236 Rintheim 17, 53, 207 Robertsau 263 Rostock 49 Rüppurr 207, 223 5 Schloß 19-22, 91, 200, 210 Schloßkirche, Karlsruhe 91 Schloßstraße 15 Schräck 121 Schu len 14, 23, 37, 49, 75, 97, 100,105, 233, 241, 248, 249 Draisschule 103, 106, 107, 219, 225, 261 Hardtschule 37, 101 - 103, 138,145,160,219,223 Herbert Norkus- Schule 103- 105 Vogesenschule 59,101-103,223 Schwarzwald 269 Schwarzwaldhalle, Karlsruh e 275 Schweiz 28, 275 Schwimmschulstraße 14, 126 Sedanstraße 15, 153, 221 Seldeneck'sches Feld 57, 235 Seldeneck'sches Freigut 109 Seldeneck'sches Sch läßchen 24, 26, 30, 11 0, 111, 145 Selz 17 Siemenssiedlung 71 Silospeicher 221 Sindelfingen 263 Sondern heim 123 Sonnenstraße 48 Sophienstraße 71, 73 Spanien 43 Speyer 19 Sportplatz der Turnerschaft Mühlburg 82 Sportplatz des VfB Mühlburg 49 Städtisches Klinikum 220, 223 Stadtgarten, Karlsruhe 37, 269, 271 Stefanienstraße, Karlsruhe 28 Steighaus 207, 208 Sternstraße 15, 49, 85, 152, 154, 223 Steubenstraße 49 Stösserstraße 30, 36, 41, 142 Straßburg 17, 23 Stuttgart 261, 265 Südtangente 59, 62, 64, 103 T Tabakmühle 26 Tankstelle 139 Tannhäuserstraße 49 Taubenturm 19, 20 Tauberbischofsheim 239 Teutschneureut 98 Technische Hochschule (TH), Karlsruhe 233 Telegraphenkaserne (Ludendorffstraße) 49 Tiral 275 Turnhalle 37, 38 u Uferweg 155 USA 265 v Vereinshaus des Fe Phoenix Müh lburg 187 Vogesenbrücke 160, 238 Vogesenstraße 59 w Waisenhaus 36 Wassersch loß 143 Weinbrennerstraße 57, 61, 73 Weingärtensied lung 49 Weinheim 217 Welschneu reut 98 Werfthallen 121, 123,221,237 Werftstraße 40 Wiesental 265 Wimpfen 21 Wissembourg 265 Wohnhaus des Hafenamtsvorstands 121, 122 y Yorckstraße 14 z Zinken 208 Personen index Bearbeitet von Kat ja Linder A Alexander, Kaiser von Rußland 26 Allgayer, Josef 237, 239 Ankhelen, Gottlieb 28 Antonowitsch, Bernd 248 Arker, Irene 239 Armbruster, Karl 256 Arnold, Prof. Engelbert 233 B Bacare ll a, Nina 266, 267 Backhaus 71 Baden, von Friedrich 1., Großherzog 121,233 Hermann, Markgraf 17 Karl Friedrich, Markgrafl Großherzog 91, 109 Luise, Großherzogin 36, 37 Philipp 1., Markgraf 19 Rudolf Hesso 17 Rudo lf IV., Markgraf 17 Rudo lf VI., Markgraf 17 Wi lhelm, Markgraf 201 Baden-Durlach, von Ernst Friedrich, Markgraf 19 Fried rich VI., Ma rkg raf 22 Friedrich Magnus, Markgraf 23 Karl, Markgraf 19 Karl Wilhelm, Markgraf 199 Wilhelm Ludwig, Prinz 23, 91, 109 Ba ll , Dr. Hermann Otto 217, 218 Bamberger, Helmut 278 Barquet, Lintgard 245, 248 Barth, Jürgen 224 Bastian, August 254 Bastian, K. (Frau) 254 Bastian, Ka rl 278 Batschauer 142 Bauer, Christian 28 Bayern, Luipold, Prinzregent 269 Becker, Karl 239 Becker, Ralph W. 75 Bee r, Li ese I 49 Behnke, Christa 247 Beier, Heiko 226, 228, 229 Benna, Herbert 278 Bensemann, Walter 281 Benz, Kar l Friedrich 31-33 Berg, Franz 252 Berg, Oliver 228 Bergmann, Dietrich 225, 226, 228, 229 Bernius 277 Betz, Gustav 237 Bickel, Jürgen 248 Biro, Laszlo 223 Bischoff, Ch. 281 Bischoff, Gemeinderechner 15 Bitterwolf, Horst 228, 229 Bitterwolf, Luise 207 Bluck, Hagen 226, 228, 229 Böckler, Georg Andreas 22 Botta, Judith 267 Böttcher, Eberhard 218, 228, 229 Böttger, Udo 228 Braun, Jürgen 225 Brehmer, Carl 237, 239 Brenner, Klaus 243, 248 Brosinsky 71 Büchel, Werner 282 Buchenau (Stadtrat) 223 Bühler, Hans 279 Bürger, Emi l 254, 255 c Contini, Dennis 228 Cramer, (Frau) 243 Cunzmann, Hans 17 D Da Silva, Raphael 228 Dafferner, Albert 252 Dammert, Herbert 283 Dammert, Hi ldegard 283 Dannenmaier, Nicole 228 Daubmann 277 Daubmann, Karl 225 Debatin 218 Deck 29 Degler, Carl 281 Deimling, August Friedrich 28 Dhollt, Hans Georg 23 Dietrich, Albert 228, 229 Dissinger, Else 238 Dobmann, H. 281 Doldt, Ado lf 210, 211, 227 Doldt, Albert 239, 241, 242 Do ldt, Ferdinand 208, 209, 227, 234 Doldt, Friedrich 207 Do ldt, Gustav 211 Doldt, Hermann 207 Doninger, Jürgen 228 Dörrfuß, Johann 29 Drach, R. 281 Drais von Sauerbronn, Karl Friedrich Freiherr 255, 259, 261, 265 Dullenkopf, Otto 221, 241 Dupper 277 E Ebert, Richard 90 Eder, Alfred 218, 225, 228, 229 Egler, Prof. Carl 33, 238, 241 Eidenmüller, Ulrich 223 Eiseie, Karl 215 Engel, Heinrich 239, 241, 242 Ensberger, Ferdinand 239 Enzinger, Pascale 228 Erb, Rudi 277 Erhard, August 237 Ermel, Hans Bernet 23 Ernst, Kurt 224, 248 Ernst, Marianne 248 Eschbach, Patrick 228, 229 Essig, Mathias 228 Eypper, Leopold 30 F Farrenkopf, Helmut 217, 221 Fecht, Johan n 22 Feil 217 Feix, Denis 266 Fenrich, Ellen 248 Fetzer, Otto 239, 241, 242 Fitz, Hans Albert 282 Förderer, Anton 282 Fränkel, Albert 283 Friedmann, Marcel 215, 217-219, 221,223,225,227 Friton, Rainer 228, 229 Fritz, Miriam 267 Funk, Egon 239 G Gabser, Stadtrat 205 Ganz, Chr. 258 Gärtner, Alfred 75 Geppert, Horst 242 Golling, Friedrich 209 Grashof, Franz 31 Griesbach, Wilhelm Christian 26 Gröber, Karl 237 Grombacher, Fritz 221, 215, 218, 221 GroB, Bernd 282 Gunia, Anneliese 278 Gunia, Marita 278 Gurk, Dr. Franz 217 Gymsel, Balthis 19 H Haas 22 Häberle, Eugen 134, 237 Häberle, Gerhard 241, 242 Habsburg, Rudolf von 17 Hartleben, Theodor 23 Hartmann, Hermann 283 Haueisen, Albert 99 Haug, Rainer 258, 267 Haug, Willi 221 Hauk, Wilhelm 233 Häusser, Ruth 283 Heck, Frank 248 Hefen-Eberstein, Zimbrecht von 19 Heidelberger, Th. 281 Helbing, H. 281 Hengst, Christian 200 Henninger, Arthur 237 Herbig, Alexander 228 Herrmann, Torsten 225, 229 HeB, Anton 279 Hesse, Herman n 249 Hetz, Philipp Ludwig 23 Hitler, Adolf 42 Hoffmann (Pfarrer) 224 Hollingshaus, Robert 228, 229 Holstein, Friedrich 85 Honsell, Max 121 Horn, Werner 247 Hottner, Xaver 139 Huber 97 Huber, Barbara 257, 267 Huber, FI. 260 Huber, Jörg 257, 258, 267 Hugenschmidt, Dr. Karl Heinz 245 Huhn, Eugen 26 Ih m, Dr. Eduard 48 IIg, Ludwig 219, 239, 241, 242, 278 Isemann, Friedrich 99 J Jahn, Paul Hugo 219, 221 Jäke l, Marita 261 Johe, Thomas 228 Joos, Friedrich 207 Joos, Günther 283 Jung, Hans W. 75 Jung, Werner 241 Just, G. 281 K Karcher, Otto 237-239, 241, 242 Kaufmann 218, 226 Kaufmann, Andreas 228, 229 Kaufmann, Rene 228, 229 Kaufmann, Sven 228 Kiefer, Christian 227 Kiefer, Fritz 256 Kiefer, Udo 228 Kistner, Albert 277 Kistner, Wolfgang 241, 242 Kittl, Anton 257, 267 Klausmann, Hermann 218, 221, 226, 228,229 Kleinwächter, Franz 273 Klemm, Peter 243, 248 Klotz, Günther 237, 275 Klump, Jost 19 Klu mpp, Anton 237 Kobek, Günter 260 Kohler, Friedrich 135, 203, 233, 237, 239, 241, 242 Kohler, Johann 28 Lorenz, Doris 247 Nerlinger, August 115 Kohm, Frank 225 Louis, Günter 221, 223, 225, 226, Nill, Stefan 23 Kohm, Udo 221, 223-225, 227-229 228, 229 NolI, Heinrich 251 König, Alfons 282 Ludwig, A. 227 Nufer, Irmgard 278 König, Bernhard 282 König, Siegfried 223 M 0 Konrad IV., Kaiser 17 Kopiak, Günter 278 Maag, Karl 28 Oberle, Ernst 233 Köppel, (Frau) 256 Köppel, Karl 256 Machauer, Andreas 248 Ortner, Daniela 260 Kraut, G. 281 Maier, Joachim 282 Ortner, Helmke 261 Krotil, V. 281 Maisch, Werner 282 Ortner, Hermann 254, 256 Kudert, Manfred 248 Makschin, Joachim 282 Ortner, Maria 257, 267 Kugel, Georg 203 Marcus, Jürgen 247 Ortner, Rüdiger 257, 261, 267 Kuhn, A. 281 Maurath, Ferdinand 99 Ortner, Werner 256 Kumeth, Andreas 248 Mayer, Günter 278 Otto, Dr. Konrad Friedrich Emil 26, Kümmerle, Markus 228, 229 Meese, Franz 116 28 Kuntz 259 Meffert, Johanna 75 Kury, Michael 224 Meffert, Martin 75 p Kurz, Margarete 277 Mehl, Karl 277 Menzinger, Toni 221 Papen, Franz von 42 L Meppiel, Edgar, 278 Meppiel, Gustav 278 Penz, R. 281 Meppiel, Heinz 278 Pertzborn, Emil 215 Lahr, Thomas 28 Meppiel, Horst 278 Pfeifer, Bernhard 155 Laible, Ella 278 Merz, Daniel 277 Pfeifer, Friedrich 203, 205, 207-209, Lamm, Gerhard 225, 228, 229 Merz, Georg 215, 227, 228 227 Lamm, N. 229 Metz, Karl 200 Pfeifer, Hermann 238, 239, 241, 242 Lamm, Thomas 228, 229 Metzger, Maria 277 Pfeifer, Karl 211, 227 Lang, Helmke 257, 267 Morlock, H. 281 Pfeifer, Simon 200, 227 Lange, Karin 257, 267 Moser, Gerhard 219, 221, 223, 225, Pflästerer, earl 57, 63 Langer, E. 281 227, 241 Pfortner 217, 221 Lassahn, P. G. 242 Mühlebach, Werner 277 Pietruska, Brigitte 266, 267 Lattner, Franz 227 Müller (Stadtrat) 217 Pietruska, Karin 266, 267 Lauer, Architekt 71 Müller, August 203 Potschka, Manfred 228 Lazoo, Kai 228 Müller, Bernhard 207 Prescher, Kurt 277 Leh meier, Josef 270 Müller, E. 281 Leimenstoll, Dieter 278 Müller, Franz 255 R Leppert, Kurt 278 Musahl, Rainer 221,225 Lerchenmüller, (Pfarrer) 242 Leyer, Edeltraud 267 N Raban, Erzbischof von Speyer 19 Leyerle, Wilhelm 84 Rabbold, Fred 247 Linde, Otto 20 Rahäuser, Friedrich 47 Link, Jürgen 248 Nagel 277 Rastetter, Richard 215 Loren, Sophia 76 Nagel, Hans Jakob 23 Rauprich, T. 258, 260 Lorenz, Diete r 283 Nagel, Torben 228 Redtenbacher, Ferdinand 31 Reger, Frieda 277 Reichert, Karl 277 Rei nach, Hei nrich 282 Reinmuth, Karl 134 Reitz, Emil 254, 256 Reitz, Klaus 257, 260, 267 Reitz, Manfred 256 Reitze, Jürgen 218, 224-228, 229 Reize, Heinz 225 Retey, Albert 265 Reuss, Tobias 228, 229 Ritter, August 33 Rossmann, Erich 75 Roth, C. 281 Roth, Roland 228 Roth, Kar l 205 Ruder, Franz 228 Ruether, Horst 247 Ruf, Dieter 278 Ruf, Ferdinand 239, 241, 242, 249 Ruf, Horst 283 Ruland, Friedl 273 Ruland, Fritz 273 Rüssel, Günter 221, 223, 239, 259 Rüssel, Sebastian 205 s Sattler, Joachim 228, 229 Sauer, Wolfgang 247 Schaber, Heinz 283 Schaber, Helmut 283 Schach, H. 281 Schadowski, Dieter 263, 267 Schadowski, Rai ner 261, 263 Schäfer 260 Schäfer, Gertrud 248 Schandeiwein, Dieter 219,221 Schätzle, Rainer 228 Schätzle, Rolf 218, 225, 228, 229 Scheerer, Karl 89, 281, 282 Schendzielorz, Ernst 241, 242 Scherer, Walter 282 Scheuerpflug, A. 281 Scheuerpflug, Karl 129, 207 Schilling, Else 278 Schilling, Hans 278 Schippereit, Klaus 248 Schlager, Julia 266 Schiebach, Wilhelm 205 Sch lesiger, Horst 77 Sch lindwein, Anette 228 Schloms 71 Schlotterbeck, Hans Jerg 23 Schmalkalder, Hans 20 Schmerbeck, Peter 223, 225 Schmidt, Daniel 29 Schmit 29 Schneider, Albert 234, 235, 237 Schneider, Günter 260 Schneider, Herbert 283 Schneider, Hermann 211, 221 Schneider, Karl 282 Schneider, Sieg linde 283 Schnetzler, Karl 207, 234 Schübelin, G. 281 Schuchmann, Heinz 217, 238 Schulte, Siegfried 283 Schultheis, Walter 247 Schwab, Maria 207 Schwaninger, Uwe 226, 228, 229 Seebohm, Hans-Christoph 238 Seiler, Prof. Dr. Gerhard 232 Seiler, Julius 215, 217-219 Se ideneck, Christine Freifrau von 23 Seideneck, Hans Freiherr von 26, 30, 90,103 Seneca, Ferdinand jr. 115 Seneca, Ferdinand sr. 115 Sheer, Ireen 246, 247 Siebentritt, Horst 242 Singer, Eugen 217 Spielmann, Major 217 Stein, Gerhard 221 Steiner, Heinrich 278 Stemmermann, H. 281 Stephan, Helmut 238, 239 Stöhr, Uwe 228 Stolz, B. 260 Sto lz, Christian 28 Strack, Josef 283 Strauß, Franz 21 Strieder, Wilhelm 37 Stubenrauch, Magda 283 Stubenrauch, Wilhelm 283 Stückle, August 233 Stutz, W. 281 Sutter, Karl 201, 227 Sutter, Ludwig 23 T Teuffel, Prof. Gisbert von 93 Thoma, A. 275 Tilly, Johann Graf von 21 Trede, Hans 211-213 u Üsenberg, Hesso von 17 v Verdone, Luigi 224, 225, 228, 229 Vitrano, Micheie 228, 229 Vogel, Annette 260 Vogel, August 254-256, 259 Vogel, Heinz 223, 225, 241-243, 245, 247, 248, 256, 257, 260 Voigt, Rudi 221 Volm, Johann 221 w Wagner, Dr. Theodor 28 Wagner, Michael 257, 258, 260, 267 Wagner, Paul 277 Wagner, R. 281 Wagner, Theodor 30, 31 Walch, Rolf 283 Walz, Hildegard 277 Wasner, Bruno 282 Weber 29 Wenner Alfred jr. 227, 228, 229 Wintermantel, Gina 267 Weber, Gerhard 226, 228, 229 Wenner, Friedrich 228 Witzema nn, Frau 132 Weber, Horst 225, 226, 228, 229 Wenner, Gerhard 225, 228 Wolf, Gloria 278 Weber, Ludwig 282 Werling, Kurt 281, 282 Wolf, Lothar F. 278 Weber, Marc 258, 228, 229 Werner, Johann 23 Wörner, August 233 Wechsler 91 Westphal, Julius 228 Wörner, Wilhelm 15 Weidemann, Hans 278 Weyhing, Johann Friedrich 91 Weimar, Gerhard 283 Wiechmann, Bernd 223 Z Weinbrenner, Friedrich 199 Weineich, Heinz 218, 225, 228, 229 Wiedemann, Hans 243 Weineich, Markus 228 Wiedemer, Jürgen 243, 245, 247, Zeiller, Martin 21 Weinlein, Frank 228 248 Zimmer, A. 281 Weiß, Karl 256 Wiehl, Otto 279 Zimmermann, Karl 28 Weiß, Wilhelm 203, 207-209, 227 Wild, Willi 282 Zink, Julius 233 Weisser, Horst 245, 247, 248 Williamson, Jürgen 228 Zinsmeier, Kurt 256 Weisser, Kurt 237 Williard, Adolf 97 Zizza , Cosimo 228, 229 Wenner, Alfred sr. 211-213, 215, Winter, Ralf 228 Zöller, Rolf 278 217-219,227,228 Winter, Sven 228 Zorn, Michae l 228, 229 Abbildungsnachweis 12 StadtAK 8/PBS Xilla 91 56. u. StadtAK 5/NI Pfästerer 90 94 u. StadtAK 8/Alben 174,42 13 StadtAK 3/B 21 58 StadtAK 8/Alben 174, 188 95 StadtAK 8/PBS oXIVc 49 14 StadtAK 8/Zeitungen 70 StadtAK 8/PBS oXllla, 181 96 StadtAK 7/NL Willi ard 88 15 StadtAK 8/Alben 174, 11 74 u. StadtAK 8/Alben 3 Bd. 4, 97 StadtAK 8/Alben 174,185 16 u. StadtAK 8/Alben 174, 80 XV,3 98 o. StadtAK 7/NL Williard 89 18, 19 StadtAK 8/PBS XVI 2 77 StadtAK 8/BA Schlesiger 98 u. StadtAK 8/Alben 174,47 20 StadtAK 8/PBS XVI 1040 A3 121/6/1 5 A 99 StadtAK 8/Alben 174,179 21 StadtAK 8/PBS XVI 1035 78 o. StadtAK 8/BA Schlesiger 100 StadtAK 8/PBS XIVd 59 22 Die Wappen in Karlsruhe, A4 22/7/32A 101 o. StadtAK 8/PBS XIVd 61 Karlsruhe 1986 78 u. StadtAK 8/BA Schlesiger 103 I. StadtAK 8/Alben 42,196 23 o. StadtAK 8/Alben 174/1 A4 5916/22 103 r. StadtAK 8/BA 23 u. StadtAK 8/Alben 174, 5 79 o. StadtAK 8/BA Schlesiger Verkehrsverein 3383 24 o. StadtAK 8/PBS XVI, 8 A313/1/23A 104 StadtAK 8/Alben 6, 22 25 u. StadtAK 8/PBS IV 152 79 u. StadtAK 8/BA Schlesiger 105 StadtAK 8/BA 27 StadtAK 8/PBS VI, 5 A3 34/5/26 A Verkeh rsverein 2025 28 StadtAK 8/PBS XIVa 629 80 o. StadtAK 8/BA Schlesiger 106 StadtAK 8/BA 30 StadtAK 8/PBS oXIVb 138 A2 70/3/1 Verkehrsverein 3584 31 u. StadtAK 8/PBS III 1263 80 u. StadtAK 8/BA 107 StadtAK 8/BA 32 StadtAK 8/Alben 174,8 Verkehrsverein 3570 Verkehrsverein 1854 33 StadtAK 8/Alben 174, 7 81 o. StadtAK 8/Alben 174, 59 109 StadtAK 8/PBS oXIVf 122. 36 o. I. StadtAK 8/PBS XIVa 517 81 u. StadtAK 8/Alben 174, 77 110 o. StadtAK 8/PBS oXIVe 818 36 o. r. StadtAK 8/Alben 174, 11 2 82 StadtAK 8/Alben 3 Bd. XV, 112 o. StadtAK 8/PBS oXIVf 219 36 u. StadtAK 8/PBS XI 111 10 112 u. StadtAK 8/BA Schlesiger 38 o. I. StadtAK 8/PBS oVI 206 83 o. StadtAK 8/Alben 174, 86 A49153/1/14 38 o. r. StadtAK 8/PBS oVI 258 83 u. StadtAK 8/Alben 174,88 114 StadtAK 8/Alben 174, 237 38 u. StadtAK 8/PBS oVI 346 84 StadtAK 8/BA Schlesiger 115-117 Festschrift zum 39 o. I. StadtAK 8/PBS VI 206 A3 36/5/38 100jährigen Bestehen 39 o. r. StadtAK 8/PBS oVI 185 85 StadtAK 8/BA Schlesiger der Eisengießerei F. Seneca, 39 u. StadtAK 8/PBS oVI 273 A17 143/5/22 Karlsruhe 1956. 41 StadtAK 8/Alben 3, Bd. 4, 87 StadtAK 8/BA Schlesiger 118 o. StadtAK 8/PBS XIVf 55 XVl A46119/2/14 118 u. StadtAK 8/Alben 174, 238 44, 45 StadtAK 8/Alben 2 88 StadtAK 8/BA Schlesiger 119 StadtAK 8/PBS oXIVb 32 46 StadtAK 8/PBS oVI 322-9 A32 17/7/17 120 StadtAK 8/PBS oXIVa 839 47 StadtAK 8/Alben 174, 53 89 StadtAK 8/BA Schlesiger 122 o. StadtAK 8/PBS oXIVa 836 48 StadtAK 8/Alben 6, 61 A52 13/2/36A 122 u. StadtAK 8/PBS oXIVa 837 50 o. StadtAK 8/Alben 6, 3 90 StadtAK 8/Alben 174,1 37 123 StadtAK 8/PBS oXIVa 888 50. u. StadtAK 8/Alben 174,93 91 StadtAK 8/Alben 174,143 124 StadtAK 8/PBS oXIVa 881 51 StadtAK 8/Alben 6, 39 93 StadtAK 8/Alben 174,41 125 StadtAK 8/PBS oXIVa 1889 52 StadtAK 8/Alben 174, 225 94 o. StadtAK 8/Alben 174,151 127 StadtAK 8/Alben 174, 271 128 StadtAK 8/Alben 3, Bd . 4, 198 StadtAK l/H-Reg 2260 Freiwillige Feuerwehr Karlsruhe, XVl 200- 201 StadtAK l/H-Reg 2260 Abteilung Mühlburg : 136 o. StadtAK 8/Alben 174, 60 und 6/BZA 227 202, 208, 21~ 218, 22~ 136 u. StadtAK 8/Alben 174, 266 202 o. StadtAK 8/PBS Vllc 20 222, 224, 226, 229 143 StadtAK 8/Alben 174, 272 206 StadtAK l/H-Reg 2260 147 o. StadtAK 8/Alben 174, 56 207 StadtAK 8/PBS Vllc 19 Landesbildstelle Baden, Karlsruhe : 150 StadtAK 8/Alben 174,197 209- 212 StadtAK l/H-Reg 2260 170,214 u. 151 StadtAK 8/Alben 174, 198 213 StadtAK 8/Alben 174, 40 152 StadtAK 8/Alben 174, 275 214 o. StadtAK l/H- Reg 2260 Horst Pampel: 6 158 StadtAK 8/Alben 174, 104 230 StadtAK 8/Zeitungen 159 StadtAK 8/Alben 174, 101 234 Jubiläums-Chronik Privat 160 StadtAK 8/PBS Xilla 251 75 Jahre Bürgerverein (Repros im Stadtarchiv vorhanden): (Copyright Foto Strähle) Mühlburg 1898 e.v. 16 o. 1., 16 o. r., 24 u., 25. 0., 27, 31 162 StadtAK 8/Alben 174, 94 237-239 Jubiläums-Chronik 0.,33,40,43,76,86,92, 100, 101 164 StadtAK 8/PBS oXIVa 612 75 Jahre Bürgerverein u., 102 u., 108, 110 u., 111, 113, 126 166 StadtAK 8/PBS oXIVa 610 Mühlburg 1898 e.V. 0. 1.,126 o. r., 126 u., 128, 130-135, 168 StadtAK 8/PBS oXIV a 609 264 StadtAK 8/BA Schlesiger 137-142,144-146,147 u., 148, 172 StadtAK 8/Alben 174, 236 A5 91/4/47 149,153- 157, 176,184,188-191, 174 StadtAK 8/Alben 174, 123 178 StadtAK 8/PBS oXIVa 1597 Bayern- und Trachtenvereinigung 195, 204, 205, 235, 242, 247, 283 186 o. StadtAK 8/Alben 174, 35 Weißblau Almfrieden Karlsruhe e.V.: Radsportgemei nschaft 186 u. StadtAK 8/Alben 174, 19 268, 270-276 187 StadtAK 8/PBS olV 209 Karlsruhe e.v. 1898: 192 o. StadtAK 8/PBS olV 182 Bildste lle der Stadt Karlsruhe : 250, 252-254, 256-258, 260, 263 192 u. StadtAK 8/PBS olV 183 56 0., 62, 64, 66, 68 u., 69 0., 73 193 o. StadtAK 8/PBS oVI 184 Harald Ringler: 194 StadtAK 8/Alben 174, 29 Kurt Ernst: 65, 67, 68 0., 69 u., 72 196 StadtAK 8/Alben 174, 23 161 ,163, 165, 167,169,171,173, 197 o. StadtAK 8/Alben 174, 31 185,187,189,191,193,232,236, Stadtplanungsamt: 197 u. StadtAK 8/Alben 174, 28 240, 245, 246, 248, 59-61, 63, 71, 74 o. Geschichte· Volkskunde· Literatur· Kunst· Kultur Weitere Titel aus unserem vielseitigen Verlagsprogramm Revolution im Südwesten. Stätten der Demokratiebe- wegung 1848/49 in Baden-Württemberg. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft hauptamtlicher Archivare im Städ- tetag Baden-Württemberg. 2. Auflage, 784 Seiten, ge- bunden, 33 1 s/w-Abbildung en. Gerhard Söllner . Für Badens Ehre· Die Geschichte der badischen Armee. Formation, Feldzüge, Uniformen, Waffen, Ausrüstung von 1604 bis 1832. Großformat, ge- bunden, vierfarbig, mit über 100 Farbtafeln, 304 Seiten, Kunstdruckpapier, mit Schutzumschlag. Hierzuland . Badisches und anderes von Rhein, Neckar und Main. Zeitschrift des Arbeitskreises Heimatpflege Nordbaden, Regierungsbezirk Karlsruhe. 100 Seiten, mit aktue llen Infos, Museumsberichten, Fachbeiträgen zu Land und Leuten, Kunst, Kultur und Geschichte. Friedrich Georg Hoepfner' Die Hochburg der Braukunst. 200 Jahre Brauerei Hoepfner. 120 Seiten, 219 Farb- und 73 s/w-Abbildungen, Großformat, gebunden. Titelbild von Tomi Ungerer. Hansjörg Frommer · Die Perle der Krone. Die Staufer und ihr Herzogtum Schwaben. 144 Seiten, 20 s/w- Fotos, Karten und Stammtafeln, Paperback. Hansjörg Frommer ' Spindel, Kreuz und Krone. Herr- seherinnen des Mittelalters: Adelheid, Th eophanu, Gise- la, Agnes, Richenza und Konstanze. 280 Seiten, illu- striert, Paperback. Eberhard Raetz . Kaspartheater. Eine Reise von Karlsru- he ins Frankenland. Ein Kaspar-Hauser-Roman. 240 Sei- ten, leinengebunden, mit Schutzumschlag. Gernot G. Lorsong . Ladenburg . Von den Steinzeitjä- gern bis heute. Streifzug durch die Geschichte einer al- ten Stadt. 260 Seiten, za hlreiche historische Fotos, Kar- ten, Zeittafeln, Paperback. Toni-Peter Kleinhans . Sylvia - das Tulpenmädchen. Ro- man aus der Gründerzeit der Residenzstadt Karlsruhe. 176 Seiten, Paperback. Gerhard Lanzenberger · Isaak und Ismael. Juden und Araber sind Brüder. Ein Beitrag zum Frieden in Nahost. Geleitwort von Prof. Dr. Schalom Ben-Chorin. 160 Sei- ten, bebildert, Paperback. Klaus E.R. Lindemann (Hrsg.) . Martin Rickelt . Vom Kur- fürstendamm zur Lindenstraße. 108 Seiten. 105 s/w- und 50 Farbfotos, gebunden. Mit einem Geleitwort von Hans W. Geißendörfer. Leopo ld ine Weizmann . Zum Bericht über eine Genera- tion . Jugenderinnerungen in Deutschland. Vorworte : Jürgen Habermas, Alain Touraine. 448 Seiten, gebunden. Ferd inand Kusterer . In den Händen der Zeit. Von Sta- lingrad nach Amerika. Erinnerungen und Gedanken im Spiegel der deutschen Geschichte. 350 Seiten, mit zahl- reichen Abbildungen, Paperback, 2. Auflage. Helmut Oeß . Dazwischen steht die Polizei. Polizeiten- sprünge auf Versfüßen. Alte Stiche, neu belichtet. 176 Seiten, über 100 Abbildungen, Großformat, 2. Auflage. Helmut Oeß . Das entbäffnete Pfäffchen. 146 Limericks aus der Pfarre. Mit Illustrationen von Prof. W. Weiß- brodt. 180 Seiten, Paperback, Großformat, 2. Auflage. Luise Gunter-Kornagel . Weltbild in Siegfried Wagners Opern. 640 Seiten, 130 Farbtafeln, über 20 s/w-Abbil - dungen, gebunden, mit Schutzumschlag. Picasso Live · Fotografien von Edward Quinn. Herausge- geben in Zusammenarbeit mit der Städtischen Galerie Karlsruhe. Mit einem Vorwort von Andreas Franzke. Kunstband, Großformat, 80 Fotos, 176 Seiten. Die Bauhaus-Künstlerin Margaret Leiteritz . Gemalte Diagramme. Textbeiträge: Klaus E.R. Lindemann, Hans Fischli, Dr. Peter Hahn, Toni Peter Kleinhans, Dr. H.P. Mühlmann. 120 Seiten, 40 Farbmotive, gebunden. Gert Boegner . Kraichgau . Streifzüge durch Land und Geschichte. Textbeiträge : Karl Banghard, Dieter Freiherr von Ravensburg, Ravan Freiherr Göler von Ravensburg, Hansjörg Maus, Prof. Dr. Otto Roller und Prof. Dr. Günter Stein. 144 Seiten, 80 Farbmotive, gebunden. 2. Auflage. Gert Boegner . Gardasee . Tor zum Süden. Fotobildband, 180 Seiten, 144 Farbmotive, Großformat, gebunden, mit kaschiertem Schutzumschlag. Gert Boegner . Der alte Rhein' Im Stromverlauf von Ba- den und Pfalz. 3., überarbeitete und aktualisierte Aufla- ge. 156 Seiten, "7 Farbmotive, Großformat, gebunden, mit Schutzumschlag. Und ewig ticken die Wälder ' Uhren aus Schwarzwald- stuben. Herausgegeben von Dr. Wolfram Metzger. Vor- wort von Prof. Dr. Hara ld Sieben morgen. 232 Seiten, 234 Farbtafeln, 32 s/w-Abbi ldungen, Paperback. Traumwelten der 50er Jahre' Puppenwelt und Wirk- lichkeit. Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstel- lung der Volkskundlichen Abteilung des Badischen Lan- desmuseums im Sch loß Bruchsa l. Herausgegeben von Dr. Wolfram Metzger und Dr. Jutta Tremmel - Endres. Vor- wort von Prof. Dr. Hara ld Sieben morgen. Textbeiträge von Dr. Wolfg ang Bickel, Wolfgang Knobloch, Gisela Bik- kel, Ingeborg Michno. 192 Seiten, 180 Farbtafe ln, 32 sw-Abbi ldungen. Paperback. Bäume leuchtend, Bäume blendend. Historischer Christbaumschmuck. Begleitpublikation zur gleichnami- gen Ausstellung der Volkskund lichen Abteilung des Ba- dischen Landesmuseums im Karlsruher Schloß. Heraus- gegeben von Dr. Wolfram Metzger und Dr. Jutta Trem- mel- Endres. Vorwort Prof. Dr. Hara ld Siebenmorgen. 208 Seiten, 178 Farbtafe ln, 76 s/w -Abbi ldungen, Paperback. Wenn bei Capri die rote Sonne · Die Ita liensehnsucht der Deutschen im 20. Jahrhundert. Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung des Badischen Landes- museums im Schloß Karlsruhe, in Kiel und Detmold. Herausgegeben von Prof. Dr. Hara ld Siebenmorgen. Be- arbeitet von Dr. Gabriele Kindler. Wissenschaftliche Mitarbeit Dr. Regine Lippka. 224 Seiten, 223 Farb- und 95 s/w-Abbi ldungen, Paperback. Neues Bauen der 20er Jahre· Gropius, Haesler, Schwit- ters und die Dammerstock-Sied lung in Karlsruhe. Be- gleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung des Ba - dischen Landesmuseums im Museum am Markt. Vorwort von Prof. Dr. Hara ld Siebenmorgen. 256 Seiten. 40 Farb- und 400 s/w-Abbildungen, Paperback. .t1~ INFO VERLAGSGESELLSCHAFT Postfach 33 67 . D - 76019 Karlsruhe Telefon (0721) 617888 . Fax (0721) 62 1238 info-verlag -ka rlsru he@t-online.de 75 Jahre Destillerie Kammer-Kirsch Ehemalige Lehr- und Versuchsbrennerei des Landes Baden I m Jahre t 923 wurde Kammer-Kirsch als AG gegründet und t 96 t in eine GmbH umgewandelt. Der Firmen- sitz war Oppenau mit dem heutigen Zweigbetrieb in Karlsruhe-Mühlburg. Experten überprüften und überwach- ten ständig die erzeugten Destillate, so daß bald der Qualitätsmarkenbegriff "Kammer-Kirsch " entstand und bis heute weiterentwickelt wurde. Die Zielsetzung des Unternehmens, nur "Wässer und Geiste" von allerhöchster Naturreinheit und Erlesenheit herzu- stellen , hat bis heute Bestand. Die außergewöhnliche Qualität der Kam- mer-Kirsch-Edelspirituosen wird durch die Verwendung ausgesuchter Früchte und durch schonendes zweimaliges Destillieren erreicht. Eine lange Lage- rung verleiht den Kammer-Kirsch-Pro- dulden ein mildfeines, einzigartiges Bouquet. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9.00- 12.00 Uhr und 14.00- 16.00 Uhr . Freitag 9.00- 12.00 Uhr Jeden letzten Samstag im Monat 10.00- 13.00 Uhr Kammer-Kirsch GmbH · Hardtstraße 35-37 . 76185 Karlsruhe Telefon (07 21) 9 55 51 -0 . Telefax (07 21) 55 06 88 Besuchen Sie uns im Internet: www.kammer-kirsch.de 1998 ist ein besonderes Jubiläumsjahr für Mühlburg mit gleich fünf Jubiläen. Der Burgflecken "Mulenberc" wurde vor 750 Jahren zum ersten Mal urkundlich erwähnt, die Freiwillige Feuerwehr Mühlburg entstand im Revolutionsjahr 1848, und zwölf Jahre nach der Eingemeindung in die benachbarte badische Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe konnten 1898 gleich drei Vereine ihre Gründung bekanntgeben. Der vom Stadtarchiv Karlsruhe in Verbindung mit den Jubiläums- vereinen herausgegebene Bildband "Mühlburg. Streifzüge durch die Ortsgeschichte" verbindet aus diesem Anlaß anschaulich Orts- und Vereinsgeschichte mit zahlreichen, bislang nicht veröffent- lichten Bildern aus den Beständen des Stadtarchivs, aber auch aus Privatbesitz, die für diesen Band zur Verf~gung gestellt wurden. INFO VERLAG · ISBN 3-88190-227-9
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/literatur/stadtarchiv/HF_sections/content/ZZmplbnO0zo9UD/M%C3%BChlburg_Streifz%C3%BCge.pdf
Blick in die Geschichte 1998-2003 )g e w , e ~ ~ t e ~ K n ä b e I,t(n tft e' f ~€ hl Jj le " ln d h u re ze n tr u m s K ar ls ru h e in d er S y b el sl ra ß c O cr f cs la k l zu r E in w ei hu ng d es W ai se n h au - se s fa n d i n d e m i m z w e it e n S to ck w e rk g el e g e - n en A rb ei ts sa a l d es G cb ö u d es s ta ll . H ie r h at · le n di e K in d e r kü nf ti g d ie i n P ar ag ra f 5 d er .I -ra us - u n d 'T ag es o rd n u n g " lo rm u llc rt e n • s on st ig e n B es 'c h ä fH g u n g e n " .z u ve rr ic h te n . D ie · .s o ns fi g en B es ch ii ft ig un g en " b es ta n d en n e b e n F e ld · u n d G a rt e n a rb e it i n v e rs ch ie d e - n e n H .m d h rb _c it c n . r. ü r d ie K n a b e n h e d e .u le !c d !" "" S tr u rn p fs tr lc k c n . K o rb ll e c h to n u n d S tr o h - rI .... c h l . ... n . to r d lh N 't \d e h < :> n M b n f- o d e r F lI .c h !o - . p ln n .. n . S lr i" e k .. .. u n d N l\ h " n N n c h p .. r " ( I ~ .. 1 ::> 0 .. .. ,~ ~ ~ ~.: ~ : : ! ! . ~ : : ~ ~ : .. ~ :. :: .! ~~ '! ~ ~ A d ri an B in (1 83 0 - 19 02 ) 22 J a h re l e it e te e r a u f d e r vo m L a n d B a d e n zu b es et ze nd en S te ll e al s S en at sp rä si d en t d en 11 . Z Iv ils e n a t im R e ic h s g e ri c h t L e ip z ig u n d n a h m e n ts ch e id e n d e n A n te il a n d e r A u s le g u n g u n d F o rt en tw iC k lu n g d e s R h ei n is ch -F ra n z öS i- s c h e m R e c h ts . d o s I n 7 .l rk a 1 /6 d e s d a m < tU g c n e;; I:i '.! ~H~ ~!~ ~!! ' ~ ~!! ~'I r:~ ~:: ~\ :j ~~ :; ' : ~~ !f .~ ~P I~ ~ ... ... ... .. _ ... ... .... ... ... .. ... ~ .. .. ... ... .. 1 ... ... , . .. '1 '" ,.7 ... _ .. _ ... ... ... .. _ .. - .. ... -. .. - .... .. _ --_ ... ,. -.. ,,, .. , ,._ .. - .- ~ ~ == I ~ ~ ~ ~ ~ == .. -1Il .. ;. ~ .. 1Il @II!. l ~ ... ~ = .. ... 1Il ~ I:' ~ == ~ ... @II!. .. ==: !R. ~ = - f ptreg . 'ltPIlPS'~ '!P U! 'P!lg . ll',JOA 0lU! Blick in die Geschichte KARLSRUHER STADTHISTORISCHE BEITRÄGE Band 3 1998-2003 Stadt Karlsruhe Forum für Stadtgeschichte und Kultur Karlsruhe 2004 Info Verlag Im Inhaltsverzeichnis sind Nummer und Datum des .,Blick in der Geschichte" angeben, in dem der Beitrag erstmals veröfftlicht wurde H~rausg~b!r Stadt Karlsruhe Forum für Sradrgeschichte und Kultur R~dnktion Dr. Lconhard Müller (veranewordich) Or. Manfred Koch Tncurfimung Kat ja Schmalholz Digita'~ Bi/dbtarbtitung Uta Bolch Umsc"lagg~staltung Dietmar Kup Vrrlag Info Verlag GmbH Käppeiestraße 10·0-76131 Karlsruhe Telefon 0721/617888· Fax 072 1/62 1238 www.infoverlag.de Satz Oiana Sayegh (l nfo Verlag) Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über hnp:/Idnb.ddb.de abrufbar. © 2004 . Stadt Karlsruhe Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck. auch auszugsweise. ohne Genehmigung des Verlags nicht gestattet. Kommissionsverlag: Info Verlag GmbH ISB N 3-88190-353-4 Inhalt Geleitwort .................................................................................................................................. 17 Einleitung .......... .......................................................................................................... ...... ....... . 18 Aufsätze 41 18. Dezember 1998 Vor 80 Jahren - November 1918 ............................ ........ ........ .. ...... .. ............... 20 Zur Abdankung des lerzten badischen Großherzogs Lronhard Mülltr 41 18. Dezember 1998 Siedlungen der 60er Jahre in Karlsrnbe (Teil J) ...... ........................................ 23 Harald Ringkr 42 19. März 1999 Siedlungen der 60te Jahre in Karlsruhe (Teil 11) ............................................ 28 Harald Ringltr 42 19. März 1999 Die Städtische Galerie Karlsruhe .............................................. ..... ... .............. 32 Neuer Ort, neue Möglichkeiten Erika R;idigrr-Diru! 42 19. März 1999 Einblicke in die Karlsruher Baugeschichte ....... .............................................. 34 Ergebnisse der bauhiscocischen Analyse des .,Seilerhäuschens" Holga Rtimtrs 43 18. Juni 1999 Politische Polizei in Karlsruhe zwischen Demokratie und Diktatur ............. 38 Michatl Sto//t 43 18. Juni 1999 "Die Versammlung verlief entsprechend den stürmischen Zeitverhältnissen" ...................... ............... .......... .. ...................... 41 Angtlika Sautr 43 18. Juni 1999 Ein Blick in das verborgene Herz der Stadt ..... : .............................................. 44 Htinz Schmitt 44 17. September 1999 Jahrtausendwende und die Tücken des Kalenders .............. ........................... 47 Htinz Kunlt 44 17. September 1999 Zur Geschichte der Jahrhundenwenden ... ........... ... ...... .......... .. ...................... 50 Ausblick auf die Landesausstellung im Karlsruher Schloss Jutta Drtsch 44 17. September 1999 10 Jahre .,Arbeitsstelle Bertold Brecht" in Karlsruhe ..................................... 53 fan Knopf 45 17. Dezember 1999 Zahlenwende! Zeitenwende? ............................................... ........ .. , ....... ... ...... . 57 Ltonhard Mü//t r 5 45 17. Dezember 1999 Karlsruhe um 1900 - die kaisenrc:uc: Residenz .............................................. 57 P~ur Prttsch 45 17. Dezember 1999 Aufbrüche. Niederlagen und Erfolge .................... ....... ....... .... .... ..................... 62 Die Frauenbewegung in Karlsruhe Susanm Aseht 45 17. De-tember 1999 Häuser der Stadtgeschichte 1900-2000 ..... ....... " ..... ............ ... ..... .................. 65 Ernst Dtto Bräuncht 45 17. De-tember 1999 Landwirtschaft in und um Karlsruhe ................ " ........ ..... ...................... . " ..... , 70 ArnulfBug 45 17. Dezember 1999 Vom Sport an der Fridericiana ...... . _ .......... ... ......... .. ...................... .. " ........ .... . ,.73 Oliver Pottiez / Ltonhard Mü/kr 45 17. Dezember 1999 KarJsrube - Residenz des Rechts (Teil J) ...... ..... ...... ........ .............................. 77 Rrinu Hathling von Lanunauer 46 17. März 2000 KarJsrube - Residenz des Rechts (TeilII) ....................................................... 81 &ina Haehling von Lanunautr 46 17. März 2000 Von den schwierigen Anfangen der Schülermirverantwortung in Karlsruhe ...... ..................... .. .. .. ............... .. ...... .. 86 Das Beispiel Humboldtschule RaineT Gutjahr 47 16. Juni2000 Polytuhnicum. uchniJche Hochschuk. Universität IVzrlsrulu 175 Jahu Dw-Iach als Universitätsstadt .... ..... ........ ... ............................. ..... ..................... 90 Aufstiegspläne eines wirtschaftlich darniederliegenden Landstädtchens SwamI( Asche 47 16. Juni 2000 GeschichtsWissenschaft an einer Technischen Hochschule .......... ... ... ...... ..... . 93 KlnUJ-Peur Hotplu 47 16. Juni 2000 Geschichte des Instituts für Literaturwissenschaft an der Universität Karlsruhe ............ ...... ..................... 97 UWt Japp, Claudia Stoc!tingrr 47 16. Juni 2000 "Geschichtliches Wissen und ästhetische Bildung" ................ .. ............. ....... 100 Das Fach Kunstgeschichte an der Universität Karlsruhe Anntmarit Jatggi 47 16. Juni 2000 Studienkolleg der Universität Karlsruhe ... ....................... ...... ..................... .. 104 Zentrum der Vorbereitung junger Ausländer auf ihr Smdium Klaus Ditttr Justtn 47 16. Juni 2000 Karlsruher Straßenbahn - Bindeglied zwischen Stadt und Region .... ....... .......... ... ............ .......... ........... 106 Die Universität und die Entwicklung des Karlsruher Nahverkehrs Manfrtd Koch 6 48 15. September 2000 48 15. September 2000 49 15. Dezember 2000 49 15. Dezember 2000 50 16. März 2001 50 16. März 2001 50 16. März 2001 50 16. März 2001 51 15. Juni 2001 51 15. Juni 2001 52 21. September 200 I 52 21. September 2001 53 14. Dezember 2001 53 14. Dezember 2001 175 Jahrt Polyuchnikum - Ttchnhcht Hochschuü - Univtrsität Karlsruht Gymnasien und Hochschulen in Baden und anderswo .............. .. ............... 110 Zwischen Vorbehalten und Zusammenarbeit Ltonhard Müllu .. Nous sommes les beaux enfants de Camp de Gun ... " ....................... .. ..... 116 Angdika Saua KarlsruhtT Partnastiidtr Krasnodar - Geschenk einer Zarin ........... ..... ..... ..... .... .... ... ........................... 119 Frithjof Kmrl 100 Jahre Christuskirche Karlsruhe ................................. .... .... .... ...... ........... 125 Richard Koh/mann Die Universitätsbibliothek Karlsruhe ............................................................ 128 Ein wichtiger Knoten im dcmschen Bibliotheksnen Christoph-Hubrrt Schüttt 100 Jahre Stadtverwaltung im Wandel Rückblick auf das 20. Jahrhundert ....................................................... ..... ..... 134 Ermt Otto Bräunch~ Rappenwört - ein Projekt der Karlsruher Planungs- und Baupolitik der 1920er Jahre ................................................. 139 Harald Ringkr Landesbildstelle Baden ... .... ......... ................................ ................................... 146 Neues Gebäude - neue Aufgaben Günur Sugmaiu Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951 .... ........................................... 149 Angria Borpudt "Mit dem Gesicht nach Deutschland" ......................................... ................. 154 Das Schicksal der Karlsruher Familie Marum im Exil Manfr,d Koch Am Oberrhein: Alltag, Handwerk und Handel 1350-1525 .............. ......... 157 Brigittr Habach-Schmidt Die Karlsruher Majolika-Manufaktur .............................. ... ..... ... ...... ... ....... .. 162 Ein Rückblick auf die lenten 25 Jahre des IOD-jährigen Unternehmens Prur Schmitt Aw der Schankammer der Badischen Landesbibliothek ............... .. ............ 166 u" Obhol Auch die Vaterlandsliebe geht durch den Magen! ................ .... ...... .... ...... .... 170 Versorgung im Krieg: Fleisch, Milch, Eier und Butter für Baden und seine Residenz 1915-1918 Viktoria Adam, Svmia Diifrnbachrr, fan Ernnnann. Simina G~rman, Sabinr Groh, Hanna Kaisrr, David Kuhs, Asysa Schw~hn 7 54 15. März 2002 54 15. März 2002 54 15. März 2002 54 15. März 2002 55 21.Juni2002 55 21.Juni2002 56 20. September 2002 56 20. September 2002 57 13. Dezember2002 57 13. Dezember 2002 58 21. März2003 58 21. März 2003 58 21. März 2003 Wirtschaftliche Betätigung der Stadt Karlsruhe - ein Rückblick ................ 176 Gtrhard S(iler Lesegesellschaften in Karlsruhe 1784-1850 ................................................. 181 Der Beginn bürgerlicher Selbstorganisation Tonten Litugang Der Landeswohlfahrtsverband Baden ........................................................... 187 Hans-Otto Walttr Morin EUstätter (1827-1905) ....................................................... ....... ........ 191 Finanzminister im Großhenogtum Baden uonhard Mü/ur Spitzel am Oberrhein ..... ........ .... ....... ..... ........................................ .... _ .......... 196 Vom Denunziationswesen in Baden im 18. Jahrhundert Lronhard Müller Karlsruhe und Carl Benz ...................... ... ........... ..... ............... ................ ....... 200 Ermt Dtto Briiuncht Der Botanische Garten in Karlsruhe ..... ... ............................................. .... .... 204 Man/ud K/inkott Ein Historiker in der Landespolitik der Nachkriegszeit ............................... 208 Pranz Schnabel als Leiter der Kultus· und Unterrichtsabteilung Nordbadens Angt/a Borgsttdt Schule und NS-Diktatur ................................................................................ 212 Das Beispiel der Karlsruher Humboldt·Schule Sandra Jung und Manutl Witttk " ... damit unnätigen Sorgen und Mißerfolgen vorgebeugt werden kann im Interesse der Stadt und der menschlichen Gesellschaft ... " ......................................................... 217 Zum 75-jährigen Bestehen der Psychologischen Beratungsstelle Karlsruhe für Eltern. Kinder und Jugendliche Angt/ika Satur Stadtplanung in Karlsruhe im 19. Jahrhundert: Der Bauplan von 1857 ................................. ..... .......... ........... ........................ 222 Harald Ringur Eberhard Gothein 1853-1923 ...................................................................... 228 Ltonhard Mii/ur Der Schlacht· und Viehhof an der Durlacher Allee ...................................... 232 DirkSttgm 8 58 21. März 2003 59 20. juni 2003 59 20. juni 2003 60 19. September 2003 60 19. September 2003 47 16. juni 2000 50 16. März 2001 55 21.juni2002 58 21. März 2003 41 18. Dezember 1998 42 19. März 1999 43 18. juni 1999 44 17. Seprember 1999 Eisbärenhaltung im Karlsruher Zoo zwischen Tradition und Faszination .............................................................................. 236 Giula von H~gtl Das allmähliche Verschwinden eines "Dinosauriers" ................................... 239 Aus der kurzen Geschichte des Karlsruher Panoramas am alten Hauptbahnhof Konrad Dusu/ 10 Jahre Stadtbibliothek im Neuen Ständehaus ........................................... 244 Von Menschen und Medien Andrta Kri~g "Oberle ist ein aufgeweckter Knabe und war fleißig in der Schule" .......... ............................................................. 248 Zum 90·jährigen Bestehen des Kinder- und Jugendhilfezentrums Karlsruhe in der Sybelsrraße Angdika Saua 100 Jahre St.-Bernhardus-IGrche am Durlacher Tor .................................... 252 Htinrich Alois Schillingtr Zeitzeugen berichten Professor Dr. ing. Dr. h. c. Heinz Draheim ... : ............................................. . 258 Ltonhard Müller Hans Joachim Hoffner, Deutsch-amerikanischer Verbindungsoffizier 1953-1990 ....... ... ................ 261 Ltonhard Müller JosefWerner, Journalist und Publizist ........................................................... 263 Ltonhard Mülltr Kurt Gauly, Erster Bürgermeister a. D .......................................................... 266 Ltonhard Mülltr Biographien Fridolin Heurich 1878-1960 ............... .. ....... .... ......... ........ .. ...... .. ........ ... ....... 270 ManfrdKoch Heinrich WenIar 1868-1943 ................................................. ...... .. ......... ...... 271 Rtintr Hathling !Ion Lanunaua Luitgard Himmelheber 1874-1959 .............................................................. 273 Barbara Guttmann Gustav Trunk 1871-1936 ..... ......... ... ........ ... ....... .. ........................... ............. 274 Frank Rabtrg 9 45 17. Dezember 1999 Rahel Strau, 1880-1963 .. ......... .. .................................................................. 275 Barbara Guttmann 46 17. März 2000 Franz von Roggenbach 1825-1907 ............................................................... 277 L~onhard Müller 47 16. Juni 2000 Wilhe1m Ei,enlohr 1799-1872 ..................................................................... 278 L~onhard Müller 48 15. September 2000 Margarethe Hormuth-Kallmorgen 1857-1916 ............ ..... ........ ... ....... ......... 280 Brigitte Baumstark 49 15. Dezember 2000 Melirra Schöpf 1901-1989 ........ .... ....... ... .......... ...... .......... ..... .. ..................... 281 Barbara Guttmann 50 16. März 200 I Gustav Zimmermann 1888-1949 ........................ ................ ..... ................... 283 Frankllobtrg 51 15. Juni 2001 Johann Georg Schlosser 1739-1799 .................................... ......... .. ..... ......... 284 Ltonhard Müller 52 21. September 2001 Rahel Varnhagen 1771-1833 ........................................................................ 286 Susanne Asehr 53 14. Dezember 2001 Hilda von Baden 1864-1952 .. ...... ... ....... ... .......... ...... ............. ....... .. ............. 287 Ltonhard Müller 54 15. März 2002 Richard Horter 1868-1942 ........................................................................... 289 ManJred Koch 55 21. Juni 2002 CI ... Faisst 1872-1948 ................................................................................. 290 Martina Rtbmann 56 20. September 2002 A1oi, Kimmelmann 1886-1946 ...... .... ...... .... .......... .................. ... ..... ............ 291 }ürgm Spangu 57 13. Dezember 2002 Eduard Devrient 1801-1877 ................................... ................... ..... ........ ...... 293 Ltonhard Mülkr 58 21. März 2003 Ernst Fuch, 1859-1929 ......... ........................................................................ 294 DdUV Fischtr 59 20. Juni 2003 Joseph Melling 1724-1796 ...... .. ...... ..... ........ ... ........... .. ................................ 296 AlmutMaaß 60 19. September 2003 Adrian Bingner 1830-1902 ...... ... ...... ... ......... ..... .......... .... ............................. 297 Dttkv FiJcht r 10 41 18. Dezember 1998 42 19. März 1999 43 18. juni 1999 44 17. Seprember 1999 45 17. Dezember 1999 46 17. März 2000 47 16. juni 2000 48 15. Seprember 2000 49 15. Dezember 2000 50 16. März 2001 51 15. juni 2001 52 21. September 200 I 53 14. Dezember 2001 54 15. März 2002 55 21 . juni2002 Carlsmher Blickpunkte Rätsel um eine Figur im Durlacher Schlossgarten ....................................... 300 Gahard Kabiask~ Der Mensch im Rhythmus der Natur .. ... ...... .. .............................................. 301 Andr~aJ Gab~fmann Badespaß im Glaspalast ................................................................................. 303 U/rike Pla,. Bürgerliche Ganenkultur in Durlach ............................................................ 305 Der barocke Pavillon vor dem Basler Tor Gtrhard Kabiask( "Dem neuen Jahrhundert zum Gruß" ....................................... ... ..... ... ...... .. 307 Manfred Koch Funktionale Ästhetik am Rhein ......... ................ ................... ....... .................. 308 U/rik~ Plau Tor zum Campus: das Hauptgebäude der Universität ................................. 310 Gahard Kabi(r;k~ Pyramide oder Reiterstandbild? ....................... ," ........................................... . 312 lutta Dr(sch Südstern - Lebendige Geschichte zwischen Sturmlampe und Kastenschloss ..................................................................... 314 U/rieh Schmid(r Die Karlsruher Uhrmacherfamilie Schmidt-Staub ....................................... 316 Zur Eröffnung einer neuen Abteilung im Badischen Landesmuseum KriJtian~ Burckhardt Die Statuen von Erwin von Steinbach und Johannes Kepler ....................... 318 Ursula Mak(/ Wasser für die Residenz ................................................................................. 320 Friedrich Wein brenners Brunnenhaus in Durlach G~rhard Kabiask( Das Karlsruher Gefangnis .............................................................................. 321 Ein Neueenaissancebau von Josef Duem R~imr Ha~hling von Lanunaua Die Künscleräfen der Majolika Manufaktur Karlsruhe ... ....... ... ....... .... ........ 323 Eva Spind"r "Terra et mundus" von Hans Kindermann ................................................... 325 Ursula M(rkd 11 56 20. September 2002 57 13. Dezember 2002 58 21. Mäu 2003 59 20. Juni 2003 60 19. September 2003 41 18. Dezember 1998 41 18. Dezember 1998 41 18. Dezember 1998 41 18. Daember 1998 42 19. März 1999 43 18. Juni 1999 43 18.Juni 1999 43 18. Juni 1999 Das Durlachcr .. Markgrafendenkmal" ......... ............................. ............. ....... 327 Susamu Asche Kunst oder Schrott? ................... ........ .... ..................... ........ ........ .............. ...... 328 Das Hirschtor im Karlsruher Schlossgarten Gerhard Knbierske Der "Märchenwald" von HAP Grieshabec ................................ .... _ .............. 330 Brigitte Baumstark Sphinx ante portas ........... ........ .. ..................................................................... 332 Monika Bachmayer Neue Adresse der Denkmalpflege in Nordbaden .... ... ... ............. ................... 334 Die Grenadierkaserne in Karlsruhe Clemms Küs~r Bücher-Blick Barbar. Guttmann: Hopfen & Malz ...................................... ... ................... 338 Die Geschichte des Brauwesens in Karlsruhe Michaa Stolle Ernst Otto Bräunebe (Hrsg.): Mühlburg ............................................. ......... 339 StreifZüge durch die Ortsgeschichte Mathias Tröndle Dieter Vestner: Badische Revolution vor 150 Jahren ................................... 339 Geschehnisse in Baden und Durlach 1848/49 Manjhd Koch Dieter Vestner: Die Karlsburg und der Fürstenhof 'Zu Durlach ................... 339 Manfred Koch Susanne Asche / Ernst OttO Bräunche / Manfred Koch / Hein'Z Schmitt / Christina Wagner: Karlsruhe. Die Stadtgesebiebte .... ....... ...... .......................... ............... ............ 340 HamFmsk~ Klaus Bindewald: Die Albtalbahn. Geschichte mit Zukunft ........... ....... ..... 342 Von der Schmalspurbahn 'Zur modernen Stadtbahn Manfrcd Koch Auf den Spuren der antiken Welt, eine Reise durch die AntikensammJung des Badischen Landesmuseums .... .......... ........................ 343 H~lmut Grimm Ute Grau I Ulrike PI.te: 1898-1998. Vom Versicherungspalast 'Zum Rathaus West .. ....... ............ ........ ........... ........ 344 Thomas Mryrr 12 44 17. September 1999 44 17. September 1999 45 17. Dezember 1999 45 17. Dezember 1999 46 17. Mätz 2000 46 17. März 2000 46 17. März 2000 47 16. Juni 2000 48 15. September 2000 48 15. September 2000 49 15. Dezembet 2000 49 15. Dezember 2000 Elisabeth Spitzbart: Karl Joseph Berckmüller 1800-1879 ............ ............. 345 Architekt und Zeichner Manfrrd Koch Eduard Koelle: Drei Tage der Karlsruher Bürgerwehr 1849 ...................... 346 Leonhard Mül/a Elga Roellecke: Vereine und Vereinigungen. Gasthäuser .............................. 346 Chronik Wolfartsweier Peter Prttsch Manfred Koeb - Jürgen Morlock (Hrsg.): Von Graspisten zum Baden~A.irport, Luftfahrt in Mitte1haden ................... 347 Leonhard Mü//a Wolfgang H. Collum: Hugenotten in Baden-Durlach .. ............................... 348 Die französischen Protestanten in der Markgrafenstadt Baden-DurIach, insbesondere in Friedrichstal und Welschneureur Ernst Dtto Brdunch( Horst Schlesiger, JosefWerner: Die 70er Jahre ........ .... .... ....................... ..... 349 Ein Karlsruher Jahrzehnt in Bildern L(onhard Mül/a Birgit Bublies-Godau (Hrsg.): Henriette Obermüller-Venedey, Tagebücher und Lebenserinnerungen 1817-1871 ................................... ... 350 L(onhard Mül/a Harm-Hinrich Brandt: Deutsche Geschichte 1850-1860, Entscheidung über die Nation .. ..................................................................... 350 L(onhard Mül/(r Manfred Koch (Hrsg.): Unter Strom - Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs in Karlsruhe ............ .. ..... ............. 352 Mnthias Trönd/( Jürgen Schuhladen-Krämer: Akkreditiert in Paris, Wien, Berlin, Darmstadt ........................ .... .... ............ 354 Badische Gesandte zwischen 1771 und 1945 L(onhard Mül/a Heinz Kunle, Stefan Fuchs (Hrsg.): Die Technische Universität an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, ... .. ............................ ...... 354 Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum der Universität Karlsruhe (TH) L(onhnrd Mü/la Barbara Guttmann: Den weiblichen Einfluss geltend machen Karlsruher Frauen in der Nachkriegszeit 1945-1955 ................................ 355 Christina Klausmann 13 50 16. März 2001 50 16. März 2001 51 15. Juni 200 I 51 15. Juni 2001 52 21. Seprember 2001 52 21. September 2001 53 14. Dezember 2001 54 15. März 2002 54 15. März 2002 54 15. März 2002 54 15. März 2002 54 15. März 2002 Horst Fischer: Landwirtschaft und Viehzucht in früherer und heutiger Zeit ........................ ..... ............. ... ... ....................... 356 Chronik Wolfartsweiec ArnulfBug Bernhard Wien: Politische Feste und Feiern in Baden 1815-1850, ........... 357 Tradition und Transformation: Interdependenzen liberaler und revolutionärer Festkultur L~onhard Mü/fa Ernst Dtto Bräunehe (Hrsg.): Rheinhafen Karlsruhe 1901-2001 .............. 358 Doroth~a Schmitt-Holfsttin Ute GraulBarbara Guttmann: Gegen Feuer und Flamme ........................... 359 Das Löschwesen in Karlsruhe und die Berufsfeuerwehr And,(o Aftmburg Michael Ruhland: Schulhausbauten im Großherzogtum Baden 1806-1918 .............................................................. 360 }ürgm Spanga Annette Borchacdt·Wenzd: Frauen am badischen Hof, Gefahrtinnen der Großherzöge zwischen Liebe, Pflicht und Intrige .......... 361 Lronhard Mülkr Ute Grau: Schloss Augustenburg Holger Reimers, Gerhard Kabierske, Georg Manka: Ein Karlsruher Modellhaus von 1723. Das Seilerhäuschen ......................... 362 U/rikr Pfau Sergej G. Fedorov: Wilhe1m von Traitteur .................................................... 364 Ein badischer Baumeister als Neuerer in der russischen Architektur 1814-1831 Jürgm Krügrr Hansmactin Schwarzmaier: Das Dorf in der Geschichte von Land und Landschaft . ........... .................... 365 Von den Anfangen bis zum Jahr 1800. Chronik Wolfahrtsweier Lronhard Müllrr Karl Zahn: Gräber, Grüfte, Trauerstätten .......................... ........ ................... 365 Der Karlsruher Hauptfriedhof Yps KfUluba Manfred KDch (Hrsg.): Im Mittelpunkt der Menseh. Parlamentsreden Karlsruher SPD-Abgeordneter ....................................... ... 367 CkmmsRrhm Michael Stolle: Die Geheime Staatspolizei in Baden .................. ...... ...... .... 368 Personal, Organisation. Wirkung und Nachwirken einer regionalen Verfolgungsbehörde im Dritten Reich Ernst Otto Bräunehr 14 55 21. Juni 2002 55 21. Juni 2002 56 20. Sep«mber 2002 56 20. Sep«mber 2002 57 13. Dezember 2002 57 13. Dezember 2002 58 21. März 2003 58 21. März 2003 59 20. Juni 2003 59 20. Juni 2003 60 19. September 2003 60 19. Sep«mber 2003 Angela Borgstedt: Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951. ..... .......... 369 Polirische Säuberungen im Spannungsfeld von Besarzungspolitik und lokalpolirischem Neuanfang Manfrtd Koth Alfred Hanser 1858- 1901. Ein badischer ArchiICkt ... ..... ............ ................ 370 Manfrtd Koch Paul Ludwig Weihnacht (Hrsg.): Die badischen Regionen am Rhein ........ 371 Ltonhard Mülür Gudeun Kling: Frauen im öffentlichen Dienst des Großherrogtums Baden. Von den Anfangen bis zum Ersten Weltkrieg ..... " ...................... ...... 372 5usanm kehr Keestin Luner: Der Badische Frauenverein 1859-1918. Rotes Kreuz, Fürsorge und Frauenfrage ........ ................. ............... ................ 373 SUJannt Asehr Jürgen Spanger: Aus der Schulstube ins Leben. Die K.rlsruher Volksschulen 1716-1952 ......... .. ..... .... ................................. 374 L~onhard Müller Die Orgelstadt Karlsruhe innerhalb der Orgellandschaft am Oberrhein . ....... .... .... ... .... ......... .. ...... .. ..... .... ............ 375 MaffhiaJ Mil/~r Manfred Koch (Hesg.): Stadtplätze in Karlsruhc .................................. ..... .. 376 joufWtrnt r Gottfried Leiber: Friedrich Weinbrenners städtebauliches Schaffen für KarIsruhe ............... .. 378 Teil II: Der Stadtausbau und die Stadterweirerungsplanungen 1801-1826 Manfrtd Koch 900 Jahre Rüppucr. Geschichte eines Stadtteils .. ........ .... ................... ......... .. 379 Ltonhard Mülltr Elga RoeUecke: Bildung auf dem Land, Lehren und Lernen in deI" Volksschule ............................................... ........ ... 379 Ltonhard Mülkr Monika Bachmayer - Roben Dreilduft: Jugendstil in Karlsrube. Formen - Vielfalt - Fantasien ...... ........................ . 380 Ltonhard Mülur 15 Geleitwort ~ r ein Auto sicher führen will, sollte öfters in den Rückspiegel blicken. Diese Feststellung gilt auch für die Entwicklung einer Stadt. Und so knüpfe ich gerne an die Tradition meines Amtsvorgängers an, stadtgeschichdiche Darstellungen mit ei- nem lebendigen Forum zu unterstützen. Der dritte Band "Blick in die Geschichte" gleicht in seiner Struktur vorangegangenen Ausgaben, erweitert aber das Themenfeld, zeigt neue Facetten dieser lebendigen Kom- munität und lädt ein zum Nachdenken über das Gestern und Heute. Die reiche Kultur- 17 pflege in Karlsruhe würde eine Dimension verlieren, wenn dem Erinnern kein Platz ein- geräumt wird. Ich begrüße die nun vorliegende Zusam- menfassung der letzten fünf Jahrgänge des "Blick in die Geschichte", der stadthistori- schen Beilage unserer "StadtZeitung" . Möge sie auch künftig interessierte Leser finden. Heinz Fenrich Oberbürgermeister Einleitung S eit 15 Jahren erscheinen die Karlsruher stadthistorischen Beiträge in der "Stadt- Zeitung" unter dem Titel "Blick in die Geschichte". So ist mittlerweile eine Tradition entstanden, und die Redaktion dankt der Stadtverwaltung, dass nun ein dritter Band fur die Ausgaben 1998 bis 2003 erscheinen kann. Damit werden wiederum die Aufsätze, Biographien, Interviews mit Zeitzeugen, Hin- weise auf spezifische "Blickpunkte" in der Stadtlandschaft sowie Buchbesprechungen zur stadrhistorischen Literatur in einem Buch zusammengefasst und damit bibliographisch erfass bar. Sie bieten sich also als Nachschla- gewerk an und dienen damit auch der For- schung, sieht man doch Beiträge aus dem "Blick" in manchen wissenschaftlichen Arbei- ten zitiert. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei Dank gezollt, die gegen einen geringen Spesenausgleich sich mit Beiträgen beteiligt und mit gediegenem Fachwissen dem "Blick" ein spezifisches Profil gegeben haben: wissen- schaftliche solide, aber nicht nur Fachleuten zugänglich. Hier werden Originalquellen ver- öffentlicht, Zeitgenossen sprechen über bisher nicht fIXierte Vorgänge, Behördenleiter berich- ten über ihre Institutionen, Fakten, die man sonst nicht kennenlernen würde. So ist in die- sen letzten 15 Jahren ein Netz von ca. 140 Spe- zialisten entstanden, die allgemeinverständlich über ihr Fachgebiet informieren. Besonders das Interesse einer breiten Leser- schaft soU gewonnen werden, in der Zahl nicht genau messbar. weil die "StadtZeitung" mit dem Anzeigenblatt "Kurier" kostenlos an die Haushalte verteilt wird. Aber Rückmeldungen und auch die Bereitschaft zur Mitarbeit zei- gen, dass diese Beilage zum Amtsblatt bekannt ist, von vielen regelmäßig gelesen wird. Die He- rausgabe dieses Buches und das weitere viertel- jährliche Erscheinen des "Blick" mögen als Zeichen gelten, dass die Stadtverwaltung die Vermittlung lokal- und regionalgeschicht- licher Einblicke als einen wichtigen Teil im kulturellen Mosaik unserer Gemeinde be- trachtet. Auch für diesen dritten Band hat Kat ja Schmalholz die Druckvorlage und das Regis- ter erstelIr. Ihr Geschick und ihr großer Ein- satz ermöglichten es, bei der Nutzung det EDV-Einrichtungen des Stadtarchivs die Kos- ten dieser Produktion niedrig zu halten. Ohne sie wäre dieses Buch nicht entstanden. Dank gebührt schließlich Rita Dahm für die gewis- senhafte Korrektur der Texte, Uta Bolch für die digitale Aufbereitung der Bildet, Ultike Deistung für Bildrecherchen und dem Team des Info Verlags fur die bewährt gute Koope- ration. Redaktion "Blick in die Geschichte" Dr. Leonhard MillIer (verantwortlich), Forum for Stadt geschichte und Kultur, Dr. Manfred Koch, ,tellv. Leiter Institut for Stadtgeschichte 18 Aufsätze .·· · 19 Vor 80 Jahren - November 1918 Zur Abdankung des letzten badischen Großherzogs Luisc:': Y. Baden und das Großherzogspaar währc= nd des Ersren Weltkriegs. Anton Geiß, sozialdemokratischer Vorsitzender der vorläufigen Regierung, berichtete von sei- nem Besuch am 13. November 1918 in Schloss Zwingenberg, den er zusammen mit dem bis- herigen Staatsminister Frhe. v. Bodman unter- nommen hatte, um den dorthin geflüchteten Großherwg Friedrich Il. zu einer Regierungs- verzichtserklärung zu bewegen: "Der Groß- herzog sagte: 1\1so adjeu, Herr Geiß, ich wün- sche Ihnen zu Ihrem Unternehmen und Ihrem 20 neuen Amt recht viel Glück im Interesse un- seres schönen Badener Landes'. Er hat mir nochmals die Hand gereicht und geschüttelt, war aber so ergriffen, dass er sich nicht mehr halten konnte. Er hat sich umgewendet und ging. Dann kam die Großherzogin Hilda auf mich zu, reichte mir die Hand und sprach mir gleichfalls ihre Glückwünsche aus, dass es ge- lingen möge, unsere Verhandlungen zum Ziele zu führen. Die Frau hat jämmerlich geweint. Sie war ganz aufgelöst. Sie hat vorher kein Wort gesprochen. stand nur daneben mit Tränen in den Augen. Sonst war niemand da als Exzel- lenz Bodman, der ebenfalls tief ergriffen war. Auch mich hat es erfasst. Ich habe den Ein- druck gehabt, wie wenn plötzlich ein großes Unglück in einer Familie eintritt, ohne jede Vorbereitung, ein Todesfall oder dergleichen. Ich ging fort. Im Hof musste ich warten bis Exzellenz Bodman kam. Nach 15 bis 20 Mi- nuten fuhren wir weg. Als wir beieinander im Wagen saßen, sagte ich zu Exzellenz: 'Das sind schwere Stunden, nicht wahr? ' Darauf sagte er: 'Herr Geiß, das war eine dreistündige Hin- richtung, anders kann ich es nicht nennen. Es war etwas Furchtbares, was ich ausgestanden habe, bis ich den Großherzog zu dem gebracht habe, was ich schriftlich in der Tasche habe". Friedrich konnte es nicht fassen, hatte er doch ein von seinem Volk geachtetes Leben geführt. Friedrich als Erb- und Großherzog 1857 als Sohn der preußischen Königstochter Luise geboren, absolvierte er nach einer eigens für Prinzen und ausgewählte Bürgersöhne ge- schaffenen gymnasialen "Friedrichschule" ein dreijähriges Studium Generale in Heidelberg, Bonn, Leipzig und Freiburg. In seiner militä- rischen Karriere stieg er als Thronfolger rasch auf. wobei er sich bei Stationierungen in Pots- dam deutlich vom nassforschen Gardeoffi- zierston fernhielt, den sein Vetter Wilhe1m, der spätere Kaiser, so tremich artikulierte. Neben solcher Skepsis stand Kritik an mancher Entwicklung, so z. B. am zunehmen- den Antisemitismus, den er für "ein bedau- ernswertes Resultat der Verherzung" hielt. Als der Posten des Kommandierenden Generals 1901 in Karlsruhe frei wurde und der bald 80- jährige Friedrich r. seinen Sohn in der Nähe wissen wollte, lehnte Wilhe1m II. die Ernen- nung ab, weil man nicht nur bei einem kriegs- bedingten Einfall der Franzosen in Baden von einem Thronfolger schwer zu vereinbarende Maßnahmen erwarten musste, sondern weil man in Berlin die süddeutschen Fürstenhöfe separatistischer Neigungen verdächtigte. Diese Haltung führte für einige Zeit zu einer deur- lichen Verstimmung des Großherzogs gegen- über dem kaiserlichen Neffen. Als Friedrich Ir. 1907 fünfzigjährig die Nachfolge antrat, führte er die Politik seines Vater in einem Staat fort, der sich nun vom Agrar- zu einem dynamischen Industrieland wandelte. Obwohl die Nationalliberalen ihre Vorherrschaft in der Ir. Kammer verloren hat- ten, stand die Politik unter liberalem Vorzei- chen. Während des Ersten Weltkriegs konnte der seit seiner Jugend durch Gelenkrheumatis- mus gezeichnete Fürst einen militärischen Auftrag nicht wahrnehmen und lediglich mit Besuchen bei badischen Truppen die Stim- mung seiner Landeskinder verbessern helfen. Nach der Begeisterung am Anfang über die ersten Siege verbreitete sich bald Resignation angesichts der hohen Verluste. Auch in der Heimat begann durch die Erstarrung der Fronten und die Verknappung vieler Materi- alien die Siegesgewissheit zu schwinden. 21 Revolution in Baden 1917 und anfangs 1918 begannen erste Streiks in Mannheim. Die Erhebung kam aber erst durch die Matrosen-Empörung im Norden. In Baden war man bemüht, einen möglichst reibungslosen Übergang zu finden. Staatsrni- nistet von Bodman meinte, es genüge die Be- kanntgabe eines neuen Regierungsprogramms, und der Großherzog berief am gleichen 9. No- vember, als sein Vetter, Reichskanzler Prinz von Baden, den Thronverzicht Wilhe1ms Ir. bekanntgab, den badischen Landtag auf den 15. November ein, um auf die politische Aus- nahmesituarion einzuwirken. Aber die Ereignisse überstürzten sich. In Karls- ruhe wollte man eine "Revolution von oben" versuchen, Stadt- und Landtagsabgeordnete sowie Gewerkschaftsfunkrionäre schlossen sich zusammen, um die Staatsaufgaben als Wohl- fahrtsausschuss zu übernehmen. Daneben bil- dete sich ein Soldatemac. Ohne Zustimmung des Großherzogs wurde eiligst eine Regierung gebildet, die allein schon durch diesen Vor- gang nicht der gültigen Verfassung entsprach. Mit der Unterstützung bürgerlicher Parteien und von Teilen der Sozialdemokraten gelang es von Bodman, Friedrich Ir. zu überzeugen, gegen die "durch die Zeitumstände geschaffe- ne Lage einen Widerspruch" nicht zu erheben und "Kenntnis von der Errichtung einer provi- sorischen Volksregierung" zu nehmen. Gleich- zeitig wurden die bisherigen Minister "in Gna- den« aus ihren Ämtern entlassen. Am 11. November führte von Bodman den neuen Innenminister Or. Haas im bishe- rigen Stil ein und informierte ihn über einen vorbereiteten Putsch gegen den Großherzog, der gebeten wurde, sich mit seiner Familie ins Schloss zurückzuziehen. Mit Mühe gelang es, 87 Soldaten zusammenzubringen, um die am Abend tagenden Ausschüsse im Rathaus und im Innenministerium zu schützen. Als man nach 22 Uhr Schüsse aus der Richtung des Schlosses hörte, fürchteten einige eine Gegen- revolution. Sirenen heulten und Flugabwehr- geschütze gaben Schüsse ab, bis man die wah- ren Vorgänge erkannt hatte. Es handelte sich um einen Putschversuch des Obermatrosen Klumpp, der im Zivilleben berufliche Schwierigkeiten hatte und sich nun zum Politiker berufen fühlte. Mit einem Trupp zog er zum Schloss und forderte den Oberhof- meister von Göler auf, der Großherzog solle herunterkommen. Das Personal war völlig verwirrt und hörte Rufe wie "Raus mit dem größten Lump in Baden, raus mit der Alten, der Luise." Eine Vielzahl von Schüssen schlu- gen in das Schloss ein, und Göler bedrängte nun Friedrich, seine Muner Luise, seine Gat- tin und seine zu Besuch weilende Schwester Viccoria, Königin von Schweden, das Schloss zu verlassen. "Sie machten sich reisefertig, gingen ei- lends durch die rückwärtigen Gemächer nach dem östlichen Flügel ... stiegen hier durch ein Fenster in den Fasanengarten, wo in einiger Entfernung die Kraftwagen' bereitstanden. Als sie Platz nahmen, tönte das erste Heulen der Sirenen durch die Nacht und füllte sie mit der Ungewissheit neuen Schreckens. Mit welchen Empfindungen die Herrschaften davonfuh- ren, mag jeder ermessen. Vor allem war es für die greise Großherzogin Luise, die des Reiches Aufgang und Hetrlichkeit und nun seinen jä- hen Zusammenbruch erlebt hatte, unendlich bitter, bei Nacht und Nebel aus der Residenz flüchten zu müssen '\ so ein Zeitzeuge. Die fürstliche Familie suchte zunächst im Schloss Zwingen berg bei Eberbach Zuflucht, wo sich die eingangs beschriebene Szene zwi- schen Geiß und von Bodman abspielte. Tags darauf erklärte die Volks regierung, dass Baden eine "freie Volksrepublik" sei. Friedrich fürch- tete, der bisherige Zufluchtsort liege zu nahe bei Mannheim mit seiner radikalen Arbeiter- 22 schaft und zog nach Schloss Langenstein im Hegau, Besitz des Verwandten Graf Douglas. Im Sonderzug begleiteten ihn vier der neuen Minister. Im Kreis der Volksregierung hielt man mittlerweile Friedrichs Regierungsverzichts- erklärung für nicht mehr ausreichend, da die Soldatenräte nur dann eine Unterstützung der Reichsregierung Ebert - Scheidemann leisten würden, wenn eine endgültige Einführung der Republik in Baden erfolgte. So wandte man sich wiederum an von Bodman, dessen Missi- on Friedrich als "neue Zumutung" anfangs tief bewegte und die er entrüstet zurückwies, hoff- te er doch, dass die künftige Landesversamm- lung sich letztlich für ihn entscheiden würde. Schließlich musste er dem Drängen nachge- ben. um Schlimmeres zu verhüten. Am 22. November, drei Monate nachdem Friedrich am 22. August noch eine Feier zum hundertjährigen Gedenken an die badische Verfassung von 1818 veranstaltet hane, verlas von Bodrnan vor der Regierung das Schreiben, in dem es heißt: "Nachdem mir nun bekannr geworden ist, dass viele Badener sich durch den Treueid, den sie als Beamte, Soldaten oder Staatsbürger geleistet haben, in ihrem Gewis- sen gehemmt fühlen, bei der Vorbereitung der Wahlen zur verfassungsgebenden Versamm- lung sich so zu betätigen. wie sie es nach den tatsächlichen Verhältnissen und insbesondere nach der Lage im Reich für geboten erachten, entbinde ich die Beamten, Soldaten und Staats- bürger ihres Treueids und verzichte auf den Thron. Mein und meiner Vorfahren Leitstern wat die Wohlfahrt des badischen Landes. Sie ist es auch bei diesem meinem letzten schwe- ren Schritt. Mein und der Meinigen Liebe zu meinem Volke höret nimmer auf! Gott schüt- ze mein liebes Badner Land!" Verschiedene Minister dankten dem Groß- herzog, dass durch seinen Schritt die Wahl für die Nationalversammlung nun erleichtert wur- de, weil es nicht mehr um das Pro und Conrra einer Monarchie ginge. In der Kundmachung der Volks regierung vom 22. November hieß es: "Das badische Volk anerkennt die Liebe zur badischen Heimat, die der Großherzog auch wieder in den Entschlüssen der letzten Tage bestätigt hat." "Nichts sei gegen die Person des Großherzogs gesagt", hatte es schon zuvor in der sozialdemokratischen "Mannheimer Volks- stimme" vom 15. November geheißen. "Er tat nichts, was ihn hätte verhaßt machen können; wo das politische Leben strömte, da strömte es an ihm vorbei; er war nie Mittelpunkt, nie auch war er der Träger der Geschichte: nicht im Bö- sen - das fällt zu seinen Gunsten; nicht im Gu- ten - das fällt zu Lasten der Institution ... Und darum fällt mit dem Monarchen kein Amt, sondern eine Würde; keine Leistung, sondern bloß eine Repräsentation; kein befruchtendes Leben, sondern nur ein Schatten, der herein- ragte aus den Zeiten ältester Vergangenheit; ein Fremdes in unsern Tagen, ein kaum mehr Verstehbares. " LEONHARD MüLLER Siedlungen der 60er Jahre in Karlsruhe (Teil I) Trotz über 27.500 neu errichteter Wohnungen in den 50er Jahren suchten 1960 immer noch 12.000 Familien eine geeignete Unterkunft. So blieb die Förderung des Wohnungsbaues auch im folgenden Jahrzehnt eine vordringli- che Aufgabe der Kommunalpolitik. Der vor- läufige Flächennutzungsplan von 1961 ent- hielt Darstellungen zahlreicher neuer Wohn- bauflächen. Flächen in städtischem Eigentum gewannen, unabhängig von den natürlichen Gegebenheiten, große Bedeutung. In den 50er Jahren begonnene Wohnquartiere in der heu- tigen Nordweststadt, in Rintheim und in der Waldstadt wuchsen weiter, neue Quartiere entstanden. Neben den hier ausgewählten fünf Siedlungen sind dabei zu nennen: die weitere Bebauung des nördlichen Seldeneck'schen Feldes und des Beiertheimer Feldes, Heiden- stücker-Nord, die Europa-Schule-Siedlung, das nördliche Knielingen (Sudetenstraße) und die Fortsetzung der Durlacher Hangbebau- ung. Erwähnenswert ist noch die "Richt- Wohnanlage" nördlich des Durlacher Güter- bahnhofs mit 400 Wohnungen, vorwiegend in vier Hochhäusern. Ein zweiter Bauabschnitt 23 mit Terrassenhäusern folgte 1968. Die Rhein- stadt als Wohnstandort in der Burgau blieb auf dem Reißbrett. Zwischen 1960 und 1969 wurden in Karlsruhe um die 25.400 Wohnun- gen gebaut, 3.400 Unterkünfte gingen durch Abbruchrnaßnahmen und Umnutzungen ver- loren. Für Ende 1969 weist die Statistik für die Gesamtstadt einen Bestand von ca. 95.700 Wohnungen auf; die Zahl der Einwohner nahm in dieser Zeit von ca. 239.000 auf ca. 258.000 zu. In den 50er Jahren schien dutch den Sied- lungsbau mit seinen oft fünfgeschossigen pa- rallelen Zeilen und den weiten dazwischen lie- genden Freiflächen die ,,Auflösung" der tradi- tionellen Stadt ang,sagt. Das folgende Zitat aus dem "Karlsruher Wirtschaftspiegel 1961" verdeutlicht die damaligen Ziele: "In den neu- en Wohngebieten wurden so die modernen Städtebauforderungen, wie Trennung von Fuß- und Fahrverkehr, Verkehrssicherheit, Einpla- nung von Grün- und Erholungsräumen mög- lichst in Verbindung zu stadrnahen Wald- und Erholungsflächen, richtige Einplanung von Kinderspielplätzen, Kindergärten und Schu- Siedlun gen und Wohnprojekre in den 60er Jahren . len mit der Anordnung gefahrloser und kurzer Fußwege. zweckmäßige ~ordnung kleinerer und größerer Einkaufszentren und stark auf- gelockerte Bauweise um Licht. Lufi: und Son- ne in die Wohnungen und dazwischen liegen- de Grünflächen hereinzulassen. in weitgehen- dem Maße verwirklicht." Im Laufe der 60er Jahre wurden in neuen Baugebieten ofi: unter- schiedliche Gebäudeformen wie Hochhaus. Scheibe und Reihenhaus kombiniert. Der Städtebau vieler Siedlungen der damaligen Zeit lässt uns aber heute deutliche Ordnungs- muster. Kompaktheit und Raumbildung ver- missen. Zwei der später beschriebenen Bauge- biete. die Baumgarten-Siedlung in Rüppurr und das Wohnquartier im Eichbäumle in der Waldstadt. erhalten auch heute noch die über- regionale Aufmerksamkeit als Muster für qua- litätvollen und flächensparenden Siedlungs- bau in der Stadt. 24 Bergwald-Siedlung Bereits 1954 sprach der damalige Oberbürger- meister Klotz mit Landrat Groß über eine Be- bauung des gesamten Hanggebietes oberhalb der Bundesstraße 3 von Durlach bis nach Ett- lingen. Das Gelände sollte für Einzelhäuser in Flachbauweise erschlossen werden. ohne aber Waldflächen in Anspruch zu nehmen. 1957 sprach sich der Stadtplanungsausschuss für eine Bebauung des Hanggebietes auf Karlsru- her Gemarkung aus. Später folgten auch die dafür notwendigen planungsrechtlichen Rege- lungen. Die Bebauung von Hängen ist aus landschaftsplanerischen und klimatischen Er- wägungen immer problematisch und verlangt deshalb anspruchsvolle Planungsarbeit. Die damaligen Planer und Politiker waren noch nicht sensibilisiert für diese Anforderungen. Die Abwägung beschränkte sich lediglich auf die Frage, ob Waldverlust vermeidbar sei. Der freien Landschaft mit Wiesen, Gehölz und Streuobstlagen schien man noch keinen Wert beigemessen zu haben. Ende 1959 gelangte erstmals der Bergwald in das Visier der städtischen Planer. Das Nicht- berücksichtigen des Gebietes in der 1960 er- stellten Landschaftsschutzkarte und die Aus- weisung im vorläufigen Flächennutzungsplan 1961 galt als kommunalpolitische Zustim- mung. 1962 konnte die Öffentlichkeit im Rahmen der Ausstellung "Karlsruhe plant und baut für seine Bürger" bereits zwei Bebauungs- varianten für das 29 ha große, sich im städti- schen Eigentum befindliche Hanggebiet be- sichtigen, eine für 1.500 Einwohner, die ande- re für 2.500. Die Stadtverwaltung holte ein Gutachten beim Lehrstuhlinhaber für Städte- bau an der Universität Karlsruhe, Professor Bayer, ein, um in der .kommunalpolitischen Auseinandersetzung eine Entscheidungshilfe zu erhalten. Denn es ging um die Frage "Hoch- häuser auf dem Bergwald?" . Insbesondere die "mittelbadischen Waldfreunde" und deren Vorsitzender Dr. Otto Figlestahler lehnten die Modellfow der ersten Planung für die Bcrgwald-Sicdlung. 25 Bebauungsvariante mit Flach- und Mittel- hochbau und drei 10-geschossigen Hochhäu- sern auf der Bergkuppe gegenüber der Varian- te mit ausschließlich Flachbau ab. Der Eingriff in den Wald schien keine besondere Rolle mehr zu spielen. Die eingeholte Expertise enthielt das Votum für die Hochbebauung, auch unter dem Gesichtspunkt der Infrastrukturkosten. Selbst die Siedlungsgröße von 2.500 Einwoh- nern liegt jedoch weit unter dem Orientie- rungswert einer Mantelbevölkerung für eine tragfähige Ausstattung mit öffentlichen und privaten Versorgungseinrichtungen. So begann 1963 die Erschließung, der Bau der ersten Häuser begann 1965, der Bebauungsplan mit seinen umfangreichen Bauvorschriften folgre 1966. Mit der baukünstlerischen Oberleitung wurden die Architekten Möckel und Schmidt beauftragt. Ein Vergleich mit der Hangbebau- ung der späteren Jahre oberhalb der Bundes- straße 3 - ein Beispiel für Behäbigkeit und "Neureichtum" - zeigt gestalterische Konse- quenz, die eine "Basisqualität" erreicht. Die Bebauung gliedert sich in die erwähnte Kup- penbebauung mit drei 10-geschossigen Schei- ben. in die Zone mit Mittelhochbau und Ver- sorgungseinrichtungen und in Bereiche mit Reihen- und Einzelhäusern. Ein Grünstreifen mit Treppenanlagen bildet die Siedlungsmitte. Die Verkehrs erschließung erfolgt über eine Ringstraße mit zwei Verbindungsspangen. Heute leben nur noch an die 1.300 Men- schen in der Siedlung. über die bereits 1973 in der Presse kritisch bilanziert wurde: Isolation. schlechte Versorgung. nicht gelungene Einbin- dung des oberen Teils der Siedlung in die Landschaft. Baumgarten-Siedlung Gemeinsamkeiten und dennoch große Unrer- schiede bestehen zwischen der Bergwald-Sied- lung und dem sich nun zu widmenden Bauge- biet. Gemeinsam ist ihnen der Baubeginn Mitte der 60er Jahre. der 10- und 4-geschos- sige Wohnungsbau. Reihenhäuser. Einzel- und Doppelhäuser. die Siedlungsgröße um 28 ha und die angestrebte Einwohnerzahl von 2.500. Wohnfolgeeinrichtungen. Ringerschlie- ßung. Als Unterschiede si~d zu nennen: das im Süden Rüppurrs situierte Areal ist keine ,.Insel" in der Hanglandschaft. sondern er- gänzt einen Stadtteil; er liegt im nahen Ein- zugsbereich der Stadtbahn und verfügt in sei- nem Kernbereich. der eigentlichen Baumgar- tensiedlung - auch "neue Gagfah" genannt- über ein Beispiel hochwertigen Siedlungsbau- es. Die "alte Gagfah". ab 1956 erbaut. liegt westlich der Herrenalber Straße. Das Mitglied der "Werkgemeinschaft freier Architekten Karlsruhe". Paul Schütz. enrwarf diese Anlage für die GAGFAH (Gemeinnürzi- ge Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heim- stätten). die 327 Eigentumswohnungen und 218 ein- und zweigeschossige Eigenheime bis 1971 errichtete. Das 1918 von der Vorgänge- rin der Bundesversicherungsanstalt für Ange- stellte. gegründete Unternehmen betrieb schon 26 in der Weimarer Republik innovative Wohn- bauprojekte mit Architekten wie Walter Gro- pius und Johannes GÖderitz. Später erfolgte eine Ergänzung auf Flächen. die nicht mehr für öffentliche Einrichtungen benötigt worden sind. Der Siedlungs teil mit dem verdichteten Flachbau zieht seit langem die Aufmerksam- keit der Fachwelt auf sich. So wurde die Ver- leihung des Hugo-Häring-Preises von 1970 wie folgt begründet: "Die Wohnsiedlung .. . zeigt eine starke Verdichtung. bei welcher neben städtebaulichen Vorzügen ein Maximum an privater Wohnatmosphäre erzielt wird. lo- benswert ist die werkgerechte Durchbildung aller Einzelheiten." 1976 folgte die Auszeich- nung mit der "Weinbrenner-Plakette" der Stadt Karlsruhe und 1980 die Prämierung beim Landeswettbewerb "Wohnen am Stadtrand". Der größte Teil der Flachbebauung steht in- zwischen unter Denkmalschurz. Nach den eigenen Aussagen von Paul Schütz. dem veranrwortlichen Architekten und späteren. leider schon 1985 verstorbenen Architekturlehrer an der Universität Karlsru- he. entstand das Konzept aus der Auseinander- setzung mit den damals herrschenden Bedin- gungen wie Wunsch nach Einfamilienhaus. Eigentum. Bevölkerungswachstum und der damit verbundenen "Landzerstörung". So bil- ModdlfolO dc=r ersten Planung für die Baumgartcn-Sicdl ung. Teil der Bebauung Mim Eichbäumle" vom zentralen Platz aus gesehen. den die Zeilen mit in der Regel 12 schmalen oder sechs breiteren Reihenhäusern Gruppen. die durch ein vetästeltes. mit kleinen Plätzen unterbrochenes Wegenetz erschlossen sind. Ein Spaziergang auf diesen Fußwegen vermit- telt dem Besucher die hohe Qualität des Wohn- quartiers. Die gärtnerischen Anlagen entwar- fen Hans Luz und Wolfgang Miller. Acht ver- schiedene Haustypen auf 150 bis 250 qm gro- ßen Grundstücken lassen eine Uniformität trotz des einheitlich weiß getünchten Mauer- werks vermeiden. Sichtgeschützte private Gar- tenhöfe erweitern die Wohnungen nach Sü- den ins Freie und bereichern mit ihrer Vegeta- tion das Erscheinungsbild. Die Parkierung erfolgt in sieben Garagenhöfen. die an den Heinrich-Heine-Ring und an einen daran angeschlossenen Bügel. die Reinhold-Schnei- der-Straße. angebunden sind. Der größte Teil der Gesarntanlage einschließlich des Laden- zenuurns. Kindergartens und der großen Spiel- platzanlage kann ohne Überquerung einer Suaße zu Fuß erschlossen werden. Der Süden Karlsruhes birgt mit der Baum- garten-Siedlung neben dem Dammerstock und der Gartenstadt ein drittes Ziel für die an der Wohnkultur und Siedlungsgeschichte In- teressierten. 27 Im Eichbäumle In der Waldstadt-Feldlage ist ein Ergebnis mit ähnlicher Zielsetzung wie die Baumgarten- Siedlung zu besichtigen. Eine Fläche von ca. 8.000 qm südlich des Otto-Hahn-Gymnasi- ums bietet Platz für 19 Einfamilienhäuser auf Grundstücksflächen zwischen 245 und 386 qm. Trotz der vier Haustypen. ein- oder zwei- geschossig. mit Wohnflächen zwischen 96 und 135 qm. bleibt die gestalterische Einheitlich- keit gewahrt. Die Grundlage dafür bilden die gleiche Formensprache durch die kubischen Elemente. die differenziert gestaffelten Bau- körper und gleiche Materialien wie Kalksand- stein-Sichtmauerwerk, Rahmen aus dunklem Holz und Mauerabdeckungen aus Sichtbeton. Dieser bemerkenswerte Mosaikstein im Siedlungsgefüge der Waldstadt war als Sonder- schau "H aus und Garten U im Rahmen der Bundesgartenschau 1967 der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Planung lag in den Händen von Dorothea Haupt. Petet Haupt. Ernst Jung und Wolfgang Siegmann (Gartenge- staltung) . Die Architekten suchten im Auftrag der Hausbau Wüstenrot GmbH als Bauherrin neue Möglichkeiten des verdichteten Flach- baues. die auf kleinen Grundstücken Wohn- qualitäten des freistehenden Einfamilienhauses aufWeisen. Intensiv nutzbare Wohngärten ohne die Einsehbarkeit durch die Nachbarn und Passanten sind dazu ein Beitrag. Die Dichte der Bebauung und Ausnutzung der Grundstü- cke ist aber geringer als im Flachbauquartier der Baumgarten-Siedlung. Ähnlich wie dort bleiben die Autos in Garagenhöfen an der Straße. Wohnwege führen auf einen kleinen Platz als Mitte der Bebauung. Da es sich bei diesem kleinen Wohnquartier um einen bei- spielhaften Beitrag zur Architektur der 60er Jahre handelt. steht es als Kulturdenkmal un- ter Schutz. HARALD RI NGLER Siedlungen der 6Üer Jahre in Karlsruhe (Teil II) Die folgenden Beispiele für den Wohnungs- bau der 60er Jahre sind sehr unterschiedlicher Natur. Die Anfänge der Rheinstrandsiedlung Daxlanden liegen in den 30er Jahren. Ende der 50er Jahre setzte sich die Bebauung fort. Baurnaßnahmen in der Kriegs- und Nach- kriegszeit unterbrachen diese bis zum Ende der 50er Jahre. Mit Oberreut, ebenfalls im Karlsruher Südwesten, war der Bau einer "Tra- bantenstadt" beabsichtigt. Ende der 60er Jahre entstand an der Kaiserallee Wohnungsbau auf einer ehemaligen Industriefläche. Damit serzte sich der innerstädtische Wohnungsbau in Form von Großwohnanlagen wieder fort, wie er vor dem Zweiten Weltkrieg häufig zu fin- den war (Gottesauer Block, Rüppurrer-/Stutt- garter Straße, Alkerblock in der Ebertstraße, Hermann-Billing-Straße, Meidinger Block in der Kriegsstraße). Mitte der 50er Jahre ent- standen an der Karlstraße das Wohnhochhaus Schmiederplarz und die vorgelagerte Ladenzo- ne mit dem Ringcafe. Wohnungsnot und stei- gendes Bevölkerungswachstum verlangten aber weitere Siedlungen. Rheinstrandsiedlung Der Mieter- und Bauverein, eine 1897 ge- gründete Karlsruher Genossenschaft mit heute über 6.500 Wohnungen, ist der Bauträger die- ser im Südwesten der Stadt liegenden Sied- lung. 1935 kaufte der Verein 24,7 ha Gelände und erhielt von der Stadt eine ehemalige Müll- grube geschenkt. Damit war die Auflage ver- bunden, dort eine Grünanlage anzulegen. Beabsichtigt war der Bau einer "Gemein- schaftssiedlung" der Reichsregierung für 500 Einfamilien- und Reihenhäuser mit dem Na- men ,.Adolf-Hitler-Siedlung". Da keine Ei- 28 genheime errichtet wurden, gab es keine Un- terstützung des Reiches und keine Genehmi- gung für die Namensgebung. Es war das erste Siedlungsprojekt des Vereins, der sich bisher nur im Geschosswohnungsbau engagiert hat- te. 1937 zogen die ersten Mieter ein, nachdem 1936 ein Wettbewerb zur Erlangung eines Siedlungs planes durchgeführt worden war. Die Siedlung sollte "im gesamten Aufbau ein richtungsgebendes Vorbild nationalsozialisti- schen Gedankengutes sein", damit auch ein der Dammerstock-Siedlung der "Systemzeit" ideologisch entgegengesetztes Beispiel. Der zweite Preisträger Prof. Heinrich Mertens aus Aachen wurde mit der weiteren Bearbeitung beauftragt, da er im Gegensatz zum strengen, an Dammersrock erinnernden Entwurf der ersten Preisträger Prof: Karl Wach und Hein- rich Roßkotten aus Düsseldorf durch ge- schwungene Straßen, Dorfplatzidylle (,.Am Anger") und Häuser mit steilem Satteldach dörfliche Atmosphäre suggerieren wollte. Großstadtfeindlichkeit und Verhertlichung der bäuerlichen Lebensweise waren die leitli- nien für den Wohnungs- und Siedlungsbau. Nachdem 288 Wohnungen erstellt worden waren, erzwang det Bausroffmangel 1940 die Einstellung der Bautätigkeit. Nach der Beendigung des Wiederaufbaues der teilweise zerstörten Siedlung im Jahre 1957 lebten dort über 1.200 Menschen. Ein Jahr später folgte der Weiterbau durch den Mieter- und Bauverein nach einem neuen Be- bauungsplan, der die Grundlage für einen Endausbau für 8.000 Einwohner auf einer ge- samten Siedlungsfläche von inzwischen 56 ha bildete. 1971 wohnten über 5.000 Einwohner in 1.250 Wohnungen. Reihenhäuser, Mittel- hochbau und achtgeschossige Punkthäuser Rhc= inst r:mdsic=dlung: Ladc=nzemrum . prägen diesen Stadtbereich mit seiner 60-jäh- rigen "historischen Mitte'\ die heute unter Denkmalschutz steht. Ladengeschäfte, eine Apotheke und ein Cafe sicherten damals die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen für den täglichen Bedarf. Ein evangelisches Gemeindezentrum mit Kindergarten, ein Ju- gendzentrum und die teilausgebaure Adam- Remmele-Schule ergänzen die Infrastruktur. Bis 1990 hatte der Miter- und Bauverein über 1.750 Wohnungen erstellt. Nördlich davon war bis dahin auch das Baugebiet "Daxlanden- Ost" entstanden. Oberreut-Waldlage Die Erweiterung der Stadt nach Süden war schon im Entwurf des Generalbebauungspla- nes 1926 angedacht. Die Planer sahen aber die Gleise der Pfalzbahn als Hindernis, auf deren Beseitigung die gesamte Plankonzeption be- ruhte. Ab 1959 verstärkte sich die Suche in- nerhalb der Stadtverwaltung nach möglichen Bauflächen. Erste Gedanken über eine weitere Waldstadt in Blankenloch regten sich in Karls- ruhe - so hatte doch schon die Inanspruch- nahme der staatlichen Waldflächen für die Waldsradt verhältnismäßig wenig Schwierig- keiten bereitet. Das Umland sah die drohende Eingemeindungsgefahr, was die Überlegung . im Sand verlaufen ließ. Waldflächen in städti- schem Eigentum waren aber noch interessan- ter für den Siedlungsbau. Der Wegfall einer komplizierten Bodenordnung und die fehlen- de Abhängigkeit vom Bauwillen privater Ei- gentümer ermöglichte eine schnelle Realisie- rung. So trieb die Stadtverwaltung die Planun- gen für den Bergwald und Oberreut, wo die- se Gegebenheiten vorlagen, voran. Die Bauar- beiten für Oberreut begannen 1963. 29 Luftfoto (1969) von Nordosten aus aufObcrrcm-Fcldlagc. Ende der 50er Jahre begann in der Bundes- republik Deutschland an den Rändern von Großstädten der Bau von Großsiedlungen. die oft als .. Satellitenstädte" oder .. Trabantenstäd- te" bezeichnet wurden. Köln-Chorweiler. Mün- chen-Fürstenried und Saarbrücken-Eschberg sind Beispiele dafür. Die Karlsruher Waldstadt zählt noch zum Städtebau der Phase zuvor. Oberreut war als Satellitenstadt. auf Karlsru- her Größenverhältnisse ausgerichtet. gedacht. . Auf einer ca. 100 ha großen Fläche zwi- schen Bulach und der Heidenstückersiedlung sollte nach ersten Vorstellungen eine Wohn- siedlung für 12.000 Menschen enrstehen. La- denzentren. Schulen. ein Kino und ein Hotel sah man als Infrastruktur vor. Ein wichtiges Ziel lag dem ersten Gesamtenrwurf von 1962 zu Grunde. nämlich preiswerte Wohnungen vor allem für kinderreiche Familien. Die kli- matisch günstige Lage im Südwesten der Stadt wurde als besonderer Vorteil betont. Städti- 30 sches Eigentum war nur als Waldfläche vor- handen. was den ersten Bauabschnitt als .. Ob- erreut-Waldlage" auf25 ha Fläche bestimmte. Meist Nord-Süd gerichtete Blöcke mit vier und acht Geschossen prägen die Bebauungs- struktur. Neben Reihenhäusern bringen drei winkelförmige Wohnzeilen erwas Abwechs- lung in den Städtebau. Der resdiche Waldbe- stand konnte zum Teil in die Gestaltung ein- bewgen werden. Gebaut wurde ohne Bebau- ungsplan. der erst 1967 Rechtskraft erlangte . Bis 1970. dem Jahr der Vollendung dieser Etappe. wuchs die Einwohnerzahl auf über 5.700 der Bestand an Wohnungen auf 1.160. Ober 600 Wohnungen davon realisierte die städtische "Volkswohnung" . Die weitläufige Meinung. die wegen der Altstadtsanierung um- gesetzten Menschen hätten in Oberreut eine neue Bleibe gefunden. stimmt nur teilweise. In dem 1961 festgelegten Ersatzwohnungspro- gramm. in den nächsten 1 0 Jahren eintausend Sozialwohnungen zu schaffen, waren auch an- dere Stadtteile einbezogen. Heute leben in der Waldlage etwa 3.500 Menschen. Es folgte Ende der 60er Jahre der Bauab- schnitt "Mittelreut", dessen Planung in den Händen von Erich Schelling lag. Gegenüber der Waldlage erhöhte sich die Bebauungsdich- te durch höhere Gebäude. Seit 1971 arbeitete das Stadtplanungsamt an einer neuen Planung für die Feldlage, ebenfalls mit dem Ziel einer höheren Verdichtung. Weitere Überarbeitun- gen folgten, deren Ergebnisse heute besichtigt werden können. Nach über 35 Jahren seit dem ersten Spatenstich geht Oberreut nun auf die bauliche Vollendung zu. Eigentumswohnungscenter Kaiserallee Neben dem Siedlungsbau auf der "grünen Wiese" trägt der innerstädtische Wohnungs- bau auf vormals gewerblich genutzten Flächen ebenfalls zur Deckung der Wohnungsnachfra- ge bei. Die Umnutzung von Gewerbebrachen wird heute als ein wichtiger Beitrag zur Res- sourcenschonung propagiert. Derartige "Kon- versionen" gibt es in Karlsruhe schon länger. Der 1968 begonnene Bau von über 500 Woh- nungen und Geschäften an der Kaiserallee, auf einer Fläche von 20.000 qm, ist nach der 1964 Eigemumswohnungsccßtcr Kaiserallee mit dem ehemaligen Promenadenhaus im Vordergrund. 31 begonnenen Richt-Wohnanlage mit 400 Woh- nungen ein weiteres Beispiel dafür. Ein ca. 3,6 ha großes Areal zwischen dem damaligen Gaswerkgelände und der Scheffel- straße war ab 1865 von der Brauerei Printz genutzt worden. Nach dem Bau von Eis- und Lagerkellern der in der Innenstadt gelegenen Brauerei vollzog sich ab 1875 die gesamte Bierproduktion auf diesem Standort. Durch die Fusion mit der Brauerei Schrempp ver- blieb in den 1920er Jahren nur noch die Mäl- zerei an der Kaiserallee. Die übrigen Gebäude wurden dann von anderen Firmen genutzt. Ende der 1960er Jahre ging mit den Abbruch- arbeiten diese Phase der Industrialisierung in der Weststadt dem Ende zu. Die Umnutzung des benachbarten Stadtwerke-Geländes folgte ungefähr ein Jahrzehnt später. Das von Architekt Gerhard Pfisterer be- treute Großprojekt wurde über Befreiungen von der damaligen . städtischen Bauordnung, d. h. ohne Bebauungsplan als planungsrecht- liche Grundlage realisiert, eine heute rechtlich und kommunalpolitisch nicht mehr mögliche Vorgehensweise. Die Wohnanlage besteht aus zwei 18-geschossigen langgestreckren Hoch- häusern, einem siebengeschossigen Büroge- bäude mit anschließendem fünfgeschossigen Laubenganghaus mit den der Kaiserallee abge- wandten Wohnungen. An der Nordwestecke des Geländes erinnern heute noch zwei Bau- ten an das ausgehende 19. Jahrhundert, das für die Witwe Printz 1893 errichtete Wohn- haus und das anschließende Eckgebäude Kai- serallee/Scheffelstraße von 1884. Die Scheffel- straße wird von einem Mittelhochbau mit ei- ner Ladenzone im Erdgeschoss begrenzt. Eine Kuriosität stellt das ehemalige 1814/ 15 errichtete Promenadenhaus von Friedrich Weinbrenner neben den über 150 Jahre später errichteteten Hochbauten dar. HARALD RINGLER Die Städtische Galerie Karlsruhe Neuer Ort, neue Möglichkeiten Im Mai 1997 bezog die Städtische Galetie ihr neues Domizil im Lichthof 10 des Hallenbaus A, und im Oktober des Jahres fand die glanz- volle Eröffnung des Hauses mit Zehntausen- den- von Besuchern und einem erheblichen Medienspektakel statt. Deurschlandweit WUt- de dieses Ereignis in Radio und Fernsehen aus- gestrahlt und auch die Städtische Galerie als bedeutender Nachbar des ZKM gefeiert. Vier Jahre der Vorarbeit - der ständige Dialog mit dem Team des Architekten, dem ZKM, det Kommunalbau GmbH sowie Fachberatern hinsichtlich Technik, Equipment etc. sowie intensive Überlegungen vor allem zur Konzep- tion der ständigen Schausammlung - diese konnte seit Ende det 80et Jahre im Prinz-Max- Palais aus Platzgtünden nicht mehr gezeigt werden - waren dem vor~ngegangen. Heute, knapp anderthalb Jahre nach dieser denkwür- digen Eröffnung, ist es an der Zeit, eine vor- läufige Bilanz zu ziehen. Dies umso mehr, als die Städtische Galerie im September 1998 mit der Präsentation ihrer ersten Sonderausstel- lung "Deutsche Künstlerkolonien 1890-1910" im neuen Hause an ihr Ausstellungsprogramm wieder anknüpfte, und das mit großem Erfolg. Mit der Verlegung det Städtischen Galerie aus dem Prinz-Max-Palais in den Hallenbau hatte sich ein Programmwechsel sowohl in der Geschichte der Galerie als auch in der Kultur- politik der Stadt vollzogen. Als direkter Nach- bar und unter einem Dach mit dem ZKM und dessen zwei Museen, sowie der Hoch- schule für Gestaltung und künftig auch dem Sammlermuseum ist die neue Städtische Ga- lerie im Hallenbau nunmehr Teil eines En- sembles von Institutionen geworden, die den 32 Bürgern und Bürgerinnen ein ungewöhnlich breites wie faszinierendes Spektrum an Kunst, Kultur und Medien bieten. Diese facettenrei- che Bündelung von hochkarätiger Kunst und Medien an einem Ort ist europaweit einmalig! So ist die neue Städtische Galerie nicht mehr das solitäre "Juwel im Herzen der Stadt", son- dern eine gewichtige Stimme im Chor der In- stitutionen im Hallenbau A, wobei sie mit ihren Sammlungen von badischer Kunst seit 1850, deutscher Kunst nach 1945 und der hochrangigen, im internationalen Leihverkehr äußerst begehrten Sammlung Garnatz den mehr traditionell orientierten Grundakkord bildet. Das eigene Profil der Städtischen Gale- rie wird umso deutlicher, je mehr in den be- nachbarten Lichthöfen des ZKM vorwiegend Medienkunst geboten wird. Insgesamt geht es darum, ein möglichst pluralistisches wie span- nungsreiches Angebot zu machen, sodass die Besucher, von Lichthof zu Lichthof wech- selnd, in die unterschiedlichsten Erfahrungs- welten moderner Ästhetik eintauchen können. Neues Umfeld Dieses fruchtbare Nebeneinander der Kunst- und Kultureinrichtungen im Hallenbau A mit seinen unterschiedlichen inhaltlichen Schwer- punkten nimmt der Besucher wahr, wobei für ihn die verschiedenen Trägerschaften irrele- vant sind. Mit dem Begriff ZKM ist zumeist der Hallenbau A als ganzer gemeint und nicht speziell das Zentrum für Kunst und Medien- technologie, das sich mit seinen Museen und Forschungs-Eintichtungen in den Lichthöfen 6 bis 9 zwischen Städtischer Galerie (Lichthof 10) und Hochschule für Gestaltung (Lichthö- fe 3 bis 5) befindet. Eine durchgängige Erleb- nisachse durch die Lichthöfe im I. OG wird künftig die Einheit noch unterstreichen. Die unmittelbare Nachbarschaft von Städ- tischer Galerie und ZKM-Museen hat sich bisher als außerordentlich positiv erwiesen. Auch nach dem naturgemäßen Abflauen der Besucherströme nach der Eröffnung 1997 wurden im Jahr 1998 rund 20.000 Eintritts- karten verkauft, die sowohl den Besuch der ZKM-Museen als auch den der Städtischen Galerie umfassten. In dieser Zahl sind jene 17.000 Besucher nicht enthalten, die bis zum Jahresende 1998 speziell wegen der Son- derausstellung "Deutsche Künstlerkolonien 1890 -1910" gekommen waren und sich bei dieser Gelegenheit oft auch die Schausamm- lung in den oberen Geschossen ansahen. Auf- grund des Ansturms im Januar 1999 konnten für diese Sonderausstellung schließlich über 25.000 Besucher verzeichnet werden. Mit dem restlosen Ausverkauf des Katalogs zur Ausstellung "Deutsche Künstlerkolonien" bei einer Auflage von 4.000 Exemplaren brach die Städtische Galerie sämtliche diesbezügliche Rekorde ihrer Geschichte. Insgesamt hat sich die Situation der Städ- tischen Galerie im Hallenbau A, Lichthof 10 grundlegend verbessert. So hat sich die Aus- steUungsfläche etwa verdreifacht, ist die Schau- sammlung dauerhaft präsent, sind auch Tech- nik-, Verwaltungs- und Depotbereiche groß- zügig bemessen und ausgestattet, steht eine eigene Fläche für Sonderausstellungen zur Verfügung. Als sinnvoll und äußerst nützlich erweist sich der Vorrragsraum (das so genannte Forum) im Erdgeschoss. In dem etwa 200 qm großen Raum können - wie schon des öfteren erfolgreich erprobt - Sonderveranstaltungen unterschiedlichster Art dutchgeführt werden. So fanden hier parallel und in Ergänzung zur Ausstellung "Deutsche Künstlerkolonien" 33 Vorträge, ein Literatur- und Konzertabend sowie ein abschließendes Symposion statt. Darüber hinaus diente er als angemessener Rahmen für außergewöhnliche Ereignisse wie die Übergabe des "Hanna-Nagel-Preises", der von den fünf Karlsruher Präsidentinnen gestif- tet wurde, oder die Feier aus Anlass des ersten Spatenstichs der Landeszentralbank Baden- Württemberg, deren Neubau in direkter Nach- barschaft zur Städtischen Galerie entsteht. Der sehr vielseitig zu nutzende Raum wird künftig auch Dritten auf Mietbasis mit Dienstleis- tungsangebot zur Verfügung gestellt werden können. Neue Planungen Um das Haus lebendig und arrraktiv zu hal- ten, sind erfahrungsgemäß immer wieder zu- sätzliche interessante Angebote und Ereignisse notwendig. Hierzu bietet die besondere Struk- tur der Lichrhof-I O-Architektur ausgezeichne- te Möglichkeiten, wobei die ausstellungsspezi- fische Gestaltung der offenen Fläche bei jeder neucn Präsentation eine immer wieder neu zu lösende Aufgabe darstellt. Für die kommen- den Jahre hat die Städtische Galerie ein spek- treneeiches Sonderausstellungsprogramm avi- siert, das von monographischen Präsentationen wie die Retrospektive zu Willi Müller-Huf- schmid über internationale zeitgenössische Kunst zum Thema "Herausforderung Tier - von Beuys bis Kabakov" (aus Anlass der Euro- päischen Kulturtage 2000) bis hin zu "Ernil Nolde" reicht. Darüber hinaus werden die zusätzlichen Kulturangebote, die bereits im Prinz-Max-Palais eine programmatische Rolle spielten, wie Konzerte, literarische Lesungen, Vorträge sowie Performances fortgesetzt und erweitert und neue, gut angenommene Aus- stellungs- bzw. Veranstaltungsreihen wie der "Bildwechsel" oder "Kunst - gesehen von Künstlern" weitergeführt. Dem Aufbau einer museumspädagogischen Abteilung gilt die verstärkte Aufmerksamkeit. Bei all diesen Pro- jekten kommt der bereits vielfach erprobten Kooperation immer wieder zentrale Bedeu- tung zu, so mit Museen in- und außerhalb Karlsruhes, der Musikhochschule, dem Badi- schen Konservatorium, der Universität, der Kunstakademie, der Jugendkunstschule, den Schulen, dem Badenwerk und nicht zuletzt natürlich auch mit dem ZKM. Mit letzterem ist geplant, mittels gemeinsamer Ausstellun- gen spezifische Themen in den unterschiedli- ehen Medien zu reflektieren. Als klein, aber erlesen und fein hat sich der vom Förderkreis der Städtischen Galerie eingerichtete Muse- umsshop erwiesen. Nach anderthalb Jahren Städtische Galerie im Lichthof 10 lässt sich bi- lanzieren, dass der neue Standort im Hallen- bau A mit seinen Möglichkeiten und Synergi- en ein Chancen potential beinhaltet, das es nach dem vielversprechenden Anfang weiter auszubauen gilt. ERIKA RODlGER· DlRUF Einblicke in die Karlsruher Baugeschichte Ergebnisse der bauhistorischen Analyse des "Seilerhäuschens " Im vergangenen Herbst konnte im Rahmen des Aufbaustudiengangs Altbauinstandsetzung an der Universität Karlsruhe mit der Untersu- chung des Seilerhäuschens in der Kaiserstraße 47 ein besonderer Einblick in die Karlsruher Stadtgeschichte gewonnen werden. Die Ana- lyse der Bausubstanz und ihrer geschichtlichen Entwicklung war außerordentlich aufschluss- reich, besonders zur bautechnischen Realisie- rung der Modellhausgrundrisse in der Grün- dungszeit der Stadt, aber auch zu den Ent- wicklungsstufen, die ein Handwerkerhaus im Laufe von 276 Jahren durchgemacht hat. Eine Bestimmung des Fälldatums der in dem Haus verwendeten Holzbalken (dendrochronologi- sehe Datierung) ermöglichte schon vor eini- gen Jahren die Festlegung der Bauzeit auf das Jahr 1723. Die stärksten Eingriffe in die his- torische Bausubstanz haben erst Mitte der 1990er Jahre stattgefunden, so dass jetzt einer- seits größere Teile der Ausstattungs- und Nut- zungsspuren der jüngeren Epochen zerstört sind, andererseits aber auch die (weitgehend 34 erhaltene) ursprüngliche Bausubstanz "wie ein offenes Buch" daliegt. Die Volkswohnung, die das Baudenkmal durch Kauf vor dem Ab- bruch rettete, ermöglichte den Studentinnen und Studenten mit der Erforschung eines der Häuser aus der Gründungszeit Karlsruhes eine besondere Erfahrung. Von den für die Erhaltung notwendigen Voruntersuchungen sind die ersten Schritte getan. Es gibt ein formgetreues Aufrnaß, das das Architekturbüro Crowell & Crowell aus Karlsruhe 1994/1995 angefertigt hat, und ei- ne Altersbestimmung des Bauholzes. Es gibt eine Schadenskartierung von 1996, bei der das Holzgerüst mit dem Bohrwiderstandsmessver- fahren vom Büro Rinn & Fischer aus Heidel- berg untersucht wurde. Von der Volkswoh- nung wurde in den ersten Monaten nach der Erwerbung das Bauaufrnaß der Flügelbauten erstellt und eine umfassende Fotodokumenta- tion mit dem notwendigen Orientierungs- system angefertigt. Darüber hinaus wurden gründliche Vorüberlegungen für die Einpas- sung einer denkmalverträglichen Nutzung im Sinne einer Fortschreibung der Geschichte des Baudenkmals entwickelt, deren Ansatz und Zielrichtung befürwortet werden können. Spuren lesen Ziel der Untersuchung der Bausubstanz war, durch das Spurenlesen vor Ort die Bauent- wicklung nachzuvollziehen. In Baualtersplä- nen wurde jedes Bauteil in der Folge seines Einbaus farbig gekennzeichnet. Durch die Auswertung stadthistorischer Literatur und alter Akten, Pläne und Ansichten wurde die Bedeutung des Objekts und sein Bezug zur Stadtentwicklung ermittelt und dargestellt. Die Funktionen der Räume in verschiedenen Nutzungsphasen anhand der sichtbaren Spu- ren wurden dargestellt, Konstruktion, Bauma- terial und Bautechnik beschrieben und den einzelnen Bauphasen zugeordnet. Anhand der Spuren wurde die Grundrissentwicklung, die Raumstruktur im Wandel der Zeit dargestellt. Auch die Beschreibung des Erhaltungszustan- des unter historischem Gesichtspunkt ist eine wichtige Voraussetzung für ein Instandset- zungskonzept. Beispielhaft wurde eine Erfas- sung der wichtigen historischen Fenster in Form eines "Fensterbuchs" erarbeitet. Bemer- kenswert war dabei die Anzahl verschiedener Fensterkonstruktionen, die im Laufe der Zei- ten bei diesem Gebäude immer dort eingebaut wurden, wo ein ganzer Bautei! auszutauschen oder wo ein Fenster schadhaft war. Neben ein- zelnen Fenstern aus dem 18. Jahrhundert, möglicherweise aus der Bauzeit von 1723, aber auch aus der zweiten Phase von 1750-1770, aus der Zeit um 1790 und einer ganzen Reihe von Fenstern, die auf grund ihrer Konstrukti- on arn ehesten auf um 1810-1820 datiert wer- den müssen, lassen ebenso wie die jüngeren Fenster und die Reparaturen an den histori- schen Fensteranlagen eine .Karlsruher Hand- 35 werksgeschichte des Fensterbaus" an einem Bauwerk nachvollziehbar werden. Zur Ban- und Umbaugeschichte Nach der Errichtung im Jahre 1723 gab es erst 1880 größere Veränderungen auf dem Grund- stück, die beim Ursprungsbau aber mit gerin- gen Eingriffen realisiert wurden. Bis heute ist dieser Ende des 19. Jahrhunderts geschaffene Zustand im Wesentlichen prägend geblieben. Die wichtigsten Stufen der Baugeschichte des Hauses sollen jetzt an Hand der vorhandenen Bausubstanz kurz dargestellt werden: Ein Bürgerhaus von 1723 Den schon vor einigen Jahren durchgeführten dendrochronologischen Untersuchungen des Bauholzes zufolge wurden die Stämme im Winter 1722 geschlagen, das Gebäude folglich im Sommer 1723 errichtet. Die wenigen im Sommer 1723 gefällten Hölzer stellen eine Ergänzung während des Bauprozesses dar. Das Bürgerhaus wurde eingeschossig mit einem Mansarddach errichtet, so dass das Oberge- schoss gegenüber dem Erdgeschoss nur unwe- sentlich eingeschränkte Räume bot. Die Nut- zungsspuren lassen eindeutig zwischen ver- schiedenen Raumgruppen unterscheiden. Ne- ben den Erschließungsbereichen und den Feu- erstellen, die gleichzeitig als Küche und Heiz- stelle für die Hinterladeröfen auf der Rückseite der Herdwände dienten, gibt es die geheizten Wohntäume (Stuben) und die ungeheizten Räume (Kammern), die generell eher als Schlaf- oder Lagerräume dienten. Die Fachwerkwände und das Dachwerk wurden aus Nadelholz gezimmert, die Ausfa- chungen mit einem Flechtwerk aus Staken und Ruten verschlossen und mit einem gro- ben Stroh·Lehrn-Gemisch ausgefüllt. Die De- cken erhielten eine Füllung aus Wellern, die in Stube im Obergeschoss mit Fachwerk und Lchmausfachun- gen von 1723. Vor der sch rägen Wa nd des ursprünglichen Mansarddaches wurde nach der neuen Bauvorschrift von 1752 eine Fachwerkwand auf dem unteren Riegel der äbe- ren Konstruktion aufgesetzt (Aufnahme November 1998). eine mittig eingeschlagene Nut eingeschoben wurden, nachdem sie mit Stroh und Lehm umwickelt worden waren. Nach dem Aus- trocknen des Lehms, wohl erst im Frühjahr 1724, wurden die Gefache bündig mit einem feinen Kalkputz überzogen, wobei in diesem Arbeitsgang auch die Schwundrisse zwischen Holz und Lehm ausgefüllt wurden. Fenster und Türen waren als Teil der hölzernen Aus- stattung schon im ersten Arbeitsgang eingebaut worden, was unter anderm daran zu beobachten ist, dass hinter den (bis auf wenige Ausnahmen jüngst verlo- renen) Türrahmungen keine Kalkspuren zu 36 beobachten sind. Nach dem Verputzen der Ausfachungen wurden die Wände flächig mir Kalkfarbe überstrichen, so dass einheitliche Flächen entstanden. Eine nene Fassade nach 1752 Die auffalligste Umgestaltung ist die Anpas- sung der ehemals eingeschossigen Fassade im Sinne der Bauvorschrift von 1752, nach der Bürgerhäuser zweigeschossig zu errichten sei- en. Bis erwa 1770 wurden auch Anpassungen älterer Fassaden an die neuen Modellvorschrif- ten bezuschusst, so dass der Zeitraum für diese Modernisierung mir 1752-1770 gut um- schrieben ist. Bautechnisch wurde die Maßnahme hier - wie auch bei WaIdstraße 5 - mit geringem AufWand realisiert: Statt der vier Gauben in der unteren. steileren Dach- fläche des Mansarddaches wurde auf der Brüs- tungshöhe der Fenster ein durchgehendes senk- rechtes Fachwerk aufgesetzt. Die Fenster konn- ten bleiben, die Gefache dazwischen wurden mit Flechrwerk und Lehm verschlossen. Neuausstattung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die große Stube im Ergeschoss wurde voll- ständig neu ausgestattet. Sie erhielt einen or- namentierten Fußboden aus Eichenrahmen und Nadelholzfelderungen, eine umlaufende hohe Fußleiste mit einer erhabenen Haupt- fläche und einer profilierten oberen Abschluss- leiste, neue Füllungstüren mit profilierten Bekleidungen. Die bis dahin lediglich überstri- chenen Fachwerkwände wurden über Rohr- gewebe mit Kalkputz überputzt, die Decke wurde von einem profilierten Stuckgesims ge- rahmt. Fast unverändert ist dieser Raum bis heute erhalten. Nur als die Küche um 1880 verlegt wurde. versetzte man die Tür an die Stelle der alten OfensteIle. Veränderungen um 1880 Statt des in einem Bauantrag von 1880 vorge- sehenen dreigeschossigen Anbaus im Hof wurde ein zweigeschossiger errichtet. Im Hin- blick auf die Schiefstellung des Vorderhauses ist die Beobachtung besonders bemerkens- wen, dass die Serzung des Hauptgebäudes zu diesem Zeitpunkt offenbar schon abgeschlos- sen war: der Flügel von 1880 nimmt in der Konstruktion auf die Serzung des Vorderhau- ses von 1723 Bezug, der Zwickel zwischen Haupchaus und Flügel zeigt bis heute die glei- chen Backsteine und den gleichen Mönel wie die übtigen Wände des Flügelbaus. Im Vorder- haus wurde ein Laden mit einem großen Schaufenster eingebaut, die Küche in den al- ten Flur verlegt, die Treppe aus diesem Flur nach außen in den Hof umgesetzt, so dass man jerzt das Obergeschoss unabhängig vom Erdgeschoss benutzen konnte. Das Fenster von erwa 1800, das an der Stelle des Schau- fensters gesessen hatte, wurde nicht fongewor- fen, sondern in einem Anbau an den Flügel- bau wieder eingebaut. Hier konnten die Stu- denten das gut erhaltene Fenster in seinen Maßen und Proponionen mit den anderen Fenstern der Straßenfassade vergleichen. Durch die Bauanträge belegt ist für diesen Zeitraum auch die Errichtung der Seilerei in der südöstlichen Hofecke. Reste dieses bis in die 90er Jahre dieses Jahrhunderts weitgehend mit ursprünglicher Ausstattung erhaltenen Gebäudes wurden bei einer Neuverzimme- rung um 1995 wiederverwendet. Ein Dokument der Stadtgeschichte Für die Stadtgeschichte Karlsruhes stellt das Seilerhäuschen in der Kaiserstraße 47 ein ein- zigartiges Zeugnis der Bau- und Lebensfor- men der ersten Bürgergeneration dar. An der Einfahrtsstraße von Durlach zum Durlacher 37 Tor gelegen, kam dieser Häuserzeile eine gro- ße Bedeutung zu, wenn man Gästen des Herr- schaftshauses oder neuen Siedlern das Wach- sen der 1715 gegründeten Stadt anschaulich machen wollte. Neben dem unschätzbaren Wert als Originalquelle, die den Grundriss, die Nurzung, die Bautechnik und die Ausstattung aus der Gründungszeit der Stadt dokumen- tien und überliefen, stellt die Folge der Um- und Anbauten gleichermaßen eine Baubiogra- phie eines Handwerkerhauses über fast 300 Jahre dar. Der Chana von Venedig von 1964 folgend gehören auch die aus der Wandlung der Nurzung erwachsenen baulichen Eingrif- fe im Laufe der vergangenen Jahrhunderte zu den schü[zenswerten Geschichrsspuren. Die Feststellung, dass das Haus 47 in der Kaiserstraße ein einziganiges Dokument der Bau- und Lebensweisen der Bürger der Stadt zur Zeit der Gründung Karlsruhes darstellt, bedeutet darüberhi.naus selbsrverständlich nicht, dass es keine Anpassungen an moderne Bedürfnisse geben dürfte, sondern formulien vielmehr den Anspruch, dass das hochkaräti- ge Bauwerk entsprechend hochkarätig zu be- handeln sei. Sowohl was die Intensität der Voruntersuchungen angeht, als auch was die behutsame und respekrvolle Art aller Repara- turen, als auch die Qualität der Einfügung neuer Bauteile betrifft, hat die Volkswohnung mit ihren ersten Schritten gezeigt, dass sie bei der Instandserzung und Modernisierung höchs- te Ansprüche verfolgt. HOLGER REIMERS Politische Polizei in Karlsruhe zwischen Demokratie und Diktatur Wie die NS-Herrschaft in Baden begann? Am Tag, nachdem Roben Wagner von Reichs- innenminister Wilhelm Frick zum Reichs- kommissar ernannt und nach Baden entsandt worden war, belagerten SA- und SS-Einheiten in machtvoller Demonstration das Karlsruher Innenministerium am Schlossplatz. Annä- hernd 3.000 Männer waren zusammengezo- gen worden. Man schrieb den 9. März 1933: Die "Machtergreifung" in der Provinz war in vollem Gange. Neue "Führer", neue Aufgaben Da der Polizei im nationalsozialistischen Staat eine besondere Bedeutung zukommen sollte, wurden führende Positionen innerhalb der Polizei schon bald neu besetzt. Karl Pflaumer wurde in einer Art Sonderstellung als Perso- nalreferent der gesamten badischen Polizei vo- rangestellt. Gau SA-Führer Hanns Ludin wur- de zum kommissarischen Polizeipräsidenten Karlsruhes ernannt und löste dami t den bishe- rigen Amtsinhaber Paul Haußer ab. An die Stelle der Majors der Ordnungspolizei Erich Blankenhorn trat der Wagnerhörige Major Franz Vaterrodt, der seine Untergebenen wis- sen ließ, dass nur noch diejenigen einen Platz in der Polizei finden könnten, "die gewillt sind, am Wiederaufbau unseres Vaterlandes freudig mitzuarbeiten. " Ferner sollten der staatlichen Polizeiverwaltung SA- oder SS- Führer als Verbindungsleute zugeteilt werden, um gemeinsam mit der neu geschaffenen "Hilfspolizei" dafür zu sorgen, dass die NS- Herrschaft über kurz oder lang konsolidiert werden konnte. Und was geschah mit der Po- litischen Polizei? 38 Bislang wurde ihrem Schicksal zwischen März und Oktober 1933 nur wenig Aufmerk- samkeit zuteil. Das nimmt Wunder. War es doch gerade die Politische Polizei, die per Dienstbefehl in professioneller Opposition zur NS-Bewegung stehen musste. Als Staatsschutz- organ war sie einst eingesetzt worden, um die junge Republik gegen links- und rechtsextre- me Feinde zu verteidigen. Bis März 1933 hat- ten die Beamten des Karlsruher Landespolizei- amts, in das die Politische Polizei als Abteilung "N" integriert war, den Auftrag, die NS-Bewe- gung zu überwachen. Und nun? Nun harrten sie der Dinge, die da kom- men sollten. Am 9. März 1933 versammelte man sich in den Büroräumen der Karlsruher Dienststelle im Gebäude des Polizeipräsidiums am Marktplatz. Nur zwei Beamte waren nicht anwesend. Der offizielle Behördenleiter und Karlsruher Polizeipräsident Pau! Haußer war, wie erwähnt, nicht mehr im Amt; ein Kollege hatte sich krank gemeldet. Hermann Ramspe- ger, Abteilungsleiter des Erkennungsdienstes und zur Kooperation mit den neuen Macht- habern bereit, hielt als kommissarischer Be- hördenchef den Kontakt nach draußen. Eine von Reichskommissar Wagner instruierte De- legation war währenddessen auf dem Weg, um bei der Politischen Polizei nach dem "Rech- ten" zu sehen. Karl Sauer, langjähriges Partei- mitglied und ausgewiesener Nazispitzel, wur- de beauftragt, gemeinsam mit einem SA-Kol- legen dafür zu sorgen, dass keine Aktenstücke oder Karteimaterial vernichtet oder entfernt wurden. Er erinnerte sich später: "Bei unserem Eintreffen [ .. . ] versicherten die Beamten, die alle in einem Zimmer zusammen waren, daß keinerlei Akten vernichtet worden sind und daß auch keinerlei Absicht bestehe bzw. kei- nerlei Befehle vorliegen, Akten zu entfernen. Die Schränke wurden verschlossen und die Beamten aufgefordert, nach wie vor ihren Dienst weiter zu versehen. [ ... ] Diese Nacht verbrachte ich gemeinsam mit [einem SA- Kollegen] und zwei Beamten der Politischen Polizei, die sich ablösten, in den Büroräumen der Abt[eilungl N. Zu diesem Zwecke hatten wir vom Ministerium Pistolen erhalten," Nachdem die Politische Polizei in KarlStu- he auf solche ehet unspektakuläre Art über- nommen war, begann in den darauf folgenden Wochen eine Hetze gegen alle ehemals repub- likfreundlichen Beamten, so jedenfalls wollten es die Zeitgenossen erlebt haben. Die Natio- nalsozialisten drohten damit, ein umfängliches Personalrevirement in die Wege zu leiten. In den NS-Organen wie dem "Führer" wurden die "polemische Agitation" forciert und "Ein- schüchterungskampagnen" gezielt lanciert. Zieht man die in dieset Hinsicht allerdings unvollständigen Badischen Beamtenkalender vor und nach 1933 zum Vergleich heran, so fallt auf, dass nach der "Machtergreifung" eine wesentlich veränderte Namensliste für das Karlsruher Landespolizeiamt ausgewiesen wird. Wurde das Personal der Politischen Po- lizei Karlsruhes also tatsächlich in großem Stil ausgetauscht? Stimmt es, dass "nur drei Beam- te des mittleren Dienstes [ ... ] ihre Tätigkeit nach 1933 fortSetzen" konnten? Alte Stamm-Mannschaft Unter Berücksichtigung von Personalakten der einstigen Mitarbeiter det Politischen Poli- zei (und späteren Angehörigen der Gestapo) ergibt sich indessen ein etwas anderes Bild. Demnach hat die Mehrheit der Politischen Polizeibeamten Badens die nationalsozialisti- sche "Machtergreifung" und die ihr folgende, vermeintliche "Säuberung" in dienstlicher 39 Hinsicht nahezu unbeschadet überstanden. In Karlsruhe wurde kein einziger Mitarbeiter dauerhaft aus seinem Beschäftigungsverhältnis entlassen. Die meisten Beamten blieben an ihren Schreibtischen und wurden mit Grün- dung der badischen Geheimen Staatspolizei im Oktober 1933 in die vordergründig nur umbenannte Behörde übernommen. Die aus- schnitthaften Auflistungen der Badischen Be- amtenkalender suggerieren einen Bruch in der personellen Besetzung der Karlsruher Behör- de, den es in diesem Ausmaß gar nicht gege- ben hat. In der Karlstuher Zentrale der Politischen Polizei arbeiteten während der Weimarer Re- publik zehn Beamte: neben dem Leiter und dessen Stellvertreter noch zwei Verwalrungsbe- amte, ein Stenograph sowie fünf Ermittlungs- beamte, wovon wahrscheinlich zwei votnehm- lieh mit abwehrpolizeilichen Aufgaben betraut waren. Von diesen zehn Beamten wurde im Laufe des Jahres 1933 nur ein einziger versetzt, und zwar der Leiter August Schneider, dem bereits am 9. März verkündet wurde, dass er fortan von seinem Dienst suspendiert sei. Mochten die anderen das Schicksal ihres Chefs als bedrohliches Exempel empfinden oder von der Legitimität der "nationalen Erhe- bung" sogar überzeugt sein: Zwischen notge- drungenem Mitmachen und begeistertem Einschwenken wird man die Motive jener Beamten suchen müssen, die auch unter dem Nationalsozialismus zur treuen Dienstleistung bereit waren. Die alte Politische Polizei bildete den Per- sonalstamm der späteren Gestapo. Auf ihre Kenntnisse wollte man nicht verzichten. Ge- rade bei der Verfolgung der Kommunisten und Sozialisten, die unmittelbar nach der "Machtergreifung" begann, nahmen ihre be- tufserfahrene Beamten deshalb wichtige Posi- tionen ein. Nicht nur der Karlsruher Jacob Münch konnte auf eine mehrjährige Erfah- rung bei der Überwachung linksextremer Par- teien während der Weimarer Republik zurück- blicken. Der 1877 im rheinpfälzischen A1trip geborene Beamte gehörte seit Gründung dem Badischen Landespolizeiamt an und galt als einer der bewährtesten Mitarbeiter. Nach 1933 wurde ihm die Leitung der Abteilung "Poli- tische Überwachung" übertragen. ein Amt. das er mit reichlich Zynismus und Brutalität zu führen verstand. Auch sein Kollege Hein- rich Hörner. seit September 1919 bei der ba- dischen Fahndungspolizei. prahlte später mit seinen Vorkenntnissen und behauptete. der .. wichtigste Mann" der Karlsruher Gestapo zu sein. An die Seite von Münch. Hörner und den anderen altbewährten Beamten wurden aller- dings weitere Kräfte gestellt. so dass von Be- ginn an kein Zweifel an den Absichten der Na- rionalsozialisten aufkommen konnte. Für exe- kutive Aufgaben setzte man nun die vornehm- lich aus SA- und SS-Männem rekrutierte HilfS- polizei ein. die in Kooperation mit kriminal- oder ordnungspolizeilichen Kräften zwischen März und September 1933 tätig wurde. Ins- besondere die Hilfspolizei antizipierte dabei mit ihren brutalen Verfolgungsmethoden die Praxis der späteren Gestapo. umso mehr. als etliche Hilfspolizisten. wie zum Beispiel der spätere Mörder an Ludwig Marum. Karl Sau- er. später selbst in die Gestapo aufgenommen werden sollten. Der Keller des Polizeipräsidi- ums am Marktplatz diente 1933. nur drei Stockwerke unter der alten Politischen Polizei. als Folterkammer der Hilfspolizisten. Auf dem Weg zur Gestapo Unterdessen war die regionale NS-Führung. allen voran Reichskommissar Robert Wagner. darum bemüht. die badische Polizei neu zu ordnen. Auf der Grundlage der alten institu- tionellen Voraussetzungen sollte eine Polizei 40 geschaffen werden. die aus der bisherigen Ver- antwortung gegenüber staatlichen und staats- anwaltschaftlichen Institutionen herauszulö- sen war. Mit der Ausarbeitung der entspre- chenden Konzepte. die zum Teil kontrovers zwischen Innen- und Justizministerium debat- tiert wurden. beauftragte man einen ausgewie- senen Fachmann: August Schneider. Nach sei- ner. wie sich jetzt herausstellte. vorübergehen- den Dienstsuspendierung war man auf den Sachverstand des ehemaligen Leiters der Poli- tischen Polizei angewiesen. Seine frühere Be- tätigung spielte offenbar keine Rolle mehr. im Gegenteil. Schneider wurde gerade .. auf grund [sleiner mehrjährigen Beschäftigung mit kri- minalpolizeilichen Angelegenheiten" für die- se Aufgabe auserwählt. Das von Schneider am Ende erarbeitete Gesetz über die Landeskrimi- nalpolizei ( .. Landeskriminalpolizeigesetz") sah in seiner Zusatzverordnung auch die Schaf- fung des Geheimen Staatspolizeiamts vor. Damit schließt sich der Kreis: Aus der Po- litischen Polizei der Demokratie war die Ge- heime Staatspolizei der NS-Diktatur gewor- den. Die insgesamt große personelle wie insti- tutionelle Kontinuität innerhalb der Politi- schen Polizei erleichterte den Übergang. Bei der gesetzlichen Neugliederung der fortan Geheime Staatspolizei genannten Behörde konnte man auf die bestehenden institutionel- len Strukturen des Landespolizeiamts und das Fachwissen des einstigen Leiters der Politi- schen Polizei zurückgreifen. Und bei der Rek- rutierung des Gestapopersonals sollten die alten diensterfahrenen Beamten den ersten Grundstock bilden. MICHAEL STOLLE "Die Versammlung verlief entsprechend den stürmischen Zeitverhältnissen" Ein bisher unbekanntes Kapitel Karlsruher Stadtgeschichte wurde im Sommer 1998 durch eine Schenkung von Frau Ursula Büch- ner aus Karlsruhe an die Stadt aufgeschlagen. Es geht hierbei um den Bürgerstammtisch "Zeppelingemeinde", von dem das Stadtarchiv und das Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais nun Gegenständliches und schriftliche Unter- lagen erhielten. Beide Bereiche ergänzen ein- ander und geben einen anschaulichen Ein- blick in die internen Angelegenheiten und eine Vorstellung von den Zusammenkünften dieses Stammtischs, der in den zwanziger und dreißiger Jahren in der traditionsreichen Gast- stätte "Graf Zeppelin" tagte. Nahezu jeden Monat wurde hier eine "Bürgerversammlung" der Zeppelin gemeinde abgehalten, über deren Verlauf die handschriftlich gefuhrten Berich- te und Protokolle vom Dezember 1923 bis August 1936 Aufschluss geben. Ganz sicher kam bei diesen Versammlungen die unter ei- nem 20 cm hohen Baldachin hängende Ttsch- glocke zum Einsatz, die über eine Metallkette, befestigt an einer schlüsselförmigen Halte- rung, betätigt wurde. So möglicherweise bei der Sitzung am 31. Mai 1924, deren Verlauf laut Protokoll "ganz den stürmischen Zeirver- hältnissen" entsprach. Ein Blick in die "Badi- sche Presse" gibt Aufschluss über die damali- gen stürmischen Zeirverhältnisse. Nach den Reichstagswahlen vom 4. Mai 1924, die in Karlsruhe das Zentrum gewonnen hatte und aus denen die KPD und Nationalsozialisten gestärkt hervorgegangen waren, fanden in Ber- lin die Verhandlungen über die Regietungsbil- dung statt. Im Saarland verschärfte sich zu- nehmend die Wirtschaftskrise, und schwere Kämpfe waren nach Einschätzung der "Badi- 41 sehen Presse" unabänderlich. In Karlsruhe fand derweil eine Proresrversammlung der hie- sigen Beamrenschafr gegen die neuen Besol- dungspläne der badischen Regierung statt. Die Bürgerversammlung vom April 1924 war laut Protokoll "angeregt" verlaufen und von Bürgermeister Ludwig Klipfel zu vorge- rückter Stunde mit der Bitte beendet worden, sich künftig möglichst kurz zu fassen, damit auch für den gemütlichen Teil des Abends Zeit verbleibe. Der gemütliche Teil der Sitzung vom 29. März 1924 hatte fur 'die anwesenden Bürger eine überraschung gebracht, denn die Zeppelin-Wirtin Frau Lorenz hatte mit einem Nachtessen aufgewartet, für das ihr im Proto- koll nochmals ausdrücklich gedankt wurde. Bürgermeister und Gemeinderat, Bürger- versammlung, Gemeinderechner und Ge- meindediener - der Bürgerstammtisch "Zep- pelingemeinde" war gemeindemäßig organi- siert und verwaltet, und der Bürgermeister besaß eine Amtskette. Viele Jahre war der schon erwähnte Ludwig Klipfel, Blechner- " L~'r' und Installateurmeister aus der Körnetstraße 12. Bürgermeister der "Zeppelingemeinde". Sein Name mit Berufsangabe. Adresse und Te- lefonnummer bildet eines der Emailschilder. die auf dem sechseckigen Aschenbecher der "Zeppe!ingemeinde" angebracht sind. Auch der Mineralwasserfabrikant Anton Hanauer 42 aus der Goethestraße 26. der Damen- und Herrenfriseur Alex Frank aus der Sofienstraße 154. Kunst- und Bauschlosser Matthäus Teu- fe! aus der Goethestraße 17. Schreiner und Glasermeister Heinrich Engel aus der Yorck- straße 17 und Metzger Leopold Frank aus der Hirschstraße nahmen eine besondere Stellung in der "Zeppelingemeinde" ein. Ihre Namen. ebenfalls mit Beruf, Adresse und Telefonnum- mer. bilden die restlichen Emailtäfelchen des Aschenbechers. dessen Haltegriff ein Zeppe- lin-Luftschiff darstellt. Weltzien-. Yorck-. Sofien- und Körnerstra- ße. Gutenberg-. Goethe-. Draissttaße und Kaiserallee lauten die in der Weststadt gelege- nen Wohnadressen der Stammtischmitglieder. Zwei Personen wohnten in Mühlburg. in der Bach- bzw. Brahmsstraße und zwei Personen kamen aus der Südstadt. Dies geht aus dem Mitgliederverzeichnis der "Zeppelingemein- de" aus dem Jahr 1929 hervor. Es gibt außer- dem Aufschluss über die Altersstruktur der Stammtischmitglieder. Das Gros der damals 37 Mitglieder zählenden Gemeinde war 48 bis 58 Jahre alt. Jüngster war der 31-jährige Metz- germeister Leopold Frank. ältestes Mitglied war 1929 der 75-jährige Schreinermeister Gustav Maurer aus der Körnerstraße. Und was befand sich im "Geheimarchiv" der Zeppelingemeinde? Dies wird wohl ge- heim bleiben. Sichtbar ist auf jeden Fall das 80 cm hohe. 50 cm breite und 24 cm tiefe ab- schließbare Holzschränkchen mit zwei Innen- fächern. in dem das "Geheimarchiv" unterge- bracht war. Welche Funktion hatte das schwe- re. 10 cm hohe Holzkästchen mit Intarsien. eingelassener Vertiefung und dazugehörendem holzgriffartigem Verschluss? War es ein Brief- beschwerer oder eine Schnupftabakdose? Dass der Stammtisch schon vor dem Ers- ten Weltkrieg bestanden hat. geht aus der Sammlung von Feldpostkarten aus den Jahren 1914 bis 1918 hervor. die ebenfalls erhalten geblieben ist. Die Postkarten sind an den "Stammtisch zum Grafen Zeppelin" Ecke Yorck- und Sofienstraße adressiert und an die "liebe Gemeinde". die "werten Freunde" oder sogar an den "verehrlichen Stammtisch" ge- richtet. Auch in späteren Zeiren hielten die Gemeindemitglieder bei Abwesenheit den Kontakt zum Stammtisch aufrechr. Postkarten aus dem Urlaub. aus einer Kur oder von einem Familienausflug belegen dies. Die Adresse ist unverändert geblieben. die Postkarten sind nun aber häufig an die "lieben Bürger" gerich- tet und die Schreiber grüßen oftmals mit "Euer Bürger". Am 4. August 1937 sandte der damalige "Bürgermeister" August Fromm. aus "der schönsten Stadt Deutschlands" eine Post- karte vom Opernhaus in Dresden an die Zep- pelingemeinde. Er hatte seinen Besuch in Dres- den offensichtlich mit der Teilnahme am 12. deutschen Sängerbundesfest verbunden. Be- reits am 31. Juli 1937 hatte Bürgermeister Fromm vom Sängerbundesfest eine Postkarte von der Dominsel in Breslau an die ..lieben Bürger" gerichtet. Ratschreiber Stanislaus Heck entschuldigte sich sogar auf seiner Urlaubskar- te aus Rangendingen in Hohenzollern vom 25. August 1933. dass er wegen Urlaubsvorbe- reitungen das letze Versammlungsprotokoll nicht fertigstelIen konnte und "Bürger" Mayer wünschte den "lieben Mitbürgern" am 28. Mai 1937. wohl aus der Kur in Bad Dürkheim. eine "einträgliche" Sitzung zum 29. des Monats. Was hat es mit der "Einträglichkeit" der Treffen auf sich? Sie beruht darauf. dass bei den Bürgerversammlungen eine Verlosung vorgenommen wurde, zu der die Teilnehmen- den reihum etwas stifteten. Bei der Sitzung vom April 1936 waren sechs Flaschen Weiß- wein - drei davon vom damaligen Bürger- meister -. eine Flasche Rotwein. ein Paket Kaffee. ein Kuchen und eine Hartwurst ge- stiftet worden. und die Verlosung hatte 26 Reichsmark eingebracht. Sicher wurden aus 43 den Einnahmen der Verlosung die jährlich im Frühjahr stattfindenden Ausflüge der Stamm- tischgesellschaft mitfinanziert. Der Gemein- deausflug vom 24. Mai 1924 war ins Rench- tal unternommen worden und laut Protokoll "wirklich gelungen". "Die Beteiligung am Ausflug läßt deurlich erkennen. daß die Bür- ger treu zu ihrer Gemeinde halten und so soll es sein und dauernd bleiben". lautet das Fazit des Protokollanten und er fasst die Erlebnisse des Tages noch in einem Vierzeiler zusammen: "Einm Ausflug. der sehr wohl gelungen. bei dem marschiert wird. getanzt und gesungm. wo gut gegessm wird und auch noch geweint. den bringt nur in Stand die Zeppelingemeind': Nicht immer ging es freundschaftlich zu bei der Zeppelingemeinde. Bei Rückständig- keit der Monatsbeiträge erfolgte • .Ausschluß nach bewährtem Muster nach Paragraph 10". wie ihn Malermeister Theodor Uehlin aus der Brahmsstraße 1 gemäß seinem Schreiben vom 19. März 1933 an den eingangs erwähnten Kunst- und Bauschlosser Matthäus Teufel er- fahren hat. Da mit zunehmendem Alter das Interesse für Zwangszusammenkünfte mehr und mehr verloren gehe. sehe er dem Aus- schluss aus der Gemeinde mit Gelassenheit entgegen. schreibt Uehlin. Ganz leicht ist ihm der Abschied von der Stammtischgesellschaft wohl nicht gefallen. denn er bringt die Hoff- nung zum Ausdruck. dass ihm nach dem Aus- schluß aus der Gemeinde immer noch die Möglichkeit geboten sei. einmal einen schö- nen Ausflug mitzumachen. Der Wunsch des oben zitierten Protokol- lanten, dass es immer so bleiben möge wie beim Gemeindeausflug im Mai 1924. ist nicht in Erfüllung gegangen. Mit Bürgermeister August Fromms Postkarte vom August 1937 aus Dresden endet die Überlieferung der Stammtischgesellschaft "Zeppelingemeinde". ANGELIKA SAUER Ein Blick in das verborgene Herz der Stadt Viele Karlsruher und Besucher der Stadt sehen täglich die Pyramide auf dem Marktplatz. Sie stehen vor dem Grabmal des Stadtgründers. des Markgrafen Karl Wilhe1m von Baden- DurIach. das als Wahrzeichen Karlsruhes gilt. Als Karl Wilhe1m 1738 verstorben war. wurde er in einem einfachen Hoh'.,arg in einer Gruft unter der Konkordienkirche. der ersten luthe- rischen Stadtkirehe. beigesetzt. Die Kirche wurde im Zuge der Stadterweiterung und der Neugestaltung des Marktplatzes durch Fried- rich Wein brenner im Jahre 1808 abgebrochen. Die Totenruhe des verblichenen Markgrafen wurde aber dadurch nicht gestört. weil man die Gruft ungeöffnet ließ und über ihr eine hölzerne Pyramide als Notdach errichtete. Da man lange unentschlossen war, was man an dieser Stelle. nunmehr mitten auf dem wesent- lich vergrößerten Marktplatz. anfangen sollte. wurde die Holzpyramide 1818 noch einmal erneuert. Erst sieben Jahre später kam man zu der jetzt noch vorhandenen Lösung. Wein- brenner hatte Pläne für das Grabmal gezeich- net. die nach der Vorstellung des seinerzeit regierenden Großherzogs Ludwig. die Pyrami- denform in Stein umsetzen sollten. Dies war durchaus im Sinne Weinbrenners. der "diese Pyramide als eine der Vergänglichkeit am mehrsten entgegenstrebende Form« ansah. Die im Generallandesarchiv erhaltene Plan- zeichnung Weinbrenners vom 21. Februar 1825 zeigt die vertraute Ansicht und den Grundriss der Pyramide auf dem Marktplatz. Die Schnittzeichnung durch das Bauwerk lässt erkennen. dass die Seitenwände der Pyramide unter der Oberfläche weiter verlaufen und eine komplette Form bilden sollten. Drei un- terschiedlich große Kammern gliederten das Innere. Die oberste. kleine in der Spitze des 44 Bauwerkes dient der Lüftung und zeigt auf jeder Seite eine kreuzförmige Öffnung. Die mittlere. größte gewölbte Kammer ist durch einen Einstieg auf der Nordseite zugänglich. der durch eine bronzene Schrifttafel verschlos- sen ist. Einige Stufen führen in den Raum hi- nah, in dessen Mine, fast wie ein Altar, ein Sockel steht. auf dem eine geschwungen um- randete Marmorplatte liegt. Sie zeigt in sehr schöner Ausführung den Plan der Stadt. wie sie bis dahin gewachsen war. Der untere Raum. die Grablege des Mark- grafen. sollte nach Weinbrenner ein dem Mit- telraum entsprechendes Gewölbe sein. nur mit etwas geringerer Höhe. Dorthin sollte es kei- nen Zugang geben. Dass der Planung Wein- brenners nicht in allen Stücken gefolgt wurde. zeigte sich erst jetzt. Im Zusammenhang mit der Neugestaltung der ständigen Ausstellung des Stadtmuseums im Prinz-Max-Palais sollte ein Modell der Py- ramide hergestellt werden. das auch Einblick in das Innere des Bauwerkes gewähren sollte. Der Modellbauer und Stadtrat Heinz Vogel. dem bereits eine ganze Reihe historischer Mo- delle in den städtischen Museen zu verdanken sind. hatte diese Aufgabe übernommen. Aller- dings hegte er immer Zweifel daran. dass die Zeichnung Weinbrenners mit der Wirklich- keit übereinstimmte und wollte sich gerne an Ort und Stelle kundig machen. Der stille Traum vieler Kar/sruher. einmal in das Innere der Pyramide sehen zu können. war aber nicht so leicht zu erfüllen. Niemand hatte einen Schlüssel. Das markgräfliehe Haus sollte auch einverstanden sein. obwohl die Pyramide im Eigentum der Stadt steht. Am späten Abend des 17. September 1998. am Tag vor der Eröffnung des neuge- staltctcn Stadtmuseums, war es dann mir Hilfe von Oberbür- germeister Gerhard Seiler doch so weit. Außer ihm sollten nur Prinz Bernhard von Baden, Heinz Vogel und ich in die Py- ramide einsteigen. Hinzu kam noch der bereits gewählte neue Oberbürgermeister Heinz Fen- rich. Aber ohne die handwerk- lich tätigen Helfer wäre das na- türlich nicht gegangen. So war eine Schlosserfirma nötig und eine Firma, die ihre Erfahrun- gen in der Kontrolle unterirdi- scher Leitungen und ihr ent- Muschdkalkplatte aus der Pyramide mir Srad tplan 1825. sprechendes Gerät einsetzen konnte. Leute vom städtischen Hochbauamt mussten das Ganze koordinieren. Zwei Fotografen der Landesbildstelle waren gleichfalls hinzugebe- ten worden. Infolgedessen herrschte in dieser Nacht doch einiger Betrieb auf dem Markt- plarz, obwohl man jegliche Publizität vermie- den hatte. Allerdings war die Umgebung der Pyramide so geschickt abgeschirmt, dass Pas- santen nicht erkennen konnten, was dorr vor- ging. Im Inneren waren Arbeiter mit einer Kern- bohrung beschäftigt, die zum nicht zugängli- chen Gruftraum geführt wurde. Durch sie sollte Aufschluss über das Aussehen des unters- ten Raumes gewonnen werden. Etwa drei Stunden dauerte die Bohrung durch das rund 90 cm dicke Stein paket. Wie oft die Pyramide seit ihrer Erbauung geöffnet und betreten worden war, lässt sich nicht feststellen. 1889 war das wohl der Fall. Nach der Jahrhundertwende soll noch einmal ein Besuch des Großherzogs stattgefunden haben. Dem Hörensagen nach hätte auch Oberbürgermeister Günther Klorz einmal die Pyramide besucht. Seitdem waren also min- destens drei Jahrzehnte vergangen. 45 Als Prinz Bernhard eingetroffen war, stie- gen wir /Unf ,.Auserwählten" in die Pyramide ein. Dem Stadtgründer Karl Wilhe1m widme- ten wir zunächst ein stilles Gedenken, denn schließlich hatten wir.ja seine Grabstätte betre- rcn. Daraufhin sahen wir uns um. Eine Karlsruher Legende konnte nicht be- stätigt werden. Der angeblich von dem Hofrat Jakob Friedrich Hemberger 1889 in der Pyra- mide vergessene Schirm war nicht da. Im obe- ren Raum lag ein Tennisball, und in einer der Luftöffnungen steckte ein Besenstiel. Beides war durch eben diese Öffnungen hereinge- kommen. Der Raum, in dem wir uns befanden, ent- spricht in etwa der Weinbrennersehen Plan- zeichnung. Das gilt auch /Ur den darüberlie- genden Luftraum, der durch eine Öffnung einzusehen war. Es wurde fotografiert. Heinz Vogel nahm Messungen vor. Die Innenräume sind teils aus Bruchstein, reils aus Backstein gemauert und verpurzt. Nur ist der Verputz an vielen Stellen abgefal- len. Die Muschelkalkplatte mit dem schön ge- arbeiteten Stadtplan lag lose auf dem Sockel. Sie wies einen glatten Bruch auf, der sie ohne Verlust in zwei ungleiche Stücke teilte. Die Pyram iden besuch durch OberbürgermeiS[er Prof. Dr. G. Seiler, Bürgermeister H. Fenrich, Pr~nz Bernhard v. Baden , Dr. H. Sch min (Amtsleiter SAS) am 17. Dezember 1998. Einfärbung einzelner Stadtteile, die deren Ent- stehungszeit verdeutlichen sollte, war fast ganz verloren gegangen. Die Platte wurde vorsich- tig herausgenommen, um nach einer fach- männischen Restaurierung wieder an ihren Ort verbracht zu werden. Das Stadtmuseum soll eine Replik erhalten. Als zweifellos interessantester, weil noch nie geöffneter Teil der Pyramide erschien die Gruft des Markgrafen. Diese konnte nach Vollendung der Bohrung mittels einer hinab- gelassenen Videokamera erkundet werden. Die Erkundung ergab folgendes: Die Gruft stellt ein aus Bruchstein gemauertes Tonnen- gewölbe von schätzungsweise drei Metern Scheitelhöhe dar, das mit Ausnahme der West- seite grob verputzt ist. Das Gewölbe ist nicht in Nord-Süd-Richtung angelegt, wie es Wein- 46 brenners Zeichnung immer harre vermuten lassen, sondern in Ost-West-Richtung. Außer- dem ist das Gewölbe, ebenfalls entgegen bis- heriger Annahmen relativ schmal, so dass auf beiden Seiten des Sarges nur noch erwa 20 bis 30 cm Platz bleiben. Die wesdiche Stirnwand der Gruft ist sehr grob gemauert. Im mitderen Teil der Wand wurde allem Anschein nach ein Loch nach dem Einbringen des Sarges von außen verschlossen. Es ist eindeutig zu erkennen, dass die Gruft unter der ehemaligen Konkordienkirche beim Bau der Pyramide unverändert gelassen wur- de. Von Weinbrenners Planung wurden nur die oberirdisch sichtbaren Teile ausgeführt. Der Sarg des Stadtgründers ist sehr ein- fach, fast kistenartig. Gegen die Enden läuft er leicht konisch zu. Das dunkle Holz ist mit zwei, den Rändern parallel laufenden MetalI- bändern beschlagen. Grundwasser scheint nie eingedrungen zu sein, was wohl den guten Er- haltungszustand erklärt. Der Sargdeckel ist an einem Ende eingebrochen. Die Ursache dafür, ein heruntergefallener Stein brocken, könnte sich auch erst bei der Bohrung gelöst haben. Dadurch wurde der Sargdeckel etwas verscho- ben. Immerhin ist so ein, wenn auch sehr be- grenzter, Einblick in das Innere des Sarges möglich geworden. Außer einigen Knochen wurde guterhaltenes Brokatgewebe sichtbar. Die bei der Öffnung der Pyramide gewon- nenen Erkenntnisse ließ Heinz Vogel in das nunmehr veränderte Modell im Stadtmuseum einfließen. Ganz sicher lassen sich durch die genauere Auswertung des Videofilmes noch weitere interessante FescsteI!ungen machen. Der nächrliche Besuch der Pyramide er- schien den Beteiligten schon ein wenig aben- teuerlich. In gewissem Sinne war er einmalig, denn er erlaubte zum ersten Mal seit ihrer Er- bauung einen Einblick in die Gtabkammer des Gründers der Stadt Karlsruhe, des Matk- grafen Karl Wilhe1m von Baden-Durlach. HEINZ SCHMITT Jahrtausendwende und die Tücken des Kalenders DdS "Mannhdmer journal" (2.1.1900) machte sich iib" Wilh,lm 11. IlIStig, der durch- gesetzt hatu, dass das ntu' jahrhundert am 1.1.1900 stattzujinden habe. Die Karlsruher Pmst fand sanji", Töne, obwohl man auch hier for 1901 votieru. Der "Badische Btobachter" (30.12.1899) klärt( jedmfalls auf, ddSs Papst Leo XIII. das jahr 1900 deshalb zum Heiligen jahr "kläru, weil es das End, des 19. jahrhun- derts, nicht den Anfang des 20. jahrhunderts be- dtute. Also sollu man "nicht mehr von der jahr- hundtrtwendt reden, sondtrn nur von einer amtlich ang,ordneten jahrhundertfoier. " In den Ftuilletom gab es zahlreich, komplizieret Erläu- tmmgen, WdS ts mit dem Kalmderwtchsel auf sich habe. DdS Folgende jiir 2000 ist sicher kla- rer und einlmchtender. Leonhard Müller Wann beginnt das 3. Jahrtausend? Diese Frage wird zur Zeit häufig gestellt und manch- 47 mal richtig, on auch falsch beantwortet. Sie ist aber eindeutig zu beantworten: Unser Kalen- der, der auf dem Julianischen und Gregoriani- schen Kalender beruht, geht von einem be- stimmten Zeitpunkt für die Geburt Christi aus und zählt dann die Jahre "nach Christi Geburt", beginnend mit dem Jahr I n. Chr. Ein Jahr Null gab es also nicht. Somit endet das erste Jahr am 31. Dezember des Jahres I n. Chr. und entsprechend das 10. Jahr (also das I. Jahrzehnt) am 31.12.10 n. Chr., das 100. Jahr (das I. Jahrhundert) am 31.12.100 n. Chr., das 1000. Jahr (das I. Jahrtausend) am 31.12.1000 n. Chr., das 2000 Jahr (das 2. Jahrtausend) am 31.12. 2000 n. Chr. Das 3. Jahrtausend beginnt also korrekt am I. Janu- ar 2001. Dass trotzdem alle Welt die bevorstehende Jahrtausendwende zu Silvester 1999 erwartet und feiert, liegt wohl an der alles überstrahlen- den Faszination der .,2" vorne in der neuen Jahreszahl und sei niemandem verwehrt. Kein Anlass also zu Streit und Rechthaberei oder gar zu "Tätlichkeiten", wie sie das "Mannheimer Journal" schon vor 1 00 Jahren befürchtete! Aber vielleicht doch ein Anlass für einen nach- denklichen Blick auf allerlei Interessantes und Merkwürdiges, was unser gar nicht so einfa- cher und selbstverständlicher Kalender bei genauerem Hinsehen bietet. Dafür nur zwei Beispiele: Kalendervariationen Die Jahreszahl 2000 und damit die vielzitier- te Jahrtausendwende ist keineswegs ein natur- gegebenes, absolut gesetztes Datum, sondern hängt natürlich an unserer christlichen Kalen- derrechnung. Würde heute noch nach einem früheren, aus den alten Kulturkreisen stam- menden Kalender gerechnet, so fiele in unser Jahr 2000 der Beginn des Jahres 5761 nach dem jüdischen Kalender, 2752 nach dem a1t- römischen Kalender, 1421 nach dem moham- medanischen Kalender. Das liegt natürlich an den unterschiedli- chen Anfängen der jeweiligen Jahreszählung: jüdisch nach der Erschaffung der Welt (376 1 v. Chr.), a1trömisch nach Gründung der Stadt Rom (753 v. Chr.), mohammedanisch nach der Hedschra (Flucht Mohammeds 622 n. Chr.). Übrigens hätte auch nach unserem christ- lichen Kalender das kommende Jahr nicht die Nummer 2000, wenn sich der römische Abt und Kalendermacher Dionysius Exiguus (um 500) bei der Datierung von Christi Geburt nicht geirrt hätte. Man weiß heute zuverlässig aus historischen und astronomischen Quellen, dass dieses Datum mehrere Jahre früher anzu- setzen ist und - nach dem Wiener Astrono- men Ferrari d'Occhieppo - sehr wahrschein- lich in das Jahr 7 v. Chr. fallt. Hier noch eine andere simpel klingende Frage: Waren die lerzten Jahrtausende gleich 48 lang? Die Antwort: Nein! Das erste vorchrist- liche und das erste nachchrisdiche Jahrtausend hatten zwar jeweils 365.250 Tage, unser 2. J tsd. n. Chr. hat aber 13 Tage weniger, und die folgenden Jahrtausende werden abwechselnd 365.242 bzw. 365.243 Tage haben. Der Grund dafür ist in der Gregorianischen Kalen- derreform von 1582 zu suchen, die 10 Tage gestrichen und die Schaltregel geändert hat. Um solche und andere Fragen zu beant- worten, müssten wir uns eingehender mit der Kalenderrechnung beschäftigen. Wir wollen aber noch einen kurzen Blick auf den Juliani- schen und Gregorianischen Kalender und auf die grundlegenden Zeiteinheiten des Kalen- ders - Tag, Woche, Monat und Jahr - werfen. Zeiteinheiten des christlichen Kalenders Die "Ur-Einheit" ist der Tag, gemessen etwa von Mittag bis Mittag und bestimmt durch die Rotation der Erde um ihre Achse. Weil aber die Tageslänge übers Jahr um ± 15 Minu- ten schwankt, muss ein rechnerischer Mittel- wert, der "mittlere Sonnentag", benutzt wer- den. Auch ist inzwischen die Sekunde nicht mehr als der 86.400. Teil eines Tages, sondern genauer als nAtom-Sekunde "durch eine be- stimmte Anzahl von Caesium-Licht-Schwin- gungen festgelegt. Die W0ch, kam schon früh im Altertum aus dem Vorderen Orient zu uns; sie lehnt sich zwar in etwa an die Dauer eines Mondviertels an, behält aber unabhängig vom Monats- und Jahresverlauf ihren 7-Tage- Rhythmus bei. Der Monat war ursprünglich vom Mond- umlauf um die Erde in 29,5 Tagen abgeleitet. 12 Monate mit abwechselnd 29 und 30 Tagen ergaben dann das Mondjahr mit 354 Tagen, wie es sich am konsequentesten im moham- medanischen Kalender findet. Es hat allerdings den Nachteil, dass es jährlich um 11 Tage vom Sonnenlauf abweicht, so dass Neujahr und Monate alle 33 Jahre rückwärts durch die von der Sonne bestimmten Jahreszeiten wandern. Das Sonnenjahr, gemessen zwischen zwei Frühlingsanfangen, entspricht dem Erdumlauf um die Sonne und hat 365,2422 Tage. Eine gute Näherung sind also 365 \4 Tage, die schon den alten Ägyptern bekannt war und die sie auf 3 Normaljahre zu 365 Tagen und ein Schaltjahr zu 366 Tagen verteilten. Damit sind wir beim eigentlichen Kalenderproblem, nämlich der Entscheidung zwischen Mond- jahr, Sonnenjahr oder einer Kombination bei- der (Lunisolarjahr). Die alten Kulturen haben dafür ihre eigenen Entscheidungen getroffen. Der Julianische Kalender Im Julianischen Kalender regiert das Sonnen- jahr. Julius Caesar hat ihn im Jahr 46 v. Chr. eingeführt, als er vom Ägypten-Feldzug zu- rückkehrte und einen unbeschreiblichen Wirr- warr des altrömischen Kalenders vorfand. Sei- ne Reform bestand aus drei Schritten: • Es wurde das Sonnenjahr mit drei Normal- jahren und einem Schaltjahr eingeführt. • Um die entstandene Abweichung von 90 Tagen (!) vom Sonnenjahr zu beseitigen, er- hielt das laufende Jahr 46 drei zusätzliche Monate, insg. 15 Monate und 445 Tage. • Den 12 Monaten wurden, wie noch heute, 31, 30, 28 bzw. 29 Tage zugewiesen. Der Jahresbeginn wurde auf den l. Januar ge- legt. Ein großer Wurf! Der Julianische Ka- lender bestimmt im Grunde bis jetzt unse- ren Kalender • bis auf eine Ausnahme: Das Julianische Jahr war um 365,25 - 365,2422 = 0,0078 Tage = 11 Minuten zu lang. Diese geringe jähr- liche Differenz machte sich zwar erst im späten Mittelalter störend bemerkbar, dann aber immerhin mit rd. 10 überzähligen Ta- gen, so dass eine Korrektur nötig wurde. 49 Die Gregorianische Kalenderrefonn Die Reform von 1582 durch Papst Gregor XIII., an deren Vorarbeiten auch deutscheAs- tronomen maßgeblich beteiligt waren, besei- tigte die aufgetretenen Unstimmigkeiten: • Die 10 überzähligen Tage wurden gestri- chen; auf den 4. Oktober folgte unmittel- bar der 15. Oktober 1582. • Durch eine verbesserte Schaltregel wurde das Julianische Jahr im Durchschnitt ver- kürzt: Die Jahrhundert jahre sollten nur noch Schaltjahre sein, wenn sie durch 400 teilbar sind - eine sehr genaue Regelung, bei der erst nach 3.333 Jahren wieder ein überzähliger Tag auftritt! Der neue Kalender wurde rasch von den katholischen Ländern in Europa, auch von den katholischen Reichsständen in Deutsch- land eingeführt. Da Papst Gregor es leider ver- säumt hatte, die Reform verständlich zu ma- chen, kam es in den protestantischen Ländern zu Widerständen, in Deutschland gar zu offe- nem Streit und einem Nebeneinander des al- ten und des neuen Kalenders. Letzterer setzte sich erst um 1700 allgemein durch. 1752 folg- ten England und Schweden, 1918 Russland, 1923 Griechenland und 1949 schließlich auch China. Heute ist unser Kalender global ein- heitlich in Gebrauch: etwas anderes wäre in unserer ständig kleiner werdenden Welt auch nicht mehr vorstellbar. HEINZ KUNLE Zur Geschichte der Jahrhundertwenden Ausblick auf die Landesausstellung im Karlsruher Schloss Wenn in wenigen Wochen die Jahrhundert- wende, die gleichzeitig eine Jahrtausendwen- de ist, stattfindet, wird dies als globaler "Mega- Event" gefeiert werden, der nur durch den von einigen prophezeiten weltweiten Zusammen- bruch der Computersysteme gefährdet ist. Die Jahrtausendwende wird global gefeiert, ob- wohl der Wechsel zum Jahr 2000 nur nach der christlichen Zeitrechnung stattfindet. Weil aber die christlich geprägten westlichen Staa- ten Politik, Wirtschaft und Kultur der ganzen Welt dominieren, überlagert ihre Zeitrech- nung die anderen Kalender. Das "Wendebewusstsein" Die anstehende Jahrtausendwende ist der Hö- hepunkt einer Entwicklung, in der die Men- schen nur allmählich Kenntnis von diesen "runden Daten" erhalten haben. Die mittelal- terliche Gesellschaft zählte die Jahre nach den Regierungszeiten des Landesherrn oder des Papstes. Nur in den Klöstern gab es das Be- wusstsein für die Jahreszählung "nach Christi Geburt". Trotz des allgegenwärtigen Bewusst- seins vom bald bevorstehenden Jüngsten Ge- richtscheint 'deshalb der in der biblischen Apokalypse nach einem " 1 OOO-jährigen christ- lichen Reich" prophezeite Weltuntergang nur von wenigen Zeitgenossen konkret mit dem Jahr 1000 in Verbindung gebracht worden zu sein. Es ist ein Mythos des 19. Jahrhunderts, dass die auf das Jahr 1000 projizierte Welt- untergangsangst ein Massenphänomen gewe- sen set. Als Papst Bonifaz VIII. das Jahr 1300 zum Heiligen Jahr erklärte, in dem Rompilger den 50 großen Ablass ihrer Sündenstrafen erlangen konnten, gab er erstmals einer Jahrhundert- wende Bedeutung. Er bestimmte, dass ein sol- ches Jubeljahr alle hundert Jahre stattfinden sollte. Damit definierte die Kirche das Jahr- hundert als eine besondere Zeitspanne. Da man jedoch bereits 1350 wieder als Heiliges Jahr ausrief und dieses bald sogar im 25-jähri- gen Rhythmus stattfand, entwickelte sich die Jahrhundertwende nicht zu einem besonderen kirchlichen Datum. Die Pilgerströme der Ju- beljahre waren viel zu ertragreich für die Kas- sen Roms, als dass man sie nur alle hundert Jahre hätte begrüßen wollen. 1500 waren es noch immer nur wenige Intellektuelle, die sich der Jahrhundertwende bewusst waren. Zu ih- nen gehörten der Humanist Kontad Celtis und der Maler Albrecht Dürer. Doch im 16. Jahrhundert wurde schließlich der entschei- dende Schritt zur Bewusstwerdung der Jahr- hundertwende vollzogen: Zwischen 1559 und 1574 erschienen die "Magdeburger Zentu- rien" J eine protestantische Kirchengeschichte, die die Zeit seit Christi Geburt thematisierte und dabei erstmals die "Hundertschaft" der Jahre .als Ordnungsprinzip der Geschichts- schreibung einführte. Nun war das Jahrhun- dert und damit auch die Jahrhundertwende definiert. Die folgende Jahrhundertwende 1600 war ganz vom Glaubensstreit zwischen Katho- liken und Protestanten geprägt. Die Beach- tung der Jahrhundertwende entlud sich des- halb in polemischen Predigten protestanti- scher Geistlicher gegen die durch protestan- tische Länder ziehenden Katholiken, die im Heiligen Jahr 1600 des Ablasses wegen nach Rom pilgerten. .. Karlsruhc: in der Zukunft 2000" mit Bahnhof am Lautc:rbc:rg, Autorc:nnbahn und BalJonverkc:hr Karisruhc:~Nc:w York. Die Wende um 1700 1700 gab es dann erste wirkliche Würdigun- gen und auch Feierlichkeiten zur Jahrhundert- wende. In zahlreichen Ländern wurden zu die- sem Anlass Gedenkmedaillen geprägt. Die protestantischen Länder schlossen sich 1700 dem bereits 1582 eingeführten Gregoriani- schen Kalender an. Das vergangene Jahrhundert wurde nun erstmals rückblickend betrachtet. Für die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert lässt sich der Streit um den richtigen Termin der Jahrhundertwende dokumentieren, ein Beleg, dass die Jahrhundertwende jetzt von größeren Kreisen beachtet wurde. Die Argumente gli- chen schon damals weitgehend denjenigen, die auch jetzt im Hinblick auf das Jahr 2000 diskutiert werden. Als mathematisch korrekt galt, dass das Jahrhundert erst mit dem Über- gang zum Jahr 01 wendet. Doch hatre der 51 Wechsel von drei Ziffern in der Jahreszählung von 1699 auf 1700 schon in jenen Tagen eine so große emotionale Bedeutung, dass viele die Jahrhundertwende auf 1700 datierten. Die Wende zum 19. Jahrhundert wurde allerdings in den meisten Ländern, auch in Baden, auf das Jahr 1801 festgelegt. Die Aufklärung entwickelte eine ausge- prägte Sehnsucht nach einer friedvollen Welt und auch politische Perspektiven zu ihrer Gestaltung. Dazu gehörten: republikanische Verfassung, freier Föderalismus der Staaten u. a. Zeitlich parallel dazu versuchte das revo- lutionäre Frankreich jedoch, seine politischen Ideen auf dem europäischen Kontinent durch- zusetzen, was seit 1792 zu den beiden Koali- tionskriegen führte . Doch exakt zur Jahrhun- dertwende zeichnete sich Frieden ab, weshalb vielfach die Verbindung zwischen Jahrhun- dertwende und Friedenshoffnung formuliert wurde. Kaclsruhe um 1800 Die "Kar/sruher Zeitung" berichtete in ihrer Ausgabe vom 2. Januar 1801 auf der Titelseite von der Unterzeichnung des Waffenstillstands- abkommens zwischen dem siegreichen Frank- reich und Österreich, das dann am 9. Februar 1801 zum Frieden von Luneville führte. Die Zeitung zog das Fazit: "Dieses ist das wohl beste Geschenk, welches wir unseren geehrtes- ten Lesern am Anfang dieses neuen Jahrhun- derts geben können." Aus Anlass des Friedens von Luneville kon- zipierte der Karlsruher Mechanikus Friedrich Drechsler eine "Ballonerie", die er nach eigenen Angaben in Straßburg und Nancy veranstalte- te. Als England und Frankreich am 1.10.1801 Präliminarien unterzeichneten und damit der Weg frei war für den Kongress von Amiens, der am 27. März 1802 zu einem weiteren Frie- densschluss führte, wollte Drechsler die "Bal- lonerie" in Karlsruhe wiederholen. Noch im Oktober 1801 annoncierte er deshalb in der "Karlsruher Zeitung", dass er einen ca. 6 Me- ter hohen Heißlufi:ballon über dem Karlsruher Schloss steigen lassen wolle. Am Ballon sollten zwei Transparente befestigt sein, eine Allegorie des Friedens und "Deutschlands Genius mit der Harfe". Das Ptojekt musste jedoch vorfi- nanziert werden, weshalb Drechsler einen mehrfarbigen Kupferstich drucken ließ, auf dem das Karlsruher Schloss samt der "Ballone- rie" abgebildet ist. Die Bildunterschrifi: drückt in deutscher und in französischer Sprache noch einmal die Friedenshoffnung der Zeit um 1800 aus. Sie lauret: ,,Abbildung des von dem Me- chanicus Drechsler auf dem Schloss Platz zu Carlsruhe in die Hoehe gelassenen Denkmals des uns den Frieden bringenden Neunzehenten Seculi." Der Absatz der Kupferstiche scheint jedoch nicht ausreichend gewesen zu sein - womöglich deshalb, weil Drechsler nachgesagt wude, die "Ballonerien" in Straßburg und 52 Nancy wären misslungen. Jedenfalls ist von der Realisierung des Spektakels in Karlsruhe nichts überliefert. Der Termin für den Beginn des 20. Jahr- hunderts wurde in Deutschland an oberster Stelle festgelegt, nämlich von Kaiser Wilhe1m 11., höchstpersönlich. Am 4.12.1899 fragte Reichskanzler Hohenlohe-Schillingfürst mir einem Telegramm beim Kaiser an, wann der Beginn des neuen Jahrhunderts zu feiern sei. Eine Entscheidung war dringend erforderlich, denn der Termin musste noch mit den deut- schen Ländern koordiniert werden. Die Ant- wort, die der Kaiser unter das Telegramm schrieb, enthielt einen Schreibfehler, der zeigt, wie schwer dem Monarchen die neue Jahres- zahl von der Hand ging. Er schrieb: ,,Am I. Januar 1899. Wi[lhelm)". Fin de siecle oder Modeme um 19001 In Baden reagierte man unterschiedlich auf diese Anweisung. Der "Badische Beobachter" fürchtete den Spott der Franzosen über die deutsche Kaisertreue. Der "Volksfreund" ver- trat die Linie des Kaisers, zumal der frühe Ter- min der Jahrhundertwende dem Volksgeist entspräche. Offizielle Feierlichkeiten scheint es in Ba- den nicht gegeben zu haben. Wie die Groß- herzogliche Familie Silvester und den Neu- jahtstag verbrachte, ist in der Karlsruher Stadt- chronik für das Jahr 1900 ausführlich geschil- dert. Die Jahrhundertwende wird am Ende des Berichts nur beiläufig erwähnt. An der Jahrhundertwende 1900 kontras- tierten unterschiedlichste Stile, Stimmungen und Zukunfi:svorstellungen: Fin de siecle und Decadence gegen Jugendstil und Moderne. Das Elend des Proletariats in den großstädti- schen Hinterhofbauten war ebenso Realität wie die Vorstellungen von unbegrenztem tech- nischem Fortschritt, den Elektrizität, Automo- bil und Luftschifffahrt symbolisierten. Auch die politischen Vorstellungen divergierten ex- trem: Nationalismus und Weltmachtgedanke standen Sozialismus, Friedensbewegung und Frauenemanzipation gegenüber. Der Phantasie, wie die Zukunft aussehen könnte, war um 1900 keine Grenze gesetzt. Hier kam vor allem der Glaube an die umfas- senden Möglichkeiten der Technik zum Tra- gen und führte zu den kühnsten Vorstellun- gen. Für Karlsruhe wurde - wie auch für meh- rere andere Städte - eine Verkehrsutopie auf einer Postkarte dargestellt, die vor 1904 ent- stand. Unter dem Motto "Karlsruhe in der Zukunft" wurden über einer Ansicht des Marktplatzes mit Hilfe einer Photocollage künftige Verkehrsmittel dargestellt. Übei den Dächern erscheinen die Luftschiffe - eine Gondelbahn führt nach München, eine Bal- lonlinie verbindet die badische Residenz mit New York. Die Vorstellungen auf der Straße waren konkreter. Der dargestellte Autounfall, bei dem ein Fußgänger zu Schaden kommt, war um 1900 schon sehr realistisch, denn die schnellsten Automobile erreichten bereits über 100 km/ho Auch die dargestellte Straßenbahn wurde kurz nach der Jahrhundertwende Rea- lität. Die erste Linie in Karlsruhe verkehrte um 1910. "Rückkehr in die Zukunft" heißt darum zu Recht im Untertitel die kommende Landes- ausstellung "Jahrhunderrwenden 1000-2000", die im Karlsruher Schloss vom 11. Dezember 1999 bis 5. Mai 2000 stattfindet. JUTTA DRESCH 10 Jahre ,,Arbeitsstelle Bertolt Brecht" in Karlsruhe Die ,,Arbeitsstelle Bertolt Brecht" (ABB) wur- de im Februar 1989 eingerichtet und im Juni 1989 in Anwesenheit von Rektor und Kanzler der Universität Karlsruhe, Prof. Dr. Heinz Kunle und Dr. Gerhard Selmayr, des Kultur- referenten der Stadt Karlsruhe, Dr. Michael Heck, des Leiters des Suhrkamp Verlags, Dr. Siegfried Unseld, sowie Vertretern des Aufbau- Verlags, Berlin und Weimar, des Metzler Ver- lags, Stuttgart, und der Medien eröffnet. In die- sem Rahmen fand ein Festkolloquium statt, auf dem die Mitherausgeber der neuen Brecht- Ausgabe Prof. Dr. Werner Mittenzwei und Dr. h. C. Werner Hecht Vorträge zu Brechts Werk hielten und anschließend eine Podiumsdiskus- sion der Herausgeber stattfand. 53 Vor der "Wende" Die ABB hat sich bis 1998 vor allem der Edi- tion der Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe der Werke Brechts (GBA) in dreißig Bänden gewidmet und war an ihr mit der Erarbeitung von acht Bänden (fünf Bände Gedichte, drei Bände Prosa) maßgeb- lich beteiligt. Die Ausgabe wurde 1998 abge- schlossen und liegt - außer dem Registerband, der noch im Druck ist - in 33 Teilbänden mit über 20.000 Seiten vor. Die Ausgabe, die 1985 erstmals der Öf- fentlichkeit vorgestellt wurde, begann als ein Pilot-Projekt deutsch-deutscher Zusammenar- beit. Der Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M., der die Rechte am Werk Brechts besitzt, und der Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar hatten beschlossen, eine textidentische Ausgabe der Werke Brechts gemeinsam zu veranstalten und dazu ein paritätisch besetztes Herausgebergre- mium zu berufen: Dr. Werner Hecht (Berlin) und Prof. Werner Mittenzwei (Berlin) aus der DDR sowie Prof. Dr. Klaus-Detlef Müller (Tübingen) und mich aus der Bundesrepublik. Diese Zusammenarbeit, die für das deutsch- deutsche Kulturabkommen (1986 eine we- sentliche und initiierende Rolle gespielt hat, wurde von den Medien in der Bundesrepublik und im Ausland als "Sensation" (FAZ) und als "Jahrhundertabkommen" (NZZ) sowie als "Editorische Wiedervereinigung eines unge- teilten Klassikers" (Bücherpick. Schweiz) be- wertet. In der DDR galt die Ausgabe als Prestige- Projekt, das von allen zuständigen staatlichen Institutionen - bis hin zum Ministerrat der DDR - unterstützt sowie mit großen finanzi- ellen Investitionen und durch die Abordnung von zahlreichen Mirarbeitern gefördert wurde. " ... es kommt wahrlich einer Sensation gleich, verdient Bewunderung und Respekt. Man übertreibt gewiss nicht, wenn man dieses Un- ternehmen das spektakulärste auf dem Feld der verlegerischen Zusammenarbeit zwischen bei den deutschen Staaten nennt", schrieb z. B. Franz Josef Görtz in der Frankfimer Allgemei- ne Zeitung am 18.9.1985. Da das Bertolt- Brecht-Archiv (BBA) in O stberlin angesiedelt war (jetzt Berlin Mitte), mussten mei~e Mit- arbeiterinnen/Mitarbeiter und ich - um jeden Text an den Orginalen zu überprüfen - uns häufig wochenlang in Berlin aufhalten. Für diese Aufenthalte erhielten wir eine Art Diplo- matenstatus, der es uns ermöglichte, zu DDR- Zeiten in ostberliner Hotels zu übernachten, so dass wir nicht täglich die Grenze wechseln mussten und in der Nähe unseres Arbeitsplat- zes waren. Für unsere Arbeiten erhielten wir 54 alle mögliche petsonelle und sonstige Unter- stützung (z. B. durften wir - was sonst in der DDR ausgeschlossen war - alle Dokumente des BBA, die wit benötigten, kopieren und nach Karlsruhe mitnehmen). Arbeitsfeld Karlsruhe Die Arbeit in Karlsruhe begann 1985 zunächst in den beschränkten und beengten Räumlich- keiten des Instituts für Literaturwissenschaft. Die Stadt Karlsruhe und ihr Kulturreferat ha- ben dann in einer großzügigen Hilfsaktion dafür gesorgt, dass das Arbeitsteam in Sachen Brecht über geeignete Arbeitsräume verfügen konnte. Für dreieinhalb Jahre bezog die ABB die neu hergerichteten, freundlichen Räume in der Kapellenstraße 22. Die Badische Beamtenbank Karlsruhe sorgte, auf Vermittlung des Rektors der Uni- versität, durch ihren Vorsitzenden, Prof. Dr. Egon Kremer, mit einer großzügig bemesse- nen Spende für die Neueinrichtung der Räu- me sowie für eine neue Computerausrüstung. die es ermöglichte, die in Karlsruhe entstehen- den Bände der neuen Ausgabe satzfertig einzu- richten sowie die umfangreichen Registerar- beiten zu erledigen. Die Universität Karlsruhe, die sich ihrer geisteswissenschaftlichen Fächer schon immer mit besonderer Verantwortung angenommen hat, finanzierte die laufenden Betriebskosten der ABB und stellte die Mittel für die wissen- schaftlichen Hilfskräfte bereit; eine halbe Stel- le für eine Hilfskraft mit Examen wurde von der DFG finanziert. Die BNN bezeichneten in ihrem Bericht zur Eröffnung der ABB die- ses "bislang einmalige Zusammenwirken von der Stadt, Universität und Wirtschaft" als "Karlsruher Musterbeispiel". Die Eröffnung der ABB fand ein breites überregionales Echo. Inzwischen residiert die ABB in der Kro- nenstraße 30 in zwei großen Räumen, da die Wohnung in der Kapellenstraße wegen Fehl- belegung geräumt werden musste. Die Uni- versität Karlsrube trägt nun alle Kosten. Für die Zeit vom 1.I .1994 bis zum 30.6.1997 haben das Land Baden-Württem- berg und die Universität der ABB zwei BAT- lIa-Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter- innen und Mitarbeiter zugewiesen, die von Bri- gitte Bergheim M. A. und Michael Duchardt M. A. wahrgenommen wurden. Um die ABB zu erhalten, haben wir uns bereits während der Abschlussarbeiten an der Brecht-Ausgabe um ein Folgeprojekt bemüht. Nachdem die DFG ein multimediales Pro- jekt zum Dreigroschenstoff, das mit dem ZKM realisiert werden sollte, abgelehnt hatte, haben wir die Fritz Thyssen Stiftung in Köln gewonnen, die "Neukonzeption und Neube- arbeitung des Brecht-Handbuchs" zu finanzie- ren. Dieses Handbuch, das sich am neuen Goethe-Handbuch beim Verlag]. B. Metzler orientiert, wird wie dieses vier Bände mit jeweils 600 Seiten umfassen und von mir he- rausgegeben. Als wissenschaftlicher Beirat wir- ken 16 Wissenschaftler aus den USA, aus Ir- land und aus Deutschland mit. Die Redakti- on übernimmt Brigitte Bergheim, die bewähr- te Mitarbeiterin der ABB. Das Unternehmen wurde begonnen mit einer Aurorenkonferenz in Katlsrube, die vom 14.-16. Mai 1999 statt- fand . Wenn dieses Projekt erfolgreich abge- schlossen wird, hat Brecht nach und neben Goethe den Status des zweiten großen deut- schen Autors inne. Arbeitsmittel und Ergebnisse Die ABB verfügt über eine private Spezial bi- bliothek zu Brecht, die ca. 1.200 Bände um- fasst. Darunter befinden sich die bisherigen Ausgaben Gesammelter Werke Brechts, einige, z. T. wertvolle Erstausgaben, die wesentliche Sekundärliteratur zu Brecht sowie viele Nach- 55 • ... 4 •• I,,,,,. oe ", "" . ..... . , .... ... "" • • "" .•• ~ • • U ft ... . ... • ,_. ~ • • • , .... 0"-" .. ... tot. 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Das weitaus meiste Ma- terial stammt aus dem Bertolt-Brecht-Archiv (BBA) in Berlin: Kopien der Textüberlieferun- gen (zum internen Gebrauch), die der ABB als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt worden sind. Hinzu kommen die Erstdrucke, meist in Kopien, die aus aller Welt zusammengesam- melt wurden, Zeitdokumente aus der ganzen Weltgeschichte, die für den Kommentar (Ent- stehungsgeschichte) notwendig waren, Quel- len und Vorlagen, die die bei Brecht verarbei- tete Weltliteratur betreffen, vom alten China und von der klassischen Antike über SheIley, Shakespeare bis zu Sindair oder Mao Tse-tung oder Johannes R. Becher, die ebenfalls für die Kommenrierung benötigt wurden. Diese Dokumenten-Sammlung zu Brechts Werk, die um weiteres Material aus Berlin zur Biographie, zu den Schriften sowie zu den diversen Journalen, die Brecht geführt hat, erweitert ist, beruht auf dem neuesten For- schungsstand und ist - sowohl, was ihren Um- fang angeht, als auch hinsichtlich ihrer Voll- ständigkeit - einzigartig. Erstellt wurden die Bände der Großen Aus- gabe - was heute nichts Besonderes mehr ist, 1985, aber, als wir mit der Arbeit begannen, Pilot-Funktion hatte - ausschließlich per Computer, das heißt, dass nicht nicht nur die Kommenrare, jeweils ca. 150-200 Seiten ei- nes Bandes, sondern auch die Texte Brechts geschrieben und für den Sarz eingerichtet wur- den. Das hatte den Vorteil, dass keine fremde Hand mehr in die Texte eingreifen konnre und folglich auch keine späteren Satzkorrekturen mehr anfielen: Die in der ABB geschriebenen und korrigierten Dateien stellten so bereits die letzte Stufe zum endgültigen Satz dar. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Texterfas- sung für die in Karlsruhe bearbeiteten Brecht- sehen Werke die Grundlage bilden kann für eine Auswertung bzw. Analyse der betreffen- den Texte durch modernste Datenverarbei- tungssysteme. So werden die fünf Karlsruher Lyrik-Bände zur Zeit an der Brighan Young University, Provo, Utah/USA, für eine Chro- nologie der Gedichte Brechts ausgewertet. Weiterhin wurden in einer gesonderten Datenbank alle "äußeren" Daten für jedes Gedicht einzeln abgespeichert: Textüberliefe- rungen, Erstdrucke, Drucknachweise in den bisherigen Ausgaben, Alternativtitel u. a.: ca. 4.600 Datensätze. Eine solche Datenbank wurde auch für die Prosa erstellt und umfasst 2.600 Datensätze. Sieht man von der notwendigen Einarbei- tungszeit ab, hat die Karlsruher ABB mit ihren 56 acht Bänden der Großen kommenrierten Ber- liner und Frankfurter Ausgabe durchschnitt- lich anderthalb Jahre pro Band Arbeitszeit benötigt. Dabei ist zu bedenken, dass der Karlsruher Herausgeber bis Ende 1992 mit nur zwei halben wissenschaftlichen und einer studentischen HilfskraftsteIle auskommen musste. Die Kommentare allein. die enger gedruckt sind und zwischen 150 und 200 Sei- ten umfassen, entsprechen je einer Buchpubli- kation. Da zudem die vier Herausgeber der Ausgabe für alle 33 verantwortlich zeichneten, mussten sie über schriftliche Gurachten und Herausgeberkonferenzen, die abwechselnd in Frankfurt und Berlin stattfanden, zu jedem Band einzeln Stellung beziehen, die Konzep- tion und den Inhalt verantworten sowie den jeweiligen Bearbeitern und Bearbeiterinnen beratend zur Seite stehen. Schließlich fielen noch umfangreichere Arbeiten für den Registerband an, der im Herbst 1999 erscheinen wird. Internationale Verbindungen Die ABB ist inzwischen international bekannt und wird von vielen Gästen aus den USA, China, Japan, Korea, Indien u. a. aufgesucht und auch, z. T. über längere Zeit, als Arbeits- stätte genutzt. Ich erhielt u. a. Einladungen nach Korea, China, Chile, Japan, in die Ukrai- ne, nach Italien, Griechenland und Däne- mark. Besonders eng sind die Beziehungen zur Brecht-Gesellschaft in Korea. Mit dieser Ge- sellschaft zusammen sind bereits mehrere Buch-Publikationen realisiert worden. Drei Symposien, von denen ich zwei geleitet habe, fanden zwischen 1991 und 1998 in Seou! statt. Überdies gibt es einen Partnerschaftsvertrag zwischen der Chosun University in Kwang-ju und der ABB. JAN KN O PF Zahlenwende! Zeitenwende? Unser Verstand sagt uns, dass 2001 das neue Jahrtausend anbrechen wird. Unsere Gefühle werden aber von der Magie der Zahl 2000 ge- bannt. Wir brauchen solche Einschnitte, auch in unserem privaten Leben, um bilanzieren zu können. Mit einem hegelianischen Fortschritts- optimismus tun wir uns heute trotz des Wohl- standes schwerer als viele Karlsruher vor 100 Jahren, da man das neue Maschinenzeitalter feierte. Computer und Internet werden zur Zeit die Prognosen für kommende Jahtzehn- te füllen, immer etwas unscharf, wie der Blick in die Zukunft es nun einmal bedingt. Aber ein Blick in die Geschichte der letzten 100 Jahre gewährt genauereAuskünfte. In die- ser Ausgabe dominiert der Blick zurück ohne Zorn. Über das Grausige, Menschenverach- tende in der ersten Jahrhunderthälfte haben wir schon vieles berichtet und werden es weiterhin tun, denn solche Erinnerungen können viel- leicht auch Grundlage für eine Zeitenwende sein und unsere Haltung bestärken: so nie wieder! Doch es gab auch anderes, und positi- ve Entwicklungen sollten wir darüber nicht vetgessen. Nicht zuletzt wird das Universitäts- jubiläum im kommenden Jahr eine weitere Brücke über die Epochen schlagen, wohl nicht im Zorn gebaut. LEONHARD MÜLLER Karlsruhe um 1900 - die kaisertreue Residenz An einen Jahrhundertwechsel werden immer viele Erwartungen und zugleich Ängste wie Hoffnungen geknüpft. Wie sah die Stim- mungslage in der Karlsruher Bevölkerung dazu hundert Jahre früher aus? Damals gab es zwar noch keine Meinungsumfragen, doch lassen einige Berichte von Zeitgenossen darauf schließen. Monarchismus "In treuer Gesinnung, in liebevoller herzlicher Verehrung blickt der Karlsruher zu dem ehr- würdigen Großherzog Friedrich, zu der edlen Großherzogin Luise empor .... Mit der innigs- ten Anhänglichkeit an die badische Heimat ver- bindet der Karlsruher die wärmste Hingebung 57 an das große deursche Vaterland", schreibt Stadthistoriker Friedrich von Weech 1904 und führt diese Charakterisierung noch zu einem Höhepunkt: ,,In nationaler Gesinnung wissen sich alle Einwohner dieser Stadt einig, mögen sie auch sonst durch Verschiedenheit der poli- tischen und kirchlichen Anschauungen und Grundsätze getrennt sein. Sie stehen fest und treu allzeit zu Kaiser und Reich". Der Boom an Paraden, Festumzügen und Denkmalserrichtungen zu Ehren der Reprä- sentanten der Monarchie in dieser Zeit, scheint diese Worte zu belegen. Dass sich die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten in der Verehrung des Kaisers wohl einig waren, wird an folgendem Beispiel deutlich. 1893 besuchte Kaiser Wilhelm 11. Karlsruhe. Um Srandbild der Clio im Sradrmuseum. ihn würdig zu empfangen, nahmen zahlreiche Vereine der großherzoglichen Residenz sowie die Schülerinnen und Schüler der in Karlsruhe vertretenen Bildungseimichrungen vom Bahn- hof bis zum Schloss Aufstellung. Ein damals im Druck herausgegebener Stellplan infor- miert uns nicht nur darüber, wo die einzelnen Vereine und Schulen Spalier zu stehen hatten, sondern gibt Aufschluss über die gesellschaft- liche Zusammensetzung der Jubelparade. So finden wir hier neben den vorwiegend aus bür- gerlichen Honoratioren bestehenden Gesang- vereinen auch Vertreter der Arbeitervereine, neben Krieger- und Militärvereinen, Schützen 58 und Turner, den Ruderclub neben dem Rad- fahrerbund und dem Athletenclub, höhere Töchter neben Gymnasiasten, Studenten neben Volksschülern usw. Sicher waren nicht alle der damals schon fast 200 in Karlsruhe vorhandenen Vereine vertreten, doch zumin- dest ein großer Querschnitt. Dass sogar eigentlich konträr laufende po- litische Überzeugungen in einfachen Kreisen durchaus mit dem Patriotismus für Kaiser und Reich einhergehen konnten, erfahren wir aus dem Bericht des evangelischen Arbeitervereins über die bescheidenen Wohnverhältnisse sol- cher Familien: "Der Wert des Mobiliars, wel- ches ein Arbeiter sein eigen nennt, schwankt zwischen 500 und 800 Mark. Vorhänge an den Fenstern und kleine Teppiche auf den Fußböden oder Decken auf den TIschen sind die Regel. Vielfach werden Blumen gepflegt, auch Vogelzucht betrieben. An Bildern sieht man die bekannten Öldruckbilder, irgendeine Landschaft darstelle~d. Außerdem findet man gewöhnlich das Bild des Mannes aus seiner Soldatenzeit, daneben oft Lassalle oder Marx, aber auch der erste deutsche Kaiser .... " Erinnerung an 1870/71 Gerne erinnerte man sich an die "heroischen Zeiten" des siegreichen Krieges gegen Frank- reich 1870/71. So war am Festplatz ein zelt- artiger Rundbau errichtet worden, das so- genanme Panoramagebäude, in dem Rundbil- der von damals namhaften Historienmalern gezeigt wurden, die zumeist Gefechte des deutsch-französischen Krieges, aber auch an- dere Schlachten darstellten. Der Eintritt in dieses Szenario kostete 50 Pfg., "für Militär und Kinder die Hälfte". Als nach der Jahrhun- dertwende mehrere Kinos in Karlsruhe eröff- net wurden, konnte diese Einrichtung dem Konkurrenzdruck des neuen Mediums aller- dings nicht lange standhalten. Natürlich war der allgemein verbreitete Patriotismus von der Obrigkeit gewollt und wurde nach Kräften unterstützt. So wurde z. B. die Errichtung des gewaltigen Kaiser-Wilhelm- Denkmals am Mühlburger Tor zur Gänze aus der Stadtkasse finanziert. 200 000 Mark waren hierfür von den Stadtverordneten bewilligt worden. Der vom Großherzog favorisierte Entwurf eines Reiterstandbildes von Bildhauer Adolf Heer wurde daraufhin in Bronze ausge- führt und das Denkmal am 18. Oktober 1897, dem Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, eingeweiht. Oberbürgermeister Schnetzler hielt eine überschwengliche Rede auf die Ruhmes- taren Wilhelms 1., der nun "immerdar auf eine patriotische Bürgerschaft herniederschauen " könne, die bereit sei, lImit Gut und Blut für die Erhaltung des Vaterlandes einzustehen, das ihr der große Kaiser geschaffen hat". Der Ein- weihungsfeierlichkeit wohnten neben den Ver- tretern des Militärs, den Mitgliedern der groß- herzoglichen Familie und mehreren deutschen Fürsten auch wieder fast alle Vereine und Schulen bei. Die ikonographischen Details des Denkmals sind von Manfred Großkinsky und Meinhold Lutz ausführlich gewürdigt worden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Lutz meint, Kaiser Wilhe1m sei nicht nur als siegreicher Feldherr und Reichseiniger darge- stellt, sondern der Typus des Reiterstandbildes gehe auf 1849 zurück, als der damalige Prinz von Preußen an der Spitze einer Armee in die badische Residenz einritt, um die Revolution niederzuschlagen. Insofern war die Idee von 1998, zum 150-jährigenJubiläum der Revolu- tion in Baden das Denkmal mit fiktiven To- tenschädeln der hingerichteten oder ums Le- ben gekommenen Demokraten zu garnieren, gar nicht einmal so abwegig. Zur Zeit der Ein- weihung des Denkmals, dachte man aber nicht mehr an dieses Kapitel der badischen Geschichte. Dazu boten die damals am Fuße des Sockels angebrachten Allegorien auch kei- 59 nen Anlass. Dem Kaiser voran schritt Viktoria, die Göttin des Sieges, mit einem LorbeetzWeig in der Hand, hinter ihm saß Klio, die Muse der Geschichtsschreibung, die die Namen der Hauptstädte der eroberten "Reichslande El- sass-Lothringen" Straßburg und Metz in ihr Geschichtsbuch notierte. Die Wappen der ehemals französischen Territorien hatte Klio ebenfalls für sich vereinnahmt. Die Allegorien wurden im Zweiten Weltkrieg zusammen mit den seitlich des Sockels angebrachten Bronzen eines schwerthaltenden Löwen und eines badi- schen Greifen für Rüstungszwecke einge- schmolzen. Lediglich die beiden Seitenreliefs, die die Kaiserproklamation in Versailles und den Einmarsch badischer Truppen darstellen, sind heute noch am Sockel vorhanden. Ein Abguss des noch in Privatbesitz befindlichen Gipsmodells der Klio kann aber im Stadt- museum im Prinz-Max-Palais besichtigt wer- den. Dort befinden sich im Übrigen noch ande- re Exponate, die zur Darstellung des hier be- handelten Themas herangezogen werden kön- nen, etwa die Fahne des Karlsruher Militärver- eins, der wohl kutz nach den Kriegsereignissen von 1870/71 gegründet worden ist. In ihm hatten sich zumeist ehemalige Soldaten zu- sammengeschlossen, die am deutsch-französi- schen Krieg teilgenommen hatten und nun zu geeigneten Anlässen mit Festveranstaltungen und Paraden an glorreiche Zeiten erinnern wollten. So nahm der Militärverein 1877 auch an den Einweihungsfeierlichkeiten des von der Stadt Karlsruhe ebenfalls finanzierten Krieger- denkmals auf dem Alten Friedhof teil, mit dem der gefallenen deutschen Soldaten des 70/71er Krieges gedacht werden sollte. In der Folge sollten noch zahlreiche Kriegerdenkmä- ler an anderen Stellen im Stadtgebiet für badi- sche Truppenteile oder für die gefallenen Ein- wohner in den Stadtteilen errichtet werden, etwa 1887 in Mühlbutg ebenfalls unter Betei- ligung des dortigen Militärvereins. Sie sollten die Erinnerung an den siegreichen Feldzug und den "Kampf um Deutschlands Einheit" in der Bevölkerung stets wach halten. So steht auch das 1904 vor der damaligen Festhalle errichtete Bismarckdenkmal in dieser Traditi- on. das den "eisernen Kanzler" als Reichsgrün- der darstellt. der nach der Kaiserproklamation in Versailles bereits die Landkarte mit den neuen Grenzen des Deutschen Reiches in der Hand hält. Auch hier schmückte den Sockel ein geflügelter Genius mit den Palmen des Sieges. der 1940 der Metallspende zum Opfer fiel. nach dem Krieg versetzte man das Denk- mal an seine heutige Stelle vor das Bismarck- Gymnasium, so dass seine ehemals monumen- tale Wirkung völlig verloren ging. "Kolonialismus" In der Kaiserzeit konnte jedoch auch auf ei- nem anderen Feld der Reichspolitik der Patri- otismus angeheizt werden. nämlich mit der Erwerbung der deutschen Kolonien in Afrika. im Pazifik und in Asien. ·So feierte der Redak- teur der in Karlsruhe erscheinenden Badischen Landeszeitung am Vorabend des Jahres 1900 die inzwischen seiner Meinung nach eingetre- tene Großmachtstellung des Deutschen Rei- ches: .. Deutschland will nun nicht länger im Lande der Träume verweilen. da die Welt ge- teilt wird. Wir mUSSten unser Sinnen und Trachten auf die nationale Gestalrung be- schränken und uns das Weltbürgertum abge- wöhnen. aber nachdem wir durch die Kraft unseres Volkes und die Staatskunst Bismarcks den nationalen Boden gewonnen haben. führt uns der Kreislauf der Dinge wieder zu einer internationalen Betrachtung zurück. ... Nur im höchsten Wetteifer der Nationen. die ihre Besonderheit aufrecht erhalren wollen. wird der Menschheit höchstes Gut errungen. Wenn vor hundert Jahren der Rhein Deutschlands 60 Grenze. nicht Deutschlands Strom geworden war. wenn vor 50 Jahren die bescheidenen Anfänge deutscher Flotte von dem Engländer mit der Behandlung der Seeräuberschiffe be- droht wurden und schließlich unter den Ham- mer kamen. so dürfen doch heute auch die enthusiastischsten Anhänger der Flottenver- stärkung und Weltmachtpolitik Deutschlands sich ungeahnten Fortschritts erfreuen. da die Ausbeute der Handelsflotte die Eifersucht des reichsten Volkes wachruft und die deutsche Flagge über Kamerun und Samoa. den Karo- linen und Kiautschou weht." Noch deutlicher formulieren diese Ziele die goldenen "Kaiser- worte" Wilhe1ms 11.. die in das seit der Jahr- hunderrwende in mehreren Auflagen erschie- nene .. Badische Realienbuch " Eingang gefun- den haben. das füt den Unterricht natürlich auch an Karlsruher Schulen bestimmt war: .. Das mächtige deutsche Heer gewährt einen Rückhalt dem Frieden Europas. Weithin zieht unsere Sprache ihre Kreise auch über die Mee- re. weithin geht der Fluss unserer Wissenschafi und Forschung. Und das ist das Weltreich. das der germanische Geist anstrebt .... Wenn das deutsche Volk in sich gefestet und Gott ver- trauend in die Welt hinaustritt. dann wird es auch fähig sein. die großen Kulturaufgaben zu lösen. die ihm die Vorsehung in der Welt be- stimmt hat, nach innen geschlossen, nach außen entschlossen ... " Dass diese Propaganda zu Überheblichkeit und Selbstüberschätzung führen würde. Fak- toren. die beim Kriegsausbruch 1914 durch- aus eine Rolle gespielt haben. war den Zeitge- nossen sicherlich noch nicht bewusst. Auf der anderen Seite wurde mit geeigneten Maßnah- men das Heimatgefühl gestärkt. um den inne- ren Zusammenhalt der Bevölkerung zu för- dern. Dazu zählten die Heimat- und Trachten- feste. die in Karlsruhe gleich mehrfach vor- zugsweise zu Jubiläen der großherzoglichen Familie veranstaltet wurden. Trachten aller Art "Die Trachtenpflege der monarchistischen Epoche hatte ihre wichtigste Motivation aus der Verehrung für das Fürstenhaus bezogen", stellt Heinz Schmitt in seiner Untersuchung über "Die Volkstracht in Baden" fest. Die in dieser Hinsicht beeindruckendste Veranstal- tung fand bereits 1881 zur Silberhochzeit des Großherzogspaars und der Vermählung der badischen Prinzessin Viktoria mit dem Kron- prinzen Oskar Gustav Adolf von Schweden und Norwegen statt. Ein riesiger Festzug war zusammengestellt worden, der aus "Schülern sämtlicher Karlsruher Schulen", Vertretern der Gemeindebehörden, Staatsbeamten, dem Mi- litärverein, der Freiwilligen Feuerwehr, den Schützengesellschaften, Gesang- und Turnver- einen, dem Ruderklub u. a. bestand. Jede Ab- teilung führte eine Reitertruppe und eine Musikkapelle an. Höhepunkt des Fesrzugs war aber der Auftritt der Landestrachten, die sich aus ganz Baden eingefunden hatten. So wurde die Stadtbevölkerung mit der ländlichen Kultur vertraut gemacht. Diesem Trachtenauftritt folgten noch weitere, so erwa 1896 ein Umzug zum siebzigsten Geburtstag des Großherzogs. Die Förderung der Heimat- kultur führte dazu, dass man alsbald auch in Karlsruher Vereinen Trachten- und Bauernfes- te feierte, indem sich die Mitglieder dement- sprechend kostümierten. So organisierte bei- spielsweise der Gesangverein Liederkranz im Jahre 1900 ein "internationales Trachtenfest". 61 Der Verein bildender Künstler sollte seit 1901 seine sich in den folgenden Jahren öfter wie- derholende "Bauernkerwe" an Fasrnacht fei- ern. Wie sich noch am Vorabend des Ersten Weltkriegs Heimarverbundenheit und Welt- machtstreben zu einem eigentümlichen Patri- otismus verbinden konnten, dafür sei ein letz- tes Karlsruher Beispiel angefuhrt. Am 16. Februar 1914 veranstaltete die Frauenorrsgruppe Karlsruhe des Vereins für das Deutschtum im Ausland in den Räumen des Museumsgebäudes "auf der Plantage Ba- denia in Kamerun" einen "Deutschen Abend". Umrahmt vom "Marsch der Schutztruppen- kapelle "und vom Sklaventanz, der "von Frau Allegri in liebenswürdiger Weise einstudiert" worden war, begrüßte der Plantagenbesitzer und seine Gattin die als Afrikareisende kostü- mierten Gäste. Neben dem von Frau Mutter vorgeführten "Tanz einer Negersklavin "wur- de u. a. von Mitgliedern des Hoftheaters das Schäferspiel "Der Kuss" zur Auffuhrung ge- bracht, der Pfadfinderbund fur junge Mädchen veranstaltete einen "Flaggenreigen". Auch die Kostümierung von Gästen in "deutschen Trachten" war den Organisatorinnen will- kommen, die damit offensichtlich den Zielen des Vereins für das Deutschtum im Ausland Rechnung tragen wollten. Nur wenige Jahre später waren die Weltmachtträume zunächst einmal ausgeträumt und auch "die gute alte Zeit" endgültig vorbei. PETER PRETSCH Aufbrüche, Niederlagen und Erfolge Die Frauenbewegung in Karlsruhe Der 1. Januar des Jahres 1900 fiel auf einen Montag. Durch einen Beschluss des Bundes- rates galt dieser Tag als Beginn eines neuen Jahrhunderts. Ganz der Symbolik eines solchen Momentes entsprechend trat an diesem Tag das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft. Damit erhielt das deutsche Kaiserreich 29 Jah- re nach seiner Gründung ein reichseinheidi- ches Privatrecht. das seit 1809 geltende Badi- sche Landrecht verlor damit seine Gültigkeit. Bücgerliches Gesetzbucb 1900 Die Rückblicke auf das 19. Jahrhundert. wel- che in den Karlsruher Zeitungen am 30. oder 31. Dezember erschienen. klangen fast durch- weg hoffnungsfroh. Stolz blickte man auf das Erreichte zurück und nannte das verflossene Jahrhundert eines des wirtschaftlichen und sozialen FortschrittS. Das BGB. das schon 1896 beschlossen worden war. sollte das kom- mende Jahrhundert auch in diesem Sinne ein- läuten. Für die Frauen konnte das nur Anlass sein. sorgenvoll in die Zukunft zu blicken. denn dieses BGB war für die Frauenbewegung der damaligen Zeit eine Niederlage. Das nun geltende Ehe- und Familienrecht sprach der unverheirateten Frau ab 25 Jahren zwar die volle Rechtsfähigkeit zu. schrieb aber die Un- mündigkeit der Ehefrau. ihre rechtliche Unter- ordnung unter ihren Ehemann. fest. Nun wur- de endgültig deutlich. was es bedeutete. kein Wahlrecht zu haben und bei Gesetzgebungs- prozessen ausgeschlossen zu sein. Wie überall im Kaiserreich taten sich nun auch in Karlsru- he gebi ldete Frauen des Bürgertums zusam- men. um 1903 eine unentgeltliche Rechts- 62 auskunftsstelle für Frauen und Mädchen zu gründen. 1908 hatte die Karlsruher Einrich- tung 73 weibliche und 7 männliche Mitglie- der. Die Vorsitzende war Marie Rebmann. die Ehefrau des Oberschulrates und Vorsitzenden det Karlsruher Nationalliberalen Edmund Reb- mann. Die Karlsruher Rechtsauskunftsstelle kam in der Lindenschule. einer Mädchen- schule in der Kriegsstraße 44. unter. Sprech- stunde war jeden Dienstagabend von 19.00 bis 20.30 Uhr. Hier wurden Frauen über Ehe- verträge. Mündigkeits- und Vormundschafts- angelegenheiten sowie Fragen des Arbeits- rechts beraten. um nicht ganz ungeschützt der neuen Lage ausgesetzt zu sein. Kleidung, Sport, Frauenbildung Solche Eintichtungen entstanden überall in Deutschland. sie entwickelten sich zu Zentren der so genannten radikalen Frauenbewegung. welche die volle politische und gesellschaftli- che Gleichberechtigung forderte. Die Karlsru- herinnen arbeiteten eng mit dem schon seit 1897 bestehenden Verein Frauenbildung-Frau- enstudium und später mit dem 1906 gegrün- deten Verein für Frauenstimmrecht zusam- men. Gemeinsam organisierte man Vortrags- zyklen. An solchen Abenden gab es nach den Redebeiträgen häufig auch Vorführungen tur- nerischer Übungen und neuer Kleidermodel- le. Das diente nicht dem Amüsement. sondern war Ausdruck eines neuen Gesundheitsbe- wusstseins sowie des Bemühens, die Frauen aus dem gesundheitsschädlichen Korsett zu befreien und an das Turnen zur Muskelstär- kung zu gewöhnen. Dieses Anliegen fand in Emmy Schoch 1912. Karlsruhe auch von ärztlicher Seite Unterstüt- zung. 1901 war auf Betreiben des Frauenarz- tes Hermann Paull in Karlsruhe der Verein zur Verbesserung der Frauenkleidung gegründet worden. Man trat ein für eine neue, gesünde- te Form, Hir das so genannte Reformkleid, das u. a. im Modeatelier von Emmy Schoch ent- worfen und gefertigt wurde. Diese Kleider waren erst in zweiter Linie Ausdruck eines besonderen Modebewusstseins, vor allem soll- ten Frauen dadurch eine körperliche Bewe- gungsfreiheit erreichen. Nach dem Ersten Weltkrieg befreiten sich die Frauen endgültig von der einschnürenden Kleidung; unbequeme, die Bewegungsfreiheit einschränkende Kleidungsstücke wurden seit- dem zunehmend nur noch zu einem Problem des jeweils persönlichen Geschmacks. Die Teilnahme der Frauen am sportlichen Leben ist seit langem eine Selbstverständlich- keit. Schon 1927 lief die Karlsruherin Lina Betschauer bei den deutschen Meisterschaften in Breslau den Weltrekord über 800 m, im gleichen Jahr fand in Berlin das 1. Internatio- nale Frauensportfest auf deutschem Boden 63 statt. Auch die politischen Ziele der Radika- len, die zu Beginn des Jahrhunderts formuliert und, in weiren Teilen von den Sozialdemo- krarinnen ebenfalls verfolgt wurden, sind in- zwischen erreicht, obwohl es bis 1977 dauern sollte, bis im BGB die Gleichberechtigung der Ehefrau festgeschrieben wurde. Auf anderen Gebieten konnten die Frauen früher Erfolge verzeichnen. So wurde ihnen ab 1900 in Baden das Immatrikulationsrecht für Universitäten zugestanden, reichsweit erst ab 1908. Auf die Einhaltung von Arbeitsschutz- bestimmungen für Frauen und auf eine Ver- besserung der Arbeitsbedingungen der Arbei- terinnen achtete seit 1900 eine Fabrikinspek- torin. 1902 übernahm mit Marie Baum eine Frau das Amt, die noch in die Schweiz nach Zürich hatte gehen müssen, um studieren zu können. Stimmrecht fiir Frauen Seit 1910 waren die badischen Kommunen gesetzlich verpflichtet, Frauen in bestimmte Gemeinderatsausschüsse mit Stimmrecht auf- zunehmen. Die Karlsruher Stadtverwaltung begann schon in den 1870er Jahren mit Ver- treterinnen des Frauenvereins im Bereich der Armenpflege zusammenzuarbeiten. Das waren erste Schritte zur politischen Gleichberechti- gung, die allerdings erst nach der November- revolution 1918 erreicht wurde. Noch im Sommer 1918 hatte sich in der Zweiten Kam- mer des Karlsruher Ständehauses keine Mehr- heit für das Frauenwahlrecht gefunden. Dass dies reichsweit wenige Monate später durchge- setzt wurde, war vor allem ein Verdienst der SPD, die als einzige Partei vor dem Ersten Weltkrieg die politische Gleichberechtigung der Frauen in ihr Programm aufgenommen hatte. Am 5. Januar 1919 durften Frauen erstmals in Baden an die Wahlurnen treten, um die badische Nationalversammlung zu Um 1900 wurde das Radfahren zum Ausdruck der Bewegungsfreiheit. Hier ein Karlsruher Radfahrvercin mir Radfahrerinnen um 1900. wählen. Zwei Karlsruherinnen - Clara Siebert und Kunigunde Fischer - zogen in die badi- sche Nationalversammlung im Karlsruher Ständehaus. Beide waren schon lange vor dem Ersten Weltkrieg in der Frauenbewegung ak- tiv. Fischer bei den Sozialdemokratinnen. Sie- bert im katholischen Frauenbund. Clara Sie- bert wurde gegen Ende der Weimarer Repub- lik für kurze Zeit Reichstagsabgeordnete. Ku- nigunde Fischer war auch unter den ersten drei Karlsruher Stadträtinnen. Diese Entwick- lung wurde 1933 von den Nationalsozialisten abrupt beendet. Der Neubeginn auf der poli- tischen Bühne nach 1945 gestaltete sich auch in Karlsruhe schwierig und ist in der Publika- tion des Karlsruher Stadtarchivs. "Karlsruher Frauen 1715-1945" sehr genau nachzulesen. 64 Heute. im Jahre 1999 sind unter den 48 Ge- meinderäten 17 Frauen. Neue Wege seit 1949 Eines jedoch zeigte das 20. Jahrhundert mit seinen Einbrüchen 1933 bis 1945 sehr deut- lich: Es bedurfte einer rechtlichen Festschrei- bung der vollen Gleichberechtigung der Frau- en. um sie auch auf Dauer zu gewährleisten. Das wurde 1949 mit dem Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes erreicht. Dass dies auch umge- setzt wurde, ist nicht zuletzt ein Verdienst des Bundesverfassungsgerichts. das seit 1951 in Karlsruhe residiert und seit einigen Jahren mit seiner Präsidentin Jutta Limbach eine Frau an der Spitze hat. Erst der Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes ließ es zu. das BGB von 1900 so umzuschrei- ben. dass den Frauen die vollen Menschen- rechte auch in der Ehe zugestanden wurden. Dass sich die Politik veranlasst sah. die Gesetze dem Grundgesetzauftrag anzupassen, ist ganz wesentlich ein Erfolg der so genannten Zwei- ten Frauenbewegung. die seit den 1970er Jah- ren Themen wie das der Gewalt gegen Frauen aufgriff. die zur Jahrhundertwende noch eher als privat galten. Auch in Karlsruhe gibt es seit 1982 ein Frauenhaus. das vom Verein zum Schutz misshandelter Frauen und deren Kin- der getragen wird. Einer ähnlichen Aufgabe nimmt sich in Karlsruhe das Frauen- und Kin- derschutzhaus Sc. Antonius an. dessen Ge- schiehte 1908 zunächst als Zufluchtsheim für gefallene Mädchen. die damals gesellschaftlich geächtet waren. begann. Das alles sind nur einige Aspekte des langen Weges der Frauen in die zumindest gesetzliche Gleichberechtigung. dessen Ende am 1. Januar 1900 nicht abzuse- hen war. SUSANNE ASCHE Häuser der Stadtgeschichte 1900 - 2000 Als vor 100 Jahren in den Karlsruher Tageszei- tungen darüber debattiert wurde, ob nun am 1. Januar 1900 das neue Jahrhundert beginne oder erst ein Jahr später. gab es in Karlsruhe seit 15 Jahren ein Stadtarchiv. das diese Zei- tungen archivierte und sie bis heute der stadt- geschichtlieh interessierten Öffentlichkeit - inzwischen allerdings über Mikrofilm - zur Verfügung stellt. Das Stadtarchiv hatte seit seiner Gründung im Jahr 1885 eine positive n; -~: Im ehemal igen Wasserwerksgebäude, Ganenstraße 53 , war das Sradrarchiv von 18 96 bis 1923 untergebracht. 65 Entwicklung hinter sich. Am 10. Juli 1885 war das Orcsstatut über die Verwaltung des Städtischen Archivs erlassen und die Bildung einer sieben köpfigen Archivkommission be- schlossen worden. Ausgangspunkt dieser Gründung war die Erkenntnis, dass viele an- dere badische Städte .. Geschichtsschreiber ge- funden haben und die größeren und älteren unter ihnen wohlgeordnere Archive besitzen", Karlsruhe jedoch sich .. bis jetzt weder des ei- nen noch des anderen rühmen" könne, wie es im Orcsstatut heißt. Diese Gründung eines eigenen Stadtarchivs entsprach durchaus dem zeitgenössischen Selbstverständnis des Bürger- tums. das sich auch in seinem Städtebau durch den Historismus eine Geschichte zu geben trachtete. Die noch junge Geschichtswissen- schaft harre auch die Städte erreicht. Erstes eigenes Haus Seit Ende des Jahres 1896 verfügte das Stadt- arehiv. das bis dahin im Rathaus sehr beengt untergebracht war. sogar in dem ehemaligen für Archivzwecke umgebauten Wasserwerkge- bäude in der Ganenstraße über ein eigenes Archivgebäude, in dem es auch Räumlichkei- ten für kleine Ausstellungen gab. Don hatte das Stadtarchiv vom 21. November 1898 bis zum 23. Juli 1899 eine Ausstellung gezeigt, die man nicht so ohne weiteres in der nationalli- beral geprägten badischen Haupt- und Resi- denzstadt erwattet hätte. Obwohl die Natio- nalliberale Pattei in der Presse und auch im badischen Landtag im Ständehaus heftig ge- gen das Gedenken an die fünfzig Jahre ZUVOt gescheitene Revolution von 1848/49 agitier- te, präsemiene das Stadtarchiv Karlsruhe eine Ausstellung mit Bildern, Flugblättern, Akten- stücken und anderen Gedenkgegenständen aus den Revolutionsjahren 1848 und 1849. Erstaunlicherweise gab es darüber weder stadt- imern noch in der Presse eine Auseinanderset- zung. Es war also offensichtlich selbstverständ- lich, dass das Stadtarchiv eine solche Ausstel- lung aus seinen Beständen zeigte. Die Ausstel- lung wurde während 69 Öffnungstagen von 820 Personen besucht. Rechnet man diese Zahl auf die heutige Einwohnerschalt hoch, so wären dies rund 2.500 Besucher. Angesichts der nicht gerade zemralen Lage des Archivs, der sehr eingeschränkten Öffnungszeiten von zehn Wochenstunden und der geringen Wer- bemöglichkeiten war dies eine durchaus pas- sable Resonanz. Der "Badische Landesbote" hatte diese Ausstellung in einer Notiz ange- kündigt und hervotgehoben, dass viele von mehreren hundert "Ponräts, Schlachtenbil- dern, Plänen, Karikaturen, Flugblättern" und zwar gerade, die wertvollsten "ursprünglich in Privatbesitz waten und erst in den letzten Jah- ren durch die Liberalität der Eigemhümer in den Besitz der städtischen Sammlungen ge- kommen sind, wodurch sie erst der Allge- meinheit zugänglich gemacht und in vielen Fällen sicherlich auch vor dem gewissen Un- tergang bewahn geblieben sind." Der Journa- list nenm damit die auch heute noch in vollem 66 Umfang gültigen Argumente für eine Abliefe- rung historischer Unterlagen an öffentliche Archive. Die don verwahnen Archivalien sind allgemein zugänglich und werden dauernd und sicher aufbewahn. Wären nicht im Zwei- ten Weltkrieg etliche Verluste zu beklagen ge- wesen, so würde dies auch für zwei besonders interessante Stücke, zutreffen, die heute als verloren gelten müssen: zwei preußische Ka- nonenkugeln aus dem Jahr 1849. Eine dieser preußischen Kanonenkugeln hatte das Archiv im Jahr 1891 von dem Priva- tier Spitzmüller erhalten. "Auf der Kugel selber befindet sich von der Hand des Schenkgebers auf einem Zettel folgende Notiz: Diese Kugel ist am 25.6.1849 von Preußischer Artillerie vom Alleehaus, Durlacher Allee, nach Karlsru- he geschossen, beschädigte links Pappelbäu- me, bekam Richtung nach rechts durch[s] Durlachenhor, prallte an dem 4. Pfeiler des Zeughausgebäudes ab und rollte in langsamer Bewegung der Dragonerkaserne zu, und [ich] nahm sie in laufender Bewegung in Empfang. Spitzmüller 25.17.1849 Zeughaus-Rüstmeis- ter." Beide Kugeln befinden sich heute nicht mehr in städtischem Besitz, ohne dass über deren Verbleib Genaueres ermittelt werden könnte. Es bleibt nur die Vermutung, dass sie im Zuge der Auslagerung der stadtgeschicht- lichen Sammlungen nach Rastatt verloren ge- gangen sind, als auch etliche andere Objekte und Archivalien abhanden kamen. "Stadtgeschichte" um 1900 Dafür, dass die Stadtgeschichte um die Jahr- hundertwende Konjunktur hatte und nicht nur über Ausstellungen präsentiert wurde, spricht auch, dass zu dieser Zeit die dreibändi- ge Karlsruher Stadtgeschichte von Friedrich von Weech erschien und im Jahr 1900 der 16. Jahresband der Chronik der Haupt- und Re- sidenzstadt Karlsruhe vorlag. &ir 1924 residiert das Pfinz.gaumu~um in der Karlsburg. In der Begründung des Ortstatuts von 1885 war bereits angekündigt worden, dass man we- gen der Herausgabe einer neuen Gesamtstadt- geschichte "mit einer Persönlichkeit, von der eine gediegene Arbeit erwartet werden muß, bereits Vereinbarung getroffen" hatte. Man war sich auch sicher, dass die Publikation, die in mehreren Teilen veröffentlicht werden sollte, auf eine positive Resonanz stoßen werde, denn: "Das Interesse, welches einzelne von hiesigen Zeitungen und auch vom Adresskalender ver- öffentlichte Mittheilungen aus der Vergangen- heit Karlsruhes erweckt haben, berechtigt zur Hoffuung, dass auch eine zusammenhängende Geschichte der Stadt günstig aufgenommen wer- den wird." Der Direkror des badischen Gene- rallandesarchivs Friedrich von Weech erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen: Das Werk, das von 1895 bis 1904 in drei Bänden erschien, war "gediegen" und stieß auf das erhoffte Interesse. Stadtmuseum - Pfinzgaumuseum Zu dieser Zeit waren die "Stadtgeschichtlichen Sammlungen", die nach der Gründung des Stadtarchivs zunächst unter der Rubrik "Ge- denkgegenstände" geführt wurden, eine eige- 67 ne Abteilung des Stadtarchivs. Im Archivgebäude wurde 1911 auch das so genannte Bilder- zimmer eingerichtet, ein be~ scheidener erster Anfang einer stadtgeschichtlichen Daueraus- stellung. Die Verbindung von Stadtarchiv und Stadtgeschicht- lichen Sammlungen - heute das Stadtmuseum - hat in Karlsru- he also eine mehr als einhun- dertjährige Tradition . 1938 kam das von Friedrich Eberle gegründete pfinzgaumuseum mit der Eingemeindung von Durlach hinzu, das 1924 nach einer längeren Vorbereitungszeit im Prinzes- sinnenbau der Karlsburg eröffnet worden war. Die Bestände des Stadtarchivs und der Stadt- geschichtlichen Sammlungen beschränkten sich in erster Linie auf das Sammlungsgut, vor allem auf die umfangreichen Plan- und Bilder- bestände. Die stadtgeschichtlich bedeutsamen Unterlagen aus der Stadtverwaltung wie Ak- ten, Amtsbücher und Urkunden kamen erst später nach und nach ins Archiv und wurden lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt. Archiv als gesetzlicher Auftrag Dies hat sich inzwischen grundlegend geän- dert. Generell ist die Arbeit der öffentlichen Archive inzwischen als gesetzlicher Auftrag in den Landesarchivgesetzen vorgeschrieben und geregelt. Die als Satzung erlassene Archivord- nung der Stadr Karlsruhe verankert das Stadt- archiv darüber hinaus als die für die stadtge- schichtliche Arbeit zuständige Dienststelle. Außerdem regelt sie die Benutzung des Ar- chivs durch die Offentlichkeit. Über eine Dienstanweisung sind alle städtischen Dienst- stellen angewiesen, die nicht mehr benötigten Unterlagen dem Archiv zur Archivierung anzu- Seit 1990 ist die ehemalige Pfandleihe, Markgrafenstraße 29, das Domizil des Stadtarchivs. bieten. Diese gesetzlichen Rahmenbedingun- gen sichern die Arbeit des Archivs natürlich in einem weit höheren Maße als dies vor 100 Jah- ren das "Ortsstatut über die Verwaltung des Städtischen Archivs" allein konnte. Dennoch ist die Stellung eines Archivs immer auch von der Qualität der angebotenen Dienstleistun- gen für Verwaltung und Öffentlichkeit abhän- gig. Der heute erreichte Stand kurz vor der Jahrtausendwende ist eine gute Ausgangsbasis dafür, dass die Stadtgeschichte auch im neuen Jahrtausend weiterhin ihren Stellenwert behält. Stadtarchiv in der Pfandleihe Das Stadtarchiv verfügt über ein nach moder- nen Erkenntnissen umgebautes Gebäude, die ehemalige städtische Pfandleihe in der Mark- grafenstraße. Hier wird seit 1990 die Stadtge- schichte gesichert, erforscht und die Ergebnis- 68 se der Forschungsarbeit auf vielfalrige Weise vermittelt. Die inzwischen auf fast vier Regal- kilometer angewachsenen Bestände des Stadt- archivs umfassen nun auch schwerpunktmä- ßig das Schriftgut der Stadtverwaltung, das über ausführliche Findmittel zugänglich ist und im modernen Lesesaal des Stadtarchivs eingesehen werden kann. Beratung und Infor- mationsservice gehören zum selbstverständli- chen und vielgenutzten Angebot für stadtin- terne und externe Nutzer und Nutzerinnen. Den Wandel der archivischen Tätigkeit doku- mentieren auch moderne Hilfsmittel, an die vor 100 Jahren noch keiner dachte. Teilklima- tisierte Magazine mit Fahrregalanlagen, Ko- piergerät, Mikrofilmlesegerät und vor allem die pes erleichtern die Arbeit im Archiv. Dabei steht diese Technisierung der Archivar- beit erst am Beginn, da künftig in weit höhe- rem Maße als bisher maschinenlesbare Daten mit allen damit verbundenen Problemen der dauerhaften Archivierung von den Ämtern an das Archiv geliefert werden. Neben den nach wie vor vorhandenen Problemen bei der Kon- servierung und Restaurierung gefährdeter Ar- chivalien wird dies die Herausforderung der nächsten Jahre sein, der sich das Stadtarchiv wie alle anderen Archive stellen muss. Neue Medien So wie Archive mit neuen Medien bei der Übernahme der in den Verwaltungen produ- zierten Informationsträger konfrontiert wer- den und die anstehenden neuen Aufgaben bewältigen müssen, so müssen sie sich auch mit neuen Medien bei der Vermittlung von Stadtgeschichte befassen. Internet und Multi- media sind hier nur zwei Stichworte. Eine Multimediaanwendung hat das Stadtarchiv Karlsruhe bereits vor sechs Jahren in der "Er- innerungsstätte Ständehaus "erarbeitet, mit der die Geschichte des badischen Landtages Das Scadrmuseum öffnet im Sommer auch den Balkon des Prinz-Max-Palais. präsentiert wird. Im Internet ist das Stadtar- chiv derzeit mit Informationen über seine Dienstleistungen und Veröffentlichungen ver- treten. Angebote dieser Art, die zudem die gezielte Präsentation vor Archivalien und die Einbindung der Bestandsübersicht des Stadt- arehivs umfassen sollen, werden auch künftig gefragt sein und werden deshalb zu einem fes- ten Aufgabenfeld. Diese Stichworte stehen dafür, dass sich die stadtgeschichtliche Arbeit des Stadtarchivs insgesamt gewandelt hat und auch in weit höherem Maße als 100 Jahre zuvor fester Bestandteil des kulturellen Ange- bots ist, wie zahlreiche Ausstellungen, Publika- tionen, Vorträge und Führungen belegen. Neue "Stadtgeschichte" öffentlicht. Die Zahl der Publikationen in den beiden Reihen des Stadtarchivs "Veröffentli- chungen des KarIsruher Stadtarchivs" und "Forschungen und Quellen zur Stadtgeschich- te" ist inzwischen auf über 25 gewachsen. Selbstverständlich wurden auch Themen auf- gegriffen, über die sich Friedrich von Weech vor 100 Jahren möglicherweise gewundert hätte, die heute auf Grund anderer, moderner Fragestellungen an die Geschichte aber zum festen Repertoire stadtgeschichtlicher For- schung gehören. Damals hätte man wohl kaum ein Buch über die Industriearchitektur in KarIsruhe oder über die Fastnacht geschrie- ben oder herausgegeben. Auch die Geschich- te der Frauen hätte möglicherweise bei der damaligen ausschließlich männlichen Histori- kerzunft einige Verwunderung erregt, obwohl es bereits im 19. Jahrhundert erste Ansätze einer Frauengeschichtsschreibung gab. Viele dieser Buchprojekte waren mit Ausstellungen des Stadtmuseums im Prinz-Max-Palais ver- bunden. Seit dem 1. Dezember 1998 ist die vor 100 Jahren bestehende enge organisatori- sche Verbindung zwischen Stadtarchiv und den 'historischen Museen wieder hergestellt. Stadtarchiv - Pfinzgaumuseum - Stadtmuse- um nehmen den Aufgabenbereich Stadtge- schichte gemeinsam wahr, das Stadtarchiv seit 1990 in der Markgrafenstraße, das Pfinzgau- museum in der KarIsburg in DurIach mit ei- ner 1994 neu konzipierten ständigen Ausstel- lung über die Geschichte DurIachs und das Stadtmuseum seit 1981 im Prinz-Max-Palais in der KarIstraße 10, mit der 1998 auf einer stark vergrößerten Ausstellungsfläche präsen- tierten Dauerausstellung "Eine Vision und ihre Geschichte. In allen drei Häusern wird weiterhin die historische Überlieferung ge- sichert und die Geschichte der Stadt KarIsru- he und ihrer Stadtteile vermittelt und präsen- 1998 hat das Stadtarchiv eine moderne, knapp tiert. 800 Seiten starke, Gesamtstadtgeschichte ver- ERNST QTTQ BRÄUNCH E 69 Landwirtschaft in und um Karlsruhe Mit Generaldekret erklärte Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach 1783 die Bau- ern für leibesfrei. Bis zur endgülrigen Ablö- sung der Abgaben, die aus der Leibeigenschaft resulrierten, dauerte es jedoch: 1820 der so ge- nannten Herrenfrohn, 1833 der Zehnte, nach 1848 die letzten grundherrlichen Rechte. Die Weichen für die Entwicklung eines bodenver- bundenen und leistungsfähigen Bauerntums waren gestellt. Nur die Rahmenbedingungen in Baden und gleichermaßen im Karlsruher Raum waren denkbar ungünstig. Der bäuerliche Bildungs.tand Rund 70% der Bevölkerung gingen um 1850 einer landwirtschaftlichen Tätigkeit nach. Der Bildungsstand war jedoch höchst unbefriedi- gend. Nur langsam wurden die Lehren der sich entwickelnden Agrikultur umgesetzt (u. a. Albrecht Thaer 1752-1828, Humustheorie, Fruchtwechsel statt 3-Felderwirtschaft; Justus von Liebig, Theorie der Mineraldüngung) . Der gemeine Landwirt, der Bauer, blieb seiner altväterlichen Tradition verhaftet. Die schlech- te Versorgung der Bevölkerung mit Grund- nahrungsmitteln gipfelte in Missernten und in Hungersnöten um 181611817und 1846/1847 (Kraut- und Knollenseuche, sog. Kartoffel- seuche). Die Errichtung einer landwirtschaftlichen Gartenbauschule mit Angliederung einer pri- vaten landwirtschaftlichen Winterschule durch Freiherrn August von Babo brachte 1851 den entscheidenden Schritt zur besseren Berufs- ausbildung des Bauern im Karlsruher Raum. Die Schule wurde inmitten eines landwirt- schaftlichen Areals an der Rüppurrer Straße, etwa auf dem Gelände des früheren Arbeits- 70 amtes, erstellt. Am gleichen Ort wurden so- dann 1860 eine Obstbauschule und 1864 die großherzogliehe Winterschule eingerichtet. Wegen Flächenkonkurrenz zur Stadt wurde die Schule 1893/1894 auf den Augustenberg verlegt. Das Musrergur, den heurigen Obst- bau-, Lehr- und Versuchs betrieb, hatte unter- dessen der badische Staat erworben. Durch die Verbindung von Theorie und Praxis wirkte der Augustenberg außerordentlich positiv auf die Weiterentwicklung der Landwirtschaft im ge- samten nordbadischen Raum. Ab Mitre des 19. Jahrhunderts besserte sich die wirtschaft- liche Lage und damit auch die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Gerade im Karlsruher Raum brachte die aufstrebende Industrie Kaufkraft, Nachfrage und damit Absatz der durch neue Erkenntnisse produ- zierten größeren Mengen. Landschaftliche Gegebenheiten Die natürlichen Verhältnisse bieten dem land- wirt nicht nur gute Voraussetzungen, z. B. die nur kleinen Inseln der Dorfmarkungen der heutigen Bergdörfer (Waldhufen), die sump- figen, teilweise moorigen Gebiete des ehema- ligen Kinzig-Murgbettes entlang des Gebirgs- randes. Hier konnte erst nach großzügigen Entwässerungsprojekten, z. B. dem Malseher Landgraben, der pfinz-Saalbachkorrektion - Zeitgeist der 50er Jahre - eine geordnete land- wirtschaft betrieben werden. Die kargen Sand- böden auf der Hardr, z. B. in Rheinstetten, Neureut, Eggenstein, Leopoldshafen oder die vor der Rheinkorrektur durch Hochwasser srark gefährdere Rheinniederung, bilden eben- falls keine günstigen Voraussetzungen. Erst in jüngster Zeit wurden die uralten Formen der Almende, d. h. des Gemeinschafrslandes abge- löst, die das Risiko z. B. von Überschwem- mungen auf viele Schultern verteilen sollte. Die fruchtbaren Lössflächen etwa nördlich der Linie Langensteinbach-EttIingen im Kraich- gaugebiet seien andererseits ebenso wenig ver- kannt wie die hervorragenden, klimatischen Verhältnisse, die den Anbau einer Vielzahl von Acker- und Sonderkulturen zulassen. Zu Recht spricht man vom Obst- und Gemüsegarten Baden oder vom Frischgemüseanbaugebiet Durlach-Aue für Karlsruhe. K1einstbesitz und K1einstbetriebe Baden ist das Land des Kleinstbesitzes und der Zwerg- und Parzellenwirrschaften. Für den Raum Karlsruhe trifft dies, mit Ausnahme weniger Gutshöfe, ausgeprägt zu. Zersplitter- ter Besitz war über Jahrhunderte hinweg eine große Bürde für die Produktion. Ursache ist die Realteilung: Der landwirtschaftliche Besitz wurde über Generationen hinweg in der Erb- folge aufgeteilt, die Grundstücke wurden klei- ner und kleiner, die Flurstruktur unübersicht- lich, die Bewirtschaftung äußerst erschwert: 10 ar Durchschnittsgröße der Parzellen, in Neureut auf der Niederterrasse z. B. weniger als 8 ar als typisch lange .Handtücher". Dung. Saatgut und Ernte mussten getragen werden, sofern Wege oder Überfahrtsrechte nicht vor- handen. Wenige Feldbereinigungen im letzten Jahrhundert schafften vereinzelt Abhilfe. Nicht nur Felder, auch die Hofreiten wur- den geteilt. Die Lebens- und Arbeitsbedingun- gen in den nGemeinschaftshöfen .waren z. T. katastrophal: mehrere Ställe, Stroh und Heu an verschiedenen Plätzen, mit dem Wagen kaum Wende möglichkeiten, oftmals Srock- werkseigentum wie bei einer modernen Eigen- tumswohnung, die Dungstätte an der Straße. Mehr als 80 % der Betriebe bewirtschafte- ten weniger als 2 ha Fläche. Eine Untersu- 71 chung von 1904 ergibt, dass in 17 Landge- meinden bei Karlsruhe die durchschnittliche Betriebsgröße 67 ar beträgt. Zwischen 1882 und 1907 hat sich die Zahl der landwirtschaft- lichen Klein- und K1einstbetriebe bis 1 ha in Baden sogar um 30.000 erhöht. Ursache war das Wachstum der Kommunen, deren Flä- chenbedarf und der zunehmende Nebener- werb der Landwirte als Industriearbeiter. Die Nebenerwerbslandwirtschaft hatte Blütezeit: Die Männer gingen in die Industrie oder ver- richteten Lohnarbeiten wie z. B. Transporte. Frauen, Kinder und Alte bewirtschafteten mü- hevoll den Landbesitz, um den kargen Lohn aufzustocken. Die Kleinstbetriebe dominier- ten auch noch 1950 im alten Stadt- und land- kreis Karlsruhe: In rund 10.000 Betrieben mit Milchviehhaltung werden 15.000 Kühe ver- sorgt, d. h., im Durchschnitt 1,5 Milchkühe je Betrieb. 16.400 Schweinehalter hielten zur gleichen Zeit im Durchschnitt gar nur 1.43 Tiere. Landwirtschaftliche Produktion zur Selbstversorgung! Dieses Arbeiterbauerntum gab aber der Sozialstruktur ein stabiles Funda- ment, der weitgestreute Grundbesitz befindet sich ganz überwiegend in Bauernhand. Deshalb sind in unserem Raum auch nur wenige Hofgüter vorhanden, z. B. Hohenwet- tersbach, das 1706 auf der Markung des da- mals nicht mehr lebensfähigen Dorfes ent- stand. Ebenfalls im 18. Jahrhundert wurden der Batzenhof und der Lamprechtshof auf Ödgelände gegründet. Werabronn zwischen Durlach und Weingarten war eine alte Müh- le und Kurpfälzer Grenzstation. Der Thomas- hof ist aus einer privaten Rodung hervorge- gangen, Hofgut Scheibenhardt ist eine Klos- tergründung. Der Ritrnerthof. Stutensee und Maxau sind fürstliche Gründungen. Das Stadtgut Durlach im Bogen der Umgehungs- straße BIO entstand erst 1917 mit der Maßga- be, während des Krieges Milch für Kinder zu produzieren. Nachkriegszeit: Wandel der Betriebsstruktur Der Wandel der Betriebssrruktur nahm im Raum Karlsruhe eine nicht vorstellbare Ent- wicklung, einmalig im Deutschland der Nach- kriegszeit. Von den 1950 im alten Stadt- und Landkreis vorhandenen rd. 15.000 Betrieben über 0,5 ha existieren heute kaum noch 5 %. In der Stadt Karlsruhe mit seinen Ortsteilen ging diese Zahl von ca. 2.700 auf erwa 130 zurück. Dafür steigt die bewirtschaftete Fläche je Betrieb enorm; die Konkurrenz um das immer knapper werdende Land im Verdich- tungsraum Karlsruhe ist erheblich, der Bedarf der Stadt nach wie vor groß. In den engen, verbauten Hofreiten war der Betrieb einer modernen Landwirtschaft mit Großtierhal- tung praktisch unmöglich. Die Aussiedlung zahlreicher Betriebe, also die Verlegung der Wohn- und Wirtschaftsgebäude in die Flur, war deshalb ein öffentliches Anliegen. Für Be- triebsleiter mit Mut und unternehmerischer Leistung bedeutete dies meist die einzige Chance, den Beruf als Landwirt oder Gärtner weiterzuführen. Allein 45 Betriebe beschritten diesen Weg seit 1952 auf Karlsruher Gemar- kung. Sie stellen heute den Kern der Bewirt- schafter dar. Durch die Aussiedlungstätigkeit profitier- ten auch die engen Ortslagen: landwirtschaft- licher Verkehr wurde in die Flur verlegt, Emis- sionen vermieden, und für den Gemeinbedarf konnte Platz geschaffen werden. Aber auch manche Aussiedlung blieb von dem wirt- schaftlichen Zwang, aufhören zu müssen, nicht verschont. In der Kernstadt und in je- dem zweiten Ortsteil sind heute keine haupt- beruflichen Landwirte mehr tätig. ' Nur wenige Betriebe halten noch Milch- vieh, in vielen Ortsteilen und Landgemeinden ist die Milchkuh nicht mehr vorhanden; ähn- lich war die Enrwicklung bei Schweinen und 72 Hühnern. Anders die Pferdehaltung: Hier wurde der Bestand der Nachkriegszeit - das Pferd war vor allem Arbeitstier - nach einem Tiefstand in den 60er Jahren wieder erreicht. Heute dient der Reitsport zur Freizeitgestal- tung! Mit dem Strukturwandel ging eine nie er- wartete Leistungssteigerung auf der Fläche und bei den Nutztieren einher. Gab eine Milchkuh um 1840 gerade 1.000 I Milch, um 1940 2.500 I, so liegt der Leistungsdurch- schnitt in guten Ställen heute bei 7.000 bis 8.000 I Milch je Milchkuh. Die Getreideerträ- ge lagen Mitte des letzten Jahrhunderts um 7 bis \0 dzlha, das 2- bis 3-fache der Aussaat. Um 1950 wurden 28 dz, heute rd. 70 dz, mit Spitzenwerten über 100 dz geerntet, und der biologischftechnische Fortschritt geht weiter. Ursache für den gewaltigen Strukturwan- del nach 1950 war vor allem die Preiskosten- situation und die gleichzeitige Chance, Ar- beitsplätze außerhalb der Landwirtschaft zu erhalten. Die K1einststruktur als Folge der Realteilung gab der Enrwicklung darüber hi- naus Vorschub. Nach recht guten Preisen in der Mangelwirtschaft der Nachkriegszeit kam es immer mehr zum Überangebot landwirt- schaftlicher Produkte. Die Marktordnungen der EU garantierten 1958 bis 1990 wohl Festpreise, aber zu nied- rig, um mit kleinen Einheiten existieren zu können. Mit der Reform der Agrarpolitik um 1990 wurden die Preise heruntergefahren, der Betrieb erhält zwar Ausgleichsleistungen, das Gesamteinkommen bleibt jedoch niedrig. Der Verbraucher hat dagegen von den niedrigen landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen in ho- hem Maße profitiert. Ein Ei kostet heute z. B. gerade so viel wie 1950, der Anteil der land- wirtschaft an einem Brötchen beträgt 2 bis 3 Pfennige. Ausblick Auch in unserem Raum wird sich der Srrukturwandel fort- setzen. Viele Betriebe haben keinen Hofnachfolger. die wirt- schaftliche Situation ist oft kri- tisch. die hohe Arbeitsbelastung bei einem Zuerwerb außerhalb der Landwirtschaft ist sozial kaum noch haltbar. Auch die viel gepriesene Direkrvermark- tung - Einkauf auf dem Bau- ernhof - bietet nur wenigen Betrieben eine Chance. Dem Verbraucher sei freilich emp- fohlen . kontrolliert erzeugte Panellierung der Flur als Folge der Reaheilung. Lebensmittel ftisch vom Bauernhof zu kaufen. Die Betriebe werden in der Fläche weiter wachsen und/oder den Gemüse- und Sonder- kulturanbau ausbauen. Die Tierhaltung geht weiter zurück. Das ausgeprägte Bewusstsein unserer Landwirte, umweltgerecht zu produ- zieren. wird dabei von der Bevölkerung zuneh- mend erkannt. Vor allem an der Erhaltung un- serer schönen Landschaft mit dem Wechsel zwischen Flur und Wald. der Vielfalt der Ackerkulturen und den prägenden Wiesen- landschaften bei einem hohen Freizeit und Er- holungswert. wird unsere Landwirtschaft wei- terhin maßgeblich beteiligt sein. ARNULF BEEG Vom Sport an der Fridericiana ,,2000 feiert die Fridericiana - so seit 1902 benannt- ihr 1 75-jähriges Bestehen. 1825 als Polytechnikum gegründet. wurde sie 1885 zur Technischen Hochschule erweitert. 1967 zur Universität deklariert. Naturwissenschaft und Technik standen von jeher im Mittelpunkt ihrer Entwicklung. In den folgenden Ausga- ben des "Blick in die Geschichte" sollen aber auch andere Fächer beleuchtet werden. nicht zuletzt der Sport. dem hier die Zusammenfas- sung einer aufschlussreichen Examensarbeit gewidmet ist." 73 "Für jeden Leiter eines großen industriel- len Unternehmens sind bei einem Manne er- höhte Garantien für weitgehende und beson- ders geartete Verwendbarkeit gegeben. Da ein solcher Mann. der neben dem Nachweis guter wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse auch körperliche Frische und Gewandtheit aufweist, gelernt hat, seinen Körper sachge- mäß gesund zu erhalten. wird er nicht so leicht wie ein anderer unter der Last großer Anforde- rungen zusammenbrechen; er wird z. B. auch in Großbetrieben unvorhergesehenen Ereig- nissen gegenüber (Naturereignisse. Unfälle. Streiks usw.) leichter und besser seinen Mann stellen als die fleißige Nur-Arbeitsbiene und der unbeholfene Bücherwurm." Mit etwas an- deren Worten und unter Einbeziehung von Frauen könnte heute auch ein Trainee-Ausbil- der so formulieren. was der ehemalige Rektor Dr. Wilhelm Paulcke 1930 im Hochschulfüh- rer der TH Karlsruhe schrieb. Der Sport und die Sportwissenschaft an der Fridericiana muss- ten aber einen langen Weg zurücklegen. bis sie im heutigen Institut ihren Platz gefunden ha- ben. Die Anfänge Vor 1914 überließen es die Hochschulleitun- gen den Studenten. wie sie Sport treiben soll- ten. Immerhin veranstaltete man schon 1906 an der Universität Leipzig ein "deutsch-akade- mischesTurn- und Rasensportfest". Der 1911 gegründete • .Akademische Bund für Leibesü- bungen" sollte sich für den Bau von Übungs- stätten an deutschen Hochschulen einsetzen. Nach 1918 erhielt diese Entwicklung neue Impulse. denn neben die hygienische Zielset- zung trat eine nationale Komponente. Die körperliche Erziehung sollte eine Ersatzfunk- tion für die nach dem verlorenen Weltkrieg verbotene allgemeine Wehrpflicht überneh- men. Beim Ersten und Zweiten Studententag 1919/20 wurde die Einführung von pflichtge- mäßen Leibesübungen für alle Studenten be- schlossen. was freilich auf Widerstand stieß. An der TH Karlsruhe bestand schon 1890 ein T urnplarz im Fasanengarren, und das zustän- dige Ministerium erklärte sich 1900 einver- standen, .. dass der Turnunrerricht wie bisher so auch künftig .. . honorarfrei erteilt wird." 1913 wurde Professor Paulcke. einem Pionier des Skilaufs. erlaubt. an den "akademischen Ausschüssen für Leibesübungen" in Leipzig teilzunehmen. Seit 1919 Rektor. serzte er sich 74 intensiv für drei geplante Sportplätze und die Anstellung zweier Sportlehrer für einen regel- mäßigen Sportbetrieb ein. Die Ägide Twele Als Sportlehrer war ab 1921 August Twele tä- tig. geboren 1896. einer der ersten Absolven- ten der 1920 gegründeten Deutschen Hoch- schule für Leibesübungen in Berlin. mit dem Rektor Paulcke einen tatkräftigen Initiator fand. Wenn auch ein pflichtgemäßer Sport für alle Studenten nicht durchführbar war. ver- suchte man doch insofern einen moralischen Druck auszuüben. als man 1922 einen Erlass des Kultusministeriums erreichte, wonach in jedes Zeugnis ein Eintrag über Beteiligung oder Nichtbeteiligung an den Leibesübungen erfolgen müsse. Dieses "Karlsruher Modell" galt damals für viele Hochschulen als beispiel- haft. . Paulcke konnte bei der Finanznot am An- fang der Weimarer Republik erst 1927 ein Hochschulstadion realisieren nicht zuletzt mit Jubiläumsspenden zum hundertjährigen Be- stehen der TH 1925. Obwohl am Stadion noch vieles fehlte. wurde jetzt ein großes Leichtathletik-Sportfest samt Tennisturnier organisiert. 1930 wurden die baulichen Maß- nahmen. vor allem das freitragende Tribünen- dach. fertiggestellt. In diesen Jahren arbeitete Twele mit Unterstützung seines Rektors an der Errichtung eines "Instituts für Leibesübun- gen" (lfL). das schließlich im Mai 1931 eröff- net wurde und zu dessen Direktor man ihn ernannte. Während das IfL fachlich dem "Deutschen Akademischen Ausschuss für lei- besübungen" zugeordnet war, unterstand es dienstlich dem Rektor. Im Hochschulführer 1930/31 schrieb Twele über die Anlagen: "Den Kern bildet der Kampfplatz in den Aus- maßen von 100 x 65 m. umgeben von der 400 m langen und 7.50 m breiten Laufbahn. Der umgebende Wall bietet 8.000 Zuschauern Sichtmöglichkeiten ... Der Hauptbau im Sü- den (80 x 13 m) enthält eine Turn- und Gym- nastikhalle, Umkleideräume, Duschen und Plansch bad, Massage- und Boxraum, ferner Räume für die Verwaltung und die ärztliche Untersuchung. Dieser Bau ist gleichzeitig aus- gerüstet mit einer Zuschauertribüne mit 1.200 Sitzplätzen, überdeckt von einem 12m weit freitragenden stürzlosen Dach." Die NS-Zeit Nach der nationalsozialistischen Machtergrei- fung 1933 übernahmen die SA-Hochschul- ämter alle sportlichen Funktionen, wobei an vielen Hochschulen die reine wehrsportliehe Ausbildung dominierte. Nicht so in Karlsru- he, wo 1934 dem Institut seine urspüngliche Aufgabe wieder zurückgegeben wurde. Den- noch war die Einflußnahme des NS-Regimes erheblich, vor allem wurde das Stadiongelän- de für politische Großveranstaltungen genurzt. Ein riesiger Thingplarz war, vom Hochschul- stadion ausgehend, geplant, "der sich nach Norden öffnete, um in die gewaltige sich aus- dehnende Aufmarschbahn einbezogen zu wer- den", ein Unternehmen, das erfreulicherweise nicht zustande kam. Dazu erinnerte sich Au- gustTwele später: im Frühjahr 1935 habe ihm der badische Gauleiter Wagner eröffnet, dass das Institutsgelände vorläufig für den Bau ei- nes Zeltes mit 60.000 Sitzplätzen beschlag- nahmt sei. Hitler würde in Karlsruhe sprechen und ein anderes geeignetes Gebäude sei nicht vorhanden. Jeder Protest war selbstverständ- lich sinnlos. " ... Hitler saß also in meinem Arbeitszimmer und im Lorbeer geschmückten Schreibtischsessel. Ich hatte es abgelehnt, mich in eine SA- oder SS-Uniform stecken zu lassen und blieb in meinem Trainingsanzug als der mir gemäßen Uniform. Aber ich hatte Gele- genheit, dem "Führer" klarzumachen, dass die Gebäude schnellstens wieder für ihre eigentli- che Funktion hergerichtet werden müssen, da sofort die Vorbereitungsarbeiten für die Olym- pischen Spiele in Berlin in Trainingskursen aller Art beginnen müssen, für deren Durch- führung Karlsruhe bestimmt sei. Hitler rea- gierte auf das Zauberwort "Olympiade 1936", so dass bis 1937 das Stadion mit Großveran- staltungen verschont blieb und die Ausbildung als eine der wenigen Hochschulen den sportli- chen Schwerpunkt bis 1942 bewahren konnte. Neubeginn nach dem Kriegsende Bei Kriegsende war die Hochschule in vielen . Teilen ein Trümmerhaufen. Erst 1947 wurden die sportlichen Anlagen wieder genutzt, und 1948 übernahm der ehemalige Direktor Twele wieder die Leitung des Instituts, nachdem ihm bescheinigt worden war, "dass er ein entschie- dener Gegner des Wehrsportunterrichts" ge- wesen sei. Ab 1949 konnten Sportlehrer für Gymnasien ausgebildet werden, und der ame- rikanischen Besatzung wurde die Benutzung des Hochschulstadions unter der Versicherung abgerungen, dass Sportanlagen bei den Kaser- nen neu errichtet würden, ein Prozess, der sich bis 1953 hinzog. Nach Beseitigung der letzten Kriegsschä- den und Errichtung neuer Hallen erhöhte sich die Beteiligung der Studierenden an den Lei- besübungen sprunghaft. 1957/58 nahmen ca. 1.000 Studenten an Wettkämpfen teil, ein Erfolg für Twele, der 1962 nach 40-jähriger Tätigkeit vom neuen Institutsdirektor Dr. Bayer abgelöst wurde. Bayers Tätigkeit war zunächst durch ein fast fünfzehnjähriges Ringen um neue geeig- nete Sportanlagen gekennzeichnet. So erfreu- lich die Errichtung der Chemie-Türme für die Universität war, so forderte dies jedoch eine drastische Einschränkung für den Sport. Die alte Turnhalle im Tribünengebäude entsprach 75 Protc:stturncn dc:r Karlsruhc:r Sportstudentc:n am 11. Dc:zember 1971 in Srungarr. nicht mehr den Anforderungen. Schwimmen musste im Tulla-Bad stattfinden. die Sportge- räte litten unter unsachgemäßer Lagerung. die Bibliothek hatte keinen Leseraum. der Semi- narraum war ungeeignet. Rektor Rumpf dräng- te immer wieder das - finanziell - zögerliche Kultusministerium zum Handeln, zumal die Zahl der Sportstudierenden um 300 % gestie- gen und eine wissenschaftliche Forschung kaum möglich war. In einem Schreiben Juli 1968 hieß es: "Vier Jahre vor den Olympi- schen Spielen 1972 in München sieht sich das Instirut für Leibesübungen der Universität Karlsruhe einer Siruation gegenüber. die. be- dingt durch die völlige Zersplitterung der Sporteinrichtungen und Gebäude. einem funktionsgerechten Betrieb des Instituts ... auf die Dauer unmöglich macht. Eine so präkäre Situation ... kann für eine gewisse Übergangs- zeit ertragen und verkraftet werden. Auflänge- re Sicht gesehen. insbesondere im Hinblick 76 auf die in den letzten Semestern sprunghaft angestiegene Zahl der Sportstudenten und Stu- dentinnen ist dieser Zustand untragbar." 1971 demonstrierte die Studentenschaft in Karlsru- he und in Stuttgart. doch ohne beim Ministe- rium und Landtag eine Resonanz zu finden. Der Durchbruch erfolgte erst 1975 mit dem Richtfest eines neuen Instituts. das 1977 fertig sein sollte. Der Umzug aus dem denk- malgeschützten alten Tribünenbau. der erst in den 90er Jahren renoviert wurde, war nun möglich. Der neue Institutsleiter. Professor Dr. Kenntner, konnte allein schon auf eine Schwimmhalle hinweisen mit einem 12.5 x 25 m Becken. einem hydraulisch verstellbaren Hubboden. einer elektronischen Zeitnahme- vorrichtung für jede Bahn sowie zweier Sprung- bretter. Durch zwei Beobachtungsfenster un- ter der Wasserlinie können zu Lehr- und For- schungszwecken Video aufnahmen gemacht werden. Das Institut rur Sport und Sportwissenschaft Seit 1974 in die Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften aufgenommen, erfolgte 1975 die Umbenennung des IfL zum "Institut für Sport und Sportwissenschaft (lfSS)" das sich in die Sparten Hochschulsport, lehramts- ausbildung und Forschung gliedert. Mit der wachsenden Studentenzahl wuchs auch die Zahl der Teilnehmer am wöchentlichen Hoch- schulsport. In den 60er Jahren waren es noch ca. 2.000, jetzt 4.000 in ca. 40 Sportarten. Neben zahlreichen Erfolgen in Wettkämpfen wird auch der gesundheitsfördernde Aspekt unter dem Motto "Impulse bewegt studieren" gewichtet. Die Zahl der Studierenden rur das Lehramt an Gymnasien stieg in den letzten 50 Jahren von 7 auf 327 an, wozu auch noch die Magisterabschlüsse mit Sport und zwei Ne- benfächern zu zählen sind. Forschungsprojek- te am IfSS können sich u. a. auf diese Gebiete beziehen: Konstitutionstypologie (z. B. Talent- suche), Sportbiologie (z. B. Wachstumsproble- me beim Menschen, physische Leistungsfähig- keit Jugendlicher unter bestimmten Trainings- bedingungen), Sportökologie (z. B. Sport und Umwelt), Sportpsychologie und -pädagogik (z. B. Entwicklung eines psychologischen Trai- ningsprogramms im Spitzensport), Sport und Gesundheit (z. B. Schwerpunkte: Rückenpro- bleme, Herz- und Kreislaufprävention, Sport für ältere Menschen) sowie Sporrsoziologie (z. B. Sport in der Dritten Welt). Mit einem der Forschungsschwerpunkte der Professoren Dr. Bös und Dr. Steiner zur betrieblichen Ge- sundheitsfärderung, vom ergonomischen Ar- beitsplatz bis zu Bewegungsaufgaben, wird deutlich, welche praxisbezogene Wissenschaft heute in diesem Institut an Bedeutung gewinnt. OLIVER POTTLEZ I LEONHARD MÜLLER Karlsruhe - Residenz des Rechts (Teil I) "Den respektablen Beinamen empfing unsere Stadt erst nach dem Kriege, als zum Ausgleich für Zentralitätsverlust neue Bundesgerichte ihren Sitz nahmen. Heute aber darf man, auf die Residenz des Rechts blickend, die gesam- te hier wirkende Justiz ins Auge fassen mit al- len Gerichten, mit Bundes- und Staatsanwalt- schaft, mit den Notariaten, die Rechtsanwäl- te als Organ der Rechtspflege einbeziehend. Ein umfassendes Bild dieser Justizzweige kann aus Raumgründen nicht gezeichnet werden, statt dessen werden die ansässigen höchsten Gerichte des Bundes und des Landes vorge- stellt. " 77 Das Oberlandesgericht 1803-1871 Recht sprachen in der Markgrafschaft Baden noch zu Ende des 18. Jahrhunderts die Be- zirksämter und Oberämter. Über ihnen stand das Hofgericht, angelehnt an den Hofrat als den verlängerten Arm des Landesherrn. In bestimmten Fällen war es möglich, obendrein das Reichskammergericht in Wetzlar anzuru- fen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderrs vergrö- ßerte sich Baden um beträchtliche Gebietstei- le, der Markgraf stieg zum Kurfürsten auf. Alsbald erließ er, um einheitliche Strukturen zu schaffen, dreizehn Organisationsedikte. Das 1. Edikt vom 4. Februar 1803 betraf die Justiz, es ordnete die Einrichtung eines Ober- hofgerichts an. In erster Instanz entschieden fortan die Bezirksämter - ab 1857 aus diesen ausgegliederte unabhängige Amtsgerichte -, in zweiter Instanz die drei, später vier Hofgerich- te. An deren Stelle traten ab 1862 funf Kreis- und Hofgerichte sowie sechs einfache Kreisge- richte. Und in letzter Instanz urteilte das Ob- erhofgericht, Vorläufet des späteren Oberlan- desgerichts. Eine Anrufung des Reichskam- mergerichts war von nun an als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses weggefallen, das Appellationsprivileg stand jetzt allein dem Landesfürsten zu. Besetzt war das badische Obergericht mit Oberhofrichtern, Kanzler und Vizekanzler sowie fünf Räten; ihre Zahl wurde später auf zehn erhöht. Erster Oberhof- richter war Felix Rüdt von Collenberg, sein Nachfolger wurde Carl Drais von Sauerbronn, der Vater des berühmten Erfinders des Lauf- rads. Der Dienstsitz des Oberhofgerichts be- fand sich bis 1810 im Bruchsaler Schloss, so- dann bis 1879 in einem Teil des Schlosses von Mannheim. Man kann sich heute kaum vorstellen, mit welch bunt gewürfelten Rechtsquellen die Richter jener Zeit sich auseinandersetzen mussten: Da galten die Landrechte Baden- Badens von 1588 und Durlachs von 1654, da galt in neu hinzugekommenen Landesteilen kurpfälzisches, österreichisches, Solmser, speyerisches und württembergisches Recht, in einzelnen Städten und Herrschaften waren Statuten und Partikularrechte maßgeblich. Die dringend erforderliche Vereinheitlichung des Zivilrechts brachte die Einführung des Code Napoleon, der mit "hierländischer Lan- desart und Sitte" entsprechenden Zusätzen ab 1. Januar 1810 im Großherzogturn als badi- sches Landrecht in Kraft gesetzt wurde. Das Oberhofgericht hat in jahrzehntelanger Recht- sprechung das rezipierte französische Recht 78 fortgebildet. Der Code civil wirkte in Baden als volkstümliche Rechtsordnung bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900. Auf dem Strafrechtssektor war die Rechtssituation ebenfalls unübersicht- lich. Man urteilte in den beiden vereinigten Markgrafschaften noch nach der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. von 1532, aller- dings in Verbindung mit den jeweils geltenden Malefiz- und Landesordnungen. In den später hinzugekommenen Gebieten Badens wurden teilweise andere Polizei- oder Stadtordnungen "über Frevel und Bußen" zu Grunde gelegt, bis 1845 ein selbstständiges Strafgesetzbuch füt das Großherzogturn erlassen und 1851 wirksam wurde, das späterhin durch das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 abgelöstwor- den ist. 1871-1933 Die Reichsgründung hatte eine einheitliche Gerichtsverfassung im Gefolge. Im Badischen trat im Jahre 1879 an die Stelle des Oberhof- gerichts ein Oberlandesgericht, zu dessen Be- zirk die Landgerichte Freiburg, Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Mosbach, Offenburg und Waldshut, ab 1899 zusätzlich Heidelberg, sowie 57 Amtsgerichte zählten. Aus justizgeo- graphischen Erwägungen hatte man als Sitz des neuen Obergerichts die zentral gelegene Landeshauptstadt gewählt. Die räumliche Unterbringung erfolgte im Justizgebäude in der Linkenheimer Straße 7 gemeinsam mit Land- und Amtsgericht. Dieser Bau war von 1874-78 nach Plänen des Oberbaurats Hein- rich Leonhard unrer Verwendung, von Ele- menten des Neorenaissancesrils fertiggestellt worden. Organisatorisch entstanden am Ober- landesgericht zwei Zivilsenate' und ein Strafse- nat, denen jeweils fünf Richter anzugehören hatten. Besetzt wurde das Gericht mit einem Präsidenten. zwei Senarspräsidenren und 18 Oberlandesgericht um 1900. Räten. Diese Richter rekrutierten sich mit ei- ner Ausnahme aus dem Oberhofgericht und aus verschiedenen Kreisgerichten. Am 1. Ok- tober 1879, Tag der feierlichen Eröffnung, übersandte der Karlsruher Stadtrat eine freu- dig gestimmte Adresse und begrüßte, " ... dass dieses Ereignis die weittragendste und glück- lichste Bedeutung für die Entwicklung unse- rer Stadt in sich schließt, insofern dieselbe nunmehr zu dem Mittelpunkte auch der Rechtsprechung des Landes geworden ist." Ein eigenes Gerichtsgebäude, errichtet nach Entwürfen des Oberbaudirektors JosefDurm, konnten die Richter im Jahre 1902 in der Hoffstraße 10 beziehen. In der Weimarer Zeit hat sich die Recht- sprechung auf dem Kriminalitätssektor den aufkommenden sozialen 5rraftheorien und dem mehr und mehr in die Praxis umgesetzten Resozialisierungsgedanken nicht verschlossen. 79 Die Zivilrechtsprechung jener Epoche trug li- berale Züge. Indessen war es nach Inflation und Weltwirtschaftkrise gegen Ende der zwan- ziger Jahre zu einer sprunghaften Zunahme des Geschäftsanfalls gekommen. Die bean- tragee Vermehrung der inzwischen 20 Richter- stellen wurde wegen der ungünstigen Haus- haltslage abgelehnt. Die Folge war eine verzö- gerliehe Erledigung namentlich von Zivil ver- fahren, was wiederum Protestaktionen der An- wälte auslöste. Überschattet wurde all dies bald durch die Machtergreifung des NS-Re- glmes. Schon im März 1933 begannen diskrimi- nierende Maßnahmen mit dem Ziel der Ent- fernung jüdischer Richter aus ihren Ämtern. Vier Richter des Oberlandesgerichts wutden vorläufig beurlaubt, drei von ihnen während der folgenden Monate in den Ruhestand ver- serzt oder entlassen. Das Prinzip richterlicher Unabhängigkeit war damit abgeschafft. Zeit- gleich begann eine massive Einflussnahme der Parteizentrale auf die Rechtsprechung. Sie reichte von Weisungen an die Richter bis zur Vereitelung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen Günstlinge der NS-Partei, in Strafver- fahren bis hin zu willkürlicher "Schutzhaft" seitens der Gestapo und der Verschleppung Freigesprochener oder Strafentlassener in die Konzentrationslager. Von 1933 bis 1937 war das Oberlandesgericht Karlsruhe auch erscins- tanzliches Gericht für Hoch- und Landesver- ratsachen. Die gesamte Epoche ist sorgfältig und ausführlich dokumentiert in einer 1997 erschienenen Schrift von Chrisrof Schiller: "Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich". Zu erwähnen bleibt, dass mit der so genannten " Verreichlichung" der Justiz im Jahre 1935 die Justizverwaltungsgeschäfte teils auf die Verwaltungsabteilung des Oberlandes- gerichtspräsidenten - sie befand sich in der Herrenstraße 1 - und teils auf die Dienststel- le des Generalstaatsanwalts übertragen worden waren. Angesichts der fortdauernden Luftan- griffe auf die Stadt und der herantückenden Kampfhandlungen im Elsass wurde das Ge- richt mitsamt einem Teil seiner Akten und seines Inventars im Dezember 1944 per Eisen- bahntransport nach Sinsheim verlegt, wo man im Amtsgerichtsgebäude ein Unterkommen fand. Im April 1945 wurde Sinsheim von alli- ierten Truppen besetzt, das Zwischenspiel war zu Ende. 1945 bis heute Mit dem Kriegsende war es zu einem Still- stand der Rechtspflege gekommen. Als im Laufe des Hetbstes 1945 die einzelnen Gerich- te wieder eröffnet wurden, hatte sich die Ge- bietsstruktur verändert: Der südliche Teil Ba- dens unterstand nunmehr der französischen Besatzungsverwaltung. 80 Diese bewirkte einen getrennten Aufbau der Justiz in ihrer Zone. Als Folge wurde in Freiburg ein eigenes Oberlandesgericht errich- tet, das zuständig war für die Landgerichts- bezirke Freiburg, Konstanz, Offenburg und Waldshuc sowie für den Baden-Badener Be- reich, der dann 1950 ein eigenes Landgericht erhielt. Nordbaden gehörte zur amerikani- schen Besatzungszone, wo bald das Land Wümemberg-Baden entstand. Im Zuge dieser Entwicklung wurde das bisherige Karlsruher Oberlandesgericht lediglich Nebensitz des Oberlandesgerichts in Stuttgart. Nach Bildung des Landes Baden-Württemberg hat man im Jahre 1953 das Oberlandesgericht Freiburg aufgelöst, Karlsruhe erneut zum selbstständi- gen Oberlandesgericht erhoben und die frühe- ren Bezirksgrenzen wieder hergestellt. In der Folgezeit ist es wegen der wirtschaft- lichen und demographischen Evolution auch beim Oberlandesgericht in Kaclsruhe zu einer starken Zunahme der Verfahren gekommen. Zeitgleich haben verfassungsrechtliche Postu- late, technischer Fortschritt und gesellschaftli- che Veränderungen eine ständige Weiterbil- dung der Rechtsprechung bewirkt. Diese Ent- wicklung wird sichtbar in der zunehmenden Spezialisierung der Spruchkörper. Heute ent- scheiden drei Strafsenate in allen anfallenden Strafverfahren, ein Teil der 13 Zivilsenate in Karlsruhe ist für Spezialgebiete wie Farnilien- , Kartell- oder Landwirtschaftssachen zustän- dig, daneben gibt es besondere Senate für Bau- land- oder Steuerberatersachen, ferner das (Rhein-)Schifffahrtsobergericht. Sieben der Spruchkörper für Zivilsachen sind als Außen- senate in Freiburg ansässig, ihnen sind Verfah- ren aus den südbadischen Gerichtsbezirken zugewiesen. Insgesamt sind am Oberlandesge- richt unter Einbeziehung der Freibucger Sena- te 88 Richtet - davon acht teilzeitbeschäftigt - und 120 weitere Mitarbeiter - davon 45 teil- zeitbeschäftigt - tätig (Stand 31.12.1998). Mn Silberstein Seit 1803 bis heute standen dem Gericht (ohne OLG Freiburg) insgesamt 25 Präsiden- ten vor. Eine herausragende Gestalt der Nach- kriegszeit war Dr. Max Silberstein. Er kam aus einer Kaufmannsfamilie in Mannheim; don war er am 3. März 1897 geboren worden. Nach dem Zweiten Staatsexamen trat er 1922 in den badischen Justizdienst. Im Jahre 1927 wurde er zum Staatsanwalt, anschließend zum Landgerichtsrat in Offenburg und danach in Mannheim ernannt. Nach der NS-Machter- greifung sah Dr. Silberstein sich wegen seiner jüdischen Abstammung zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Er musste sich als Vermö- gensverwalter durchschlagen. späterhin wurde er ins Konzentrationslager Buchenwald ver- schleppt. Im Jahre 1939 vermochte er nach Frankreich auszuwandern. Während des Zwei- ten Weltkrieges in Nizza von der Gestapo ver- hafret. gelang ihm die Flucht. Nach Kriegsen- de zurückgekehrt. wurde er Präsident des Landgerichts Mannheim. von 1955-63 am- tierte er als Oberlandesgerichtspräsident in Karlsruhe. Er war eine eindrucksvolle Persön- lichkeit. von hoher Geistesbildung und über- ragendem Rechtswissen, wegen seiner ver- ständnisvollen. aufgeschlossenen Wesensart von allen geschätzt und geachtet. Am 4. Sep- tember 1966 ist Dr. Silberstein in seiner Hei- matstadt Mannheim verstorben. REI NER HAEHLING VO N LANZENAUER Karlsruhe - Residenz des Rechts (Teil II) Der Bundesgerichtshof Schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrie- ges suchte die ehemalige Landeshauptstadt den erlittenen Zenrralirärsverlusr auszuglei- chen. Bei Gründung der Bundesrepublik be- warb sie sich daher als Sitz für Eintichtungen des Bundes. namentlich eines Gerichtshofes. Das soeben beschlossene Grundgesetz harre nämlich in Art. 95 Abs. 1 unter anderem be- stimmt. dass für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein Bundesgerichtshof als oberstes Gericht zu errichten sei. Ein Dutzend Bewerber für den Dienstort harre sich einge- funden, aus ihrem Kreise favorisierte Bundes- kanzler Adenauer die Stadt Köln. Doch der Bundestagsausschuss für Rechtswesen und Verfassungsfragen entschied nach längeren Auseinandersetzungen zugunsren von Karlsru- 81 he. wo man das ehemalige Erbgroßherzogliehe Palais in der Herrenstraße als Dienstgebäude angeboten. zugleich Wohnungen für Richter und Justizbedienstete zugesagt harre. Am 8. Oktober 1950 fand die feierliche Eröffnung des Bundesgerichtshofs starr. Hier forderte Bundespräsident Theodor Heuß die Befreiung des Rechtsdenkens von propagandistischer Überspitztheit und politischer Machtzweck- mäßigkeit. BundesjustizministerThomas Deh- ler begrüßte in seiner Ansprache die Wahl des Standorts Karlsruhe. denn dadurch werde das Gefühl der inneren Verbundenheit zwischen dem Süden und dem Bund gestärkt. Historisch betrachtet steht der Bundesge- richrshofin der Nachfolge des 1495 gegründe- ten. zuletzt in Wetzlar wirkenden Reichskam- mergerichts. des 1869 in Leipzig errichteten Bundesoberhandelsgerichts - ab 1871 Reichs- oberhandelsgericht - und des 1879 eröffneten Reichsgerichts in Leipzig. Hauptaufgabe des Reichsgerichts war die Entscheidung über Revisionen in Zivil- und Strafsachen. später wurden der Staatsgerichtshof und das Reichs- arbeitsgericht eingegliedert. Die Rechtspre- chung des Reichsgerichts erlangte in Wissen- schaft und Praxis internationales Ansehen. bis nach 1933 parteiliche Ideologie eine Anzahl von Urteilen bestimmte. Der Bundesgerichtshof ist heute im we- sentlichen das oberste Instanzgericht in Zivil- und Strafsachen. ferner befindet er in einer Reihe von Beschwerdefällen. Sinn der Revisi- on ist in erster Linie die rechtliche, nicht auch die tatsächliche Überprüfung des konkreten Falles. weshalb in der Regel keine Beweise zu erheben sind. In der Nachkriegszeit gewann die Wahrung der Rechtseinheit angesichts der Zerteilung in Besatzungszonen steigende Be- deutung und mit der Wiedervereinigung ist sie erneut zur juristischen Herausforderung geworden. Schließlich obliegt dem Revisions- gericht wegen des steten Wandels der Lebens- verhältnisse eine begleitende Fortbildung des Rechts. Von all dem zeugt die amtliche Samm- lung der Entscheidungen des Bundesgerichts- hofs. die inzwischen für Zivilsachen auf 140 und für Strafsachen auf 44 Bände angewach- sen ist. Die Aufgaben der Rechtsprechung erfüllen im wesentlichen zwölf Zivilsenate mit jeweils zugeteilten Sachgebieren. weiterhin fünf Straf- senate und acht Senate. die spezialisiert sind auf Anwaltssachen. Patentanwaltssachen. No- tarsachen. Kartellsachen. Landwirtschaftssa- chen. Steuerberater- und Steuerbevollmäch- tigtensachen. Wirtschaftsprüfersachen und Dienstgericht des Bundes. Alle Senate sind grundsätzlich mit fünf Richtern besetzt. teilweise wirken in den Spezialsenaten ehren- amtliche Richter mit. Der 5. Strafsenat hat seit Juli 1997 seinen Sitz in Leipzig. Sollten ver- 82 schiedene Senate in einer Rechtsfrage einmal unterschiedliche Meinungen vertreten. dann entscheidet ein Großer Senat für Zivilsachen oder ein Großer Senat für Strafsachen. bei Kompetenz übergreifenden Streitfragen treten die Vereinigten Großen Senate zusammen. Am Bundesgerichtshof arbeiten gegenwär- tig 123 Richterinnen und Richter. insgesamt sind dort etwa 450 Bedienstete tätig. Die Bun- desrichter werden von einem Richterwahlaus- schuss. dem die Justizminister der Länder so- wie 16 weitere vom Bundestag zu wählende Mitglieder angehören. gewählt und berufen. sodann vom Bundespräsidenten ernannt. Ge- wählt werden können Deutsche. die 35 Jahre alt sind und die Befähigung zum Richteramt besitzen. Die anfallenden staatsanwaltschaft- lichen Angelegenheiten nimmt die Bundesan- waltschaft wahr. die kürzlich in der Brauer- straße ein modernes Dienstgebäude beziehen konnte. Sie führt auch das Bundeszentralregis- ter. das seinen Sitz fortan in Bonn hat. In Zi- vilsachen können vor dem Bundesgerichtshof nur eigens zugelassene Rechtsanwälte auftreten. Dr. Herm:mn Weinkauf. erster Präsident des ßGH (1950-1960). Das vorläufige Planungskonzcpl f'lir den BGH 1975. RechlS olxn das ehern . Großherzogliehe Palais. Auf dem bisherigen RoI-Kreuz-Gdände rcchls unlen an der Herrensnaßc das "Haus auf Sidzen" für den f't,in fgeschossigen Richler-Bau. links unlen der Bau flir die Bundesanwalrschafl. geplanl vom Karlsruher Archileklen Erich SchelJing. Einblick in die laufende Geschäftsbelas- tung mägen die im Jahre 1998 eingegangenen Revisionen geben: In Zivilsachen wurde dieses Rechtsmittel in 4.255 Fällen eingelegt, im Ver- laufe der letzten 20 Jahre hat sich somit diese Fallzahl mehr als verdoppelt. In Strafsachen wurde 3.443 Mal Revision eingelegt, die Zahl der Neueingänge hat sich mithin auf hohem Niveau stabilisiert. Eine Vielzahl von durch Beschlüsse oder auf andere Art erledigten Ver- fahren kommt hinzu. Die zukünftige Tätigkeit des Gerichts wird in immer stärkerem Maße geprägt sein von der geplanten Angleichung der europäischen Rechtssysteme. Damit wer- den nämlich neuartige Interpretarions- und Abgrenzungsprobleme auf die Senate zukom- men. Etschwerend wirkt sich aus, dass der 83 Bundesgerichtshof als letzte Instanz über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht nicht selbst entscheiden darf. sondern die Rechtsfrage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg zur Entscheidung vorzulegen hat. Ein Beispiel, wie der europäische Eini- gungsprozess auch die Justiz erfasst. Erster Prä- sident des neu gegründeten Gerichtshofs war damals Hermann Weinkauff. Im Jahre 1894 in Trippstadt in der Pfalz geboren, besuchte er in Speyer das Gymnasium, srudierte sodann in München, Heidelberg, Würzburg und Paris. Nach den beiden juristischen Staatsexamen war er im bayerischen Jusrizdienst als Staatsan- walt und Richter tätig. Über das Justizminis- terium in München kam er 1926 zur Reichs- anwaltschaft, 1937 wurde er zum Reichsge- richtsrat ernannt. Der NS-Partei hat er nicht angehört. Nach Kriegsende wurde er zum Landgerichtspräsidenten in Bamberg. 1949 dort zum Oberlandesgerichtspräsidenten er- nannt. Im Oktober 1950 berief ihn Bundespräsi- dent Heuß auf die Karlsruher Chefs teile. Hier hat er nicht nur organisatorische Aufbauleis- tungen erbracht. sondern gleichermaßen in Wort und Schrift für allgemein verständliches Recht und Sicherung der richterlichen Unab- hängigkeit geworben. Im Jahre 1960 trat Weinkauff in den Ruhestand. 1981 ist er in Heidelberg verstorben. Das Bundesverfassungsgericht Die Errichtung des Bundesverfassungsgerichts war bereits im Grundgesetz festgelegt. die Ein- zelheiten sind erst im Jahre 1951 gesetzlich geregelt worden. Nach kurzem Wettstreit zwi- schen Berlin und Karlsruhe wurde die ehema- lige badische Landeshauptstadt zum Sitz be- stimmt. Für diese Wahl hatte sich namentlich Bundesjustizminister Dehler stark gemacht. Hierbei bedachte man. dass schon zu Zeiten der Weimarer Republik der damalige Staats- gerichtshof sich an demselben Orte wie das Reichsgericht befunden hatte. nämlich in leip- zig. Für die Wahl Karlsruhes war weiter aus- schlaggebend. dass ein Teil der Richter zu- gleich an anderen obersten Bundesgerichten. mithin auch am Bundesgerichtshof, amtieren würde. Ursprünglich ging man auch davon aus. dass die Verfassungsrichter auf die bereits vorhandene Bibliothek des Bundesgerichtsho- fes zurückgreifen könnten. Feierlich eröffnet wurde das Bundesverfassungsgericht am 28. September 1951 im Karlsruher Schauspielhaus. Hier erklärte Bundeskanzler Dr. Adenauer. nunmehr habe der organische Aufbau des deutschen Staatswesens seinen Abschluss er- reicht. Die Tätigkeit des neuen Gerichts be- 84 Nach Abriss des alten Staatstheaters Gespräch des ersten Präsidenten des BVG. Or. Müller, mit dem in Karlsruhe geborenen Architekten Prof. Baumgancn, Bcrlin. gann im Prinz-Max-Palais in der Karlstraße 10. Im Jahre 1969 k~nnten die zu eng gewor- denen Räumlichkeiten aufgegeben und ein moderner Neubau bezogen werden. der an Stelle des ehemaligen Staatstheaters auf dem Schlossplatz errichtet worden war. Laut Grundgesetz stellt das Bundesverfas- sungsgericht einen allen übrigen Verfassungs- organen gegenüber selbstständigen und un- abhängigen Gerichtshof dar. es ist zugleich oberstes Verfassungsorgan. Demnach ist es keinem Ministerium zugeordnet. sondern be- sitzt Selbstverwaltung. auch in haushaltsrecht- licher Hinsicht. Die gerichtlichen Aufgaben sind in § 13 des Gesetzes über das Bundesver- fassungsgericht katalogmäßig aufgezählt. We- sentlich gehören dazu die Kontrolle. ob die er- lassenen Gesetze mit dem Grundgesetz verein- bar sind. auch ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil von Bundesrecht ist. Zuständig- keit besteht namentlich für die Überprüfung. ob Gerichte und Behörden bei ihren Entschei- dungen das Grundgesetz beachten. für die Entscheidung von Verfassungssrreitigkeiten zwischen staatlichen Organen, für die Wahl- prüfung bei Bundestagswahlen, für die erwa- ige Verwirkung von Grundrechten, für das Parteiverbot sowie für verfassungsrechtliche Anklagen gegen den Bundespräsidenten oder gegen Richter. Inhaltlich spannt sich der Bo- gen vom ersten Urteil, das die Gültigkeit der Wahl zum Südweststaat überprüfte, bis hin zum Urteil vom November 1999 über die Re- gelung des Finanzausgleichs zwischen den Bun- desländern. Eine Sonderstellung nimmt die Verfassungsbeschwerde ein. Jedermann kann sich nämlich an das Gericht wenden mit der Behauptung, in seinen Grundrechten oder bestimmten grundrechtsähnlichen Rechten verletzt worden zu sein. Der Rechtsbehelf hat große praktische Bedeutung erlangt, zugleich zu beträchtlicher Belastung des Gerichts ge- führt. Seit 1993 stieg die Zahl der Verfassungs- beschwerden auf ungefähr 5.000 jährlich, über deren Annahme besondere Kammern befin- den, die aus drei Richtern bestehen. Mag nur ein geringer Teil dieser Verfahren für den Be- schwerdeführer erfolgreich verlaufen, so kön- Das Modell für den Neubau des Bundesverfassungsgerichts. 85 nen sie gleichwohl zu grundlegenden Ent- scheidungen führen wie erwa das Apotheken- urteil von 1958, das Beschränkungen der Nie- derlassungsfreiheit allgemein für nichtig er- klärte. Die nahezu allumfassende Letztent- scheidungskompetenz des Verfassungsgerichts, die weit in den politischen Raum hinein reicht, bleibt nicht vor gelegentlicher Kritik verschont. Zwei Spruchkörper sprechen Recht. Jedem det Senate gehören seit 1963 je acht Richter an. Die beiden Senate entscheiden eigenstän- dig. Lediglich in Fällen, wo ein Senat in einer Verfassungsfrage von der Entscheidung des anderen Senats abweichen will, muss sich das aus heiden Senaten bestehende Plenum verei- nigen und gemeinsam urteilen. Dies war seit Bestehen des Gericht erst zweimal der Fall. Alle Richterinnen und Richter werden ge- wählt, und zwar hälftig durch einen Wahlaus- schuss des Bundestages und hälftig durch den Bundesrat. Voraussetzung ist Erreichung des 40. Lebensjahres und Befähigung zum Rich- teramt. Drei der Mitglieder eines jeden Senats müssen zugleich einem der fünf obersten Ge- tichtshöfe des Bundes angehören, um entspre- chende richterliche Erfahrung einbringen zu können. Die Richteramtszeit beträgt zwölf Jahre, währt längstens bis zur Altersgrenze von 68 Lebensjahren, eine Wiederwahl ist ausge- schlossen. Aus Bundes- oder Landesdienst können wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgeordnet werden, die bei der Vorbereitung von Entscheidungen mithel- fen sollen. REINER HAEHLING VON LANZENAUER Von den schwierigen Anfängen der Schülermitverantwortung in Karlsruhe Das Beispiel Humboldtschule Die Wochen und Monate nach dem Sturz der Monarchie im November 1918 wasen gekenn- zeichnet durch eine breite Diskussion über die Ausdehnung demokratischer Mitbestimmungs- rechte und -formen auf Gesellschaft und Wirt- schaft. Nicht alles, was hier an Vorstellungen geäußert wurde, konnte schließlich verwirk- licht werden. Anderes setzte sich durch und wurde nach einer Unterbrechung während der NS-Diktatur beim Neuaufbau nach 1945 wie- der aufgegriffen. Hierzu gehört auch die Schü- lermitverwaltung oder -mitverantwortung. Neugestaltung des Jugendlebens Die Schule als Teil der gesellschaftlichen Wirk- lichkeit, war selbstverständlich Gegenstand der Diskussion, die von Lehrern wie Schülern in der gegebenen Situation geführt wurde. So veröffentlichte der sozialdemokratische Karls- ruhee "Volksfeeund" vom 29. November 1918 "Die Forderungen der Lehrerschaft an den neuen Volksstaat". Die mit "R ... c" unter- zeichneten "Forderungen" verlangten, dass "der Gedanke der Selbstverwaltung in weitest- gehender Weise" verwirklicht werden müsse und daher der Schulverwalrung "beratende und beschließende Körperschaften" zur Seite zu stellen seien. Davon könnten alle "Maß- nahmen auf dem Gebiete des Schulwesens" in einem höheren Grad profitieren, "als dies je unter dem bürokratischen Absolutismus des Obrigkeitsstaates möglich gewesen wäre". Wenige Tage zuvor, am 23. November, hatte bereits Dr. Knud Ahlborn, Mitglied des 86 Karlsruher Volksrates, im Auftrag des "Rates geistiger Arbeiter" im Karlsruher Rathaussaal über die Gründung von Schulgemeinden an den Schulen referiert. Der Mediziner, der vor dem Ersten Welrkrieg zu den Führungsfiguren der deutschen Jugendbewegung gezählt hatte, entwickelte gemäß einem Bericht im "Volks- freund" vom 16. Dezember 1918 in seinem Vortrag den "Plan einer Neugestaltung des Jugendlebens an den höheren Schulen" und gab dabei "der Schülerschaft die Anregung, mit enrsprechenden Wünschen an das Unter- richtsministerium und die Leitung der Schu- len heranzutteten". Resolution der Humboldrschule Ahlborns Aufforderung blieb nicht ohne Wir- kung. Dies geht aus den Ausführungen hervor, die der damalige Direktor der Karlsruher Humboldtschule - Realgymnasium - Dr. Kasl Ott am 15. Januar 1919 vor seinem Kollegium machte. Seinen Worten zufolge war die Karls- ruher Schülerschaft im November 1918 durch einen von auswärts gekommenen Dr. Knud Ahlborn veranlasst worden, beim Ministetium Forderungen betr. Schülerselbstverwaltung einzureichen, und zwar in "drei, unter dem Einfluss Ahlborns immer schärfer werdenden Fassungen". Die Oberstufenschüler der Hum- boldtschule freilich hatten sich in dieser Situ- ation eher distanziert gezeigt. Sie vetfassten eine "Resolution", die ihrem Direktor Dr. Ott am 3. Dezember 1918 vorlag. Sie sei hier wie- dergegeben: .Resolution der Humboldtschule anläss- Iich der Gründung einer sog. 'Schülervereini- gung·. Die Flut neudeutscher Freiheitsbestre- bungen ist auch an der Humboldtschule nicht wirkungslos vorbeigegangen. Ein ganz dem neuen Zeitgeist entsprechender Wunsch nach freier. von vernünftigen Grundsätzen geleite- ter Ausgestaltung des Schülerlebens in körper- licher u. geistiger Hinsicht drängt zur Auswir- kung. Dieses an sich sehr natürliche u. begreif- liche Verlangen hat an anderen Karlsruher Lehranstalten zur Bildung einer sog. 'Schüler- vereinigung' oder .Schulgemeinde' geführt. Die Humboldtschule betont nichtsdesto- weniger. einer derartigen Einrichtung fremd gegenüber zu stehen. Wir wollen uns nicht zu lächerlichen Nachäffern eines Arbeiter- und Soldatenrats erniedrigen! Wir wollen auch nicht. wie es das Bestreben der Schülergemein- de zu sein scheint, mit mehr oder weniger Ge- walt die Durchsetzung unserer Wünsche er- zwingen. geschweige denn. durch die dumm- freche Anmaßung. bei einer erwaigen Neuge- staltung des Lehrplans mitzureden. unsere ei- Dr. Kar! On (1873-1952), Direktor dc=r Humboldtschule 19 12- 19 19, Direktor der Goetneschule 19 19- 1933 . leiter dc=s Pädagogisch!':n Seminars Karlsruhe 1928- 1933. Honorarprofessor an der TH Karlsruhe. 1947 Ministcrial- ::I ircktor im Unterrichuminisrerium des Landes Baden. 87 gene Unreife bekunden. Die Humboldtschu- le kann nicht scharf genug die Grenze ziehen. die sie von allen derartigen Bestrebungen trennt. Vielmehr sind wir fest entschlossen, unsere inneren Angelegenheiten selbst zu re- geln und dem neuen Geist Rechnung zu tra- gen auf dem Wege offener. vernünftiger Bera- tung mit unserer Lehrerschaft. der wir in allem unser vollstes Vertrauen entgegenbringen. Nur aus einem engen Zusammenschluss und ge- genseitigem Wohlwollen. nicht aus Unfrieden und Entfremdung kann für unsere Sache Nützliches ersprießen. Zu näheren Angaben erklären wir uns gerne bereit. Die 0 1 und U 1 der Humboldtschule." Sozialstruktur der Schüler Ein Blick in die Schülerlisten der Humboldt- schule mag helfen. die in der Resolution zuta- getretende Zurückhaltung gegenüber der revo- lutionären Umgesraltung Deutschlands samt ihrem Charakteristikum. den Arbeiter- und Soldatenräten. zu verstehen. Abgesehen erwa von einem Abkömmling der Karlsruher Fabri- kantendynastie Wolff - . Wolff & Sohn" -. stammten die Schüler der Unter- und Ober- prima des Schuljahres 1918/19 in ihrer über- wiegenden Mehrheit aus eher kleinbürger- lichen Verhälrnissen. sie waren Söhne von Handwerkern. Kaufleuten und Beamten wie Post- oder Eisenbahnsekretären. einige kamen aus Volksschullehrerfamilien. Akademische Be- rufe waren äußerst gering vertreten; so kom~ men unter den Vätern nur je ein Arzt. Apothe- ker und Diplom-Ingenieur vor. Zu den akade- misch gebildeten Vätern gehörten ferner ein Architekt der badischen Staatsbahn sowie der Physiker Otto Lehmann. Professor an der Tech- nischen Hochschule. schließlich der Rechts- anwalt und Zentrumspolitiker GustavTrunk. der in der seit dem 10. Oktober 1918 amtie- renden . Vorläufigen Volksregierung" das zeit- bedingt schwierige und undankbare Amt eines Ernährungsministers bekleidete und vom April 1919-29 als badischer Justizminister amtierte. Einige der Oberprimaner waren zum Schul- unterricht beurlaubte oder entlassene Kriegs- teilnehmer. Unter ihnen befand sich beispiels- weise auch ein Leutnant der Reserve, der nach einer schweren Verwundung an die Schule zurückgekehrt war, im Dezember 1918 ein vorgezogenes Abitur ablegte und mit dem Berufsziel "Offizier" von der Schule abging! Auch die von den anderen Abiturienten ge- nannten Berufs- und Studienwünsche zeigen das Bestreben, sich in die bestehende bürger- liche Ordnung einzufügen. Allzu viel Revolu- tion konnte da nur hinderlich sein. Stellungnahme der Lehrer Hatten die Primaner mit ihrer "Resolution" bereits ein Meinungsbild geliefert, so standen die Lehrer ihrer Schule im Januar 1919 vor der Notwendigkeit, sich ebenfalls zu äußern. In der oben erwähnten KOQferenz vom 15. Janu- ar stand ein Entwurf des Ministeriums unter dem Titel "Grundzüge eines Programms für Schülerselbsrverwaltung" zur Diskussion. Die dabei protokollierten Äußerungen lassen deut- liche Differenzen innerhalb des Kollegiums erkennen. Die Extreme werden einerseics mar- kiert durch die Aufforderung "die Frage der Schülerselbsrverwaltung im ganzen abzuleh- nen als dem Geist der Revolution entspre- chend und die Autorität des Lehrers untergra- bend", auch beruhe die Schule "auf dem Prin- zip der Arbeit und des Gehorsams". Die Schü- ler dürften schließlich "nicht zu Richtern über das Werk der Schule gesetzt werden". Einer der Diskuranten verwarf die Bestre- bungen zur Einführung der Schülerselbsrver- waltung als zur "Politik gehörend"; die Politik aber sei von der Schule fernzuhalten . An Argu- menten fur die Schülerselbsrverwaltung wur- 88 de angefuhrt, dass man "neuzeitlichen Verhält- nissen entsprechend" den Schülern ein "gewis- ses Mitbestimmungsrecht in den Schulverhält- nissen" nicht vorenthalten könne. Knud Ahl- born habe "die Karlsruher Schuljugend nur angespornt, das als Forderung auszusprechen, was schon längst in ihnen (!) vorhanden gewe- sen sei". Entschiedener noch klang ein weite- rer Diskussionsbeitrag: die Bewegung sei im Zusammenhang mit der Revolution entstan- den, "die überall den Geist der Autorität, der Unterordnung" beseitigt habe. Die Schule sei nicht mehr bestimmt durch die ,,Autorität des Beamten im Lehrer" - verankert in der Auto- rität der Obrigkeit -, sondern durch die ,,Au- torität der breiten Schichten des Volkes, des Parlaments". Eine völlige Parlamentarisierung der Schule sei freilich nicht erstrebenswert; die Einfuhrung der so genannten Schulgemeinde, eine periodisch tagende Schülerversammlung der oberen Klassen, entspreche nicht den deutschen Verhältnissen. Nur den gereifteren Schülern, den Prima- nern, seien einige Rechte der Selbsrverwaltung einzuräumen. Dr. Ott fasste die Diskussion dahin gehend zusammen, dass wohl überall ein neuer Geist wehe, der durch die Revoluti- on zur Äußerung gekommen sei, die Revolu- tion selbst stelle lediglich den Abschluss "einer schon lange vorher wirkenden historischen Entwicklung" dar. Deshalb könne man a11 das annehmen, was historisch und organisch ins Schulleben hineinwachse. Abzulehnen sei da- gegen alles, was von außen in die Schule hin- eingetragen werde, was z. B. den englischen Verhältnissen entlehnt sei oder "von der Poli- tik" stamme. Alle organisatorischen Änderun- gen fielen allein in die Zuständigkeit des leh- rerkollegiums oder der Stadtgemeinde. Die Schüler könnten innerhalb der Schule zur Organisation verschiedener Veranstaltungen herangezogen werden, wie etwa zu Turnspie- len, Festen und dergleichen. Klassen" galten. Der Beschluss sei an den anderen Schulen be- reits umgesetzt, weshalb er vor- schlage, auch an der Hum- boldtschule je zwei Vertreter der zwei oder drei oberen Klas- sen zu bestellen. Die:: "Bollt':nz.eitung" von 1913 zeigt karikierend das Verhältnis vom Schült':r zu seinen uhrern, das in dc=r Weimarer Republik andere Akzente erhalten 5011lc. Ein Teil des Kollegiums ver- suchte, auch diesen bescheide- nen Fortschritt mit dem forma- len Argument zu verhindern, dass eine Behandlung der An- gelegenheit auf der Tagesord- nung nicht vorgesehen gewesen sei. Überdies liege der Beschluss Die erste Schülervertretung Die Abstimmung brachte folgende Ergebnis- se: einstimmig abgelehnt wurde die Einfüh- rung der so genannten Schulgemeinde als Ein- richtung, "die bezweckt, das äußere und inne- re Schulleben unter die Kontrolle einer perio- disch tagenden Schülerversammlung der 'obe- ren Klassen zu bringen". Ebenso einstimmig der Ablehnung verfiel eine ständige, von den Oberklassen zu wählende Schülervertretung, die unter dem Vorsitz eines von den Schülern gewählten Lehrers "den Verkehr zwischen Schülern und Lehrern" vermitteln sollte. Mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt wurde eine dritte Variante, die eine Schülervertretung "ohne den gewählten Lehrer" vorsah. In ihrem ablehnenden Verhalten wurde die Lehrerschaft der Humboldtschule freilich bald von der Entwicklung überholt. Am 13. März 1919 eröffnete Direktor Dr. Ott seinem Kol- legium anlässlich einer Lehrerkonferenz einen Beschluss der Direktorenkonferenz, der vor- sah, dass in den drei oberen Klassen je zwei Vertreter zu wählen seien, die als "Sprecher der 89 vom 15. Januar vor, der die Einführung einer Schülerver- tretung an der Humboldtschule abgelehnt habe. Nach einer Diskussion, in der betont wurde, dass durch die Haltung der anderen Schulen eine neue Lage entstanden sei, fiel schließlich der Beschluss, dass in Obersekun- da [Klasse 11], Unter- und Oberprima [Klas- sen 12 und 13] je zwei Klassensprecher zu wählen seien. Damit wurde auch an der Humboldtschu- le dem Prinzip Schülerselbstverwaltung we- nigstens ein schmaler Pfad eröffnet. Im No- vember 1919 wurde der Pfad ein klein wenig verbreitert. Unter der Leitung des neuen Di- rektors Robert Burger beschloss die Lehrer- konferenz, dass künftig bereits ab Untertertia [Klasse 8] Klassensprecher zu wählen seien, während in den Klassenstufen darunter, die Sprecher vom Klassenlehrer zu ernennen wa- ren. "Die Befugnisse der Gewählten" sollten "nach einiger Zeit der Erfahrung streng um- grenzt werden." Anzumerken bliebe, dass die- ser Konferenzbeschluss lediglich einer entspre- chenden Verordnung des Kultusministeriums vorauseilte. RAINER GUTJAHR Polytechnicum, Technische Hochschule, Universität Karlsruhe 175 Jahre Durlach als Universitätsstadt Aufitiegspläne eines wirtschaftlich darniederliegenden Landstädtchens "Hat jemals eine Stadt über die Unbeständig- keit des wandelbaren Glücks seufzen müssen, liegen Exempel vor Augen, dass Inwohner, vormals glückliche lnwohner ihrem völligen Ruin entgegen andere Städte aber theils entste- hen rheils immer mehr beglücket und in blü- hendem Flor sehen müssen, hat aber auch jemals eine Stadt ein widriges Schicksal gegen ihr Verschulden betroffen, so ist es leyder! Die hiesige Stadt." Mit dieser Klage begannen der Durlacher Bürgermeister und die Herren von Gericht und Rat am 30. April 1779 eine Bittschrift an den "durchlauchtigsten Markgrafen", die we- nige Tage später mit einem befürwortenden Begleitschreiben des Durlacher Oberamtes und Spezialats an den Kirchenrat als die zu- ständige Regierungsbehörde weitergeleitet wurde. Zwei Mal hatte die Stadt in den zu- rückliegenden 90 Jahren unter der Unbestän- digkeit des Glücks seufzen müssen: Im August 1689 brannten die Truppen des französischen Königs Ludwig XIV. die damalige Residenz- stadt Durlach bis auf die Grundmauern nie- der. Knapp 30 Jahre später verlegte Markgraf Karl Wilhelm seine Residenz von Durlach in die neu gegründete Stadt Karlsruhe. Ihm folg- ten alle Hofbediensteten und fast alle Beamte. Die Bevölkerungszahl sank zunächst von knapp 3.300 auf rund 2.800 Menschen, um erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lang- sa~ wieder zu steigen. Auch das 1586 eröffnete Gymnasium illus- trc, das zeitweise fast Universitätsniveau er- reicht hatte, wurde 1724 in die neue Stadt 90 verlegt. Mit der Schule verließen Schüler und Professoren die ehemalige Residenz. In Dur- lach blieb nur ein eher bescheidenes Pädago- glUm. Der wirtschaftliche Niedergang Die Durlacher erlebten einen wirtschaftlichen Niedergang, den sie in ihrer Bittschrift aus- führlich schilderten. Geschickt verwiesen sie auf die Folgen der Gründung Karlsruhes für ihre eigene wirtschaftliche und soziale Lage: "Der Hauptgrund dieses nicht genug zu be- schreibenden Zerfalls ruht also in dem nicht zu schätzenden und vielleicht ewig nimmer er- setzt werdenden Verlust der fürstlichen Resi- denz." Es folgen Beschreibungen des niederlie- genden Gewerbes, das durch die Konkurrenz der Karlsruher und auch Pforzheimer Han- delsleute leide, so dass die Durlacher gezwun- gen seien, vom Ertrag ihrer Äcker oder Gärten zu leben und auf die Weinlese zu hoffen. Dabei hatten nicht wenige nur "etliche Vier- tel Ackerland und einen Weinberg". Allein die große Allmende verhindere, dass viele an den Bettelstab gerieten. Zahlreiche Grundstücke in der Stadt waren unbebaut, übetall fanden sich noch Ruinen oder Ruinenreste von dem großen Btand von 1689 und einem Stadt- brand im Jahr 1743. Im Schlossbereich wur- den die Mauerreste erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgetragen. Der Magis- trat schrieb im April 1779 von "schlechten Lotterfallen" und Baulücken, "welche bisher traurige Zeugen der Unvermögenheit der In- wohner sind." Das wiederaufgebaute Durlach nach Verlegung der Residenz. Universitäts pläne Doch sollte es bei den allgemeinen Klagen nicht bleiben. Die Durlacher hatten eine Idee, wie ihrem darniederliegenden Wirtschafts- leben wieder aufgeholfen werden könnte. "Es möchte Ew. Durchlaucht gnädigst gefällig sein, in unserer Stadt eine Universität zu etablieren. « Der Zeitpunkt für eine solche Bitte schien günstig. Die nächstgelegene protestantische Universität lag in Tübingen, nachdem Straß- burg 1681 von den katholischen Franzosen übernommen worden war. Dass in der badi- schen Markgrafschaft ein Bedarf an einer evangelischen Landesuniversität bestand, zeig- te sich auch daran, dass gerade das Karlsruher Gymnasium so ausgebaut werden sollte, dass Theologiesrudenten dort fertig ausgebildet werden konnten. Zudem regierte mit Mark- 91 grafKarl Friedrich ein Vertreter des aufgeklär- ten Absolutismus das Land, der den allgemei- nen Wohlstand auch durch eine Verbesserung der Bildung heben wollte. Die Durlacher hatten zudem für eine Uni- versität einiges zu bieten. So wiesen sie auf die seit dem Tod von Markgräfin Magdalena Wil- helmina 1743 leerstehende Karlsburg hin, die sich als Universitätsgebäude gut eigne. Zudem könne der markgräfliehe Bauhofgarten in ei- nen medizinisch-botanischen Garten umge- wandelt werden. Vor allem aber war die Stadt bereit, sich mit 15.000 Gulden an den Kosten zu beteiligen. Hinzukommen sollten Beiträge von einzelnen Durlacher Bürgern und aus den umliegenden Oberamtsortschaften, so dass insgesamt ein Betrag von 25.000 Gulden zur Verfugung stünde. Auch wollte sich die Stadt an der Bezahlung der Lehrkräfte durch die Beisteuerung von Holz und die Überlassung von Wiesen-, Acker- und Gartenland beteili- gen. Die Vorteile für die Stadt und damit auch für das ganze Land sah man darin, dass aus den umliegenden Ländern Studenten und Lehrkräfte kämen. Da in Tübingen die einzi- ge protestantische Universität der weiteren Umgebung war, rechnete man mit jungen Männern aus den evangelischen Ländern dies- und jenseits des Rheins, aus Speyer, Worms und Frankfurt. Auch die evangelischen Elsäs- ser, Sttaßburget und Pfälzer sowie die Bewoh- ner der evangelischen Reichsstädte in Schwa- ben würden kommen, zumal ihnen in Dur- lach Klima, Speisen und Getränke vertraut seien. Vor allem versprach man sich von der Ansiedlung einer Universität ein Wiederaufle- ben der Bautätigkeit in der Stadt. Ablehnung trotz Bürger.penden Die Werbetätigkeit füt den Plan wutde bald begonnen, schnell hatten 52 Bürger und Be- amte beträchtliche Summen gezeichnet. Einen großen Bettag übernahm mit 300 Gulden Hofrat und Oberamtmann Posselt. Auf seine Initiative ging das Durlacher Votgehen wahr- scheinlich zurück. Natürlich zeichneten die Ratsherren und der Bürgermeister Waag. Auch auffallend viele Gastwirte spendeten jeweils 100 bis 150 Gulden. Sie versprachen sich von Studenten und Professoren natürlich große Gewinne. Das erhofften sicherlich auch die bei den Spender Buchbinder Korn und Apo- theker Bleidorn. Die Fayence-Fabrik, zu die- sem Zeitpunkt die bedeutendste Manufaktur in dem kleinen Landstädtchen, beteiligte sich ebenfalls. Monatelang mussten die Durlacher war- ten, bis der endgültige Ablehnungsbescheid kam "mit dem Bemerken, dass man ungeach- tet des wohlgemeinten Anerbietens der Stadt Durlach zu einem Beitrag dennoch dahier kei- 92 ne Mittel zu einem hinlänglichen Fond ausfin- dig machen könne, diesem nach die Sache ruhen lassen müsse." Im 19. Jahrhundert musste Durlach dann beobachten, wie sich aus dem 1825 in Karls- ruhe gegründeten Polytechnikum eine welt- weit hochangesehene Technische Hochschule entwickelte. Inzwischen hatte aber auch in dem kleinen Landstädtchen im Schatten der Residenz neu- er Wohlstand Einzug gehalten. Mit der indus- triellen Produktion vor allem der Firmen Se- bold und Gritzner entwickelte sich Durlach zu einem Industriesrandort. Die Bevölkerungszahl wuchs auf 14.000 kurz vor dem Ersten Weltkrieg. 1878 wurde das Pädagogium samt höheter Bürgerschule zu einem Pro- und Realgymnasium erhoben. Mit dem Umzug in den prächtigen Neubau 1907 wurde die Schule endlich wieder zu einem Vollgymnasium. Die als Universitätsgebäude vorgeschlage- ne Karlsburg erlebte gleichzeitig einen sozialen Abstieg, bis sie in den 1980er Jahren als Kul- turzenttum füt Museum, Bibliothek und Ver- eins leben wieder zu neuem Leben erweckt wurde. SUSANNE ASCHE Geschichtswissenschaft an einer Technischen Hochschule Wer vermutet schon das Fach Geschichte unter den vielen ingenieur- und naturwissenschaftli- chen Disziplinen? So unglaublich es klingt - als die Urform unserer Universität, als die Poly- technische Schule 1825 gegründet wurde, stand das Fach bereits im Lehrprogramm. Und es erschien nahezu ununterbrochen bis heute in allen Vorlesungsverzeichnissen. Warum Geschichtsunterricht? Es hatte einen schlichten Grund, dem Poly- technikum das Fach gleichsam in die Wiege zu legen: Zu den Bestandteilen, aus denen die Anstalt zusammengefügt,wurde, gehörten die beiden Oberklassen der Karlsruher Realschule. Neben der polytechnischen Fachausbildung musste folglich noch normaler Schulunter- richt fortgeführt werden. Mindestens die jün- geren unter den polytechnischen Eleven ka- men nicht darum herum, sich mit Deutsch, Geographie, Religion, mit Zoologie, einer modernen Fremdsprache und eben mit Ge- schichte plagen zu müssen. Offenbar erwies sich darüber hinaus auch das Schulwissen äl- terer Polytechniker als verbesserungsbedürftig. In solchen Fällen riet man dringend zur Teil- nahme an solcherart Fundamentalunterricht. Auf diesem Wege wuchsen die Fächer (deut- sche) Literatur und Geschichte langsam in den Rang von allgemeinbildenden "Ergänzungs- fächern" , deren Belegung man jedem Studen- ten nahelegte. Leider fehlt uns die Kenntnis, wovon die Geschichtsstunden im einzelnen handelten. Fest steht allein, dass der Unterricht nichts Geringeres als die ,,Allgemeine Weltgeschichte" zum Gegenstand hatte. Einsetzend im klas- 93 sischen Altertum und in der Gegenwart en- dend, besaß das einen Zeitumfang von gut 2.500 Jahren. Zwar sollte der Geschichtskurs über zwei Studienjahre gehen und vier Wo- chenstunden ausfüllen. Doch selbst wenn wir uns den Stoff vorwiegend auf die politische Geschichte Europas begrenzt denken, sind Zweifel am Nutzeffekt des Unternehmens an- gebracht. Es wurden seinerzeit denn auch Ein- wände gegen ein so hochgestecktes Vorhaben laut. Dem ersten Geschichtslehrer des Poly- technikums, Realschuldirektor Professor Küh- lenrhal, war unwohl zumute. Allerdings miss- fiel ihm nicht etwa der breite Zeitrahmen; ihm bereitete vielmehr die zu geringe Stundenzahl Sorgen. Neubewertung des Fachs An dem Konzept hielt man gleichwohl bis in die 1870er Jahre fest. Inzwischen hatte jedoch eine Neubewertung des Fachs eingesetzt. Es lös- te sich im Zeichen vielfältiger Verwissenschaft- lichungvon seiner bisherigen Funktion, Schul- wissen zu vermitteln oder zu erweitern und rückte auf zum gtundlegenden Element jegli- cher akademischer Bildung. Von den Universi- täten ausgehend, überschnitt sich die Neube- wertung mi t ähnlichen Veränderungen, die das Wesen und das Selbstverständnis der Polytech- nischen Schulen erfuhren: Solide Geschichts- kenntnis sollte unabdingbares Statusmerkmal des Technikers und Ingenieurs werden. Allein, die Errichtung und Besetzung eines Geschichtslehrstuhls erfolgte in Karlsruhe auf bemerkenswerte Art. Antreibend ins Spiel kam nämlich die badische hohe Politik, kam die maßgebende Einwirkung Großherzog Hermann Baumgam:n 1825- 1893 Im Herzogtum Braunschweig geboren. vmiene er nach dem Studium der Geschichte als Journalist entschieden für ein von Preußen g~ruhrtes liberales Kleindeutschland. Der Heiddberger Hismfiker G. G. Gefvinus. dem er als Assis- tent dieme, empfahl ihn , der weder promoviert noch habi- lidert war, fur die KariSfuher Professur. Mit seinem Aufsatz "Der Liberalismus - eine Sdbstl:'ritik" lenkte der politische Historiker 1866 auf Bismarcks Realpolitik ein und wurde zu einem wichtigen Weichensteller für die sich neu formie- renden Nationalliberalen, die für die folgenden Jahrzehnte mei nungsbildend sein soll ten. Dem Ruf an die Universität Straßburg folgte er gern, da er sich fragte: n Was hilft mir ein volles Auditorium, in dem nicht ein ei nziger Mensch sint, der mir fo lgr." Friedrichs Jc Nicht nur, weil er sich während seines Studiums insbesondere der Geschichts- disziplin gewidmet hatte, nicht bloß, weil er seither engste Beziehungen zu herausragenden deutschen Historikern pflegte. Friedrich legte Wert darauf, dass an den drei Landeshoch- schulen Historiker lehrten, die seine eigenen politischen Leitlinien mindestens nicht stör- ten: Den liberal sowie den kleindeutsch und propreußisch ausgerichteten Kurs. 1860 wur- de nun die Aufwertung des Geschichtsunter- 94 FranzSchnabelI 887- 1966 In Mannheim geboren, studierte er Geschichte in Heidel- berg. wo er sich als Schüler von Hermann Oncken verstand und bald als Gymnasiallehrer sehr erfolgreich wirkte, bis er mit 34 Jahren Ordinarius an der TH Karlsruhe wurde, 1945- 1947 war er als Leiter der Abteilung Kultus und Unterricht in der Landesbezi rksdirektion Karlsruhe maß· geblich Olm Wi~deraufbau des Bildungswesens beteiligt. richts am Polytechnikum spruchreif. Zur sel- ben Zeit erreichte die Frage der nationalen Einigung Deutschlands ein Stadium, das in absehbarer Nähe eine Lösung verhieß. Politische Akzente Vor diesem Hintergrund erhielt die Auswahl des Karlsruher Historikers ihre außergewöhn- liche Note. Der berufene Hermann Baumgar- ten, ein studierter Historiker, hatte sich als li- beraler Publizist einen Namen gemacht. Seine politischen Ansichten und Erwartungen dürf- ten denen Friedrichs mindestens geähnelt ha- ben. Persönliche Verbindungen zum liberalen Hoflager kamen empfehlend hinzu. Im Herbst 1861 trat Baumgarten die Karlsruher Profes- sur an. Hier entstand sein umfängliches Werk zur jüngsten Geschichte Spaniens. Vor allem aber bewährte er sich als akademischer Lehrer. Und er gewann den Eindruck, als hätten sei- ne dem exakte Messbaren zugewandten. zahl- reichen Hörer bei ihm gelernt. die unwägba- ren "Moralischen Mächte" wahrzunehmen, die am Gang der Weltgeschichte mitwirkten. 1872 verließ Baumgarten die Anstalt und ging an die Universität Straßburg. Erwähnens- wertes ist erst wieder für Adam Pfaff überlie- fert. der hier von 1878 bis 1885 lehrte. Er straffte den Lehrstoff in zweierlei Hinsicht. Seine Überblicke setzten erst im Mittelalter ein. und er konzentrierte sie auf deutsche Ge- schichte. pfaffs zahlreiche Veröffentlichungen erlauben allerdings anzunehmen. dass er spie- lend fähig gewesen wäre. ein ungleich breiter gefächertes Spektrum vorzustellen. Interesse verdient das politische Motiv. das bei Pfaffs Berufung abermals zu Tage tritt. Nach der 1848er Revolution war der Hesse in die Schweiz geflüchtet. wo er die besondere Wertschätzung der Liberalen gewann. Mitt- lerweile zog es ihn nach Deutschland zurück. Zu den positiven Seiten. die die Berufungs- kommission an Pfaff rühmte. gehörte auch. dass er .. auf politischem und religiösem Gebie- te einer durchaus freien Richrung huldigt". Seine Berufung belegt. dass die politische Grundierung einer Geschichtsprofessur für den Großherzog. unabhängig von der Reichs- gründung, immer noch gewichtig war. Weniger deutlich drückte dieser Zug sich auch gegenüber dem Pfaff-Nachfolger Arthur Boehdingk aus. Doch zunächst noch dies: Bis- her hatten die Geschichtsprofessoren zumeist 95 auch das Literaturfach inne. Da die Germanis- tik ebenfalls zu einer anspruchsvollen Wissen- schaft gereift war. wurde die Fächerverbin- dung von Geschichte und Literatur je länger desto mehr problematisch. Unter den Kandi- daten. die zur Wahl standen. gab es nurmehr einen. dem man die sachkundige Behandlung beider Gebiete zutraute - den Jenenser Extra- ordinarius Boehdingk. Trotz mancher Vorbe- halte. die der eine oder andere Gutachter ansonsten äußerte. gab ihm die Berufungs- kommission den 1. Listenplatz - aus Rücksicht auf die leidige Fächerkombination. Innerhalb der Historikerzunft brachte Bo- ehdingk es nie zu Ansehen; seine Beliebtheit bei den Studenten soll groß gewesen sein. Stär- ker als die Wissenschaft scheint ihm das Poli- tisieren gelegen zu haben - sei es. dass er dank seiner rhetorischen Begabung oft die patrioti- schen Feiern von Hochschule und Stadt zier- te. sei es dass er Badens Nationalliberale auf den Kriegspfad gegen Katholiken und Sozial- demokraten mitzureißen trachtete. Der Kon- trast zwischen seiner agitatorischen und seiner wissenschaftlichen Hingabe verstimmten den Großherzog. Seinem langwährenden Wunsch. Boehdingk durch einen würdigeren Fachver- treter ersetzt zu sehen, stand indes das Beam- tenrecht entgegen. Im Sommer 1914 klagte dann das Kultus- ministerium über verschiedene Mängel an Boehtlingks Darbietungen. Namentlich ver- misste es das Bemühen. den Srudierenden .. die notwendige Verbindung der Technik mit der Gesamtkultur unserer Zeit zu vermitteln". Der akademische Senat solle daher überlegen. ob nicht eine jüngere. anregendere Parallel- kraft gewonnen werden könne. Gern ging der Senat darauf ein. aber auf grund der eingetre- tenen Kriegsumstände kamen nur kurzlebige Historiker-Zwischenspiele zustande. Die Hoch- schule musste mit Boehtlingk bis zu dessen Emeritierung im Frühjahr 1919 auskommen. Die Ära Franz Schnabel Nun gelang es endlich, die überlebte Fächer- verbindung zu trennen, und auf das erste reine Geschichtsordinariat gelangte der Hei- delberger Extraordinarius Herrmann Wätjen. Er entnahm seine Vorlesungsthemen Gebie- ten, die angesichts der deutschen Kriegsnie- derlage eines hohen Interesses sicher sein mochten. Allemal dürfte dies für die Vorle- sung "Deutschlands Außenpolitik in den letz- ten Vorkriegsjahren und während des Welt- krieges" zutreffen. - Da Wätjens kurze Ver- weildauer absehbar war, hatte die Hochschu- le vorsorglich den Gymnasiallehrer Dr. Franz Schnabel habilitiert. Det ttat 1922 denn auch die unmittelbare Nachfolge an. Sein Vorle- sungsprogramm bewegte sich kaum einmal hinter das 19. Jahrhundert zurück. Dafür ten- dierte es in die 1914 angemahnte zeitgemäße Richtung: Schnabel kündigte erstmals auch sozial- und wirrschaftsgeschichtliche Themen an. Ob und in welchem Umfang Technikge- schichtliches einfloss, ist unbekannt. In Schnabel erkennen wir den Vertreter einer Forschungsrichtung, die den Haupt- und Staatsakrionen der Großen Politik weni- ger aufgeschlossen begegnete, als es in der aka- demischen Zunft üblich war. Das mochte wiederum einiges mit Schnabels politischem Standort zu tun haben: Der gebürtige Mann- heimer verhehlte nicht seine Loyalität gegen- über der Weimarer Verfassung und rechnete sich dem "liberalen" linken Flügel des politi- schen Katholizismus zu. In dieser geistigen Umgebung gehörten kritische Auseinanderset- zungen mit der Wirrschafts- und Sozialord- nung seit langem zu den auffälligsten Diskus- sionsstoffen. Dieselbe Problematik bewegte nachhaltig auch die Studentenjahrgänge im Weimarer Deutschland. Ihren Niederschlag fanden Schnabels poli- tische Maßstäbe nicht zum wenigsten in dem 96 großen Werk, das er in Angriff nahm - in der auf mehrere Bände angelegten "Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert". Eines seiner Anliegen war es, endlich den rühmlichen An- teil zu beleuchten, den der Liberalismus neben dem vielbeschworenen Bismarckschen an der Reichseinigung hatte. Ferner legte er gewis- sermaßen die erste Schneise, auf der die Ge- schichtsmächtigkeit der technischen Entwick- lung sichtbar wurde. Von der nationalsozialistischen Machtü- bernahme hatten Leute in seiner Stellung und von seinem geistig-politischen Zuschnitt kaum Gutes zu gewärtigen. Schnabel lavierte, ent- ging der "Säuberungs"-Welle, die 1933/34 über die Hochschulen hinwegtobte, lavierte weiterhin. Bald bereute es die Führung, dass Gelehrte seines Schlages fürs erste ihrem Zu- griff entkommen waren. 1935 verschaffte sie sich die gesetzliche Handhabe, um missliebige personelle Altbestände los zu werden. Zu dieser Gruppe zählte an d~r Karlsruher Hochschule u. a. auch Schnabel. Ihn zu entfernen, mach- ten sich Rektor und Prorektor dem Ministeri- um auf unwürdige Art dienstbar, und Schna- bel wurde zum September 1936 zwangsweise emeritiert. In Karlsruhe war es ein offenes Ge- heimnis, dass er nicht einer angeblich erforder- lichen Fächerverlagerung, sondern einer politi- schen Flurbereinigung zum Opfer gef.illen war. Die Hochschulführung merkre schon bald, dass ohne entsprechende Geschichtsunterwei- sung die "weltanschauliche Festigung" der Studentenschaft schwerlich zu erzielen war. Trotz eifrigen Bemühens um eine nationalso- zialistisch bewährte Lehrkraft kamen nur ein paar flüchtige Aushilfen zustande. Das Fach hatte selbst dem Buchstaben nach im Grunde aufgehört zu existieren. Nach dem Zusammenbruch des "Dritten Reichs" kehrte Schabel sogleich zu seiner Lehr- tätigkeit zurück. Im SS 1946 las er einstündig über "Ursachen und Folgen des Jahres 1933". Der Hochschule stand er allerdings nur einge- schränkt zur Verfügung, weil ihn die US-Mi- litärregierung als quasi "Kultusminisrcr" für Nordbaden eingesetzt hatte. 1947 gar nahm er einen Ruf an die Münchner Universität an. Erneut riss eine Lücke auf, und erst 1951 er- hielt die Hochschule wenigstens ein Extraor- dinariat bewilligt, in das der Heidelberger Ex- traordinarius Walther Peter Fuchs einrückte. Seine Betriebsamkeit verhalf dem Fach zu ansehnlicher Statur. Am augenfalligsten wur- de sein Wirken im Aufbau des Studium gene- rale. Seine Lehrveranstaltungen - Vorlesun- gen, Seminare und Kolloquien - umspannten einen weiten Zeitraum der politischen und der Geistesgeschichte. Schwerpunkte bildeten die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, des "Drit- ten Reichs" und der Weimarer Republik, also Abschnitte, für die sich ein unabweisbarer In- formationsbedarf der studentischen Nach- kriegsjahrgänge aufgestaut hatte. Darüber hi- naus wirkte der aktuelle Ost-West-Konflikt auf die Veranstaltungen ein: Einerseits, indem Fuchs Seminare über Marx, Lenin oder den Marxismus sowie über das Berlin-Pro.blem abhielt, anderseits durch Vorlesungen des Ori- entalisten Klingmüller (über das arabische Szenarium) oder des deutsch-amerikanischen Historikers Felix Hirsch über die Abfolge der amerikanisch-sowjetischen Beziehungen. Die zeitgeschichrlich-weltpolitischen Grat- wanderungen, die Fuchs aufgenommen hatte, setzte Thomas Nipperdey seit 1962 in gewis- sem Umfange fort. Fruchtbare Ansätze erga- ben sich sodann aus Seminaren, die er gemein- sam mit dem Kunsthistoriker Lankheit und dem Soziologen Linde bestritt. Mit Nipperdey endet die Reihe der Histo- riker, die an der alten Technischen Hochschule lehrten. 1967, als die Hochschule zur "Univer- sität Karlsruhe (TH)" wurde, nahm dieser vielversprechende junge Wissenschaftlicher ei- nen Ruf an das angesehene Historische Semi- nar der Freien Universität Berlin an. Unter sei- nen Nachfolgern Walter Bußmann und Ru- dolfLill gedieh der betagte Lehrstuhl zu einem Institut, das neben der Lehre auch der For- schung breiteren Raum verschaffte. KLAUS·PETER HOEPKE Geschichte des Instituts für Literaturwissenschaft an der Universität Karlsruhe Das heutige Institut für Literaturwissenschaft geht auf die Errichtung eines LehrstuhIs für Geschichte und Literatur im Jahr 1861 zu- rück, der eine - dem humanistischen Bil- dungsbegriff des 19. Jahrhunderts verpflichte- te - ergänzende geisteswissenschaftliche Aus- bildung für die Studierenden der technischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer gewährleisten sollte. Charakteristisch für diese frühe Form der Literaturwissenschaft 97 an der Fridericiana war eine enge fachwissen- schaftliehe, didaktische und personale Ver- flechtung von Hochschule und oberen Gym- nasialklassen. In seiner weiteren Entwicklung emanzipiert sich das Institut für Literaturwis- senschaft von dieser rein supplementären Funktion, indem es - analog zur Geschichte des Fachs im 19. Jahrhundert insgesamt- eine eigenständige Disziplin allererst ausbildet, die- se institutionell etabliert und entsprechend der zunehmenden Komplexität des Gegenstands ausdifferenziert. Freilich geschieht auch dies in Karlsruhe nicht ohne Rücksicht auf den spe- zifischen Kontext, den Standort an einer Tech- nischen Hochschule. Vor der Installierung des genannten Lehr- stuhls im Jahr 1861 existierten die Fächer Ge- schichte und Literatur als reine Unterrichtsfä- cher, die jeweils beide Disziplinen berücksich- tigten. Zu erwähnen ist hier die Folge ein- schlägiger Professuren, beginnend mit Karl Christoph KühlenthaI, 1825-1854, der zu- dem Französisch, JosefBeck, 1850-1852, der zudem Philosophie, Wilhe1m Gersmer, 1852- 1858, der ebenfalls noch Französisch, und Theodor Löhlein, 1859-1865, der neben Deutsch und Literatur auch Geographie un- terrichtete. Den dann so genannten "Lehr- stuhl für Geschichte und Literatur" hatten die Professoren Hermann Baumgarten von 1861- 1872, David Müller von 1872-1877 und Adam Pfaff von 1878-1885 inne. Die allge- mein auf gymnasiale Abschlussklassen und ein zwar fachfremdes, aber iJ!.teressiertes akademi- sches Publikum bezogene Ausrichtung in For- Franz-Sch nabel-Haus. 98 schung und Lehre lässt sich an den Publikati- onsschwerpunkten dieser Jahre ablesen, für die Theodor Löhleins gemeinsam mit Karl Hol- dermann verfasstes Lehrbuch der allgemeinen Weltgeschichte, mit besonderer Berücksichti- gung der Kunst- und Kulturgeschichte für die Oberklassen höherer Lehranstalten von 1887 ein repräsentatives Beispiel darstellt oder Da- vid Müllers Geschichte des deutschen Volkes, eine, wie es im Untertitel heißt, "kurzgefaßte übersichtliche Darstellung zum Gebrauch an höheren Unterrichtsanstalten und zur Selbst- belehrung" , die 1872 bereits in der vierten (verbesserten und bis 1871 vervollständigten) Auflage erschienen war. Von 1886 bis 1919 lehrte Prof. Dr. phi!. Arthur Boehtlingk am Institut für Geschichte und Literatur, das sein Augenmerk in dieser Zeit auch auf regionalge- schichtliche Themen von lokalpolitischer Re- levanz richtete - hier ist z. B. die 'kulturhisto- rische Studie' zu Carl Friedrich Nebenius. Der deutsche Zollverein, das Karlsruher Polytech- nikum und die erste Staatsbahn in Deutsch- land von 1899 zu erwähnen; einer breiteren fachwissenschaftlieh orientierten Öffentlich- keit ist Boehtlingk u. a. mit seinen Shakespe- are-Studien bekannt geworden. Im Jahr 1919 beginnt die neuere Geschich- te der Literaturwissenschaft an der Fridericia- na: Mit der Einrichtung eines Extraordinariats für Literaturwissenschaft kam es erstmals zu einer Trennung der Fächer 'Literatur und 'Geschichte'; 1922 folgte das Ordinariat für Geschichte. 1924 das Ordinariat für Literatur- wissenschaft. Diese neuere Geschichte ist zu- nächst mit dem Namen Karl Holls verbunden. Karl Holliehne das Fach Deutsche Literatur- geschichte insgesamt von 1917 bis 1936 an der Universität Karlsruhe; zunächst von 1917 bis 1919 als Lehrbeauftragter. dann 1919/20 als Privatdozent von 1920 bis 1924 als außer- ordentlicher Professor. von 1924 bis 1936 schließlich als ordentlicher Professor. Sein Hauptwerk ist die auch heute noch einschlä- gige Geschichte des deutschen Lustspiels. die 1923 erstmals erschienen ist und 1964 noch einmal (und zwar als Nachdruck) aufgelegt wurde. Andere Arbeiten beziehen sich aufLes- sing, Goeme. Schiller. Tolsroi und Hauptmann. 1936 wurde Holl-wie auch der Ordinarius für Geschichte. Franz Schnabel - zwangsemeri- tiert. Der Lehrstuhl für Literaturwissenschaft wurde aufgelöst und erst 1957 wieder einge- richtet. In der Zwischenzeit blieb die Litera- turwissenschaft in Karlsruhe damit ein Desi- derat. Erster Lehrstuhlinhaber wurde 1958 Prof. Dr. Rudolf Fahrner. der 1925 mit einer Arbeit über Hölderlins Begegnung mit Goe- me und Schiller in Marburg promoviert wor- den war und sich 1929 dort auch habilitiert hatte (Thema: Wortsinn und Wortschöpfung bei Meister Eckehart); Beiträge zur Romantik. zu Moritz. Hofmannsthal und Goeme folgren; darüber hinaus hat sich Fahrner mit Überset- zungen aus dem (A1t-)Griechischen und Mit- telhochdeutschen hervorgetan. Nach seiner Emeritierung im Jahr 1970 wurde Prof. Dr. Ja- cob Steincr. Spezialist u. a. für Hofmannsmal 99 und Rilke sowie (zusammen mit Wolfdietrich Rasch) Herausgeber der Münstersehen Beiträ- ge zur deutschen Literaturwissenschaft. auf den Lehrstuhl für Literaturwissenschaft beru- fen (1972). Er lehrte bis 1992. Seit 1993 lei- tet Prof. Dr. Uwe Japp das Institut für Litera- turwissenschaft an der Universität Karlsruhe. Uwe Japp hat u. a. Bücher zur Hermeneutik. zur Literaturgeschichtsschreibung. zur Theo- rie der Ironie und zur Modernitätsforschung veröffentlicht. Erweiterung durch Mediävistik Die zunehmende Spezialisierung des Faches Germanistik und die Erfordernisse einer adä- quaten und umfassenden Gymnasiallehreraus- bildung machte 1969 die Einrichtung eines Lehrstuhis für Deutsche Literatur des Mittelal- ters notwendig. den Prof. Dr. Peter Wapnew- ski von 1969-1979 inne hatte. Forschungs- und Lehrschwerpunkte Peter Wapnewskis sind der Minnesang. u. a. perspektiviert auf die Fra- ge der Mittelalter-Rezeption. der Parzival Wolf- rams von Eschenbach und Hartmann von Aue. Beachtung finden auch seine die Grenzen der Fachwissenschaft zur Musikkritik hin über- schreitenden Studien zu Richard Wagoer. Heu- te wird die Mediävistik von Prof. Dr. Bernd Thum und Hochschuldozent Dr. Burkhardt Krause vertreten. Heutiges Lehrangebot Derzeit umfasst das Lehrangebot des Instituts die Neuere deutsche Literaturwissenschaft (mit Linguistik. Geschichte und Theorie der Medien). einschließlich der Studienkompo- nenre Mediävistik (mit historischer Sprachwis- senschaft. Interkultureller Germanistik und Deutsch als Fremdsprache). Die Studiengän- ge gliedern sich in die B.A-. M.A.-Studien- gänge Germanistik und den Lehramtsstudien- gang Deutsch (Gymnasium). an die sich Pro- motionsstudiengänge in Germanistik und Mediävistik anschließen. Im Rahmen der seit WS 1999/2000 eingerichteten B.A-. M.A.- Studiengänge im Haupt- und Nebenfach kön- nen zudem die dem Institut in sowohl perso- naler als auch fachlicher Kooperation verbun- denen Nebenfächer Multimedia und Journa- lismus studiert werden. Das Institut für lite- raturwissenschaft unterhält mehrere internati- onale Partnerschaften und Austauschabkom- men. so mit den Universitäten Bergamo (Ita- lien). Kingston (Kanada) oder mit der Mo- nash University (Australien). Zur Zeit studie- ren am Institut für Literaturwissenschaft insgesamt 780 Studierende in den jeweiligen Studiengängen (Stand WS 1999/2000). Das Institut verfügt über eine Präsenzbibliothek mit derzeit 35.000 Bänden in den Schwer- punkten ältere und neuere deutsche Literatur und Literaturwissenschaft. allgemeine Litera- turwissenschaft und Literaturtheorie. Am In- stitut für Literaturwissenschaft wird die Ge- schichte der deutschen Literatur in ihrer gan- zen Breite gelehrt. das heißt vom frühen Mit- telalter bis zur Gegenwart. Weitere Schwer- punkte sind die Theorie der Literatur und der Literaturwissenschaft. die Geschichte der Ger- manistik. die Theorie und Geschichte des Dramas u. a. Eine spezielle und über die Gren- zen Karlsruhes bekannte Forschungseinrich- tung ist die Arbeitsstelle Bertolt Brecht. Das Institut für Literaturwissenschaft ist im Franz-Schnabel-Haus untergebracht. ei- nem 1850 als Fasanenmeisterhaus der groß- herzoglichen Domäne Staatliche Forsten er- richteten Gebäude. das die Universität 1920 erhielt. Nach einem 1925 erfolgten Umbau wurde sein Untergeschoss für die Bibliothek des Sportinstituts eingerichtet; im Oberge- schoss befand sich ein Fechtraum. 1934 wur- de das Haus zu einem Schulungsheim der NS- Studentenschaft umfunktioniert und diente- nach dem Wiederaufbau 1949 - von 1951 bis 1990 dem Engler-Bunte-Institut. Abteilung Petrochemie. Seit 1990 behetbergt es das Ins- titut für Geschichte (Untergeschoss) und das Institut für Literaturwissenschaft (Oberge- schoss). 1991 wurde. das Gebäude nach Franz Schnabel (1887-1966) benannt. der von 1919 bis zu seiner Vertreibung durch die National- sozialisten im Jahr 1937 an der Universität Karlsruhe Geschichte lehrte. UWE JAPI'. CLAUDIA STOCKINGER "Geschichtliches Wissen und ästhetische Bildung" Das Fach Kunstgeschichte an der Universität Karlsruhe Bereits 1967 stellte Reinhard Rürup fest: "Die Geschichte der Karlsruher Kunstgeschichte ist bisher nicht geschrieben worden." Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die folgenden Ausführungen stellen einen ersten Versuch dazu dar, indem sie sich auf das wenige, zum Thema vorliegende gedruckte Material stüt- zen. Ergänzend ist eine Sammlung von Ab- schriften aus den reichhaltigen Akten des Lehrstuhls für Kunstgeschichte (Badisches Generallandesarchiv) hinzugezogen worden. die Joachim Hotz 1965 zusammenstellte (Bi- bliothek des Instituts für Kunstgeschichte). Diese Dokumente verdeutlichen. dass die Kunstgeschichte an der Universität Karlsruhe - weit über die lokale Bedeutung hinaus - eine 100 tragende Rolle bei der Etablierung des Fachs an den deutschen Hochschulen spielte. Ihre Geschichte einer intensiven Erforschung zu umerziehen, stellt in der Tat ein Desiderat dar. Kunstgeschichte am Polytechnikum Auch wenn die Kunstgeschichte noch nicht als eigenständiges Fach existierte, so war sie doch von Anfang an fester Bestandteil der Architek- tenausbildung am 1825 gegründeten Karlsru- her Polytechnikum. Denn zur umfassenden Bildung eines Architekten gehörte nicht nur die Kenntnis der alten, insbesondere der anti- ken Baukunst, sondern auch die Geschichte der Bildenden Künste. Ihre Aneignung erfolg- te überwiegend durch zeichnerische Erfassung nach Vorlagenwerken oder Gipsabgüssen. Als allgemein bildendes Fach dienten einige Vor- lesungen auch den Eleven der angegliederten Realschule, darüber hinaus standen sie den angehenden Ingenieuren zur persönlichen Weiterbildung offen. Die Kunstgeschichte hatte also von Anfang an eine doppelte Aufga- be zu erfüllen. Etablierung an der Hochschule Mit der Erhebung des Karlsruher Polyrechni- kums in den Rang einer Hochschule im Jahr 1865 präzisierten die Statuten das Aufgaben- feld der Anstalt als "die wissenschaftliche Aus- bildung für diejenigen technischen Berufsfä- cher, welche Mathematik, die Naturwissen- schaft und die zeichnenden Künste zur Grund- lage haben". Aber auch die Fächer der aus der Realschule hervorgegangenen Allgemeinen Abteilung erfuhren im Zuge der Reorganisati- on eine beträchtliche Aufwertung: So erhielt 1860 bereits die Geschichte, 1863 die Natio- nalökonomie und 1868 die der Architektur zugeordnete Kunstgeschichte ein eigenes Or- dinariat. Hierbei handelte es sich übrigens um eine der ersten ordentlichen Professuren in Kunstgeschichte an einer deutschen techni- schen Hochschule und sie ging außerdem zeit- lich der Etablierung des Fachs an den badi- schen und württembergischen Universitäten Heidelberg (1894/96), Tübingen (1895) oder Freiburg (1909/10) weit voraus; nur in StUtt- gart (1865) war man in der Einrichtung eines Lehrstuhis für Kunstgeschichte erwas schneller. Ihrer Pionierrolle bewusst legte die Karls- . ruher Hochschule größten Wert auf die Beset- zung der Stelle mit einer maßgeblichen Per- sönlichkeit. Bereits 1865 knüpfte man Kon- takt mit dem in Basel Geschichte lehrenden Jacob Burckhardt sowie dem Göttinger Ordi- narius für klassische Archäologie Ernst Curtius und dem in Zürich als Professor für Ästhetik und Literaturgeschichte tätigen Friedrich Theo- dor Vischer. Als diese hoch angesehenen Her- ren absagten, änderte die Findungskommis- sion ihr Vorgehen und berief den erst 30 Jah- re alten Alfred Woltmann aus Berlin. Seine Karlsruher Erfolge in Lehre und Forschung sprachen sich in Fachkreisen schnell herum, sodass die ungleich besser ausgestattete Uni- versität Prag ihn schon 1873 mit einem verlo- ckenden Angebot abzuwerben vermochte. Auch Woltmanns Nachfolge gestaltete sich schwierig, da - wie er selbst in einem Gutach- ten zur Situation formulierte - "die Zahl tüch- tiger Kräfte im Fache der Kunstgeschichte nicht groß ist, weil viele Befähigte durch Man- gel einer Vertretung dieser Wissenschaft an den Universitäten an der consequenten wis- senschaftlichen Ausbildung gehindert, andere durch die unsicheren Aussichten für die Zu- kunft abgehalten worden sind, der streng wis- senschaftlichen Beschäftigung treu zu blei- ben." Auf Anraten Woltmanns entschied man sich für den 33-jährigen Bruno Meyer aus Berlin, auf dessen Wirken ein beträchtlicher Ausbau der Sammlung und die Einführung eines Bildprojektionsapparates (Skioptikon) 101 im Unterricht zurück gehen. Auf das eigen- händige Zeichnen an der Tafel oder die im Hörsaal nur bedingt zweckdienliche Vorlage von Reproduktionsgraphik konnte fortan ver- zichtet werden. Bis heute bildet das Glasbild (Diapositiv) das maßgebliche Arbeitsmittel im Unterricht. Auf Meyer folgte 1884 mit Wil- helm Lübke der erste große Kunsthistoriker auf das Karlsruher Ordinariat. Zürich und Stuttgart stellten die vorangegangenen Statio- nen seiner überaus fruchtbaren Tätigkeit als Professor der Kunstgeschichte dar, in denen er eine bemerkenswerte Anzahl handbuchartiger Überblickswerke verfasste. Einige seiner Bü- cher erschienen in hohen, nach seinem Tod 1893 mehrfach aktualisierten Auflagen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Hierzu zählt auch die gänzlich mit Holzschnitten il- lustrierte "Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart" von 1855, die unlängst als Reprint wieder aufge- legt wurde. Heute erinnert an der Ostseite des Archi tekturgebäudes ein 1894 durch den Bild- hauer Heinrich Weltring geschaffenes Denk- mal an Wilhelm Lübke. Ursprünglich füt sein Grab auf dem Karlsruher Hauptfriedhof be- stimmt, fand es 1895 in der Hoffstraße Auf- stellung und gelangte schließlich 1965 auf den Campus. Kunstgeschichte und Baugeschichte Nicht nur Lübke, sondern auch seine Karlsru- her Kollegen, die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Architekten Josef Durm und Carl Schäfer, traten als Verfasser maßgeb- licher Bücher zur Geschichte der Architektur hervor. Während Durm auch als Architekt sich der Antike und der Renaissance verschrieb, widmete sich Schäfer dagegen bevorzugt dem Mittelalter. Als historistische BaukünstIer bil- dete die Baugeschichte das Fundament ihres Selbsrverständnisses und sie war selbsrver- stäncllich integrativer Bestandteil ihres Unter- richts. Hier manifestiert sich noch zwischen Kunstgeschichte und Architekrur eine gemein- same, von einem positivistischen Geschichts- bild getragene Basis, die in der Abfolge und der Darstellung von Stilen und Epochen zwar Grundlegendes erarbeitete, sich darin aber auch erschöpfte. Um die Jahrhundertwende gehen in der Kunstgeschichte dann von den Universitäten neue Impulse aus, die zu einer Methodenbil- dung modernen Zuschnitts führen und auch die langsam vom Hiswcismus sich abwenden- den Architekten der Avantgarde in der Theo- riebildung beeinflussen werden. An den tech- nischen Hochschulen setzt sich dagegen die von Architekten getragene Baugeschichte als eine von Konstruktion, Material und techni- schen Bedingungen ausgehende Wissenschaft durch, die von der Archäologie über die Haus- forschung und die Denkmalpflege ein eigenes Profil ausbildet. Diese Divergenz manifestiert sich im Übergang von Lübke, dem vorerst letzten Kunsthistoriker auf dem Lehrstuhl, zum ausgebildeten Architekten Adolf Oechel- häuser, der das Ordinariat bis 1919 bekleide- te. Das Bestreben der Kommission lag darin, eine Persönlichkeit zu finden, die noch beide Richtungen vertrat, was sich ab der Weimarer Republik dann auch in der Bezeichnung )n- stitut für Kunst- und Baugeschichte" manifes- tierte. Zugunsten von Integration und Konti- nuität blieben die in den eingeholten Gutach- ten positiv bewerteten jungen Talente, wie z. B. Henry Thode oder Heinrich Wölffiin, daher unberücksichtigt. Nach 1945 Wie weit die Polarisierung zwischen Kunst- und Baugeschichte vorangeschritten war, be- legen die Vorgänge um die Nachfolge von Oe- chelhäuser. Auf den ersten Platz der Beru- 102 fungsliste setzte man den Architekten Karl Wulzinger. der dann auch den Lehrstuhl von 1921 bis 1949 bekleiden sollte. und vollzog damit die Wende. Auf Platz zwei stand Wil- helm Worringer, ein Kunsrhistoriker, der vor allem durch seine Promotionsschrift ,,Abstrak- tion und Einfühlung" über die Kunstgeschich- te hinaus die Architekten der Vorkriegs-Avant- garde, wie z. B. Peter Behrens, nachhaltig be- einflusste. Bereits im Vorfeld der Berufung stellte die Architektur-Abteilung 1919 fest, dass "der Nachweis kunstgeschichtlicher Kennt- nisse auf das wirklich notwendige Maß be- schränkt und dem Fach zugleich innerhalb des ganzen Unterrichtsplanes der ihm gebührende Platz zugewiesen" werden solle. Das Fach Kunstgeschichte wurde nun stellvertretend flir Denkmal für Wilhcl m Lübkc, originale Aufsfellung in der HoIYSlfaße. den Eklektizismus der historistischen Archi- tektur verantwortlich gemacht, da es durch Gelehrte und nicht durch bautechnisch ausge- bildete Fachleute unterrichtet werde. Obwohl die Architektur-Abteilung mit Wulzinger die von ihr gewünschte Orientierung zur Bauge- schichte hin bestimmte, trat sie zugleich den Lehrstuhl an die Allgemeine Abteilung ab - eine widersprüchliche Entscheidung, die nach 1945 revidiert werden sollte. In der Nachkriegszeit erfolgte nicht nur die Rückführung des Instituts für Kunst- und Baugeschichte an die Fakultät für Architektur, sondern auch die Trennung der beiden ganz eigenständige Merhoden und Ziele verfolgen- den Fächer in separate Institute. Aus der zuerst noch der Fakultät flir Naturwissenschaften zu- geordneten Allgemeinen Abteilung entwickel- te sich die Fakultät für Geistes- und Sozialwis- senschaften, der die Kunstgeschichte in der Form einer Zweitmitgliedschaft angehört. Nun eräffnete sich an der Universität Karlsruhe - erstmals seit dem mehr als hundertjährigen Bestehen des Lehrstuhls flir Kunstgeschichte - die dritte und ureigenste Aufgabe, nämlich Schüler des eigenen Faches auszubilden. Mit Klaus Lankheit, der dem Institut bis 1983 vorstehen sollte, fand man für Karlsruhe den sicher bedeutendsten Vertreter der Disziplin nach Lübke. Situation heute Unter den Bedingungen der modernen Mas- senuniversität einerseits und einem durch die Postmoderne ausgelösten starken Interesse an der Geschichte und Theorie der Architektur andererseits vollbringt das personell chronisch unterbesetzte Institut für Kunstgeschichte heute einen "Spagat": es unterrichtet sowohl die jährlich zwischen 180 und 200 zugelasse- nen Studenten der Architektur als auch die rund 250 Studierenden der Kunstgeschichte 103 im Haupt- und Nebenfach. Hinzu kommt das traditionsgemäß lebhafte Interesse der interes- sierten Öffentlichkeit. das sich in den Gasrhö- rerzahlen ausdrückt. Mit der Einführung des Bachelor-Studien- gangs ab Winrersemester 2000/2001 wird die Kunstgeschichte im Rahmen fächerübergrei- fender Module (MOD) ihre Lehrveranstal- tungen außerdem Studierenden anderer Fach- richruogen öffnen und damit einen zusätzli- chen Beitrag - sozusagen die vierte Aufgabe innerhalb der Universität - leisten. Von der ursprünglichen Mission eines Nebenfachs. das am Polytechnikum "geschichtliches Wissen und äs thetische Bildung" vermitteln sollte. zu einem zuerst tragenden, dann zunehmend ver- nachlässigten Bestandteil der Architektenaus- bildung hat sich das Karlsruher Institut heute zu einem eigenständigen, aber dennoch inte- gralen Fach zweier Fakultäten entwickelr. ANNEMARIE JAEGGI Studienkolleg der Universität Karlsruhe Zentrum der Vorbereitungjunger Amländer auf ihr Studium Die Universität Karlsruhe blickt auf eine lan- ge Tradition im Ausländerstudium zurück. Zur Zeit studieren an ihr 2.312 Ausländer. das sind 17.69 % aller Studierenden. Sie kom- men heute aus allen Teilen der Welt. besonders aus China. Afrika. aus den arabischen Län- dern. allen voran Marokko. und aus Osteuro- pa. Es waren schon bis zu 65 Nationen. da- runter sogar eine Studierende von den Oster- inseln. Studierende aus Nepal und Madagas- kar. vertreten. Auf die oft gestellte Frage. wa- rum sie ausgerechnet unsere Universität wähl- teo, verwiesen einige auf ihren guten Ruf, andere nannten Familienmitglieder als Absol- venten der Universität. Letztlich wollen alle gezielt in unserem Land studieren, in dem sie auf Grund seines hohen technischen Stan- darts eine gute und moderne Ausbildung er- wanen. Die jungen Menschen. vor allem aus den ferneren Ländern. treffen bei uns auf völlig an- dere und zum Teil gegensätzliche Lebensge- wohnheiten und sind hier ohne die gewohnte familiäre Sicherheit in einer fremden Welt auf sich selbst gestellt. Die deutsche Sprache ist für sie, zumindest am Anfang, eine zusätzliche Hürde. Durch die Einrichtung von Studienkollegs an Hochschulen ist es möglich. ausländischen Studierenden den schwierigen Übergang in das deutsche Universitäts-. aber auch Alltags- leben zu erleichtern. Das Studienkolleg ist eine zentrale Eintich- tung der Universität Karlsruhe. An ihm lernen oder verbessern die jungen Ausländer die deutsche Sprache. wobei ein Ziel die Wissen- schaftssprache ist. die ihnen das Studium er- leichtert. Besondere Schwerpunkte bilden zu- nächst landeskundliche Themen. die eine mög- lichst schnelle Eingliederung in unseren Alltag ermöglichen sollen. Aber auch Mathematik. Physik. Informatik und Chemie stehen für einen Teil von ihnen auf dem Stundenplan; Schwerpunkte dieser Fächer sind vor allem die Fachsprache und studienbezogene Lern- und Arbeitstechniken. die ihnen. geprägt durch ein 104 I ---/ ~ - -1--- Sprachlabor im Studienkolleg. G völlig anderes Schulsystem, sehr ofr fremd sind. In der Regel haben alle eine Hochschul- zugangsberechtigung, vergleichbar mit dem deutschen Abitur in ihrer Heimat erworben. Aber so unterschiedlich die Bildungssysteme sind, so verschieden sind die schulischen Vor- kenntnisse. Um den jungen Ausländern einen erfolgreichen Einstieg in das Studium zu er- möglichen, orientiert sich die StoffWahl in den genannten Sachfächern an den Erfordernissen eines ingenieurwissenschafdichen Grundstu- diums. Das Studienkolleg wurde 1963 eingerich- tet. 40 Studierende, überwiegend aus Iran, ei- nige aus verschiedenen arabischen Ländern und zwei Brasilianer. begannen in zwei Kursen ihr zweisemestriges Propädeutikum. Heute sind es über 300, die sich hier auf ihr Studium vorbereiten oder studien begleitend ihre Sprach- kenntnisse veniefen woHen. Ende der achtziger Jahre stieg die Studie- rendenzahl sprunghaft an. Zuerst studierten sehr viele junge Griechen am Studienkolleg, dann folgten nach Öffnung des "Reiches der Mitte" die Chinesen, nach der politischen Wende auch Studierende aus Osteuropa und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und inzwischen viele aus Marokko und Zentralaf- rika. Hieraus ist aber auf keine stetige Entwick- lung der Studierendenzahl nach oben zu schließen. Politische Entwicklungen und Kri- sen auf unserer Welt wirken sich immer wie- der auf die Zahl unserer Studierenden und die Zusammensetzung der Nationalitäten aus. So ist das Studienkolleg heute mehr denn je ein Zentrum, an dem sich Studierende aus aller Welt begegnen und sich auf ihr Fachstu- dium vorbereiten. KLAUS DIETER JUSTEN 105 Karlsruher Straßenbahn - Bindeglied zwischen Stadt und Region Die Universität und die Entwicklung des Karlsrtther Nahverkehrs Neben der Universität feiert dieses Jahr auch die Karlsruher »Elektrische" ein rundes Jubilä- um. Auch wenn es eher wenig bekannt ist, so hat doch dieTH/Uni für die Karlsruher Stra- ßenbahn und die Entwicklung des erfolgrei- chen Karlsruher ÖPNV eine nicht geringe Bedeutung. Wenn im Juli fast zeitgleich die Publikationen zu den Jubiläen erscheinen. werden die Verbindungen zwischen beiden Institutionen deutlicher hervortreten. Auf sie sei hier im Vorgriff in aller Kürze verwiesen. Einspruch und Zuspruch von der Hochschule Das Polytechnikum hatte schon seit 1877 di- rekten Anschluss an den öffentlichen Nahver- kehr. da die Pferdebahn unmittelbar vor ihrem H auptgebäude verkehrte. Man darf davon ausgehen. dass die kurz vor der Jahrhundert- wende etwa 1.100 Studenten diese und die Dampfbahn (seit 1881) ab dem nahen Durla- eher Tor nach Durlach sowohl zu ihrer Frei- zeitgestalcung nutzten, als auch um zu ihrem Studienplatz zu kommen. Beim Schritt des Nahverkehrsunternehmens in die Moderne. bei der Elektrifizierung im Jahre 1900. erga- ben sich jedoch aus der bisher problemlosen Nachbarschaft Konflikte. Neben ästhetischen Einwänden der Bürger und des großherzogli- chen Hauses gegen die Oberleitungen in der Stadt verhinderte die Furcht von Vertretern der Institute für Physik und Elektrotechnik vor Stärungen ihrer Versuchsanordnungen' durch die Stromstärke der Oberleitungen de- ren Bau. Aus diesem Grund musste die »Elek- trisehe" bis 1905 in der Kaiserstraße ohne Oberleitung mit zusätzlichen Akkumulatoren betrieben werden. Dies war zwar eine Form, aber nicht gerade eine fortschrittliche und ökonomische der Zweisystemtechnik. Sie hat- te denn auch nach fünf Jahren ausgedient. Aus einer anderen Disziplin der Hochschule erfuhr die Karlsruher Straßenbahn dagegen Unterstützung. Reinhard Baumeister. Profes- sor fur Wasser- und Straßenbau. plädierte 1898 in einem Gutachten für die Verlegung des Karlsruher Hauptbahnhofs von der Kriegs- straße nach Süden. Dieser verhindere mit sei- nen Gleisanlagen und den langen Schließun- gen der Bahnschranken die für ei ne zeitgemä- ße Stadtentwicklung notwendige Straßen- bahnverbindung der Südstadt mit der Stadt- mitte. Baumeister war kein geringerer als der Begründer der modernen Stadtplanung. der im ersten Lehrbuch der neuen Disziplin 1876 geschrieben hatte: »Zwei Aufgaben liegen bei einer Stadterweiterung vor: Neue Wohnungen zu schaffen und den Verkehr zu erleichtern." Städtische Nahverkehrspolitik bis 1914 Die Stadtverwaltung. der Baumeister über vie- le Jahre als Stadtverordneter mit seiner Fach- kompetenz diente. hatte die No twendigkeit der Mobilität für alle früh erkannt und den Ausbau der Landeshaupts tadt zum Eisenbahn- knoten energisch gefördert. indem sie zwei Strecken - die Maxaubahn zum Rhein und die Kraichgaubahn - selbst erbaute und dem Land zum Betrieb überließ. Damit waren Vorausset- zungen für den Industrialisierungs- und Urba- 106 Kaiserstraße Ecke Herrensrraße vor 1905 mit Akkumulatorenwagen. nisierungsprozess wie für Zentralitätsgewinne geschaffen. die seit der Reichsgründung bis 1901 die Bevölkerung der Stadt von 36.000 auf 100.000 ansteigen ließ. Die Oberbürger- meister förderten zudem den Bau von Vorort- bahnen durch private Unternehmer. so die Pferde- und Dampfstraßenbahn. die Durlach im Osten und Mühlburg im Westen mitten durch die Stadt miteinander verband. Sie trug seitdem zur Entwicklung der Kaiserstraße als Geschäftszentrum für Stadt und Region bei. Weitere von der Stadt geförderte Bahnen wa- ren die Lokalbahn. die seit 1890/91 zwischen Spöck im Norden und Durmersheim im Sü- den durch die Stadt verkehrte. und die Albtal- bahn. die seit 1897 ab dem Festplatz über Rüppurr und Etdingen in das Albtal fuhr. Zur Begründung dieser Nahverkehrspolitik führte Oberbürgermeister Karl SehnetzIer 1896 aus. sie ermögliche den in der Stadt beschäftigten Arbeitern einen gesünderen Weg zum Arbeits- platz und zugleich das preiswertere Leben auf dem Land. wahrend in der Stadt dadurch die Steigerungen der Bauland- und Mietpreise gering blieben. Außerdem kämen so landwirt- schaftliche Erzeugnisse leichter in die Stadt und die Städter am Wochenende leichter in die Naherholungsgebiete. 1903 übernahm die Stadt die Straßenbahn in eigene Regie und setzte sie nun im Sinne Baumeisters verstärkt als Mittel der Stadtent- wicklung ein. Das Netz wurde ausgebaut, mit der Verlegung des Hauptbahnhofs 1913 fielen zahlreiche Behinderungen durch die früheren Kreuzungen der Straßen- mit den Eisenbahn- gleisen. die sich wie ein Ring von der Kriegs- 107 straße über die Beienheimer Allee, Mathy-, Hans-Sachs-, Riefstahl- und heutige Erzber- gerstraße um die Stadt gelegt hatten. Die Dif- ferenzierung der Stadt in Vienel unterschied- licher sozialer Prägung sowie in Industriege- biete wie in gemischte Gewerbe- und Wohn- gebiete schritt dank der Vernetzung durch die Straßenbahn voran. Eine aus heutiger Sicht er- staunlich realistische Vision der nahverkehrs- politischen Entwicklung in die Region trug 1912/13 Oberbürgermeister Karl Siegrist vor. Er wollte die Straßen-, Lokal- und Albtalbahn in einer von der Stadt dominierten Gesellschaft vereinen und zugleich das Nahverkehrsnetz in die Region - in das Pfinztal, in die Pfalz, nach Rußheim - durch neue Strecken erweitern. Trotz des Scheiterns dieser Vision an der Mehr- heit der Stadtverordneten behielt auch in der Nachkriegszeit die Straßenbahn ihre Bedeu- tung als beherrschendes Massenverkehrsmit- tel, das 1929 durch den Ausbau der Strecken nach Daxlanden, Rappenwört und Knielin- gen seine bis dahin größte Ausdehnung erfuhr. TH I Uni-Professoren a1. Nahverkehr.planer Die Pläne Siegrists lebten fort in den noch weitergehenden Überlegungen (Vorortbahnen bis Bruchsal, Rastatt und Waghäusel) des Gene- ralbebauungsplans von 1926, der als Ziel des Ausbaus des Ortsstraßenbahnnetzes die Ver- bindung der Vororte mit dem Stadtinnern auf möglichst kurzem Wege formulierte. Neu an den Plan überlegungen ist die Prognose, dass der Straßenraum künftig für Straßenbahn und Auto nicht ausreichen werde. U-Bahnen, wie sie in den Metropolen bereits entstanden seien, kämen für Karlsruhe allerdings nicht in Frage. Damit war ein Thema angeschnitten, das die Stadt- und Nahverkehrsplanung bis heute in unterschiedlicher Intensität beschäftigt. Dabei korrunt nun auch die Hochschule, bzw. deren Vertreter einschlägiger Fächer wieder ins Blickfeld der Karlsruher Nahverkehrsentwick- lung. Unter den Beratern und Gutachtern der Stadtverwaltung in Verkehrsfragen sind min- destens drei Professoren der Hochschule zu nennen. Friedrich Raab, Wilhelm Leutzbach und Rolf Funck. Raab schlug in den frühen 1940er Jahren im Zusammenhang mit einer Neustrukturierung des Eisenbahnnetzes eine Erweiterung des Straßenbahnnerzes samt einer besseren Abstimmung beider Verkehrsträger im Regionalverkehr vor. Leutzbach gutachtete zur Frage der Wirtschaftlichkeit des Baus einer Nordbahn im Jahr 1970, wobei er eine abge- speckte Version ohne den östlichen Ast nach Friedrichstal empfahl und auch den Weiterbau ab Leopoldshafen von einer entsprechenden Bevölkerungsentwicklung in Linkenheim- Hochstetten abhängig machte. Rolf Funck, wie Baumeister zugleich langjähriges Gemein- deratsmitglied, war 1976 und 1980 an der Ausarbeitung zweier Gutachten beteiligt, die mittelfristig für den Ausbau des ebenerdigen Straßenbahn-I Bus-Systems plädierten, das in die Region auszuweiten sei. Langfristig sollte an den Bau unterirdischer Kompaktbahnen gedacht werden. Aufgrund eines ablehnenden Bürgerentscheids 1996 fährt die Straßenbahn immer noch überirdisch durch die Kaiserstra- ße, deren starke Belastung ein noch zu lösen- des Problem der Kommunalpolitik bleibt. Entscheidung rur die Straßenbahn in den 1950er Jahren Diese Gutachten stehen vor dem Hintergrund einer grundsätzlichen Entscheidung der Stadt Karlsruhe für die Straßenbahn. Als in anderen Städten nach jahtzehntelang ausgebliebenen Investitionen die heruntergewirrschafteten Be- triebe ganz oder große Streckenteile stilIgelegt wurden, verhielt sich die Stadt Karlsruhe an- tizyklisch und verfügte 1980 als eine von vier 108 deutschen Großstädten über ein längeres Streckennetz als 1929. In den 1950er Jahren traf sie' grundlegende Entscheidungen dafür: Die Albtalbahn wurde erworben, umgespurt und mit dem Straßenbahn netz verknüpft. 1%0 erhielt die im Hardtwald neu angelegte Waldstadt Stra- ßenbahnanschluss. In beiden Fällen fiel die Entscheidung be- wusst gegen den Einsatz von Bussen zur Bewältigung des Nahverkehrs. Dies hatte seinen Grund auch darin, dass die Zweisysu~m-Stadtbahnwagen auf der Kraichgaubahn kurz nach seiner Fahrt durch den BauerbacherTunnel im Juli 1997. Karlsruher Innenstadt mit der Hauptverkehrsader Kaiserstraße nicht für den autogerechten Ausbau geeignet war. Auch die Beschaffung neuer, moderner Großraumwa- gen seit 1954 belegt die Entscheidung für die Zukunft der Straßenbahn. Uni-Absolvent als VBK-Chef Die künftige Bedeutung der Straßenbahn er- schien seit den 1970er Jahren in neuem Licht. Die wachsende Zahl der Kfr und damit auch der Berufs- und Ausbildungspendler, die nun mit dem Auto in die Stadt kamen, führte immer häufiger zum Verkehrsinfarkt und zu erhöhten Umweltbelastungen. Um den Trend der sinkenden Fahrgastzahlen umzukehren, starteten die Verkehrsbetriebe eine langfristig angelegte und - wie die Fakten heute beweisen - äußerst erfolgreiche Offensive zur Attrakti- vitätssteigerung des ÖPNV. Das Streckennetz wurde weiter ausgebaur u. a.: Nordweststadt (1975), Neureut (1979), Oberreur (1986), in den Wagenpark investiert, ein Beschleuni- gungsprogramm durch Vorfahrtsberechtigung an den Ampeln seit 1987 realisiert und attrak- tive Tarifangebote, darunter auch eine "Studi- Karte", mit Erfolg entwickelt. Seit 1977 zeich- net dafür Dieter Ludwig verantwortlich. Wie eine ganze Reihe von Studenten der Friderici- ana hat er sich als Aushilfsschaffner und Fah- rer bei der Straßenbahn sein Bauingenieur- Studium mitfinanziert. Er initiierte auch die wegweisende Entwicklung der Zweisystem- technik, die in Zusammenarbeit mit der Uni- versität zwischen 1983 und 1989 entstand. Seine Fakultät verlieh ihm dafür 1998 ihren ersten Ehrendoktortitel. Ausgangspunkt der Überlegungen Ludwigs war die Erkenntnis, dass die auf das Auro umgestiegenen Pendler nur zurückzugewinnen seien, wenn sie aus der Region ohne umzusteigen direkt in die City gelangen könnten. Dazu mussten die Bundes- bahngleise für die Stadtbahn mitbenutzbar sein, was Fahrzeuge erforderte, die unterschiedliche Betriebsspannungen "verarbeiten" konnten. Erst damit war es möglich, in den 1990er Jah- ren äußerst rasch das Nahverkehrsnetz zu rea- lisieren, das Stadt- und Verkehrsplaner seit Jahrzehnten entworfen haben. Weit in das Um- land mit einer Streckenlänge von etwa 400 km ausgreifend, verbindet die Stadtbahn - zum Vorteil beider - Karlsruhe mit der Region. MANFRED KOCH 109 175 Jahre Polytechnikum - Technische Hochschule - Universität Karlsruhe Gymnasien und Hochschulen in Baden und anderswo Zwischen Vorbehalten und Zusammenarbeit 1862 beauftragte Großherzog Friedrich I. den Historiker an der Universität Heidelberg Ge- org Gottfried Gervinus, ein Gutachten für "die Neugestaltung des Gesamtunterrichtswe- sens im Großherzogtum Baden" zu erstellen. Unter anderem findet man dort die Klage, dass unter den Erstsemestern viele den Anfor- derungen der Hochschulen nicht genügen. Der Übergang von Gymnasien zur Universität sei in Deutschland "durchgehend ein ganz un- vermittelter; man geht von der Hauszucht zur Ungebundenheit, von der allgemein mensch- lichen Ausbildung zum besonderen Fachstudi- um in plötzlichen Sprüngen über, zur Wahl des Berufs meist durch zufällige Einflüsse ge- trieben, am wenigsten durch eigene Einsich- ten in die verschiedenen Berufs- und Wissens- zweige orientiert'f, wobei dem Gutachter Ger- vinus angelsächsische Strukturen in vielem vorbildlich erschienen. Darüber hinaus gäbe es Spannungen zwi- schen dem bürgerlichen Bildungsideal des Humanismus und den "Utilitaristen", die "dem technischen Fortschritt und finanziellen Gewinn anhingen". Darum müsse man mit einer realistischen Abteilung an Gymnasien "dem staunenswerten Aufschwung der Na- turwissenschaften" Rechnung tragen. Diese Denkschrift, fur Friedrichs Cabinetts-Chef ein "wahrer Hochgenuss", berührte demnach Pro- bleme, die über Jahrzehnte hinweg bis heute aktuell sind: mangelnde wissenschaftliche Vorbereitung der Abiturienten und unzurei- chender Umfang der Naturwissenschaften im Lehrplan. "Das ganze Land war schulkrank" Bei der badischen Schulreform der 60er Jahre im 19. Jahrhundert, für die man Pädagogen aus Preußen geworben hane, z. B. Gusrav Wendt als Schulleiter fur Karlsruhe, zog man gegen den "Philologismus" zu Felde, wie er vor allem an der Universität Heidelberg zelebriert wurde: für wissenschaftliche Forschung zwar nützlich, für das Klassenzimmer lähmend. "Pedantismus und Drängen nach prunkhaf- tem Vielwissen" (Gervinus) sei die Folge, und Wendt forderte als Mitglied des Oberschulrats "eine geistige Durchdringung" der Lektüre, eine "Einführung in das Geistesleben", wir würden sagen: fächerübergreifendes Verständ- nis fur Zusammenhänge. Und so wurden Stun- dentafeln und Lehrpläne entsprechend geän- dert. Vorher und nachher wurde das Schulwesen aber von den Klagen der Eltern begleitet, denn man überfordere die badischen Kinder, die "so viel lernen sollten, wie die preußischen Jun- gen", ja Mediziner lieferten schon früh Gut- achten zur Überforderung der Gymnasiasten, und die "Schulkrankheit" war Thema des ba- dischen Landtags. Wende um 1900 Noch hatte das humanistische Gymnasium das Monopol für den Hochschulzugang für staatstragende Berufe wie Verwaltung, Justiz, Bildungswesen. Aber Wirtschaft, Industrie, Handel fragten auch in Baden ungestümer nach einer dem Zeitgeist aufgeschlossenen 110 Bildung. Zusammen mit Professoren des Po- lytechnikums sah man diese in der Realschu- le, die, zur Oberrealschule mit Oberstufe auf- gestockt, die Naturwissenschaften neben mo- dernen Fremdsprachen besonders betonten. Da zollte freilich nicht jeder Beifall, z. B. Pro- fessor earl Engler, der das Latein bei seinen Studenten in Karlsruhe nicht missen wollte, wohl um gegenüber den alteingesessenen Uni- versitäten Heidelberg und Freiburg den Rang des Polytechnikums nicht gemindert zu sehen. So diente diesem Ziel das Reformrealgymna- sium mit Latein, z. B. die Karlsruher Goethe- Schule, und bereicherte den wachsenden Vari- antenreichtum der höheren Schulen. Den allgemeinen Zugang zur Hochschule dieser verschiedenen Bildungswege schuf die Reichsschulkonferenz 1900, auf der in ge- wohnt zackiger Manier Wilhe1m Ir. dröhnre, er wolle nicht junge Griechen und Römer er- zogen wissen, sondern junge Deutsche. Das Monopol des humanistischen Gym- nasiums war endgültig gebrochen. Wenn man Protokolle dieser Konferenz liest, in denen viele Universitätsprofessoren leidenschaftlich klagten, dass nicht nur der "aufbrechende Ma- terialismus" das humanistische Menschenbild verstümmeln werde, sondern auch die geisti- ge Zucht, den logischen Sinn, die Erkenntnis- bereitschaft und somit die formale Bildung künftiger Studenten zerbreche, findet man einen weiteren Beleg für die harsche Kritik der Universitäten an den höheren Schulen, in Baden wie anderswo. Der bedeutende Philolo- ge Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff for- mulierte: "Die Antike als Einheit und Ideal ist dahin, die Wissenschaft selbst hat diesen Glau- ben zerstört." Nun darf man daran erinnern: der Auf- bruch in Naturwissenschaft und Technik, die Glanzpunkte neuer wissenschaftlicher Er- kenntnisse in der Medizin im Deutschland des 19. Jahrhunderts - er wurde weitgehend von Forschern mit humanistischem Bildungsgang bei sparsamster Bestückung der nichtsprachli- chen Fächer im Lehrplan getragen. Aber der Zug der Zeit fuhr in eine neue Richtung. Während neun Gymnasial-Schul- jahre bis zum Abitur auch in der Weimarer Zeit unabdingbar erschienen - damals schon länger als im Ausland -, kürzte Hitler die "Oberschulen" um ein Jahr, um Platz für den Wehrdienst zu schaffen. Dem durfte nicht widersprochen werden, auch nicht von den Hochschulen, die Abiturienten mit ideologie- gesättigtem Lehrstoff aufzunehmen hatten, und sie "dem deutschen Geist" zuführen soll- ten, wie die Inschrift an der Neuen Universi- tät Heidelberg umfunktioniert wurde. Wenn je eine Studenrcngeneration von den Universitäten freudig begrüßt, ja später ideali- siert wurde, so war es die Kriegsgeneration nach 1945. Mit Abiturvermerk, langem Wehrdienst und Gefangenschaft, mit großen Bildungslü- cken und Unsicherheiten, aber mit außer- ordentlichem Wissensdurst und Ernst begeg- neten ihnen die z. T. frisch entnazifizierten Professoren, die sich nicht an Rechtschreibung und Zeichensetzung in Seminararbeiten stör- ten, sondern glücklich waren, nicht nur wie- der lehren zu dürfen, sondern gerade auf eine so aufgeschlossene Studentenschaft zu stoßen. Die immerwährende "Bildungskatastrophe" Doch in den 50er Jahren begann schon die erneute Kritik am Gymnasium, und in Baden- Württemberg wurde der Begriff "Bildungska- tastrophe" kreiert, der offenbar seitdem in der öffentlichen Diskussion zur allgemeinen Mün- ze wurde. So galt die Unzufriedenheit am bis- herigen Abitur des "multum non multi', des Vielerlei statt des Wesentlichen. Von immer mehr immer weniger wissen, bis man von al- lem nichts weiß. so ironisierte man die breiten 111 Stundentafeln. in die in der Tat. nicht zuletzt auf Drängen der Öffentlichkeit. immer neue Stoffe aufgenommen wurden. Ob Wirtschaft. Recht. Staat. ob Umwelt. Gesundheit. Sexua- lität und anders mehr. die Forderungen zielten auf neue Fächer. und in der ,,-kunden-Inflati- on" nimmt es nicht wunder. dass der Verband der Möbelindustrie eine "Wohnraumkunde" forderte. damit die Jugend in der Schule ler- nen solle, wie man sich später einzurichten habe. Mancher Einfall konnre abgewehrt oder in der Erlassflut versteckt werden. wie z. B. die Beachtung und Bewahrung von Ameisenhau- fen bei Schulausflügen. so auf Antrag aus dem Landtag. Das war das eine. der Geist durchgreifen- der Reformen das andere. die Auflehnung ge- gen den "Muff unter den Talaren". die Wahl von allem und jedem als Kriterium demokra- tischen Selbstverständnisses. So fragte man stringenr. wieso ein 18-jähriger Primaner als Soldat unrer Umständen sein Leben opfern dürfe. zwar den Bundestag. Landtag und Ge- meinderat wählen könne. ihm aber die Wahl zwischen Musik und Bildender Kunst im Stundenplan versagt bleibe. Die Oberstufenreform 1972 Die Oberstufenreform. die weitgehend Fä- cherwahlen ermöglichte. wurde nicht zuletzt auf Drängen der Universitäten ins Rollen ge- bracht. um den künftigen Studierenden an Wenigem das Grundsätzliche von Methodik. die "wissenschaftspropädeutische Kompetenz". so hieß die gängige Formel. zu vermitteln. Und da drang auch Ideologie durch. Im pro- fessoralen Schulausschuss der Westdeutschen Rektorenkonferenz. den gab es damals. erwog man sogar den Vetzicht auf eine zweite Fremd- sprache. um die "postfaschistiode Elitensttuk- tur des traditionellen Gymnasiums gegenüber Edukanden mit restringiertem Spracheode aus unterprivilegierten Sozialschichten nicht per- petuieren zu lassen". wie man so volksnah for- mulierte. Und die Gleichwertigkeit aller Fä- cher harre für die Schule genauso zu gelten wie an der Universität. Und "demokratisch" war auch. Mathematik in der 13. Jahrgangsstufe abwählen zu lassen. um die Zahl der Abituri- enrinnen zu steigern als Prinzip der Frauene- manzipation. Wer als Vertreter für Baden- Württemberg damals im Bildungsrat mit be- stimmten Hochschulvertretern zu diskutieren hatte. weiß ein Lied davon zu singen. Kaum war die Oberstufenreform realisiert. 1978 in unserem Land verspätet und mit strengen Auflagen versehen. erfolgte erneute Kritik. obwohl hier z. B. kein Baukastensys- tem wie in Norddeutschland bei Naturwissen- schaften eingerichtet wurde - ein "Semester" Physik. eines in Chemie. von jedem erwas und nichts Konsequentes. Die Fächerwahl war ein- geschränkt. so dass schon andere zu Beginn im Landtag und in der Presse an der südwestdeur- sehen Realisierung aufgrund unzureichender Fächerwahl heftige Kritik übten. Vor allem sollte auch das schriftliche Zentralabitur erhal- ten bleiben. keine einfache Sache. z. B. Musik und Bildende Kunst "abituriabel" zu machen. Neue Ziele Mit der neuen Oberstufenreform ab 2004 soll der Pflichtbereich verstärkr. die Wahlmöglich- keit eingeschränkt werden. Dies wird u. a. in vierstündigen Fächern Deutsch. Mathematik und Fremdsprache neben eingeschränkter Profilkurswahl geschehen. wobei auch die Na- turwissenschaften stärker als bisher berück- sichtigt werden, eine Reform. von den einen im Landtag als Gymnasium des 21. Jahrhun- derts gelobt. von anderen als "Rückschritt und Flickschusterei" gescholten. Wie werden sich die Hochschulen dazu verhalten? Wird man dem ehemaligen stärker spezialisierten Leis- 112 Der Präsident des Oberschulamts Karlsruhe Or. Hirsch und der Rektor der Fachhochschule Professor Fischer stellen im Frühjahr 2000 mit Mitarbeitern das gemeinsame Projekt ,,Anwcndungsorientiene Mathematik~ vor, mit dem in Schule und Hochschule komplexe Vorgänge anschaulich dargestellt werden können. tungskursschüler nachtrauern, ode.r wird man die breitere Allgemeinbildung schätzen? Eini- ge gymnasiale Fachverbände, gedeckt von den zuständigen Hochschulfakultäten, stimmen jetzt schon Jeremiaden an, wenn ihr Fach nicht mehr schriftlich abituriabel wäre, weil die Kernfachhierarchien wieder hergestellt sind und z. B. - bis aufwenige Gymnasien mit Musikzügen - der Schulmusiker sein Prestige allein als Schulabschlussmusikant festigen kann. Die Oberstufe 1972 hatte ja auch die Lehrersoziologie tangiert mit dem Grundsatz: alle Fächer haben gleichen Notenwert. Nun sind ca. 30 Jahre für die bisherige Oberstufenreform eine lange Zeit gewesen. Viele tüchtige Schülerinnen und Schüler haben auch hier ordentliche Leistungen erbracht und haben ein erfolgreiches Studium abgeschlossen. In weiteren 30 Jahren steht sicher die nächste Reform zur Diskussion, und die Hochschulen werden auch dann sicher neue Forderungen stellen. Der Wandel ist das Konstante. Soweit die Diskussion auf Spitzenebenen und im medialen Bereich. Im Einzelfall funk- tioniert die Zusammenarbeit von Hochschu- le und Gymnasium viel konstruktiver, als dies in dem üblichen Bildungskatastrophengerede spürbar ist. So sind sich die meisten Hoch- schullehrer bewusst, dass sie für Berufe und nicht nur für Habilitationen ausbilden. Au- ßerdem erkennen viele, dass eine stetig wach- sende Zahl einerseits von Abiturienten, an- dererseits von Diplominhabern seit den 60er Jahren unumkehrbar ist. Zwar will man im Gymnasium wie vorgesehen mit einem fächer- übergreifenden Lehrplan den Sinn für Zusam- menhänge über einzelnes Faktenwissen stärker fördern, die Technik des wissenschaftlichen Arbeitens in Seminarkursen besser einüben, wie einst in den Leistungskursen geplant, um einen neuen Brückenschlag zu erkunden; ge- rade im Seminarkurs sollen komplexe Themen- steIlungen selbstständiges Arbeiten samt schrift- . licher und mündlicher Präsentation praktiziert 113 werden, im Schula11tag nicht immer einfach zu vetwirklichen. Auch müsste Durchhaltevermö- gen, Kreativität, Memodenkompetenz, Aus- drucksvermögen und manche andere Studien- bedingung bei gleichzeitiger Anerkennung be- sonderer Lernleistungen neue Akzente erhal- ten. Doch es bleibt eben abzuwarten, auf wel- ches Echo nun diese Bemühungen bei den Hochschulen stoßen werden. Lehrerfortbildung - ein Dialog Es gibt aber noch andere Konstanten, auf die man bauen kann, und das ist die Lehrerfort- bildung, schon seit Gervinus' und Wendts Zeiten gefordert und damals partiell prakti- ziert. Lehrerfortbildung ist mehr als nur eine Einbahnstraße mit der Weitergabe von neues- tern Faktenwissen; sie ist ein Dialog zwischen Schule und Hochschule, bei dem auch letzte- re Empfangende sein kann. Zudem hat uni- versitäre Fortbildung der Lehrerschaft auch eine mentale Funktion. Man tritt z. B. lehre- rinnen und Lehrern der Mathematik und Na- turwissenschaften nicht zu nahe, wenn "das Gros seine fachliche Entwicklung nach Ab- schluss des Studiums beendet hat und selbst besonders Qualifizierte die Fachentwicklung eher unter didaktischen denn unter fachin- haltlichen Aspekten sehen", so sei einer ihrer Vertreter in leitender Position zitiert. Und man kann hinzufügen: Kein Wunder. wenn die Schule heute mehr denn je zur Reparatur- anstalt der Gesellschaft verurteilt wird. "Die Folge scheint mir", weiter im Zitat, "eine Er- starrung im Unterricht zu sein. Im Vorder- gtund steht das formale Lernen, das zum Ziel hat, Inhalte abzuarbeiten. Nicht im Vorder- grund steht dagegen ein lebendiges Lernen, das zum Ziel hat zu fragen, wozu eine Fach- methode eingeführt wird, Überblicke über Fachmemoden zu schaffen mit dem Ziel, die Fähigkeit bei Schülern zu entwickeln, für ein- zelne Problemstellungen geeignete Fachme- thoden zur Problemlösung auszuwählen, den Schüler zu veranlassen, über eine Fragestellung unterrichtsunabhängig nachzudenken und seine Fähigkeiten an den Problemen seiner Welt zu erproben, letztlich: eigenverantwort- lich weiterzudenken." Wer als Schulvetwaltungsbeamter mit sol- chen Forderungen werbend in lehrerkollegi- en spricht, stößt oft auf Skepsis, weil da "von oben" wieder einmal eine aparte bildungspo- litische Selbstverständlichkeit verbreitet wird. Anders bei einer Fortbildungsveranstal- tung, bei der z. B. der Dekan der Fakultät für Physik mit den Worten einleitet: "Wir möch- ten Ihnen, Ihren Schülerinnen und Schülern die Freude und Faszination vermitteln. die die Karlsruher Physiker an ihrem Fachgebiet ha- ben." Wissenschaft als Faszinosum, das schafft Gehör. Freilich sollte dies beiderseits gesche- hen. Denn wer als Kommissar in vielen Staars- examina tätig war und ist, muss fragen, ob das auch für Hochschullehrer immer gilt, nicht nur abprüfbares Wissen, formales Lernen, Pri- orität von hochspezialisierten Einzelaspekten in Prüfungen zu werten. Es sollte auch Pro- blembewusstsein und Kritikfähigkeit, Fähig- keit zum Überblick, auch fächerübergreifend, Mut zur Auseinandersetzung mit Kernfragen und anderes mehr erwartet werden, dass bei dem zunehmendem Tempo des Veraltens von Faktenwissen vor allem die intellektuelle Per- sönlichkeitsstruktur auf der Universität ge- prägt werden sollte und das spätere Alumni mit Dankbarkeit erfüllen kann. Derzeitige Diskussionen innerhalb der Hochschulen zei- gen, dass man hier wie im Schulwesen solche Fragen zu stellen vermag. Fortbildung in der Region Erörterungen allein helfen nicht weiter; wich- tig sind Aktionen, wie sie z. B. in der Region 114 des Oberschulamts Karlsruhe vollzogen wer- den, weil sie manche falsche Vorstellungen vom "computerscheuen fünfi.igjährigen Päd- agogengreis" korrigieren können. So finden seit fünf Jahren Forumsgespräche "Informa- tik" der Universität Karlsruhe mit Fachleitern und -beratern, Beamten der Schulverwaltung einschließlich des Kultusministeriums statt. Zu einer Vortragsreihe ,,Aktuelle Themen der Informatik für Informatiklehrer" wird zwei- mal im Jahr eingeladen, neben den didakti- schen Kolloquien, auf denen Professoren aus ganz Deutschland sprechen. Für 15 Lehrer wurde ein viersemesrriges Informatikstudium eingerichtet, um eine Ergänzungsprüfung ab- legen zu können. Zum "Pilotprojekt mobiles Klassenzimmer" konnte das Oberschulamt Lehrkräfte aus ganz Baden-Württemberg in die Universität Karlsruhe einladen, dem ca. 300 Teilnehmer folgten. Und auch an den Uni- versitäten Mannheim und Heidelberg finden entsprechende mamematische Kolloquien starr. Erfolgreich war der ArbeitSkreis ,,Anwen- dungsorientierte Mathematik - Simulation dynamischer Vorgänge", beginnend 1993. Mit der Publikation "Mathematische Begriffe visu- alisiert" nebst einer CD-Rom werden 39 Unter- richts- und Vorlesungsmemen dargestellt. Die elektronischen ArbeitSblätter liefern ein Medi- um, mit dessen Hilfe sowohl durch Schaubilder und dreidimensionale Darstellungen als auch durch Animationen in Form von kleinen Fil- men abstrakte mamematische Begriffe greifba- rer und damit begreifbarer gemacht werden, für Schule wie für Hochschule gleich geeignet. Unmittelbar an die Schülerschaft hat sich die Universität Karlstuhe in Wochenend- und Ferienkursen gewandt und ihnen 1998/99 er- möglicht, an den ersten beiden Semestern des Studiums "Praktische Informatik" teilzuneh- men, einschließlich eines später verwertbaren Scheins, falls die hierfür benötigten Klausuren mit Erfolg abgelegt werden. Ähnliche Aktivitäten finden auch in Mann- heim und Heidelberg statt, und eindrucksvoll ist die Zeitschrift "Future", die vom Ober- schulamt und der Universität Mannheim seit dem Frühjahr 2000 herausgegeben wird, z. Zt. von der Universität finanziert, bald wohl von Sponsoren gestützt und vielleicht von der Uni- versität Karlsruhe mitgetragen. Die ca. 5.000 Exemplare werden zu je 40 an die allgemein, und berufsbildenden Gymnasien, an motivier- te Mitglieder des Lehrerkollegiums und der Schülerschaft verteilt. "Wir wollen", so Kanz- ler Oe. Dieter Erdmann im Vorwort, "Ihnen die Faszination der Wissenschaft unmittelbar nahe bringen und Ihnen Ergebnisse direkt aus der Werkstatt präsentieren". Regierungsschul- direktor Wolfgang Buhmann fahrt fott: "Schrei- ben Sie uns ganz einfach: erste Kontakte zur Uni und den Autoren sind sehr erwünscht." Von dieser Form einer fruchtbaren Zusam- menarbeit liest und hört man in Berichten über Schule und Hochschule wenig, weil Missstände leichter zu kolportieren sind. Frei- lich darf man sich auch keine Illusionen ma- chen. Man wünschte sich, die Zahl der Träger und Teilnehmer der Veranstaltungen könnte größer und die Beteiligung engagierter sein. Dennoch verselbständigen sich schon jene Kontakrveranstaltungen, werden für viele zur regelmäßigen Fortbildungseinrichtung, ver- bessern zudem auch die Kontakte zwischen den Teilnehmern. Als hervorstechend kann der hohe Anteil von Empfehlungen für neue Lehrpläne und der Ansporn für die Fach- und Schulbuchliteratur gelten. Gleichzeitig wächst bei Universitätsdozenten das Interesse an di- daktischen Problemen und die Auseinander- setzung mit gymnasialen Lehrplänen. ,,Auch in den Wissenschaften kann man eigentlich nichts wissen, es will immer getan sein." Recht hat Goerne in seinen "Maximen". LEONHARD MÜLLER 115 "Nous sommes les beaux enfants de Camp de Gurs " Aus dem Nachlass der Landesforsorgerin beim Evangelischen Oberkirchenrat, Gertrud Ham- mann, im Stttdtarchiv Kttrlsruhe. "Wir haben ein wenig Französisch gelernt. Jetzt pass' einmal auf, was wir können: nous sommes les beaux enfants de Camp de Gurs. Wir können auch das Lied: En passant par la Lorraine ... In unserer Baracke haben wir kleine Fens- ter bekommen. Alle Tanten haben blaue Blu- sen bekommen. Hoffentlich bist Du noch ge- sund. Schreibe uns bald wieder. Viele, viele Grüße von allen aus der Baracke Sonnen- schein." "Liebes Fräulein Hammann! Viele, viele Grüße auch von mir. Wie Sie sehen, bin ich noch hier. Die Arbeit macht mir wohl Freude, aber es ist auch sehr viel Schweres dabei. Die IGnder denken und sprechen oft und viel von Ihnen - sie werden Sie sicherlich nicht verges- sen. Sonst ist hier alles beim Alten. In der IGn- derbaracke haben wir kleine Fenster bekom- men, so dass es nicht gar zu finster mehr ist. Leben Sie nun wohl-liebes Fräulein Ham- männchen und alles, alles Gute, Ihre Rita Chantoff." Konzentrationslager Gurs Dies sind Auszüge aus Briefen jüdischer IGn- der und ihrer Betreuerin vom 31. Januar 1941 im Deportationslager Gurs an Gertrud Ham- mann, die von Mai bis Dezember 1940 selbst in Gurs interniert gewesen war und deren Nachlass seit 1998 im Stadtarchiv Karlsruhe archiviert ist. In einem Gespräch mit IGrchenrat Hans Maaß und dem Autor Jörg Thierfelder erzähl- te Gertrud Hammann Ende der 80er Jahre von ihren Erlebnissen im Konzentrationslager Gurs. Mit Bewunderung sprach sie von den jüdischen Frauen, die in dem wenigen Ge- päck, das sie bei ihrer Deportation hatten mitnehmen dürfen, eine Sabbatkerze mit sich fuhrten, um auch in Gurs den Sabbat feiern zu können. Freitag abends empfand Gertrud Hammann als Christin jüdischer Herkunft unter den anderen Frauen riefe Einsamkeit. "Damals waren wir noch weit davon entfernt, gemeinsam Psalmen in deutscher Sprache zu beten. So war ich auch hier als evangelischer Christ nicht auf- und angenommen." Bedrängnisse einer Halbjüdin Gertrud Hammann wurde am 28. Februar 1910 als Tochter ei~er evangelischen Christin und eines aus streng orthodoxer Familie stam- menden Juden geboren. Die Bedrängnis ihres Vaters Hugo Friedmann durch die National- sozialisten kommt in dessen Briefen an seine Tochter deutlich zum Ausdruck. "Ich habe nach wie vor die größten Sorgen und weiß nicht, was die Zukunft für mich ist. Mein Geschäft ist erledigt", schreibt der Inha- ber einer Heizungs- und Installationsfirma in Mannheim am 19. März 1937 an seine Toch- ter. "Mein Geschäft weiter zu betreiben wird mir zur Unmöglichkeit gemacht und ich beab- sichtige entweder zu verkaufen oder auszu- wandern" , berichtet Hugo Friedmann in ei- nem Brief vom 26. Januar 1938 über seine be- rufliche Situation. Auch Gertrud Hammann war in dieser Zeit als Halbjüdin in großer Bedrängnis, und sie befasste sich ebenfalls mit Auswanderungs- plänen. Seit 1932 war die gelernte IGndergärt- nerin als Leiterin des Evangelischen IGnder- 116 gartens in Neumühl bei Kehl tätig. Von ,,5 Jahren ungetrübter Gemeindearbeit" spricht Gertrud Hammann in einem handschriftli- chen Bericht über ihre Entlassung aus dem Dienst der Gemeinde Neumühl, einer damit einhergehenden Vorladung bei der Gestapo und einem Hetzartikel der Zeitung "Stürmer", der gegen sie und die zu ihr haltenden Frauen des Neumühler Frauenvereins gerichtet war. "Ein sonderbarer Frauenverein" ist der in Form eines Leserbriefes verfasste Artikel des "Stürmer" aus dem Jahr 1937 überschrieben. In vetächtlichem Tonfall wird darin die Treue der Neumühler Frauen zu GerttUd Hammann angeprangert. Die Vereinsfrauen, meist Mütter von Gertrud Hammanns Kin- dergartenkindern, hatten GerttUd Hammann sechs Wochen nach ihrer Entlassung in Mann- heim besucht und zur Erinnerung ein Grup- penfoto aufgenommen. Mit der Untetschtift "Artvergessene deutsche Weiber besuchen eine Jüdin und lassen sich von ihr photographie- ren" ist dieses Foto im "Stürmer" abgebildet. Gertrud Hammann schreibt hierzu in ihrem handschriftlichen Bericht: "Ein gemeinsames Bild auf dem Heidelberger Schloss geknipst ... karn in die Hände - durch wen weiss ich nicht - in die Redaktion des 'Stürmer' u. wurde mit einem Text versehen veröffentlicht". Die gro- ße Beliebtheit Gertrud Hammanns in der Ge- meinde Neumühl kommt auch im Brief des Neumühler Bürgermeistets Jakob Gilg vom 7. Juli 1937 an Gertrud Hammann zum Aus- druck. "Die gesammte Einwohnerschaft be- dauert Ihren Wegzug recht schmerzlich. Ich möchte Ihnen nochmals vielen Dank sagen für das viele Gute u. die reiche Arbeit, die Sie zum Wohle unserer Gemeinde, und haupt- sächlich zur Erziehung unserer kleinen Jugend getan haben." Bald nach ihrer Entlassung aus Neumühl erfuht Gertrud Hammann erneut die mit dem nationalsozialistischen Menschenbild einher- Brief jüdischer Kinder aus dem Dcponationslager Gurs an G ertrud Hammanu. gehende Diskriminierung. In einem ärztlichen Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamts Mannheim "zur evtl. Aufnahme in den Hessi- schen Diakonieverein e.V" Darmsradr" wird die Frage, ob die Untersuchte gesundheitlich zum Beruf der Schwester oder Fürsorgerin ge- eignet sei, so beantwortet: "gesundheitlich ja. doch sieht sie sehr jüdisch aus". Exil in Südfrankreich GerttUd Hammanns Jahre im Exil in Süd- frankreich sind in Briefen dokumentiert, die sie an ihre Pflegefamilie in Heidelberg ge- schrieben hat, in ihrem Schriftverkehr mit französischen Behörden und in Zeugnissen der Universität Monrpellier, wo sie neben ih- 117 Gertrud Hammann an ihrem Schreibtisch arbeitend. rerTätigkeit als Haushaltshilfe in einer franzö- sischen Familie Gesang, Literatur und Pädago- gik studierte. Eine Aufenthaltsgenehmigung für Frankreich hatte Gertrud Hammann nur durch den Nachweis erhalten, keiner bezahl- ten Arbeit, sondern Studien nachzugehen. An- lässlich des am 10. Mai 1940 beginnenden deutschen Frankreichfeldzuges wurden seitens der französischen Behörden die in Frankreich lebenden Deutschen, darunter viele emigrierte Juden, interniert. Gertrud Hammann kam zunächst in das Lager Lodeve und wurde von hier aus nach einigen Wochen in das Lager Gurs verlegt. Diese Epoche in Gertrud Ham- manns Leben ist in den eingangs zitierten Briefen jüdischer Kinder und ihrer Betreuerin Rita Chantoff an die ehemalige Mitgefangene dokumentiert. Im badischen Kirchendienst Im Jahre 1947 kehrte Gertrud Hammann nach Deutschland zurück. Vom 1. Mai 1948 bis zu ihrer Pensionierung am 30. September 1971 arbeitete sie im Dienst der Evangelischen Kirche Badens. Aus der frühesten Zeit dieser Berufsjahre ist ihr Ausweis erhalten, der sie als Flüchtlingsfürsorgerin des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Offenburg auszeich- net. Im Kirchenbezirk Lahr organisierte Ger- trud Hammann in dieser Funktion die Flücht- lingsfürsorge von Grund auf, erfasste und be- treute die eingewiesenen Flüchtlinge und leis- tere beim Empfang und der Weiterleitung der Heimatvertriebenen im Hauptdurchgangsla- ger in Offenburg wertvolle Dienste, wie in ihrem Zeugnis bestätigt wird. Im März 1949 wurde Gertrud H ammann Landesfürsorgerin beim Evangelischen Oberkirchenrat in der Blumenstraße 1 in Karlsruhe und war in die- ser Funktion beim Aufbau und in der Leitung der kirchlichen Sozialarbeit in den ländlichen Kirchenbezirken tätig. In Doris Eck's Nachruf "Was war das Besondere an Gertrud Ham- mann" wird berichtet, dass Gertrud Ha- mmann sich in dieser Zeit außerdem der Ju- gendarbeit an der Lutherkirche annahm. In diesem Zusammenhang organisierte und leite- te sie Sommer- und ·Winterfreizeiten für Kin- der und Jugendliche auf der Aschenhütte. Von 1955 bis 1971 war Gertrud H am- mann Geschäftsführerin des Frauenwerks der Evangelischen Kirche Badens. Aus dem Re- chenschaftsbericht ,,40 Jahre evangelische Frauenarbeit in Baden 1916-1956 "und aus Doris Eck's Erinnerungen werden ihre Leis- tungen in dieser Funktion deutlich. Unter ih- rer Leitung wurden das Müttergenesungsheim in Baden-Baden, das Marie-von-Marschall- Haus in Hinterzarten und das Müttergene- sungsheim "Haus Belchenblick" errichtet. Sie initiierte staatsbürgerliche Tagungen mit Für- sorgerinnen und Tagungen für weibliche Kir- chenälteste und führte Freizeiten für Berufstä- tige mit dem Schwerpunkt kunstgeschichtli- cher Freizeiten in Frankreich durch. Nach Doris Eck's Beschreibung prägte und gestaltete Gertrud Hammann in der Frauenar- beit vor allem die sozialen und gesellschaftsori- entierten Arbeitszweige. 118 Eine sehr persönliche Seite Gertrud Ham- manns kommt in der Trauerrede für sie von Oberkirchenrat Baschang zum Ausdruck: dass Gertrud Hammann groß und klein mit "Her- zele" anreden konnte, was ihr dann im Evan- gelischen Oberkirchenrat die Anrede "Tanre Herzele" eingebracht habe. Gertrud Ham- mann starb am 12. Juni 1990 in Karlsruhe. Sie wurde am 15. Juni 1990 auf dem Hauptfried- hof beigesetzt. Ihr Nachlass im Stadtarchiv Karlsruhe dokumentiert aus mehreren Blick- winkeln die Karlsruher Stadtgeschichte: das Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Nati- onalsozialismus, Frauenerwerbstätigkeit und die Frauenarbeit der Evangelischen landeskir- che Badens. ANGELIKA SAUER Karlsruher Partnerstädte Krasnodar - Geschenk einer Zarin Gründung und Entwicklung Die Übereignung von Land zur Anlage von Befestigungen an besonders streitbare Fürsten, die Markgrafen, ist uns seit König Heinrich I. (919-936) im Osten Deutschlands überlie- fert. Auch die russische Zarin Jekaterina be- diente sich dieses Mittels zur Erweirerung und Sicherung ihres Machtbereichs. Diese aus dem deutschen Fürstenhaus Anhalt-Zerbst stam- mende, 1745 mit Zar Peter 111. vermählte Fürstin ist besser bekannt unter dem Namen Katharina die Große. Sie ließ 1762 ihren Mann, den Zaren, stürzen und ermorden und sich zur Kaiserin ausrufen. Wenige Jahre vor ihrem Tod 1796 schenkre sie im Herbst 1793 den Saporosher Kosaken am rechten Ufer des Kuban-Flusses unweit der Ausläufer des Kau- kasus zur Gründung eines Militärlagers bewal- detes Land. Zudem warb sie deutsche Bauern zur Besiedelung und Urbarmachung des lan- des an. Die Kosaken-Hetmane dankten ihrer Zarin, indem sie den neuen Ort "Jekateri- nodar", zu deutsch "Geschenk Katharinas" nannten. Dank der Tüchtigkeit der Schwarzrneerko- saken und der deutschen Bauern blühte der Ort bald auf und wurde zur "Perle Rußlands", wie es der russische Dichter Michail Lermon- tow ausdrückte. Was immer dies bedeutet ha- ben mag, die Wertschätzung der Stadt blieb bis heute erhalten. Ab 1860 galt die zur Stadt ausgebaute Festung als Verwaltungszentrum der Kosakenregion "Kuban" und erhielt 1867 den Status einer "zivilen Stadt". Nach dem Sieg der "Roten Armee" in der Oktoberrevo- lution erhielt sie 1920 den Namen "Krasno- dar", was "Rotes Geschenk" bedeutet. Bestre- bungen nach dem Ende des Sowjetsystems, der Stadt den alten Namen wiederzugeben, wurden am 24. November 1992 in einer Volksabstimmung abgelehnt. Im Zweiten Weltkrieg Trotz der engen Verbindungen Badens mit dem russischen Zarenreich, die durch die Ver- mählung der badischen Prinzessin Elisabeth mit dem Zaren Alexander I. seit 1793 bestand, dürfte der Name Krasnodar den Karlsruhern 119 Neubaukomplex an der .. ul iza krasnaya", in dem das Haus des Buches untergebrach t ist. Blick auf das R. .. thaus mit dem Vorplatz. Die .. uHu krasnaya" verl ~i u ft von links unten nach rechts oben. 120 wohl erstmals im Sommer 1942 begegnet sein, als die 17. Armee auf dem Vorstoß zu den kau- kasischen Ölfeldern am 8. August die Stadt besetzte. Auf ihrem Rückzug im darauffolgen- den Winter musste die 101. Jägerdivision mit ihren Karlsruher Soldaten ab dem 15. Januar 1943 die Kubanbrücke bei Krasnodar vertei- digen, bis diese am 11. Februar gesprengt wur- de. Den Rückzug der 101. Jägerdivision vom Kaukasus in den Kubanbrückenkopfhat einer der Teilnehmer, der zeitweise in Karlsruhe le- bende Autor Willi Heintich, in seinem Ro- man "Das geduldige Fleisch" in dichterischer Freiheit nachgezeichnet. Anfange der Beziehungen Es waren junge Karlsruher um Jan-Dirk Rausch, die den Weg zur Völkerverständigung bereiteten und die zugleich den Grundstein unserer Beziehungen zu Krasnodar legten. Der Stadtjugendausschuss Karlsruhe hatte sich für 1979 mit Erfolg für ein ,,14-Städte-Pro- gramm" beworben, das von der Bundesregie- rung für den deutsch-sowjetischen Jugendaus- tausch initiiert und gefördert wurde. So ver- brachten 30 junge Erwachsene aus der UdSSR im Februar 1979 zehn Tage in Karlsruhe. Sie kamen aus Krasnodar, was ein reiner Zufall war. Im September 1980 reiste dann im Zuge eines vom Stadtjugendausschuss entwickelten Bildungs- und Begegnungsprogramms eine Delegation von 30 Karlsruher Jugendgrup- penleitern zum Gegenbesuch nach Krasnodar. Es war nicht einfach, damals das Programm im so genannten "valutafreien Austausch" auf- recht zu erhalten, denn das bedeutete, dass die jeweils reisende Gruppe ihre Flugkosten und die Aufenthaltskosten ihrer Freunde beim Ge- genbesuch zu tragen hatte. Die Kürzung der öffentlichen Zuschüsse 1982 erschwerte die Kontakte. Zusätzliche organisatorische Proble- me bereiteten die Kommunikationsmöglich- 121 keiten ohne Faxgeräte und mit stundenlangem Warten auf telefonische Verbindungen. Den Karlsruhern, die nach Krasnodar im- mer über Moskau reisen mussten, fiel schnell der immense Unterschied zwischen den bei- den Städten auf. Während in Moskau kaum Plätze in Restaurants zu finden waren, ver- strömten die Eisdielen, die Cafes und Bars und die Parks in der Kubanmetropole südlän- disches Flair. Die Nähe zum Schwarzen Meer ließ alle Vorurteile, in Rußland sei es immer kalt und grau, schnell vergessen. In Karlsruhe versuchte man den jungen russischen Gästen im Gegenzug die badische Lebensart nahe zu bringen. Dazu lud man sie, wie es auch in Krasnodar geschehen war, für die Dauer des Aufenthalts in die eigene Familie ein. Dies war die Grundlage lang anhaltender Freundschaf- ten, in russisch "Druschba", und vielleicht das wichtigste Element des Austausches. Auf die- se Weise konnte auch. die anfängliche Scheu der Gäste vor dem Fremdartigen, dem sie zumeist ohne besondere Sprachkenntnisse be- gegneten, rasch überwunden werden. Entge- gen den anfänglichen Befürchtungen waren die Gäste aus Krasnodar keine "linientreuen Funktionäre", sondern zumeist unpolitische Menschen, mit großem Interesse an deutscher Kultur, Lebensweise und Architektur. Für manche war die Reise in den Westen auch Belohnung für gute Arbeit im Betrieb, im Ju- gendverband oder in der Gewerkschaft. Der Gedanke einer Städtepartnerschaft mit Krasnodar wurde erstmals öffentlich 1981 in den "Badischen Neuesten Nachrichten" er- örtert, worauf die Stadrverwaltung zunächst noch zurückhaltend reagierte. Mit der sich nach Westen öffnenden Politik Michail Gor- batschows gab es neue Möglichkeiten der Be- gegnung: Die badische Sport jugend organi- sierte ein Austauschprogramm, und zu Gast- spielen reisten das Sinfonieorchester an der Universität, das Kabarett "Herr Bär" und das Amateurtheater "Die Spur" nach Krasnodar. Dieser Ausdehnung der Aktivitäten folgte 1989 die Gründung des "deutsch-sowjeti- schen Freundeskreises", eines lockeren Zusam- menschlusses junger Leure, der den Gedanken der Städtepartnerschaft weiterverfolgte und den Gemeinderat zu interessieren versuchte. Für den Austausch ergab sich eine charakteris- tische Änderung durch den Zusammenbruch des Sowjetimperiums. Mussten bis dahin die Sowjetbürger bangen, ob sie eine Ausreisege- nehmigung erhalten würden, um "raus" zu kommen, so kontrolliert heute die Bundesrepu- blik, ob die eingeladenen Gäste "rein" dürfen. Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages Die staatlichen Veränderungen ermöglichten es zu Beginn der 90er Jahre auch, dringend benötigte Hilfe aus Karlsruhe für Krasnodar zu organisieren. Im Februar 1991 machten sich sieben junge Karlsruher auf den 3.240 km langen Landweg, um Medikamente, medizini- sche Geräte, Kleidung und Lebensmittel nach Krasnodar zu bringen. Im Gepäck hatten sie auch ein Schreiben verschiedener Mitglieder des Gemeinderats, das sie im Rathaus in Kras- nodar überreichten. Oberbürgermeister Valerij Samojlenko reagierte mit einer Einladung ei- ner Delegation des Karlsruher Gemeinderats für den Herbst 1991 nach Krasnodar. Dieser Einladung folgten im Oktober unter Leitung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Heintich Maul sechs Gemeinderatsmitglieder, ein Ver- treter des Hauptamtes der Stadt und ein Dol- metscher. In einem ausführlichen Gespräch mit OB Samojlenko wurden die Ziele des Be- suches erörtert. Es sollten Grundlagen für Be- ziehungen auf breiter Ebene geschaffen wer- den, vor allem sollten die Bürger und der Be- reich aller Bildungsinstitutionen und die Ver- eine einbezogen werden. Dieser Besuch be- wirkte auch im Karlsruher Rathaus eine Ände- rung der bisherigen Zurückhaltung gegenüber einer Städtefreundschaft. Im Dezember dank- te OB Gerhard Seiler seinem Kollegen Samo- jIenko für die gastfreundliche Aufnahme der Karlsruher Delegation und lud eine Delega- tion aus Krasnodar zum Gegenbesuch ein. Nach einigen Unstimmigkeiten wegen der Vi- saerteilung konnte die Delegation aus Krasno- dar im April 1992 Karlsruhe besuchen. Dabei stellte OB SamojIenko seine Stadt vor. Da- nach leben in Krasnodar auf einer Fläche von 840 Quadratkilometern erwa 780.000 Men- schen. Die Stadt ist umgeben von gtoßen landwirtschaftlichen Flächen, auf denen u. a. auch Reis und Tee angebaut werden, und sie beherbergt viele Versuchs- und Forschungsein- richtungen. Krasnodar ist in fünf Verwal- tungsbezirke eingeteilt und die "Duma" hat 200 Abgeordnete. Die Stadtverwaltung be- schäftigt einschließlich der Lehrer und Ärzte 20.000 Mitarbeiter. Samojlenko erinnerte auch an den Zweiten Weltkrieg, die Besetzung und teilweise Zerstörung der Stadt durch deutsche Truppen. Er führte weiter aus, dass durch den Zerfall der Sowjetunion viele wirtschaftliche Beziehungen abgebrochen und einst gesunde Betriebe zahlungsunfähig geworden seien. Deswegen erhoffe er sich von der Städte- freundschaft neben dem Informationsaus- tausch vor allem erfolgreiche wirtschaftliche Beziehungen. Es gelte nun, die von jungen Menschen beider Städte geschaffene Grund- lage für eine Städtefreundschaft zu nutzen. Mit dem Besuch paraphierten die Stadtober- häupter eine gemeinsame Erklärung zur Be- gründung der Städtefreundschaft. Aus den leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege und ihrer Folgen sowie in dem Streben nach dau- erhaftem Frieden in Europa wollten beide Städte den Erfahrungsaustausch und die kom- munale Zusammenarbeit besonders auf den Gebieten von Kunst und Wissenschaft, der 122 Die "ulim krasnaya" wird am Wochenende durch Sperrung für den Kfz-Verkehr zur Fußgängerzone. Stadtplanung, der Wirtschaft und Bildung sowie der Gesundheit und des Sports pflegen. Vor allem aber sollten ohne bürokratische Hemmnisse die Begegnungen von Bürgern und Bürgerinnen beider Städte insbesondere der Jugend gefördert werden. Nach einer Wirtschafts-Delegation im Mai besuchte Anfang August 1992 eine 3D-köpfi- ge städtische Delegation unter Leitung von OB Seiler die Stadt am Kuban und wurde mit überwältigender Gastfreundschaft aufgenom- men. Im Gedenken an den 8. August 1942 an dem die deutsche Wehrmacht gegen Krasno- dar vorrückte, bedauerte der Karlsruher Ober- bürgermeister, dass vor allem die Zivilbevölke- rung "als Ergebnis einer menschenverachten- den Ideologie hart getroffen wurde." Dabei ge- dachte er auch der vielen tausend deutschen Soldaten, die in Gefangenenlagern in und um Krasnodar gestorben waren. Die mit der Freundschaft und Partnerschaft zu Krasnodar angebahnten Beziehungen ermöglichten es den Veteranen des "Traditionsverbands Sozia- les Hilfswerk 1 0 1. Jägerdivision e. v. " im Som- mer 2000 im ehemaligen Kampfgebiet ein Mahnmal zur Erinnerung an diese schwere Zeit zu erstellen und ihrer 700 Toten zu ge- denken, die auf dem Friedhof der Stadt Cha- dyshensk beerdigt sind. Im Perwomaijskij- Park pflanzten die beiden Oberbürgermeister einen Freundschaftsbaum. Die .. Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe-Krasnodar" Die Städtepartnerschafts-Iniriative Karlsruhe wurde zu dieser Zeit umgegründet in "Freund- schaftsgesellschafr Karlsruhe-Krasnodar e. v.". Sie ist bis heute die treibende und verbinden- de Kraft der zahlreichen Begegnungen zwi- 123 sehen Bürgern und Organisationen unserer beiden Städte. Dies ist auch dokumentiert in der 1997 erschienenen deutsch/russischen Pub- likation von Jan-Dirk Rausch und Swetlana Nikiforowa: ,,3.240 Kilometer sind keine Ent- fernung", im Buchhandel erhältlich. Die Ver- mittlung von Ferien- oder Praktikumsplätzen, von Folkloreauftritten, Ausstellungen, Schul- partnerschaften, die Durchführung von Bür- gerreisen oder die Organisation von Hilfs- transporten, nichts ist den Mitarbeitern der Freundschaftsgesellschaft fremd. Im Januar 1993 wirkte sie sogar mit bei der Organisati- on eines Fluges von 42 Tonnen HiIfsgütern nach Krasnodar mit einer .,Antonov" der rus- sischen Luftwaffe. Impressionen aus Krasnodar Als Dank der Stadt Krasnodar wurden einige Mitwirkende an dieser Aktion zur 200-Jahr- Feier der Stadt im Oktober 1993 eingeladen, um die Stadt noch besser kennen zu lernen. Krasnodar liegt wie Venedig auf dem 45. Brei- tengrad und ist eine auffallend grüne Stadt mit vielen Parks und Bäumen entlang der großen Straßen. Die Hauptstraße ist die "uliza krasna- ya", die "Rote Srraße'\ wobei "krasnyj" auch .. schön" bedeuret. Sie beginnt am Platz der Arbeit mit dem monumentalen Gebäude des ehemaligen Bezirkskomitees der KPdSU und ' endet nach etwa 2,5 km beim Hotel Intourist am Platz der Oktoberrevolution gegenüber dem Rathaus. Auf halber Strecke findet man das "Haus des Buchs", die Puschkin-Biblio- mek, das aufFallige Operettenmeater, die Phil- harmonie und das originelle Puppentheater sowie das Bezirksmuseum und einige Galeri- en. Abwechslung bieten auch die bunten Aus- lagen der Geschäfte und Kioske sowie der ,.Arbat" , der Kunsrmarkt, wo am Wochenen- de Gemälde und Kunstgegenstände unter frei- em Himmel angeboten werden. Zahlreiche Clubs, Cafes, Kinos und Parks sowie verschie- dene Sporthallen und eine Pferderennbahn vervollständigen das vielseitige Freizeitangebot der südlichsten Metropole Rußlands. An der .. uliza Starropolskaja" zieht das Gebäude der Kuban-Universirät mit seiner Hauptfassade aus Marmor und Mosaikbildern die Blicke an. Bei einem Spaziergang durch den Park auf der Kuban-Insellädt das Restautant .. Kuren" mit Motiven aus dem Alltagsleben der Kosaken zum Verweilen ein. Moderne Architektur mit zehnstöckigen Wohnblocks findet man an den Stadträndern, vor allem im jüngsten Stadtteil .. Jubilejnyi", aber auch im Wohngebiet .. Kom- somolsky", wo auf 240 ha etwa 70.000 Men- schen leben. Die Umgebung Krasnodars bie- tet mit den Vorbergen des Kaukasus, der Nähe zum Schwarzen und zum Asowschen Meer oder Ausflugsfahrten auf dem Kuban gute Naherholungsmöglichkeiten. Vom Freundschafts: zum Partnerschaftsvertrag Die Kontakte zwischen Krasnodar und Karls- ruhe gewannen zunehmend an Intensität und Qualität. Dabei sind die zahlreichen Transpor- te mit humanitären Gütern hervorzuheben und der große Einsatz beider Freundeskreise anzuerkennen. Diese Beurteilung führte nach einer fünfjährigen Beobachtungsphase dazu, dass OB Seiler dem Gemeinderat 1997 vor- schlug, den Freundschafts- in einen Partner- schaftsvertrag umzuwandeln. Dieser Anre- gung folgten die Gremien beider Städte. Ver- gessen war die Zeit des Zögerns. Unerwartet viele Austausche und Besuche von Schülern, Studenten, Lehrern, Dozenten, Vereinen und Bürgern hatten die anfänglichen Bedenken der Verwaltung zerstreut und die Städtepart- nerschaft "von unten" mit Leben erfüllt. FRITHJOF KESSEL 124 100 Jahre Christuskirche Karlsruhe In hervorragender städtebaulicher Situation am Mühlburger Tor in Karlsruhe erhebt sich seit genau einem Jahrhundert der eindrucks- volle Bau der evangelischen Christuskirche. Mit einem festlichen Gottesdienst, dem durch die Uraufführung des "Christushym- nus" von Oskar Gottlieb Blarr besonderer Glanz zuteil wurde, mit einem Festakt im Al- bert-Schweitzer Saal und einem abendlichen Bachkonzert gedachten die beiden Christusge- meinden am 15. Oktober 2000 des Tages der feierlichen Einweihung ihres Gotteshauses, die in Anwesenheit des Großherzogs am 14. Ok- tober 1900 stattfand. Der damalige Pfarrer der seinerzeit noch ungeteilten IIWestsradtgemeinde", Franz Rho- de - der "rote Rohde", wie er wegen seiner li- beralen Haltung und seines sozialen Engage- ments von vielen genannt wurde - hatte seine Festpredigt unter das Leitwort "Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewig- keit" (Hebräer 13,8) gestellt, und dieses Wort ist nun auch vom Landesbischof Dr. Ulrich Fischer zum Thema seiner Predigt im Jubilä- umsgottesdienst gewählt worden. Die Anfänge Die Geschichte der Gemeinde, die 1900 die Einweihung ihrer neuen Kirche feierte, be- gann jedoch nicht mit jenem Jahr. Ihre Ur- sprünge gehen vielmehr bis auf das Jahr 1857 zurück, als die evangelische Kirchengemeinde Karlsruhe in mehrere "Untergemeinden" auf- geteilt wurde, die sich allmählich verse!bsrstän- digten. Eine dieser Untergemeinden umfasste die Innenstadt westlich der WaIdstraße und nannte sich zunächst "Neustadtgemeinde" . Sie wurde zur Keimzelle der heutigen Christus ge- mein den. Ihr erster Gemeindepfarrer war der Literat und spätere Oberhofprediger Kaiser Wilhe1ms 1., Emil Fromme!. Schon vor der Jahrhundertwende war die heurige Reinhold-Frank-Straße hinaus ge- wachsen und schloss nun die Neubauviertel im Westen und Südwesten der Stadt mit ein. Bislang hatten die Gottesdienste der Gemein- de, die sich nun "Weststadrgemeinde" nannte, in den Kirchen der Innenstadt oder in Behelfs- räumen, wie z. B. im Saal des Pfründnerhauses am Mühlburger Tor, stattgefunden, aber nun war der Bau eines eigenen Gotteshauses un- umgänglich geworden. Erste Planungen für einen Neubau gab es bereirs im Jahre 1888. Die Frage eines geeigne- ten Grundstücks wurde durch eine großherzi- ge Spende des Großherzogs glücklich gelöst: Er stellte den Bauplacz aus seinem Domänen- besitz kostenlos zur Verfügung. Die Lage des Grundstücks war fast ideal zu nennen, nach- dem nun das Mühlburger Tor quasi ins Zen- trum des Gemeindegebiets gerückt war. Aller- dings wurde der Baugrund im Westen von der damaligen Bahnlinie nach Mannheim be- grenzt, die im Zuge der heutigen Riefstahlstra- ße verlief, so dass in den Anfangsjahren die Gottesdienste bisweilen durch das Rattern und Pfeifen der Züge gestört wurden. Neuer Plan - neuer Baustil Zur Gewinnung eines geeigneten Bauplans für das neue Gotteshaus wurde eigens ein Archi- tekten-Wettbewerb durchgeführt, und nach einer Überarbeitung wurde schließlich der Entwurf des damals sehr renommierten Büros 125 ChrislUskirche vor 1913. Links Riefsrahlstraßt mit Eisenbahnlinie nach Mannheim, im Hintergrund das Oberlandesgericht, rechts Westendmaße. heute Reinhold- Frank-Straße, im Vordergrund die: Kaiserallee. der Architekten Curjel und Moser. von denen pikanterweise der eine Jude und der andere Katholik war. zur Ausführung bestimmt. Der Bau wurde innerhalb von vier Jahren hochgezogen. Er entsprach in seiner Grund- idee dem so genannten "Wiesbadener Pro- gramm" für den evangelischen Kirchenbau. das danach strebte. dem "allgemeinen Priester- tum aller Gläubigen" zu dienen. Man wollte die Trennung in Hauptschiff. Seitenschiffe und Chor vermeiden und nicht nur den Altar. sondern auch die Kanzel als Ort der Predigt. die im Mittelpunkt des Gottesdienstes steht. auch räumlich in eine zentrale Position brin- gen. Die Sitzreihen und Emporen wurden nach Art eines antiken Theaters auf Altar und Kanzel hin ausgerichtet. und folgerichtig wur- de auch die Orgel auf die Empore hinter dem Altar gestellt. so dass sich auch die Kirchen- musik im Angesicht der Gemeinde abspielen konnte. Der Grundriss des Baus ist der Form eines griechischen Kreuzes nachempfunden. der Hauptturm sitzt auf der zentralen Vierung. Es ist von vier Ecktürmen, die den vier Evangelisp ten zugeordnet sind. umgeben. Im Aufriss ist die Kirche. die in rotem Bundsandstein errich- tet wurde. neugotisch gestaltet. Allerdings macht sich der künstlerische Zeitgeist in vielen prachtvollen Jugenstil-Schmuckelementen in Stein. Holz und Schmiedeeisen bemerkbar. die sich harmonisch in das Gesamtbild einfü- gen und die Kirche zu einer architektonischen Besonderheit werde~ lassen. Auch die großen farbigen Fenster. die in gotischem Maßwerk Motive aus dem Alten und dem Neuen Testament darstellen. waren vom Jugendstil geprägt. Einige von ihnen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. sie wurden teils restauriert. teils durch neue Ent- würfe einfühlsam ersetzt. Besonders ein- drucksvoll ist die große Rosette über dem Haupteingang. die Christus gewidmet ist. Auch sie musste nach dem Krieg neu erstellt werden. Kriegschäden Damit ist schon angedeutet. dass die Kirche die Zeitläufe nicht unbeschadet überstanden hat. Während sie im Ersten Weltkrieg nur ihre Glocken verlor. die sie für Kanonen hingeben musste. wurde sie im Zweiten Weltkrieg durch zwei Luftangriffe schwer in Mitleidenschaft gezogen. 126 Im September 1942 vernichtete ein durch Brandbomben verursachtes Feuer die Dächer und alle Turmhelme. Die Trümmer durchbra- chen die Gewölbe, so dass auch das Innere schwer geschädigt wurde. Der große Kron- leuchter zerschellte am Boden, und die Orgel war durch Ruß und Löschwasser unbespielbar geworden. Im Inneren, einigermaßen wieder hergestellt und mit Notdächern versehen, er- litt die Kirche im Dezember 1944 bei einem weiteren Großangriff auf Karlsruhe noch einmal erhebliche Schäden, diesmal durch Sprengbomben. Die Gewölbe rissen erneut, und die Fenster der Ost- und Südseite zerbars- ten im Druck der Luftminen. Wiederaufbau Nach dem Ende des Krieges machten sich die beiden Gemeinden - 1932 war die.Weststadt- gemeinde in die zwei heutigen Christus-Ge- meinden aufgeteilt worden - mit bewunde- rungswürdiger Tatkraft an den Wiederaufbau ihres Gotteshauses. Bereits 1948 konnte es feierlich wieder eröffnet werden. Dies machte es möglich, der ebenfalls "ausgebombten" ka- tholischen St. Stephanus-Pfarrei zeirweilig Gastrecht zu gewähren. Zum 50-jährigen Jubiläum der Christus- kirche war die Rosette in alter Farbenpracht wieder entstanden, 1953 konnten zum dtitten Mal neue Glocken geweiht werden, und 1966 war auch eine neue Orgel aus dem Hause Klais spielbereit. Mit der Installation eines neuen großen Kronleuchters im Jahre 1981 war der Innenausbau endlich wieder vollendet. Die Wiederherstellung des Äußeren nahm naturgemäß längere Zeit in Anspruch. Fast vierzig Jahre nach Kriegsende waren die Turm- stümpfe der Kirche immer noch durch Notdä- cher abgedeckt, und Verwitterungsschäden gaben immer mehr Anlass zu großer Sorge. Es musste bald erwas geschehen. Nun gab es aber Stimmen, die die Wieder- hetstellung der Tütme ablehnten und den der- zeitigen Zustand als "Mahnmal gegen den Krieg" erhalten wissen wollten. Die Ältesten- kreise der Christusgemeinden teilten in ihrer Mehrheit diese Meinung jedoch nicht. Es wutde sogar eigens ein "Turmbauvetein" ge- gründet, det sich den Wiederaufbau zum Ziel setzte und Gelder dafur sammelte. Mittel die- ses Vereins, der Kirchenbehörden und des Denkmalamtes trugen endlich dazu bei, die Finanzierung sicher zu stellen und den Wie- deraufbau in Gang zu setzen. Im September 1985 wurde in einer spektakulären Aktion untet großer Anteilnahme der Bevölkerung der am Boden zusammengesetzte Helm des Hauptturmes aufgesetzt, und dtei Jahte spätet wurden auch die Spitzen der vier Ecktürme wieder errichtet. Zum Erntedankfest 1988 konnten die bei- den Chrisrusgemeinden die Wiederherstel- lung auch des äußeren Bildes ihrer Kirche mit großer Dankbarkeit feiern. Seitdem erstrahlt die Christuskirche wieder im alten Glanz von 1900, zur Freude ihter Gläubigen und zur Zierde der ganzen Stadt. RICHARD KOHLMANN 127 Die Universitätsbibliothek Karlsruhe Ein wichtiger Knoten im deutschen Bibliotheksnetz Gegründet wurde die Universitätsbibliothek Karlsruhe im Jahre 1840 durch einen Erlass des Badischen Ministeriwns des Innem, in dem an- geordnet wurde: "alle der Anstalt gehörenden Bücher und Karten zu sammeln und einen Ka- talog dasüber zu fertigen, sowie dafür zu sorgen, dass Bücher künftighin nur gegen Empfangs- bescheinigung ausgeliehen werden, dass über- haupt die Bibliothek in Ordnung verbleibe". Was waren die Hintergründe für diese Anordnung und warum erst 15 Jahre nach Er- richtung des Polytechnikums? Der Universitätsarchivar Dr. Klaus-Peter Höpke ging 1990 in seinem Fesevorcrag zum ISO-jährigen Bestehen der Universitätsbiblio- thek "Streiflichter aus der Geschichte der Uni- versitätsbibliothek" dieser Frage nach. In den ersten 15 Jahren des Polytechnikums gab es durchaus einen "Bücherfundus", der jährlich erweitert wurde. Der "Bibliothekseut" erlaub- te jedoch keine großen Sprünge. Überwiegend floss er in die Abonnements von Zeitschriften und Forcsetzungswerken, was auch vernünftig war - nur kam die Beschaffung nicht minder wichtiger Monografien notgedrungen zu kurz. Geldmangel begleitete ja sowieso den Alltag des Polytechnikums, und ob die Professoren- schaft gerade in dem mageren Bücherfonds eine folgenschwere Unterlassung sah, ist frag- lich. Zwar setzten sogar geringfügige Anschaf- fungswünsche ein schwerfälliges, mehrscufiges Genehmigungsverfahren in Bewegung, was einige Professoren nicht hinderte, auf eigene Faust Bücher anzuschaffen. War das ordnungs- gemäß Bestellte dann geliefert, verschwand es häufig in der Verborgenheit irgendwelcher Professoren- und Schulzimmer. Diesem Miss- stand trat als erster Professor Philipp Stiefel 1840 entgegen. Unter Umgehung des Dienst- wegs schrieb er dem Innenministerium: Wohl besitze die Anstalt eigene Bücher, "aber keine der Benutzung ofTenstehende Bibliothek". Der Schuldirekcor war peinlich überrascht, als ihn das Ministerium unversehens um eine Stellungnahme ersuchte. Nach zweiwöchiger Bedenkzeit berichtete er, dass "nun aber das Bibliothekszimmer, welches bisher als Karzer gedient hacce, eingerichtet" sei. Mit Eile, schon zwei Wochen später, verfügte das Ministerium den oben zitierten Erlass, der als die "Geburts- urkunde" der Universitätsbibliothek gilt. Neben dem schwierigen Aufbau einer Bi- bliothek enthielt der Wissenschaftsbecrieb noch ein weiteres Manko: Den Schülern wa- ren die Bibliotheksbestände nur ausnahms- weise, d. h. aufgrund einer Genehmigung ih- rer Lehrer zugänglich. Dieser Missstand zähl- te bereits zu den Beschwerden, derentwegen während der 1848er Revolution 197 Poly- techniker die badische 11. Kammer angerufen hatten. Bis 1867 änderte sich jedoch kaum etw'as. Es kam sogar das Entstehen von "Spezial- bibliotheken der einzelnen Fachschulen" dazu, wodurch eine zentrale Handhabung des Bibli- othekswesens unterlaufen wurde. Erst Profes- sor Wilhelm Schell organisieree 1868 die Bi- bliothek neu und führte eine Bibliotheksord- nung ein. Diese Anfange einer Bibliothek sind nicht unrypisch. Wer das Universitätsleben kennt, weiß, dass es Parallelen und Auswir- kungen bis in die heurige Zeit gibt. Deshalb auch in diesem Rahmen die etwas ausführliche Darstellung der Anfange. In der Folgezeit nahm die Bibliothek eine den Zeidäufen angemessene, teilweise aber 128 auch stürmische Entwicklung. Als Wilhelm Schell 1901 sein Amt abgab. zählte der Be- stand schätzungsweise 60.000 Bände. Nach der Leitung durch einige Ordinarien. über- nahm im Jahre 1906 Karl Grothmann. Bibli- othekar der Königlichen Bibliothek Berlin. der nachmaligen Preußischen Staatsbiblio- thek. die Leitung der Bibliothek. Bis 1915 verdoppelte er den Bestand. den sein Nachfol- ger Karl-Theodor Schmidt bis zum Kriegsen- de 1918 auf200.000 Bände steigern konnte. Zwischenzeitlich waren wegen der Weltwirt- schaftskrise zahlreiche Zeitschriftenabonne- ments gekündigt worden. von 1.000 Abonne- ments waren Ende 1932 nur noch 336 übrig geblieben. Der Preismechanismus tat ein Üb- riges: Die wissenschaftlichen Verlage reagier- ten auf den Absatzrückgang mit Preissteige- rungen. die Schmidt als "rücksichtslos" quali- fizierte. Ein Vorgang. der uns auch im Jahr 2001 nicht fremd ist. Schwere Verluste erlitt die Bibliothek bei dem Bombenangriff im September 1944: Der für Lehre und For- schung unerlässliche wichtigste Teil der Bibli- othek. der nicht ausgelagert war. ging fast voll- ständig in Rauch auf. Die bescheidenen Res- te der Bibliothek wurden ausgelagert in die Westhochschule. Die wichtigste Aufgabe des neuen Direktors der Bibliothek Ruthard Oeh- me bestand darin. der Bibliothek ein neu es Domizil zu verschaffen. Es dauerte aber noch 20 Jahre. bis im Mai 1965 die Pforten des Bi- bliotheksturms. der noch heute die Bibliothek beherbergt. sich öffneten. Seit 1966 bemühte sich Dietrich Poggendorf und ab 1988 der Verfasser als sein Nachfolger. die räumlichen Verhältnisse der stark angewachsenen Hoch- schule anzupassen. Nach Einführung der automatisierten Aus- leihverbuchung im Jahre 1984 werden seit 1994 auch die wesentlichen Literaturbestände der Universitätsbibliothek nur noch über On- line Kataloge angeboten. Über 900.000 Bän- de wissenschaftlicher Literatur umfassen die Bestände der Universitätsbibliothek. vor allem aus den technisch-naturwissenschaftlichen Fachgebieten: Mathematik. Informatik. Na- turwissenschaften. Ingenieurwissenschaften und Architektur sowie Wirtschaftswissen- schaften. Auf den anderen Gebieten findet man Literatur zur ersten Information und Nachschlagewerke aus allen Wissenschaftsge- bieten. Die Universitätsbibliothek hält etwa 3.000 Abonnements wissenschaftlicher Zeit- schriften. Hervorzuheben ist die vollständige Sammlung der gültigen DIN-Normen und anderer technischer Vorschriften im Lesesaal der Universitätsbibliothek. Knapp 20 % der Bestände der Universitätsbibliothek sind frei- hand aufgestellt. so dass der Nutzer direkt zu- greifen kann. Über 80 % stehen im geschlos- senen Magazin. Aufgaben Die Hauptaufgabe der Universitätsbibliothek ist die Literatur- und Informationsversorgung der Universität. Sie ist daher eine wissenschaft- liche Universalbibliothek mit Schwerpunkten in den an der Universität gelehrten Fachgebie- ten sowie Ausleihbibliothek für 16.000 Stu- denten. Außerdem ist sie die Zentralbiblio- thek des Bibliothekssystems der Universität und deren Archivbibliothek. Sie steht als öf- fentlich zugängliche wissenschaftliche Ausleih- bibliothek nicht nur Universitätsangehörigen. sondern allen Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung. Für die Entlei- hung und die Nutzung von Internet-Arbeits- plätzen ist eine Anmeldung erforderlich. Die Benutzung der Literatur durch Ausleihe und in den Lesesälen ist kostenlos. Nur für Mah- nungen und Sonderleistungen werden Gebüh- ren erhoben (Fernleihe im deutschen und in- ternationalen Leihverkehr, OnlineLitcraturre- cherchen und Datenbanken). 129 Das Bibliothekssystem der Universität Das Bibliothekssystern der Universität Karls- ruhe besteht aus der zentralen Universitätsbi- bliothek mir Lehrbuchsammlung, Monogra- phien- und Zeitschriftenlesesaal sowie mit ih- ren beiden Fachlesesälen für Chemie im Insti- tutsgebäude Anorganische Chemie und für Physik im Physik-Flachbau. Ebenso gehören zu dem Bibliothekssystem die mehr oder we- niger großen oder kleinen 150 Fakultäts-, In- stituts- und Lehrstuhlbibliotheken. 109 dieser Bibliotheken haben weniger als 5.000 Bände, 19 5.000 bis 10.000 Bände, 18 10.000 bis 30.000 Bände und die vier Fakultätsbibliothe- ken zwischen 10.000 und 60.000 Bände. Der Literaturbestand umfasst ca. 1,7 Mio. Bände und ca. 7.000 laufend gehaltene Zeitschriften- titel. Etwa die Hälfte dieses Bestandes und der Zeitschriftenabonnements befinden sich im Bereich der Universitätsbibliothek mit ihren Fachlesesälen, die knappe andere Hälfte ist dezentral auf die weiteren Bibliotheken ver- teilt. Für die Fakultäten Architektur, Informa- tik, Mathematik und Wirtschaftswissenschaf- ten gibt es Fakultätsbibliotheken. In den übri- gen 6 Fakultäten wird bisher mangels zentra- ler Bibliotheken die Literatur von Instituts- bzw. Lehrstuhlbibliotheken erworben und dort aufgestellt. Die Institute dieser Fakultäten sind meist über den ganzen Universitätscam- pus verteilt oder befinden sich außerhalb auf dem Gelände des Forschungszenrrums Karls- ruhe in Leopoldshafen oder in der 7 km ent- fernten Westhochschule. EDV und Dnline-Katalog Auf der Grundlage einer engeren Kooperation mit der Fakultät für Informatik mit mehreren Firmen, sowie zahlreicher Projekte, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Land Baden-Wümemberg und der Universi- tät Karlsruhe gefördert wurden, hat die Uni- versitätsbibliothek ein umfangreiches Angebot an lokalen, nationalen und internationalen EDV-Inrernetdienstleistungen aufgebaut (http://www.ubka.uni-karlsruhe.de). Im Online-Katalog sind die Bücher und Zeitschriften der lerzten 40 Jahre recherchier- bar. Die Universitätsbibliothek führt aber auch den Online-Institutskatalog, der die in den übrigen Universitätseinrichmngen vorhande- nen Bücher und Zeitschriften nachweist. Karlsruher Gesamtkatalog Im Karlsruher Gesamtkatalog können mit ei- ner Such anfrage mehrere oder alle Bibliothe- ken der Region Karlsruhe durchsucht werden. Dazu gehören die Universitätsbibliothek, der Institutskatalog der Universität Karlsruhe, das Volltextarchiv der Universität Karlsruhe, die Badische Landesbibliothek, die Hochschulbi- bliothek (FH/PH), die Stadtbibliothek, das Forschungszenrrum Karlsruhe, der Bundesge- richtshof, die Landesbildstelle Baden, das Bundesverfassungsgericht und das Zentrum für Kunst- und Medientechnologie. Der erste Virtuelle Katalog, den die Universitätsbiblio- thek in Betrieb nahm, ist allerdings der KVK. Karlsruher VirtueUe Katalog (KVK). Mit dem Karlsruher Virtuellen Katalog nahm die Universitätsbibliothek Karlsruhe 1996 den weltweit ersten Virtuellen Katalog in Betrieb. Der KVK basiert darauf, dass er selbst keine Daten vorhält, sondern andere Datenbanken wie folgt nutzt: Die im KVK-Suchformular eingegebene Such anfrage wird über mehrere Zielkataloge formuliert, die Anfrage wird parallel an alle ausgewählten Kataloge geschickt, die einzel- nen Trefferlisten werden gesammelt und ana- lysiert. Zuletzt wird eine Gesamrrrefferliste in 130 einem einheitlichen Format erstellt. Der Be- nutzer des KVK hat den Vorteil, sich nicht mehr um die Technik der einzelnen Zielkata- loge kümmern zu müssen. Der Karlsruher Virtuelle Katalog enthält alle wichtigen deutschen Bibliothekskataloge und stellt somit einen virtuellen deutschen Gesamtkatalog dar. Darüber hinaus sind auch die wichtigsten Bibliotheken im deutschspra- chigen Ausland und die welrweit größten Bi- bliotheken British Library und Library of Congress enthalten sowie mehrere Buchhan- delsverzeichnisse. So weist der Karlsruher Vir- tuelle Katalog über 60 Mio. Bücher und Zeit- schriften titel nach. Der KVK ist ein kostenlo- ser Dienst der Universitätsbibliothek Karlsru- he für die wissenschaftliche Gemeinschaft und kann über das Internet von jedermann abgeru- fen werden. Die Nutzung ist sehr hoch, jähr- lich werden über 10 Mio. Anfragen im In- und Ausland vom KVK bearbeitet. Die KVK-Technik stellt eine ideale Mög- lichkeit dar, räumlich verteilte Bibliotheksbe- stände den Bibliotheksbenutzern in virtuellen Katalogen zu vereinigen. Die Universitätsbib- liothek hat bereits mehrere solcher Projekte im Auftrag realisiert: Der Online-Katalog der Konföderation der Oberrhein-Universitäten umfasst die Ka- taloge der Bibliotheken in Basel, Freiburg, Karlsruhe, Mulhouse und Straßburg. Im Vir- tuellen Katalog Rheinland-Pfalz sind mehr als 4 Mio. Bände aus rheinland-pfhlzischen Bibli- otheken nachgewiesen. Der Karlsruher Virtu- elle Volltextkatalog (KVVK) enthält den Nachweis von elektronischen Volltcxten ba- den-württembergischer und weiterer Univer- sitäten. Zu den fachlich orientierten Virtuel- len Katalogen gehört der Bereich "Vorderer Orient/Nordafrika" aus der Universitätsbibli- othek Tübingen sowie aus Halle/Merseburg und der Virtuelle Katalog "Kunstgeschichte", der die Bestände der am System der überregi- onalen Literarurversorgung teilnehmenden Kunstbibliotheken in Rom, Florenz und Köln enthält und von der Deutschen Forschungsge- meinschaft gefördert wird. Zeitschrifteninhaltsdient (ZIO) Der Zeitschrifteninhaltsdienst ZID ist eine Datenbank mit den kompletten Inhaltsanga- ben von ca. 14.000 wissenschaftlichen Zeit- schriften seit 1994 und aus lizenzrechtlichen Gründen nur innerhalb der Universität Karls- ruhe zugänglich. Inhalt der Datenbank ist multidisziplinär, d. h. man findet neben Na- turwissenschaft und Technik auch Zeitschrif- ten aus der Medizin, den Geistes- und Sozial- wissenschaften. Ober ZID kann man Stich- worte aus Artikeln zu einem bestimmten The- ma, einen Auror oder Zeitschrifrenartikel re- cherchieren und Inhalte der neuen Hefte an- schauen. Zu jeder Zeitschrift werden die Standorte der Universität Karlsruhe ausgege- ben. Zusätzlich können sich Benutzer persön- liche Listen der für sie relevanten Zeitschriften anlegen. Lokales, elektronisches Anfsatzliefersystem Mit dem Lokalen Elektronischen Aufsamief- ersystem (LEA) können Wissenschaftler der Universität Karlsruhe Artikel aus dem gesam- ten Zeitschriftenbestand der Universitätsbib- liothek bestellen. Die Lieferung ist kostenlos und erfolgt über Internet oder per Fax an den Arbeitsplatz. Mittels LEA erhält jeder der 2.000 Mitarbeiter der Universität von seinem Schreibtisch aus Zugriff auf die gesamten Zeit- schriftenbestände der Universitätsbibliothek. Die Bestellung und die Lieferung geschieht voll elektronisch, die bestellten AufSätze wer- den in der Universitätsbibliothek eingescannt und innerhalb maximal 72 Stunden ausgelie- 131 fert. Damit hat jeder Wissenschaftler von sei- nem pe aus Zugriff auf alle in der Universi- tätsbibliothek vorhandenen 3.000 Zeitschrif- ten. Grundlage für die Bestellung in LEA sind die bibliografischen Daten aus ZID und On- line-Katalog der UB. LEA liefert elektronische Dokumente als TIFF- und als GIF-Dateien. Die GIF-Dateien sind in Bildschirmauflösung und mit Hilfe des WWW-Browsers am Bild- schirm zu sehen. Wenn die Dokumente auf dem FTP-Server liegen, werden die Benutzer per E-Mail informiert. Nach einer Woche werden die Dateien gelöscht. Pro Tag werden 100 bis 150 LEA-Aufcräge erledigt. VoUtextarchiv und Subito Das Volltextarchiv {EVA} ist der elektronische Speicher von Publikationen aus der Universi- tät Karlsruhe. Hierzu zählen Dissertationen, Diplomarbeiten, Aufsätze und Forschungsbe- richte. Die Dokumente werden einheiclich und einfach präsentiert, die Inhalte sind um- fassend recherchierbar und werden langfristig archiviert. Der Zugriff auf die Dokumente erfolgt entweder vom Katalog aus, mit Recher- chemöglichkeiten nach Autor, Titelstichwor- ten usw. oder über den Volltextindex aller Dokumente. Neben der Suche im Katalog ist eine Recherche im Volltexe einzelner Doku- mente oder der Zugriff über einen hierarchi- schen Dateibau möglich. Das Volltextarchiv enthält über 1.000 Dokumente, darunter zahlreiche Dissertationen. Der Dienst SUBI- TO ist ein Dokumenclieferdienst von leis- tungsHihigen Bibliotheken in Deutschland. Die Universitätsbibliothek Karlsruhe liefere als eine von bisher ca. 20 SUBITO-Lieferbiblio- theken gegen Entgelt Zeitschrirrenaufsätze an registrierte Benutzer. Die interne Bestellver- waltung und die Dokumentbearbeitung er- folgen aus Wirtschafclichkeitsgründen über LEA. Automatisierte Fernleihe Über ein WWW-Formular können Benutzer Fernleihen aufgeben, dabei besteht die Mög- lichkeit, die bibliografischen Angaben aus ZID und KVK zu übernehmen. Die Fernleih- verwaltung ermöglicht die integrierte Bearbei- tung von Fernleihbestellungen und ersetzt die Bearbeitung des Leihscheins des Deutschen Leihverkehrs {als roter Fernleihschein be- kannt} sowohl für den Benutzer als auch in der Bibliothek. Sämdiche Funktionen des Ausleihsystems der Universitätsbibliothek Karlsruhe sind über WWWzugänglich, z.B.: Kontoauszug, eigene Vormerkungen, offene Bestellungen, Gesamt- überblick über das eigene Ausleihkonto, Pau- schalverlängerungen, Passwortändern, Post- wegändern {z. B. als E-Mail}. Der Bibliotheks- benutzer kann also viele Verwaltungsvorgänge im Ausleihsystem von seinem häuslichen pe aus erledigen, ohne dass er selbst in die Bibli- othek kommen muss. Sonstige Dienstleistungen Die Universitätsbibliothek unterhält zudem eine Informations- und Vermitdungsstelle für Online-Lirerarurrecherchen in in- und auslän- dischen Datenbanken. Sie stellt Internet-PCs und freizugängliche pes mit Möglichkeiten derTexeverarbeitung und auch Ausdruckmög- lichkeiten im Lesesaal zur Verfügung, ebenso Lese- und Rückvergrößerungsgeräte für Mik- roformen. Für Hilfe bei der Literatursuche und Literatucbeschaffung steht das Personal der Bibliothek von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr zur Verfügung. Regelmäßige Einführungen in die Benutzung der Universitätsbibliothek wer- den zu Semesterbeginn, sowie am ersten Diens- tag im Monat um 17.00 Uhr angeboten. Son- derführungen für Gruppen sind jederzeit nach Vereinbarung möglich. Einführung in die In- 132 ternetdienste der Universitätsbibliothek wer- den jeden ersten Montag im Monat um 16.00 Uhr bei vorheriger Anmeldung angeboten. Einführungskurse in die Online-Literarurre- cherche und weitere Veranstaltungen werden regelmäßig bekannt gegeben. Ausblick Die Universität Karlsruhe verbindet als eine der führenden technischen Universitäten in der Bundesrepublik Deutschland mathema- tisch-theoretische Grundlagen mit praktischen Anwendungen. Dabei werden Forschung und Lehre zunehmend internationaler und weltof- fener. Die Universitätsbibliothek wird als zen- trale Serviceeinrichtung der Universität die- sem Anspruch gerecht und unterstützt diese Entwicklung auch mit ihrem Erweiterungs- bau. der in den nächsten Jahren entstehen wird. Mit einer 24-Stunden-Bibliothek ver- folgt die Universitätsbibliothek ein neues Nut- zungskonzept als Folge einer konsequenten Weiterentwicklung ihrer bereits in vielen Punkten verwirklichten virtuellen Internetbi- bliothek. Die Dienstleistungen werden dann auch vor Ort rund um die Uhr zur Verfügung stehen. In den geräumigen Lesesälen wird die gesamte neuere Literatur der einzelnen Fach- gebiete frei zugänglich aufgestellt sein. Studie- rende und Forscher können ohne hinderliche Beschränkungen von Öffnungszeiten jederzeit Der geplante Erwcitcrungsbau. auf die von ihnen gewünschte Literatur zu- greifen. Die neuen elektronischen Medien werden die herkömmlichen Printmedien nicht voll- ständig ersetzen. vielmehr werden die Aufga- ben der Bibliotheken weiter wachsen. weil sie den Anforderungen vieler Medientypen ge- recht werden müssen. Auch das E-Book wird das gedruckte Buch mittelfristig nicht erset- zen. Die Universitätsbibliothek hat mit ihrem sich permanent erweiternden elektronischen Dienstleistungsangebot und ihren neuen Nut- zungsmöglichkeiten vor Ort die richtigen Grundsteine für ihre Zukunft im Informati- onszeitalter gelegt. CHRISTOPH-HUBERT SCHÜTTE 133 100 Jahre Stadtverwaltung im Wandel Rückblick auf das 20. Jahrhundert "Hochgeehrtester Herr Oberbürgermeister! Am heutigen Tage sind 25 Jahre verflossen. seit Sie die segensreiche Arbeit im Dienste der Stadtverwaltung der Haupt- und Residenz- stadt Karlsruhe begonnen haben. Die städti- schen Beamten gestarren sich, an diesem Eh- rentage die aufrichtigsten Glückwünsche dar- zubringen und für das dauernde Wohlwollen hetzlieh und ehrerbietig zu danken ... " Diese Urkunde überreichte Stadtbaurat Friedrich Reichard. der Direktor der Gas- und Wasserwerke und dienstältester städtischer Beamter. seinem obersten Chef, Oberbürger- meister Karl Schnetzier. am 1. Juni 1900. Unterschrieben war sie von 262 Beamten. Die Stadt. die damals auf die 100.000-Einwohner- marke und damit auf den Großstadtstatus zu- strebte. beschäftigte natürlich nicht nur diese 262 Personen. sondern darüber hinaus noch knapp 700 Arbeiter. Neue Ämter - wachsende Verwaltung Wer nun aber angesichts der heutigen Be- schäftigtenzahl von knapp 6.000 im Kärnme- reibereich darin eine überproportionale Zu- nahme sieht. wird durch einen Blick in das • .Adreßbuch für die Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe" des Jahres 1900 aufgeklärt. dass es zur Jahrhundertwende natürlich wesentlich weniger Ämter und damit auch weniger Dienstleistungen für die Karlsruher und Karls- ruherinnen gab. Im Rathaus selbst waren ne- ben dem Bürgermeisteramt das Friedhofbu- reau. das Gewerbegericht. das Grundbuch- amt. das Hochbauamt. die ambulatorische Klinik. die Pfandleihkasse. die Sparkasse. das Standesamt und das liefbauamt ansässig. Die Schlacht- und Viehhofdirektion hatte ihren Sitz in der Durlacher Allee. die Gas- und Was- serwerke in der KaiseralJee 11. Es war also eine nicht eben beeindruckende Zahl von Ämtern. Der damalige Oberbürgermeister Karl Schnetzler wurde von den Bürgermeistern Jo- hann Krämer und Karl Siegrist unterstützt. Wenige Jahre später. am 6. Mätz 1909. bean- tragte der Stadtrat eine weitere Bürgermeister- steIle. Zur Begründung dieser Stellenvermeh- rung führte man die enorme Belastung des Oberbürgermeisters und der zwei Bürgermeis- ter an. Die Zahl der Beamten habe sich in- zwischen auf ca. 760 erhöht. die der Arbeiter auf 1.100. Wie in anderen deutschen Großstädten hatte in Karlsruhe der Urbanisierungsprozeß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt eingesetzt. Die wachsende Bevölke- rung führte zu einer deutlichen Zunahme der Verwaltungstätigkeiten. die im Ehrenamt nicht mehr zu bewältigen waren. Es bildete sich die so genannte Leistungsverwaltung heraus. die als Daseinsvorsorge in Bereichen wie der Wasserversorgung. der Bereitstellung von Energie. dem Verkehr oder der Entsor- gung tätig war. Mit dem Übergang zur Leis- tungsverwaltung einher ging eine Professiona- lisierung der Beamten und Bürgermeister. Auch in Karlsruhe dominierten bei der Beset- zung der Beamten- und Bürgermeisterstellen die Juristen. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entstanden mit der Verbesserung der städti- schen Infrastruktur einige neue Ämter wie das Maschinenbauamt. das Straßenbahnamt. die 134 Blick in ein Dienstzimm('r d('s Hochbauamrs um 1925. Gartendirektion. die Baukonrrolle. das Hafen- amt. die Badverwaltung und die Kranken- hausverwaltung. 1901 war der städtische Rheinhafen in Betrieb gegangen. 1903 hatte die Stadt die Straßenbahn gekauft. die seit 1900 als "Elektrische" fuhr. von 1903 bis 1907 wurde das Städtische Krankenhaus an der Moltkestraße gebaut. Erster Weltkrieg Einen Einschnitt in die Entwicklung der Stadt und damit auch der Stadtverwaltung brachte der Erste Weltkrieg. Fast die Hälfte der Beam- ten und über ein Drittel der städtischen Arbei- ter wurden zum Kriegsdienst eingezogen und mussten zunehmend durch weibliche Arbeits- kräfte ersetzt werden. Die Stadt beschäftigte Frauen zunächst außer mit Gartenarbeiten nur im Schreibdienst. Im Jahr 1915 stellte aber auch das Tiefbauamt bei der Straßenun- terhaltung 40 und bei der Straßenreinigung 20 Frauen ein. In den Straßenbahnen über- nahmen sei t Mai 1915 in verstärktem Umfang Frauen den Schaffnerdienst. Seit Ende 1915 durften sie auch als Wagenfuhrerinnen einge- serzt werden. bei allerdings niedrigerer Entloh- nung als ihre Kollegen. Außerdem kamen neue kriegsbedingte Aufgaben vor allem im Bereich der Lebensmit- telversorgung hinzu. Zu Beginn des Jahres 1915. als die großen Versorgungsengpässe bereits nicht mehr zu übersehen waren. be- schloss man den Beginn der Zwangswirtschaft im Deutschen Reich. deren Umsetzung die so genannten Kommunalverbände übernahmen. In Karlsruhe wurden die ersten Lebensmittel- marken für Brot und Mehl am 15. März 1915 135 ausgegeben. Ende des Jabres 1916 entstanden ein Nahrungsmittelamt und ein Milchamt. das die ausreichende Versorgung mit Milch organisieren sollte. Unmittelbar nach Kriegs- ende wurde am 11. November 1918 auch ein städtisches Wohnungsamt eingerichtet. Damit trug man der extremen Wohnungsnot Rech- nung, die u. a. durch die fasr völlige Einsrel- lung aller Wohnungsbauprojekte während des Krieges verursacht war. Die Versorgung mit ausreichendem Wohntaum blieb auch in der Weimarer Republik lange ein Problem. Erst im Jahr 1929 konnte das städtische Woh- nungsamt aufgelöst und nur noch als ein mit einem Beamten besetztes und der Stadtkanz- lei untergeordnetes "Wohnungsbüro" weiter- geführt werden. Herrschaft der NSDAP Zu diesem Zeitpunkt begann auch in Karlsru- he der Aufstieg der Nationalsozialisten. der zur so genannten Machtergreifung im Jabr 1933 führte. Die Gleichschaltung der Kommunen in den Wochen nach der letzten nur noch mit Einschränkungen demokratischen Reichstags- wabl am 5. März führte zu einem kompletten Wechsel in der Rathausspitze. Die demokra- tisch gewählten Bürgermeister und der Ober- bürgermeister ersetzten die neuen Machthaber durch Nationalsozialisten. Am 18. Mai wurden der neue Oberbürger- meister Jäger und Bürgermeister Hermann Fribolin - beide Nationalsozialisten - gewählt. Um Sparsamkeit zu demonstrieren, waren zu- nächst zwei BürgermeistersteIlen gestrichen worden. später kam allerdings wieder ein hauptamtlicher Stadtrat hinzu. Aus den bis- lang vier Hauptabteilungen und einer Neben- abteilung wurden zwei Hauptabteilungen mit 7 Nebenabteilungen der Verwaltung. Schon im ersten Jabr ihrer Herrschaft ent- ließen die Nationalsozialisten aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbe- amtenturns" insgesamt 23 Beamte. - zwölf Angestellte und 88 Arbeiter aus dem städti- schen Dienst - in der Regel wegen ihrer Zuge- hörigkeit zur SPD. aber auch zur KPD oder einer anderen linksgerichteten Organisation. Einen "nichtarischen" Beannen versetzte man in den Ruhesrand. Außerdem entzog man zwei Ruhestandsbeamten wegen "nationaler Unzu- verlässigkeit" und der ehemaligen Verwaltung- sassistentin Else Salomon wegen "nichtarischer Abstammung" das Ruhegehalt. Else Salarnon wurde 1940 nach Gurs deportiert. wo sich ihre Spur verliert. Drei Ärzte im Städtischen Krankenhaus. die jüdischer Abstammung wa- ren. beurlaubte man sofort und kündigte ih- nen zum nächstmöglichen Termin. Von den bis zum Oktober 1935 statt des- sen eingestellten 493 Personen gehörten rund 91 % der NSDAP oder einer ihrer Gliederun- gen an. Rigoros wurden schon 1933 "zur Frei- machung von Arbeitsplätzen für jüngere männliche Arbeitskräfte" 15 weibliche und 16 männliche Beamte in den Vorruhestand ge- schickt. Davon war auch Elisabeth Groß- wendt. Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei. betroffen. die bis da- hin einzige. seit 1920 für das Jugendamt zu- ständige. Karlsruher Amtsleiterin. Ansonsten blieben die Führungspositionen in der Verwal- tung unterhalb der Bürgermeisterebene weit- gehend unangetasret. Noch im Jabre 1933 traten fast 200 städti- sche Mitarbeiter in die NSDAP ein. Von den leitenden Beamten entzogen sich nur wenige wie Stadtbaudirekror Friedrich Beichel dem Druck und blieben der Partei fern. Insgesamt funktionierte die Stadtverwaltung im "Dritten Reich". die im letzten Vorkriegsjahr 1938 knapp 3.900 Personen beschäftigte. davon 1.949 Beamte und Angestellte. im Sinne der nationalsozialistischen Machthaber reibungs- los. 136 Nach dem Zweiten Weltkrieg Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm die Stadtverwaltung rasch wieder ihre Tätig- keit auf und wurde so zu einem wesentlichen Faktor bei der Bewältigung der drängenden Alltagsprobleme in der stark zerstörten Stadt. Ein Teil der aktiven Nationalsozialisten wurde gleich entlassen. Da man den Zusammen- bruch der deutschen Verwaltungen erwartete, ließen die Franzosen, die die Stadt zunächst besetzt hatten, aber etliche Fachleute trotz Mitgliedschaft in der NSDAP im Amt. Die Stadtverwaltung beschäftigte im April 1945 4.362 Mitarbeiter, davon mussten bis zum April 1946 1.390 (31,8%) entlassen werden. An der Spitze stand zunächst der noch von dem NS-Oberbürgermeister Hüssy vor seiner Flucht zum Nachfolger bestimmte JosefHein- rich. Nur wenige der führenden Verwaltungs- beamten der unmittelbaren Nachkriegszeit waren Regimegegner und somit »unbelastet", zu ihnen gehörten die späteren Oberbürger- meister Ftiedrich Töpper (SPD) und Bürger- meister Fridolin Heurich (CDU). Bereits am 9. April war eine neue, an die alte angelehnte, Organisationstruktur erarbei- tet worden, mit der 28 Ämter und Abteilun- gen auf das vorhandene Führungspersonal verteilt wurden. Als wesentliche Neuerung war die Stadt in 16 Bezitke mit jeweils einem Be- zirksverwaltungsamt eingeteilt. Das Petsonal dieser dezentralen Verwaltungseinheiten rek- rutierte sich im wesentlichen aus ehemaligen Hitlergegnern. Pro Bezirk gab es zunächst bis zu sechs, später bis zu zwanzig Mitarbeiter, aber nur wenige Mitarbeiterinnen. Zu den Aufgaben gehörten die von den Besatzungsmächten angeordneten Beschlag- nahrnungen von Wohnungen, Hausrat und Bekleidung. Im eigentlichen Verwaltungsbe- teich übernahmen die Bezirksverwaltungsäm- ter, die bis 1948 bestanden, die Ausgabe von Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen, die Führung einer Bevölkerungsstatistik, die Be- treuung der Evakuierten, Kriegsheimkehrer und Flüchtlinge sowie der KZ-Opfer, die Er- fassung ehemaliger Nazis und die Mitwirkung bei der Entnazifizierung. Organisatorisch ge- hörten die Bezirksverwaltungsämter zur Allge- meinen Verwaltung neben der weitere acht Referate bestanden, die Wirtschafts- und Ver- sorgungsverwaltung, die Arbeits- und Sozial- verwaltung, die Finanzverwaltung, das Hoch- bauamt, das Tiefbauamt, die Städtischen Be- triebe, die Städtischen Rheinhäfen und die Polizei. Der kommissarische Bürgermeister war für die Gesamtleitung und die Dienstaufsicht so- wie den Verkehr mit den Besarzungsbehörden zuständig. Diese Organisation blieb nicht ohne Widerspruch, so intervenierte der für die Stadtplanung zuständige Oberbaurat Pfläste- rer, dass "eine der unentbehrlichsten Abteilun- gen der Stadtverwaltungen 'Die Stadtplanung' nicht einmal angedeutet, viel weniger ihrer Bedeutung gemäß genannt wird." Diesem Einwand wurde insofern Rech- nung getragen, als die neue Organisations- struktur vom August 1945, die neben dem von der amerikanischen Besarzungsmacht ein- gesetzten Oberbürgermeister Hermann Veit zwei Bürgermeister, Fridolin Heurich und Berthold Riedinger, vorsah, die Stadtplanung als ein dem Ersten Bürgermeister Heurich nachgeordnetes Amt aufführte. Nach der ers- ten Stadtratswahl am 26. Mai 1946 ergänzte ab Oktober Dr. Hermann Ball von der DVP die Bürgermeisterbank, da nach einer Eini- gung zwischen allen Fraktionen jede der Par- teien einen Bürgermeister stellen sollte. Neue Profile in fiinf] ahrzehnten Eine Änderung trat 1951 ein, als Oberbürger- meister Friedrich Töpper "einen bereits beste- 137 henden Zustand organisatorisch und auch nach außen hin dadurch" regelte. dass "die Ar- beitsgebiete meines persönlichen Referenten, Herrn Oberrechrsrats Dr. Keidel. zusammen- gefasst und als Abteilung Ic - Schul- und Kul- turpflege. Arbeitsrecht - in den Geschäftsver- teilungsplan der Stadtverwaltung eingebaut wird." Dies war die Geburrsstunde des Kultur- referats. das zunächst noch als Abteilung Ic innerhalb der dem Oberbürgermeister unter- stehenden Hauptabteilung geführt wurde. Mit der Neubesetzung zweier Bürgermeis- terstellen Ende 1952 nach der Wahl des neu- en Oberbürgermeisters Günther Klotz. wurde dann die in den Grundzügen bis heute gülti- ge Organisationsstruktur geschaffen. Dem Dezernat I ordnete man drei Referate nach. außer dem Schul- und Kulturreferat. das Fi- nanz- und das Rechtsreferat. Die anderen drei Dezernate wurden von einem Bürgermeister und zwei Beigeordneten geleitet. Wer heute im Wegweiser durch Karlsruhe. der Beilage zum Adressbuch der Stadt. blät- tert. wird unter dem Stichwort Stadtverwal- rung neben dem aus sechs Dezernaten und drei Stabsstellen bestehenden Bürgermeister- amt 66 weitere Dienststellen finden. die für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dienst- leistungen erbringen. Der eingangs erwähnte Oberbürgermeister Schnetzler wäre von dieser rein zahlenmäßigen Entwicklung vielleicht gar nicht einmal so überrascht. da viele der Aufga- ben einer modernen als Dienstleistungsbetrieb organisierten Stadtverwaltung. wenn auch in geringerem Umfang. bereits um die Jahrhun- dertwende vorhanden waren. Überrascht könnte er darüber sein. dass etliche der in seiner Amtszeit vorhandenen bzw. gegründeten städtischen Unternehmen als GmbH geführt werden. Schwierigkeiten dürften er und die damals bei der Stadt Be- schäftigten aber sicher mit den technischen Neuerungen haben, die inzwischen in der Stadtverwaltung vorhanden sind. Zu seiner Zeit hatte z. B. die Schreibmaschine gerade erst ihren Triumphzug in die Stadtverwaltung begonnen. heute gehören Computer. E-Mail oder Internet fast zur Standardausstattung. Auch in den technischen Ämtern gibt es nun eine Vielzahl von Hilfsmitteln und Ar- beitsgeräten. an die vor 100 Jahren noch kei- ner dachte. Konzentrierte sich damals die Ver- waltung räumlich auf das Rathaus. gibt es heu- te neben dem Technischen Rathaus und der Rathauserweiterung an der Lammstraße viele weitere. auf die Stadt verteilte Dienststellen. darunter die sechs Orrsverwaltungen der in den 70er Jahren eingemeindeten heutigen Stadtteile. Natürlich haben sich auch Zahl. Ausbildung und Struktur der Beschäftigten geändert. Eine von allen Beamten und Beamtinnen der Stadt unterschriebene Gratulationsurkun- de ist ebenso schwierig wie ein gegen Null ten- dierender Frauenanteil unter den Beschäftig- ten undenkbar ist. Dass man darüber hinaus heute "im Kopf des Kunden denkt". über Bu- chungskreise einer neu einzuführenden Soft- ware diskutiert oder von der Stadt angebotene Ptodukte definiert und diese mit Kennzahlen versieht. hätte Schnetzler und seine Mitarbei- ter möglicherweise zunächst einmal bedenk- lich den Kopf wiegen lassen. Wenn man ihn dann aber über den Sinn dieser Aktionen aufgeklärt hätte. dann würde ihm vielleicht eingeleuchtet haben. dass es sich um einen Modernisierungsschub handelt. dem die Verwaltung auch vor 100 Jahren und im 20. Jahrhundert immer wieder einmal un- terworfen war. ERNST OTTO ßRÄUNCHE 138 Rappenwört - ein Projekt der Karlsruher Planungs- und Baupolitik der 1 920er Jahre Am 20. Juli 1929 fand die Eröffnung des Rheinstrandbades Rappenwört statt. Die Wür- digung dieser Einrichtung allein wäre unzurei- chend, denn sie ist nur ein Teil eines beach- tenswerten Gesamtprojektes. Bevor die Pla- nungs- und Baugeschichte näher erläutert wird, soll ein Blick auf die Stadtgeschichte im Eröff- nungsjahr die kommunalpolitischen Rahmen- bedingungen deutlich machen. Die Einwohnerzahl Karlsruhes lag 1929 bei ca. 152.000, die Fläche der Gemarkung betrug zum Jahresbeginn 4.532 ha; am 1. April kamen durch die Eingemeindung Bu- lachs 530 ha dazu; heute beträgt die Gesamt- fläche über 17.000 ha. Nach der Kommunal- wahl 1926 kamen die 84 Stadtverordneten aus folgenden politischen Lagern: KPD: 6, SPD: 24, Zentrum: 19, DDP (die Linksliberalen): 5,DVP (die Rechtsliberalen): 12, DNVP (ein Sammelbecken rechts der DVP): 9, Wirt- schaftliche Bürgervereinigung: 3, Reichspartei für Volksrecht und AufWertung: 5 und Unpo- litische Wirtschaftsgruppe: ein. Die von den Wählern direkt gewählten Stadtverordneten bildeten mit dem Stadtrat den Bürgeraus- schuss. Der Stadtrat, von den Stadtverordne- ten gewählt, bestand aus 24 Stadträten und vier Bürgermeistern. Das Quellenstudium ver- mittelt den Eindruck grundsätzlicher Einig- keit bei der Planungs- und Baupolitik zwi- schen OB Dr. Julius Finrer, Baubürgermeister Hermann Schneider und Stadtparlament. Ein solcher Konsens zwischen diesen Akteuren der Kommune ist eine Voraussetzung für eine er- folgreiche städtebauliche Entwicklung, die auch noch späteren Generationen zu Gute kommt. Vorarbeiten rur Rappenwört Bereits 1924 hatte Hermann Schneider dem TIefbauamt den Auftrag erteilt, einen Entwurf für ein Strandbad auf dem Rappenwört zu erstellen. Das Tiefbauamt war damals neben dem Straßen- und Kanalwesen auch für die Stadtplanung zuständig. Ab 1926 stand die- sem Amt Emil Bronner vor, ein der Stadtpla- nung kundiger Mann, unrer dessen Leitung der Entwurf des Generalbebauungsplans 1926 entstand. Stadtplanungsaufgaben wutden vom Stadterweiterungsbüro unrer Karl Pflästerer- er war dem Amtsleiter direkt unrerstellt, wahr- genommen, so auch die Planung für den ge- samten Rappenwört. Ende Januar 1925 lag die Grundkonzeption bereits vor, die wie folgt kommenriert wurde: ,,Anlage eines Strandba- des mit Erholungspark auf dem Rappenwört- Das Bedürfnis der Bevölkerung nach Badege- legenheit in freier Natur nimmt ständig zu, vor allem geht der Wunsch dahin, in unmittel- barer Nähe des Rheins eine großzügige Bade- anlage zu schaffen, die die Möglichkeit, im Wasser des Rheinstroms sich zu tummeln und zu schwimmen, mit Sonnen- und Luftbädern vereinigt. Diese Entwicklung der Anschauun- gen und Neigungen hat das so genannte 'wil- de Baden' im freien Rhein und in dem Alt- rhein außerordentlich begünstigt und dabei Mißstände hervorgerufen, deren Beseitigung aus den verschiedensten Gründen mit allen Mitteln angestrebt werden muß. Die Stadt be- absichtigt deshalb, an der Rheinseite der vom Altrhein umflossenen Insel Rappenwärt, die zu zwei Drittel ihr Eigentum ist, ein Strand- 139 bad zu errichten und die anschließenden Waldanlagen zu einem Erholungspark im gro- ßen Stile auszubauen. Der Hauptbestandteil der Anlage bildet ein 400 m langes, 98 m bzw. 120 m breites und in der Mitte 6,5 m tiefes Becken, das in das Gelände eingeschnitten und durch Rheinwasser gespeist wird." WIldes Baden arn Rhein Alle Begründungen /Ur das neue Freibad sind Hinweisen auf die Probleme des "wilden Ba- dens" zu entnehmen. Es gab zwar damals am Rhein und an der Alb bereits einige Freibäder wie zum Beispiel das 1915 errichtete Rheinha- fenbad, die Badeanstalt im Rhein bei Maxau, das Sonnen-, Luft- und Schwimmbad des Naturheilvereins am Dammersrock an der Alb und die ehemalige Militärschwimmschule beim "Kühlen Krug". 1928 war aber der Bade- betrieb am Rhein anscheinend so stark wie nie zuvor gewesen, dass für die letzte politische Entscheidung der Weg /Ur ein neues Bad geeb- net war. "Für Bilder jedenfalls, wie sie bisher beim wilden Baden am Rhein und an der Alb an der Tagesordnung sind, ist auf dem Rap- penwört kein Platz. Hier sollen Eltern ihre he- ranwachsenden Söhne und Töchter ruhigen Herzens hinführen dürfen, anstatt ihnen das Baden im Freien zu verbieten und doch be- fürchten zu müssen, dass heimlich erst recht geschieht, was durch das Verbot verhütet wer- den soll .. .. Ordnung an die Stelle von Unord- nung zu setzen, gegen das Unvollkommene das Vollkommene einzutauschen, das ist das große Ziel von Rappenwört," ein Zitat aus der städtischen Broschüre von 1927. Der erste Schritt zu einem Landschaftspark Der Enrwurf des Generalbebauungsplanes 1926 enthält die Konzeption für den gesam- ten Rappenwört, aber ornamental überzeich- net. Die von DaxIanden zu bauende Erschlie- ßungsstraße mit Straßenbahn wird in einem Rondell aufgefangen und in zwei Richtungs- fahrbahnen geteilt durch eine langgestreckte rechteckige Grünfläche. Dem Rondell gegen- über, im Westen liegen die Hochbauten für das Freibad. Die strenge Symmetrie des zen- tralen Baukörpers mit weiteren Flügelbauren- eine konsequente Einordnung in die ebenfalls symmetrisch ausgerichtete Gesamtanlage - ist eine formale Übertragung des Prinzips absolu- tistischer Stadtplanung und des damaligen Schloss baues französischer Herkunft. Dazu gehören vorgelagerte und rückwärtige, wiede- rum symmetrisch angelegte Parklandschaften. Hier ist es die so genannte "Eiswiese", gedacht als Eislauffiäche im Winter. Im Herbst 1927 veröffentlichte die Stadt- verwaltung die Broschüre "Die Grünpolitik im Karlsruher Generalbebauungsplan: Der Rheinpark Rappenwört", aus der das folgende Zitat stammt: "Die Rheininsel Rappenwört, im Westen vom Rhein, im Süden, Osten und Norden in Hufeisenform vom Altrhein be- spült, hat bei einem Flächenausmaß von rund 130 ha eine größte Ausdehnung von 1,6 km in der Osrwestrichtung und von Nord nach Süd eine solche von 1,0 km. Sie liegt mit ihrem Mittelpunkt rund 2 km südlich vom Rheinha- fen-Stichkanal und ebenso weit westlich von Daxlanden inmitten der herrlichsten Natur des Rheinwaldes, die Schönheiten der Rhein- landschaft in sich selbst aufs höchste steigernd '" alle nur denkbare Vorzüge einer schönen Natur finden sich hier zu einer seltenen Gele- genheit vereinigt, eine Volkserholungsstärre größten Ausmaßes und stärkster Wirkung zu schaffen, wie sie rhein auf, rheinab schöner und besser kaum mehr erdacht werden kön- " neo. Bürgermeister Hermann Schneider wollte den bis dahin teilweise unzugänglichen Teil 140 Rappcnwört im Entwurf des Generalbebauungsplanes 1926. der Rheinaue zum Zwecke der Erholung der Karlsruher erschließen ... Der Rappenwört soll nicht nur den vielen Tausenden, die heute an schönen Sommertagen von Neuburgweier bis Maxau das Rheinufer bevölkern, eine passen- dere und bessere Gelegenheit bieten, im flie- ßenden Rheinwasser zu baden und in frischer, sonniger Luft sich zu bewegen, ... ganz sicher ebenso viele werden überhaupt erst durch den Rappenwört sich in die Möglichkeiten versetzt sehen, die Wohltat eines nervenstärkenden Rhein-Bades in Verbindung mit heiterem Spiel auf grünem Rasen in froher Geselligkeit und unter der Wirkung der herrlichsten, von reinster Luft und Sonne durchtränkten land- schaft sich und ihren Kindern zukommen zu lassen. Tausende von Familien des verarmten Mittelstandes, der Arbeiter und kleinen Beam- ten, die das Geld zu einer noch so bescheide- nen Sommererholung in einem auswärtigen Kurort nicht aufzubringen vermögen, werden 141 auf dem Rappenwört ohne besondere Kosten alles haben, was von einer Gelegenheit zur Erfrischung der Gesundheit billigerweise er- wartet werden kann." Das Verlangen nach Luft und Sonne ist hier das wichtige Thema, wie es auch im Siedlungsbau durch die Umset- zung der Ziele,einer guten Belüftung und Be- lichtung im Nord-Süd ausgerichteten Zeilen- bau zum Ausdruck kam. Am 13.9.1927 bewilligte der Stadtrat das Projekt .. Rheinstrandbad", dessen Kosten mit 1 ,08 Mio Mark angegeben wurden, den Bau der Verlängerung der 1928 fertiggestellten Straßenbahnstrecke nach Daxlanden (Kosten von 293.000 M) und die Errichtung einer Vo- gelwarte in Höhe von 90.000 M. Am 28.9. debattierten die Mitglieder des Bürgeraus- schusses insbesondere das Strandbadprojekt. Die Fraktion der Kommunisten hatte die Ab- setzung des Tagesordnungspunktes und die Beauftragung des Stadtrates für die Erarbei- tung eines Projektes "Sanierung der Altstadt" beantragt. Die für das Gesamtprojekt Rappen- wört erforderlichen 1,5 Mio M sollten dafür eingesctzc werden. Zwei weitere Gruppen lehnten den Bau des Bades ebenfalls ab, da andere Projekte wie das fünfte Hafenbecken oder das Ettlinger Tor wichtiger seien; auch wurde da die Höhe der erwarteten Einnahmen bezweifelt. Die Mehrheit des Bürgerausschus- ses stimmte aber für Rappenwört. In der sel- ben Sitzung ging es noch um die Verlängerung der Straßenbahn nach Rappenwört und den Bau der Vogelwarte. Für den früher propagierten "Naturschutz- park" gab es keine eigene Vorlage. Ein Teil des finanziellen Aufwandes steuerte die Reichsre- gierung als Mittel der "wenschöpfenden Ar- beitslosenfürsorge", eine Form eines Arbeits- beschaffungsprogramms, bei. Dieser gesamte Entscheidungsvorgang mutet eigenartig an, wenn man bedenkt, dass die Vorarbeiten für das Projekt schon einige Zeit im Gange war. Ab Ende 1925 baute die Stadt mit Unterstüt- zung des Programmes für "Notstandsarbeiten " einen Fahrweg von Daiclanden bis Rappen- wört einschließlich der Brücke über den A1t- rhein. Diese wurde Anfang Februar 1927 dem Verkehr übergeben. Im November 1926 be- gannen die Arbeiten für den Aushub des künf- tigen Badebeckens. Ende März 1927 war die Hälfte der 27.000 cbm Erdrnassen ausgeho- ben. Alle diese Vorbereitungsarbeiten waren im Sinne der "Bekämpfung der Erwerbslosig- keit" von Stadtrat und Bürgerausschuss 1926 beschlossen worden. Wie wir wissen, gelang bis 1929 alles, wie von der Stadtverwaltung beabsichtigt: die Eröffnung des Rheinstrand- bades am 20.7 .• die in der örtlichen Presse gro- ße Aufmerksamkeit fand. der Straßenbahnver- bindung - es war wie heute die Linie 2 - und die Eröffnung der Vogelwarte am 12.10. Das ca. 16 ha große Badegelände sollte Platz für 15.000 Besuchern bieten. Die Kapa- zirär der so genannten ,,Auskleideräume" be- trug im Eröffnungsjahr bis 5.300 und wurde später erhöht. Schwimmen war im großen si· chelförmigen Becken wie auch im Rbein durch die Anlage von vier Schwimmstegen möglich. Die Ostseite des über 450 m langen Beckens gestaltete sich als flacher. über 500 m langer Badestrand (Böschungswinkel 1 : 18). die dem Rhein nähere Westseite bot Stufenreihen. auch als Zuschauertribüne für Wettkämpfe. Das Freigelände bot von Anfang an vielfältige Möglichkeiten für die Besucher: eine große Anzahl von Ringtennisplätzen - Schneider hatte diese Sportart nach einer Amerika-Reise in Karlsruhe eingeführt -. Turngeräte in den Turnhöfen. den Innenhöfen der Garderoben- bauten. einen Leichtathletik- und Rasenspiel- platz und eine Schießhalle. Einkaufsmöglich- keiten für Sportartikel, Fotoartikel. Wäsche- verleih. Herren- und Damenfriseur und das Strandrestaurant mit Tanzdiele boten den Be- suchern eine für die damalige Zeit geradezu luxuriöse Versorgung. Das Angebot von Trink- kuren. Diätfrühstück und vielfaltigen Milch- produkten weist auf die beabsichtigte Gesund- heitsförderung hin. Neben dem Mittelbau sollten Gymnastikhallen stehen, auf welche wahrscheinlich aus Geldmangel verzichtet worden ist. Als Erinnerung an die frühere Nutzung des Geländes als Dampfziegelei blieb ein Ziegelei- Brennofen mit dem 22 m hohen Kamin ste- hen. Der Kamin bot Fledermäusen eine Heim- stänc, die Spitze zierte ein StorchennesL Die Dampfziegelei war bereits 1917 stillgelegt und das Anwesen Anfang der 20er Jahre von der Stadt gekauft worden. Bei der Erwähnung die- ser Vorgeschichte muss auch an die 1915 be- schlossenen Absichten der Stadt erinnert wer- den, auf mehr als der Hälfte der Fläche des Rappenwört Kies zu gewinnen . Dabei wären jährlich 1.5 ha Wald abgeholzt worden. Diese Absichten sind wahrscheinlich wegen der ge- 142 Strandbad Rappenwärt 1929. ringen Bautätigkeit während des Ersten Welt- kriegs buchstäblich im Sand verlaufen. Noch heute fasziniert die Freiraumgestal- tung durch ihre Einfachheit, strenge Symme- trie, die aber nicht konstruiert wirkt. Die Pap- pelreihen umfassen das eigentliche Badegelän- de mit dem großen Becken wie schützende Arme. Zugleich öffnet sich der Freiraum zum Rhein hin. Im Gegensatz zu den sonstigen Freibadeanlagen bietet Rappenwört außerhalb der Freibadesaison einen wunderbar gestalteten I.andschafuteil innerhalb der Rheinaue. Eigent- lich ist es ohne Badebetrieb dort am schönsten. Das Restaurantgebäude Eine besondere Aufmerksamkeit verdient das Baderestaurant. Wer heute auf das etwas trau- rig wirkende Gebäude vom Parkplatz oder der Endstation der Straßenbahn zugeht, ahnt viel- leicht doch, dass hier ein besonderes Haus auf einem bewusst ausgewählten Standort steht und nach Erneuerung, besser gesagt nach Wie- derherstellung des ursprünglichen Zustandes ruft. Es ist ein zwiespältiges Produkt der Ar- chitektur, das sowohl die damalige Bautraditi- on als auch das "neue Bauen" am Ende der 30er Jahre widerspiegelt. Die symmetrische Ausrichtung der Baukörper steht noch für das ,,Alte", auch für Karlsruhes Rationalität in der Grundrissgestaltung in der Fortführung im 19. Jahrhundert. Das "Neue" wird durch die Ausformung des Gebäudes in der Sprache des "neuen Bauens" erzeugt: kubische Baureile- hier wie eine kleinere auf eine größere Schach- tel gesetzt -, Flachdach, horizontale Fenster- bänder, Auflösung der nach Westen orientier- ten Saalwände in Glas, weißer Anstrich auf Putz. Die Verzierungen an den Fenstern sind wiederum "Reste" der Tradition. Der Rohbau ist in Backsteinmauerwerk und Stahlbeton ausgeführt. Architekt war der städtische Ober- 143 baurat im Hochbauamt, Robert Amann. Es ist zu hoffen, dass bald die "Modernisierung" dieses Architekturdenkmals im Sinne des ur- sprünglichen Zustandes in Angriff genommen wird. Die ehemalige Vogelwarte Nicht weit von hier steht ein Gebäude, das in seiner architektonischen Gestaltung wesent- lich radikaler ist als die Hochbauten im Frei- bad. Die Vogelwarte ist ein Werk des Stadt- baurats im Hochbauamt Walter Merz. Er hat- te die Aufgabe, "Räume zur Unterbringung und Beobachtung von Vögeln wie auch zu Unterrichts- und Versuchzwecken zu schaffen und daneben für den Leiter der Warte und einen Gehilfen Wohnungen zu bauen." Ende 1925 gab es in der Stadtverwaltung Reaktio- nen auf einen am 10.9. im "Tagblatt" erschie- nenen Artikel zur Schnakenplage. Dabei rück- te der Schutz der Singvögel auf Rappenwört als natürliche Feinde der Stechmücken in den Blickpunkt. Die Bekämpfung der Schnaken auf Rappenwört war nicht unumstritten, wie die Meinung des damaligen Leiters der Lan- desnaturschurzstelle Prof. Auerbach zeigt. Er hatte sich dieses Gebiet als Naturschutzpark gedacht, "zu dessen besten Schutz gerade die Schnaken dienen sollten." Zu der damals bereits diskurierten Ausweisung eines Land- schaftsschutzgebietes kam es erst 1962. 1927 konkretisierte sich ein von Prof. Feh- ringer, dem Verantwortlichen für die "Staat- lich empfohlene VogelschurzsteIle für Baden" in Heidelberg, die Idee einer staatlichen Vogel- schurzsteIle in Karlsruhe-Rappenwört. Der Standort wurde wegen des Vogelschutzes und der Schnaken plage auf der Altrhein-Insel als sehr günstig angesehen. Eigentlich war es eine staatliche Aufgabe. Da die Angelegenheit zu versanden drohte, übernahm die Stadt Karls- ruhe die Realisierung. Der Auftrag sah den Vogelschutz, die Bekämpfung der Schnaken- plage auf biologischer Grundlage und die Er- gänzung des naturkundlichen Unterrichts vor. Leider war der Eintichtung kein Glück be- schieden. Das Verhältnis zwischen dem Leiter Prof. Fehringer und der Stadtverwaltung ent- wickelte sich spannungsreich. Anlässe wie die Anbringung von Blumenkästen, Erstattung von Auslagen, Klagen über Nachlässigkeiten usw. führten schließlich zur Niederlegung der Leitung Anfang 1931. Bereits anlässlieh dieses Vorfalles zeigte sich, dass die Vogelwarte im Bewusstsein der Karlsruher nicht verankert war. So ist einem Presseorgan am 19.2.1931 folgendes zu entnehmen: "Man hätte ruhig die Vogelwarte gleich aufheben können. In Karls- ruhe hätte ihr kein Mensch eine Träne nachge- weint und die Stadt könnte viel Geld sparen." Ein Kommentar, der auch heute noch traurig stimmt, denn damit wurde eine Besonderheit in dieser Stadt als Belastung und nicht als Be- reicherung gesehen.·Am 31.3.1934 endete die Existenz der Vogelschutzwarte durch deren Aufhebung aus finanziellen Erwägungen. 1996 erlebte dieses Haus eine verdiente Re- naissance als Narurschutzzentruffi. Der anfangs vorgesehene Standort lag näher zum Altrhein. Er rückte dann in die Hauptach- se des Strandbades, was durch die vorgesehene geradlinige Wegeverbindung zu einer guten Einbindung der Vogelwarte in das Planungs- konzept wegen der landschaftsplanerischen Qualität und der besseren Auffindbarkeit ge- führt hätte. Aber der junge Architekt Merz setzte sich anscheinend gegen den traditions- bewussten Stadtplaner Pflästerer durch. Sym- metrie, axial aufgebaute Strukturen in der Stadtlandschaft, Repräsentation und Blickbe- ziehungen waren nicht mehr gefragt und wur- den von der damaligen Avantgarde der Archi- rektur abgelehnt. So ist heute die gedachte Beziehung zum Freibad nicht mehr nachvoll- ziehbar, und wenn, nur mehr mit dem Lineal 144 auf dem Plan. Der Vergleich der Architektur des Baderestaurants mit der der Vogelwarte zeigt die unterschiedliche Auffassung der bei- den Architekten deutlich. Merz übernimmr konsequent die Formensprache, wie sie von der Kunstbewegung "De Stijl" in den Nieder- landen und von Walter Gropius in seinen Dessauer Bauten für das Bauhaus vorgegeben war: Asymmetrie bei der Anordnung der ku- bischen Baukörper und im Fassadenaufbau, Flachdach, in die Außenhülle eingeschnirtene Fenster unterschiedlicher Formate, weißer Anstrich, kein Fassadenschmuck. Die vier Funktionseinheiten der Einrichtung, nämlich die Wohnung des Leiters, die Unterrichts- und Versuchsräurne, das Vogelhaus und die Gehil- fenwohnung, sind in ihren Formen vonein- ander unterschieden. Die Geschossigkeit ist nach diesen Funktionsteilen unterschiedlich: eingeschossig die Gehilfenwohnung und der Vogeltrakt als Verbindung zum Haupthaus mit dem wiederum eingeschossigen Unter- richtstrakt und dem zweigeschossigen Wohnt- eil, der von einem Turm mit drittem Geschoss und Beobachtungsplartform gekrönt ist. Da- mit wird auch der gemeinsame Eingang mar- kiert. Die Gesamtanlage ist streng Ost-West orientiert, was bei einer axialen Beziehung zum Strandbad nicht möglich gewesen wäre. Merz erklärte das vorhin angesprochene Ab- weichen vom übergeordneten Konzept selbst: "Die Vereinigung zu einem einzigen symmet- rischen Baukörper, der etwa mit dem Strand- bad zusammen in eine Achsenbeziehung hät- te gebracht werden können, konnte nicht in Frage kommen: denn die Wahrheit als letztes Ziel alles Gestaltens läßt es nicht zu, daß ein differenzierter Organismus durch eine äußere Form verkleidet wird. die seinem inneren We- sen nicht entspricht." Dieser Bau zeigt zeitgleich mit dem Dammerstock den in Karlsruhe etwas verspä- tet aufgetretenen Bruch mit der Städtebau- und Architekturtradition. Ganz deutlich wird dies bei der Betrachtung der ersten Entwürfe des Hochbauamtes aus dem Jahre 1927, die nicht von Merz stammen. Nicht realisiert wurde übrigens eine von Anfang an konzipier- te Wasserfläche vor dem Anwesen. Die Veröffentlichung über Rappenwört, insbesondere über die Hochbauten in der "Bauzeitung" in Form zweier aufeinander fol- genden Sonderbeilagen mit der Überschrift "Das neue Karlsruhe", zeigt das damalige über- regionale Interesse. Die wöchentlich erschei- nende Fachzeitschrift stellt Ende der 30er Jah- re in unregelmäßiger Folge große Projekte des "Neuen Bauens" in Form von Sonderbeilagen für einzelne Städte. Mirte 1928 fand in Karls- ruhe eine Hinwendung zum so genannten "Neuen Bauen" statt, freilich nur für kurze Zeit und in Gang gesetzt von der Stadrverwaltung, besser gesagt von Bürgermeister Schneider. Die Akteure des Projektes Das "Unternehmen Rappenwört" wurde von Personen der Stadrverwaltung geprägt. Leider hat die Literatur diese Phase det Karlsruher Kommunalpolitik bisher unzureichend wahr- genommen. Bislang wurden nur Namen wie Ernst May, Stadtbaurat in Frankfurt/M., Gus- tav Oelsner, Bausenator in Altona, Frirz Schu- machet, Oberbaudirekror in Hamburg, und Martin Wagner, Stadtbaurat in Berlin, gewür- digt. Sie standen für einen neuen Typ von lei- tenden Kommunalbeamten. Fachliche Kom- petenz und die Suche nach neuen Wegen in der Verwaltung kennzeichneten diese Persön- lichkeiten. Hermann Schneider, der Karlsru- her Baubürgermeister, kann ohne Einschrän- kungen in die Reihe dieser Personen eingeord- net werden. Ein Grund für die nur regionale Bekanntheit von Schneider und für die unge- nügende Rezeption seiner Person und Tätig- keit kann seine berufliche Herkunft gewesen 145 sein: er war kein Architekt, sondern Bauinge- nieur und war mehr Initiator und Umsetzer als Planer. Auch seine politische Herkunft als Konservativer - er war Mitglied der Zen- trumspartei - und fehlende ptogrammatisch ausgerichtete Publikationen haben vielleicht dazu beigetragen. Karl Pflästerer, Urheber des Gesamtkon- zeptes für Rappenwört, ist ein Beispiel der Kontinuität in der Karlsruher Stadtplanung von der Zeit der Weimarer Republik, über die des Dritten Reiches bis hin zu den Anfängen der Bundesrepublik. Seine Persönlichkeit be- stimmte seit Mitte der 30er Jahre bis nach dem Zweiten Weltkrieg die fachliche Arbeit, beginnend von den gestalterischen Beiträgen im Enrwurf zum Generalbebauungsplan 1926, über die unzähligen Baufluchtenpläne, Enrwürfe zum Ausbau der Stadt Karlsruhe bis zur Wiederaufbau planung Ende der 50er Jahre. Mit dem 1919 erfolgten Eineritt in das städtische Hochbauamt beginnt seine bis 1954 dauernde Berufslaufbahn bei der Stadt- verwalrung Karlsruhe . . Ab 1924 nahm das Tiefbauamt seine Dienste für die Erarbeitung des Generalbebauungsplans in Anspruch, was dort zum systematischen Aufbau des "Stadter- weiterungsbüros" unter seiner Leitung führte. 1947 wurde ihm die Leitung des Stadtpla- nungsamtes übertragen. Walter Merz, Architekt der Vogelwarte, wurde Anfang 1928 beim städtischen Hoch- bauarnt in Karlsruhe eingestellt, um am Dam- merstock-Projekt mitzuarbeiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete er das Hochbauamt und von 1955 an bis zu seinem Ruhestand 1961 hatte er die neugeschaffene Position ei- nes dem Oberbürgermeister zugeordneten Referenten inne. Dabei unterstand ihm das Stadtplanungsamt, das Hochbauamt und das Bauordnungsamt. Über Robert Amann, den Architekten für die Hochbauten im Rheinstrandbad, ist wenig bekannt. Er trat 1911 ins städtische Hochbau- amt ein, wurde 1913 Stellvertreter des Amts- leiters Beichel, nach dessen Pensionierung 1938 er die Amtsleitung bis 1948 übernahm. Rappenwört wird in den nächsten Jahr- zehnten wahrscheinlich wieder in den Mittel- punkt der Planungspolitik der Stadt Karlsruhe rücken. Sollte wieder einmal eine Bundesgar- tenschau stattfinden, so kann der "Rheinpark Rappenwört" ein reizvoller, weiter entwickel- ter Bestandteil dieser Unternehmung werden. HARALD RI NGLER Landesbildstelle Baden Neues Gebäude - neue Aufgaben Die im Januar 2001 in ein Gebäude des ehe- maligen Grenadierkasernenblocks umgezoge- ne Landesbildstelle Baden gehört zu den ältes- ten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland. Schon 1918 waren Freiburg, Karlsruhe und Mannheim Mitglieder des in Stettin lokalisier- ten Bilderbühnenbundes. Das vorwiegend privatrechtlich organisierte Bildstellenwesen bekam 1934 im Zuge der Vereinheitlichung und Zentralisierung des Schulwesens unter dem Nationalsozialismus eine völlig neue und für das Deutsche Reich flächendeckend orga- 146 nisiene Struktur von Landesbildstellen und Stadt- bzw. Kreisbildstellen. Dieses Verbund- system prägt heute noch das Bildstellenwesen. Im Unterschied zu den anderen Bundes- ländern, die ihre Landesbildstellen in nachge- ordnete Ämter überfühnen, blieben in Baden und Württemberg die Rechtsformen der selbstständigen Körperschaft erhalten. Beide Landesbildstellen, die badische und die wün- tembergische, blieben auch nach der Grün- dung Baden-Württembergs jeweils für ihre angestammten Landesteile zuständig. 1957 erlässt der Landtag das "Gesetz über die Versorgung der Schulen mit Filmen, Licht- bildern und Tonträgern". Dieses Gesetz, sei- nem Inhalt entsprechend das erste Bildstellen- gesetz, weist den beiden Landesbildstellen Ver- sorgungsfunktionen zu. Erst die Gesetzesno- vellierung von 1991 berücksichtigt in ihrem Aufgabenkatalog pädagogische Dienstleistun- gen wie Fon- und Weiterbildung von Pädago- gen und außerschulischen Bildungsmultipli- katoren im Medienbereich, Aufgaben der Me- dienbegutachtung in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport und - was für die damalige Zeit weit vo- rausschauend war - Aufgaben der Erprobung und Innovation neuer Informations- und Kom- munikationstechnologien sowie deren Trans- fer an Schulen und Bildungseinrichtungen. Des weiteren wurden auch traditionelle Aufga- ben des Verleihs, der technischen Beratung von Schulen und Bildungseinrichtungen, Ko- pierdienste von schulrelevanten Fernseh- und Rundfunksendungen und schließlich fotogra- fische Dienste zur Führung von landeskund- lichen Bildarchiven wahrgenommen. Von 1934 bis 1974,40 Jahre lang, war die Landesbildstelle Baden in Karlsruhe im ehe- maligen Prinzessin-Wilhelm-Stift in der So- phienstraße 39/41 untergebracht, wo sie auch die Fliegerangriffe heil überstanden hat. Für den Verlust des Verwaltungsarchivs und des Landesbildslellc: Baden, Sophienslraße 39/4 1, 1955 Dienstgebäude der Landesbildstelle Baden. Rastatter Straße 25. 1978 Altbestands des Bildarchivs gibt es die Vermu- tung, dass diese Teile während des Krieges nach Straßburg gekommen seien, wo maß, wie die dortigen Aktennachrichten belegen, eine oberrheinische Landesbildstelle aufbauen wollte. Der Umzug 1974 nach Rüppurr in die Rastatter Straße 25, in die ehemalige Hem- den fabrik Stecher, wurde notwendig, weil die Aufgaben der Landesbildstelle kontinuierlich 147 Neues Gebäude der Landcsbildstelle Baden, Molrkcmaße 64 , März 2001 wuchsen und somit der Raumbedarf. Der Me- dienbestand vergrößerte sich und mit ihm der Zulauf von Benutzern. Vor allem die pädago- gischen Aufgaben, wie sie 1991 ins Gesetz auf- genommen wurden, entwickelten sich mit der Medien- und Kommunikationstechnik. Das war das Aufkommen der Ton- und Videokas- setten - später auch der Disketten und CD's. Seit 1991 wird zunehmend die Zulassung von außerschulischen Benutzern diskutiert. Heute ist die Landesbildstelle Baden längst eine öffentliche Einrichtung, die jedem offen steht, der einen gültigen Personalausweis von Baden-Württemberg vorweisen kann. Medien waren lange Zeit mehr oder weni- ger die Stiefkinder der Schulpädagogik. Dies änderte sich bei der Diskussion über die Ge- walt in Medien, die zum öffentlichen Thema wurde. Erstmals bekam die Arbeit der Bildstel- len eine politische Dimension. In diesem The- menfeld wurde die heute noch bestehende Kinder- und Jugendvideothek eingerichtet. Dieses Angebot mit pädagogisch ausgewählten Medien wurde bundesweit zum Modell. Mehr als 5.000 eingeschriebene Kinder und Jugend- liche benutzen die Videothek, die in Koopera- tion mit der Karlsruher Jugendbibliothek ge- führt wird. Damit zählt sie zu den größten in Deutschland. Der zweite Anstoß für die Fortentwicklung des Bildstellenwesens kam durch die neuen interaktiven Medien. Die digitale Revolution wurde zur Herausforderung für das gesamte Schulwesen. Mit Medienoffensiven der lan- desregierung soll Anschluss an die sich atem- beraubend entwickelnde Informations- und Kommunikationstechnologie gefunden wer- den. Die Landesbildstelle Baden hat schon seit 1996 sich dieser Entwicklung geöffnet und die Parrnerschaft mit dem Universitätsrechenzen- trum erreiche. Seitdem gehört die Karlsruher Medienanstalt zu den führenden in Deutsch- land. Ohne die traditionellen Aufgaben zu vernachlässigen, konnte in der Landesbildstel- le Baden ein "Bildungsdienst" aufgebaut wer- den, der Lehrer, Schüler und bildungsinteres- sierte Bürger in die Informationsflut des Inter- nets lehrplankonform und bildungsrelevanc einführe. Die Ausleihe und Distribution von Medi- en wird mehr und mehr zur Moderation von Information aus dem Internet. Diese Entwick- lung wird sich noch weiter verstärken. Die technischen Möglichkeiten der Infor- mationsbeschaffung sowie deren Strukturie- rung sind nur in Kooperation mit bildungs- verwandten Einrichtungen zu nutzen. Die ins Netz gestellten Bildungsinhalte sind letztlich enrscheidend - nicht allein die Technik. Koo- perarionsparrner sind Universitäten, Hoch- schulen, Bibliotheken, Museen und Theater. Bei dieser Entwicklung wurde auch das Haus in Rüppurr zu klein. Mit dem Umbau der Grenadierkaserne, Moltkestraße 64, wurde der bisherige Nutz- raum von 2.000 m' mehr als verdoppele. In fünf vernetzten Übungs räumen können dort Lehrerinnen und Lehrer mit neuester Kom- munikations- und Informationstechnik ver- traut gemacht werden. Weitere Übungsräume 148 und ein Internet-Raum, den jedermann be- nutzen kann, stehen neben den traditionellen Einrichtungen, wie Ausleihe und Medienma- gazine, Bildarchiv und Schulfunktechnik der Nutzung offen. Die Ausleihe wird durch ein elektronisch gesichertes Freihandmagazin er- leichtert. MiTtelpunkt des Hauses ist ein gro- ßer Veranstaltungssaal: ein Raum der Begeg- nung mit dem medialen Kulturwirken wie Musik, Malerei, Theater und Literatur. Auf der großen Bühne steht auch ein Konzertflü- gel. Seit Dezember 2000 ist die Landesbild- stelle Zentrum und Archiv der Jugend- und Schulkunst. Dort sollen künstlerische Produk- te aus dem Kunstunterricht und auch aus den außerschulischen Kunstschulen archiviert und für Ausstellungen bereitgehalten werden. Die neue Landesbildstelle versteht sich als ein Haus der Begegnung im Bildungs- und Kunstbereich im weiten Sinne. Durch den Anschluss im World-Wide-Web ist die Lan- desbildstelle ein Haus ohne Grenzen. GÜNTER STEGMAlER Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951 Ein Aktivist vor der Spruchkammer Am 19. Januar 1948 verhandelte die Karlsru- her Spruchkammer VI unter Vorsitz von Wirt- schaftsprüfer Heinrich Weill gegen einen 1903 geborenen arbeitslosen Hilfsarbeiter, NSDAP- Mitglied seit 1925 und 1934 Träger der "Blut- fahne" beim Nürnberger Parteitag. Der Be- troffene, so die Bezeichnung für all jene, die sich nach dem Gesetz zur Befreiung von Na- tionalsozialismus und Militarismus einem Spruchkammerverfahren stellen mussten, war also ein "alter Kämpfer". Sein Vorstrafenregis- ter, dazu etliche teils illustrierte Zeitungsbe- richte, schließlich die Zeugenaussagen seiner politischen Gegner wiesen ihn zudem als be- rüchtigten Schläger aus, der keinen Propagan- damarsch und kaum eine Saalschlacht ausließ. Dass er hierbei auch Prügel bezog, zeigte ein dem badischen NS-Organ "Der Führer" ent- nommenes Foto. Der Aktivist war hier mit Bandagen um Kopf und Arm sowie Blessuren im Gesicht zu sehen. 1933 hau e Gauleiter Robert Wagner den bislang beschäftigungslo- sen Schläger zum Hilfspolizisten ernannt. Von nun an war er an Verhaftungen jener beteiligt, mit denen er sich bisher Saalschlachten gelie- fert hatte, begleitete gar Visiten Wagners ins nahe Konzentrationslager Kislau. Nicht nur den politisch Verfolgten, sondern auch seinem privaten Umfeld gegenüber benahm sich der Betroffene fortan wie ein "kleiner Führer", terrorisierte die Nachbarschaft und machte hierbei selbst vor Parteigenossen nicht Halt. Damit wurde er selbst seinen Fördern in der Parteileitung untragbar. 1937 schloss ihn Wagner auf massive Intervention des Stadtrats Peter Riedner wegen schädigenden Verhaltens aus Partei und SA aus. Diesen Hinauswurf stellte der Betroffene nun im Spruchkammer- verfahren als Resultat seines Widerstands ge- gen die Parteihierarchie dar, eine Strategie, die beim Kammervorsitzenden Weill um so weni- ger verfing, als es dem öffentlichen Kläger ge- lungen war, immerhin zwölf Belastungszeugen aufZubieten. Enrsprechend eindeutig gesraltete 149 sich die Beweislage. Und so konnten Heintich Weill und seine vier Beisitzer den frühen NS- Aktivisten in die Gruppe 11 der Belasteten einstufen und eine fünfjährige Lagerhaftsrra- fe, den Einzug von 80 Prozent des Vermögens sowie ein Betätigungsverbor für die nächsten acht Jahre verhängen. Das mit Hilfe eines An- walts angestrengte Revisionsverfahren bestä- tigte diese Entscheidung, doch erreichte der Betroffene im Dezember 1949 seine Entlas- sung aus dem Ludwigsburger Lager auf dem Gnadenweg. Entnazifizierungspläne der Alliierten Der geschilderte Fall war in mehrfacher Hin- sicht ein Ausnahmefall. Weit seltener als 1946 konnte in der Spätphase der Entnazifizierung 1948 eine Einstufung als Belasteter oder gar H auptschuldiger durchgesetzt werden, die noch dazu nicht nur auf den ohnehin im Mel- debogen eingeräumten Belastungsmomenten beruhte. Dazu war dieses mündlich verhandel- te eines von insgesamt 263 Verfahren gegen Haup"äter, während di~ Masse der insgesamt über 54.000 Karlsruher Entnazifizierungspro- zesse schriftlich entschieden wurden. Doch was genau bedeutete Entnazifizierung? Welche "Nazis" galt es zu ent-nazi-fizieren und, dies die erste Konsequenz, aus ihren Ämtern zu entfernen? Wer entnazifizierte? Und wie voll- zog sich diese politische Säuberung im Span- nungsfeld von amerikaniseher Direktive, öf- fentlicher Meinung und lokalpolitischem Neubeginn? Schließlich: wie ist die Entnazifi- zierung rückblickend zu beurteilen - als mög- lichst schnell zu vergessender Fehlschlag oder doch wenigstens als Teilerfolg? Die Entnazifizierung, englisch denazifica- tion, war eines jener alliierten Kriegsziele, die sich neben Demilitarisierung, Dekartellisie- rung und Demokratisierung hinter der be- kannten Formel der ,,4 0" verbargen. A1ler- dings war dieser Minimalkonsens der Konfe- renz von Jalta (Februar 1945) wenig mehr als eine Absichtserklärung, denn eine konkrere, gar einheitliche Planung der Umsetzung soll- te daraus nicht entstehen. Entsprechend ent- nazifizierte vom Frühjahr 1945 jede Besat- zungsmacht nach ihren eigenen Interessen und Vorgaben: rigide und mit einem gewissen missionarischen Eifer die Amerikaner; bis zur Anpassung an deren Sysrem 1947 eher prag- matisch Franzosen und Briten, die angesichts der prekären Situation im eigenen Land auch andere Prioritäten setzten; schließlich im Sin- ne der politischen Umgestaltung ihrer Zone die sowjetische Besatzungsmacht. Sollte hier unter dem Deckmantel der Entnazifizierung ein Austausch der politischen wie der Funkri- onseliten vollzogen werden, so beabsichtigten die westlichen Alliierten die Ausschaltung füh- render Nationalsozialisten, hingegen die Wie- dereingliederung der weniger kompromittier- ten Mitläuferin die entstehende demokrati- sche Gesellschaft. Erste Säuberungen in Karlsruhe Karlsruhe wie insgesamt das nördliche Baden war vom 4. April bis 7. Juli 1945 Teil der fran- zösischen Besatzungszone und erlebte zunächst wenig systematische Entlassungen. Dies sollte sich mit dem Einzug der Amerika- ner grundlegend ändern. Ihre Position unter- strich die neue Besatzungsmacht mit einem allgemeinen Fraternisierungsverbot und einer weit konsequenteren Säuberungspolitik. Die- ser Kurs musste sogar noch verschärft werden, als die bisherige Praxis in der US-Presse in die Kritik geriet. Die in Reaktion auf diese Vor- würfe am 26. September 1945 beschlossene Direktive N r. 8 war dann jedoch zugleich der Wendepunkt in der amerikanischen Säube- rungspolitik. Ende November 1945 entschloss man sich, die erwachsene Bevölkerung insge- 150 Gautag der NSDAP in Karlsruhe 1937. Parade vor dem Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, in der Kaiserstraßc am Marktplatz. samt einem gesetzlich geregelten Verfahren zu unterwerfen, um sodann all jene gleich oder nach Ablauf einer Bewährungsfrist in ihre Ämter und Positionen zurückkehren zu lassen, die nicht gänzlich kompromittiert schienen. Politisch unbelastete Deutsche sollten an der Entnazifizierung mitwirken, zudem Anfang 1946 an der Formulierung eines eigenen Säu- berungsgesetzes. Badischer Vertreter in diesem Gremium des Länderrats war der von Landes- bezirkspräsident Heintich Köhler entsandte frühere Mannheimer Rechtsanwalt August Neuburger, der mit seinem Vorschlag der Ein- fuhrung einer Kategorie V ("Vom Gesetz nicht betroffen") wesentlich zur Verfahrensvereinfa- chung beitrug. Am 5. März 1946 unterzeich- neten die Ministerpräsidenten der Länder Bayern, Württemberg-Baden und Hessen so- 151 wie der amerikanische stellvertretende Militär- gouverneur Lucius D. Clay in München das in zähem Ringen erarbeitete Gesetz zur Befrei- ung von Nationalsozialismus und Militaris- mus. Der Aufbau der Spruchkammern War damit eine innerzonal einheitliche Rege- lung getroffen, so standen die Regierungen der Länder nun vor der Aufgabe, neben dem da- zugehörenden Apparat jene Laiengremien ein- zurichten. denen die Entnazifizierung nun oblag: die Spruchkammern. Von Mitte März an bereiste der genannte August Neuburger auf der Suche nach Personal, Räumlichkeiten und Büroausstattung jene insgesamr 16 Städ- te Nordbadens, in denen solche Kammern eingerichtet werden sollten. Die feierliche Ver- eidigung der künftigen Kammervorsitzenden. öffentlichen Kläger und Beisitzer konnte be- reits am 18. April im Karlsruher Konzerrhaus stattfinden. und dies obwohl die Anforderun- gen hinsichtlich der politischen Vergangenheit dieses Personals die Suche kaum leicht ge- macht hatten. Vorzugsweise sollten NS-Opfer und Angehörige des politischen Widerstands geworben werden. Tatsächlich leitete in Karls- ruhe ein 1933 nach Frankreich emigrierter und als Sozialdemokrat und Spanien kämpfer 1940 bis 1945 in Gurs und schließlich im KZ Dachau inhaftierter Anwalt die Lagerspruch- kammer. vier seiner Vorsitzendenkollegen so- wie ein öffentlicher Kläger galten der NS-Ras- sedoktrin nach als Juden. In der Praxis wurden jedoch in erster Linie die sehr viel zahlreiche- ren Personen verpflichtet. die als Nichtpartei- genossen für unbelastet galten. Die Kammer- votsitzenden und Kläger waren faktisch laien- richter oder -staatsanwälte. die jedoch über keine juristische Vorbildung verfügen muss- ten. August Neuburger war es allerdings ge- lungen. nahezu alle nordbadischen Kammern mit Juristen zu besetzen j wie dies laut Gesetz vom 5. März lediglich für die Berufungsin- stanz votgeschrieben war. Er fand diese unbe- lasteten Juristen im Kreise seiner einstigen Anwaltskollegen. der ihm bekannten Richter und Staatsanwälte. die sich aber nicht in je- dem Fall freiwillig verpflichten ließen. Im- merhin mussten sie ihre Anwaltskanzlei ver- nachlässigen oder die Doppelbelastung einer gleichzeitigen Tätigkeit im Justizdienst auf sich nehmen. Der Spruch der Kammer lautet ... Wie vollzog sich nun die Entnazifizierung in einer Stadt wie Karlsruhe? In der Osterwoche 1946 hatten zunächst sämtliche Erwachsenen einen 14 Fragepunkte umfassenden Meldebo- gen auszufüllen und in doppelter Fertigung bei Polizei oder Bürgermeisteramt abzugeben. Da künftig nur Lebensmittelkarten erhielt. wem die Einreichung des Meldebogens quit. tien worden war, konnte ein hoher Grad an Mitwirkung. nicht zwingend jedoch an Ehr- lichkeit vorausgesetzt werden. Immerhin wurden in der Folgezeit mehr als 3.000 Karlsruher wegen Meldebogenfäl- schung angezeigt. weil sie entweder unvoll- ständige oder unzutreffende Angaben gemacht hatten. Mitunter entging jedoch auch man- cher - selbst plumpe - Fälscher der Aufmerk- samkeit der Auswerter. Jeder eingereichte Mel- debogen. nicht zu verwechseln mit dem seit Ernst von Salomons gleichnamigen Roman weit bekannteren Fragebogen, wurde eigens gesichtet und überprüft. Die anfänglich nur vier Auswerter der Karlsruher Spruchkammer harten binnen weniger Monate immerhin fast 200.000 Formulare zu bearbeiten. Nach Abschluss der Prüfung erhielten knapp 'A. insgesamt 142.000 Personen einen Postkartenbescheid mit dem Vermerk: "Vom Gesetz nicht betroffen". der für sie die Entna- zifizierung beendete. Die übrigen gut 54.000 wurden. je nach formaler Belastung. in eine der folgenden Kategorien eingereiht: Haupt- schuldige (I). Belastete (11). Minderbelastete (111). Mitläufer (IV) und. dies allerdings erst nach Abschluss eines Verfahrens. Entlastete (V). Die in Gruppe I-III sortierten Betroffe- nen. Parteimitglieder lange vor dem 30. Januar 1933. Funktionsträger. Nutznießer. erst recht Verbrecher gegen die Menschlichkeit. wurden im mündlichen Verfahren verhandelt. die üb- rigen. per schriftlichem Sühnebescheid erle- digt. In Karlsruhe erhielten gut 30.000 eine entsprechende Mitteilung. faktisch eine Ver- fahrenseinstellung gegen eine zumeist geringe Geldbuße. die einem Wiedergutmachungs- fonds zufließen sollte. 24.000. etwa ein Ach- tel aller Meldepflichtigen und zu weit über 80 152 Die Vereidigung der nord badischen Spruchkammern "".pradll du LaDdMprllldnkD 0.. 11. Köhler _ MI.a!.k'lal •• l Nel,lbw!ler Ohn dia Du.chlQhl'Vll\l du DeDlIlllzlen.nlll.c..ulz« Was erwartet die Welt? V". ku,.~", hefnde" ,ich V.rtte ... .01" ;a' .... ".ti .... l... C ..... k ..... floba .. d.. In! .i... 1 .. , •• - .... i .. " ... i •• in De .. tu:bland. 0 .. !'ilbtu 01., 0 •• hul ..... du " ..... iI, ..... H 1I '" ...... ukUn. 1,,1 di • ..,,,, AII.ba. •• In .. oll. n.inl ...... D ... udolond. ....... i .... Io .. I.I;ul ...... Ei"a. ..... iI Cel" .. Im. ... I!. ' i.di ..... ch.criib" " I,. •• i d.. Je ';'.0; oie. Allll e ,.o ••• , •• Oe .. ,,«d •• ,j .. ldllllI Eil"" 01.101 .. , "'"' oIi. 'I'.h u .. ..... • rwl •• U ud "0.1'''111. D. I in cl •• -:1"" ;(011 B.iln. D ... u .. 1& ..... ,,'" eiu" . .. Fr •• ",., ,"" • •• ,wi .. I~ '" .n .. md ..... F,ied • • cl •• W.h. Di. W.1I ...... , • • d .... B.w~" .... Il ....... 101 .In S",,, fir Cu . ... li.k.i ...... in ~ ... I"..,ODd "I.f., • nt •• H" 101, •• ud .... olm \" oie. A~.r-.ik",,,1t cl .. C ... . e. u .... lrltl. Wi. ",ä.uu ~i. u.,u D.~"c:h . I .. d ,,:l .. I1' .... d~"." 8.,"'0.,Io"t ... ",lI •• hi«", C •• I ..... 'O .. r die W.h nUn u.d uu" ki" ..... . d •• na ... Volk mit dem N' •• i •• ~ ... Im" ..... a~ In hl. Nil •• i .. 8 •. lr.un".1o <I •• tiliu. 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"0" To lb". •• 1 .... t..\ ......... I .... i.lu Filln .elb.1 cll. Vor. ,.idi •••• 11 A .. ~liu .. wurd .... .. U ..... V'!Ik hofh . " r •• 100".1" ""'011 . .... 01 ••• 11 ...... , .... UII ,.,," .... lootdtlu" .... 01 Wi.tod .. ,. and V ...... !lu .. . wieder non u .... d.e" ... . D .. wlloiruu .... " ... . h ........ 'hm ".i. lh •• . , .. tube ... D .. V.lk ...... lei f ..... er ci • • • I~ ;<h .. illl •• 8 .. ... I. D'" <h .... 1011 .... ~~ .. ';"1,ioIO do .... Hil. ..~ .... i ..... inh.idi r!oen s ..... o:fo p.u i ...... 1 .. 01 ...... . .. ••• u<h .d~.do . bo .. I" •• Xl lnln. .n ~r C.D ... t. tla.,n19. 4ie yu.do •• d ......... u ...... 1_.... 1ilo.;11 . ...... t. ...... rl.' .. ~it~ . .. i. A". ~ .10 .... I 4i", .~. Cu ....... r .11. z . .. " ... ..... i •• idol i .. "u .muilrui .... c .. Z ..... cj. S~ .. d~ ... r!o, ... h ...... Ud," &rholh ..... lido di.'70llt .. I.""" •• 11 •• , V .. lk ••• il •.• in'''''U.8Iido dn r .... ~ .... i .... W.h .. 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Schließlich forderte die amerikani- sche Militärbehörde einen allwöchentlichen Erfolgsbericht, und der musste vor allem ein hohes Quantum erledigter Fälle aufWeisen. Die eigentlichen "Führer der Provinz": Kreis- leiter Willi Worch, Ministerpräsident Walter Köhler, Innenminister Kar! Pflaumer, post- hum sogar Gauleiter Robert Wagner, dazu hohe Beamte der badischen Ministerialbüro- kratie und der Justiz, sie alle blieben erst einmal aufgespart, um dann 1948 in einer vom beginnenden Kalten Krieg geprägten Schlussstrichstimmung von Verfahrensverein- fachungen zu profitieren. Zwar suchte man- cher Kammervorsitzende dieser Ungleichbe- handlung gegenzusteuern; auch quittierten nicht wenige Beisitzer aus Protest ihren Dienst. Eine Verwässerung der einst strengen Praxis konnten sie indes kaum verhindern. Nicht zuletzt aus diesem Grund war der ein- gangs geschilderte Fall eine bemerkenswerte Ausnahme. ANGELA BORGSTEDT 153 "Mit dem Gesicht nach Deutschland" Das Schicksal der Karlsruher Familie Marum im Exil Geboren 1914, 1928 Mitglied der SPD, 1932 Jurastudium, 1933 nach Frankreich emigriert, 1939 KPD-Mitglied, seit Kriegsausbruch u. a. in den Lagern Le Vernet und Les Milles inter- niert, 1942 Auswanderung nach Mexiko, 1947 Rückkehr nach Deutschland in die sowjetisch besetzte Zone, Arbeit als Journalist und Abtei- lungsleiter im DDR-Außenministerium. Sta- tionen einer Biographie, wie sie die Gewalt- herrschaft der Nazis in Deutschland vielfach zur Folge hatte. Nachlesen kann man sie im Biographischen Handbuch der deutschspra- chigen Emigration nach 1933, wo Tausende zerstörter Lebensplanungen und Zukunfts- hoffnungen versammelt sind. Die genannten Daten markieren das Leben eines in Karlsru- he geborenen Mannes: Hans Marum, ältester Sohnes von Ludwig Marum. Sie sagen aber wenig über das Leid aus,_ das ihm und der gan- zen Familie dieses von den Nazis 1934 in Kis- lau ermordeten vormaligen badischen Sozial- demokraten, Landtagsabgeordneten, Landes- ministers, Staatsrats und Mitglieds des Reichs- rags zugefügt wurde. Noch während der Haft- zeit Marums wurde der Familie durch unge- rechtfertigte Steuernachforderungen die Fort- führung ihres bürgerlichen Lebens unmöglich gemacht, es musste eine deudich kleinere Woh- nung bewgen und zahlreicher Hausrat verstei- gert werden. Die Suche nach einer neuen Un- terkunft erschwerte die Weigerung vieler Woh- nungseigentümer. an Juden zu vermieten. Nach der Ermordung Marums erhielt die Ehe- frau vom Staat eine Rechnung für Schutzhaft- kosten. Da sie sich weigerte zu bezahlen, ließ der Karlsruher Gestapochef die Auszahlung einer Lebensvetsicherung blockieren, so dass sie nachgeben musste. Da sich so für die Fami- lie die Sicherheit des täglichen Lebens auflös- te, blieb der Ehefrau Marums und ihren drei Kindern zur Bewahrung ihrer Selbstachtung vor weiteren Demütigungen durch das NS- System und als Juden zur Rettung ihres Le- bens nur der Weg aus Deutschland in ein un- gewisses Schicksal im Exil. Emigration mit dem Gesicht nach Deutschland Flucht und Vertreibung gehören unabdingbar zu den Begleiterscheinungen diktatorischer Regime und gewaltsamer Konfliktausrragung, so auch zum Nationalsozialismus. Annähernd eine halbe Million Menschen emigrierten aus Deutschland während des Dritten Reiches, darunter etwa 280.000 Juden. Alle antisemiti- schen Maßnahmen der Nazis zielten letztlich auf die Vertreibung der Juden. Aber der anti- jüdische Feldzug, der Kampf gegen den Kul- turbolschewismus, gegen "Pazifismus" und "Internationalismus" meinte zugleich alle Er- scheinungen der künstlerischen Avantgarde und der linken politischen Kultur. Da aber unter den Intellektuellen und Künstlern die Juden zahlreich vertreten waren, fielen bei ei- nem kleineren Teil der Emigranten rassische und politische Motive für die erzwungene Flucht aus der Heimat zusammen. Die Mit- glieder der Familie Ludwig Marums zählen gewiss ebenso zu den Emigranten aus rassi- schen wie zu den etwa 30.000 Emigranten aus politischen Gründen. Vor allem die politi- schen Emigranten lebten "Mit dem Gesicht nach Deutschland". So hat es Otto Wels aus- gedrückt, der Fraktionsvorsitzende der SPD, der 1933 im Reichstag in einer mutigen Rede 154 für die SPD als einziger Partei das Ermächri- gungsgesetz Hiclers abgelehnt hatte. Die Hoff- nung, wieder nach Deutschland zurückkehren zu können. erlosch zuletzt, auch wenn etwa Thomas Mann schon 1938 erkennen musste, "dass die Deutschen sich mit Hitler und Hit- ler sich mit Deutschland identifiziert hatten". Zahlreiche, vor allem politische Emigranten sahen sich denn auch nicht als Ausgestoßene und passive Opfer des NS-Regimes, sondern als aktive deutsche Hitlergegner, für die das Exil nicht nur ein persönliches Schicksal, son- dern auch eine polirische Aufgabe bedeutete. Den nach 1945 zurückgekehrten Emigranten vorzuwerfen. sie seien "vaterlandslose Gesellen", war daher ungerechtfertigt. Der genaue Blick auf Einzelschicksale und sinnlose menschliche Tragödien wie sie die Familienmitglieder Ma- rum trafen, erweisen den Vorwurf als scham- lose Verunglimpfung des politischen Gegners in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Exil der Marums in Paris Nach dem Mord an Ludwig Marum fanden sich bis 1936 die Familienmitglieder in Paris ein, damals ein wichtiges Zentrum der poli- tisch-intellektuellen Emigration aus Deutsch- land. Hans war schon im April 1933 über Straßburg dorthin gegangen. Seine Mutter folgte ihm im April 1934 mit der noch nicht funf2ehnjährigen Schwester Brigitte, seine äl- tere Schwester Elisabeth kam nach Abschluss einer Ausbildung als Krankengymnastin in Berlin, wo sie im März 1933 noch ihr erstes juris tisches Staatsexamen abgelegt hatte, 1936 in die Stadt. Sie traf dort ihren Freund den Juristen Heinz Lunau wieder, den sie im Juli 1937 heiratete. H ans hatte kurz zuvor Sophie Gradenwitz, die Tochter eines Rabbiners und studierte Germanistin geheiratet, die Ende des Jahres einen Sohn zur Welt brachte. Brigitte hatte mit Peter Hollaender, ebenfalls ein Emi- grant aus Deutschland 1938 einen Freund ge- funden. Das weitere Umfeld der Verwandten umfasste insgesamt erwa 50 Personen: Juden und Nicht juden, Sozialisten, Kommunisten und Parteilose. Wenn man so will, ein Mikro- kosmos der deutschen Emigration in Frank- reich. . Die Situation der "Kernfamilie" Marum in Paris steUte sich vor Kriegsbeginn in wenigen Worten etwa so dar: Johanna lebte bescheiden von den Erträgen der ausbezahlten Lebensver- sicherung ihres Mannes mit ihrer Tochter Bri- gitte. Diese hatte Gelegenheitsarbeit als Sekre- tärin, ihr Freund Peter Hollaender arbeitete in einer Buchhandlung. Elisabeth verdiente den Lebensunterhalt durch Schwarzarbeit als Krankengymnastin - den Emigtanten war das Arbeiten offiziell nicht erlaubt. Heinz setzte seine schriftstellerische Tätigkeit fort - 1936 war in Brüssel ein Buch über die Zerstörung der Rechtsstaatlichkeit durch die Nazis und 1939 eines über die Politik des Völkerbundes erschienen. Sophie arbeitete schwarz als H aus- angestellte, H ans hatte eine Anstellung beim Büro des Jüdischen Weltkongresses, der haupt- sächlich jüdische Flüchtlinge unterstützte. Beide beteiligten sich an den Aktivitäten der Exil-KPD. Internierungen im Zweiten Weltkrieg Der Kriegsausbruch am I. Seprember 1939 brachte für die Familien einschneidende Ver- änderungen. Es folgre zunächst die monate- lange Trennung der Ehepartner durch die in- ternierung der Männer in weit entfernten Or- ten. Hans blieb bis zu seiner Auswanderung 1942 in verschiedenen Lagern u. a. in Le Ver- net. Heinz und Peter erhielten Anfang 1940 den Status eines Prestatär, d. h. sie wurden in eine militärische Hilfstruppe eingereiht. So- phie zog Ende Dezember 1939 als Leiterin eines Schullandheims der Quäker nach Char- 155 Inhaftierte im Internierungslager Le Vernet 1940/41, mes-sur-Rhöne/Ardeche, wohin ihr ihre Mut- ter mit ihrem Sohn folgten. Elisabeth, die mit Heinz vom Kriegsausbruch in Saint-Tropez überrascht wurde, wo sie zum Urlaub bei Ver- wandten eingeladen waren, saß dort wegen des Reiseverbots für Ausländer fest. Als Heinz im März 1940 erstmals seit Oktober seine Frau wieder sehen konnte, telegraphiert er: .. Kom- me heute, Sonntag, auf Urlaub. Glückseligkeit. Marum". Mit dem AngriffHitlers auf Frankreich am 10. Mai 1940 und dessen Niederwerfung in sechs Wochen verschlechterte sich die Situation der Flüchtlinge weiter. Ab dem 12. Mai wur- den nun neben den Männern auch alle deut- schen Frauen interniert. Brigitte, Johanna und Elisabeth trafen sich im Juni in dem Lager Gurs am Fuß der Pyrenäen, das sie bereits im Juli wieder verlasssen konnten. Sophie blieb von der ,Internierung verschont, da sie ein Kleinkind zu versorgen hatte. Allerdings ver- lor sie nun ihre Stellung und musste ihren Sohn in ein Heim in Limoges geben. Elisabeth kehrte nach Saint-Tropez zurück, Brigitte ging nach Toulouse, wo Peter und Sophie in einem alten Pferdestall hausten. Heinz Lunau erleb- te eine turbulente Zeit und eine erneute lange Trennung von Elisabeth. Er kam im Mai/Juni als Prestatär in Le Mans zum Einsatz und musste über Bordeaux mit einem Schiff nach Casablanca fliehen. Dort wurde er wieder in- terniert und fand nach der Ausmusterung im Oktober Arbeit auf einem Bauernhof. Auswanderung nach Übersee und Tod im KZ Nach der Freilassung der Marum-Frauen aus Gurs richteten sich nun alle Bemühungen neben der alltäglichen Sorge um den lebens- unterhalt, um ein Dach über dem Kopf und um warme Kleidung für den Winter, darauf, die für die Flucht vor den Nazis nötigen Papie- re für die Ausreise zu bekommen. Auswande- rungsvorbereitungen, Schiffspassagen und rlie Angst, nicht mehr aus Europa wegzukommen, bestimmten nun den Lebensrhythmus. Um die Vorbereitungen zu beschleunigen, übersie- delten Johanna, Sophie und Brigitte im März 1941 nach Marseille, wohin Elisabeth ihnen folgte. Heinz betrieb seine Auswanderung von Casablanca aus, während Hans in das Lager Les Milles verlegr wurde. Einer Auswanderung standen aber hohe bürokratische Hürden entgegen. Man benötigte eine bezahlte SchifTs- passage, deren Erhalt an ein Einreisevisum für ein Aufnahmeland gebunden war. Dessen Dauer war begrenzt - für die USA vier Mona- te - wie auch das erforderliche französische Ausreisevisuffi. Benötigt wurden ferner: ärzt- liches Attest, Ausfuhrerlaubnis für das Reise- geld, bei Internierten zusätzlich Führungs- zeugnis und Entlassungsschein. Für all das musste man Dokumente besorgen, abschrei- ben und beglaubigen lassen. Das kostete Zeit und Geld und man benötigte Reisegenehmi- gungen. Ohne finanzielle und andere Unter- stützung von Hilfsorganisationen und Freun- den oder Verwandten in den Aufnahmelän- dern war das nicht zu schaffen. Für die Ma- rums waren von besonderer Hilfsbereitschaft Elisabeths Jugendfreunde aus Karlsruhe, Paul und Susie Schrag, die 1937 nach New York 156 ausgewandert waren. Elisabeth und ihre Mut- ter erreichten nach etwa einem Jahr Bangen im September 1941 auf der "Navemar" New York, Heinz ging nach teils zermürbendem Warten im Dezember 1941 dort an Land. So- phie und Hans waren erst im April 1942 mit Sohn und der wenige Monate vor der Abreise geborenen Tochter in Mexiko am Ziel. Im Gegensatz zu diesem bei allem Unglück guten Ende nahm die Geschichte für Brigitte und Peter ein tragisches Ende. Brigitte, die 1941 hochschwanger in Marseille zurückbleiben musste, gebar Ende Juli ihren Sohn Pierre. 1942 musste sie ihn, da sie keine Arbeit und kein Geld mehr hatte, in das Heim in Limoges geben. Versuche, in die Schweiz zu flüchten, misslangen. Im Januar 1943 wurde sie bei ei- ner Razzia in Marseille verhaftet und im März von Drancy bei Paris in das KZ Sobibor trans- portiert, wo sie unmittelbar nach der Ankunft vergast wurde. Ihr Freund Peter, der Vater des Kindes, von dem sie sich getrennt hatte, kehr- te Ende März 1941 wahrscheinlich auf Drän- gen der KPD nach Deutschland zurück, um im Untergrund tätig zu werden. Die Gestapo fasste ihn aber schon nach zehn Tagen. Er kam im April 1942 im KZ Sachsenhausen um. Das Baby der beiden überlebte glücklichetweise mit den Kindern von Limoges, die in die Schweiz gebracht werden konnten. Nach Kriegsende gelangte Pierre mit einem Kindertransport nach Palästina, wo ihn eine Familie adoptierte. Emigration als Teil des "anderen Deutschland" Das Beispiel der Familie Marum mag stellver- tretend den Selbstbehauptungswillen des "an- deren Deutschland" gegenüber dem Ungeist der Vernichrung belegen. Das Wissen um die Rückwanderung nach 1945 und deren Bedeu- tung für den Aufbau eines demokratischen Staates in Deutschland kann und sollte allerdings weder bei den Betroffenen noch bei den Nachgeborenen die vielen persönlichen Opfer und Tragödien der Emigration überla- gern. Denn die Vertreibung ganzer Volksgrup- pen aus ihrer angestammten Heimat, mit der Umschreibung "ethnische Säuberung" auf eine ebenso glatte wie menschenverachtende Formel gebracht, ist bis in unsere Tage vielfach geübte Praxis zur Konsolidierung der Macht innerhalb von Diktaruren oder bei der Okku- pation fremden Territoriums. MANFRED KOCH Am Oberrhein: Alltag, Handwerk und Handel 1350-1525 Vor etwas mehr als 30 Jahren fand im Schloss in Karlsruhe eine sehr erfolgreiche Ausstellung statt, an die sich viele Karlsruher heute noch gern erinnern. Sie hieß "Spätgotik am Ober- rhein" und breitete a11 die Schätze an kirchli- chem Silber, an Graphik, Bildhauerei, Glas- malerei und Textilien aus, die im nHerbst des Mittelalters" eine wohlhabend gewordene Be- völkerung zu Gottes und zur eigenen Ehre hat herstellen lassen. Inzwischen hat sich das Interesse der For- schung und der Museumsbesucher auch ande- ren Dingen zugewandt: Wie haben die Men- schen damals gelebt? Wie war ihr Alltag? Da- 157 neben ziehen Mittelalterfeste - von denen manche wenig mit der Realität des Lebens im Mittelalter zu tun haben - Tausende von Zu- schauern in ihren Bann. Fremd und vertraut, fern und anziehend zugleich ist vieles in der mittelalterlichen Stadt. Das beginnt mit einem ganz grundle- genden Aspekt des Zusammenlebens in einer mittelalterlichen Stadt: die Bürger verwalten ihre Stadt selbst. Sicher, nicht jeder Einwohner der Stadt ist Bürger, und das Gleichgewicht zwischen Patriziern und Bürgern ist überall erwas anders austariert. Aber die Bürger sind in Zünften organisiert und auf diese Weise bestimmend für oder doch aktiv eingebunden in das politische Geschehen. Wehrhafte Städte Politik: das kann ein Vertrag mit einer anderen Stadt über gegenseitige Zollerleichterungen bedeuten oder den Kampf um den Erhalt der Reichsunmittelbarkeit, d. h. der unmittelbaren Unterstellung unter den' Kaiser. Das kann der Beitritt zu einem Münzbund sein, der durch die Festsetzung eines bestimmten Silbergehalts und eines bestimmten Gewichts die jeweiligen Münzen vergleichbar macht und damit den Handel erleichtert; oder auch der Entschluss, einen Adligen anzugreifen, der die Stadt durch Überfälle auf die eigenen Kaufleute mit Gei- selnahme und Lösegelderpressung schädigte. Welche Bedeutung solche Auseinanderset- zungen für einzelne Städte hatten, lässt sich erwa am Beispiel der Stadt Hagenau ablesen, die von 1359 bis 1473 sechzehn länger dau- ernde Konflikte auszutragen hatte, meist mit Adligen, aber auch mit der Stadt und dem Bischof von Straßburg. 1m Einzelfall dauetten sie über 20 Jahre. In allen diesen Fällen und natürlich auch bei größeren Auseinandersetzungen, in die Städte am Oberrhein hineingezogen wurden, bedeutete das ganz persönlichen Einsatz und ganz persönliche Gefahr: die eigenen Bürger bildeten das Militär der Städte. In Straßburg ist der Aufbau dieser Organisation gut überlie- fert. Am Ende des 14. Jahrhunderts verfügte die Stadt über eine Truppe von erwa 1800 Mann, die im Bedarfsfall durch bezahlte Sol- daten aufgestockt werden konnte. Die Orga- nisation lief über die Zünfte und die ConstD- feln, in denen die patrizischen Bürger zusam- mengefasst waren. Diese bildeten die beritte- nen Verbände, während die Zunfthandwerker die Fußtruppe stellten. Für ihre Ausrüstung mussten sie alle selbst sorgen. Für einen Fuß- soldaten bedeutete das die Anschaffung eines Kopfschutzes (Beckenhaube oder Eisenhut), eines Kettenhemdes mit Manschettenkragen und einem Unterleibschutz aus Kettenge- flecht, dazu kamen Brustblech und Armschie- nen, Handschuhe und ein Beingewand. An Waffen hatte er entweder einen Spieß oder eine Mordaxt bereitzustellen, dazu ein Schwert. Musterung und allgemeine Überprüfung der Ausrüstung fanden mindestens jährlich statt. Aus Steuergeldern erwarb und verwahrten die Städte daneben weitere Waffenvorräte in Zeughäusern: ein Verzeichnis aus Basel von 14151istet unter anderem 250 Plattenharni- sche, 164 Panzerhemden, 324 Armbrüste mit über 6.000 Bolzen, dazu Schilde, Spieße und Feuerwaffen auf. Der regelmäßige Wachdienst auf der Mau- er, organisiert über die Zünfte, gehörte ebenso zu den Pflichten der durch ihren Eid (Bürger- eid) gebundenen Bürger wie die Mithilfe im Brandfall. Auch hier wurden die Aufgaben nach Zünften verteilt, die Zimmerleute z. B. mussten ihre Beile und Äxte zur Brandbe- kämpfung mitbringen. Und wehe, einer hätte die Rettung seines eigenen Hab und Gut für wichtiger angesehen! Empfindliche Strafen waren für solche Fälle vorgesehen. 158 Das bedeutendste Frachtschiff auf dem Rhein war der so genannte Oberländer. Er hatte keine Segel : am Mast wurden die Treidellcinen befestigt. Regulierung des städtischen Lebens In welchem Maß der Rat der Stadt jeweils das Leben innerhalb der Mauern organisierte und regulierte, lässt sich den städtischen Ordnun- gen enmehmen, die aus vielen Städten des spä- ten Mittelalters überliefert sind, so auch aus Srraßburg. Dort werden in der Zunft- und Po- lizeiordnung der Friedensbruch zwischen Bür- gern und Fremden oder auch zwischen zwei Bürgern geregelt, die Organisation des Spitals und des Leprosenhauses ("Gudeutehaus), Gewerbeordnungen der Bäcker, Metzger, Fi- seber u. a., das Betderwesen, Torhut und Müns- terwacht, Markt- und Mühlenordnungen und vieles andere mehr. Kein Wunder, dass es eine zunehmende Zahl von Ämtern in den Städten gibt: in Ba- sel wissen wir von der Kanzlei mit dem Stadt- schreiber, von dem Wachtmeister und dem Torhüter, vom Kaufhausschreiber für die städ- tische Güterverwaltung, dem Werkmeister für den städtischen Bauhof und dem Büchsen- meister für das Bauwesen. Andere städtische Ämter waren z. B. das des Waagmeisters, des Kornmessers, des Brotschauers. Manche klei- neren Aufgaben erlaubten auch Handwerkern, deren Einkommen nicht ausreichte, ein Zu- brot: Schneider und Pförmer, Seiler und Bote, Glöckner und Leinenweber sind Beispiele, die sich in Heidelberg nachweisen lassen. Bauen in der Stadt Mit den städtischen Ämtern entstehen auch städtische Bauten. Ob Rathaus mit Kanzlei 159 (Basel). ob Kaufhaus (Colmar) oder Zeughaus (SchIertstadt) oder Kornhaus (Thann). sie ver- treten im Grunde alle einen Bautypus. In der Regel war im Erdgeschoss eine große Halle. Das Obergeschoss wurde als Versammlungs- raum genutzt (z. B. auch als Tanzhaus) und hatte oft eine Stube abgeteilt für Sitzungen im kleineren Kreis. oder es diente als Lagerfläche ebenso wie das mehrstöckig unterteilte Dach; Ladeluken und Seilwinden ermöglichten den Waren transport. Dass in den engbebauten Städten des Mit- telalters überhaupt Platz für solche Gebäude gefunden wurde. "verdankte" man wohl der Pest. Als 1347-1351 der "Schwarze Tod". die erste große Pestwelle im Mittelalter durch Europa zog. starb etwa ein Drittel der Bevöl- kerung. Damit verödeten Grundstücke. gan- ze Stadtviertel fielen wüst. Dazu karnen als po- tentielle Bauplätze jüdische Synagogen. Nach der Vertreibung der Judengemeinden. nach- dem es in der Pestzeit zu schrecklichen Pogro- men gekommen war. bauten Freiburg (1424) und Speyer (1534) an diesen Stellen jeweils ihren Werkhof mit Z~ughaus. Schlenstadt nütze das Areal als Bauplatz fur ein Kaufhaus. Was fur die Großbauten gilt. trifft auch fur die Privathäuser zu: Sie konnten fur die unter- schiedlichsten Gewerbe genutzt werden. von Kaufleuten. Geistlichen. Handwerkern oder auch Gastwirten. In allen Häusern diente das Erdgeschoss dem Gewerbe des Bewohners. als Werksra[[J als Kontor, zur Repräsentation. Die beheizbare. holzgetäfelte Stube. die Kammer und - bei reichen Familien - der Saal lagen im Obergeschoss. ebenso die Küche. Bei dreige- schossigen Häusern war oft das zweite Ober- geschoss nicht mehr vollständig zum Wohnen ausgebaut. sondern diente partiell als Lagerflä- che. ebenso wie Keller und Dach. Nur in Aus- nahmefällen lassen Quellen erkennen. ob ein Anwesen von einer Familie bewohnt. oder teil- weise vermietet war, was wohl häufig vorkam. Die kleineren Handwerker oder gar Tagelöh- ner konnten sich kein eigenes Haus leisten. Die Anlage von Kellern hängt stark vom Un- tergrund ab. Bei nassem Boden. wie in Basel. gab es gar keinen Keller. in Freiburg wurde er - zum Teil zweistöckig - nachträglich abgetieft. Der Wandel in der Ausstattung ist schwe- rer zu fassen. als der ästhetisch-modisch be- dingte Wandel vom "Oberdeutschen" zum "Fränkischen" Fachwerk. Sicher ist. dass höl- zerne Wandverkleidungen. abgehängte Boh- lendecken sowie rauchfrei vom Gang aus be- heizte Kachelöfen in der Stube früh zum Stan- dard gehörten. Die gereihten Fensteröffnun- gen sind innen in einer breiten Fensteröffnung zusammengefasst. Hier macht sich nun der technische Fortschritt deutlich bemerkbar: die billigere Produktion von Fensterglas. beson- ders von runden, leicht zu transportierenden "Butzenscheiben" ermöglichte es. zunehmend mehr Fenster zu verglasen. die zuvor nur mit Leinwand oder Holzläden verschlossen waren. Im ländlichen Bereich muss man noch sehr viel länger mit so einfachen Fensterverschluss- Lösungen rechnen. z. B. auch bei der Stube ei- nes Weinbauernhauses aus Auggen bei Neuen- burg. die 1556/60 erbaut wurde und noch ganz mittelalterlichen Traditionen folgt. Sie wurde - da fur den Abriss bestimmt - in das Badische Landesmuseum überführt. Ernährung Weinbau war eine sehr wichtige Einkommens- quelle am Oberrhein. zu beiden Seiten des Flusses, wenn auch der elsässische Wein im- mer als der bessere galt. Den konnten sich aber die wenigsten leisten - dafur wurde er bis nach England und in den östlichen Hanseraum ex- portiert. Der Alltagswein hatte wohl wenig mie dem Getränk zu tun, das wir unter diesem Namen kennen. Und das Essen? An erster Stelle stand da der Brei. nicht umsonst enäh- 160 Das älteste erhaltene Kanenspiel aus der Zeit um 1430 stammt vom Oberrhein. Bald soll ten die gedruckten Kar- tenspiele ihren Siegeszug antreten. len die Märchen vom Hirsebrei. Getreidebrei braucht sehr viel weniger Enetgie zur Herstel- lung als Brot, war also billiger. Aber auch Mus (davon das Wort Ge-Müse) aus Linsen, Erb- sen oder Bohnen war ein wichtiger Nahrungs- bestandteil. Die Nonnen des Klosters Günters- tal zum Beispiel aßen abwechselnd grünes und gtaues Erbsenmus und einmal in der Woche Gerstenbrei. Brot und Wasser wurde immer- hin den Stadtarmen gereicht (Spitalordnung von Konstanz). Man muss sich Roggenbrot darunter vorstellen, das - doch den Zusam- menhang kannte man nicht - immer wieder durch Mutterkorn verunreinigt war und so Ergotismus verursachre. (Die damals ,,Antoni- 161 usfeuer" genannte Krankheit ließ die Glied- maßen bei lebendigem Leib abfaulen). Nur an besonderen Tagen oder bei entsprechendem Einkommen gab es helles Dinkelbrot. Weizen war selbst am Oberrhein noch sehr selten, da er viel anfälliger ist als andere Getreidesorten. Mit einem geschätzten Ertrag von 5 : 1 lag üb- rigens die Getreideernte am Oberrhein leicht über dem mitteleuropäischen Durchschnitt. Dennoch blieben auch hier Hungerjahre auf Grund von Missernten nicht aus. Eier gab es häufig, die wurden auch dem Gesinde vorgesetzt, Fleisch nur außerhalb der Fastenzeiten, dann aber nach Vermögen - und da waren die Unterschiede beträchtlich. Ein großer Teil der Bevölkerung lebte an oder sogar unter der Armutsgrenze. Auch darum waren die Zünfte fur die Handwerker so wich- tig: sie versuchten die Arbeit gleichmäßig zu verteilen, sie unterstützten in Not geratene Mitglieder bzw. deren Witwen und Waisen. Zugleich aber waren sie Qualitätsgaranten für die Arbeit ihrer Mitglieder. Nicht nur bei Goldschmieden, wo wir das heute noch ken- nen, auch bei anderen Schmieden, bei Webern und Färbern, kurz überall überprüften Ge- schworene des Handwerks die Einhaltung der vereinbarten Normen. Die Bußen waren sehr hoch, wenn etwas fehlerhaft war. Stoffe etwa, die nicht die vor- geschriebene Webdichte hatten, wurden zer- schnitten. Damit waren Material und Arbeits- zeit verloren, eventuell drohte eine zusätzliche Geldstrafe und als letzter Schritt bei schweren und wiederholten Verstößen der Ausschluss aus der Zunft. BRIGITTE HERRBACH-SCHMIDT Die Karlsruher Majolika-Manufaktur Ein Rückblick auf die letzten 25 Jahre des 100-jährigen Unternehmern Ein Staatsuntemehmen im Niedergang Die Absicht, ihren Geburtstag 1976 mit einer Ausstellung im Badischen Landesmuseum groß zu begehen, konnte nicht darüber hinwegtäu- schen, dass die Karlsruher Majolika-Manufak- tur, die in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiern sollte, nicht zu den Lieblingskindern des Finanzministers gehörte. Die Ertragslage des Unternehmens, das zuerst der Großherzogli- chen Zivilliste unterstanden hatte, dann dem Land Baden gehörte und schließlich seit der Gründung des Südweststaats 1952 im Besitz des Landes Baden-Württemberg war, bot ihm zu Srolz und Freude auch wenig Anlass. Was die Badischen Neuesten Nachrichten über das Geschäftsjahr 1973/74 berichtet hatten. bei dem ein Umsatz von über 3 Millionen DM erzielt worden war, galt im Prinzip auch noch zwei Jahre später: "Die Erlöse, die das Land Baden-Württemberg jährlich kassiert, sind nicht überwältigend. Es gab auch Defizite bei der Jahresbilanz, und einmal wurde ein Ge- winn von sage und schreibe 69 Pfennig regis- triert." Der anschließende Hinweis, dass "die finanzielle Seite, so wichtig sie sein mag, [ ... 1 nicht die alleinige Rolle" spiele, war letztlich nicht sehr trostreich. Denn auch auf künstlerischem Gebiet bot die Majolika-Manufaktur ein zwar vertrautes, aber nicht eben große Erwartungen wecken- des Bild. Ihre Produktion wurde von Kerami- kern und Keramikmalern bestimmt, die wie Karl Heinz Feisst, Dietmar Liedke, Fridegart Glatzle und KarlTIll schon lange, teilweise seit Jahrzehnten in ihren Diensten standen. Sie lie- ferten nach wie vor solide Arbeit und waren so wichtige Stützen des Unternehmens, warteten aber nicht gerade mit zukunftsweisenden Ideen auf und wurden wohl auch von der Un- ternehmensleitung kaum künstlerisch heraus- gefordert. Was die Karlsruher Majolika in die- sen Jahren an Neuheiten produzierte, waren in erster Linie Fliesen und Wandteller mit Blu- men und Landschaftsmotiven, die dem Ge- schmack eines breiten Publikums entgegen- kamen, künstlerisch aber nicht überzeugen konnten. Dass die Manufakmr immer noch ein in technischer Hinsicht leistungsfahiges Unter- nehmen war, belegen die zahlreichen Fremd- aufträge, die von Editionen für Buchgemein- schaften über Spezialkollektionen bis zu Jubi- läumsgeschenken und Werbeartikeln aller Art reichten und schließlich etwa 35 Prozent der Produktion ausmachten. Interessante Ergeb- nisse brachte zum Beispiel die Tätigkeit für die Büchergilde Gutenberg, die nicht nur Teller nach historischen Vorbildern bestellte, sondern auch mit Künstlern wie Franz Dewald zusam- menarbeitete, deren Plastiken und Wandteller den Mitgliedern exklusiv angeboten wurden. Der wichtigste Kunde war seit Ende der 60er Jahre die Karlsruher Firma Rettmer & Luy, die eine umfangreiche Kollektion dekorativer Lampen und Wohnaccessoires fertigen ließ. Außer unter dem Markennamen "lma-Leuch- ten" angebotene Tischlampen, Hängelampen und Wandappliken gehörten dazu Vasen, Schalen und Dosen verschiedener Größe. Dafür wurden in der Manufaktur spezielle Glasuren mit metallischem Glanz oder mar- morartiger Wirkung entwickelt. Die Kollekti- on bewies. dass unter Ausnützung der techni- schen Möglichkeiten der Majolika zeitgemäße Produktlinien zu verwirklichen waren. Auf das 162 eigene Programm der Manufaktur blieben solche Anregungen aber ohne Auswirkung. Partner gesucht - und gefunden Gegenüber der Blütezeit des "Wirtschaftswun- ders" hatte sich die Belegschaft des Unterneh- mens seit den späten 60er Jahren um die Hälf- te auf etwa hundert Mitarbeiter reduziert. Trotzdem verschlangen die Löhne den größ- ten Teil der Einnahmen. Die geringe Produk- tivität, die Ursache für das steigende Defizit war, machte Ende der 70er Jahre eine Moder- nisierung des Betriebs unabweisbar. Eine durchgreifende Sanierung hätte jedoch be- ttächtliche Investitionen erfordert, für die das Land Baden-Württemberg die Mittel nicht bereitstellte. "Um das Unternehmen zu erhal- ten und die ArbeitSplätze zu sichern" - so das Finanzministerium im Oktober 1977 - "habe sich das Land entschlossen, das Stammkapital in Höhe von 500.000 Mark an einen 'poten- ten Interessenten' zu übertragen." Diesen glaubte man in Prinzessin Theresa zu Fürsten- berg gefunden zu haben. Als die Verkaufsplä- ne bekannt wurden, formierte sich in der Karlsruher Öffentlichkeit Widerstand mit dem Hinweis, dass die Majolika-Manufaktur nicht nur ein Wirrschaftshetrieb, sondern eine mit der Stadt fest verbundene kulturelle Ein- richtung sei, die öffentliche Förderung bean- spruchen könne. Nachdem die SPD eine Pri- vatisierung rundweg abgelehnt hatte, wurde am 16. November 1977 mit den Stimmen von CDU und FDP im Gemeinderat eine Ent- schließung verabschiedet, die forderte: "Das ArbeitSplarzangebot der Manufaktur muss dauerhaft gesichert bleiben, die Zusammenar- beit der Manufaktur mit freien Künstlern muss gefördert werden. Landesregierung und Landtag müssen die vorgenannten Ziele mit einer nach Aktienrecht erforderlichen Beteili- gungshöhe sichern." Dieser Linie folgte auch der Landtag, der in seiner Sitzung vom 26. Januar 1978 den bereitS ausgehandelten Ver- kauf ablehnte. In der Gernsbacher Katz-Werke AG wurde im Lauf des Jahres 1978 schließlich ein Partner gefunden, der bereit war, 74,8 Pro- zent der Aktien zu erwerben, während das Land Baden-Württemberg eine Sperrminori- tät von 25,2 Prozent behielt. Die Vereinba- rung mit den neuen Haupteigentümern, die Investitionen in Millionenhöhe zugesagt hat- ten, sah vor, eine langfristige wirtschaftliche Sicherung des Betriebes unter Berücksichti- gung seiner künstlerischen Tradition zu ge- währleisten. Auf diese Tradition verwies mit Nachdruck die große Jubiläumsausstellung, die wegen der schwierigen Forschungslage erst mit einiger Verspätung 1979 im Badischen Landesmuse- um gezeigt werden konnte. Die Verschiebung kam in der neuen Situation durchaus gelegen, rückte die Manufaktur durch die historische Leistungsschau im Schloss doch verstärkt ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Der neue Vorstand ging auch zügig daran, das Unternehmen aus der Talsohle zu führen. Das Kapital wurde auf eine Million DM er- höht, vor allem aber bemühte man sich, zusätz- lich zu den bewährten Kräften, neue Künstler für das Unternehmen zu gewinnen. Dazu war vorgesehen, neben sieben 5rammateliers zwei Gastateliers einzurichten und Kontakte zur Kunstakademie zu knüpfen. Im Bereich der Serienproduktion setzte man zum einen auf anspruchsvolle, künstle- risch gestaltete Keramik, zum andern auf Ge- brauchs gerät in einem zeitgemäßen Design. Die erste Position wurde seit 1979 von Flori- an Merz vertreten, der mit einzelnen bemalten Vasen und Tellern der Manufaktur einen Weg wies, ihrem überkommenen Anspruch als kunstkeramische Werkstätte unter veränderten Bedingungen gerecht zu werden. Mit Hans Theo Baumann konnte einer der angesehens- 163 ten deutschen Designer für die Karlsruher Majolika gewonnen werden. Zwischen 1979 und 1981 schuf er eine rund hundert Model- le umfassende Kollektion von Schalen, Tellern, Vasen, Dosen und Leuchtern in klaren, wei- chen Formen, die durch das Farbenspiel ein- ander überlagernder Glasuren ihren besonde- ren Reiz erhielten . Enttäuschte Hoffnungen und ein bescheidener Neuanfang Obwohl mit der Verpflichtung von Metz und Baumann ein künstlerischer Neuanfang ver- sucht wurde und auch auf dem Gebiet der Baukeramik Verbindungen zu Bildhauern wie Jürgen Goertz und Mathias Ohndorf zustan- de gekommen waren, musste die Majolika Ende 1981 eingestehen, dass sie kein gutes Jahr hinter sich hatte. Einbrüche gab es ange- sichts starker Konkurrenz nicht nur bei den Ofenkacheln, deren noch wenig ausgereifte Produktion von der Geschäftsleitung forciert worden war, sondern auch bei den Geschenk- artikeln. Für Januar 1982 musste daher für etwa die Hälfte der rund hundert Beschäftig- ten Kurzarbeit beantragt werden, und im Frühjahr wurde der Personalstand auf80 Mit- arbeiter verkleinert. Um die Schwierigkeiten zu überwinden und in Erwartung einer weite- ren Kapitalzufuhr durch die Katz-Werke und das Land Baden-Württemberg, gewährte die Stadt Karlsruhe dem "künstlerisch bedeuten- den Betrieb, der für das Image unserer Stadt sehr wichtig ist", wie Oberbürgermeister Dul- lenkopf unterstrich, einen verlorenen Zu- schuss in Höhe von 300.000 DM. Angesichts der ungünstigen Konjunkturlage brachten die eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen jedoch nicht den erwarteten Erfolg. Die Katz-Werke AG geriet durch die Verluste der Majolika- Manufaktur 1982 selbst in Schwierigkeiten und beschloss daher, mit Ablauf des Geschäfu- jahres 1982/83 aus dem ,,Abenteuer Majolika" auszusteigen. Mit Wirkung vom I.Juni 1983 wurde das Land Baden-Württemberg wieder alleiniger Besitzer der Staatlichen Majolika- Manufaktur Karlsruhe, entschloss sich jedoch, den Betrieb nur noch "als kleine, aber hoch- qualifizierte Kunsrwerkstätce "mit etwa 25 Mitarbeitern weiterzuführen. Diese Schrump- fung rettete die Manufaktur - zumindest vor- läufig - vor dem endgültigen Ruin, bedeutete aber den bis dahin schwersten Einschnitt in ihrer Geschichte. Zum Alleinvorstand wurde Helga Wit- kowski bestellt, die schon seit 1955 im Bereich Baukerarnik der Manufaktur tätig gewesen war. Ihr gelang es, das Unternehmen mit durch- schnittlich etwa 30 Mitarbeitern allmählich zu konsolidieren und die Erträge zu verbessern, wobei sie auf das bewährte Sortiment setzte und die Neuansätze der vergangenen Jahre nicht weiter verfolgte. Ein wichtiges Standbein blieb die BaukeramIk, auch gelang es immer wieder. Künstler von auswärts zu gewinnen, ihre Arbei ten mi t der Maj olika-Man ufaktur zu realisieren. Als Helga Witkowski Ende 1994 altershalber ausschied, war der Umsatz nach anfänglicher Besserung zwar wieder auf2 Mil- lionen DM zurückgegangen, durch weiteren Personalabbau und höhere Produktivität der verbliebenen 19 Mitarbeiter konnte trotzdem ein befriedigendes Ergebnis vorgelegt werden. Im Januar 1995 wurde Gernot Wallner, Baudirektor am Staatlichen Hochbauamt Frei- burg, zum Vorstand der Karlsruher Majolika- Manufaktur berufen. Zu seinen vordringlichs- ten Aufgaben zählte die seit Jahren ansrehende Sanierung des Fertigungsbaus, für die das Land, 5,7 Millionen DM bereitstellte. Diese Maßnahme war im Mai 1996 abgeschlossen. Neben einer Verbesserung der Produktionsab- läufe ermöglichte der Umbau die Einrichtung einer Reihe von Ateliers, die an interessierte Künstler vermietet wurden. Eine Verpflich- 164 tung zur Zusammenarbeit mit der Manufak- tur war mit der Vermietung nicht verbunden. Mit der "Cantina Majolika" zog auch ein gas- tronomischer Betrieb in das Gebäude ein. Sollte auf diese Weise das Majolika-Gelän- de zu einem für Besucher attraktiven Ort ge- macht werden, so bemühte sich WaHner gleichzeitig, durch die Zusammenarbeit mit Künstlern auch im Produktions programm neue Akzente zu setzen. Mit dieser Absicht rief er die "MajolikaAktionen" ins Leben, Editio- nen in limitierter Auflage, die zwischen 1995 und 1999 mit jährlich wechselnden Gruppie- rungen von Malern und Bildhauern durch ge- fuhrt wurden. Sie sollten der Manufaktur neue Aufgaben und einen neuen Markt erschließen, auf dem freilich nur langfristig Erfolge zu er- warten waren. Die Renovierungs- und Umbaumaßnah- men im Fertigungsbau führten zu Einschrän- kungen der Produktion, so dass in den Ge- schäftsjahren 1994/95 und 1995/96 ein Um- satzrückgang auf I ,8 Millionen bzw. 1,5 Milli- onen DM hingenommen werden musste. Von den Einnahmen entfielen durchschnitrlich rund 45 Prozent auf die "Kleinkunst", I 0 Pro- zent auf Gartenkerarnik, 25 Prozent auf Bau- keramik und 20 Prozent auf Fremdaufträge. Unter den Fittichen der Landesbank Während in Karlsruhe neben der Sanierung des Manufakturgebäudes eine allmähliche Neuorientierung des Sortiments angegangen wurde, entschloss sich die Landesregierung in Stuttgart zu einer Neuordnung des Landesver- mögens, von der auch die Staatliche Majolika- Manufaktur betroffen war. Im Zuge verschie- dener Transaktionen und Fusionen, aus denen am Ende die neue Landesbank Baden-Würt- temberg hervorging, wurde auch die Majolika- Manufaktur privatisiert und zunächst in das Eigentum der Landeskreditbank, dann der neu- Florian Merz, Schale mit Frauenkopf, Staadiche Majolika-Manufaktur Karlsruhe, 1980. en Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) überführt. Das traditionsreiche Unternehmen wurde von einer Aktiengesellschaft in eine GmbH umgewandelt, deren Geschäftsführer der bisherige Alleinvorstand Gernot Wallner wurde. Seit Ende 1999 führt das Unterneh- men neben seinem offiziellen Namen Staatli- che Majolika-Manufaktur Karlsruhe GmbH die Bezeichnung "Majolika Karlsruhe Kera- mik Manufaktur". Als Gernot Wallner zum Jahresende 1999 aus dem Amt schied, stellte die neue Eigentü- merin zum I. Januar 2000 mit Anton Goll ei- nen Betriebswirt und ausgewiesenen Marke- tingfachmann als Geschäftsführer ein. Seine vordringliche Aufgabe bestand zunächst darin, die Karlsruher Majolika in der Öffentlichkeit wieder stärker ins Gespräch zu bringen. Einen spektakulären Schritt in dieser Richtung stellte der noch mit seinem Vorgänger gemeinsam vorbereitete "blaue Strahl" dar. Als begehbare Linie aus 1.645 blau glasierten Platten führt er, einem der ursprünglich strahlenförmig vom Mittelpunkt der barocken Stadtanlage ausge- henden Wege folgend, seit dem Stadtgeburts- tag am 17. Juni 2000 vom Turm des Karlsru- her Schlosses direkt zur Majolika-Manufaktur 165 Frid~gart GI :HZI~ . Ooppclf1i~s~, S[aadich~ Majolika-Manufaktur Karlsruhe. 1976. im Hardrwald. Dem Ziel, das Unternehmen wieder stärker an die Stadt und ihre Bewohner heranzuführen, dient auch die Neugestaltung des Betriebsareals mit einer vielseitig nutzba- ren Hofanlage und großzügigen Schau- und Verkaufsräumen, in denen sich die Manufak- tur mit ihrer rraditionellen Produktion, vor allem aber mit ihren Neuerungen wirkungs- voll präsentieren kann. Diese verdanken sich vor allem der Zusam- menarbeit mit einer Reihe freier Künstlerin- nen, deren Schöpfungen bei einem breiteren Kreis Kunstinteressierter Akzeptanz finden. Ähnliches gilt für die Gartenkeramik, für die sich neue Gestaltungsmöglichkeiten jenseits der traditionellen Gartenfiguren abzeichnen. Auch auf dem Gebiet der Baukeramik konn- te die Manufaktur in den letzten Jahren ihre führende Stellung behaupten, bei der Denk- malpflege könnten neue Aufgaben auf sie zu- kommen. Insgesamt gesehen, kann die Manu- faktur daher mit gewissem Optimismus ihren 100. Geburtstag begehen - jedenfalls solange die LBBW ihr ein schützendes Dach bietet. PETER SCHMITT Di~str Bdtrag bmiut auf ~in~m /iing~rm Aufiatz in: M Bachmay~rlP. Schmitt. Kttrlsruhtr Majolika 1901- 2001, 100 Jahu Kunstk~ramik du 20. JahrJJtlnd~rtJ. G. Braun Buchvulog. Karlsrulu 2001, 240 S~itm mit 400 Farbbildrrn. Aus der Schatzkammer der Badischen Landesbibliothek Auf Grund ihrer bedeutenden Handschriften- sammlung gehört die Badische Landesbiblio- thek in Karlsruhe zu den europäischen Spit- zenbibliotheken, die zu Recht mit Stolz auf ihre Altbestände blicken dürfen. Deutlich vor Augen geführt wurde das der Karlsruher Be- völkerung im Juni 2001, als bekannt wurde, dass die älteste Handschrift des Nibelungenlie- des, die insbesondere mit Mitteln der Landes- bank Baden-Wümemberg erworben wurde, 166 in Zukunft in der Badischen Landesbibliothek beheimatet sein wird. Es handelt sich bei die- sem Kodex um den bedeutendsren Einzelzu- gang seit der Säkularisation von 1803. Voraus- gegangen waren die Ankäufe werrvoller Be- stände aus der Fürstlich Fürstenbergischen Bib- liothek durch das Land Baden-Württemberg, nämlich Handschriften (1993), Inkunabeln (1994), Musikalien (1999) und schließlich wei- terer Druckwerke Donaueschinger Provenienz (1999-2001), vornehmlich aus der Bibliothek des frühen Germanisten Joseph von Laßberg. So fügt sich Laßbergs berühmtestes Sammler- stück, der Nibelungenlied-Kodex, ausgezeich- net ein in den bestehenden Sammlungszusam- menhang der Badischen Landesbibliothek. Zur badischen Bibliotheksgeschichte Die Büchersammlung der badischen Markgra- fen dürfte wenigstens auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückgehen. Sicher hat das markgräfliehe Haus Bücher besessen, die seit der Erfindung Gutenbergs mit beweglichen Lettern gedruckt wurden. Das älteste bekann- te Zeugnis markgräflichen Buchbesitzes ist jedoch eine Handschrift, das so genannte Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden (1453-1527). Wie für die Biblio- thek sind für das Stundenbuch keine exakten Entstehungsdaten überliefert. Auf Grund ko- dikologischer, paläographischer und kunsthis- torischer Kriterien geht man davon aus, dass die Handschrift in lateinischer Sprache mit einer abschließenden Reihe französischer Ge- bete im ausgehenden 15. Jahrhunderr in ei- nem Pariser Atelier für Christoph von Baden hergestellt wurde. Einen bedeutenden Hinweis auf die mark- gräfliche Bibliothek gibt im Jahre 1528 eine Dankadresse des Basler Reformators Johannes Öcolampadius an den Markgrafen Philipp I. (1479-1533). Der Theologe dankt für die Ausleihe einer Handschrift aus der Stifts- und Schloss kirche St. Michael in Pforzheim Zut Herausgabe seiner Cyrill-Ausgabe, die bei dem Basler Drucker Andreas Cratander erschien. Die Handschrift stammte ursprünglich aus der Bibliothek des Humanisten Johannes Reuch- lin. Reuchlins Vermächtnis zierte seit 1523 die markgräfliehe Büchersammlung in Pforzheim. 1535 wurde die Markgrafschaft zwischen den Brüdern Philipps 1., Ernst (1482-1553) und Bernhard (1474-1536), geteilt. In der Folge widerfuhren den Büchersammlungen der bei den Linien verschiedene Schicksale, bis sie 1771 wieder in der Karlsruher Hofbibli- othek vereinigt wurden. Markgraf Karl 11. (1529 -1577) verlegte im Jahre 1565 seine Re- sidenz von Pforzheim nach Durlach, seine Bi- Codex Donaueschingcn 63: N ibelungenlied, 13. Jahrhun- dert, aus der Bibliothek Joscphs von Laßberg (1770- 1855) 167 Codex Durlach I: Ältesres Zeugnis markgräflieh bad ischen Buchbesines, Stundenbuch Christophs L, um 1500, Verkündigung an Mafia bliomek fand dort in der Karlsburg ihre neue Bleibe. Die erneute Verlegung der Residenz und damit des Bücherstandortes ins Karlsru- her Schloss geschah im 18. Jahrhundert. Lange bevor Säkularisation und Mediati- sierung reiche Güter zu Beginn des 19. Jahr- hunderts in die Karlsruher Bibliothek brach- ten, befand sich ein verschwenderisch ausge- stattetes deutsches Gebetbuch des 16. Jahr- hunderts im frühen wertvollen Bestand der Hofbibliomek. Diese Handschrift darf dem Leser ein Beispiel für die Kostbarkeiten sein, für die die Badische Landesbibliomek auch in Zukunft Sorge zu tragen hat. Das Original wird anlässlieh seiner Faksimilierung im kom- menden Jahr im Rahmen einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das "Gebetbuch der Markgräfin von Brandenburg" Das im Jahre 1520 entstandene Werk des noch jungen Augsburger Malers Narziss Ren- ner ist sicher bereits im Jahrhundert seiner Entstehung in badischen Besitz gelangt. Das Gebetbuch wurde für Markgraf Kasimir von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach (1481- 1527) und insbesondere dessen jungvermählte Gattin Susanna 1520 hergestellt. Die glänzen- de Hochzeit Kasimirs mit Susanna von Bayern (1502-1543) war ein gesellschaftliches Ereig- nis ersten Ranges. Sie fand statt zur Zeit des Reichstages in Augsburg im Jahre 1518 und damit in Anwesenheit Kaiser Maximilians 1., dem Onkel der Braut. Die dritte Tochter des Paares, Kunigunde, heiratete am 10.3.1551 den badischen Markgrafen Karl II. Ober Ku- nigunde (1523 -15 58) ist das kostbare Stück in das badische Erbgut gelangt. Das Jahr 1520 brachte für Kunigundes Mutter Susanna aufreibende Zeiten. Zu Jah- resbeginn stellte die Markgräfin ihre erneute Schwangerschaft fest. Sicher wird sich das Paar nach der Geburt der Tochter Maria im Herbst zuvor einen Thronfolger gewünscht haben. Für die noch dreiköpfige Familie wurde nach Auskunft der Handschrift selbst im März 1520 die Herstellung des Gebetbuches in Angriff genommen. Laut dem Zeugnis der Familieneinträge in der Handschrift wurde fünf Monate später jedoch die zweite Tochter Kamarina am 30.8.1520 geboren. Der heiß ersehnte Sohn, Albrecht, kam erst im Jahre 1522 zur Welt. Von den Zeitgenossen wurde er wegen seiner Charaktereigenschaften früh nach dem Griechen Alkibiades benannt, den auch sein Lehrer Sokrates nicht zu zügeln vermochte. MarkgrafAibrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach hat als "fürstlicher Mordbrenner" ein besonders negatives Bild seiner Persönlichkeit in der Geschichte hinrer- 168 lassen. Er fand in seinen letzten Tagen als po- litisch völlig Gescheiterter eine Zufluchtsstätte bei seinem badischen Schwager Karl und sei- ner Schwester Kunigunde, wo er 1557 in Pforzheim verstarb. Der letzte familiengeschichrliche Eintrag im Karlsruher Gebetbuch hält den Tod des knapp 35-jährigen fest, der in der Pforzheimer Stifts- und Schlosskirche St. Michael begraben wurde. Die badische Verwandtschaft Albrechts muss sich noch bemüht haben, aus dem "Sau- lus" einen "Paulus" zu machen. So gilt er in Quellen des 18. Jahrhunderts sogar als Autor eines geistlichen Liedes "Was mein Gott will, das gescheh allzeit", welches er in seinen letz- ten Lebenstagen im Badischen verfasst haben soll. Das Gebetbuch Susannas von Branden- burg ist ein besonders intimes Dokument der markgräflichen Familie. Die Wünsche des jungen Paares, Susannas Hoffnungen und Ängste als Schwangere und junge Mutter, werden in Miniaturen und Texten greifbar. So enthält die Handschrift, wohl auf besonderen Wunsch Susannas hin, ein Gebet um Beistand für Schwangerschaft und Entbindung und um ein gesundes, wohlgestaltetes Kind. Stellvertretend wird Margaretha angerufen, die Patronin der Schwangeren. Dem Betrach- ter des Kodex begegnet auf vielen Pergament- blättern Kinderspiel, und zwar in Gestalt der sich auf den Randleisten tummelnden Putten. Sie tanzen beim Flötenspiel. streiten sich um ihren Brei, reiten auf dem Steckenpferd und ahmen in vielfältiger anderer Weise die Er- wachsenenwelr nach. Codex Durlach 2: "Gebetbuch der Markgräfin von Brandenburg". 1520. Jesus und die zu Boden gestürzten Soldaten. UTE OB HOF Codex Durlach 2: Punen löffeln Brei. 169 Auch die Vaterlandsliebe geht durch den Magen! Versorgung im Krieg: Fleisch, Milch, Eier und Butter fiir Baden und seine Residenz 1915-1918 Fleisch vom Rind nnd Schwein: tigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und Stets teurer - doch die Ration bleibt klein der Bedürfnisse der Verbraucher verändert wurden. Kein Fleisch ohne Futter - nach diesem Motto war man während des Ersten Weltkrieges in Baden darauf bedacht, einerseits so viel Futter- mittel wie möglich zu sparen, indem man zum Beispiel die Weiden möglichst lang nutzte, andererseits alles mögliche, wie zum Beispiel Küchenabfälle, ja sogar Tierkadaver zur Ver- fürrerung zu nutzen - das war die Geburts- stunde des Tiermehls, das vor kurzer Zeir zur BSE-Krise führte. Dabei war zu berücksichti- gen, dass keine der ohnehin knappen Nah- rungsmirrel für Menschen an die Tiere verfüt- (ert wurden. Nach Kriegsbeginn kam es zu vielen SchIaehrungen, da das Heer versorgt werden musste. Außerdem hatten die Bauern weder genügend Futter noch ausreichend Arbeits- kräfte; deshalb gingen viele ihrer Tiere zum Schlachthof. So entstand 1914 ein Überange- bot an Schlachcvieh. Um die Viehbestände jedoch längerfristig zu sichern, wurden zahl- reiche Schlachcverordnungen erlassen. Trotz- dem ließ es sich nicht vermeiden, dass der Vieh bestand wegen des großen Mangels an Furrermitteln gegen Kriegsende immer mehr zurückging. Tierseuchen, die ebenfalls den Bestand bedrohten, konnten allerdings wirk- sam bekämpft werden. Beim Viehverkauf galten grundsätzlich Marktpreise, die sich aus Angebot und Nach- frage ergaben. Um zu vermeiden, dass Vieh- preise durch künstliche Verknappung in die Höhe getrieben wurden, setzte man Höchst- preise an, die immer wieder unter Berücksich- Von Anfang an gab es eine Konkurrenz zwischen Heer und Zivilbevölkerung um das Schlachcvieh. Deshalb wurde der Badische Viehhandelsverband ins Leben gerufen, der Ankauf, Absatz und Versand von Vieh, Kauf- preise und Aufschläge regelte. Die Badische Fleischversorgungsstelle, die zeitgleich einge- richtet wurde, hatte die Aufgabe, Bedarf und Export von Vieh zu regeln und genügend Vieh für Heer und Bevölkerung zu beschaffen. Ab 1916 übernahmen die Kommunalverbände letztere Aufgabe. Im Laufe des Krieges versuchte man, den Fleischkonsum der Bevölkerung in Restau- rants einzuschränken. Es gab auch generell fleischlose Tage und später wurden sogar fleischlose Wochen verordnet. Am 1. Mai 1916 wurde eine Fleischkarte eingeführt, die allein ein Anrecht auf eine genau festgesetzte Menge Fleisch sicherte, welche man natürlich selbst bezahlen musste; bis Kriegsende wurde diese Menge bis auf 200 Gramm pro Person und Woche gekürzt. Die Verkürzung der Schonzeiten und Er- höhung der Abschusszahlen sollte das Angebot an Wlid, bessere Fangmethoden auf dem Rhein das Angebot an Fisch erhöhen. Es blieben Tropfen auf den heißen Stein, zumal der Tro- ckenfisch den Karlsruhern nicht besonders mundete. Um speziell die Armen zu unterstützen, wurden vor allem vom Badischen Frauenver- ein Kriegsküchen eingerichtet. Hielt sich auch die Begeisterung der Bevölkerung wegen der 170 oft beklagten mangelnden Qualität des Essens in Grenzen, so wurde diese Wohlfahrtseinrich- tung doch immer mehr von den Bedürftigen in Anspruch genommen. Die Stadt Karlsruhe besaß einen eigenen Gutshof und versuchte durch einen Schweine- zucht- und Mastbetrieb in Rüppurr und am Schlachthof die Not der Menschen zu lindern. Der städtische Gutsbetrieb wurde immer wei- ter ausgebaut. Die Pachrverträge von Ackerflä- chen wurden gekündigt und selbst bewirt- schaftet, weiteres Vieh zur Zucht, Mast und Arbeit angeschafft. Ende 1917 bestellte die Stadt mit 141 Beschäftigten und allerlei Vieh 150 Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 243 Hektar. Milch, Butter, Fett - dem Mangel den Krieg erklären Fast zeitgleich mit dem Kriegsausbruch im Juli des Jahres 1914 serzte eine den Krieg überdau- ernde Lebensmittelteuerung ein. Gerade unter der immensen Milchverteuerung hatte das Volk besonders zu leiden, denn konnre man auch ohne "Luxusgüter" wie Fleisch oder Fisch zurecht kommen, eine unzureichende Versor- gung mit Milchfetten bedeutete besondets füt Kinder, Alte und Kranke oft einen besonders bitteren Verzicht. Auch Baden blieb von Milchverteuerun- gen nicht verschont - doch gelang es den ba- dischen Bauern über 1915 hinweg die Verteu- erung im Rahmen des Erträglichen zu halten. Der Grund dafür war, dass man in Baden pro Kuh durchschnittlich 500 Liter über dem jährlichen Landesdurchschnitt lag -, so gab es also anfangs noch eine kleine Milchreserve. Die Bauern versuchten zudem die Preise durch Tierzukäufe zu drücken, allerdings mussten sie die so entstandenen Mehrkosten auf den Milchpreis umlegen: Die Rechnung ging nicht auf und der Krieg tat ein Übriges. 171 '. iJleifdJuetfofguug. . . ~, I. :me 5\opfm,nge an 31,qc~ unbllllurit beträgt lfir bie fommen'Oe Wnebe 200 Qr unbjtDQt ISQ gr jJleifef) unb 50 gr Wurft, lfir 5\inber j,,,,eils bie \jä1.!1e. . 2. mlarfen Tinb 'abaugeben: '\ 3fir 40 gr 3tll(~",urlt ein. 31'ilc~mar!, 3nr40 gr 6c~la<f)tDie~fI'ilc~ mit ,inB,,,,ac~l,n," .slnocl)en alPti (jleifcl)marfen . ~ 3U, 16 B' 6c~lac~tDie~fI<ilc~ D~n, 5\no(~,n, -.Gcl;linfen, :l)auermurft, 3ungc. unb .6pecf eine 3Ieil(~ma,!,: . 3m übrigen gelten bie !BeJtimmungen unieret ·~e . f~nntItlQcl)~ng oom>27.~prif 1911. 5\od.ru~"b,n24.'llugult 1917 !Jlo~t.ng.mttt.IQmt ber Stobt 5\Qrl.ru~ •• Bekanntmachung zur Fleisch versorgung aus dem • Volksfreund • vom 25. August 1 9 17 Bekanntmachung zur Fleischversorgung aus dem "Volksfreund" vom 25. August 1917. Die Regierung sah sich zum Handeln gezwun- gen: Höchstpreise mussten her. Um den Miss- ständen bei der Milchversorgung abzuhelfen, wurden auch im Jahte 1916 weitere Maßnah- men ergriffen. Ab der Mitte des Jahres konnte man an den Verkaufsstellen Milch nur noch gegen das Vorweisen eines "Milchheftes" erlangen, auf dessen Deckblatt angegeben war, wie viel Li- ter Milch der Inhaber zu beanspruchen hatte. Immer wieder mussten die Höchstpteise für Milch, Butter und andere Fette neu festgesetzt werden. Beim städtischen Nahrungsmittelamt Karlsruhe wurde zur Regelung der Butterver- sorgung eine "Butterverteilungsstelle" einge- richtet. Auch im Jahre 1917 mussten die täg- lichen Milchportionen pro Kopf immer weiter rationiert wetden und so kam es, dass ab der Mitte dieses Jahres ein gesunder Erwachsener keinen Anspruch mehr auf Vollmilch hatte. Die strikten Maßnahmen verschlechterten die Stimmung in der Bevölkerung. Deshalb mahn- te die SPD im "Volksfreund" die Regierung, alles zu tun, was die Situation der Menschen verbessere. Denn: ,,Auch die Vaterlandsliebe geht durch den Magen." Nachdem man sich mit den geringeren Fleischportionen inzwi- schen abgefunden hatte, empfand man den Mangel an Fett als äußerst ärgerlich. Man ver- suchte deshalb die Not zu erklären und hielt Ausschau nach Schuldigen. Dabei wurden nicht selten Gerüchte in die Welt gesetzt über Schlendrian und Misswirtschaft. Trotz aller Bemühungen, sah die Situation für die Bevöl- kerung im letzten Kriegsjahr 1918 hoffnungs- los aus. Lieferungen kamen nur noch spora- disch zustande. Es war fast unmöglich gewor- den, den Überblick über die Verteilung zu behalten . Die Stimmung in der Bevölkerung war daher überaus schlecht, was durch die schon absehbare Niederlage im Krieg nur ver- stärkt wurde. Es sollte selbst nach Kriegsende noch Monate dauern, bis die Versorgung wieder einigermaßen hergestellt war. Bis dahin musste die badische Bevölkerung weiter aus- harren - aber das war sie ja schon gewohnt. Kleinvieh macht auch' Mist Im Laufe des Krieges wuchs mit den Problemen bei der Versorgung mit Rind- und Schwei- nefleisch die Bedeutung des "Kleinviehs", also von Kaninchen, Schafen, Ziegen und Geflügel - abgesehen von den Hühnern, die als Eier- lieferanten schon immer eine MonopolsteI- lung hatten. Doch trotz seiner wichtigen Stel- lung wurde am Geflügel bald gespart. Eine strenge Ausführung des Prinzips: "zuerst die Menschen" führte dazu, dass den Geflügelhal- tern kaum noch Getreide als Futtermittel zur Verfügung stand, da man fast alles für die menschliche Ernährung beschlagnahmte. So war eine Reduzierung der Geflügelbestände unumgänglich. Da kaum noch Körnerfütterung zur Verfü- gung gestellt werden konnte, versuchten die ~lt Si< cilItn ~trfudj mit Dr. Jnarti's €i·Spar= Cablttt~ll: 5<1ja.~ftr I1IÜ 6 !!cbltften 15 'Pf9· 'iJn~rrtr ;1 in !amtr,~mQlen. j~~~ Anzeige aus dem .. Volksrreund". Behörden bald, eine körnerlose Fütterung als ebenso effektiv darzustellen, was bei den Züch- tern Empörung und Sorge hervorrief. Den- noch blieb schließlich keine andere Wahl, als immer mehr zu Ersatzfuttermitteln überzuge- hen. Um diese Entwicklung zu fordern, brach- ten die höheren Stellen Broschüren über die sinnvolle Zusammensetzung des Ersatzfutters heraus, gespickt mit wissenschaftlichen Bele- gen, dass Hühner sehr wohl auch körnerlos am Leben und sogar leisrungsfähig erhalten werden könnten . Von Klee über Küchenabfäl- le bis hin zu Stroh und Schilf schien nach sol- chen Broschüren fast alles eine gute Grundlage für die Fütterung zu bieten, wenn man es nur fein genug mahle. Doch abgesehen davon, dass der erfahrene Züchter nach wie vor nicht glaubte, seine Zucht ohne Körnerfutter erfolgreich betreiben 172 zu können. fehlte diesem Ersatzfutter unbe- dingt noch ein eiweißreiches Beifutter. das je- doch nur in Form von Tiermehl und Kno- chenleimfutter vorhanden war. Doch nur in Maßen. so dass sich hier sogleich wieder das Problem der gerechten Verteilung einstellte. Die Futterknappheit war also kaum in den Griff zu bekommen. Am meisten machte den Geflügelhaltern das Problem der Nachzucht zu schaffen. Denn die Küken waren mit dem für die Alttiere verwendeten Ersatzfutter kaum groß zu ziehen und gesund zu erhalten. Hilfe vom Staat kam in erster Linie in Form von Brurmaschinen. doch die ausgebrüteten Tiere mussten ja fressen. Gegen ihren Hunger hal- fen auch die von der Landwirtschaftskammer ausgesetzten Prämien (15 Reichsmark für 50 selbsterbrütete Küken) nichts. Im Zuge all dessen wurde auch die Versorgung mit Eiern immer schlechter. denn die Bestände nahmen ja ab und die Hühner waren weniger legekräf- tig. Die Hühnerhalter konnten die geforderte Menge oft nicht abliefern. so dass es zu großen Versorgungsengpässen kam. So war bereits 1916 das Färben von Eiern zu Ostern verbo- ten. zeirweise fiel auf drei Personen gerade einmal ein Ei in der Woche ab. Ein Problem war die Nichteinhaltung der Eierablieferungspflicht. Die vorgeschriebene Menge an Eiern wurde von den Überschuss- verbänden nur unzureichend an die Bedarfs- verbände abgeliefert. (Ende 1917. Anfang 1918 gerademall 0 % der Pflichrmenge) Um dieses Problem zu bewältigen. versuchten es die Behörden mit Zuckerbrot und Peitsche. Bei Nicht-Erfüllung der Pflicht drohten safti- ge Sanktionen. bei guter oder übermäßiger Er- füllung winkten materielle oder finanzielle Blick in die Kriegsküche des Badischen Fraucnvercins in der Feschallc Karlsruhc. 173 Im Kleinen Saal der Festhalle befand sich eine der Ausgabesrcllen fUf Lcbensmirrdkanen. Prämien. Der Schwarzmarkt boomte trotz- dem. Kein Wunder: es ließen sich hier doppelt so hohe Preise erzielen. Doch auch Städte. die die Eier vom Nest weg beschlagnahmten. konnten kaum genügend Eier aufbringen. Zu groß war die Futtermittelknappheit. Der Not- stand ist aber auch auf den Mangel an Koope- ration und Kommunikation zurückzuführen. In ländlichen Gebieten konnten teilweise sogar Überschüsse produziert werden. die in den schlechter versorgten Städten aber nur selten ankamen. Der Versuch der Selbsthilfe führte unter anderem dazu, dass in guten Eierzeiten Eier eingefroren oder per Post und Bahn verschickt wurden. So erhielt schließlich die "Eiersen- dung" eine eigene Verordnung. Der größer wetdende Mangel brachte auch immer mehr Ei-Ersatzmittel auf den Markt: Teilweise eine echte Alternative, teilweise auch reine Geld- mache mit der Not der Menschen. Andere "Lieferanten" für Frischeier waren Gänse und Enten. Allerdings blieben sie nur von geringerer Bedeutung. da die Legeleistung der Hühner wesendich größer ist. Der Handel mit lebenden Gänsen und Gänsefleisch war dagegen populärer und rückte gegen Ende des Krieges besonders ins Rampenlicht. weil oft- mals erheblicher Wucher betrieben wurde und Züchter gegen Futtervorschriften verstießen. Die Kaninchenzucht gewann besonders an Bedeutung. Die enorme Anspruchslosigkeit der Tiere prädestinierte sie für die private Haltung. Der Karlsruher Kaninchenzüchter- verein warb für die Zucht und gab hilfreiche Tipps in Zeitungsartikeln. Auch die Stadt 174 unterstützte die Eigeninitiative bei der Fleisch- versorgung, indem sie Häsinnen zur Verstär- kung der Zucht ausgab oder städtische Wiesen zur Grasnutzung anbot. Durch die Haltung von Ziegen und Scha- fen konnten Privatleute ebenfalls Initiativen ergreifen. was die Stadt durch Beschaffung von Futtermitteln honorierte. Außerdem wurden Maßnahmen zur Winterlammung bei Ziegen getroffen. um dadurch die Milchversorgung auch im Wintet zu sichern. Harnsterei und Tauschhandel Wer Geld hatte. konnte sich fast alles leisten. Wohlhabende legten sich durch Hamsterkäufe einen ausreichenden Vorrat an Nahrungsmit- tel an. Sie zahlten I Mark für ein Ei. 3 Mark für ein Pfund Butter und in einem Fall 1.000 Mark für drei Schinken. Ein solches Verhalten trieb die Preise in die Höhe. So gab es über die Kurgäste und "Rei- sende" heftige Beschwerden aus der Bevölke- rung. die die Presse aufgriff: "Sie sind eine Landplage." Kurgäste. die "hamsterten". wur- den ausgewiesen; den Fremdenverkehr schränk- te man aus wirtschaftlichen Gründen jedoch nicht ein. Er war zu wichtig für die zahlreichen Gaststätten und Hotels. Dass man den gewerbsmäßigen "Schleich- handel" bekämpfen musste. darüber war man sich in Baden einig. Schwieriger war die Frage. wie man mit den "Hamsterfahrten" der klei- nen Leute aus den Städten umgehen sollte. die in sonntäglichen Fahrten auf das Land Nah- rungsmittel im Tausch gegen Konsumartikel erstanden. wie z. B. Seife gegen Schinken oder Schuhe gegen Butter. Auch umgekehrt bezahl- ten viele Bauern in der Stadt mit Lebensmit- teln anstatt mit Geld. Der Tauschhandel flo- rierte. Man beschloss diesbezüglich. die "Hams- terfahrten " der armen Bevölkerung nicht zu behindern. da sie für die Versorgung der Städ- ter lebensnotwendig waren. Pläne der Regie- rung. die privaten Verbindungskanäle zwi- schen Stadt und Land zu verstopfen. wurde von einem Großteil der Bevölkerung abge- lehnt. Auch der KarIsruher Bürgermeister sprach sich dagegen aus. ebenso wie ein Pfar- rer. der gegenüber dem Generalkommando die "Hamsterfahrten " mit der Not der Men- schen verteidigte: "Wer keine anderen Quellen hat als die amtliche Versorgung mit Nahrungs- mitteln. lebt an der alleräußersten Grenze der Lebensmöglichkeit. " Der Mangel an Nahrungsmitteln wird von den Verfassern des ;.Badischen Kochbüchleins" als Chance gesehen. sich auf eine viel gesünde- re Ernährung umzustellen, da "der übermäßi- ge Fleischkonsum. die Reichlichkeit und Häu- figkeit der Mahlzeiten über das hinausgingen. was der Mensch braucht. um kräftig und ge- sund zu bleiben." Denjenigen. die Fleisch im- mer seltener und in immer geringerer Menge im Topfe hatten. mag es zynisch vorgekom- men sein, wenn man ihre Not zur Tugend er- klärte. Die Not zermürbte die Bevölkerung und machte sie kriegsmüde. Die Sehnsucht nach Frieden und dem Ende der Entbehrun- gen trieb sie aber dennoch nicht auf die Barri- kaden. VIKTORIA ADAM, SVENIA DIEFENBACHER, JAN ERNEMANN, SIMINA GERMAN , SABINE GROH, HANNA KAISER, DAVID KUHS , ASYSA SCHWEHN Da lJorJtrhmdr Britrag ist dir ZusammmfoJSlmg (ina 695titm umfassmdm Untasuchung von acht Schü/ainnm und Schülan drs Bismarckgymnasiums. Damit gtwann dir Projrktgruppt im Jahr 2001 b~im Schülaw~ttb~wab G~schichu um dm Prt is dts Bundts- prdsidmtm tinm mit 1.000 Euro dotiatm dritun Prtis. Dit komplttu Studit kann im Stadtarchiv ting~sthtn wtrdm. 175 Wirtschaftliche Betätigung der Stadt Karlsruhe - ein Rückblick Mutige Stadtväter als erfolgreiche Unternehmer Wolfgang Leiser, geborener Karlsruher und bekannter Rechtshistoriker, bezeichnete die Gemeinden des 19. Jahrhunderts als primär private Veranstaltungen, und zwar die Landge- meinden als Markungsgenossenschaften und die Stadtgemeinden als Gewerbsgenossen- schaften. Auch im Großherzogturn Baden stand das privat-wirtschaftliche Element deut- lich vor, später neben dem politisch-bürgerli- chen Element, bis das staatliche Element im 20. Jahrhundert die Oberhand gewann. In § 3 des badischen Gemeindegesetzes 1831 wurde das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden garantiert, das auch und gerade die wirtschaft- lichen Aktivitäten umfasste. Sobald die Finanzen'es nach den schweren Kriegsjahren zuließen, nahm die Haupt- und Residenzstadt des neugeschaffenen Großher- zogturns Baden die Entwicklung urbaner Strukturen in die eigene Hand, anfangs zöger- lich, dann immer selbstbewusster. Bereirs 1812 gründete sie zunächst aus fürsorgerischen, spä- ter auch aus ökonomischen Gründen eine Leibhaus- und Ersparnißkasse, die heutige SparktZSse Kflrlsmhe, die Teil der Stadtverwal- tung bis 1893 bzw. 1925 bzw. 1932 blieb. Später gründete und beuieb die Stadt 1871 - 1896 sogar eine Hypothekenbank für die nach- rangige Finanzierung, um angesichts des ex- plosiven Bevölkerungswachstums den Bau von Wohnungen zu beschleunigen, Neue Schlacht- hatlStr wurden 1819 und 1887 gebaut sowie 1824 eine Wasserleitung von Durlach zur Ver- sorgung der 74 Trinkbrunnen im Stadt- und Hofgebiet, die wegen einer erheblichen Über- schreitung der Kosten verärgerte. Die Pflaste- rung von Straßen erfolgte auf Kosten der Bür- ger. Im Jahr 1874 legte die Stadt einen neuen Friedhof an und baute eine Kaserne, um den lIUnannehmlichkeiren und Collisionen" von Einquartierungen zu entgehen. Für alle diese Bereiche wurden eigenständige Kassen ange- legt, also die Amortisationskasse, die Leih- haus- und Ersparnißkasse, die Pflasterkasse, die Gruftenkasse, die Einquartierungskasse oder die Wasserleitungs- und die Wasserlei- tungsamortisationskasse, denen weitere Kas- sen folgten, bis zu 28 an der Zahl. Diese stan- den untereinander und mit der Stadtkasse in "Conto-Current" und gewährten sich wech- selseitig Kredite. Einen Gesamtüberblick gab es nicht, bis die staatliche Rechnungsabhör im Jahr 1858 daraufhinwies, dass die zuvor hoch verschuldete Stadt nach außen hin überhaupt keine Schulden mehr hatte. Dann aber gab es für die Stadtväter keine Bedenken mehr, neue "Unternehmen" in Angriff zu nehmen. Den Grundstein der Stadtwerke legte das WtZSserwerk im Durlacher Wald 1871, das heu- te noch in Betrieb ist, sowie der Ausbau der WtZSserleitungen in die Häuser: die Frauen mussten nicht mehr das Wasser an den Brun- nen holen. Manche Aufgaben erfüllte man kommunal, manche privatisierte man. Als der Gestank bei der Abortgrubenentleerung in den Häusern mittels Eimern unerträglich wurde, übertrug man 1866 diese Aufgabe der Düngerabfilhrgesellschaft mit ihrer Dampf- pumpe, bis zum Anschluss der Schwemmka- nalisation 1915 an das Klärwerk. Sie besorgte einige Jahre auch die Abfuhr des Kehrrichts 176 und der Haushaltsabfälle. bis die Stadt 1889 die Haushaltsabfuhr in die eigenen Hände nahm. Die Gasproduktion fur die Beleuchtung begann 1845 durch die Firma Marlow & Man- by. dann durch andere Firmen. bis schließlich die Stadt dieses Gaswerk 1869 übernahm und 1886 ein neues Gaswerk im Osten baute. das erst beim Bezug von Erdgas 1972 aufgegeben wurde. Auch beim Schienenverkehr ergriffen Priva- te die Initiative, ermuntert und begleitet von der Stadt. Diese Infrastruktureinrichtung wur- de immer wichtiger, weil die Arbeiter in die Fabriken kommen mussten und Karlsruhe eine kräftige Industriestadt zu werden begann. Eine private Pferde- und Dampfsrraßenbahn fuhr von 1877-1900 vornehmlich auf der Strecke Durlach bis Mühlburg. 1900 begann die Elektrifizierung durch die AEG. aber es klappte nicht so. wie die Stadt es wollte. die dann den Betrieb 1903 übernahm und moder- nisierte. weil- so die Begründung von Ober- bürgermeister SchnetzIer - eine öffentliche Straßenbahn "dem Gemeinwohl verpflichtet sein sollte"; den Vorbetreibern wurde nämlich unterstellt, sie hätten zu Lasten von Verbesse- rungen zuviel aus dem Betrieb entnommen. Aber der Versuch. alle Schienenverkehre zu- sammenzuführen. gelang damals noch nicht. Das "Lobberle" von Durmersheim nach Spöck und die Albtalbahn vom Ettlinger Tor bis nach Etrlingen wollte der Bürgerausschuss trotz der wohlbegründeten Vorlage von Oberbürger- meister Karl Siegrist im Jahre 1913 nicht über- nehmen; sie blieben zunächst privat. Auch die Turmbergbahn DlIrlach wurde 1888 von einer privaten Aktiengesellschaft erbaut. sie fiel mit der Eingemeindung Durlachs 1937 an die Stadt und wurde dann in die Verkehrsbetrie- be Karlsruhe integriert. Einen ähnlichen Weg ging später das "Schlossgartenbähnle" von der privaten Gründung bis zur Eingliederung in die VBK. In der Entwicklung des Schienen- verkehrs gibt es im 20. Jahrhundert beachtens- werte Fortsetzungen. Ab dem Jahr 1870 wurden die Stadtväter sehr mutig. Sie bauten den Stadt garten und den anfänglich privaten Zoo zu einer großen, aber noch getrennten Anlage. sie bauten 1890 eine Radfohrbahn um den See neben dem Laurcrberg und sie errichteten eine Festhalfe, die bis zu ihrer Kriegszerstörung an der Stelle der heutigen Schwarzwaldhalle stand; ferner eine Ausstellungshalle (Stadthalle) sowie das Konzerthaus. die allerdings erst 1915 fertig ge- stellt werden konnten. Diese Gebäude legten den Grundstein fur ein Kongresszentrum am Festplarz. Ein neues Krankenhaus wurde 1907 an der Moltkestraße erbaur. und die Stadt un- terhielt zwei Krankenversicherungen. die 1893 in die neue Sozialversicherung integriert wur- den. Am Rande sei erwähnt. dass auch die Schulen Gebühren erhoben und "Miete" zah- len mussten. Die Stadtväter waren tatkräftige Unterneh- mer vor allem in einem Bereich, den man in Karlsruhe heute noch umfassend Stadtwerke nennt; gemeint sind neben Straßenbahn. Gas und Wasser auch die Stromerzeugllng und die Rheinhäftn. Beide wurden etwa zur gleicher Zeit 1901 und nahe beieinander erbaut. Sie sind heute noch Stürzen der städtischen Infra- struktur. Zum ersten Rheinhafen in Maxau (das noch nicht zu Karlsruhe gehörte) baute die Stadt die Rheinbahn. die später an den Staat verkauft wurde. Der Vollständigkeit hal- ber sei angemerkt. dass die Stadt in dieser Zeit auch die Kraichtalbahn nach Eppingen voran- trieb und für die Badische Staats eisenbahn vorfinanzierte. Bei allen diesen städtischen Aktivitäten wurde streng aufWirrschafrlichkeit geachtet. denn mit den knappen Steuermitteln konnte man solche Werke nicht subventionieren. Die Stadt verschuldete sich nicht zuletzt wegen ihrer Unternehmen sehr hoch. nämlich mit 52 177 Mio. Goldmark im Jahre 1913. Das Gesamt- budget betrug mit 25 Mio. nur knapp die Hälfte; dagegen beträgt die heutige Gesamt- verschuldung mit ca. 1.5 Mrd. DM weniger als die Hälfte der gesamtstädtischen Ausgaben in Höhe von weit über 3 Mrd. DM; auch nach Einwohnerzahl und Währungsrelation war die Verschuldung seinerzeit vergleichbar höher. Aber diese Verschuldung drückte nicht! Denn allein die Stadtwerke bedienten die Hälfte dieser Schulden mit Zins und TIlgung und konnten dazu noch einen Überschuss in etwa gleicher Höhe zur Finanzierung des all- gemeinen Etats beisteuern (je etwa 1.5 Mio. Goldmark). Strom. Gas und Wasser. aber auch die Straßenbahn erwirtschaftete Gewinne. und selbst das städtische Krankenhaus arbei- tete noch anfangs des letzten Jahrhunderts kostendeckend (notabene heute nach einer langen Durststrecke auch wieder). VergeseUschaftung und Privatisierung - .. Flucht aus dem Budget" Im 20. Jahrhundert w~rden die Gemeinden zunehmend Teil des Staates. Der Sozialstaats- gedanke ergriff auch die wirtschaftlichen Un- ternehmen. Ihr Wirken wurde als Teil der Da- seinsvorsorge angesehen, die am besren und sogar am günstigsten von der Stadt erfüllt werden sollte; der .. Municipalsozialismus" soll- te verhindern. dass Private die Bürger ausbeu- ten. Erst etwa ab den 1980er Jahren zeigte sich eine starke Tendenz. wirtschaftliche Aktivitä- ten aus dem Stadtverband herauszulösen und die Vorteile privaten Wirtschaftens zu nutzen. Aber geradlinig lief dieser Prozess nicht: ha- bent sua fata - auch die Unternehmen der Stadt haben ihre eigenen Schicksale. Die Stadtwerke als wichtigstes Beispiel waren Regiebetriebe. d. h. ihre Aktivitäten wa- ren im städtischen Haushalt veranschlagt. der Gemeinderat bestimmte bis ins Einzelne. Im Jahre 1935 wurde die Rechtsform des Eigenbe- triebs eröffnet und ständig weiterentwickelt. Die Stadtwerke blieben nur noch netto. d.h. mit ihrem wirtschaftlichen Ergebnis im Haus- halt. die Werkleitung erledigte die laufenden Geschäfte und der Werkausschuss des Ge- meinderats hatte übergeordnete Leitungsfunk- tionen. Die Festsetzung der Tarife oblag dem Gemeinderat. Mit der Fernwärmeversorgllng eröffneten die Stadtwerke 1961 einen neuen Betriebszweig. Aber es gab auch gegensätzliche Tendenzen: ein großer Ölhafen wurde 1963 in Betrieb genommen. und 1967 hat man den hafeneigenen Umschlagsbetrieb wegen hoher Verluste vollständig an die Privatwirtschaft (KALAG) abgegeben. Erst in den neunziger Jahren folgte die Stadt Karlsruhe dem allgemeinen Trend. die Werke in rechtlich selbständige Unternehmen auszugliedern. Das Kapital blieb zu 100 % bei der Stadt (Eigengesellschaft). mit Ausnahme der Versorgungsbetriebe. an denen sich das Baden- werk und die Ruhrgas mit zusammen 30 % des Kapitals bereiligten (Beteiligung). In einer Holding werden seit 1997 alle Zweige zusam- mengefasst. Die einzelnen Unternehmen ha- ben Tarifhoheit. Der Anlass für die allgemeine Ausgrün- dungsweIle war vor allem der bevorstehende Wettbewerbsdruck. der nach der wirtschaftli- chen Leitidee der Europäischen Union bald alle Zweige erfass t haben wird. neben der En- ergie auch den Verkehr und das Wasser. Privat- wirtSchaftIich geführte Unternehmen könnten sich rascher an die Marktlage anpassen und technische Verbesserungen schneller umset- zen. Die Städte müssen MonopolsteIlungen aufgeben. z. B. durch die Öffnung ihrer eige- nen oder durch die Duldung fremder Leitun- gen im städtischen Straßenraum. Die güns- tigste Versorgung der Einwohner soll durch ei- nen Wettbewerbsrahmen sichergestellt wer- den; z. B. im öffentlichen Nahverkehr durch 178 D~r Sf3dt. Rh~inhar~n (0.) und d~r Betriebshof d~r St3dt. V~rk~hrsb~tri~bc an d~r Tulla-Sualk vor d~m Erst~n W~hkrieg (u.). Vorgabe der Linienführung, des Zeittal<rs oder der Wagen ausstattung. Auch ökologische Rah- menbedingungen können vorgegeben und die Sorge wegen der Sozialisierung der Verluste soll durch den Wettbewerb vermindert wer- den. Das Unternehmen, das alle Forderungen erfüllt, soll bzw. muss den Zuschlag erhalten im Zweifel sogar vor den eigenen Betrieben (!), wenn es mit einem geringeren Zuschuss aus- kommt. Aber nicht nur die Stadtwerke haben sich von der Stadt entfernt. Auch das Klinikum wurde über einen Eigenbetrieb besonderer Art bereits im Jahre 1994 in eine gemeinnützige GmbH umgewandelt. Die Begründung war ähnlich wie bei den Stadtwerken, und dazu befürchtete man unübersehbare Probleme aus der Entwicklung und der Finanzierung des Gesundheitssektors. Das erfordere, so die Be- gründung, eine hohe Beweglichkeit nach allen Seiten. Das Kongress- und Messewesen ging zu- nächst mit, dann neben der Stadt aber eigene Wege. Im Vorfeld der Bundesgartenschau 1967 wurde die Kongress- und Ausstellungs- geseIlschaft KKA GmbH (heute KMK) gegrün- det, für die die Ausstellungshallen am Festplatz erneuert und erweitert wurden. Den Ge- schäfuzweigAusstellungen will man zukünftig durch das Gemeinschaftsunternehmen Nette Messe zusammen mit der Region vor den To- ren der Stadt erheblich ausweiten. Die inter- 179 kommunale Zusammenarbeit ist allgemein ein starkes Motive für Ausgliederungen. Hinter den offen vorgetragenen Begrün- dungen für Ausgliederungen wird auch eine Kritik an den politischen Rahmenbedingun- gen kommunalen Handelns erkennbar. Die politischen Kräfte in den Rathäusern sind be- strebt, das kommunale Geschehen vor Ort auf dem Hintergrund ihrer eigenen Vorstellungen zu beeinflussen, eine verständliche und in ei- ner pluralistischen Gesellschaft auch legitime Verhaltensweise. Das aber erzeugt bisweilen irrational anmutende Prozesse. Andererseits gibt es einen Druck der Öffentlichkeit, die Vorteile rationalen und zugleich dezentralen Handelns zu nutzen. Das technokratische Ele- ment in der Verwaltung soll gestärkt werden, aber zugleich möchten Gemeinderat und Bür- germeisteramt Gestaltungsrechte behalten. Die neuen Steuenmgsmodelle (NSM) sind ein solcher Versuch, der noch nicht abgeschlossen ist, aber schon befriedigende Ergebnisse zei- tigt, z.B. bei der Enrwässerung, der Feuerwehr oder der Bäderverwaltung. Doch immer wieder entsteht die Tendenz zur Flucht aus dem Haushalt; so sollen z. B. die städtischen Bäder demnächst rechtlich selbständig und den Stadrwerken angeschlos- sen werden. Auch bei anderen sozialen oder technischen Einrichtungen gibt es Tendenzen zur Verselbständigung. Beispielsweise wurden 1995 die Altersheime in eine rechtlich selb- ständige kommunale Stiftung, die Heimstif tung, umgewandelt, mit gewissen kommuna- len Einflussmöglichkeiten. Vorbild war eine erfolgreiche ehemals private Pfründnerstiftung unter der Verwaltung der Stadt, die Karl-, Friedrich-, Leopold- und Sophienstiftung (KFLS) . Weitere Formen des kommunalen Handelns, vom Rathaus abgerückt, gibt es in der Form von Zweckverbänden, dem Zusam- menschluss von Gemeinden zu gemeinsamen Aufgabenlösung, z. B. im Bereich des Abwas- sers oder der Konversion des Flughafons Söllin- gro, der den ehemaligen Fluglandep/arz Forch- heim ablöst. Ein solcher Weg war auch für die Abfallentsorgung der Region denkbar. Im Er- gebnis kam aber eine eindeutige Privatisiert/ng der Abfollbeseitigung durch das Badenwerk (EnBW) zustande, die diese Verpflichtung durch eine technisch völlig neuartige Thermo- selectanlage erfüllen will . Die Tendenz zur Bewältigung von Auf- gaben im kommunalen Bereich durch privat- wirtschaftliche Lösungen in verschiedenen Abstufungen ist deutlich. Es hat den An- schein, als enrwickle sich Karlsruhe wie auch andere urbane Zentren von der Leistungs- zur Steuemngsstadt (van Laatz). Wie weit dieser Prozess schon vorangeschritten ist. zeigt die Zahl der Beteiligungen. Wenn man den Betei- ligungsbericht der Stadt Karlsruhe 2000 etwas modifiziert, dann ist die Stadt an 32 bedmtm- den rechtlich selbständigen Unternehmen, Stif- tungen und Zweckverbänden unmittelbar oder über ihre Unternehmen mittelbar beteiligt. Davon standen vor 30 Jahren bei den Beteili- gungen nut die Volkswohnung GmbH und die Albtalverkehrsgesellschaji, die aus privaten An- fängen hervorgingen, sowie die KKA und die Flughafengesellschaft KFG. Dieser Trend wird durch die Zahl der "ausgelagerten" Mitarbei- ter unterstrichen, die in diesen Rechtsformen tätig sind, nämlich über 10.000 Ende des Jah- res 2000, während in der Kernverwaltung heute "nur" noch knapp 5.000 Mitarbeiter- innen und Mitarbeiter geführt werden. Ob die Entwicklung so weitergeht oder ob das Pendel wieder einmal in die andere Rich- tung ausschlägt, nämlich von der "Flucht aus dem Budget" zur "Flucht ins Budget", das ist die Sphäre der politischen Zukunftsvision. Sie hat nichts mehr zu tun mit einem Rückblick, der sich so wohltuend auf Tatsachen stützen kann. GERHARD SEILER 180 Lesegesellschaften in Karlsruhe 1784 - 1850 Der Beginn bürgerlicher Selbstorganisation Im Zuge der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft entstanden am Ende des 18. Jahr- hunderts mit dem Vereinswesen die ersten Formen bürgerlicher Selbstorganisation. Lese- gesellschaften kam dabei eine Vorläuferfunk- tion zu. Einer der wichtigsten Impulse für de- ren Gründung im 18. Jahrhundert war ein ra- sches Anwachsen des Lesepublikums bei er- höhter Zeitungs- und Bücherproduktion. Das gestiegene Interesse an Information hatte ei- nen funktionalen Zweck: Bildung war ein Schlüsselfaktor im gesellschaftlichen AufWärts- streben des Bürgertums, und damit im bürger- lichen Selbstbewusstsein gegenüber dem vor- herrschenden Adel. Lesegesellschaften boten außerdem einen gesellschaftlichen Rahmen für gesellige Unterhaltung und kulturelle Ver- anstaltungen. Bedenkt man den historischen Kontext, gab es gleichzeitig auch ein staatliches Interesse an vermehrter Informarionsverbreitung. Die ehemals kleine Markgrafschaft Baden konnte im Zuge der politischen Neuordnung Mitte- leuropas bis 1806 das Staatsgebiet verfünffa- chen. Die Bevölkerungszahl stieg innerhalb der ersten Jahrhunderthälfte von 250.000 im Jahr 1802 auf 1,35 Millionen im Jahr 1846. Das neue Staatengebilde blieb besonders expo- niert gegenüber den politischen Impulsen aus den Nachbarstaaten Frankreich und der Schweiz. Die sozioökonomischen und politi- schen Bedingungen erforderten eine zentralis- tische und effektive Verwaltung zum Zwecke einer administrativen Integration der hinzuge- wonnenen Gebiete sowie der Schaffung eines neuen Staats bewusstseins. Der Wunsch nach einer Stärkung der staatlichen Handlungs- rnacht und einer Einbindung des Bürgertums 181 in die Regierungspolitik mag die staatliche Pro- tektion der ersten Lesegesellschaften erklären. Das "Museum" Die Vereinsgründung der ersten Lesegesell- schaft in Karlsruhe soll auf die Initiative des Hof- und Stadtvikars Christoph Friedrich Rinck zurückgegangen sein. Rinck wurde vom Markgraf 1783 auf eine Studienreise durch andere deutsche Staaten und die Schweiz ge- schickt, wo er in größeren Städten in lesege- sellschaften eingeführt wurde. Dies wurde Anlass für den Plan, eine solche auch in seiner Heimatstadt zu gründen. In der Residenzstadt Karlsruhe war dafür durchaus Bedarf Schließ- lich harten die Vergrößerung der Markgraf- schaft, der Ausbau der Verwaltung und die auswärtigen Delegationen eine stetige Zunah- me des gesellschaftlichen Verkehrs gerade der oberen Schichten mit sich gebracht. Im Dezember 1784 fand die Gründungs- versammlung der "Lesegesellschaft Karlsruhe" statt, ab 1808 "Museum" genannt. Der Mark- grafKarl Friedrich übernahm die Schirmherr- schaft, das "Protektorat" der Gesellschaft, was auf den staatstreuen Charakter der Museums- gesellschaft deutet. Im Obergeschoss der noch heute existierenden Wirtschaft "Pfannenstiel" in der Brunnenstraße mietete die Lesegesell- schalt zwei Zimmer, ein Unterhaltungs- und Lesezimmer, in dem die Präsenzbibliothek untergebracht war. Zweimal wöchentlich traf sich ein literarischer Zirkel, gelegentlich wur- den Vorträge zu wissenschaftlichen Themen gehalten. Innerhalb von fünfJahren wuchs die Zahl der Mitglieder auffast 200, das jährliche Bud- get der Gesellschafr war auf 2.000 Gulden angewachsen, von dem ein Viertel für den Aufbau der Bibliothek verwendet wurde. Die Gründung des Großherzogrums wirkte sich auch auf die Lesegesellschaft aus: durch die Zentralisierung der Verwaltung und den Aus- bau des Staatsapparates wuchs die Zahl der Beamten, Geistlichen und Offiziere in der Stadt und damit das Publikum des Vereins, so dass zweimal ein Umzug in größere Vereins- häuser erforderlich war. 1813 wurde nach den Entwürfen von Friedrich Weinbrenner das repräsentative Museumsgehäude errichtet, mit einem großen Ballsaal, mehreren Konversati- ons- und Spielzimmern sowie einer geräumi- gen Bibliothek - in der heutigen Kaiserstraßel Ecke Ritterstraße nunmehr das Haus der Deutschen Bank. In der Festrede anlässlich der Grundstein- legung führte der damalige Direktor Freiherr von Fahnenberg aus: "In allen Lagen der Zeit und Umstände den Glauben an die Unver- gänglichkeit des Weisen und Edeln und Schö- nen fest halten, um diese ersten und ewigen Interessen der Menschheit sich enge zusam- menschließen, und mit vereinten Kräften dem Geiste seine Rechte, dem Gemüthe seine gött- liche Natur, dem Leben seine schönsten Reize für die Gegenwart bewahren, auf die Zukunfr sichern ist hoher Sinn und edles Geschäft; er- hält die Menschheit bei ihrem innern Stille- ben. wenn es von Außen um sie drängt und wittert, und rcnct sie in bessere Zeiten wieder glücklich hinüber. Es ist ein hoher Gesichts- punkt, in welchem diese vom Staat geschätz- ten und beschützten Verbindungen, in ihrem stillen stetigen Kampfe mit dem unreinen Zeitgeiste oder dem mächtigen Zeitlaufe be- griffen, uns hier erscheinen." Diese Worte bedürfen einer Übersetzung: In der Sphäre des Museums, an der die Mit- glieder als Privatleute teilnehmen, sind die ver- schiedenen (politischen, ökonomischen, stan- des- und bildungsgebundenen) gesellschaft- lichen Widersprüche aufgehoben. Die Sphäre des Ästhetischen, der Kunst, Literatur und Musik und des öffentlichen Räsonnements bietet einen gesellschaftlichen Ruhepol ange- sichts der wechselhaften Zeitumstände. Die proklamierte Eintracht wurde mit- unter nachhaltig gestört: Der Polizeidirektor von Hainau, selber Mitglied des Museums, soll in mindestes zwei Fällen die Loyalität des Museums in Zweifel gezogen haben. In einem von Großherzogin Stephanie gebilligten Rund- schreiben der Museums-Kommission wurde die Einführung einer Nationaltracht für die im Museum verkehrenden Frauen vorgeschla- gen; allein schon die Verwendung des Wortes "national" soll für von Hainau Anlass gewesen sein, das Museum "einer gegen den Staat ge- richteten Tendenz" zu verdächtigen. Der zwei- te Anlass bildete eine vom Museum erworbe- ne Schrift "Die Centralverwaltung der Ver- bündeten unter Freiherrn vom Stein", die, nachdem ein Mitglied darin Angriffe gegen die badische Regierung entdeckt hatte, in den Giftschrank des Museums verbannt wurde. Als ein weiteres Mitglied ohne Wissen der bereits erfolgten vereinsinrernen Zensur die Anschaffung des Buches im so genannten "Wunschbuch" ersuchte, soll dieser Eintrag ein weiterer Anlass für die Klage staatsfeindli- cher Gesinnung durch den Polizeidirekror gewesen sein. Offensichtlich mit Erfolg ver- suchte die Museums-Kommission in einem ausführlichen Schreiben an den Großherzog, die erhobenen Vorwürf~ aus dem Weg zu räu- men und ihre Loyalität zu versichern. In den frühesten überlieferten Statuten des Museums heißt es: ,,§ 1. Der Zweck der Ver- bindung ist: schöne Bildung des Geistes und Geschmacks, auch den guten Ton geselliger Freude zu befördern, und beydes im Kreise solcher Gebildeten zu gemessen. § 2. Nur auf diesen Zweck, nicht auf Geburt, Stand und 182 Gemälde vo n Adolf Schrocdter: Mitglieder der Karlsruher Lesege5ellschaft; an der Wand ein Portrait des Großherzogs. Rang. nimmt die Gesellschaft bey der Wahl ihrer Mitglieder den nächsten Bedacht. Jede selbstständige Person. ohne Unterschied des Geschlechts. welche Bildung mit sich bringt und nach ihren übrigen Verhältnissen aufnah- mefähig ist. kann Mitglied der Gesellschaft werden." Die Vereinsstrukturen sind somit ge- prägt von dem Leitbild eines allgemeinen Ge- sellschaftsvertrages und der Souveränität des Gesamrwillens. Dessen Instanz ist die Mitglie- derversammlung. ordentliche Mitglieder ha- ben bei Wahlen die gleichen Rechte. Das Literaturangebot enthält laut Satzung .. politische und gelehrte Zeitungen mit den dazu erforderlichen Hilfsmitteln. als landkar- ten. Wörter- und H andbücher für Sprachen. für Länder- und Völkerkunde. Statistik. u.s.w.; sodann periodische Schriften aller Art. Reise- beschreibungen. Geschichte. und überhaupt alles. was ohne spezielle Rücksicht auf beson- dere Berufsfacher allgemein interessiert und für den Einzelnen zu kostspielig. oder vorü- bergehend ist. " Tatsächlich lässt die Auswer- tung des frühesten noch vorhandenen Biblio- meksverzeichnisses ein dezidiertes Interesse an deutscher Literatur der jüngsten Zeit erken- nen. wobei größere Aufmerksamkeit aber der Sachliteratur geschenkt wurde. Eine erste Mitgliederliste ist aus dem Jahr 1815 überliefert: Die Mehrzahl der Mitglie- der. neben dem Großherzog und drei weiteren Grafen. rekrutiert sich aus Offiziers- und hö- heren Beamtenkreisen. während Lehrer. Pfar- rer, Ärzte, Rechtsanwälte und Künstler in weit 183 geringerem Maße vertreten sind. Von 428 Mitgliedern sind ingesamt sieben Frauen, da- von 6 Witwen. Die soziale Herkunft der Mit- glieder hatte sich 1845 nicht wesentlich geän- dert: Überraschend ist nun der hohe Anteil weiblicher Mitglieder: 78 Frauen von insge- samt 744 Mitgliedern, also mehr als 10 Pro- zent, davon der überwiegende Teil Witwen. Das Karlsruher Museum war einer der weni- gen Vereine, die eine solche reguläre Mitglied- schaft gestatteten. Ansonsten waren Frauen von der literarischen und politischen Informa- tion und den Tätigkeiten der Vereine fast durchgehend ausgeschlossen. Die Lese-Gesellschaft Eine weitere Lese-Gesellschaft wurde 1815 gegründet. Das Publikum, zu dem auch der Oberbürgermeister Dollmetsch gehörte, der das Amt des Saal-Aufsehers verrichtete, ent- stammte vornehmlich dem Bürgertum. Folgt man einem anonymen Korrespondenzbericht aus dem Jahr 1818, so ist die Ursache für die Vereinsgründung im Koiltext der Befreiungs- kriege zu sehen, denn "der Menschen-Freund freuet sich nach den Stürmen des fürchterli- chen Kriegs einer wieder sanft anziehenden Verbindung", an der "Mitbürger, ohne Unter- schied des Standes und der Religion" teilneh- men können "zu welchem Tugend und Recht- schaffenheit allen den Weg bahnen können". 1818 hatte die Gesellschaft 117 Mitglieder. Von Interesse ist die Schilderung der Vereins- gründung: aus einem abendlichen Treffen von Bürgern und Beamten entwickelte sich eine . feste Abendgesellschaft, die gemeinschaftlich zuerst Zeitungen, dann auch Bücher anzu- schaffen begann. Die Zunahme von kulturel- len Veranstaltungen und weitere Eintritte machten eine Vereinsgründung erforderlich. Ein Umzug in ein größeres, täglich geöffnetes Vereinslokal wurde bald nötig. Schließlich wurde den Mitgliedern die Mitnahme von Büchetn und Zeitungen nach Hause gestattet, um auch Frauen und Kindern einen Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Schon 1818 ver- fügte die Gesellschaft über eine Bibliothek mit knapp 400 Bänden "worunter die Schriften: Schiller, Göthe, Wieland, Lafontaine, Schel- ling, de la Motte Fouque, Schreiber etc. Le- bens- und Reise-Beschreibungen, und 16 theils bildende politische Zeitschriften sich vorfin- den." "Uebrigens ist die Gesellschaft, wie sich leicht denken läßt, sehr gemischt. Doch ist die Mischung nicht von der Art, daß man sagen könnte, sie ist allzu gemischt, hat allzu ver- schiedene Bedürfnisse und es finde eine allzu grosse Entfernung der Stände unter den Mit- gliedern statt. Treffen am Abend vielerley Per- sonen zusammen, so entfernt sie weder Stand noch Rang, da sie sich weder als untergeord- net, noch von einander abhängend in ihren Berufs-Geschaffen begegnen." Hier wird deut- lich, wie eng der Raum des sozialen Austau- sches auch in bürgerlichen Kreisen weiterhin bleibt. Trotz der Betonung auf eine prinzipielle Offenheit und Aufhebung von Standesunter- schieden wird die Eingrenzung auf bestimm- te Schichten explizit unterstrichen. Dass die Lesegesellschaft sich keinesfalls der radikalen Opposition verpflichtet, davon zeugt eine Bekanntgabe der Kündigung des Abonnements der radikal-demokratischen Konstanzer Zeitung "Seeblätter", die "als un- würdig, in einer anständigen, ehrenhaften und gesetzliebenden Gesellschaft aufzuliegen", be- zeichnet werden. Verstanden wird dies im Sin- ne einer vom aufgeklärten Publikum betrie- benen Kontrolle der politischen Diskussion; schließlich sei "es zu erwarten, daß die Blätter vom See durch derartige Maßregeln bald ihr Lebensende erreicht haben werden. Das Volk wird künftig die Presse überwachen und die Preßfreiheit wahren!" 1843 hat die Lese-Ge- 184 Mitglieder der Karlsruher Muscumsgesdlschafc 1848 . sellschah . nicht mehr viele Mitglieder, meis- tens aus dem wohlhabenderen Mittelstande." Der Stadtchronist lobt zudem die Verdienste um die gesellige Unterhaltung des Vereins, "da man hier nicht die Steifheit findet, wie im Museum." In den vierziger Jahren residierte die Lese-Gesellschaft im ehemaligen Palais des Markgrafen Friedrich am Rondellplatz und damit in unmittelbarer Nähe des H auses des Bürgervereins Eintracht, der 1835 gegründet wurde. Der Biligerverein Eintracht Ein Komitee gab die Gründung dieses Vereins bekannt, der "nur Gutes und Nützliches für die Stadt und ihre Bewohner, besonders in gewerblicher, wissenschaftlicher und über- haupt bildender Beziehung" im Sinne habe. Zum Zeitpunkt der Gründung im Juli 1835 traten 155 Mitglieder bei, vorwiegend Kauf- leute, Beamte, Lehrer, selbstständige Hand- werker, darunter eine Lehrerin. Trotz anfang- lieher Widerstände wurde der Verein Eintracht in vier Abteilungen geordnet: eine für geselli- ge Unterhaltung, Lektüre und Tanzveranstal- rungen, die zweite rur Musikveransralrungen, drittens ein Diskussionsforum für technische und industrielle Fragen und schließlich vier- tens eine Abteilung für wissenschaftliche Wei- terbildung. 1839 hatte die Eintracht insgesamt 800 Mitglieder. Im Mittelpunkt des Interesses, folgt man den Mitgliederzahlen der einzelnen Sektionen, lagen dabei Unterhaltung und Lek- rüre sowie die industriell-technische Weiterbil- dung. Die Eintracht beschreibt sieh als "ein Ver- ein gebildeter Männer, der es sich nicht nur zur Aufgabe macht, durch den Genuß geselli- ger Freuden seine Mitglieder zu erheitern, son- dern der auch dahin strebt, Wissenschaften, Künste und Gewerbe zu fördern, gemeinnüt- 185 zige Unternehmungen wirksam unterstützen zu helfen. und zur Stiftung von Sammlungen Gelegenheit zu geben. die den Künstler und Freund der Wissenschaft anziehen und beleh- ren. Sie ist ein freier Verein. in welchem kei- nem Mitglied als solchem ein Vorzug vor dem andern zukomme." Lesegesellschaften und die Revolution 1848/49 In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts hatten die Lesegesellschaften in Karlsruhe ihre Blütezeit. Sie waren Ausdruck der gesellschaft- lichen Mobilisierung des Bürgertums in der Zeit des Vormärz. in denen eine direkte poli- tische Betätigung noch weitgehend unmöglich war. Über eine unmittelbare Beteiligung der Vereine an den Revolutionsereignissen 1848/ 49 liegen keine Zeugnisse vor. was auf die Ei- genschaften Karlsruhes als Residenzstadt zu- rückzuführen ist. Durch die Anbindung an den Hof war das politische Klima der Stadt deutlich konservativer als in anderen Städten Badens. Die Wahl zur zweiten Kammer 1819. die Liberalisierung der Presse im so genannten .. Pressefrühling" 1830-1832. die Politisierung det Literatur in den Jahren nach 1830 sowie die Nationalbewegungen in anderen europäi- schen Staaten hatten dort die Diskussionen innerhalb der Lesegesellschaften zu einer offe- nen Politisierung geführt. 1849 markiert eine Zäsur in der Geschich- te der Lesegesellschaften. denn auch sie fielen dem allgemeinen vorübergehenden Vereins- verbot zum Opfer. In den Jahren danach sind kaum Neugründungen zu verzeichnen. und die Restaurationzeit des Nachmärz mit dem Klima staatlicher Repression und Zensur be- einflusste die Entwicklung der Lesegesell- schaftsbewegung insgesamt. auch der Vereine. die nach 1848/49 nicht verboten wurden. Obwohl aufgrund der politischen Orientie- rung der Eintracht eine Nähe zu den revoluti- onären Ereignissen nicht vermutet werden kann. wirken sich auch hier die folgenden Jah- re der Restauration aus, wie bereits der Ver- einschronist Schwarz über die Eintracht no- tiert: .. In den Zeiten der Reaktion. die auf die politischen Ereignisse Ende der 1840er Jahre folgten. trat im Vereinsleben übethaupr eine gewisse Stagnation ein; wir finden aus den 1850er und 1860er Jahren keine Nachrichten von Veranstaltungen grösserer Art." Dasselbe gilt auch für das Karlsruher Museum. Dass 1850 der Bürgerverein Eintracht und die Le- segesellschaft sich vereinigten. deutet darauf hin. dass die Mitgliederzahlen der beiden Ver- eine gesunken waren. Die Verbotswelle nach 1849 war Ausdruck einer staatlichen Unfahigkeit. gegenüber der Vereinsbewegung und der bürgerlichen Öf- fentlichkeit anders als mit repressiven Mitteln zu reagieren. Ändern sollte sich dies erst im späten 19. Jahrhundert. als. bezogen aufLite- ratur und Journalistik. Kulturpolitik als Medi- um staatlicher Intervention entdeckt wurde: 1870 wurde die erste öffentliche Bibliothek in Mannheim gegründet. die. wie auch in ande- ren Städten. die Bestände der örtlichen Lese- gesellschaft später übernehmen sollte. Damit traten staatliche öffentliche Kulturinstitutio- nen das Erbe von Organisationen der bürger- lichen Öffentlichkeit an. Ausdruck einer zu- nehmenden Verschmelzung von Staat und bürgerlicher Gesellschaft. TORSTEN LIESEGANG 186 Der Landeswohlfahrtsverband Baden In unserem differenzierten Sozialstaat erfüllt der Landeswohlfahrtsverband Baden wichtige Auf- gaben im Bereich der Hilfen zur Eingliederung und Rehabilitation behinderter Menschen, der Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge. Zur Geschichte Am 1.1.1964 wurde der LandeswohlfahrtsVer- band Baden für die Regierungsbezirke Karls- ruhe und Freiburg und der Landeswohlfahrrs- verband Württemberg-Hohenzollern für die Regierungsbezirke Stuttgart und Tübingen geschaffen. Die Neuregelung der Trägerschaft der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfe war eine Folge des am 1.6.1962 in Kraft getre- tenen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Die- ses Gesetz, das nicht nur die Hilfe zum Le- bensunterhalt neu ordnete und die frühere "Fürsorge" durch "Sozialhilfe" ersetzte, erwei- terte den Kreis der Anspruchberechtigten um geistig und seelisch wesentlich behinderte Menschen mit Rechtsansprüchen auf Einglie- derungshilfe. Die Durchführung der Hilfen wurde örtlichen und überörtlichen Trägern übertragen, die durch Ausführungsgesetze der Bundesländer zu bestimmen waren. Der Landesgesetzgeber in Baden-Würt- temberg stand dabei vor der Frage, ob der überörtliche Träger der Sozialhilfe staatlich oder kommunal organisiert werden sollte. Nach- dem in Bayern, Hessen und Nordrhein-West- falen die überördiche Sozialhilfe bei kom- munalen Trägern angesiedelt war und es mit dem Landesfürsorgeverband Wümemberg auch in Baden-Wümemberg seit 1924 einen kommunalen Träger gab, entschied das Land Baden-Wümemberg sich dafür, die überört- liche Sozialhilfe zwei höheren Kommunalver- bänden, den Landeswohlfahrrsverbänden Ba- den und Württemberg-Hohenzollern zuzu- ordnen. Zuvor waren die Aufgaben des überördi- ehen Wohlfahrtswesens im badischen Lan- desteil bei den Regierungspräsidien Nordba- den und Südbaden als Landesfürsorgeverband angesiedelt. Ebenso die Landesjugendämter. Der neu gebildete Landeswohlfahrtsver- band Baden konstituierte sich in der 1. Sitzung seiner Verbandsversammlung am 23.10.1963 im Rathaus in Karlsruhe. In dieser Sitzung gab der damalige Vertreter der Stadt Karlsruhe, der spätere Oberbürgermeister Otto Dullenkopf, dem neuen Verband folgende Worte mit auf den Weg: "So wollen wir - nicht aufdrängend aber anbietend - etwas von der inneren Tem- peratur von Karlsruhe als Einstand mit auf den Weg geben, es ist das Bemühen, das Sach- liche mit dem Menschlichen zu verbinden, in diesem Falle zum Wohle unseres hilfesuchen- den Nachbarn, aber auch zum Wohle des Lan- deswohlfahrtsverbandes Baden, dem jüngsten Kind in dieser Stadt, zwar in Stuttgart gezeugt, aber in Karlsruhe geboren, und da es in Karls- ruhe aufwachsen wird, wird es ein badisches Kind werden, da es aber ein wohlerzogenes Kind sein wird. wird es seine Eltern ehren." Die Verbandsversarnmiung Mitglieder der Verbandsversammlung, dem obersten Organ, sind Vertreter der Verbands- mitglieder der Land- und Stadtkreise im badi- schen Landestei!. Nach jeder Kommunalwahl wählen die Kreistage bzw. Gemeinderäte pro 100.000 Einwohner einen Vertreter in die Verbandsversammlung. Die derzeitige hat 62 Mitglieder. Sie ist für grundsätzliche Entschei- 187 dungen zuständig, insbesondere für die Über- nahme neuer Aufgaben, die Wahl der leitenden Beamten und rur die Verabschiedung des Haus- halts mit der Festlegung des Hebesatzes rur die Landeswohlfahrtsumlage. Die Verbandsver- sammlung wählt aus ihrer Mitte einen Vorsit- zenden sowie 11 Mitglieder des Verbandsaus- schusses. Zum Vorsitzenden wurde in der er- wähnten konstituierenden Sitzung der damali- ge Karlsruher Landrat Josef Groß gewählt, dem die Landräte Dr. Burkard, Rastatt, Dr. Ger- hard Gamber, Offenburg folgten. Seit 1996 ist der Waldshuter Landrat Dr. Bernhard Wütz Vorsitzender. Leiter der Verwaltung ist der jeweils auf 8 Jahre gewählte Verbandsdirekror. Er ist obers- ter Dienstherr der rd. 600 Bediensteten des Verbandes und führt die Beschlüsse der Ver- bandsgremien durch. Erster Verbandsdirekror von 1964-1976 war Hans Schwörer. Ihm folgte der Verfasser von 1976-2001. Seit 2001 wird der Verband von Dr. Gerhard Vigener geleitet. Die alten und neuen Aufgaben Die verbands politisch bedeurendste Aufgabe ist die Eingliederungshilfe für geistig-, seelisch sowie mehrfachbehinderte Menschen, die der Verband als überörtlicher Träger der Sozialhilfe organisiert und finanziert (Landessozialamt). Seit der Gründung des Verbandes hat die Zahl der behinderten Menschen, die Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, permanent zu- genommen. Von etwa 4.000 im Jahr 1964 auf rd. 14.000 im Jahr 2001. 8.700 behinderte Menschen erhalten vollstationäre Eingliede- rungshilfe in einer Anstalt, einer Heimsonder- schule oder einem Wohnheim, weitere rd. 5.300 altenteilstationäre Hilfen, insbesondere in Werkstätten rur Behinderte. Für diese Hilfen, die überwiegend in Form von Pflegesätzen an die Eintichtungen ge- währt werden, sind im Verbandshaushalt des Jahres 2002 347 Mio. Euro. Das sind 70 % der gesamten Verbandsausgaben! Bei Gründung des Verbandes - wurden lediglich 20 Mio. DM für diese Hilfen ausgegeben. D. h. der Aufwand stieg in 37 Jahren um rd. 3.400%! 1964 war in den Regierungsbezirken Nordbaden und Südbaden gerade der organi- sierte Wiederaulbau der früheren Heil- und Pflegeanstalten auf der Grundlage von Vor- kriegskonzeprionen abgeschlossen. In den über- regionalen Einrichtungen standen insgesamt etwa 1.500 Heimplätze zur Verfügung. Die behinderten Menschen lebten dort in Statio- nen, in denen Schlafsäle mit 10-12 Personen keine Seltenheit waren. Daneben gab es die Kreispflegeanstalten, in die geistige oder kör- perliche Gebrechliche aufgenommen wurden. Die meisten Behinderten lebten allerdings in ihren Familien, und es bestand - aus der Er- fahrung des "Dritten Reiches" heraus - eine große Scheu, sie in die Obhut einer Anstalt zu geben. Geistig Behinderte galten als bildungs- unfähig und besuchten keine Schule. Es gab kaum Behindertenwerkstätten noch Frühbe- ratungen. Das BSHG machte die Eingliederung von behinderten Menschen in die Gesellschaft zu einer öffentlichen Aufgabe. Seitdem ist ein Ilä- chendeckendes Netz von Werkstätten und Wohnheimen für Behinderte errichtet wor- den. Dank der besseren Versorgung und des medizinischen Fortschritts steigt das Durch- schnittsalter der behinderten Menschen stän- dig an und gleicht dem Nichtbehinderter. 2001 wurden die Träger der Sozial- und Ju- gendhilfe in den Kreis der Rehabilitationsträ- ger einbezogen. Dabei wurde die Bedürftig- keitsprüfung, ein Grundsatz der Sozialhilfe, in mehreren Bereichen eingeschränkt. So kann insbesondere auf Unterhaltsverpflichtete nur noch im Rahmen eines einheitlich festgelegten Pauschbetrages zurückgegriffen werden. 188 , ~;~r Bürogebäude des Badischen Landeswohlfahrrsverbandes an der GÜnlher-K1orz.-Anlage. Die Behindertenhilfe hat in der Geschichte des Verbandes eine Entwicklung genommen, die zu Beginn auch nicht annäherungsweise absehbar war. Die Rechtsansprüche und hohe Standards in der Behindertenhilfe dürfen allerdings nicht dazu führen, die Integration behinderter Menschen in Beruf und Gesell- schaft zu vernachlässigen. Der Landeswohl- fahrtsverband Baden hat auf die starke Zunah- me der Behinderten mit einer Reihe eigener konzeptioneller Vorstellungen reagiert. Er wird diese Bemühungen in den nächsten Jahren mit Innovationen verstärkt fortsetzen, um den großen finanziellen Herausforderungen erfolg- reich zu begegnen. Eine Hauptfürsorgestelle gibt es seit 1919. Sie ist 1964 in den neu gegründeten Verband integriert worden. Schwerpunkt der Arbeit der Hauprfürsorgestelle war die Betreuung der vom Krieg besonders betroffenen Menschen, ins- besondere derjenigen, die der besonderen 50n- derfürsorge bedurften. 55 Jahre nach Kriegs- ende ist die Zahl der 50nderfürsorgeberechtig- ten stark zurückgegangen. In den Mittelpunkt der Tätigkeit der Hauptfürsorgestelle ist nun der Personenkreis der schwerbehinderten Ar- beirnehmer gerückt, die Anspruch auf beglei- tende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben sowie auf besonderen Kündigungsschutz haben. An finanziellen Leistungen für Arbeitgeber und schwerbehinderte Arbeitnehmer werden aufgrund von rd. 1.500 Neuanrrägen pro Jahr etwa 25 Mio. DM bewilligt. Im Jahr 1999 wurden 1.500 Kündigungsschutzverfahren durchgeführt. Der Landeswohlfahrrsverband gewährt al- lein für etwa 5.200 Blinde Leistungen nach dem Gesetz über die Landesblindenhilfe. Die ohne Einkommens- und Vermögensprüfung bezahlten pauschalierten Beträge (mo na dich 189 409,03 Euro) dienen dem Ausgleich blind- heitsbedingter MehraufWendungen und Be- nachteiligungen. Die Fallzahlen im Verbands- gebiet sind seit Jahren annähernd unverändert. Der jährliche Zuschussbedarf beträgt rd. 20 Mio. Euro. Eine wesentliche Veränderung der Aufga- benschwerpunkte hat auch beim Landesju- gendamt stattgefunden. Bei Gründung des Verbandes war das Landesjugendamt insbe- sondere für die Gewährung der teueren statio- nären Jugendhilfemaßnahmen zuständig. Ge- setzliche Änderungen haben nicht nur die Formen stationärer Jugendhilfe verändert, sondern den gesamten Bereich dem örtlichen Träger der Jugendhilfe zugeordnet. Schwer- punkt der Tätigkeit des Landesjugendamtes ist heure neben der Aufsicht über Kindertages- stätten und Jugendheime die Entwicklung neuer Formen der Jugendhilfe. Fortbildung und Jugendpflege Ein umfangreiches Fortbildungsprogramm des Landeswohlfahrtsverbandes richtet sich in erster Linie· an Kindergärtnerinnen, Erzieher in Erziehungsheimen, Sozialarbeiter und Sozi- alpädagogen bei den Stadt- und Landkreisen, Verwaltungsfachkräfte in den Sozial- und Ju- gendämtern sowie Angehörige der verschiede- nen Beratungsstellen. Die Veranstaltungen werden schwerpunktmäßig im Bildungszen- trum des Landeswohlfahrtsverbandes Schloss Flehingen angeboten, denn mit der Gründung wurden dem Verband die bis dahin in der Trä- gerschaft des Landes stehenden Jugendheime Schloss Flehingen, Schloss Stutensee und Stift Sunnisheim übertragen. Schloss Flehingen, früher einmal die größ- te badische Fürsorgeerziehungsanstalt, wurde vom Landeswohlfahrtsverband von 1964- 1982 baulich saniert. Im Bildungszentrum, das hier 1984 seinen Beuieb aufnahm, befin- den sich u. a. eine Fachschule für Sozialpäda- gogik- FachrichtungJugend- und Heimerzie- hung - eine Fachschule für Heilpädagogik und eine Fachschule für Heilerziehungshilfe. In den Fachschulen werden Fachkräfte berufs- begleitend aus- und fortgebildet. Darüber hi- naus ist das Bildungszentrum mit den Aus- und Fortbildungsveranstaltungen des Landes- wohlfahrtsverbandes sehr gut ausgelastet. Auch das Landesjugendheim Schloss Stu- tensee wurde baulich saniert. Das Heim be- treut im Augenblick ca. 150 Kinder und J u- gendliehe, davon 34 in vollstationären Wohn- gruppen innerhalb und außerhalb des Heim- geländes und 106 Kinder und Jugendliche in Tagesgruppen im Heimgelände sowie in Karlsruhe, Bruchsal, Friedrichstal und Leo- poldshafen. 1983 wurde in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium Baden-Württemberg das Heinrich-Werzlar-Haus errichtet, ein Angebot an der Nahtstelle zwischen Jugendhilfe und Justiz zur Vermeidung von Untersuchungs- haft. Das Heinrich-Wetzlar-Haus wird zu 90 % von der Justiz in Baden-Württemberg in Anspruch genommen. Zur Zeit leben hier 10 Jugendliche. Das Landesjugendheim Stift Sunnisheim war und ist eine Einrichtung der Jugendhilfe mit dem Schwerpunkt handwerklicher BerufS- ausbildung. Die Palette der angebotenen Be- rufe reicht vom Bäcker und Konditor über Schlosser und Schreiner bis zum Maler und Lackierer. Finanzierung Die Aufgaben des Verbandes werden zu fast drei Viertel (73,5 %) über die von den Ver- bandsmitgliedern aufzubringenden Landes- wohlfahrtsumlage finanziert. Nur 18 % der Einnahmen erhält der Verband als Finanzzu- weisungen vom Land. Das Volumen des Ver- 190 bandshaushalts beträgt 582 Mio. Euro (1.138 Mio. DM) im Jahr 2002. Der erste H aushalts- plan 1964 hatte noch ein Volumen von 64 Mio. DM. Die wachsende Zahl der jährlich neu in die Kostenträgerschaft des Landeswohl- fahrtsverbandes aufZunehmenden Behinder- ten und die damit verbundenen Kosten stellen an den Finanzbedarf des Landeswohlfahrtsver- bandes und seine Mitglieder dann besonders hohe Anforderungen. wenn das Wachstum der Steuerkraft hinter dem Ausgabenanstieg zurückbleibt. Immer. wenn diese Schere aus- einandergeht. gerät der Verband in eine Zer- reißprobe. die bisher jedoch immer durch das Engagement und das Verständnis der Ver- bandsmitglieder für die Situation der Behin- derten überwunden werden konnte. Bei der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist daher ein enger Kontakt zwi- schen den Verantwortlichen des Landeswohl- fahrtsverbandes. seinen Mitgliedern und den Eintichtungen. die die Hilfe durchführen. unerlässlich . Solidarität mit Behinderten muss vor dem Hintergrund einer mehr und mehr betriebswirtschaftlieh denkenden Gesellschaft praktiziert werden und dies nicht in Aufsätzen. Erlassen. Reden und Verfügungen. sondern durch Gespräche mit den Veranrwortlichen in den Heimen und Werkstätten vor Ort. Dabei ist gerade das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder der Verbandsgremien in der Behin- dertenarbeit besonders wichtig, garantiert es doch das Verständnis für die Aufgaben des Landeswohlfahrtsverbandes und seine Ver- wurzelung in der Bevölkerung. Ein einziger Landeswohlfahrtsverband für ganz Baden- Württemberg. der von Zeit zu Zeit immer wieder in die politische Diskussion gebracht wird. kann wegen seiner Größe gerade diese spezielle Funktion nicht effektiv wahrnehmen. Die Erfahrungen des Landeswohlfuhrtsver- bandes Baden seit 1964 zeigen dagegen. dass den Land- und Stadtkreisen im badischen Landesteil eine kommunale Institution zur Verfügung steht. die soziale Aufgaben in ei- nem überschaubaren Bereich mit sozialem En- gagement und finanziellem Veranrwortungs- bewusstsein bürger nah wahrzunehmen. HANS·OTTO WALTER Moritz Ellstätter (1827-1905) Finanzminister im Großherzogtttm Baden Die Markgrafschaft Baden trat in das 19. Jahr- hundert ohne Schulden ein. Aber schon mit dem Erwerb neuer Territorien 1803 und 1806 mussten finanzielle Verpflichtungen von 10 Millionen Gulden (fl) übernommen werden. die nach der Teilnahme an den Napoleoni- schen Kriegen schließlich auf 27.5 Millionen wuchsen. Nach intensiver Sparpolitik waren es 1838 nur noch 14.5 Mio fl. 191 Doch die Revolution 1848/49 riss wieder ein großes Finanzloch auf. das 1849 mit 39 Mio berechnet wurde. Bis 1865 schaffte man einen Stand von 26.5 Mio; aber dann kam der Deutsche Krieg mit den allgemeinen Kriegs- kosten und 6 Mio fl Kriegsentschädigung an Preußen. so dass der Schuldenberg nun 36 Mio betrug und wiederum Anleihen aufge- nommen werden mussten wie 1850. Die wirtschaftliche Entwicklung verlief unterschiedlich: einerseits brachten Missern- ten den Bauern Hunger und Not und riefen nicht zuletzt Auswanderungswellen hervor, andererseits hatte die industrielle Entwicklung in Baden früh Fuß gefasst. Allein die Rheinre- gulierung ermöglichte bald einen Dampf- schifffahrtsverkehr, und das Eisenbahnnetz wuchs rasch um die Nord-Süd-Achse, so dass Industriewerke an vielen Orten entstanden. Dennoch war die Lage Badens nach dem ver- lorenen Krieg 1866 misslich, als Großherzog Friedrich l. einen "Kleindeutschen", Karl Mathy, der lange Jahre für die Einigung Deutschlands unrer preußischer Führung ge- kämpfr hatte, zum Staatsminister und zugleich zum Präsidenten des Finanzministeriums er- nannte. Mathy stellte zum I. August Moritz Ellstätter als Rechtsreferent ein, der zunächst in Berlin wegen der Staatsanleihen verhandeln sollte. EHsrätters Werdegang Ellstätter, am 11. März 1827 als Sohn eines Möbelhändlers israelitischen Glaubens in Karlsruhe geboren, hatte nach Lyceumsbesuch Jura studiert und den Rechtsanwaltsberuf er- strebt, in dem Juden seit 1838 hinlänglichen Zugang fanden. Mehrfache Anttäge auf Zulas- sung waren aber dennoch geschei tert. Zunächst im Finanzministerium angestellt, wandte er sich 1856 der Wirtschaft zu, und aufEmpfeh- lung bei dem bedeutenden Kaufmann und Politiker David Hansemann in Berlin wurde er schließlich Syndikus bei der Direktion der 1851 gegründeten Diskontogesellschaft. "Die- se Wandlung meines Lebenslaufes", heißt es in seinen biographischen Notizen, "war für mich nach allen Richtungen entscheidend. Nicht nur, dass mir meine neue Berufstätigkeit wert- volle Einblicke in die große Verkehrsbewe- gung gestattete, dass der Aufenthalt in Berlin dem Süddeutschen neue Gesichtspunkte er- öffnete, Vorurteile zerstreute, und ihm Macht und Bedeutung des preußischen Staates vor Augen treten ließ." In dieser Gesellschaft lern- te er auch Karl Mathy kennen, der ihm Kon- takte zu profilierten Persönlichkeiten vermit- telte. Auch wenn die Berliner Atmosphäre Ell- stätter zusagte, in der er sich später als Kunst- freund und Theaterliebhaber so wohl fühlen sollte, strebte er 1859 nach Durlach, wo er endlich eine Niederlassung als Rechtsanwalt genehmigt bekam, später dann in Karlsruhe, wobei dort seine kleine Praxis freilich nicht weiter wuchs. Drum nahm er die Chance wahr, in den Staatsdienst aufgenommen zu werden. erst als Assessor, 1864 als Kreisgerichtsrat in Mann- heim. Zwei Jahre später begann mit dem Sprung in Mathys Finanzministerium eine Karriere, die für einen Badener israelitischer Religion ungewöhnlich war. Seine und Ma- thys Kontakte zur Diskontogesellschaft er- leichterten alsbald den Anleiheabschluss mit norddeutschen Geldgebern. Neue Finanznöte Diese Darlehen von 5 Mio fl reichten jedoch nicht, da zudem die Einverleibung der badi- schen Armee in das preußische Heer als Ein- trittsvorbereitung in den Norddeutschen Bund den Staatshaushalt aufs neue belastete. Alle indirekten und direkten Abgaben mussten deshalb erhöht werden. Mitten in dieser Bewältigung großer Pro- bleme starb 1868 Karl Mathy. Der Großher- zog betraute den bisherigen Leiter des Innen- ministeriums Julius Jolly, ein kleindeutscher Liberaler wie Mathy, mit dem Staatsministeri- um. Zum Präsidenten des FinanzministeriuffiS ernannte er auf Wunsch Jollys, wohl auch des verstorbenen Mathy, den 41-jährigen Moritz EIlsrätter. "Diese Ernennung", schrieb dessen 192 Sohn Otto Ellstätter ... versetzte die gesamte Beamtenwelt in das größte Erstaunen. ja man kann sagen, in eine gewisse Bestürzung. teil- weise Entrüstung. Schon die Berufung eines Juristen zum Leiter des Finanzwesens wurde von der kameralistischen Beamtenschaft als schwere Kränkung empfunden. zumal der Be- rufene erst so kurz (1 \h Jahre) dem Finanzmi- nisrerium angehörte, also kaum in der Lage sein konnte, sich dabei besondere Kenntnisse im Finanzwesen zu erwerben. Er war der jüngste aller Ministerialräte. dazu Jude! ... Die Hofchargen standen Kopf. die älteren Minis- terialräte und Direktoren desgleichen.« So war Elstätters neue Aufgabe einer mehrfachen Be- lastung ausgesetzt. die er dann aber in 26 Jah- ren bewältigte. Erste Anfänge Zunächst versuchte er das mühselige Werk der Neueinschätzung von Grundstücken. Wal- dungen und Gebäuden im Land. seit 1858 gesetzlich vorgeschrieben. zu Ende zu führen. um eine entsprechende Grundsteuer zu ge- währleisten. aber auch um Gerechtigkeit bei der Veranlagung zu erreichen. Neue Lasten beim Kriegsausbruch 1870 erzwangen neue Kredite von 14 Mio fl. Der Anteil Badens an den französischen 5 Milliarden Kriegsentschä- digung 1871 konnten freilich bis 1873 die Staatsschulden auf 29 Mio senken. nun in Mark gerechnet (1 fl= 1.71 Mark). Unter die- se Schulden fielen auch die Darlehen für den Eisenbahnbau. der eine wichtige Komponente der Industrialisierung blieb. Eine eigene Eisen- bahnschuldentilgungskasse war schon 1842 eingerichtet worden. Bei intensiver Konzentration der Behör- denorganisation konnte zugleich eine Verbes- serung der Beamten- und Angestelltengehälter durchgeführt werden. Wenn auch der warme Geldregen von 1871 nach dem Sieg über Frankreich dem badischen Staarshaushalr half. so waren nun Matrikularbeiträge fällig. Darun- ter verstand man den bundesstaatlichen Fi- nanzausgleich der Gliedstaaten zum Zentral- staat. Das neue Deursche Reich verfügte ja nur über Verbrauchssteuern und Zölle. brauchte also zur Ausgabendeckung zusärzliche Leis- tungen der Bundesstaaten. die jährlich nach der Bevölkerungszahl umgelegt wurden. Neue Steuerreformen Ellstätter sah seine wichtigste Aufgabe in einer Verbesserung des bisherigen badischen Steuer- systems. das bei den direkten Steuern gerech- ter aber auch erträglicher werden sollte. In ei- ner Reformkommission mit Finanzfachleuten beriet er verschiedene Möglichkeiten. 1874 wurde das Gesetz der Kapitalrentensteuer er- lassen. was wir heute Quellensteuer auf Zins- erwerb nennen. Der erste Entwurf für eine Einkommensteuer scheiterte. da deren Gegner 193 in vielen Fällen eine mehrfache Steuerbelas- tung fürchteten. ElIstätter erreichte dagegen 1876 ein Erwerbsteuergesetz, wobei anstelle der bisherigen Gewerbesteuer das Betriebska- pital sowie der voraussichtliche mirtlere Jahres- errrag nicht nur geschätzt, sondern durch eige- ne Steuererklärungen der Unternehmer dekla- riere werden musste. Das wurde von diesen nur unter lauten Protesten durchgeführt, zu- mal Schuldzinsen nicht abgesetzt werden durf- ten. Das Gesetz bereitete den Boden für einen neuen Anlauf zur allgemeinen Einkommen- steuer, nun nicht mehr als Zusatz-, sondern als Ausgleichssteuer. Bei der Erwerbsteuer sollte in Zukunft das Einkommen aus dem Arbeits- verdienst in der Berufstätigkeit freibleiben. Dieses Einkommensteuergesetz vom 1.1.1886, das in Zukunft die Hauptsteuereinnahme dar- stellte, war ein bedeutsamer Forrschritt. Bei steuerfreiem Existenzminimum von 500, spä- ter 900 Mark pro Jahr wurde nun jedes Ein- kommen erfasst, bei mäßiger Belastung der kleineren und mitderen und einer Progression der höheren Einkommen. Mit beträchtlichen Mitteln hatte man Be- amte als Steuerkommissäre ausgebildet, die bei der Bevölkerung die Überzeugung verbreite- ten, dass bei der Steuerveranlagung geset- zestreu, ohne Willkür oder Begünstigung ver- fahren werde. Steuerfrei waren nur die Zivillis- te des Großherzogs und die Apanagen, also die Einkünfte der Mitglieder des Fürstenhauses, vom Parlament jeweils bewilligt. Die Steuer- pflichtigen zahlten bei einem Jahreseinkom- men von 900 M 0,61 %, bei 3.000 M 2 % bei 25.000 M 4 %. Die Progression endete bei 100.000 M mit 5 %, insgesamt also eine mä- ßige Besteuerung. Auch die Verbrauchssteuer enrwickelte Ell- stätter weiter. 1882 wurden z. B. die zahlreichen Verordnungsvorschrifren in einem Weinsreu- ergesetz zusammengefasst, wobei der "Haus- trunk" unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei blieb. Die Branntweinsteuer war im badischen Winzerland von geringerer Bedeu- tung. Doch seit 1875 versprach sich Ellstätter, gleichzeitig Bundesratsbevollmächtigter in Berlin, von der nord- und mitteldeutschen Branntweinsteuer, die ins Reich übernommen worden war, eine Erhöhung der Staarseinnah- men. Da die Südstaaten die Besteuerung von Brannrwein und Bier landes gesetzlich regel- ten, mussten sie höhere Matrikularbeiträge zahlen. In zwei Unterredungen mit Bismarck rang Ellstätter um einen Kompromiss, der frei- lich am preußischen Finanzminister Camp- hausen scheiterte, mit dem Bismarck keinen Streit anzetteln wollte. 1887 traten die süd- deutschen Staaten schließlich ohne Konzessi- onen der Reichsbranntweinsteuergemein- schaft bei . Ellstätters Initiativen zeigten aber an diesem Beispiel und auch bei anderen Maßnahmen, wie zukunftsträchtig seine fi- nanzpolitischen Perspektiven waren: stärkere Verteilung der Steuerlasten auf die wachsende städtische Wirtschaft und einkommenstärke- re Personen zugunsten des Mittelstandes und der Minderbemittelten. Eine Vermögenssteuer konnte erst sein Nachfolger Adolf Buchberg- er 1895 einführen. "Zwischen Anpassung und Selbstpreisgabe" Bis 1893 diente Ellstätter seinem Altersgenos- sen Friedrich I. Als 1876 Jolly zurücktrat und Ludwig Turban als Staarsminister dessen Amt übernahm, behielt Ellstätter seinen Wirkungs- bereich. 1881 wurde die Zahl der badischen Ministerien von fünf auf drei zurückgeführt, wobei nun dem Finanzministerium das Eisen p bahnwesen zugewiesen wurde, dem sich Ell- stätter mit großen Eifer, aber auch mit Spar- samkeit annahm. An die Spitze dieser Abtei- lung berief er hochqualifizierte Beamte wie Wilhe1m EisenIohr, für die Hochbauverwal- 194 tung den Architekten Josef Durm. Mit der Er- richtung einer Oberrechnungskammer 1876 wurde eine sachgemäße Kontrolle über die Verwaltung des Staatsvermögens gesichert. Vor allem im Bundesrat wie bei den Kon- ferenzen der Finanzminister wusste EIIstätter Badens Interessen zu vertreten, war doch mit der Reichsgründung eine große Zahl neuer Gesetze verbunden. 1888 zeichnere der Groß- herzog den bisherigen Präsidenren ob seiner Verdienste mit dem Titel "Finanzministcr" aus; erst 1908 wurden die Ressortleiter so- gleich zu Ministern ernannt. Zeitgenössische Biographen Friedrichs l. betonten, dass unter ihm Ellstätter "als der erste Israelit in so hoher Sraatsstellung" wirkte, trotz der Widerstände bei seiner Einsetzung in bei den Kammern, der einzige in den Bundesstaaten bis 1918. Anti- semitismus lag Friedrich l. fern, sowohl aus humanitären wie aus politischen Gründen, war doch der Prozess der rechtlichen Gleich- stellung der Juden durch ein Gesetz 1862 ab- geschlossen worden. Wenn er auch zu Ellstät- ter keine persönlichen Beziehungen pflegte, rühmte er bei jeder Gelegenheit dessen über- ragende Fähigkeiten. Ellstätter selbst sorgte dafür, "dass seine jüdische Konfession den Zeitgenossen nicht zum Problem werden konnte". Er galt als Fachmann, der sich als Politiker nicht enga- gierte, wie wohl nationalliberal gesonnen und wirtschaftlich dem Manchesterliberalismus, also der freien Marktwirtschaft zugehörig, ein Patriot und Monarchist, Bismarck-Verehrer und doch auch sein Kritiker. Wie weit er sich dem dominierenden Gesellschaftsstil, beson- ders im wilhelminischen Berlin anpasste, bleibt offen. Klar ist seine Ablehnung des "Ostjudentums", und den grassiereriden Ju- denhass interpretierte er als Folge jüdischen Fehlverhaltens. Wenngleich er am Leben der jüdischen Gemeinde nicht direkt teilgenom- men hat, hielt er jedoch Kontakt zu zahlrei- ehen jüdischen Politikern und Kaufleuten, sein Freundeskreis war weitgehend jüdisch, er war mit einer Jüdin verheiratet. 1893 ging er 76-jährig mit hohen Aus- zeichnungen versehen in den Ruhestand. Ab- gesehen von der Eisenbahnschuld hinterließ er einen ausgeglichenen Staatshaushalt, ja mit einem finanziellen Polster für Notzeiten verse- hen. Der ambitionierte Kunstfreund, voll ins deutsche Kulturleben integriert, zog sich ins Private seiner intakten Familie zurück. Erst anlässlieh seines Todes im Juni 1905 las man wieder von ihm in den Nachrufen. so in der quasi offiziösen "Karlsruher Zeitung", wo es hieß, er habe nie aufgehört, "sich als Jude zu fühlen und sein Interesse für seine leidenden Glaubensbrüder an den Tag zu legen. Und wenn auch die Interessen seiner Glaubensge- meinschaft durch seinen Einfluß in hoher amtlicher Stellung niemals eine unmittelbare Förderung erfahren haben, so war doch schon der Umstand, dass ein Jude, der nie aufgehört hatte, ein Jude zu sein, von unserem Landes- fürsten mit einem der höchsten Staatsämter betraut wurde, für uns von erhebender Wir- kung". LEON HARD MÜLLER 195 Spitzel am Oberrhein Vom Demmziationswesen in Baden im 18. Jahrhundert Denunziation - wer denkt da nicht an totali- täre Staaten, an die Sowjetunion, das national- sozialistische Deutschland, die DDR und an- dere Regime, wo sogar Ehepartner einander und Kinder ihre Eltern anzeigten, ideologisch besessen, der Herrschaft verfallen. Doch De- nunziation ist nichts Neues. Schon das Wort, abgeleitet vom Lateinischen "denuntiare" = "ankündigen, anzeigen" weist auf den Ur- sprung in der Antike hin. Im Sizilien des Stau- ferkönigs Friedrich 11. oder in der "Repub- lique Venedig" konnte man Zettel "in gewis- se marmorne Lächer u werfen, und in Verona waren die Anzeigenkästen in die Mauern der Renaissance-Rathäuser eingebaut. Anzeigen, Rügen, diese deutschen Begriffe klingen schon anders, spiegeln etwas von Bür- gerbeteiligung am Gemeinwesen wider, und so muss man auch das . Spirzelwesen in der Markgrafschaft Baden im 18. Jahrhundert be- urteilen. Historiker haben sich in jüngster Zeit damit intensiv beschäftigt. 1995 förderte die Volks- wagenstifrung ein erstes Forschungsprojekt 115pirzelwesen und Denunziacionspraxis am Oberrhein. Eine Analyse von Machttechniken innerhalb des Entwicklungsprozesses moder- ner Staatlichkeiten an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert", deren sehr verdienst- volle Ergebnisse sowie Beiträge zu einer ent- sprechenden Tagung von Michaela Hohkamp und Claudia Ulbrich unter dem Titel "Der Staatsbürger als Spitzel" 2001 veröffentlicht wurden. Vagantenwesen Doch zur Erinnerung: Die öffentliche Sicher- heit war am Oberrhein schon im 16. Jahrhun- dert stark zurückgegangen. Zu vagierenden Bettlern, Gauklern, wandernden Handwerks- burschen, entlaufenen Klosterleuten und manch anderen, die keinen geregelten Lebens- unterhalt fanden, gesellten sich nach dem drei- ßigjährigen Krieg die Heimatentwurzelten und entlassenen Soldaten. Die einzelnen Lan- desfürsren versuchten mit verschiedenen Mit- teln, dem Vagantenturn zu wehren. In der Markgrafschaft Baden-Baden wurde 1763 ein besonderes Husarenkorps aufgestellt. In Ba- den-Durlach entschloss man sich neben dem lang verzögerten, "Mandat der Errichtung ei- ner Policeydeputation in der Residenz Karls- ruhe betreffend" (1787) zum Ausbau des Bür- gerdienstes. Diesen Aspekten gilt in der obigen Aufsatzsammlung der anregende Beitrag von Andre H ohnstein "Normen und andere Prak- tiken der Anzeige in der Markgrafschaft Ba- den-Durlach in der zweiten H älfte des 18. Jahrhunderts". Da es auf dem Lande kaum professionelle Polizei kräfte gab, war in den Dörfern die Anzeige von Rechtsverletzungen und Gesetzesübertretungen für eine Strafver- folgung unabdingbar, ja für jeden Amtsträger wurde eine "Rügepflicht" festgeschrieben. Aber auch die Untertanen hatten im Zeitalter des Absolutismus "alle und jede ruegbare Sachen/ es seyen Gotteslästerungen / Verachtung oder Versaumung Göttlichen Worts und deß Got- tesdienstes / Friedbruch / Todschlag/ Zauberey und Hurerey/Ehebruch / Diebstahl! übermäs- siges Zutrinken und Spiehlen / und ins gemein alle andere verbottene Laster und Mißhand- 196 lungen" sowie anderes mehr anzuzeigen, so in der Vogt- und Rügegerichtsordnung, die von 1665 bis 1767 galt. GeseUschaftliche Ordnung 1767 redigiert, galt nun der "Rügezettel" nicht mehr allein der StrafVerfolgung, sondern er be- zog sich auch auf die wirtSchaftliche und sozi- ale Entwicklung der Dörfer. Die Funktionsträ- ger (Hatschiere, Husaren, Zollbereiter, Feld- stützler, Kirchenrüger) wurden in der dörf- lichen Gemeinschaft offen mit Anzeigenaufga- ben betraut und lebten dementsprechend zu- weilen im Zwiespalt zwischen Solidarität zu den Mitbürgern und der Strafandrohung mehrjäh- riger Zuchthausstrafen, wenn sie Übertretun- gen verschwiegen. So konnte z. B. ein "Kir- chenrüger", der "selten oder wohl im ganzen Jahr gar nichts [seinem Pfarrer] hinterbringt" und sich so "fremder Sünden theilhali:ig" macht, bei "mehrjähriger fortgesetzter Schläfrigkeit" zumindest seine Funktion verlieren, denn man muss wissen: In der Verwaltungshierarchie stand über den Orrsvorgeserzten, Amt, Ober- amt die Zentralbehörde der markgräflichen Verwaltung, und hier entschied neben Hofrat und Hofgericht auch der Kirchenrat, so dass die Pfarrer der protestantischen Kirche in den Verwaltungsaufbau einbezogen waren. Die niedere Gerichtsbarkeit, badische Vogr- und Rügegerichte oder Frevelgerichte, wusste freilich bei Straf- und Zivilklagen zu unter- scheiden, ja auch falsche Anzeigen aus Neid oder Habsucht wurden bestraft. Und oft war man großzügig! So beschwerte sich 1754 Pfar- rer Posselt über das Teninger Frevelgericht, dass dies Dorf "fast keine Schande mehr und größtenteils für eine lächerliche Bosheit" hiel- te, wenn "ledige Männer nachts zu den Mäg- den und ledigen Frauen einstiegen", so dass es das Oberamt ersuchte, mit der Androhung har- ter Strafen der Gemeinde Maßstäbe zu serzen. Mehrfach gerieten die Pfarrer in Rollen- konflikte, wenn sie einerseits als ,,Aufseher in Policeysachen", andererseits als Seelsorger am- ten sollten, weilllRügungen öfters einen wid- rigen Einfluß auf das Zutrauen macht, wel- ches die Zuhörer zu ihrem Seelsorger haben soUten." So war genau vorgeschrieben, wie vie- le Gäste bei Hochzeiten und "Tauf essen" ein- geladen werden konnten, um Luxus zu ver- meiden, der den Veranstalter zum finanziellen Ruin führen könnte. Da "denunciret" 1757 der Pfarrer von Friedrichstal (Oberamt Karls- ruhe) den Richter Isaac Calmez wegen Über- zahl von Gästen bei der Hochzeit seiner Toch- ter, und 1759 geschah gleiches beim Durla- cher Obermüller Rhott. Der Territorialstaat im ancien regime wur- de von strikten Ordungsvorstellungen be- stimmt, die die Bevölkerung - noch - bejah- te. Die Rügepflicht verhinderte das Ausweiten eines heimlichen Spitzel wesens, denn in der Praxis unterschied man genau so wie heute zwischen einer notwendigen Anzeige und ei- ner negativen "Denunziation". Je differenzier- ter eine Dorfgemeinschaft wurde und je öfter damit Konflikte auftraten, um so mehr wurde gerügt, wobei sich der Rügende nicht, wie spä- ter, wegen möglicher politischer Motive zu rechtfertigen hatte, denn in der Markgraf- schaft Baden wie anderswo kannte man einen fundamentalen Systemwechsel noch nicht. Jahrhundertwende Das trat erst Jahrzehnte später ein. Diedind Hüchtker berichtet in ihrem Forschungsbe- richt über "Das Räubergesindel und die Unru- hen in der Zeit der Französischen Revolution. Die Bedeutung von Anzeigen, Gerüchten und regelmäßigen Berichten für die Kommunika- tionspraxis der badischen Verwaltung am Ende des 18. JahrhundertS". 197 Ocr Roman von Goedles Schwager Christian Vulpi us über den Räuberhauptmann Rinaldini wurde ab 1779 ein Publ iku mserfolg. Am Oberrhein mehrten sich um diese Zeit Berichte über Räuberbanden, die wohl auf- grund von Hungerkrisen und Revolutions- kriegen entstanden waren. Die wachsende Pu- blizistik einer französischen Brigantenliteratur oder deutscher Räuberromantik sorgte für den Bekanntheitsgrad, und nicht zuletzt spielt Friedrich Schillers Jugendwerk in diesem Mi- lieu. Es waren z. T. kleine, kurzlebige Banden, die Überfälle auf Landstraßen unternahmen, aber auch größere wie die des bekannten Schinderhannes in den Rheinlanden, der schließlich 1803 hingerichtet wurde. Der Markgrafkonnte über dieses Banden- wesen nicht anders als über Anzeigen infor- miert werden, wobei das Gerücht eine große Rolle spielte, denn deren Allgemeinheit schütz- re einzelne Informanten vor Rachedrohungen der Räuber. Die Gerüchte wurden von den Ämtern noriert und weitergeleitet, damit man mit diesen Berichten seine Pflichterfüllung dokumentieren konnte, aber unbeachtet gelas- sen, wenn nichts Spekrakuläres auftrar. "Knapp und formal" wurden selbsr die vierteljährli- chen Berichre über die Bettelbekämpfung ge- halren. Auch hier musste sich 1769 ein Pfarrer beklagen, wie lax das Oberamt sich dabei ver- halte. Emigranten Unruhen ganz anderer Art zeichneten sich mit der Französischen Revolution ab, so "Missver- gnügungen" über Abgaberegelungen, Unzu- friedenheit über die Stationierung französi- scher konterrevolutionärer Truppen und das Wirken deutscher Jakobiner. Die badische Regierung reagierte verhalten, denn Markgraf Kar! Friedrich befürwortete als besorgrer Nachbar Frankreichs weder die Revolution noch schloss er sich Gegnern wie Preußen und Österreich an. Jedenfalls wurden in den Ober- ämtern einzelne Truppenteile stationiert, um Unruhen rasch erliegen zu lassen. Mit dem rapiden Einströmen der Emigranten schwol- len auch die Anzeigen an. Im Unterschied zu den Gerüchten über Räuberbanden waren diese Informationen präziser, und man be- kannte sich namentlich in Anzeigen über mögliche "Spione". Dabei zeigte sich in dieser "Sattelzeit" der Periode der "Umbrüche" Mehrfaches: zum einen die Abneigung gegen- über dem "fremden liederlichen Gesindel", ob Ausländer oder deutsche Vaganten, und man qualifizierte sich als "rechtschaffener Bürger" bei erhöhter Gefahrenwahrnehmung, nicht zuletzt in Sorge um das Eigentum. Zum ande- ren betonte der Anzeiger sein Vertrauen zur 198 Obrigkeit, die seine Denunziationen von der Verwaltungshierarchie auch entsprechend auf- nahm. um ihrerseits patriachalisches Vertrau- ensverhältnis zu betonen. Freilich gab es in der badischen Beamtenschaft nicht nur Revoluti- onsgegner, sondern auch Sympathisanten, die Revolutionäre nicht als "Gesindel" einstuften, andererseits gegen umherziehende Soldaten, vor allem Deserteure der französischen Revolutionsarmee, vorgehen mussten, die sich von Räuberbanden wenig unterschieden. Zuweilen nahmen Büger auf- grund von Anzeigen eine "Generalstreife" selbst in die Hand, um eine Gegend sicherer zu machen. So berichtete der Oberamtsmann Posselt von Pforzheim1793 dem Markgrafen: "Wir bemerken dahiebei, dass von der hiesi- gen Bürgerschaft, welche sich doch sonst nicht gerne zu dergleichen Streifen brauchen lassen, zu Bezeugung ihres guten Willens bei dieser Gelegenheit ein Drittel mehr als durch den Stadthauptmann aufgeboten worden, solche freiwillig mitgemacht." Die Zeiten waren un- ruhiger geworden. Viele trauten den Kontroll- instanzen nicht mehr den nötigen Eingriff zu, weil Rebellion und Vagantenturn sich zu ver- schmelzen schienen. Auf der Ebene des Adels zeigte sich der Karlsruher Hof sehr offen ge- genüber den emigrierten französischen 5tan- desgenossen. In den "Betrachtungen eines Ob- erbeamten am Rhein über französische Emig- ranten" von 1798 wurden aber "Fremde aus irgendeinem revolutionären Lande" mit Vaga- bunden gleichgestellt, weil sie die soziale Ord- nung störten. Ergebnisse Insgesamt blieben die Verwalrungssrrukturen der Markgrafschaft Baden ungebrochen. Die Berichre der Oberämter spiegeln ein klares Verhältnis der Kommunikationsformen zwi- schen Untertanen und Behörde. Gerade die anonymen Berichte ermöglichten oft ausge- dehnte Kontrollen kleinerer Gebiete, wo es Not tat. Die Anzeigen der berichrspflichtigen Funktionsträger wurden freilich nicht mehr als eine besondere Kooperation gewertet, weil sie alltäglich geworden waren und auch nicht immer beachtenswert. Man konnte sicher sein, dass die Bevölkerung "unabhängig da- von, ob und wann sie kooperierte, in die ob- rigkeitlichen Instanzen selbstverständlich ein- gebunden war." Spitzel, Denunzianten und Anzeiger sorgten aber dafür, dass entsprechen- de Berichte der einflussreichen Oberamtmän- ner erstellt werden konnten, aufgrund deren Ordnung geschaffen wurde und das Handeln der Verwaltung vor allem gesetzmäßig er- schien. Der Konflikt zwischen der Bürgerpflicht des Anzeigens und der Bürgertugend des Nichtanzeigens erhielt erst im 19. Jahrhundert neue politische Dimensionen. LEONHARD MÜLLER 199 Karlsruhe und earl Benz Kar! Friedrich Michael Vaillant - so der Ein- trag im Kirchenbuch - wurde am 25. Novem- ber 1844 als Sohn der Johanna Vaillant aus Landstuhl in Mühlburg geboren. In einem Ehevertrag vom 31. Oktober 1845. erkannte der in Pfaffenrodt geborene Lokomotivführer Johann Georg Benz ihn knapp ein Jahr später als seinen Sohn an. Da Carl Benz seinen Vor- namen später selbst mit "C" schrieb, hat sich diese Schreibweise heute weitgehend durchge- setzt. Ausbildung in KarIsruhe Bald zog die Familie Benz in die benachbarte Residenzstadt Carlsruhe, zunächst in die Stra- ße "vor dem RüppurrerTor", dann in die Kro- nenstraße. Nach dem Willen seiner Mutter, die nach dem frühen Tod des Vaters im Jahr 1846 als Folge einer Berufserktankung den Le- bensunterhalt der Famiiie verdienen musste, sollte Carl Benz Beamter werden und besuchte deshalb das Karlsruher Gymnasium. Dort wa- ren Physik und Chemie seine Lieblingsfächer. Darübet hinaus bewies er handwerkliches Ge- schick, fotografierte und eignete sich mecha- nische Kenntnisse an. Mit 17 Jahren besuch- te er das Polytechnikum mit dem Berufsziel Ingenieur. Über die wissenschaftliche Arbeit hinaus ließ er eine große Neigung zur prakti- schen Atbeit erkennen, die ihn oft an die Werkbank führte. Bei der traditionsreichen Maschinenbauge- sellschaft Karlsruhe in der Südweststadt fand er nach dem Studium die erste Anstellung. Die 1836 von Emil Keßler und Theodor Mar- tiensen gegründete Firma hatte im Januar 1843 die erste badische Lokomotive, die "Ba- denia" ausgeliefert. Als Carl Benz am 1. Au- gust 1864 seine Tätigkeit in der größten KarIs- ruher Fabrik begann, hieß diese seit 1852 schon Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe. Nur ein Landeskredit hatte die in Konkurs gegangene Maschinenfabrik Keßler und Mar- tiensen gerettet, die als Aktiengesellschaft mit neuem Namen weitergefährt wurde. Hiet stand Benz von 1864 bis 1867 "als Arbeiter an Schraubstock und Drehbank" um noch ein- mal "ganz unten bei den Grundlagen anzufan- gen. (I Später erinnerte er sich: .. Der Dienst war hart, Sommer wie Winter von morgens 6 bis abends 7 Uhr, nur mit einer Stunde Mittags- pause. Hier lernte ich, wenn ich zwölf Stunden lang im Halbdunkel der damals noch mangel- haft beleuchteten Fabtiktäume gebohrt und ge- feilt hatte, dass Wort 'Lehrjahre sind keine Her- renjahre' von seiner strengsten Seite kennen." Mit dem Ende seiner Tätigkeit bei der Ma- schinenbaugesellschaft verließ Benz die Stadt. Werkstatt in Mannheim 1871 gründete er mit dem Mechaniker August Ritter die erste eigene mechanische Werkstätte "Karl Benz und August Ritter" in Mannheim, die er im folgenden Jahr allein übernahm. Die darauffolgenden Jahre schwerer wirtschaftli- cher Krisen, die als "Große Depression" in die Geschichte eingingen, brachten ihn an den Rand des Ruins. 1878 begann er mit der Ar- beit an einem Zweitakt-Gasmotor, der für den Konstrukteur der Beginn der industriellen Tä- tigkeit war, wenngleich er die 1882 mit Part- nern gegründete "Gasmotorenfabrik in Mann- heim" schon nach wenigen Monaten wieder verließ. 1883 gründete er, wiederum mit Part- nern, die offene Handelsgesellschaft "Benz und Cie., Rheinische Gasmotorenfabrik" . Mit 200 dem Benz-Patentwagen von 1886, einem Dreiradwagen, gelang ihm die Konstruktion, die ihn zu den bahnbrechenden Erfindern der Automobilrechnik gehören lässt. Ab 1893 rückte die Firma Benz an die Spirze der inter- nationalen Automobilindusrrie. 1899 waren insgesamt 2.000 Fahrzeuge ausgeliefert, da- runter mit Sicherheit auch schon nach Karls- ruhe. Wann das erste Benz-Automobil nach Karlsruhe geliefert worden ist, kann man mit Sicherheit aber nicht sagen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass es ein am 17. Oktober 1895 ausgeliefertes "Velo" war. Im Daimler- Chrysler-Archiv in Sturrgart sind die ersten Seiten des Buches, in dem die ausgelieferten Benz·Automobile verzeichnet sind, nicht er- halten, so dass man nicht weiß, ob der dort unter der Nummer 245 aufgeführte Velo tat- sächlich auch der ersre nach Karlsruhe geliefer- te Benz ist. Die ersten "Velos" Als das "Velo" 1894 das erste Mal gebaut wur- de, war es der erste Kleinwagen der Welt, von dem man mehr als 1.200 Einheiten verkaufte. Dieses erste Serienautomobil der Welt wog 280 kg, hatte 1,5 PS bei einem Hubraum von 1045 ccm. Mit dem Erfolg des Mercedes- Modells der Firma Daimler in den Autoren- nen von Nizza im Frühjahr 1901 erlebte die Firma Benz, wie die gesamte Automobilindus- trie, einen schweren Einbruch. Dies und seine Abneigung gegen den allgemeinen Trend zur Geschwindigkeit führten 1903 zum Ausschei- den des Konstrukteurs aus seiner Firma, deren Aufsichtsrat er jedoch ab 1904 wieder ange- hörte. Er verlegte seinen Wohnsitz nach La- denburg am Neckar, wo er bald darauf wie- derum eine kleine Fabrik zur Herstellung von Kraftwagen und Motoren ins Leben rief. Eines der wichtigsten Ereignisse im Leben des Carl Benz war wohl die Fusion der Pionierfirmen earl Bcnz in jungen Jahren, vermutlich /loch in seiner Karlsruher Zeit. Daimler und Benz im Jahre 1926 zur Daim- ler-Benz AG. Durch den Zusammenschluss der Stammfirmen und ihrer zahlreichen Wer- ke und Verkaufsorganisationen gelang es, auch die folgenden schweren Wirtschaftskrisen zu überstehen. Am 4. April 1929 starb Carl Benz in Ladenburg. Carl Benz gelangen seine Erfin- dungen zwar nicht in Mühlburg oder Karlsru- he. Sein Name blieb und bleibt aber mir der Stadt verbunden, in der er geboren wurde. Anerkennung und Ehrungen Bis 1924, als er 80 Jahre alt wurde, gab es kei- ne nachweislichen offiziellen Kontakte der Stadt Karlsruhe zu Carl Benz. Am 27. Novem- 201 Eines der ersten, wenn nicht das erste nach Karlsruhe gelieferte ßenz-Auwmobil war ein solches "Velo". earl Benz und Familie im Fabrikhof der Firma Benz & Cie in Mannheim, 1894. Von links nach rechts Sohn Richard. die Töcluer Thilde und Ellen, Ca rl Benz, Toch[cr Clara, Sohn Eugen. ber gratulierte Oberbürgermeister Julius Fin- ter dem seit 1914 mit der Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Karlsruhe geehr- ten Automobilpionier nachträglich zum 80. Geburtstag. "Ihre Vaterstadt freut sich mit Ih- nen, dass es Ihnen vergönnt war, das Werk Ihres Erfindergeistes zu so gewaltiger Größe und Bedeutung ausgereift zu sehen .... Die ba- dische Landeshauptstadt nennt sie mit Stolz Ihren Sohn". Damit war der Kontakt hergestellt, es folg- ten weitere jährliche Geburtstagsglückwün- sche. earl Benz bedankte sich am 4. Dezem- ber 1926 für die Glückwünsche der Stadt zu seinem 83. Geburtstag. "Wie sehr ich zeit- lebens mit allen Herzensfasern an jener Stadt hing, in der ich Kindheit und Jugend verleb- te, wo ich die Volksschule und das Gymnasi- um besuchte und in vierjahrigem Studium auf der Technischen Hochschule mir das Rüstzeug für mein späteres Schaffen holte - das alles habe ich in meinem Buche 'Lebensfahtt eines deutschen Erfinders' niedergelegt." Kurz dar- auf erhielt das Stadtarchiv ein Exemplar dieser Lebenserinnerungen. Den Vorschlag von Elisabem Trippmacher aus Ladenburg. earl Benz die Ehrenbürger- würde zu verleihen. griff die Stadt allerdings nichr auf. Sie benannte aber 1928 eine Straße nach ihm und veranlasste den mit der Ausma- 202 lung des Bürgersaals im Rathaus beauftragten Hans AdolfBühler, das Bildnis von Carl Benz dort zu integrieren. Nach dem Tod von Carl Benz erschienen in den Karlsruher Zeitungen zahlreiche Todes- anzeigen und Nachrufe, die alle betonten, dass mit ihm ein Sohn der Stadt gestorben sei. Die Stadt beschloss, eine Gedenktafel an dessen Geburtshaus anbringen zu lassen. Die nach dem Standort befragte Elisabeth Trippmacher teilte am 28. April 1929 aber mit, dass das Geburtshaus "nicht mehr zu ermitteln ist, da die Mutter des großen Mannes wiederholt nach dem Tode ihres Mannes umgezogen u. so erfuhr Dr. C. Benz nie, in welchem Hause sich seine Geburt vollzogen. Er äußerte mir gegen- über vor Jahren einmal scherzend, dass dieses Haus, in dem er geboren, wohl längst durch ein neues ersetzt worden sei - verbaut". Am 17. April 1933 ließ der Bürgerverein Mühl- burg eine Gedenktafel deshalb am alten Mühl- burger Rathaus anbringen. Heute vermutet man in Mühlburg, dass sich das Haus in der Marktstraße befunden haben könnte. Der Bericht des Karlsruher Tagblatts vom 18. April 1933 über die Anbringung der Tafel hob hervor, dass Mühlburg "die Geburtsstät- te eines Mannes" sei, "dessen Erfindung dem gesamten Verkehrswesen der Welt sein[enl Stempel aufdrückte und in völlig neue Bahnen brachte." Ende 1933 griff der Karlsruher Stadtrat auch den Vorschlag auf, ein Benz-Denkmal zu errichten. Es soll re aber in Verbindung mit einer für 1935 geplanten Autosternfahrt des Deutschen Automobilclubs (DDAC) und des Narionalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) nach Karlsruhe im Jahr 1935 einge- weiht werden. Das von ürrmar Schrott-Vorse (Büste) und dem städtischen Hochbauamt (Sockel) gestaltete Denkmal wurde schließlich auch wie geplant am 23. Juni 1935 in Anwe- senheit von Bertha Benz eingeweiht. Im Zwei- ten Weltkrieg fiel die Bronzebüste den Metall- beschaffungsmaßnahmen zum Opfer und wurde eingeschmolzen. Nach Kriegsende dau- erte es noch bis 1956, dass das Benz-Denkmal wieder einen Kopfbekam. Der Bildhauer Carl Egler hatte den Auftrag bekommen, wobei er sich in einigen formalen Details der Physiog- nomie an das Original hielt. Das um 100 Merer nach Osten vor die neue Wirtschafts- oberschule am Ettlinger Tor versetzte Denk- mal wurde am 26. April 1958 offiziell von Oberbürgermeister Günther Klotz in Anwe- senheit zahlreicher Prominenz enthüllt. Im März 1963 entschied man, dass das Denkmal wegen der Bauarbeiten an der Kriegs- straße einen neuen Standort erhalten müsse und verlegte es an die Beiertheimer Allee, wo es bis heute steht. Zudem erinnern die 1971 in Mühlburg eingeweihte Carl-Benz-Halle und die 1973 ge- baute Carl-Benz-Schule in Wettersbach an den großen Automobilpionier. Am 6. Juni 1999 fand erstmals ein Autokorso "Tribut an Carl Benz" statt. Im Juni 2002 steht Carl Benz erneut im Mittelpunkt eines solchen Autokor- sos, sein Leben und Werk werden anlässlich des Karlsruher Stadtgeburtstages in einer Aus- stellung des Carl-Benz-Museums in Laden- burg, der Universität und des Stadtarchivs im Rathaus gezeigt. ERNST OTTO BRÄUNCHE 203 Der Botanische Garten in Karlsruhe Karlsruhe isr in der glücklichen Lage, im Zen- trum der Stadt ein Kleinod ganz besonderer Art zu besitzen. Das ist der Botanische Garten, ein von Gebäuden umgebener Freiraum, der mit seinen Gewächsen, Rasenflächen und Wasserbecken ein beliebter Aufenthaltsort für die Bürger geworden ist. Nicht immer ist man sich aber bewusst, dass diese Anlage mit seiner architektonischen Fassung als Kunstwerk von hohem europäischem Rang gesehen werden muss. Sie ist also nicht nur aus lokalpatrio- tischet'Wertschätzung ein wichtiger und erhal- tenswerter Stadtraum. Wir haben es hier mit einem fast intakten Ensemble der Spätroman- tik zu tun, in mehreren Plansrufen entworfen von dem badischen Architekten Heinrich Hübsch (1795-1863) und begonnen im Jahre 1837 mit dem Bau der Kunsthalle. Die Geschichte des Gartens Die Geschichte des Botanischen Gartens reicht zeitlich weiter zurück. Er entstand unter Mark- graf Karl Friedrich, als 1754 der Schlossvor- platz als Blumengarten aufgelöst und zum Empfangshof der Residenz umgestaltet wer- den sollte. Damit wandelte sich dieser zentrale Stadtraum zu einer Repräsentationsbühne des badischen Staates, auf der Ostseite gefasst von den Marstallgebäuden, im Westen durch drei Orangerien, hinter denen sich ein Küchengar- ten und der Holzplatz befanden. Dorthin ver- lagerte man nun die Blumenpracht, und da auch seltene Gewächse vor dem Winter ge- schütZ[ werden mussten, entstanden weitere Bauten, die aber insgesamt noch keinen Rah- men für den Freiraum ergaben. Großartige Entwürfe in spätbarocker Form sind uns von Jeremias Müller überliefert. Friedrich Wein- brenner schuf nach 1806 eine heute nicht mehr erhaltene Orangerie, einige Treibhäuser und vor allem ein Hoftheater, das sich an Stel- le des heutigen Bundesverfassungsgerichts be- fand. Dieser Bau, unscheinbar im Äußeren, doch wegen seiner Schönheit und vornehmen Farbigkeit im Inneren gerühmt, brannte leider 1847 bis auf die Grundmauern aus. Es war eine der größten Theaterkatastrophen des 19. Jahrhunderts bei der 62 Menschen den Tod fanden, da man durch nachträgliche Um- und Anbauten die Fluchtwege verstellt hatte. Vier Jahre später erhielt Heinrich Hübsch den Auftrag, an der gleichen Stelle ein größeres Theater zu errichten, so dass mit seiner Kunst- halle zunächst arn Rand des Botanischen Gar- tens ein Kulturforum entstand. Der Neubau wurde etwas aus der Flucht zurückgesetzt. So erhielt er seinen eigenen Vorhof, und zu bei- den Seiten standen immer noch die barocken Orangeriegebäude, von denen nur das mittlere durch die Brandkatas trophe zu Grunde gegan- gen war. Noch aber fehlte die architektonische Fassung des Botanischen Gartens. Sie entstand in den nachfolgenden Jahren zwischen 1853 und 1857. Als Kette unterschiedlich gestalte- ter Bauten hatte Heinrich Hübsch eine neue Orangerie, die .,warmen Häuser", den Torbo- gen und die große Exedra des "italienischen Gartens" eneworfen. Wie ein breit auseinan- dergezogener Bühnenprospekt sollten die Ge- bäude sich entfalten, jedes mit seiner eigenen Form und in spannungsvollem Kontrast ne- beneinandergesetzt durch ihre gestreckten oder höher aufragenden Konturen, mit mehr ge- schlossenen oder rransparenrcn Fassaden. So entstand in Zusammenarbeit mit der Hofgärtnerei ein Ensemble von ganz besonde- rem Reiz. Es ist eine Schöpfung der späten 204 Bmanischer Garten im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. deutschen Romantik, von der wir die schöns- ten, aber zumeist unausgeführte Entwürfe ken- nen. Dazu gehört zum Beispiel das Schlosspro- jekt von Karl Friedrich Schinkel für die Akro- polis zu Athen, auch der Zaren palast Orianda oder die "Fürstenresidenz" als Musterbeispiel für sein Lehrbuch. Man könnte in diesem Zusammenhang noch die Museumsinsel von Berlin erwähnen. Die Schinkelschüler Fried- rich August Stiller und Heinrich Strack hatten dort ein Zentrum für Kunst und Wissenschaft geplant, durchsetzt mit Gartenanlagen und umflossen von der Spree. Aber auch davon wurde nur mit dem Neuen Museum und der Nationalgalerie ein Teil des Ganzen gebaut. Die Eisenbahn zerschnitt dann die Insel und fügte diesem spätromantischen Ensemble ei- nen schweren unreparablen Schaden zu. Der asymmetrische Charalkter Es blieb von diesen architektonischen Träu- men wenig erhalten. Wir können sie in den Plansammlungen bewundern und wissen, dass die politischen Ereignisse, die Revolution von 1848/49 die Menschen veränderte. Sie wur- den realistischer und waren nicht mehr bereit, in Architekturträume hohe Kosten zu investie- ren. Karlsruhe blieb eine Ausnahme und ist damit für die deutsche und europäischen Bau- geschichte eine überaus wertvolle Seltenheit. Hier wurde tatsächlich ein Ensemble in be- achtlicher Größe geschaffen, das Architektur und Gartenkunst miteinander vereint. Das Charakteristische an dieser spätromantischen Komposition ist die Asymmetrie. Sie ergab sich aus dem Prinzip, dass jeder Raum und jeder Baukörper nach seiner Funktion auch seine eigene unverwechselbare Gestalt erhalten müsse. Ein "Individualisieren" der einzelnen Gebäudeteile in einem größeren Komplex fin- den wir auch in den späten Entwürfen Schin- kels, wenn wir an die "Römischen Bäder" in Potsdam, seinen 5chlossenrwutf für Athen oder an die Fürstenresidenz denken. So sind in einem solchen Ensemble auch keine Haupt- 205 achsen vorhanden. Ganz unterschiedlich er- lebt man die Blickrichtungen und mit ihnen auch die Raumerlebnisse der Gärten. In Karlsruhe hatte Hübsch mit seiner Pla- nung zunächst eine sehr schwierige Situation zu bewältigen. Sie ergab sich aus dem Fächer- grundriss der Stadt. Das für den Botanischen Garten vorgesehene Gelände hatte die Form eines Dreiecks. dessen Spitze gegen den Schloss- turm als Mittelpunkt der Residenz gerichtet war. Dort verengte sich der Raum. so dass dem mit Architektur und Gartenkunst entgegenge- wirkt werden musste. Zunächst wollte man so weit wie möglich die Mauern der älteren Ge- wächshäuser verwenden. Dann aber zeigte es sich. dass durch den Theaterkomplex die ge- planten Neubauten zum Teil verschüttet wur- den . So entschloss man sich. die Bauflucht gegen Nordosten zu verschieben. wodurch nun aber die zum Schlossturm ziehende Allee als Fortsetzung der heutigen Bismarckstraße überbaut werden musste. Das aber genügte noch nicht. Hübsch bewältigte schließlich das Entwurfsproblem durch das ausschwingende Rund des "italienischen· Gartens". der gerade dort das Gelände erweitert. wo das Zusam- mendrängen der Begrenzungslinien kritisch wird. Die Dreieckspitze des Gartens ließ sich mit einem kleinen Wäldchen kaschieren. Es verschleiert damit den Schlossbau und öffnet sich zu den weiträumigen und lichten Rasen- flächen gegen Westen mit Blick aufTorbogen. Warmhaus und Orangerie. Reizvoll ist damit ein Kontras t ausgespielt. der den Garten. je nach welcher Richtung man ihn durchschreitet. in ganz unterschiedlichen Lichtstimmungen und Perspektiven erleben lässt. Der Kunstgriff besteht darin. dass durch das Wäldchen die Dreieckspitze gefüllt und die übrige Fläche als Trapez gesehen wird. Der italienkundige Hein- rich Hübsch wusste. wie die Barockarchitek- ren gerade diese Grundform zu nutzen ver- standen. So überträgt er den dort erkannten perspektivischen Kniff auf den Botanischen Garten. den man mit Blick zum Schloss länger und gestreckter. in umgekehrter Richtung aber breiter zu erfassen glaubt. Die Bepflanzung Wir wissen leider nicht. wer maßgeblich an der Bepflanzung beteiligt war. Aus den Akten ist zu entnehmen, dass Hübsch zunächst etwas andere Vorstellungen hatte als der Karlsruher Gartendirektor Held oder Hofgärtner Mayer. Der Schloss park war nach 1853 zum land- schaftsgarten umgestaltet worden. Die Barock- anlage mit Parterre- und Boskettzone hatte man beseitigt. damit auch die Regelmäßigkeit der Fächerachsen durch Busch- und Baum- gruppen kaschiert. um die Natur von den strengen Bindungen der Architektur zu befrei- en. Es ist damit eine Auflösung des "barocken Verbandes" erfolgt. die sich konsequent im Botanischen Garten fortsetzen sollte. Das be- deutete also gleichfalls für die Grünanlagen verschlungene Wege zu planen. malerisch ver- teilte Baumgruppen anzuordnen oder mar- kante Einzelgewächse in das Blickfeld der Ra- senflächen zu stellen. Durch Italien scheint sich aber Heinrich Hübsch an der manieristi- schen Gartenkunst begeistert zu haben. Dabei handelt es sich um mehr geordnete Anlagen. die von Mauern oder Bauten umgrenzt südli- che Pflanzen. zum Beispiel Orangen- und Zi- tronenbäume, Palmen oder seltene exotische Gewächse bergen. Durchdringt ein Besucher die architektonische Fassung. soll er den Be- reich wie ein kleines Wunderland erleben. das sich in seiner ganz besonderen. aber auch künstlichen Atmosphäre deutlich von der Umwelt unterscheidet. So ist nach seinen Vor- stellungen der Botanische Garten keine Fort- setzung von Schloss park oder Landschafts- park. Er hatte ein umschlossener Sonderbe- reich zu bleiben. der aber auch nicht allein der 206 botanische Sammelleidenschafr zu dienen hat- te. Es kam Hübsch hauptsächlich darauf an, dass "die vorzugsweise den Laien ansprechende Schönheit und Großartigkeit - also die mas- senhafte Anpflanzung des gleichmäßigen vor- herrschen" sollte. Schließlich kam es zu einem Kompromiss. Architekt und Hofgärrnerei müssen sich mit ihren unterschiedlichen Vor- stellungen geeinigt haben, so dass als Ergebnis der heutige Garten entstand. An seinen Ent- würfen sehen wir aber, dass Hübsch zumin- dest ein rundes Wasserbecken plante, das er dann auch durchserzen und ausführen konn- te. So kam es zu dem beliebten Karpfenteich, der in die Blickachse des Torbogens gestellt und gartenarchitekronisch ein Zentrum bil- den sollte, um die Anlage mit a11 ihren gewoll- ten Unregelmäßigkeiten dann doch zusam- menzuhalten. Die Fassung durch die Bauten aber ist al- lein das Werk von Heintich Hübsch. Er ent- warf sie in seinem geforderten Rundbogenstil. Mit seiner Schrift "in welchem Style sollen wir bauen", hatte schon 1828 der damals noch junge, unbekannte Feuerkopf schlagartig auf sich und seine Thesen aufmerksam gemacht, mit denen er sich von der klassizis tischen Ar- chirravarchitektur distanzierte und die An- wendung der Wölbtechnik verlangte. Es ist erstaunlich, wie sofort Karl Friedrich Schinkel in Berlin darauf reagierte. Bei seinem großen Packhofspeicher wandte er im darauffolgen- den Jahr konsequent den Rundbogen an, und als Hübsch 1829 das Karlsror schuf, entstand in der preußischen Residenz am Luisenplarz fast eine Kopie. Schinkel muss also mit großer Aufmetksamkeit das Baugeschehen in Karlsru- he beobachtet haben. Aber im umgekehrten Fall war es ebenso. Hübsch wurde auch durch Schinkel beein- flusst und übernahm von der Berliner Bauaka- demie den eleganten Segmentbogen für seine Trinkhalle in Baden-Baden und das Hofihea- ter in Karlsruhe. Es war ein Geben und Neh- men, ohne dass die Selbständigkeit einge- schränkt wurde. Durch seine Reisen hatte Hübsch sehr viel gesehen. Er kannte nicht nur Italien und Frankreich, sondern auch das da- mals schwer zu erreichende Griechenland und Konstantinopel mit seiner frühchristlich-by- zantinischen Baukunst. Er hatte sehr viel mehr gesehen und erlebt als Karl Friedrich Schinkel. Eine harmonische Einheit Doch verfolgten beide ähnliche Ziele, auch wenn Hübsch, durch seine Thesen festgelegt und deshalb konsequenter war. Der von ihm proklamierte Rundbogenstilließ sich durch- aus variieren, und allein der Botanische Gar- ten in Karlsruhe zeigt, welche Möglichkeiten er für die unterschiedliche Gestaltung der Ge- bäude bereithielt. Wie Schinkel oder Friedrich von Gärtner in München bemühte sich dabei auch Hübsch um eine polychrome Architek- tur. Aber die Farbigkeit der Fassaden sollte nicht durch einen Putzanstrich hergestellt werden. Es war das Ziel dieser spätromanti- schen Generation, das Baumarerial in seiner unterschiedlichen Tönung und Oberflächen- struktur zur Geltung zu bringen. Der Kunst- und Natursrein sollte sich in seiner besonderen Eigenheit zeigen. Um mehr Spielraum für die Fassadengestalrung zu gewinnen, versuchten Hübsch und Schinkel mit großem Engage- ment die Anwendung keramischer Bauelemen- te zu fördern. Terrakotten sollten den plas- tischen Schmuck ergeben und Formsteine die kosten- und zeitaufWendige Steinmetzarbeit erserzen. Ganz besonders faszinierte sie die Farbbeständigkeit der Backsteinarchitektur, die beide in Oberitalien kennengelernt hatten. Dabei ist interessant, wie Hübsch im Gegen- satz zu seinem Berliner Kollegen die äußere wetterabweisende Schicht auch als Verklei- dung darzustellen versucht, indem er sie wie 207 aufgespannte Teppichbahnen mit Borten de- koriert und runde Scheiben als Heftsymbole einfügt, die an der Orangeriefassade wie gro- ße Nagelköpfe wirken. Auch wechselt von Bau zu Bau die Wandstruktur. Am Torbogen ist die keramische Verkleidung durch eine Diagonal- schraffur wie ein Netz behandelt. Und in ab- gestimmten Farben sind die Kacheln oder Zie- gel mit Sandsteinelementen kombiniert. Sie ergeben zusammen die polychrome Fassung des Gartens, die ihn wie ein Juwel umschließt und seine südlich heitere und lebensfrohe At- mosphäre ganz entscheidend mitbestimmt. Architektur und Gartenkunst steigern sich ge- genseitig in ihrer Wirkung und sind im Ne- beneinander von Natur und Menschenwerk eine harmonische Einheit, die durch keinen Eingriff beschädigt werden darf. MANFRED KLiNKOIT Ein Historiker in der Landespolitik der Nachkriegszeit Franz Schnabel als Leiter der Kultus- und Unterrichtsabteilllng Nordbadens Als der 1936 von den Nationalsozialisten zwangspensionierte Geschichtsprofessor Franz Schnabel am 5. September 1945 die Leitung der Kultus- und Unterrichtsabteilung im Prä- sidium des Landesbezirks Baden übernahm, betrat er damit weitgehend berufliches Neu- land. Immerhin hatte Schnabel mit der Reor- ganisation der Volksschulen in der zunächst amerikanisch besetzten Pfalz im Mai und Juni schon erste Erfahrungen sammeln, letzdich aber kaum mehr als einen ersten Eindruck gewinnen können. Nun galt es nicht nur, das Elementar-, sondern das gesamte Schulwesen Nordbadens, dazu die Universität Heidelberg und die TH Karlsruhe wiederaufZubauen, und dies im Spannungsfeld der Besatzungspolitik einerseits, der Interessen von Eltern, Erziehern und der sich formierenden Landespolitik an- dererseits. Sein Werdegang Was bewog einen politisch unbelasteten Uni- versitätsprofessor wie Franz Schnabel, sich statt der Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit dem NeuauEbau von Schule und Universität in einem von Enrnazifizierungs- und Umer- ziehungsvorgaben eng gesteckten Rahmen zu widmen? Warum nahm er eine solche glei- chermaßen schwierige wie unpopuläre Tätig- keit auf sich? Patriotische Gesinnung, Ver- pflichtung einem "nderetl, einem demokrati- schen Deutschland gegenüber führten im all- gemeinen jene an, die wie Schnabel nach Kriegsende für Aufgaben in der Zivilverwal- rung oder den Prüfungsausschüssen der Ent- nazifizierung rekrutiert wurden. Einen weite- ren Erklärungsansatz für sein eineinhalb Jah- re währendes Engagement in der Kultus- und Unterrichtsabteilung bieten seine Biografie wie der spezielle geschichtswissenschafdiche Ansatz Franz Schnabels. 1887 in Mannheim geboren, hatte er 1906 bis 1911 in Berlin und Heidelberg Geschichte und Philologie studiert, um später die Fächer Geschichte, Deutsch, Französisch und Latein zu unterrichten. Eine Probearbeit aus dem sich anschließenden Lehramtspraktikum "Inwieweit ist die Kultur- 208 geschichte im Geschichtsunterricht der Ober- klassen zu berücksichtigen?" ist im General- Iandesarchiv überliefere. übrigens jenem Ge- bäude in der Nördlichen Hildapromenade 2. in dem sich 1945 bis 1947 auch Schnabels Diensträume befanden. Gymnasialprofessor wurde er allerdings erst nach der Heimkehr aus dem Ersten Weltkrieg. zu nächst an der Karlsruher Lessing-. dann an der Goetheschu- le. 1920 erhielt er die ehrenvolle Aufforderung der Karlsruher Technischen Hochschule. sich zu habilitieren. zwei Jahre später ernannte ihn das Badische Kultus- und Unterrichtsministe- rium zum Professor für das Fach Geschichte. Schnabel war in zweierlei Hinsicht ein umypi- scher Vertreter seines Fachs: er lehrte an keiner Universität, sondern an einer Technischen Hochschule, und er vertrat einen von seinen Historikerkollegen sehr verschiedenen For- schungsansatz. Ungewöhnlich war also erstens sein Adressatenkreis: angehende Ingenieure und Techniker. dazu die interessierte Karlsru- her Öffentlichkeit. kaum jedoch der "klassi- sche" Geschichtsstudent. der eher in Heidel- berg studierte. Außergewöhnlich war aber auch sein methodischer Ansatz. der die Ge- schichte ganz allgemein als Kulturgeschichte fass te. statt sie auf die politische. die Geschich- te der Staaten und ihrer Beziehungen zu redu- zieren. Schnabels Geschichtsbild. Schnabels humanistische Ideale hatten unter den Natio- nalsozialisten keine Konjunktur. Sie nun wie- der auflängere Sicht zur Gtundlage von Unter- richt und Bildung machen zu können. mochte nun die Entscheidung des einstigen Gymnasi- allehrers für eine Mitwirkung am Wiederauf- bau von Schule und Bildungswesen entschei- dend beeinflusst haben. Entnazifizierung nach 1945 Als Landesdirektor für Kultus- und Umerricht hatte Franz Schnabel zunächst ei nmal die Franz Schnabel . 1887-1966. Wiederaufnahme des Elementarunterrichts in Nordbaden zu gewährleisten und zu diesem Zweck sowohl Räumlichkeiten. Mobiliar und Unterrichtsmaterialien als auch politisch un- belastetes Personal zur Verfügung zu stellen. "Wir haben [ ... ]". berichtete er in einem Vor- trag vor den nordbadischen Bürgermeistern. "den Grundsarz durchgeführt. dass kein Leh- rer. der jemals Parteimitglied gewesen ist. bei der Grundlegung der neuen Schule mitwirken kann. Mag sein Motiv. warum er beigetreten ist, gewesen sein, welches es wolle - mag er Gefallen gefunden haben an der Prahlerei und an der Plakatierung der Gewalt oder mag er nachgegeben haben aus Gedankenlosigkeit. aus Bequemlichkeit oder aus Streberei - das Vorbild. das er [ ... ] zu geben verpflichtet ist. 209 hat er gewiss nicht gegeben." Bereits im Mai und Juni 1945 hatte die damals noch franzö- sische Militärregierung sämtliche Lehrer sus- pendiert. die der NSDAP angehört oder an einer elsässischen Schule unterrichter hatten. Doch war angesichts des Ausmaßes der Amts- enthebungen eine Teilrevision dieser Entlas- sungen beschlossen worden. die zunächst auch von der nachfolgenden amerikanischen Mili- tärverwaltung getragen wurde. Mitte Oktober sah diese sich allerdings zu einer Verschärfung ihrer Entlassungspraxis veranlaßt. so dass etli- chen der seit dem 1. Oktober wiedereröffne- ten Volksschulen Nordbadens die erneute Schließung drohte. Allein im Landkreis Karls- ruhe waren 42 Lehrer von dieser Maßnahme betroffen. In kleinen Orten kam gar der Schul betrieb zum Erliegen. "Die angeordnete Entlassung". klagte Schnabel bei Landesbe- zirkspräsident Heinrich Köhler. "hat in den Kreisen der Betroffenen große Enttäuschung und Erbitterung hervorgerufen. Die Lehrkräf- te hatten nach ihrer Wiederzulassung zum Schuldienst neuen Lebensmut gefaßt und wußten sich und ihre Familien wieder in gesi- cherten Verhältnissen. Beglückt nahmen sie ihre Schularbeit auf. denn sie durften sich ja nun frei vom Druck der Nazigesetze und Nazi- aufsicht wieder als Lehrer in ihrer Erziehungs- arbeit so einsetzen, wie sie es aus der Zeit vor Hitler gewohnt waren." Problem der Hochschulen Nicht nur den Unterricht an Volksschulen. Februar 1946. Zeitweilig war nicht einmal der Standort Karlsruhe gesichert. und es sollte der vereinten Kräfte des Landesbezirkspräsidenten Köhler. des ersten Karlsruher Nachkriegsober- bürgermeisters Hermann Veir, sowie Franz Schnabels bedürfen. um eine Zusammenle- gung mit der TH Stuttgart oder der Universi- tät Heidelberg zu verhindern. Wie auch der Schul- mußte der Universi- tätsbetrieb mit einem durch Kriegsgefangen- schaft und Entnazifizierung dezimierten lehr- körper aufgenommen werden. Entlassen wa- ren etwa die Rektoren der NS-Zeit. Heinrich Wittmann und RudolfWeigel. entlassen wa- ren aber auch die "Dozentcnführer" der TH, der Physiker Alfons Bühl und der Direktor der chemisch-technischen Prüfungs- und Ver- suchsanstalt. Karl Theodor Nestle. der von der "Zwangsemeritierung" Schnabels profitiert hatte. Was für den Lehrerberuf galt. sollte auch auf Professoren zutreffen: Kein Parteimitglied. keiner. der in der "Zeit 1933 bis 1945 [ ... ] den deutschen Geist vor der ganzen Welt kompro- mittiert hat", sollte am Wiederaufbau der Universitäten mitwirken können. Kompro- mittiert waren Karlsruhe wie Heidelberg etwa durch solche Vertreter einer "deutschen" Phy- sik wie Alfons Bühl oder. prominenter. Philipp Lenard. doch fühlte sich die Rllperto Carola vor allem dadurch angegriffen. dass Franz Schnabel die Korruption des univetsitären Geistes an der Heidelberger Promotion des späteren Reichspropagandaministers Joseph Goebbels festmachte. den weiterführenden wie den Berufsschulen. Streit mit der Universität Heidelberg sondern auch den universitären Betrieb sollte und wollte Franz Schnabel wiederaufnehmen. Hatte die französische Militärverwaltung den Wiederbeginn der Lehrveranstaltungen bereits für den Oktober 1945 in Aussicht gestellt. so verzögerte sich der Anfang des Wintersemes- ters unter amerikanischer Ägide bis in den Walter Jellinek. der Heidelberger Nachkriegs- rektor. und der Philosoph Karl Jaspers warfen Schnabel in ihrer Entgegnung zumindest Ein- seitigkeit zugunsten der Karlsruher TH vor. Der Konflikt sollte eskalieren. als Schnabel 1947 den Rückzug aus der Landespolitik in 210 Das Gebäude des Generallandesarchivs, 1905 fertiggcstellt, um 1910. Im Zweiten Weltkrieg un'Lerstön, war im 4, Stock- bisher fur Dienstboten bestimmt - die Kultus- und Untcrrichtsabtdlung Nordbaden untergebracht. Forschung und Lehre betrieb. Einer Bewer- bung nach Heidelberg widersetzten sich nun die Philosophische Fakultät wie auch der Se- nat auf das heftigste. Die Heidelberger Profes- soren machten deutlich, dass ihnen der ge- schichtswissenschaftliche Ansatz Schnabels nicht passte, seine Methodik "unzeitgemäß" und sein Forschungsschwerpunkt von den "heute so entscheidend gewordenen Fragen der angelsächsischen Welt" zu weit entfernt sei. Schnabels Schüler mutmaßen zudem reli- giöse Vorbehalte gegenüber dem katholischen Historiker. Welcher der genannten Faktoren für das Votum der Fakultät nun ausschlagge- bend war, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls sah Schnabel nach den Querelen um seine 211 fehlgeschlagene Berufung keine Basis mehr für eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Hei- delberger Universität und legte die Leitung der Kultus- und Unterrichtsabteilung in der nord- badischen Landesbezirksverwaltung nieder, die er ohnehin länger geführt hatte ,,[ ... ] als gemeinhin solche politischen Ämter bei ein und derselben Person zu bleiben pflegen." Fortan woUce er sich ganz der wissenschaftli- chen Arbeit widmen. Nach München Zu jenem Zeitpunkt hatte Schnabel sich, be- ginnend mit einigen Gastvorlesungen und - vorträgen, längst einen neuen Wirkungskreis an der Universität München geschaffen. wo- hin er zum Wintersemester 1947/48 schließ- lich berufen wurde. "Ich habe nach langer Prü- fung aller Umstände mich entschlossen. nach München zu gehen". schrieb er Heinrich Köh- ler in seiner Bitte um Entlassung aus dem badi- schen Staatsdienst. "weil der Ruf dorthin schon seit zwei Jahren mehrfach und in besonders ehrenvoller Form sowohl durch die Fakultät wie durch alle drei Kultusminister. die bisher in Bayern amtiert haben [ ... ] an mich ergan- gen ist." Köhler bedauerte das Ausscheiden eines seiner engsten Mitarbeiter. der die Karls- ruher Studierenden wie die interessierte städ- tische Öffentlichkeit ein wenig mit seinem Weggang versöhnte. indem er zumindest im Wintersemester 1947/48 noch eine Gastvorle- sung zur "Europäischen Geschichte" hielt. Das Münchener Ordinariat sollte Schnabel bis 1962. vier Jahre vor seinem Tod 1966 innehaben. ANGELA BORGSTEDT Schule und NS-Diktatur Das Beispiel der Karlsrtther Humboldt-Schule Dem Thema "Schule und NS-Diktatur" wid- meten sich die Teilnehmer der Arbeitsgemein- schaft "Geschichte im Archiv" des Humboldt- Gymnasium Karlsruhe in den zurückliegenden drei Schuljahren. Der Gegenstand der Unter- suchung. die aufschlussreiche Einblicke und Entdeckungen gewährte. war die ehemalige Karlsruher Humboldt-Schule. Das General- landesarchiv. das Stadtarchiv Karlsruhe und das Archiv des Karlsruher Humboldt-Gymna- si ums lieferten mit ihren Beständen die Quel- lenbasis. Der Kontakt zu ehemaligen Schülern der Humboldt-Schule und weiteren Zeitzeugen brachte zusätzliche Erkenntnisse und gab Ant- worten auf Fragen. die sich aus dem Studium des Quellenmaterials ergaben. Zwei Schüler. Mitarbeiter der AG. stellen im Folgenden eine stark gekürzte Auswahl aus den insgesamt be- arbeiteten Themenkomplexen vor. RAI NER GUTJAHR Hitlerjugend (HJ) Als eines der zentralen Themen kristallisierte sich das Verhältnis zwischen HJ und Schule heraus. Bereits ab November 1933 lässt sich ein Lehrer als "Vertrauensmann" der HJ an der Humboldt-Schule nachweisen. Die Ver- trauensleute. so ein Rundschreiben des Minis- teriums des Kultus und Unterrichts vom 5. Mai 1934. sollten die Beziehungen zwischen Schule und Hitlerjugend pflegen und in allen Fragen eine Verständigung zwischen Schule und HJ garantieren. Die Schule selbst hatte keine "Befehlsgewalt" über die Schüler. die in der HJ Mitglieder waren. sie sollte vielmehr mit der HJ kooperieren um ein "gemeinsames Erziehungsziel" zu verwirklichen. Die HJ be- anspruchte beispielsweise zwar das Recht zu bestimmen. zu welchem Anlass ihre Mitglie- der in Uniform zu erscheinen hatten. jedoch sollte das Tragen einer Uniform an der Hum- boldt-Schule nur erlaubt sein. "wenn die Schulleitung dies wünsche". Neben dem Ver- trauensmann wirkten an der Humboldt-Schu- le auch noch je ein Lehrer als "Kolonialrefe- rent" der HJ und als Sportwart. Im Herbst 1935 verstärkte die HJ ihre Werbung an den Schulen und ließ im Zuge dieser Aktion Aufnahmeanträge an die Schü- 212 ler austeilen. Dieser Werbefeldzug erzielte gro- ße Erfolge in der Humboldt-Schule. Nach An- gaben der Schulleitung waren 97,4% der Schü- ler bis Schuljahresende 1935/36 einer Gliede- rung der NSDAP beigetreten. Die Hitlerjugend hatte auch einen nichr zu verachtenden Einfluss auf die Notengebung, wie das Beispiel eines Schülers zeigt. Ihm wur- de anstelle einer Fünf eine Vier in Englisch erteilt, "damit man ihm den Weg in die Prima nicht verbaue", wobei zur Rechtfertigung er- wähnt wurde, dass der aus Freiburg nach Karlsruhe wechselnde Schüler sich "auf einem sehr exponierten Posten seit Jahr und Tag für die HJ eingesetzt" habe. Ein weiteres Beispiel für die Einflussmöglichkeit der HJ liefert das Aufnahmegesuch eines auswärtigen 17-jähri- gen Schülers vom September 1938. Er hatte seine alte Schule wegen der Schwängerung seiner 15-jährigen Tanzstundenparrnerin ver- lassen müssen. Der Hinweis auf seine HJ-Kar- riere, er war Oberjungenschaftsführer, und das Engagement seiner Eltern in verschiedenen Gliederungen der NSDAP ermöglichten ihm die Aufnahme in die Humboldt-Schule. Die Mitglieder der HJ wurden durch zahl- reiche aullerschulische Veranstaltungen in An- spruch genommen, was zu erheblichen Schul- versäumnissen führte. Um die negativen Aus- wirkungen des HJ-Dienstes einigermaßen zu kompensieren, erließ der Reichs- und Preußi- sche Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung bereits im Mai 1935 ein Dekret, welches die Oberprimaner vom Dienst in SA, SS, HJ oder JV freistellte. Verbindungen oder Vereine von Schülern, die mit der HJ in Konkurrenz standen, wur- den geächtet und schließlich ganz verboten. Dagegen gerichtete Verstöße konnten weitrei- chende Konsequenzen nach sich ziehen. 1937 wurde vor dem Karlsruher Jugendgericht der Fall eines Humboldt-Schülers verhandelt, dem in einer Anzeige durch den Bannführer des Professor Leopold Weil, Lehrer 3n der Humboldt-Schulc his Ende 1935; 1939 Emigration nach Palästina; 1952 in Karlsruhc verstorben. Hans Heim Läwcnthal . Schüler der Humboldt-Schule 1932- 1937; 1940 deportiert nach Gurs, vermutlich in Auschwitz ermorder. Karlsruher HJ-Bannes 109 vorgeworfen wur- de, an einer Veranstaltung der verbotenen Schülerverbindung "Primania" teilgenommen zu haben. Der Richter beliell es bei einer Ver- warnung des Schülers. Der Schulleiter der Humboldt-Schule nahm jedoch den Fall zum Anlass, das Ministerium des Kultus und Un- terrichts um eine grundsätzliche Stellungnah- me zur Thematik Schülerverbindungen, Aus- tritt bzw. Ausschluss aus der HJ zu bitten. In einem darauf folgenden Erlass des Ministeri- ums vom 26. Januar 1938 heißt es, "daß Schü- lerverbindungen neben der Staatsjugend keine 213 Daseinsberechtigung mehr" hätten. Wo Ver- bindungen noch bestünden, seien sie dadurch aufzulösen, "daß sämtlichen Schülern verbo- ten wird, in irgendeiner [ ... ) Form an einer solchen Verbindung teilzunehmen". Volksbund rur Deutschtum im Ausland (VOA) Der NS-Staat machte sich den VDA fur seine "völkische" Politik dienstbar. Auch an der Humboldt-Schule bestand eine VDA-Schul- gruppe, die sich in einer monatlichen "Volks- deutschen Stunde" mit dem ,,Auslands- deutschturn" und "volksdeutschen Fragen" oder auch mit dem Thema "Das Elsaß - Ein deutsches Land" befasste. An Vorbereitung und Durchfuhrung des vom VDA organisier- ten Karlsruher "Festes der deutschen Schule" im Oktober 1933 war die Humboldt-Schule aktiv beteiligt, was ihr einen ausdrücklichen Dank durch den VDA einbrachte. Von den weiteren Aktivitäten in Diensten des VDA seien erwähnt eine SamJ.1llung zugunsten der "deutschen Schulen im Ausland" sowie der Vertrieb eines "Sonderblaues" zur Unterstüt- zung eines Wahlkampfes im Memelland. Vereinnahmung zugunsten des NS-Staates Die der Schule im NS-Staat zugedachte Rolle lässt sich beispielhaft auch an den Themen zur Reifeprüfung 1940/41 ablesen. So war im Deutschaufsatz zu behandeln "Goetbes Faust als Spiegelbild des deutschen Wesens und Schicksals"; im Fach Erdkunde sollten die "wirtSchaftlichen und geopolitischen Möglich- keiten" untersucht wetden, die sich "aus den deutschen Siegen der Jahre 1939 und 1940" ergaben; die Chemie war vertreten mit dem Thema "Kohle, Kalk und Holz, die Waffen der Chemie im deutschen Entscheidungs- kampf'; in Mathematik lautete die Aufgabe: "Welche größte Höhe erreicht ein Geschoß, das mit einer Anfangsgeschwindigkeit von 650 ml sec. und einem Erhebungswinkel a = 12,5° abgefeuert wird? Welches ist das Maxi- mum der WurfWeite?" Diskriminierung jüdischer Schüler Die Diskriminierung der jüdischen Schüler begann schon kurz nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933 mit Übergriffen durch nicht jüdische Mitschüler. Erstaunlicherweise wurde dieses Aufkeimen spontanen" Volks- zorns" zunächst offiziell verurteilt. Der Kul- tusminister qualifizierte am Tag vor dem Ju- denboykott am I. April 1933 in einem Rund- schreiben an alle "unterstellten Schulbehörden und Schulanstalten " diese ,,Angriffe auf wehr- lose Einzelne durch eine Überzahl" öffentlich als "feige". Dieses Verhalten sei wedet "christ- lich noch national". Er sprach sich damit nicht generell gegen eine Demütigung der Juden aus, schreibt er doch weiter, "die nationale Regierung" habe sich "die Bekämpfung des Judentums zur Aufgabe gemacht", doch dür- fe diese nur in "gutorganisierter und wohIdis- ziplinierter Weise" geschehen. Im "nationalen Aufbaukampf[sei) Disziplinhalten auch Pflicht eines jeden deutschen Jungen und jedes deut- schen Mädchens". Die staatlich organisierte Diskriminierung der jüdischen Schüler begann mit dem Gesetz gegen die Überfullung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933. Der Anteil jüdischer Schüler an einer Schule durfte den Gesamtanteil aller Juden an der Bevölkerung im Deutschen Reich von 1,5 % nicht über- steigen. Von da an mussten die Eltern, wenn sie ihre Kinder an den Schulen anmeldeten, einen Nachweis für ihre rein arische Abstammung bringen. Eine Aufnahme von nicht jüdischen Schülern, war nur dann möglich, wenn der 214 Vater einen Nachweis erbringen konnte, für das Deutsche Reich oder einen seiner Verbün- deten im Ersten Weltkrieg an der Front ge- kämpft zu haben. So legte zur Aufnahme sei- nes Sohnes Gerhard in die Humboldt-Schule der Kar/sruher Fabrikant Ernst Bernheimer einen Bericht über seinen militärischen Wer- degang, seine Kriegsteilnahme und seine Tap- ferkeitsauszeichnungen vor. Die jüdischen Kinder wurden jedoch nicht nur bei der Anmeldung benachteiligt, auch im Schulleben waren sie unterschiedlichen Dis- kriminierungsmaßnahmen ausgesetzt, wie sich dies auch für die Humboldt-Schule belegen lässt. Zahlreiche Veranstaltungen wie Theater- besuche, Faschingsumzüge etc. waten den Kin- dern der ,,Arier" vorbehalten. Die Maßnahmen führten zum gewünsch- ten Ergebnis. Während sich zu Beginn des NS-Regimes im Schuljahr 1932/33 noch 27 jüdische Schüler an der Humboldt-Schule be- fanden, waren es 1936/37 nur noch neun Schüler und 1938/39 galt die Schule als "ju- denfrei" , abgesehen von vier "Mischlingen ers- ten Grades". "Mischlingen" blieb nach bestan- denem Abitur unter Umständen der Zugang zum angestrebten Studium versagt. Als "wehr- unwürdig" mussten sie während des Krieges Zwangseinsätze bei der Organisation Todt ableisten, sofern sie nicht an einem als "kriegs- wichtig" eingestuften Arbeitsplatz eingesetzt waren. Der israelitische Religionsunterricht fiel ebenfalls den Gesetzen des NS-Regimes zum Opfer. 1936 wurde die jüdische Glaubenslehre auf grund der Nürnberger Rassegesetze und der "allgemeinen nationalsozialistischen Rechts- auslegung" an allen öffentlichen Schulen ver- boten. Die Lehrer verloren ihre Bezüge, Un- terrichtsräume wurden nicht mehr zur Verfü- gung gestellt, Religionsnoten durften nicht mehr in die Zeugnisse eingetragen werden. An der Humboldt-Schule wirkten zu diesem Zeit- punkt drei jüdische Religionslehrer: Oberkan- tor Simon Metzger, Siegfried Speyer und Her- bert Sax. Bei zweien ist das weitere Schicksal bekannt: Simon Metzger floh zusammen mit seiner Frau Marie am 8.9.1938 nach Luxem- burg, wo er eine neue Stelle als Kantor antrat. Es gelang den beiden, noch vor dem Ausbruch des Krieges, in die USA zu flüchten. Siegfried Speyer wurde in Auschwitz ermordet. Eine im Zug unserer Arbeit entstandene Liste der jüdischen Schüler der Humboldt- Schule wurde dem Stadtarchiv Kar/sruhe übergeben; sie dient dort als eine det Grund- lagen zu Erarbeitung des Gedenkbuches der im Dritten Reich ermordeten Karlsruher Juden. Die "Säuberung" der Schule von unerwünschten Lehrern Am 15. März 1933 wurde Direktot Rudolf Wilhe1m von seinem Posten als Direktor der Humboldt-Schule auf grund des Paragraphen 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Be- rufsbeamtenturns suspendiert. Bereits die Be- rufung Wilhe1ms zum Direktor der Hum- boldt-Schule im Jahre 1932 war von einer Hetzkampagne im "Führer", dem Katlsruher NS-Organ, begleitet. Wilhelm war politisch aktiv in der SPD und im "Reichsbanner" und publizierte unter dem Pseudonym Ferdinand Madlinger im Katlsruher "Volksfreund" . Un- ter anderem erschien dort nach dem Umsturz von 1918 folgender Vierzeiler: Wir sind sie los, die stolzen Regimenter, Mir blinkt im Auge keine Wehmutszähre. Um ist die Zeit gefügig-stummer Heere, Hier wird der harte Friede Segensspender. "Der Führer" vom 19. März 1933 zitierte unter der Überschrift "Weitere Bonzenverhaf- tungen in Karlsruhe" diesen Vietzeiler und kommentierte wie folgt: "Diese niederträchti- ge Verhöhnung unseres Heeres, das mit bei- 215 spielloser Tapferkeit im Weltkrieg vier Jahre lang einer Welt von Feinden standhielt, war nach der Marxistischen Revolution im Karls- ruher 'Volksfreund' zu lesen. Der Verfasser ist der jetzt als Direktor der Humboldtschule in Karlsruhe beurlaubte sozialdemokratische Dissident RudolfWilhelm, der auch als The- aterkritiker des 'Volksfreund' jede Auffiihrung nationaler Bühnenwerke herunterriß. [ ... ] Daß ein derartiger Zeitgenosse als Jugend- erzieher und als Direktor einer höheren Lehr- anstalt schlechterdings unmöglich ist, bedarf wohl keines weiteren Beweises. Heute sind die traurigen Verse des beurlaubten Direktors Rudolf Wilhelm folgendermaßen umzuän- dern: Wir sind ihn los, der hat gesungen, der völlig bar der nationalen Ehre. Uns blinkt im Auge eine Freudenzähre. Gott schütz, vor solchen Lehrern unsere Jungen! [ ... ] Wir verlangen heute charaktervolle Direktoren [ ... ], die als deutschbewusste Män- ner mit gläubigem Optimismus der nationa- len Jugenderziehung die Wege weisen. Hierüber darf auch keine liebedienerische Konzilianz hinwegtäuschen, die doch nur pa- zifistische Pädagogik zur Waffe hat." Nach seiner Suspendierung gelang RudolfWilhelm zusammen mit seiner jüdischen Frau Thekla 1939 die Auswanderung nach Kolumbien, wo er 1970 in Bogota starb. Opfer des NS-Regimes wurde Alfred Kanzler, ebenfalls Lehrer an der Humboldt- Schule. Kanzler wurde im Juli 1944 zu siebenJah- ren Zuchthaus verurteilt. Schüler hatten seine regimekritischen Bemerkungen zum Anlass für eine Denunziation genommen. Er über- lebte seine Befreiung Anfang April 1945 durch amerikanische Soldaten nur um wenige Wo- chen. Alfred Kanzler starb 57-jährig am 24. Mai 1945 an den Folgen der Hafibedingungen. Schule und Wehrmacht Mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht begann der Zugriff der Wehrmacht auf Lehrer und Schüler. So wurden einzelne Lehrkräfte der Humboldt-Schule wiederholt zu Wehrü- bungen eingezogen. Ab Kriegsbeginn wurden verschiedene Lehrer einberufen. In einem Fall bemühte sich der Minister für Kultus und Unterricht, einen zu einer Baukompanie ein- berufenen Lehramtsassessor wieder in den Schuldienst zurückzuholen. In seiner Begrün- dung gab das Ministerium an, der betreffende Lehrer sei bei einer freiwilligen Meldung zum Wehrdienst wegen Kurzsichtigkeit abgewiesen worden und somit "nicht neuzeitlich ausgebil- det". Im Übrigen sei die Erziehung der Jugend als "kriegswichtig" zu bezeichnen. Die Bitte hatte zur Folge, dass der Betreffende umge- hend vom Wehrdienst befreit wurde. Von Bedeutung für die Wehrmacht war vor allem auch der Zugriff auf die Schüler der Höheren Schulen, aus deren Reihen der Offi- ziersnachwuchs gewonnen wurde. Dieses Inte- resse schlug sich in zahlreichen Informations- veranstaltungen während der Unterrichtszeit nieder. Hinzu kamen weitere Werheveranstal- rungen des SD, der SS und der Sicherheitspo- lizei. Sie zeigten auch entsprechende Wirkun- gen: acht Schüler der Abschlussklasse bewar- ben sich z.B. im Juli 1940 bei der Luftwaffe als Offiziersanwärter. All dies hatte Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts, was auch durch eine Notiz von Direktor Hundt zur Reifeprüfung von Ostern 1941 bezeugt wird: "Die Prüfung war in mancher Hinsicht nicht befriedigend, da die Folgen der Unterrichts- einschränkungen, der Lehrerwechsel und die schon ganz auf den Eintritt in die Wehrmacht ausgerichreren Einstellung der Schüler deut- lich feststell bar war." Mit unserer Arbeit hofften wir zeigen zu können, wie die NS-Diktarur die Schule zu 216 einem Instrument ihrer Politik machte. In welchem Ausmaß Schüler wie Lehrer der Humboldt-Schule tatsächlich der NS-Ideolo- gie anhingen, ließ sich mit unseren Mitteln nur begrenzt ermitteln. Immerhin konnten die Opfer benannt werden, welche die NS- Diktatur unter Schülern und Lehrern der Humboldt-Schule forderte. An ihr Schicksal erinnert zu haben gibr unserer Arbeit, so hof- fen wir, ihren besonderen Sinn. SANDRA JUNG UND MANUEL WITTEK »'" damit unnötigen Sorgen und Mißerfolgen vorgebeugt werden kann im Interesse der Stadt und der menschlichen Gesellschaft ... " Zum 75-jährigen Bestehen der Psychologischen Beratungsstelle Karlsruhe fiir Eltern, Kinder undjugendliche Mit den eingangs zitierten richtungsweisen- den Worten appellierte die Erziehungsbera- tungsstelle des Stadt jugendamtes Karlsruhe in der Abendausgabe der "Badischen Presse" vom 11. Mai 1927 an "alle an der Erziehung unse- rer Jugendlichen interessierten Kreise, insbe- sondere Schule, Behörden und Wohlfahrtsver- bände, ... rechtzeitig die psychisch gefahrdeten Kinder der Beratungsstelle zuzuführen ... " Mit einem ausführlichen Zeitungsartikel stellt sich die Erziehungsberatungsstelle hier der Karlsru- her Bevölkerung vor. Öffentliche Hilfe in persönlichen Angele- genheiten in Anspruch zu nehmen, war auch in einem anderen Zusammenhang nicht ganz neu - war doch im April 1927 im Rathaus eine Eheschlichtungsstelle eingerichtet wor- den, die bereits im Herbst zunehmend aufge- sucht wurde. Die Gründung der Erziehungsberatungs- stelle Karlsruhe fügt sich in ein gesellschaftli- ches Klima ein, das für Themen der Psycholo- gie, Psychoanalyse und Pädagogik offen war. "Was ist Psychoanalyse?" "Zweiter Kongreß für Psychotherapie. Der gegenwärtige Stand der Psychoanalyse" .. "Moderne Kindererzie- hung. Die individual-psychologische Erzie- hungsmethode" . "Erziehung und Unterricht auf neuer Grundlage" oder "Gesunderhaltung der Kinderseele. Was der Nervenarzt sagt" : bei der Durchsicht der "Badischen Presse" des Jahres 1927 fallt eine dichte Berichterstattung zu Fragen der Psychologie, Psychoanalyse und Pädagogik auf. Zudem jährte sich 1927 der 100. Todestag des Pädagogen Heinrich Pesta- lozzi, der im Rahmen einer Reichserziehungs- woche des evangelischen Reichselternbundes auch in Karlsruhe mit Veranstaltungen der Lehrerbildungsanstalt und des evangelischen Kindergartenseminars gefeiert wurde. Im oben zitierten Zeitungsartikel vom 11. Mai 1927 informiert das Stadt jugendamt sei- ne Klientel umfassend und detailliert über die Leistungen der Erziehungsberatungsstelle: über ihre Unterbringung im Erdgeschoß des Rathauses, über ihre Öffnungszeiten und die unentgeltliche Beratung. Auf einer zweiten inhaltlichen Ebene informiert das Stadtju- 217 gendamt über die Arbeitsweise der Betatungs- stelle: zur Klärung der Sachlage wurden zu- nächst Vorerhebungen sowie psychologische Untersuchungen und Beobachtungen ange- stellt worauf die Beratung der Eltern erfolgte. Eingehende psychologische Untersuchungen mit anschließender ambulanter Beobachtung und Beschäfrigungsstunden mit heilpädagogi- scher Beratung und Aussprachen rundeten schließlich die Behandlung ab. "Bei aller Ver- feinerung der Methodik: seht viel hat sich bis heute nicht geändett, d. h. die drei Begtiffe Diagnostik, Beratung und Therapie bilden nach wie vor die drei Hauptsäulen der Erzie- hungsberatungsarbeit" urteilt der damalige Leiter Norbert Schmidt im Jahr 1985 in sei- nem "Geschichtlichen Rückblick über die Er- ziehungsberatungsstelle der Stadt Karlsruhe". Das Stadt jugendamt benennt zudem detail- liert die Kinder und Jugendlichen, für die es Beratung anbietet: psychisch auffällige, ent- wicklungsgehemmte und schwer erziehbare Kinder sowie in Entwicklungskrisen und Er- ziehungskonflikten stehende oder sittlich ge- fährdete Kinder und Jugendliche. Schließlich formuliert das Stadt jugendamt in seinem Zei- tungsartikel vom 11. Mai 1927 den Zweck der Erziehungsberatung: "durch rege Zusammen- arbeit und Verständigung mit den Schulbe- hörden, dem Schularzt, dem Arbeitsamt und den caritativen Organisationen soll zum Woh- le der Schutzbefohlenen gewirkt werden. Gleichzeitig sollen durch diese vorbeugende Fütsorge die Fälle drohender Verwahrlosung und notwendig wetdendet Fürsorgeerziehung möglichst eingeschränkt werden." Umsetzung des Jugendwohlfahrtsgesetzes Die Berarungstätigkeit des Stadt jugendamts in Erziehungsfragen begann bereits im Jahr 1922. Die Stadt Karlsruhe unternahm damit die ersten Schritte zur Umserzung des Jugend- wohlfahrtsgeserzes aus dem Jahr 1922, das am 1. April 1924 in Kraft trat. Mit der Einrich- tung einet Etziehungsberatungsstelle wird Paragraph 4 umgesetzt, der als eine Aufgabe des Jugendamts definiert: ,,Aufgabe des Ju- gendamts ist ferner, Einrichtungen und Veran- staltungen anzuregen, zu fördern und gege- benenfalls zu schaffen für 1. Beratung in An- gelegenheiten der Jugendlichen." Das Jugend- amt hatte für die Beratungstätigkeit in dem damaligen Direktor der Fürsorgeerziehungs- anstalt Flehingen, Professor Adalbert Gregor (1878-1971) eine renommierte Fachkraft ge- funden. In den "Badischen Anstaltsblättern" aus dem Jahr 1926 schildert Professor Gregor die Hintetgründe seiner Mitarbeit beim Stadt- jugendamt. "Die guten Erfahrungen, welche wir mit der im Frühjahr 1918 von mir und meiner Frau in Leipzig gegründeten Bera- tungsstelle gemacht haben, veranlaßten uns, dem Wunsche des Jugendamtes in Karlsruhe Folge zu leisten und auch hier seit 1922 heil- pädagogische Sprechstunden abzuhalten." Die heil pädagogischen Sprechstunden Pro- fessor Gregors fanden alle zwei bis drei Wo- chen in den Räumen der Stadtschularztstelle in der Kreuzstraße 15 starr, und in den kom- menden drei Jahren erwies es sich, dass die heilpädagogische Beratung zu erweitern und zu vertiefen war. Aus der Sprechstunde wird eine Behörde Am 17. Juli 1925 stellte der Beirat des Jugend- amts an Oberbürgermeister Julius Finter den Antrag, "die bisher betriebene Fürsorge für geis- tig zweifelhafte Kinder und Jugendliche aus- zubauen durch Einstellung einer auf dem Ge- biete der Heilpädagogik ausgebildeten Kraft". 218 Ihre Tätigkeit müßte nach Einschätzung des Beirats derart festgelegt werden ...... daß aber mindestens an 3 oder 4 Nachmittagen in der Woche in einem geeigneten Raum oder Gar- ten Spiel- und Beschäftigungs-Nachmittage für geistig anormale Kinder von ihr abgehalten und etwa notwendige Rücksprachen zwischen ihr. der Schule und den Eltern im Einverneh- men mit ihrer vorgesetzten Dienststelle vorge- nommen werden." Der Beirat hielt es außerdem für zweckmä- ßig. diese Kraft der StadtschularztsteIle anzu- gliedern, und ein Zusammenwirken mit Pro- fessor Gregor und dem Jugendamt sollte si- chergestellt sein. Die gewünschte Kraft wurde in der Fürsor- gerin beim Jugendamt. Frieda Ott (1887- 1972) gefunden. Die Sozialbeamtin und Wohl- fahrtspflegerin Ott war bereits am 1. August 1925 beim Städtischen Jugendamt eingestellt worden. Während eines fünf-monatigen Vo- lontariats beim Provinzialinstirut für Psycho- logie in Halle und einer dreimonatigen Assis- tentinnen-Tätigkeit am Psychologischen Ins- titut der Technischen Hochschule Stuttgart hatte sie sich .. psychotechnische Kenntnisse" angeeignet. wie aus ihrer im Stadtarchiv Karls- ruhe archivierten Personalakte hervorgeht. Zu- nehmend wurde Frieda Ott in der nun so be- zeichneten .. Beratungsstelle fur schwer erzieh- bare Kinder" eingesetzt und war im Juni 1927 schließlich vollbeschäftigt dort tätig. Aus den bisherigen Sprechstunden war eine städtische Behörde geworden. Bis 1945 wurde die Erzie- hungsberatungsstelle Karlsruhe von der Für- sorgerin Ott geleitet. Parallel zu seinen Tätig- keiten als Direktor der Fürsorgeanstalt Flehin- gen. als Medizinalreferent beim Justizministe- rium in Karlsruhe sowie als Gefängnisarzt in Karlsruhe und Bruchsal wirkte der Psychiater Professor Adalbert Gregor weiterhin als Mitar- beiter und Gutachter an der Karlsruher Erzie- hungsberatungssteIle mit. Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg .. Bei der gegenwärtigen Not der körperlich und geistig geschädigten Jugendlichen und in Anbetracht der Tatsache. daß viele Eltern hilf- los den Problemen der körperlichen und geis- tigen Schädigungen ihrer Kinder gegenüber- stehen. erscheint es angebracht. die heilpäda- gogisehen Beratungsstellen bei den Stadtju- gendämtern wieder einzurichten." Mit dieser Stellungnahme unternahm das landesjugend- amt Baden im Dezember 1946 die ersten Schritte zur Wiedererrichtung der heilpädago- gischen Beratungsstelle beim Stadt jugendamt Karlsruhe. Die Lektüre der Karlsruher Stadt- chronik vermittelt eine Vorstellung davon. welcher Not die Karlsruher Kinder und Ju- gendlichen in der Nachkriegszeit ausgesetzt Karlsruher Buben im Jugendhort. 219 waren. Überbelegte Wohnungen ohne indivi- duellen Rückzugsbereich, ein extrem harter Winter 1946/47 und drastischer Nahrungs- mangel kennzeichneten die ersten Nachkriegs- jahre. Den Wiederaufbau der Karlsruher Er- ziehungsberarungsstelle betrieb das Landes- jugendamt nun in zügigen Schritten. Nach Rücksprache mit der Karlsruher Ärztin und Psychotherapeutin Dr. Marie Sulzer, die bereit war, ab sofort die Leitung der Karlsruher heil- pädagogischen Beratungsstelle zu überneh- men, erging am 14. April 1947 die Aufforde- rung an das Stadt jugendamt, die Einrichtung der heilpädagogischen Beratungsstelle in Karls- ruhe nunmehr durchzuführen. Am 13. Juni 1947 war es dann so weit: die Städtische Wohl- fahrrsverwalrung gab im ,,Amtsblatt der Stadt Karlsruhe" die Wiedererrichrung der Erzie- hungsberarungsstelle im Städtischen Schü- lerhort Sofiensrraße 43 bekannt, wo künftig am 2. und 4. Mittwoch jeden Monats von 10- 12 Uhr Sprechstunden abgehalten wurden. Ein Zeitungsartikel der "Badischen Neues- ten Nachrichten" dokumentiert, daß die Er- ziehungsberatungsstelle Karlsruhe auch Ab- endveranstaltungen durchführte. Unter der Überschrift "Haben deutsche Eltern so wenig Interesse?" berichtet die "BNN" am 18. No- vember 1952 von einer gur besuchten Vor- trags- und Diskussionsveranstalrung im Ame- rikahaus, bei der die Heilpädagogin Christa Rauhur den von ihr geleiteten heilpädagogi- schen Spielkreis vorstellte und von ihren Er- fahrungen mit Spieltherapie in Amerika be- richtete. Ausbau und Aufbau Die Erziehungsberatungsstelle der Stadt Karls- ruhe wurde von 1947 bis 1968 von der Ärztin und Psychotherapeutin Dr. Marie Sulzer (1901-1995) geleitet. Auch die frühere Für- sorgeinspektorin Frieda 0" arbeitete bis 1952 an der Karlsruher Stelle wieder mit. Dr. Marie Sulzer führte anstelle der bisher praktizierten bewußtseinspsychologischen Methode die Be- ratungsarbeit auf tiefen psychologischer Grund- lage ein. Zudem baute sie die Karlsruher Bera- tungsstelle im Sinne der "Child Guidance Clinic" (Teamarbeit) aus. Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit in Karlsruhe hielt sie an zwei Nach- mittagen pro Monat auch Berarungsstunden im Stadtamt Durlach. Die große Akzeptanz und Anerkennung für Marie Sulzer innerhalb der Fachwelt kommt durch ihre Wahl zur ers- ten Vorsitzenden der Landesarbeitsgemein- schaft Baden-Württemberg für Erziehungsbe- ratung im Jahr 1965 und zum Vorstandsmit- glied der Bundeskonferenz zum Ausdruck. Seit Einrichtung der ersten Psychologen- stelle im Jahr 1952, die mit dem Psychologen und späteren Leiter Dr. Ernst EU besetzt wur- de, hat sich die ErziehungsberatungssteUe so- wohl in ihren Aufgaben als auch personell und räumlich kontinuierlich erweitert. 1967 zog die Beratungsstelle vom Rathaus West in das Gebäude Werderstraße 63 um und erweirerte 1968 ihre Wirkungsmäglichkeiten mit der Einrichtung einer psychagogischen Abteilung im ehemaligen Schülerhort auf der Nordseite des Sybelheims. 1984 erfolgte ein ern eurer Umzug in den renovierten Südflügel des Städ- tischen Kinderheims in der Sybelsrraße 13. Im Jubiläumsjahr 2002 nimmt die "Psychologi- sche Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche", wie sie seit 1988 heißt, mit dem ehemaligen städtischen Wasserwerksgebäude Gartenstraße 53 sogar ein eigenes Gebäude in Besirz. Mit der Gründung des Psychosozialen Dienstes im Jahr 1974, der seither zur Psycho- logischen Beratungsstelle gehärt, dehnte sie ihr Diensdeistungsangebot auf Familien aus, die vom Städtischen Jugendamt und vom So- zialen Dienst betreut werden und die Erzie- hungsberatung bis dahin nicht in Anspruch 220 genommen hatten. Psychologische Stellung- nahmen bei der Planung von Heimunterbrin- gungen und die Prüfung von ambulanten Al- ternativen wurden zu einer weiteren Haupt- aufgabe des Psychosozialen Dienstes. Von 1973 bis 1990 bildete außerdem die städtische Jugend- und Drogenberatungsstelle eine Ab- teilung der Karlsruher Erziehungsberatungs- steIle. Heute ist der Psychologischen Bera- tungsstelle auch die 1990 gegründete Fachbe- ratungsstelle bei sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen ,,AllerleiRauh" fachlich und organisatorisch angegliedert. In den letzten Jahren hat sich eine regelmä- ßige offene Sprechstunde in den Räumen der Beratungsstelle etabliert, aber auch Sprech- stunden in Schulen oder Kindergärten, Grup- penangebote und Gesprächskreise in den Stadtteilen sollen ratsuchenden Eltern und auch Kindern und Jugendlichen unkompli- zierte Zugangsstelle zur Psychologischen Bera- tungsstelle eröffnen und zur Kontaktaufnahme mit den Beratern und Beraterinnen ermutigen. Seit 1988 "Psychologische Beratungsstelle rur Eltern, Kinder und Jugendliche" Die 1988 erfolgte Umbenennung in "Psycho- logische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche" ist der Erziehungsberatungs- stelle nicht leichtgefallen, wie sie in ihrem "Jahresbericht 1988" schreibt, denn " ... hat doch die Karlsruher Erziehungsberatungsstelle eine nunmehr 62-jährige Geschichte und ei- nen sehr guten Ruf in der Bevölkerung." Als letzte der badischen Erziehungsberatungsstel- len nahm Karlsruhe 1988 die Umbenennung vor. "Letztendlich konnten und wollten wir uns aber dem allgemeinen Trend nicht ver- schließen", begründet die Erziehungsbera- tungsstelle im Jahresbericht 1988 ihren Schritt, und in einem "BNN"-Artikel vom 5. Januar 1988 erläutert der damalige Leiter Oe. Norbert Schmidt einen weiteren Zusam- menhang: "der neue Name ... ist eigentlich nicht mehr als eine Anpassung an die Realität, denn es geht bei uns längst nicht mehr nur um Erziehung und Beratung, sondern verstärkt auch um Beziehungsprobleme.'.' Im Jubiläumsjahr 2002 arbeiten bei der Psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche neben Verwaltungs- kräften 16 Psychologinnen und Psychologen, drei Sozialpädagoginnen und drei Heilpäda- goginnen auf 14,5 Planstellen. In jüngster Zeit ist auch ein dringendes Anliegen des früheren Amtsleiters und Psychologen Dr. Ernst Eil verwirklicht worden: die Dezentralisierung und Regionalisierung der Beratungsstelle. Be- reits 1971 hatte Dr. Eil als mittelfristige Auf- gabe der Erziehungsberatungsstelle formuliert: "in den nächsten Jahren sollten in den größten Stadtteilen Außenstellen der Erziehungsbera- tung eingerichtet werden. Unsere Arbeit soll- te mehr als bis jetzt dort geleistet werden, wo die Menschen wohnen". Im Jahr 1996 wurde mit der Bildung der drei Beratungsstellen Ost, Mitte und West, die analog den Bezirken des Sozialen Dienstes zuständig sind, die Psycho- logische Beratungsstelle dezentralisiert und regionalisiert. Diese Regionalisierung trägt da- zu bei, die Leistungen der Psychologischen Be- ratungsstelle besser auf die Erfordernisse vor Ort einstellen zu können und enger mit ande- ren Einrichtungen der Stadtteile zu koope- rieren. Sie versteht sich nicht nur als Einrich- tung, die notwendige Hilfe im Einzelfall leis- tet, sondern als eine soziale Dienstleistungs- einrichtung. Mit dem Bezug des Gebäudes Gartenstraße 53 im September 2002 findet eine räumliche Zentralisierung der drei Bera- tungsteams Ost, West und Mitte statt, die re- gionale Zuordnung zu den Karlsruher Stadt- teilen bleibt aber weiterhin bestehen. ANGELIKA SAUER 221 Stadtplanung in Karlsruhe im 19. Jahrhundert: Der Bauplan von 1857 Der "Bauplan der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe" von 1857 ist der erste behördlich genehmigte Stadterweiterungsplan von Karls- ruhe. Kurioserweise ist dieser keine grafische Darstellung. sondern ein schriftliches Doku- ment als Verordnungstext der Großherzogli- chen Regierung des Mirrelrheinkreises. Der Text enthält auch keinen Hinweis auf eine grafische Beilage. Auch führten die Recher- chen zu keinem Fund. obwohl nach EHREN- BERG ein Plan gezeichnet worden sein soll. Die Entstehung des Bauplanes gestaltete sich langwierig und mühevoll. Die "innere Erwei- terung" der Stadt östlich der heutigen Rein- hold-Frank-Straße war dabei unstrirrig. im Gegensatz zu der südlich der Kriegsstraße. Pläne und Bedenken Seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhun- derts. dem endgültigen Ausklingen der abso- lutistischen Stadtplanung. stellte sich für die Verantwortlichen in Karlsruhe die Frage einer Stadterweiterung über die Grenzen der Stadt des 18. Jahrhunderts. Der Schlossbezirk im Norden. die nördliche Bebauung der Stepha- nienstraße. der von Nord nach Süd verlaufen- de Abschnitt der Kriegsstraße (südlicher Teil der heutigen Reinhold-Frank-Straßel. die Kriegsstraße bis zum Rüppurrer Tor und der Landgraben bis zum Durlacher Tor bildeten die Grenzen der Stadt. An die 23.000 Einwoh- ner lebten in über 1.250 Häusern. Innerhalb dieser Fläche gab es noch zahlreiche unbebau- te beziehungsweise nicht erschlossene Grund- stücke. Ende der dreißiger Jahre zählte man 35 freie Baugrundstücke und 468 Häuser. die aufzustocken gewesen wären. Neben den großen Gartenanlagen der Markgräfin Amalie. des Markgrafen Ludwig. der Gräfin Hochberg und des Langenstein- sehen Gartens war im Südwesten noch eine große Fläche mit privaten Gärten. Dieses Are- al war in Plänen von Friedrich Weinbrenner bereits als Stadterweiterungsgebiet vorgesehen. Zwischen Karlsrraße. Kriegsstraße. Landgra- ben und heutiger Reinhold-Frank-Straße lag ein Flächenpotenzial von über zwölf Hektar. Die Bebauung reichte von der Amaiienstraße bis zur heutigen Sophienstraße und von Osten bis zur Hirschstraße. die bis zur Sophiensrraße bereits beidseitig bebaut war. An der Amalien- straße selbst waren die Häuserzeilen bis zum Mühlburger Tor annähernd geschlossen. Große Nach&age Die ausdrückliche Verhinderung einer großen Stadterweiterung - sie war südlich des Ettlin- ger Tores von Friedrich Wein brenner konzi- piert worden - beruhte unter anderem auf der Befürchtung der Regierung. dass das Bauge- schehen innerhalb der Stadt stagnieren könn- te. viele Baulücken weiterhin unbebaur blie- ben und die älteren niedrigen Gebäude in der damaligen Langen Straße (heurige Kaiserstra- ßel nicht aufgestockt beziehungsweise durch Modellhaustypen ersetzt würden. 1811 wurde deshalb eine Verordnung mit dem Inhalt erlassen. dass alle Hauptrepararu- ren in den alten Häusern verboten wurden. 1827 erfolgte die erneute Bekanntgabe. die noch 1843 Bestandteil der damals erlassenen Bauordnung wurde. Anfang 1816 lehnte der Großherzog Weinbrenners letzte Variante der "Vergrößerung der Stadt" ab. Weinbrenner 222 selbst genehmigte nur provisorisch beantragte Bauvorhaben südlich des Ettlinger Tores, um keine eventuellen Hindernisse gegenüber sei- nem Plan entstehen zu lassen. Die Nachfrage nach Bauerlaubnis außer- halb des eigentlichen Baubezirkes, der heutigen Innenstadt, muss stark gewesen sein, da das Po- lizeiarnt 1833 dazu eine Stellungnahme abgab und dabei die Festlegung der Baugrenzen für die Stadt verlangte. Für das Bauen von Wohn- häusern empfahl die Behörde enge Grenzen. Die 1835 erlassene Verordnung untersagte im Allgemeinen Gebäude außerhalb des Stadt- baubezirkes . ..Ausnahmsweise wird die Auffüh- rung von Gebäuden gestattet: a) zur Errichrung von Fabriken oder andern Gewerbsanlagen, wovon die einen oder die andern einen großen Raum erfordern; b) zum Behuf der Betreibung solcher Gewerbe, die, wenn sie innerhalb der Stadt errichtet würden, eine Unannehmlichkeit für das Publikum verursachen, oder für die Vorübergehenden oder Nachbarn gefährlich sein könnten, c) als Garten und Landhäuser ... " Im Bereich der heutigen Südstadt standen einzelne Gebäude wie das Landesgestüt, eine Bleichanstalt, die militärische Waschanstalr. 1840 gab es aber auch bereits eine Reihe von Wohnhäusern, die wahrscheinlich offiziell als "Landhäuser" galten. Neue Grenzen Die Erweiterung der Stadt nach Südwesten innerhalb der Kriegsscraße war bereits im ers- ten Stadterweiterungsplan von Friedrich Weinbrenner aus dem Jahre 1802 als eine selbstverständliche Ergänzung des Stadtgrund- risses zu sehen. Die Fesdegung der Akzisen- grenze endang der Kriegsstraße vom Karlstor bis zum Etdinger Tor war eine logische Fort- führung der bisherigen Stadtgrenze. Diese Zollgrenze war für die städtischen Finanzen von Bedeutung, da an den Stadtto- ren ab 1820 eine Verbrauchssteuer unter ande- rem auf Mehl, Wein, Holz und Immobilien er- hoben wurde. Ab 1837 rückte der "Mühlbur- ger-Tor-Stadtteil" wieder ins Blickfeld der Ver- anrwortlichen. Das Polizeiamt beantragte die Genehmigung der Bebauung für die freie Flä- che und die Herstellung der Aharnauer inner- halb von drei Jahren vom Etdinger Tor zum Mühlburger Tor. Von jetzt an begannen die kommunal politischen Querelen, die nachweis- lich zehn Jahre andauerten. Hatte das Polizei- arnt eine abschnittsweise Planung und Geneh- migung angeregt, so verlangten einige Ge- meinderatsmitglieder die Erstellung des Ge- sarntplanes für den Stadtteil vor der Genehmi- gung einzelner "Quadrate". Weinbrenners Pla- nUßrerlagen waren nicht aufgefunden worden, was das Polizeiarnt zweifeln ließ, ob überhaupt jemals eine Planung angefertigt worden war. Aus dem Gemeinderat kam dann der An- trag auf Aussetzung des Projektes, solange die Lage des Bahnhofs noch nicht entschieden sei. 1840 stellte ein Grundstückseigentümer an der Kriegsstraße ein Baugesuch, das wieder zu Aktivitäten führte. Unter anderem beschäftigt sich die Baukommission des Gemeinderates mit Fragen der Stadterweiterung: Ist eine Er- weiterung der Stadt notwendig? Wo kann und soll solche geschehen? Die erste Frage wurde bejaht, die zweite dahin gehend beanrwortet, dass innerhalb der Stadt Möglichkeiten bestünden wie die Be- bauung der neuen Zähringerstraße und des Langensteinsehen Gartens. Auch sollte der begonnene Stadtteil zwischen Mühlburger Tor und Ludwigstor, also nördlich der Stephanien- straße, wegen seiner "höchsten und gesündes- ten Lage" fertig gestellt werden. Die Vergröße- rung der Stadt südlich der heutigen Kriegsstra- ße sollte nicht weiterverfolgt werden, da der Bahnhof nahe an der alten Stadt liegen solle, größere Verbindungen daher fehlten. Auch betrügen die Kosten einige Hundertausend. 223 Plan Karlsruhes von 1817 mit der Stadrerweirerung westl ich der Karlstra~. Der bereits zitierte Ehrenberg widmete dem Thema in seiner Arbeit viel Aufinerksam- keie. Ihm lagen noch die Quellen in Form von Archivalien vor, was heute durch Verluste - spätestens während des Zweiten Weltkrieges- nicht mehr der Fall ist. Dadurch stützt sich die Schilderung zu einem großen Teil auf diese Sekundärquelle. So berichtet er auch von einem 1843 für die Regierung vetfassten Gutachten des Ober- baudirektors Hübsch, Residenzbaumeisters Schwarz und Stadtbaumeisters Küntzle "Über die definitive Begrenzung von Karlsruhe und die Art, wie die dermalen noch unbebauten Flächen innerhalb der Grenzen überbaut wer- den sollen". Die Stadtgrenze wurde dabei festgelegt mit der heutigen Moltkesrraße, Reinhold-Frank- Straße, Kriegsstraße und die östliche Mauer des alren Friedhofs an der heutigen Ostend- straße. Die Augärten sollten nur der Errich- tung von Landhäusern vorbehalten bleiben. Durch die Verbteiterung der vorhandenen Gar- tenwege in Ost-West-Richtung - jetzt Schüt- zen- und Luisenstraße -, die Anlage einer Al- lee hinter dem Bahnhof (Bahnhofstraße, heute Baumeisterstraße) und einer Nord-Süd-Straße in Fortsetzung der Gebäudeachse der Maschi- nen- und Wagenwerkstätten entstünden viet Areale. Det Planentwurf füt alle Stadtetweite- rungsgebiete von 1847 gibt diese Beschreibung wieder. Die halbkreisförmige Straßenerweite- 224 " , .. ·······1 ,. ... ,' •. , .. of • •• V ; ~ ... .... .A. ......... ~';r..- ....... -r".,- l..*.. ._ .. .... ~ .. .--. 1: _ . "--,. , ... -'-- .. _ .... .. _~.---.. _,..,. .... ...-.- ... -_ .. --. . :]1~::~~~. Plan Karlsruhes von 1847 mit den projektierrcil Stadterweiterungen nach Süden und Westen, rung in der projektierten Bahnhofstraße als Platz zu Beginn der Nord-Süd-Erschließung dürfte der wahrscheinlich letzte stadtbau- künstlerische Akzent in einer Planung für Karlsruhe in den nächsten Jahrzehnten bleiben. Politische Dispute 1846 erreichte die öffentliche Diskussion über die künftige Erweiterung Karlsruhes ihren Höhepunkt mit dem Bekannrwerden der Pla- nungsabsichten in Richtung Westen, also für den Mühlburger-Tor-Bezirk. Die damalige Presse, insbesondere der "Karlsruher Beobach- ter", ließ die unterschiedlichen Meinungen zu Wort kommen. Zwischen dem 2. April 1846 mit der Ankündigung über den Entwurf des neuen Stadtbauplans bis 30. Juli desselben Jahres sind in 14 Ausgaben des "Karlsruher Beobachters" Beiträge zur Stadterweiterung abgedruckt, Die Mehrzahl der Artikel und Zuschriften enthielten die Forderung, mit dem Ausbau eines Bahnhofsviertels zu beginnen, Als Begründungen wurden genannt die Norwendigkeit von Wohnungen für Arbeiter der Bahnhofswerkstätten und Fabriken und von Flächen für Gewerbe und Handel. Ge- genmeinungen hoben die Gefahren in einer Vorstadt wegen erhöhter Kriminalität und das Problem der Erhebung des Octrois, der Ver- brauchssteuer, hervor. Die Akteure "Grund- stückseigentümer" führten die Auseinander- 225 setzung über die Presse. Jede Gruppe vertrat ihre Interessen, je nach Lage des Eigentums. Diese Positionen entsprachen auch den unter- schiedlichen politischen Einstellungen. Die politischen Umwälzungen in dieser Zeit wirk- ten auch auf die kommunale Ebene. Tenden- zen des Liberalismus wurden erkennbar durch die Kräfteverschiebung im Stadtrat zu Guns- ten der "Männer des Fortschrittes". Bei der Wahl von 1846 erreichten die Vertreter des Handwerkerstandes mit 53 Prozent die Mehr- heit gegenüber den konservativen Kräften aus dem Kaufmanns- und Bankierstand. Weech spricht in seiner Stadtgeschichte 50 Jahre spä- ter von den "in den Anschauungen der alten Zeit lebenden Gemeindevertretern", denen wegen deren "ultrakonservativen Tendenzen" eine Stadterweiterung als unerhörtes und geradezu leichtfertiges Wagnis erschien. Das große öffentliche Interesse an der Stadtbaufra- ge lässt sich auch noch durch den inserierten Verkauf des Planentwurfs (Stand I. Januar 1847), verlegt von der Müllersehen Hofbuch- handlung, belegen. DerErtrag kam sozialen Einrichtungen zu Gute. Die Entscheidung im wichtigsten kommunalen Gremium. dem gro- ßen Bürgerausschuss, fiel am 5. Juli bezie- hungsweise 12. August 1847 zu Gunsten aller beantragter Distrikte, aber mit unterschiedli- chen Bebauungsmöglichkeiten. Die Bauer- laubnis für das Mühlburger-Tor-Areal erfolg- te mit der Bedingung, dass eine Stadteinfriedi- gung vorerst nicht erfolge oder von den Eigen- tümern zu finanzieren sei. Leopold- (früher Schlachthaus-) und Hirschstraße sollten dabei bis zur Kriegsstraße verlängert werden. Das zwischen der zu verlängernden Karlstraße und Ettlinger Tor, südlich der Kriegsstraße bis zur Keßlersehen Maschinenfabrik liegende Gelän- de (bis zur heutigen Hermann-Billing-Straße) solle als "Vorstadt" überbaut werden dürfen. Hier hatte der Vertreter der Fortschrittlichen und kurzzeitige Oberbürgermeister August Klose Grundstücke im Eigentum. "Vorstadt" bedeutete, wie im erst 1857 endgültig geneh- migten Stadtbauplan deutlich erkennbar ist, Bebauung mit Fabriken, gewerblichen Anla- gen, Gärrnereien und Landhäusern. Ebenso erlangte der erste Abschnitt der Augärten den Status einer Vorstadt. In Abwandlung des Plan entwurfs vom Januar 1847 sollten anstatt einer zwei von Norden nach Süden laufende Straßen der Erschließung dienen (heutige Wilhelm- und Marienstraße). Die Bauerlaub- nis in allen drei Distrikten war aber an Bedin- gungen geknüpft. An die Stadt konnten keine Ansprüche auf die Erschließung gerichtet wer- den. Die dafür notwendigen Flächen waren aber unentgeltlich an die Stadt abzutreten. Des Weiteren sollten alle Bauwilligen den Ansprüchen an die Stadt entsagen, was die öffentliche Erschließung betraf. Was ist Karlsruhes Profil? Der Inhalt und Verlauf der beiden Sitzungen des großen Bürgerausschusses sind durch die stenografischen Aufzeichnungen in der Zei- tung "Karlsruher Beobachter" wiedergegeben. Damit liegt hier ein Dokument vor, das aus mehreren Gründen für die Nachwelt von Be- deutung ist: I. die damals aktuellen Hauptfragen und unterschiedlichen Standpunkte in der Kom- munalpolitik liegen aurhentisch vor, was bei der ansonsten schlechten Verfügbarkeit von Primärquellen von Bedeutung ist; 2. die Redebeiträge verschiedener Aus- schussmitglieder zeigen deutlich die Verbin- dung der eigenen Sache mit der der künftigen Stadtentwicklung; 3. in der Stadterweiterungspolitik wurden entweder Gefahren für die Immobilien der be- stehenden Stadt oder mehr "Gerechtigkeit und Freiheit" durch das vermehrte Bodenan- gebot gesehen; 226 4. Fragen des Städtebaues beziehungsweise des Stadtbildes wurden in keiner Weise berührt: 5. die Behandlung dieses, insgesamt über drei Stunden dauernden Tagesordnungspunk- tes in diesen Sitzungen zeigt ein ungemein starkes Engagement an der damaligen Frage der Stadtplanung, wie es in einem kommuna- len EntScheidungsgremium in Karlsruhe wahr- scheinlich bislang einzigartig ist. Das Polizeiamt kritisierte diese Beschlüsse und verlangte eine Umarbeitung. Die zwei Jahrzehnte lang geführte Diskussion über die Notwendigkeit einer Stadterweiterung und die Hauptfunktion Karlsruhes als Stadt droht nochmals auszubrechen. "Der Bürgerausschuß folgt dem Prinzip, die Verhältnisse sich natür- lich entwickeln zu lassen und ferner der Idee, daß die industrielle Richtung nach der Eisen- bahn gehe. Was ist nun das vorherrschende Interesse von Karlsruhe? Karlsruhe ist kein Industrieort und wird es bei seiner ungünsti- gen Lage nie werden. Es ist entstanden durch die Idee eines Fürsten, hier seinen Hofbalt zu nehmen ... Karlsruhe ist sonach vorzugsweise eine Hofstadt ... Als Residenz muß Karlsruhe trachten, die vielen unansehnlichen Bauten im Stadtbezirk zu beseitigen und elegante Bauten in seinen Umgebungen zu erhalten. Statt der eleganten Bauten verlangen diese (die Be- schlüsse, Anm. d. Verf.) gewöhnliche Vorsräd- te, statt die Bauten außerhalb zu beschränken, lassen sie solche ungehindert zu und garantie- ren dadurch das fernere Bestehen der alten Baracken in der Stadt. Die Stadt wird zu aus- gedehnt, zu teuer und die Gebäude und Bau- plätze der Stadt verlieren offenbar an Wert." Ehrenberg berichtet, dass der Plan im Dezem- ber 1848 - die politischen Umwälzungen der Revolutionsjahre verlangsamten wahrschein- lich das Verwaltungshandeln - vom Ministe- rium genehmigt worden sei. Gewisse Zweifel sind hier angebracht, da erst acht Jahre später der Plan, mit Datum vom 13. März 1857 ver- sehen, arn 31. August des selben Jahres öffent- lich bekannt gemacht wurde. Neue Areale Das Mühlburger-Tor-Areal war als nahe lie- gende "innere Sradrcrweiterung" unsrrittig. Die Flächen südlich der Kriegssrraße bezie- hungsweise des Bahnhofes lagen nicht in dem nun exakt definierten Baubezirk, letztendlich der Stadt des frühen 19. Jahrhunderts. Es gal- ten hier die "Vorschriften für die Aufführun- gen von Gebäuden in der Umgebung der Stadt". Die darin als zulässig definierten Nur- zungen entSprechen praktisch denen des Erlas- ses von 1835: Fabriken, störende Gewerbean- lagen, Gärtnereien, Gartenhäuser, Landhäuser und Gebäude für eine größere Landwirtschaft. Hier zeigt sich keine veränderte Einstel- lung nach 20 Jahren, es blieb die Fiktion der geschlossenen Stadt. D ennoch lassen die Aus- führungen über die Erschließung - 60 und 40 Fuß (18 bzw. zwölf Meter) breite Straßenquer- schnitte für die West-Ost-Straßen in den Au- gärten - auf eine Vorbereitung für städtisches Bauen schließen. Auch die geplanten Fortfüh- rungen der Schlachrhaus- (heute: Leopoldstra- ße und Karlsrraße über die Kriegsstraße hinaus und die Fesclegung einer südlichen Parallel- straße zur Kriegsstraße sind als Indizien dafür zu werten. Das alles deutet auf einen Kompro- miss hin zwischen den Akteuren mit deren unterschiedlichen Interessen. Die Bestimmun- gen lassen auf Prioritäten für die Realisierung schließen: zuerst das südwestliche Areal inner- halb des Baubezirkes, dann die Flächen südlich der Kriegsstraße und letztendlich die Augär- ten, die heutige Südstadt. 1858 liegen schon die Baufluchtenpläne für alle drei Bezirke vor. Wie die Diskussionen über die neuen Bau- flächen gezeigt haben, erhielten spätestens ab diesem Zeitpunkt das Bodeneigentum und seine Verwertung, sowohl auf der öffentlichen 227 als auch auf privater Seite eine maßgebliche Bedeutung für die weitere Entwicklung der Stadt. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts ver- suchte die Regierung durch den Verkauf staat- lichen Grundeigentums zu niedrigen Preisen und zeitweilige Korrekturen von zu hohen Schätzpreisen die Spekulation und Überteue- rung zu unterbinden. Ab 1825 fand der Staat selbst Gefallen am Grundstücksgeschäft, als die Preise für Flächen im Nordwesten nahezu verdoppelt wurden. Ein Jahr später wurden Grundstücke in der Zähringerstraße verstei- gert und der Zuschlag erst erteilt, als nach ei- ner zweiten Versteigerung ein erhöhter Preis erreicht werden konnte. Der Staat, im 18. Jahrhundert noch Lenker im Sinne der landes- fürstlichen Stadtplanung, gab diese Rolle lang- sam auf. Die Akteure auf der Gemeindeebene - Stadt- räte, Grundstückseigentümer, Wirtschaftstrei- bende - übernahmen die Geschicke der Stadt. Dabei wurde Karlsruhe immer weniger als geschlossenes bauliches Gebilde gesehen. Die Eisenbahn, die Vorbotin der Industrialisierung, fungierte als Auslöserin der ersten Stadterwei- terung Karlsruhes außerhalb der alten Grenzen. HARALD RINGLER Eberhard Gothein 1853 -1923 "Kümmern Sie sich nur gar nicht um die an- deren Herrn, lesen Sie, was ihnen gut scheint, aber fesseln Sie die jungen Leute, das ist alles, was wir wollen.'( So anMortctc der badische Kultusminister Nokk auf die Frage des neuen Professors an der Technischen Hochschule Karlsruhe 1885, ob er seinen Schwerpunkt mehr auf die Kulturgeschichte oder die Nati- onalökonomie legen sollte. Eberhard Gothein war froh, bei seinen ersten Lehrstuhl an der Technischen Hochschule Karlsruhe berufen worden zu sein, in die liberale Atmosphäre Badens, einem Land, dem er noch in vielfa- cher Weise dienen sollte. Auf dem Weg zum Kulturhistoriker Am 29. Oktober 1853 wurde Eberhard Go- thein als Sohn eines Arztes im schlesischen Neumarkt geboren. Früh verlor er seine Eltern und absolvierte bei einem Onkel in Breslau seine Gymnasialzeit. Mit dem Studium be- gann er an der dortigen Universität, die da- mals in hoher Blüte stand. 1874 wechselte er nach Heidelberg, wo er auf hervorragende Historiker und Nationalökonomen stieß. Pro- moviert hatte er 1877 mit der Arbeit "Der gemeine Pfennig auf dem Reichstag zu Worms". Der Weg zum Gelehrten ebnete sich rasch ein Jahr später mit einer Habilitationsar- beit über "Politische und religiöse Volksbewe- gung vor der Reformation". Jetzt begannen seine Wanderjahre, und mit einem preußi- schen Stipendium zog es ihn in den Süden Italiens, wo er Material zu seinem Buch über "Die Kulturentwicklung Süditaliens" sam- melte. Der künftige Kulturhistoriker sah in seiner Habilitationsschrift eine Ergänzung der Arbei- ten des Nestors Leopold Ranke, den er sehr verehrte. Dessen Schüler meinten hingegen, Kritik herauszuhören, und so trug dies dazu bei, ihm Rufe auf einen Lehrstuhl für Ge- schichte zu versagen. 228 "Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes" Er ließ sich 1883 an die Universität Straßburg umhabilitieren und nahm mit Baden Konrakr auf. Hier harre sich kürzlich die Badische His- torische Kommission gebildet, die Gothein 1883 mit einer Untersuchung der wirtschaft- lichen und sozialen Geschichte des Schwarz- waldes beauftragte. Das war ein Thema, das ihn ganz erfüllte, denn schon für seine Kultur- geschichte Süditaliens harre er Landschaft und Städte durchwandert auf der Suche nach loka- len Quellen. Er wurde bald ein Kenner des Schwarzwaldes wie keiner zuvor. Ursprünglich von der Kommission nur als Studie geplant, wuchs der erste Band zur Geschichte einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung dieser Region und der sie umgebenden Landschaf- ten. Mit dieser Städte- und Gewerbegeschich- te kommen für Gothein "die wichtigsten schwebenden Fragen zur Behandlung", und mit den Reichsstädten der Ortenau wollte er auch noch "die Wechselwirkung des städti- schen und bäuerlichen Lebens am genauesten erkennen lassen". Im Karlsruher Generallan- desarchiv harre er "ungeheure Stoffrnassen" zu bewältigen, dazu aber auch die Stadtarchive in Donaueschingen, Freiburg, Villingen und Kon- stanz besucht, nicht immer bei großer Bereit- schaft der Institutionsträger. Ziel war, sowohl die Entstehung der mittelalterlichen Stadt- und Zunftverfassung als auch die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaftsform zu verfol- gen. In den stattlichen Band von zirka 900 Sei- ten wurde mit einer Einleitung eingeführt, die mit 60 Seiten schon fast eine eigene Publika- tion darstellt. Mehrfach stützt er sich dabei auf Einzelarbeiten, aber auch auf eigene Aufsätze zu wirrschaftsgeschichdichen Themen, die als Vorbereitung für das große Werk dienren. Wie in Italien übte Gothein das aus, was wir heure als "oral history" bezeichnen. "Nach meinem alten Brauch rede ich viel mit Arbei- tern und Bauern, wandre ein Stück mit ihnen und lasse mir erzählen. Das ist auch ein Stück Arbeit und nicht die schlechteste." In Karlsru- he isst er in "einer Bierkneipe, um die Leute, die denen in meiner Arbeit enrsprechen, ken- nen zu lernen". Gothein verfügte nicht nur über eine flüs- sige Formulierungskunst, er war auch ein sehr kommunikativer Mensch und alles andere als ein Stubengelehrter. Erstaunlich, wie er, der sich "von Problem zu Problem jagen" ließ, Arbeiten zu verschiedenen Themen gleichzei- tig bewältigte. Der Verein für Reformationsge- schichte trug ihm nämlich die Bitte an, eine Schrift über Ignatius von Loyola und den Je- . suirenorclen zu verfassen, "da Sie einer der wenigen Historiker sind, die auch darzustellen wissen", so hieß es in der Anfrage. Es wurde ein Thema, das ihn in drei Versionen ein Le~ ben lang beschäftigte. Lehrstuhl in Karlsruhe Da er mit seiner Habilitationsschrift, "die un- ter dem Begreifen der Geschichte aus Wurzeln der sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Kräfte" stand, einem später selbstverständli- chen Gesichtspunkt, sich die Aussicht auf eine Berufung in Preußen verschüttet hatte, war der Ruf 1885 an die Technische Hochschule Karlsruhe um so erlösender. Mitglieder der Zunft wie der ehemalige Karlsruher Historiker Hermann Baumgarten begrüßten es, dass er von der Historie "endlich" zur Nationalöko- nomie gewechselt habe, was Gothein für eine Zumutung hielt. All diese Umstände bewirk- ten, dass der "Schwarzwald" erst 1892 er- schien, als Gothein bereits einen Ruf nach Bonn erhalten harre. Die fünf Karlsruher Jahre waren für den nun jung Verheirateten eine glückliche Zeit. Man genoss das bedeutende Theater unter 229 Felix Mottl, verkehrte im illustren Kreis des Gymnasialdirektors Gustav Wendt, mit dessen Enkel Wilhe1m Furtwängler der ältere Sohn spielte, trafHeyse, Brahms und andere Künst- ler. Im Kontakt mit Naturwissenschaftlern und Ingenieuren entschloss sich Gothein zu der Schrift "Die Aufgaben der Kulturgeschich- te", der einzig polemischen. Er wendet sich hier gegen die These, dass nur das Verhältnis der Menschen zum Staat das "eigentliche Ar- beitsgebiet der Geschichte" sein könne. Bei aller Achtung vor der politischen Historie sei sie nur ein Teil der Kulturgeschichte. So ver- langte er von der "politischen Geschichte", "dass sie sich ihr unterordne, "denn die Entste- hung der Kulturgeschichte ist eine notwendi- ge Folge der Entwicklung des modernen Geis- tes". Ein temperamentvolles Thesenpapier mit jenen hohen Zielsetzungen, die später als Kul- tursoziologie einen Niederschlag fand. Damals kritisierte die Rankeschule - zuweilen nicht zu Unrecht -, dass die Detailarbeit bei den zur Polyhistorie gezwungenen Wissenschaftlern vernachlässigt werde, ja dass Diletrantismus am Werk sei und Spekulationen, gar einen Dogmatismus im Erfinden von Entwicklungs- gesetzen zeitige. Das traf bei ' Gothein alles nicht zu; jedenfalls hat die Wirksamkeit, der Ideenreichtum jener "Kulturhistoriker" von Schmoller bis Sombart, von Max Weber zu Huntington bis heute Diskussionen ausgelöst, auf die die sicher verdienstvolle antiquarische Geschichtsschreibung oft verzichten muss. Nationalökonom in Bonn 1890 erhielt Gornein einen Ruf an die Univer- sität Bonn, wo neben einem Lehrauftrag für Kulturgeschichte sein Hauptamt in der Nati- onalökonomie lag. Bald wandte er seine wiss- sensehaftlichen Arbeiten dem Rheinland zu, schloss Kontakte mit Industriellen, deren Fa- briken er mit seinen Studenten besuchte, war ein häufig gesuchter Redner, der in seiner "In- teressenmannigfaltigkeit" über ganz unter- schiedliche Themen vor großem Publikum zu sprechen wusste. frei vortragend. immer belas- tungsfähig, so dass die Kölner Karnevalisten reimten: "Tritt einmal Not ein/so holt man den Gothein". Hier entstand sein nächstes großes Werk "Die Wirtschafts- und Verfassungs geschichte der Stadt Köln im ersten Jahrhundert unter preußischer Herrschaft", von vielen Fachkol- legen als Muster einer Stadtgeschichte gelobt. Für Köln hat er sich darüber hinaus durch die Gründung einer Handelshochschule nach dem Beispiel der Pariser "EcoIe des Hautes Etudes Commerciales" verdient gemacht. Da- bei war nicht nur organisatorische Tatkraft, sondern auch diplomatisches Geschick in der von partei politischen Klüften gekennzeichne- ten Kommune gefordert und persönlicher Ein- satz verlangt, vor etwa 500 Kaufleuten mit Vorlesungen zusätzlich zum Hauptamt zu be- gInnen. Die Heidelberger Zeit 1904 folgte er einem Ruf nach Heidelberg. Zwar riss er sich schweren Herzens vom Rhein- land los, das er von seinen vielen Exkursionen wie kein Zweiter kannte, doch war er als De- kan mit seinem Widerstand gegen eine stärke- . re Bürokratisierung der Hochschulen beim preußischen Kultusministerium in Misskredit geraten. So lockte nun das liberale Baden, wo man ihn "als den besten Kenner des Landes" herzlich begrüßte - bei deutlich besserem Jah- resgehalt. Man schätzte auch sein Organisati- onstalent, und so wurde in enger Zusammen- arbeit mit der Stadt Mannheim die Grundla- ge für die 1907 eröffnete Handelshochschule nach Kölner Muster gelegt. Mit seiner natio- nalökonomisehen Lehr- und Forschertätigkeit von der Wirtschaftsgeschichte über ökonomi- 230 sehe Theorie bis zu handelspolitischen Ab- handlungen war diese Zeit der größten Breite seines Schaffens gewidmet. Und im Kontakt mit Max und Alfred Weber gewann für ihn die Soziologie zunehmend an Bedeutung. Zu seinem fünfZehnstündigen Arbeitstag gehörten die Aktivitäten für die durch ihn initiierte "Süddeutsche Gesellschaft für staats- wissenschaftliche Fortbildung". Von 1906 bis 1913 unternahm er mit jeweils 25 Beamten aus Baden, dann auch aus Württemberg, aus- führlich vorbereitete Exkursionen in deutsche Wirtschaftsgebiete, ja nach dem Krieg begann er schon 1920 wieder eine Exkursion, denn er hatte sich zum Ziel gesetzt: "Wenn doch wenigstens diese meine Schöpfung dauern würde, gute Früchte trüge und dadurch die unbedingt nötige Verbundenheit zwischen Universitätswissenschaft und Verwaltungspra- xis und beider mit dem realen Leben herge- stellt würde", ein Vorläufer unserer heutigen Führungsakademie Baden-Württemberg. Einstieg in die Politik . 1912 wurde er Vorsitzender der Badischen Historischen Kommission, 1913 Prorektor der Universität Heidelberg, unermütlich tätig, selbst als Lateinlehrer am Heidelberger Gym- nasium für den Ersatz zum Kriegsdienst einge- zogener Lehrer. Wilhe1m Il. hielt er für einen Bramarbas, aber ebenso warnte er vor staatsso- zialistischen Träumereien. Die Revolution 1918 traf ihn bis ins Herz. Bisher nationallibe- ral gesonnen, trat er nun in die Deutsche De- mokratische Partei ein, eine Schar hochgebil- deter Mitglieder wie Theodor Heuss, Gertrud Bäumer, Marie Baum und vieler Wissenschaft- ler, Diplomaten und Wirtschaftsführer, frei- lich "Führer ohne Soldaten". Gothein wurde als Abgeordneter in den Badischen Landtag gewählt, ja 1919 bot man ihm das badische Kultusministerium an, das er aus Alrersgrün- Eberhard GOI hein. ordentlicher Professor an der Tc:chnischcn Hochschule I(;arlsruhe 188; bis 1890. den ablehnte. Vielmehr konzentrierte er sich auf eine öffentliche Aktion, "den Zusammen- schluss von Württemberg, Baden und der Pfalz zu einem wirtschaftlich-politischem Gan- zen". Gornein war zwar Gegner des Separatis- mus, sah aber, dass durch das Reichssteuerge- setz des Finanzministers Erzberger die Länder in ihren vitalen Aufgaben lahm gelegt werden würden, daher die Notwendigkeit, größere Länder mit entsprechendem Gewicht zu bil- den. Zu den inneren Gründen für einen Zu- sammenschluss zählte er den "Volkszusam- menhang" , die Verkehrs- und Wirtschafts ge- meinschaft, vor allem die kulturellen Vorteile einer künftigen gemeinsamen Hochschulland- schaft. Als äußeren Grund sah er die durch die französische Besatzung gefährdete Rheinpfalz. In zahlreichen Zeitungsartikeln warb er für seine Idee, nahm an Ministerkonferenzen teil , fürchtete sich vor einer Zukunft "des kleinen 231 Baden, das überall in die Ecke gedrückt wird". Der Misserfolg von Gotheins Plänen wurzel- te in Bayern, wo man in der Aktion eine Un- freundlichkeit gegenüber einem Land sah, das auf keinen Fußbreit verzichten würde. Auch die Pfälzer selbst wehrten sich nun gegen einen Separatismus vom Reich und somit gegen die französische Gefährdung. So kam es, notiert seine Frau in ihren Erinnerungen. "dass die Gegner in beiden Ländern, deren es natürlich genug gab, so besonders der ganze Beamten- körper in Karlsruhe, der aus nahe liegenden Gründen für sein Fortbestehen besorgt war, die Oberhand behielten. Und so ... als der günstige Moment verpasst war, war man froh, alles beim Alten zu lassen und vor allem auch, Ba- den den Badenern' zu renen". 1921 kandidierte Gqthein nicht mehr für den Landtag. Bei seinen engen Kontakten zur Industrie war er nun als Vermittler in Streitfal- len gefragt, das Auswärtige Amt bat ihn, an der Reform der Diplomatenausbildung mitzu- wirken. Immer wieder auf Dienstreisen, die er, im Zug arbeitend, als "Vergnügungsreisen" de- klarierte, war er aber vor allem den Studenten zugewandt, mit denen er wie eh und je Wan- derungen unternahm, die große Zahl von Pro- motionen begleitete, sich um eine Seminarbi- bliothek kümmerte und dafür Sponsoren ge- wann. 1923 wurde er emeritiert, kurz darauf starb er, siebzigjährig. Sein Leben war nicht nur durch Höhepunkte gekennzeichnet. Er- sehnte Berufungen nach Leipzig und Mün- chen stellten sich nicht ein, in der Universität fühlte sich der Reformer oft vereinsamt, in der kurzen politischen Tätigkeit erreichte er nicht seine Ziele. Dennoch war dieser universale Gelehrte eines vergangenen Jahrhunderrs mit seiner stupenden Gelehrsamkeit, großer Aus- strahlung und ungeheuren Arbeitskraft, der mit leichter Feder auch für Laien schreiben konnte, der mit seiner Beredsamkeit ein Publi- kum mitriss, eine herausragende Gestalt, auch wenn er keine wissenschaftliche "Schule" grün- dete. Der deutsche Südwesten hat ihm arn Anfang des 20. Jahrhunderrs viel zu verdanken. LEONHARD MÜLLER Der Schlacht-und Viehhof an der Durlacher Allee Die Entwicklung des Schlachthofes Karlsruhe geht auf das Jahr 1726 zurück, in dem die in- zwischen auf 2.000 Einwohner angewachsene Bürgerschaft über den Standort des geplanten Rathauses mit Markt, Schlachthaus, Fleisch- und Brotbänken abstimmte. Als Standort wurde der Platz neben der Lutherischen Kir- che ausgewählt wegen der zentralen Lage und der günstigen Grundstückspreise. Außerdem "könnten hinter der Kanzlei keine Metzelbän- ke, viel weniger ein Schlachthaus, wegen dem Gestank und Geschmeiß gebaut werden, wenn anders nicht die Acta darunter Schaden leiden sollen". Verschiedene Schlachthäuser Im Jahre 1729 wurde das Rathaus mit den Fleischbänken und dem Schlachthaus fertig gestellt, einem Gebäude mit zwei Schlachträu- men und einer darüber gelegenen Wohnung für den Aufseher. Einer der Schlachträume 232 war für die Chrisren und einer für die Juden bestimmr. In den Jahren 1773 bis 1777 wur- den jedoch bereits einzelne Häuser auf der Südseite des Landgrabens erbaut, so dass das Schlachthaus bald innerhalb des Wohngebie- tes lag und seinen Nachbarn einen "hässlichen Anblick und zur Sommerzeit einen nachteili- gen Geruch" bor. Daher forderte die mark- gräfliche Rentkammer bereits 1787 einen Neu- bau, der aber erst 1794 am heutigen Ludwigs- platz erstellt wurde. Doch schon im Jahre 1809 folgte ein Erlass, der das Schlachthaus fur baufällig erklärte und einen Abriss notwen- dig machte. Trotzdem wurde aber erst im Jahre 1819 in der heutigen Leopoldstraße ein Neu- bau erstellt, der seine Aufgaben bis in die acht- ziger Jahre des vorletzten Jahrhunderts mehr recht als schlecht erfullte. Das weitere Wachs- tum der Stadt, städtehygienische Gründe und die Einfuhrung des Schlachthausbenutzungs- zwanges für alle Schlachttiere machten 1880 einen weiteren Schlachthausneubau an der Durlacher Allee erforderlich. Am 25. Juni 1883 beschloss der Bürgeraus- schuss dann den Neubau. Die Baupläne ent- warf Stadtbaumeister Wilhe1m Strieder, die im Flur des Veterinäramtes der Stadt Karlsruhe heute noch ausgehängt sind. Der vierte Schlachthof in der Stadtgeschichte wurde im März 1885 begonnen, im Dezember 1886 fand die erste Probeschlachtung statt und am 28. März 1887 wurde der für 874.000 Mark erbaute Schlacht- und Viehhof mit einem fest- lichen Umzug durch die Stadt in Betrieb ge- nommen. Der Grund für die Schlachthofneubauten in Deutschland gerade in dieser Epoche war durch die Erkenntnis begründet, dass auf Grund verschiedener Krankheiten, die damals schon bekannt waren, wie Finnen, Tuberkulo- se und Trichinose eine allgemeine Untersu- chung der Schlachttiere vor und nach dem Schlachten durch Tierärzte gefordert wurde. Entwurf des Stadtbaumeisters W. Snicder für dfc Schlachthausgasrstänc 1890. Eine ewige Baustelle Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Ba- den und in anderen süddeutschen Ländern in den meisten Städten mit mehr als 20.000 Ein- wohnern von den Gemeinden erstellte und unterhaltene öffentliche Schlachthäuser. Nur in einzelnen Städten, zum Beispiel in Karlsru- he, durften in den öffentlichen Schlachthäu- sern auch Schweine geschlachtet werden. Die 1887 erbaute Anlage ist trotz des 1972 durch- gefuhrten Neubaus fast unverändert erhalten. Ein erster bedeutender Erweiterungsbau wur- de im Jahre 1927 durch den Bürgerausschuss beschlossen, in dessen Rahmen im Viehhof eine neue Schweinemarkthalle errichtet, das 233 Pförtnerhaus vergrößert, die Laderampen ver- längert und die ehemalige Lymphanstalt in ein Bürohaus für die Viehagenten umgebaut wur- de. Von diesen Erweiterungsbauren ist ledig- lich heure noch das Bürohaus für die Vieh- agenten erhalten, das aber in den neunziger Jahren einer anderen Nutzung zugeführt wur- de. Wegen der ständigen Betriebszunahme, aber auch zur Behebung der Kriegsschäden blieb der Schlacht- und Viehhofbis zum Jah- re 1964 eine ewige Baustelle. Neue Planungen Mehr und mehr machte sich nachteilig bemerk- bar, dass der Schlachthof weder in baulicher noch in technischer Hinsicht den modernen Anforderungen genügte und daher sehr kos- tenintensiv war. So wurde 1969 mit der Pla- nung eines Schlachrhofneubaus begonnen, der am 29. September 1975 abgeschlossen wurde. Diese mittlerweile fast 30 Jahte alte Anlage wird bis heure überwiegend für die Schlach- tung von Schweinen und Rindern genutzt. Wurde im 19. Jahrhundert der Bau von Schlachthöfen als notwendig erachtet, um die Bevölkerung mit hygienisch einwandfreiem Fleisch zu versorgen, das vor allem gesundheit- lich unbedenklich war, nahm die Bedeutung der kommunalen Schlachtbetriebe vor allen Dingen in den siebziger und achtziger Jahren vermehrt ab, was zu einer Schließung vieler Betriebe, vor allen Dingen in den neunziger Jahren, führte. Auf und ab beim Schlachtbetrieb Der europäische Binnenmarkt machte es möglich, die Fleischversorgung auch über grö- ßere Entfernungen sicherzustellen, was vor allen Dingen für produktionsschwache Gebie- te, zu denen auch Karlsruhe und das Umland zählt, von Bedeutung war. Diese Überlegun- gen und die zum Teil städtebaulich sehr un- günstige Lage der Schlachtbettiebe überwie- gend in den Ostteilen der Städte hat die Kom- munen dazu veranlasst, die Schlachthofsitua- tion neu zu überdenken. Auch in Karlsruhe werden seit 1990 Überlegungen angestellt, den Schlachtberrieb in der Durlacher Allee zu schließen, da auch die Schlachrzahlen bedingt durch das veränderte Verbraucherverhalten sehr deutlich zurückgingen. Insofern war die An- nahme der Stadrverwaltung, keinen Schlacht- hof vorrätig halten zu müssen, schlüssig. Dies änderte sich allerdings durch zahlteiche Skandale rund um das Urprodukt "Fleisch", die zu einer Änderung des Verbraucherverhal- tens führte. Plötzlich war die anonyme Ware in den Großmärkten nicht mehr angezeigt, sondern man bevorzugte wieder die heimische Schlachtung, und das Begehren, den Schlacht- hof zu erhalten, wurde aus Sicht der Bevölke- rung durchaus größer. Vor allem die begrün- dete AngSt vor der Rinderkrankheit BSE (Bo- vine Spongiforme Enzephalopathie) hat bei der Bevölkerung große Sorge ausgelöst. Dies führte dazu, dass die Selbsrvermarktung, vor allen Dingen von Schlachtvieh, auch in Karls- ruhe vermehrt zunahm. Das Schlachtgesche- hen, in den vergangenen Jahren durch Groß- schlächtereien beherrscht, wurde nun durch die Ptivatzufuhren aus Karlsruhe und dem Umland geprägt. Dies macht wegen der Dis- kussion um die Tiertransporte über längere Strecken durchaus auch einen Sinn, der von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen wurde. Qualitätssicherung war das Schlagwort der neunziger Jahre, die sich allerdings in der Pra- xis nur sehr langsam durchsetzte. Um hier eige- ne Erkenntnisse durchsetzen zu können, wur- de 1991 das Labor der Karlsruher Schlacht- hof-Betriebsgesellschafr mbH gegründet, das neben den bakteriologischen Fleischuntersu- chungen auch den Firmen bei der Installation 234 Ehemalige Schwei ncmark,halle .. heule ~To l lhaus" . von Qualitätssicherungssystemen half. Im Jah- re 2000 wurde das Labor um die Einheit für die Untersuchung auf BSE erweitert. Schließung des musealen Schlachttempels Dioxine in Futtermitteln, Antibiotika im Fleisch, Tierseuchen wie Maul- und Klauen- seuche und BSE haben dann Überlegungen zugelassen, zwar den Schlachthof in der Dur- lacher Allee zu schließen, aber den ortsansäs- sigen Firmen Möglichkeiten zu zeigen, an an- derer Stelle in einem "Ernährungszentrum " weiter zu arbeiten. Es bestehen derzeit Aktivi- täten, diese Pläne zu verwirklichen. Die Schließung des Schlachtbetriebes in der Durlacher Allee ist norwendig, da der si- cher schon als musealer Schlachttempel zu bezeichnende Schlachthof nicht mehr zeitge- mäß arbeiten kann, die Hygienevorgaben der EU nur noch sehr schwer zu erfüllen in der Lage ist und städtebauliche Gründe den Um- zug erforderlich machen. Die Nähe zum Schloss Gottesaue sowie die Planungen der Stadt Karlsruhe, einen Ostaue- park für die Bürger zu gestalten, bedeuten für den Schlachthof Karlsruhe, dass im Jahre 2007 der Schlachtbetrieb eingestellt wird. Da- mit verschwindet einer der ältesten Schlacht- betriebe aus Deutschland, was sicher wehmü- tige Gedanken zulässt. Es ist gelungen, nach Gründung der Karlsruher Schlachthof-Be- triebsgesellschaft mbH im Jahre 1976 den Be- trieb wirtschaftlich in ruhigem Fahrwasser zu führen und bis heute eine ausgeglichene Bilanz vorzulegen. 235 Abschied und Neuanfang Ein Blick von der SchlachthofVerwaltung über die alten Hallen, die heute schon zum Teil kul- turell genurzr werden, lassen Wehmut zu. Nur das Wissen um die Tatsache, dass die Gebäude- struktur erhalten bleibt, und dass Kunst und Kultur ein Weiterleben des Schlachthofes in den alten Hallen möglich machen, versöhnt. Die Umnurzung des Schlachtbetriebes in ein zukünftig überwiegend kulturelles Zentrum begann bereits mit der Umsiedlung des Thea- ters, das "Tollhaus" in die alte Schweinematkt- halle. Auch heute nurzen zahlreiche Musikka- pellen und Künstler bereits die alten Räume. Der Schlachthof an der Durlacher Allee ist ein Stück Stadtgeschichte. Diese wird auch festgehalten durch zwei Disserrationen über die Geschichte des Schlacht- und Viehhofes der Stadt Karlsruhe bis in das Jahr 1988. Die Dissertation von Frau Tierärztin Bieringer schließt, wie lange die Viehhof- und die Schlachthof GmbH der modernen Entwick- lung in der Vermarktung von Schlachtvieh noch trotzen kann. Diese Frage ist nun beant- wortet. DIRKSTEGEN Eisbärenhaltung im Karlsruher Zoo zwischen Tradition und Faszination Die Eisbärenhaltung hat in unserem nun fast 140 Jahre alten Zoo eine lange Tradition. Ver- einzelt findet man diese Tietaet schon in Tier- bestandslisten aus der ersten Hälfte des lerzten Jahrhunderts. Zuchterfolge bei in Zoos gehal- tenen Eisbären waren jedoch weltweit eine Rarität und für Tiergartenbiologen eine echte Herausforderung. So lag es nahe, dass im Zuge des Wiederaufbaus der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Zooanlagen die Präsen- tation dieser Tierart auf den Plan kam. Im Rahmen der Planungen für die Bundesgarten- schau 1967 entstand an der Nordseite des Lauterbergs eine nach damaligen Erkenntnis- sen großzügige Eisbärenanlage, die mit elf Jungbären als weltweit größte Eisbärenhaltung galt. Zu Beginn der siebziger Jahre stellte sich der ersehnte erste Nachwuchs ein, und die Karlsruher Zoo besucher gewöhnten sich mit Hilfe des Stammvaters "Willi", dem legendä- ren Eisbären aus dem Berliner Zoo, an den rc- gelmäßigen Nachwuchs. International erlang- te der Karlsruher Zoo durch diese über Jahr- zehnte andauernde erfolgreiche, aber immer noch seltene Zucht einen hervorragenden Ruf in der Eisbärenhaltung. Im Freiland leben Eis- bären während der Sommermonate in den arkrischen Küstenregionen und sind dabei überwiegend auf pflanzliche Nahrung ange- wiesen. Erst wenn Eis das Meer bedeckt, durchwandern sie auf der Suche nach Robben - ihren Hauptbeutetieren -, riesige Territorien, wobei sie hier einzeln oder als Kleinfamilie, bestehend aus Mutter mit Jungtieren, anzu- treffen sind. Besiedlung und Nutzung ihres Lehensraumes durch den Menschen einerseits, aber auch klimatisch bedingte Veränderungen, die mit der Schmelzung der Polkappen einher- gehen, haben zu einem dramatischen Rück- gang des weltweiten Bestandes geführt und Eisbären zu einer bedrohten Tieean werden lassen. 236 Die Entwicklung zoologischer Gärten von der Präsentation möglichst vieler exotischer Tierarten hin zu einem modernen Natur- schutzzentrum mit dem vorrangigen Ziel, dem Besucher Zusammenhänge zwischen Ökosystemen und Artenvielfalt zu vermitteln. führt zu einer neuen Tierpräsentation. die na- turnahe Gestaltung von Tiergehegen unver- ziehtbar macht. Bereits 1990 wurden erste Überlegungen angestellt. die alte Eisbärenan- lage in ein Gesamtprojekt Lebensraum Wasser zu integrieren. denn das reine Betongehege aus den sechziger Jahren enrsprach nicht mehr den zoologischen Anforderungen an eine tierge- rechte Haltung. Untersuchungen hatten erge- ben. dass Eisbären Areale mit natürlichem Karlsruhcr Eisbärenanlage. Boden und vielfältige Rückzugsbereiche benö- tigen. Für die Aufzucht und Entwicklung von Jungtieren sind Wasserbecken unterschiedli- cher Tiefenzonen erforderlich. die sowohl Schwimmen. Spielen als auch Tauchen ermög- lichen. Für die Präsentation des arttypischen Verhaltensspektrums dieser faszinierenden Großsäuger erwies sich das veraltete Eisbären- gehege. das lediglich den Blick von oben auf die Tiere in der Versenkung zuließ. für den Besucher als völlig ungeeignet. Erst der Ein- blick in die Unterwasserzone bietet dem Be- trachter Möglichkeiten. die Geschicklichkeit und Eleganz der an Land eher tapsig wirken- den Tiere zu erleben. Die Neugestalrung der Tiergehege am Fuße des nördlichen Lauterbergs zum "Le- bensraum Wasser" begann Anfang 1999 mit der Anlage für Eisbären. Für die Dauer der Bauzeit wurde die fünfköpfige Karlsruher Eis- bärengruppe im Tiergarten Nürnberg unterge- bracht. Für die Aufrechterhaltung des Zoobe- triebs in Verbindung mit der Groß baustelle mitten im Zoologischen Garten war hier be- sonderes Einfühlungsvermögen aller Projekt- beteiligten erforderlich und die reibungslose Abwicklung nur in enger Kooperation mit dem Städtischem Hochbauamt und dem Pla- nungsbüro • .Assem Architekten" einetseits so- wie dem Zoo als Fachberater und -planer andererseits zu gewährleisten. Beschreibung der Anlage Eisbären sind für die Jagd auf Ringel- und Bartrobben perfekt an den Lebensraum Was- ser angepasst. Somit zieht sich das Wasser als Kernelement durch die neue. insgesamt 1.800 Quadratmeter große Außenanlage. deren To- pografie gegenüber der ehemaligen Betontief- anlage völlig neu gestaltet wutde. Eine eis- schollenähnliche Stufenlandschaft. die an die Packeiszone erinnert, ist umgeben von Wasser- kaskaden und -becken mit unterschierllicher Tiefe. In diesem Areal bieten sich so den Tie- ren vielfältige Bewegungsmöglichkeiten. Etwa ein Drittel der Gesamtfläche nimmt die gegen 237 den Lauterberg auslaufende, fast ebene Tun- drafläche mit einem niedrigen Pflanzen be- wuchs, kleinen Felseninseln, Wurzelstöcken und Kiefernstämmen ein. Den Tieren stehen hier unterschiedliche Bodenmaterialien wie Geröll und Schotterwiese zur Verfügung, die zum Graben oder auch als individuelle Ruhe- plätze genutzt werden können. Einen beson- deren Reiz haben die großzügigen Sandareale für Jungtiere. Unterschiedliche Höhenregio- neo bieten den Bären einerseits Sichtschutz vor Artgenossen, andererseits aber auch durch ihre exponierte Lage am Hang einen guten Überblick über das umliegende Gelände. Bei Bedarf kann ein Teil der Außenanlage als ein voll funktionsfähiges Einzelgehege ab- getrennt werden und dient so beispielsweise zur vorübergehenden separaten Haltung von neu zugegangenen Tieren. An das Großgehe- ge anschließend und nur durch einen Lauf- gang verbunden, erstreckt sich das Mutter- und-Kind-Gehege, das - ausgestattet mit Flachwasserzonen - besonders für Eisbären- mütter mit Nachwuchs, geeignet ist und eine tiergerechte Haltung auch über einen längeren Zeitraum gewährleistet. Unter der Freilandzo- ne sind die großzügigen Innenboxen gelegen. Durch die isolierende Überdeckung mit Na- turboden bieten sie im Sommer kühle Rück- zugsbereiche können aber im Winter zu Ein- zeIgehegen, die den tragenden Weibchen als Wurfböhlen dienen, abgeschottet werden. Die neue Eisbärenanlage bietet nicht nur seinen Bewohnern verhaltensgerechte Lebens- bedingungen, sondern auch unseren Besu- chern besondere Attraktionen. Zwei große kreisrunde Unrerwasserfenster gestatten den Einblick ins Tauchbecken. Hier können Eisbä- ren beim Schwimmen beobachtet werden. Die ausgeklügelte umwelt- als auch tierfreundliche Wassertechnik sorgt für klare Sicht und eine gute Wasserqualirät. Die Wegeführung mit ihren ständig wechselnden Perspektiven und Einsichten macht die Betrachtung der Eisbä- ren - manchmal fast hautnah - durch fast funf Zentimeter dicke Glastrennwände zum Erleb- nis. Die Sitzarena mit tonnenschweren Srcio- quadern im oberen Besucherbereich lädt zum Verweilen und längerer Beobachtung der Tiere ein. Umgeben von der Tundralandschaft mit ihrer Pflanzenvielfalt aus den arktischen Regi- onen, gewinnt der Besucher angesichts des meterhohen im Sonnenlicht bläulich glänzen- den Eisbergs im Zentrum der Anlage und den von Eis und Schnee ausgewaschenen, zerklüf- teten Felsformationen einen realistischen Ein- druck eines typischen Eisbärenhabitats im ark- tischen Randbereich. 238 Zum Tierbestand Im März 2000 schien nach dem Tod der Karlsruher Eisbärenzuchrgruppe im Tiergar- ren Nürnberg alle Mühe umsonst gewesen zu sein. Unbekannte hatten dort das Gehege der Eisbären geöffnet. Alle Karlsruher TIere waren ins Zooareal entkommen und mussten, um Menschenleben nicht zu gefahrden, aus Si- cherheitsgründen getötet werden. Die welt- weite Suche nach Eisbären für einen Neube- ginn blieb zunächst erfolglos, da im Winter 1999 in der Zoowelt kaum Jungtiere nachge- rogen worden waren. Hilfe kam aus dem Rot- terdamer Zoo. Das Eisbärengehege dort war sehr klein und veraltet. Es lag daher nahe, die beiden alten Eisbärinnen "Mien" und "Katri- en" in das Karlsruher Gehege umzusiedeln. So konnte im Oktober 2000 zur Freude der Karlsruher die neue Anlage doch noch mit Eisbären eingeweiht werden. Zug um Zug er- oberten die bei den Eisbärenweibchen das für sie völlig neue Ambiente und fühlten sich sichtlich wohl. Ein Jahr später kamen aus den Zoologischen Gärten Moskau, Rostock und Wien die drei jungen Bären "Kap", "Virus" und "Nika" nach Karlsruhe. Seitdem kennt die Faszination unserer Besucher über die Aus- gelassenheit und Spielfreude der Halbstarken- bande fast keine Grenzen. Mit ihr beginnt die neue Eisbärengeneration. Eisbärenhaltung und Tierschutz Schon lange rekrutieren sich im Zoo gehalre- ne Tiere aus Nachzuchten der Zoogemein- schaft, so auch Eisbären. Trotz allem stellt sich die Frage, ob diese anspruchsvolle und intelli- gente Art unter Zoobedingungen tiergemäß gehalten werden kann. Beobachtungen bei unserer ehemaligen Zuchtgruppe zeigten bis ins hohe Alter verspielte und aktive Bären, die miteinander harmonienen. Auch wenn wir mit der neuen Anlage einen weiteren Schritt in der tiergerechten Eisbärenhaltung vorange- kommen sind, gilt es nun, durch vergleichen- de Studien in verschiedenen Eisbärenhaltun- gen Zoologischer Gärten dies wissenschaftlich abzusichern. Mit den vielen Spenden der Karlsruher Bevölkerung für unsere Eisbären werden diese Studien im Sinne des TIerschut- zes ermöglicht. GISELA VON HEGEL Das allmähliche Verschwinden eines "Dinosauriers" Aus der kurzen Geschichte des Karlsruher Panoramas am alten Hauptbahnhof Manchmal kann sich auch ein Kunsthistoriker wie ein Paläobiologe fühlen und nach Spuren einer riesenhaften, längst ausgestorbenen Spe- zies suchen. Wer weiß schon noch, dass es einstmals gewaltige, mehr als hundert Meter lange und über zehn Meter hohe Gemälde gab, die in speziell dafür konstruierten Bauten präsentiert wurden? Obwohl die Blüte dieser Kunstform kaum mehr als hundert Jahre zu- rückliegt, ist sie so gründlich in Vergessenheit geraten, dass es große Mühe macht, Näheres über ihre einzelnen Vertreter zu erfahren. Auch über das Karlsruher Beispiel ist nur noch weniges zu ermitteln. Informationen von bes- 239 ser dokumentierten Fällen müssen zu Rate gezogen werden, um zu einem halbwegs an- schaulichen Bild zu gelangen. Das frühe Kaiserreich als Blütezeit der deutschen Panorama-Malerei In der Kunstgeschichte ist es selten, dass ein Maler etwas erfindet - und sich dies patentie- ren lässt. Am 17. Juni 1787 gab es einen sol- chen Fall, als Robert Barker in London den Plan einer ersten vollständigen, auf Leinwand gemalten 360-Grad-Rundumsicht präsentier- te, die in einem eigens dafür konstruierten Gebäude gezeigt werden sollte. Die Experi- mentierphase war 1793 abgeschlossen, als Barker am Landoner Leicester Square eine große, doppelstöckige Rotunde erbauen ließ. Darin wurde zum einen eine Art Luftbild von London gezeigt und zum anderen eine An- sicht der russischen Kriegsflotte, die vor Spi- thead ankerte. Schnell bürgerte sich für Ge- mälde wie Gebäude das griechische Kunstwort "Panorama" ein. Barker war mit seiner Unternehmung öko- nomisch so erfolgreich, dass sich sein Modell bald auch auf dem Kontinent verbreitete. Jah- re- und jahrzehntelang wurden Panoramen vor allem von fremden Landschaften und Städten, zunehmend aber auch von verschie- denen Kriegen in allen möglichen Größen gemalt und bewundert. Trotzdem wäre Barkers Erfindung nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wohl allmäh- lich in Vergessenheit geraten, wenn es nicht zu zwei entscheidenden Veränderungen gekom- men wäre. Zum einen entdeckte man die be- sondere Publikumswirksamkeit von heroi- schen Schlachten gemälden mit Themen der jüngsten Vergangenheit - der Deursch-Fran- zösische Krieg von 1870/71 lieferte da auf einmal Beispiele in Hülle und Fülle; und zum anderen zeigten sich die Einsparpotcnziale von genormten Bildformaten. Fortan wurden die Rotunden so gebaut, dass die Gemälde zwi- schen ihnen ausgetauscht werden konnten, wenn ihre Anziehungskraft auf die Besucher nachließ. Der Standardbau hatte danach einen Durchmesser von 40 Metern und war 15 Meter hoch. Den Startschuss für die zweite, die eigent- liche Blüte der Panoramamalerei in Deutsch- land bildete der große Erfolg des am 1. Sep- tember 1880 in Frankfurt am Main eröffneten Panoramas, für das Louis Braun eine Ansicht des damals am meisten gefeierten deutschen Sieges gemalt hatte - in der Schlacht bei Sedan am I. September 1870, wo unter anderem auch der französische Kaiser Napoleon IIl. in Gefangenschaft geraten war. Danach brach eine regelrechte "Panorama-Manie" aus, wie sich Anron von Werner gegen Ende seines Lebens erinnerte, der Vorzeigemaler des Kai- serreichs, der dann auch bald das Verzeigepa- norama für die Reichshauptstadt zu malen hatte - ebenfalls ein Sedan-Panorama, das 1883 in Anwesenheit des Kaisers, Bismarcks und anderer Prominenz eröffnet wurde. Wer- ner war generalstabs mäßig zu Werke gegan- gen, hatte mit zwei Kollegen die Landschaft vor Ort erkundet, hatte Zeugen befragt und die Geschehnisse minuti- ös rekonstruiert, um dann mit einem Team von 14 Mitarbeitern die Arbeit aufzunehmen. Eine Million Goldmark verschlang das Projekt alles in allem, Werner allein erhielt 100.000 Mark. Jede deutsche Großstadt wollte danach auch ihr Panorama besitzen, und die größten von ihnen natürlich mehrere: Hamburg und München besaßen zwei, Berlin am Ende sogar fünf. Das Panoramawesen erwies sich als ein boomender Wirtschaftszweig, dem zuneh- mend auch künstlerische Bedeutung zuge- schrieben wurde. In der von einem Großkriti- ker der damaligen Zeit herausgegebenen, weit 240 verbreiteten Zeitschrift "Die Kunst für Alle" war im Juni 1890 in einem Artikel über "die neueste Entwicklung der deutschen Panora- menmalerei U zu lesen, dass dem Panorama "noch eine große Zukunft beschieden sein werde". Vielleicht wurde dies auch in Karlsru- he gelesen. einer Stadt. die bis dahin noch über kein eigenes Panorama verfügte. Das Karlsruher Panorama und seine Gemälde Wer in Karlsruhe die Initiative ergriff, muss genauso unbeantwortet bleiben wie die Frage nach den Geldgebern für das Projekt. Wahr- scheinlich waren es wie in den meisten anderen Fällen auch belgisehe Finanziers. die sich zu großen, international operierenden Panorama· gesellschaften zusammengeschlossen hatten. Am 31. Oktober 1894 war es dann jeden- falls in Karlsruhe so weit. wurde die Stadt durch ein eigenes Panorama "ohne Zweifel um eine Sehenswürdigkeit bereichcrc'\ wie die "Karlsruher Zeitung" am nächsten Tag berich- tete. Und sie fuhr fort: .,Auf einem seiner Zeit von der Stadtgemeinde unentgeltl ich zur Ver- fügung gestellten Platze an der Ettlinger Stra- ße hat Herr Baumeister K. Augenstein den stattlichen Rundbau errichtet". in dem als Erstes eine speziell für Karlsruhe gemalte Dar- stellung des Gefechts bei Nuits am 18. De- zember 1870 präsentiert wurde. Prinz Wil- helm von Baden hatte damals eine badische Grenadierbrigade zum Sieg geführt. Als leitender Maler war der 1862 geborene Militärspezialist earl Becker gewonnen wor- den. Unterstützt wurde er von den beiden Landschaftsmalern Karl Kehr und Friedrich Kallmorgen. Wie in allen anderen Panoramen auch. waren in ihrem Werk das Streben nach überwältigender Illusion. glanzvoller Effekt und pädagogischer Anspruch - der "Hebung der vaterländischen Gesinnung". wie es der Panoramagebäud~ an der KJosesrraße. Rezensent der "Karlsruher Zeitung" formu- lierte, unauflöslich miteinander verwoben. Ei- ner Zeit. der noch nicht die Möglichkeiten von Film und Fernsehen zur Verfügung stan- den. wurde der "volle Überblick über das weite Gefechtsfeld und über den Stand des Kamp- fes" in kaum mehr zu überbietender Realistik geboten. Leider hat sich dazu auch nicht das geringste Anschauungsmaterial erhalten. Von Werners Sedan-Panorama gibt es wenigstens noch eine Foroserie. Zu sehen war Beckers Werk täglich "von Morgens 8 1/2 Uhr bis zu eintretender Dun- kelheit". wie den Anzeigen in der Tagespresse zu entnehmen ist. Leider fehlt ihnen die An- gabe über die Höhe des Eintrittspreises. Es ist allerdings anzunehmen. dass sie nicht weit von denen andernorts abwichen. In Frankfurt etwa kostete die normale Karte eine Mark. Soldaten und Kinder zahlten die Hälfte und an Sonn- und Feiertagen gab es noch einmal "halbe Preiseu. Die Eröffnung des Karlsruher Panoramas und sein erstes Rundgemälde waren nicht nur in der lokalen Presse, sondern auch in der weit verbreiteten Zeitschrift "Die Kunst für Alle" gewürdigt worden. So viel Publizität gab es danach nie mehr. Als 1897 im Rahmen der "Festlichkeiten zur Säkularfeier des Geburtsta- ges weiland Seiner Majestät Kaiser Wilhelms des Großen" am 21. März ein neues Schlach- 241 tenbild präsentiert wurde, war dies nur noch der lokalen "Karlsruher Zeitung" einen länge- ren Artikel wert. Es handelte sich ja auch um kein neues Werk, sondern um die Weiterver- wendung eines schon 1895 entstandenen und zuerst in München gezeigten Gemäldes. Mi- chael Zeno Diemer hatte es unter Mitwirkung von drei anderen Malern geschaffen und darin die Schlacht bei Orleans am 4. Dezember 1870 gestaltet. Als im Februar 1899 in Karlsruhe ein wei- teres neues Panorama ausgestellt wurde, fand dies selbst in der lokalen Presse kaum noch Niederschlag. Nur der Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe für das Jahr 1899 "ist überhaupt zu entnehmen, dass es damals zu einem Wechsel kam. Fast dreißig Jahre nach dem Deutsch-Französischen Krieg hatte man sich auch in Karlsruhe entschlossen, den The- menkreis behutsam zu erweitern: Wieder wur- de zwar ein Schlachten bild entrollt, diesmal aber war es einem weit zurückliegenden The- ma gewidmet, der Schlacht bei Lützen am 16. November 1632, bei welcher der Schweden- könig Gustav Adolf den Tod gefunden hatte. Der 1836 geborene Routinier Louis Braun hatte das Thema bereits 1883 zum ersten Mal gestaltet; 1893 schuf er eine Wiederholung, die zuerst in Nürnberg, dann in Frankfurt und schließlich in Karlsruhe gezeigt wurde. Das Publikumsinteresse an den Panorama- darsteIlungen scheint immer schneller erlahmt zu sein, die Präsentationszeiten wurden immer kürzer. Bereits Ende des Jahres 1900 musste mit einem neuen Rundbild aufgewartet wer- den. Und erstmals gab es keine Schlachtendar- steIlung: Der Marinemaler Hans Petersen, der über Louis Braun zur Panoramistenlaufbahn gefunden hatte. wartete mit einer Ansicht des Hamburger Hafens auf. Ob man der Zugkräf- tigkeit des Themas nicht ganz traute, muss offen bleiben; jedenfalls wurde im Panorama- gebäude auch gleich noch ein TIefseeaquarium aufgestellt. Der Erfolg scheint nicht allzu groß gewesen zu sein, denn schon ein J ahc später, 1901, wurde mit dem nächsten, dem fünften Riesenrundbild aufgewartet. 1885 hatte der Münchner Maler Bruno Piglhein sich an eine monumentale Kreuzigung Christi gewagt und hatte damit großes Aufsehen erregt. Die Nach- frage nach diesem Werk, das zu guter Letzt auch noch 1892 in Wien verbrannte, war so groß, dass sich Piglheins ursprüngliche Mitar- beiter Karl Hubert Frosch und Josef Krieger bald selbstständig machten und mehrere eige- ne Versionen des Themas schufen. Eine davon fand auch den Weg nach Karlsruhe. Mit einem knappen Hinweis auf diese Prä- sentation verschwindet das Karlsruher Panora- ma nicht nur aus der publizierten "Chronik'\ sondern aus der ganzen Geschichte der Stadt Karlsruhe. Auf einer Karteikarte des Stadtar- chivs findet sich nur noch der handschriftliche Vermerk, dass das Panoramagebäude 1906 abgerissen worden sei. Das Kino als neue Unterhaltungs-Alternative Schon zeitgenössisch war auf das zentrale Pro- blem der Panoramaform, dem "Gegensatz zwischen der weitestgehenden Naturnachah- mung auf der einen, der thatsächlichen Bewe- gungslosigkeit und Totenstille auf der andern Seite" hingewiesen worden. Seltsamerweise wurden die in den Vereinigten Staaten und auch in England so erfolgreichen Varianten der "Moving Panoramas", bei denen bis zu mehrere hundert Meter lange Leinwandbän- der am Publikum vorbeigezogen wurden, um so beispielsweise eine Mississippifahrt zu si- mulieren, in Deutschland kaum übernom- men. Auch das so genannte "Kaiserpanorarna" vermochte sich nicht so recht durchzusetzen. Keinesfalls mit einem gemalten Großpanora- ma zu verwechseln, ähnelte die 1880 erstmals 242 Schni tt durch ei n Panorama: A. Eingang und Kasse, B. Verdunkelrer Gang, C. Berrachterplanform, D. Sehwinkel des Be· trachten. E. Rundleinwand, F. Plastisch gestalteter Vordergrund. G. In trompe l'oeil gemalte Gegenstände auf der Leinwand. präsentierte Erfindung eher einer Art Diashow mit Landschafuaufnahmen. In Karlsruhe wur- de im November 1894 eine Serie über St. Pe- tersburg gezeigt. Der Eintrittspreis betrug 30 Pfennig pro Person, für Kinder 20 Pfennig. Einen durchschlagenden Erfolg erzielte dagegen eine ganz andere Alternative: die be- wegte Bilderfolge des Films. Für kurze Zeit überschnitten sich die Enrwicklungslinien. Wann die allerersten Filmbilder in Karlsruhe zu sehen waren, ist schwer zu sagen. Gerhard Bechtold behauptet in seiner Geschichte des Karlsruher Kinos, dass sie Anfang September 1900 als Höhepunkt eines neuen Varietepro- gramms über eine Leinwand im Varietemeater "Colosseum" in der Waldsttaße geflimmert wären. Auf dem Programm, wie es in der "Karlsruher Zeitung" veröffentlicht wurde, standen damals "Original aufnahmen der Pari- ser Weltausstellung, unsere Flotte etc. etc." und "Lokalaufnahmen von Karlsruhe: Markt- platz, Bahnhof'. Allerdings waren auch schon ein Jahr zuvor, am 12. September 1899 .. ,kine- mamographische Marine- und andere Bilder- des Herrn Meßter "vorgeführt worden. Auf jeden Fall handelte es sich in beiden Fällen um punktuelle Aufführungen, um Gastspiele reisender Unternehmen. Dies setzte sich fort bis 1907, als im Okrober "The Oce- anic Vio Company" mit Aufnahmen aus dem Leben überseeischer Völker auftrat und kurz darauf der "Weltkinematograph" mit "singen- den, sprechenden und musizierenden Phoro- graphien". Am 15. Dezember 1908 wurde dann das etste ortsfeste Kino in Karlsruhe eröff- net, das Residenztheater in der Waldsrraße 30. Das gemalte Panorama war damit Vergan- genheit. Der Panoramaleinwand aber sollte die Zukunft gehören. Vom einen führte - technisch betrachtet - kein Weg zum anderen. Und doch darf das Gemeinsame, das Zu- kunfrweisende nicht übersehen werden: das neue, der Realität verpflichtete und gleichzei- tig doch auch unterhaltungs betonte Sehen, das nicht mehr nur den einen oder anderen begeisterte, sondern immer breitere Massen beschäftigte. KONRAD DUSSEL 243 10 Jahre Stadtbibliothek im Neuen Ständehaus Hm Menschen und Medien Die Menschen Zunächst mal muss man es finden, um dann zu begreifen, was hier los ist. Unzählige Menschen, neben Radfahrern vor allem Autofahrer und Parkplatzsuchende aus Karlsruhe und Umgebung, sind im Laufe der zehn Jahre am Ständehaus vorbeigefah- ren, ohne es zu ahnen. Auch viele Passanten brauchten noch eine Orientierungshilfe, um das Gebäude erwas abseits der Kaiserstraße zu entdecken. Bis heute ist eine kurze Erklärung hilfreich: "Sie wissen doch, da ist der Karstadt, Halte- stelle Herrenstraße ... Sie müssen aber die Rit- terstraße rein gehen. Rechts liegt das Neue Ständehaus und darin ist die Stadtbibliothek ... Wenn man beim Vorbeilaufen durch die Schaufenster guckt, sieht man dort Leute sit- zen, Zeitung lesen ... Ach so, Sie kommen mit dem Auto. Ja, dann haben Sie das Gebäude si- cherlich schon gesehen. Nämlich immer dann, wenn Sie das Parkhaus von Karstadt benutzen wollen. Da kann es ja manchmal einen Stau geben. Wenn Sie die Häuserfront links von sich betrachen, dann fällt Ihnen ein Gebäude mit einem sehr markanten Rundbau an der Ecke auf. Diese runde Ecke heißt Rotunde ... ja, die Fenster erinnern an Bullaugen. Die Ro- tunde ist das Wahrzeichen des Ständehauses. Das erste Ständehaus besaß auch so eine Ro- tunde; die Erbauer erhielten dafür viel Aner- kennung. Karlsruhe war damals in jeder Hin- sicht stolz auf dieses architektonisch herausra- gende und politisch fortschrittliche Gebäude. Vom Friedrichsplatz aus kann man das beson- ders gur sehen ... da gibt es übrigens auch eine Tiefgarage. " Ob mit oder ohne Wegbeschreibung, Zehntausende haben inzwischen den Weg zum Neuen Ständehaus gefunden. Die meisten Besucher sind jedoch übet- rascht, wenn sie das erste Mal die Bibliothek betreten. Es ist nicht nur die Innenarchitektur des Hauses, wie erwa stellenweise die Glasbö- den, denen vorsichtige Besucher mit Misstrau- en begegnen, es sind die Menschen und die große Zahl an Medien, die viele überrascht. Fast 1.300 Personen besuchen täglich die Zen- trale der Stadtbibliothek, Tendenz steigend. Die Bibliothek zählt damit zwar nicht so vie- le Kunden wie das Kaufhaus nebenan, doch sie gehärt mit 330.000 Besuchern im Jahr (640.000 Besucher in den neun Häusern det Stadtbibliothek insgesamt) zu den meistbe- suchten Kultureinrichtungen in Karlsruhe. Bezogen auf das Alter ihrer Mitglieder und Gäste ist sie darüber hinaus ein relativ junger Treffpunkt auf Kulturebene, sind doch die Menschen, die hierherkommen, zu zwei Drit- teln unter 40 Jahre. Dies gilt auch für die an- deren Einrichtungen der Stadtbibliotlaek. Das Gesamtsystem Stadtbibliothek Karlsruhe be- steht nämlich aus der Zentrale im Ständehaus, der Jugendbibliothek im Prinz-Max-Palais, den Stadtteilbibliotheken in Neureut, Dur- lach, Mühlburg, Grätzingen und der Wald- stadt, sowie dem Medien-Bus und der Ameti- kanischen Bibliothek. Der BegriffStadtbibliothek wird üblicher- weise doppelt verwandt und meint enrweder das Gesamtsystem oder die Zentrale dieses Systems, nämlich die Stadtbibliothek im Neu- en Ständehaus. 244 Sladlbibliolhek im ehemaligen Sländeh3us. Die Medien -lesen, wissen, hören, sehen Die Interessen, die dem Bibliotheksbesuch zu Grunde liegen, sind vielfältig und häufig stark alltagsorientiert. Da sucht jemand einen Rat- geber für die Altersvorsorge, ein anderer Hilfe bei Legasthenie, ein Dritter will wissen, wie seine Träume zu deuten sind und ein weiterer will sich informieren, was er bei seiner Partner- suche erfolgreich anders machen muss. Die ge- samte Ratgeberliteratur zu den Themen Psy- chologie, Pädagogik, Gesundheit und Sport, Kochen, Gartengestaltung, PC-Hilfe usw. ver- zeichnet stets eine große Nachfrage. Alle Bü- cher zu den genannten Themen sind im ersten Obergeschoss der Stadtbibliothek zusammen- gestellt und dort zu finden. Hier befindet sich die gesamte Sachliteratur, die Wissen erwerb- bar macht und so zum persönlichen und be- ruflichen Weiterkommen verhilft. Für die Unterhaltung gehen die Besucher einen Stock höher in die zweite Etage, hier ist zum einen die obere Rotunde mit Videos und DVDs, zum andern der Bereich der Musik- CDs zu finden. Den größten Raum auf die- sem Stockwerk nehmen jedoch die Romane, Krimis und phantastischen Erzählungen ein, das heißt alle schöne Literatur von Bestsellern bis zu klassischen Werken. Da man einen im wahrsten Sinne des Wor- tes mitreißenden Roman gerne mit in Urlaub CompulerbibliOlhek in der Rotunde. 245 nimmt, passt es gut, dass sich neben dem Un- terhaltungsbereich die "Länderbrücke" befin- det, ein auf zwei Seiten verglaster Raum, der Reiseführer zu allen Ländern der Erde, Bild- bände, Wanderkarten, Stadtpläne - kurzum alles für Urlaub und zur Geographie enthält. Sinnvollerweise befindet sich die Interna- tionale Abteilung 'ebenfalls auf der zweiten Etage. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Er- lernen von Sprachen, wobei von Last-Minute- Sprachkursen bis zu mehrstufigen, differen- ziert aufgebauten Kursen viele Varianten des Spracherwerbs geboten werden. Die Lernin- halte stehen auf Kassette, CD oder CD-ROM zur Verfügung und beziehen sich auf 25 Spra- chen. Nicht minder wichtig ist die große Zahl an Deutschkursen für Ausländer, die hier ge- nauso zum Ausleihen bereitstehen und die von Studenten und Neubürgern aus der ganzen Welt lebhaft genutzt werden. Tradition und "Revolution" Gerade in diesen zehn Jahren seit dem Bezug des Neuen Ständehauses fanden auf dem In- formations- und Mediensektot gewaltige Ver- änderungen statt. Bei der Etöffnung im August 1993 hatte noch keinet der Festredner und -gäste die ge- ringste Ahnung davon, mir welch tasender Geschwindigkeit sich wenige Jahre später die "Neuen Medien", CD-ROM und vor allem Internet, im alltäglichen Gebrauch durchsetzen wütden. Damals wat man noch stolz, dass auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses erstmals Videos und Musik-CDs als sinnvolle Ergän- zung zu den gedruckten Medien in das Bibli- otheksangebot aufgenommen wurden. Die Nachfrage der Karlsruher Bürgerinnen und Bürger war entsprechend groß. Doch dies war erst der Anfang. Es vergingen keine drei Jahre, als auch in Karlsruhe gewissermaßen das Multimedia-Zeitalter anbrach; das Interesse an Lernsoftware und Lexika auf CD-ROM wur- de durch die Bibliotheksbesuchet immer deut- licher geäußert. Im Jahr 1997 kamen deswe- gen die ersten CD-ROMs als vielseitige Infor- mationsträger mit in die Bücherregale, ein Jahr später wurden zwei öffentliche Internetplätze für die Kunden des Ständehauses eingerichtet. Als schließlich die DVD mit ihrer hervorra- genden Bildqualität und mehreren Sprach- wahlmöglichkeiten auf den Markt kam, wur- den auch DVDs wegen enormer Kunden- nachfrage mit in die Regale gestellt. Doch nicht nur die Dinge, die neu auf den Markt kamen, erlebten einen ungeahnten Boom. Es war ein altbekanntes Medium, das in jüngster Zeit wiederentdeckt und zum absolu- ten Ausleihhit wurde: die bekannte, sehr tradi- tionsreiche Art der Literaturrezeption in Form des Hörspiels, das heute als Literaturkassette bzw. -CD erhältlich ist. Bei allet Diskussion um nachlassendes Leseinteresse muss festgehal- ten werden, dass die Lust an Sprache noch weit verbreitet bleibt. So zeigen die Bibliotheksbe- sucher nach wie vor ein starkes Interesse an schöner Literatur, doch etliche lassen sich ger- ne auch "vorlesen". Zum einen - und das war schon immer so - sind es ältere Menschen und Menschen mit eingeschränktem Sehvermö- gen, die sich damit gerne unterhalten lassen, es sind aber auch Autofahrer bei längeren Faht- ten, Leute, die neben einer eintönigen Arbeit zuhören, Menschen auf Reisen oder zu Hause. Das Interesse arn Hörbuch geht durch alle Al- tersstufen und Berufe und so ist es teils erfreu- lich, teils bedauerlich, dass viele Literatur-CDs kaum länger als eine Stunde im Regal liegen, da sie sofort von beglückten Bibliotheksmit- gliedern nach Hause entliehen werden. Eines blieb unverändert: das Buch war und ist das Leitmedium. Der Gesamtbestand der Stadtbibliothek beträgt 122.000 Medienein- heiten, davon sind immer noch mehr als 90 Prozent Bücher (Il1.500). 246 Die elektronische Vemetzung Die Kombination von traditionellen und zeit- gemäßen Informationsangeboten brachte es mit sich, dass die Bibliothek im vergangenen Jahr umgeräumt werden musste. Neue Medien und Internet waren im ursprünglichen Raum- konzept nicht vorgesehen, freie Flächen gab es nicht. Unter der Berücksichtigung der jetzt zu schaffenden internationalen Abteilung für Sprachen sowie eines Raumes, der sechs Inter- netplätze und zwei Textverarbeitungs-PCs ent- halten sollte, musste für die erst neun Jahre junge Regalaufstellung des Hauses eine neue Konzeption gefunden werden. Als Ergebnis entstanden die oben beschriebenen Buch- und Medienbereiche sowie die Computerbibliothek in der Rotunde im ersten Stock. Hier kommt die räumliche Wirkung der Rotunde beson- ders gut zur Geltung, denn - entsprechend sei- ner Grundfläche - wird der Raum dominiert von einem runden Tisch, der als Internet-Ar- beitsplatz genutzt wird. Wie alle Angebote der Stadtbibliothek stehen sie allen Besucherinnen und Besuchern zur Verfügung. Dass die EDV erst im Jahr 1995 Einzug hielt in die Stadtbibliothek, ist heute schon fast vergessen, denn so selbstverständlich ist der damit verbesserte Kundenservice geworden. Erst zu diesem Zeitpunkt konnten, nach einer langwierigen elektronischen Nacherfas- sung, alle noch vorhandenen Zettelkataloge durch online-Kataloge, die "OPACs", ersetzt werden. Im gleichen Zusammenhang wurde an der Ausleihtheke das manuelle Ticketver- fahren durch eine Bibliothekssofrware abge- löst, die es ermöglichte, alle Ausleihvorgänge über Computerterminals zügig zu steuern. Die Zahlen Mit den neuen Bibliotheksräumen karnen 1993 mehr Bürgerinnen und Bürger in die Bi- bliothek als in den Jahren davor. Entsprechend viele Medien wurden entliehen, sodass das Er- öffnungsjahr auch die höchsten Ausleihzahlen seit langer Zeit mit sich brachte. Der AufWärts- trend wurde zwar 1994 gebremst als Jahresge- bühren für die Entleihung, die bis dahin kos- tenlos war, bezahlt werden mussten, doch nach zwei Jahren der Zurückhaltung stieg die Auslei- he wieder kontinuierlich. Mit fast 600.000 Ausleihen im Ständehaus und 1,45 Millionen Medienausleihen insgesamt in allen neun Ein- richtungen der Stadtbibliothek wurde das Jahr 2002 zum absoluten Rekordjahr. Im Vergleich zu den Ergebnissen zehn Jahre davor brachte es eine Steigerung um 13 Prozent. Dass die Stadtbibliothek immer bekannter wurde, hängt auch mit dem neu konzipierten monatlichen Programm zusammen. Seit eini- gen Jahren wird das Literaturangebot ergänzt durch Veranstaltungen, in denen Autorinnen und Autoren ihre Bücher persönlich vorstel- len. Auch hier erwies sich wieder, dass gerade praxisnahe Sachthemen auf großes Besucher- interesse stießen. So zählten beispielsweise die Abende zum Thema Pilzkunde oder zu Erzie- hungsfragen zu den meistbesuchten. Daneben bietet die Bibliothek auch ein Forum für we- niger bekannte Belletristikautoren oder sie beteiligt sich überdies an gesamtstädtischen Kulturaktionen. Den größten Erfolg, im Rah- men der Europäischen Kulturtage 2002, ver- buchte hierbei die Modenschau, die, durch die Bibliothek führend, zum Publikumsmagneten wurde. Nicht zuletzt sind die regelmäßigen Aus- stellungen, die seit drei Jahren im Brücken- raum des ersten Obergeschosses stattfinden, für die Besucher ebenfalls sehr interessant. Hier stellen Künstler aus Karlsruhe und Um- gebung aus, wobei die Werke meist in Bezie- hung zu Buchkunst und Literatur stehen. ANDREA KRIEG 247 "Oberle ist ein aufgeweckter Knabe und war fleißig in der Schule" Zum 90jährigen Bestehen des Kinder- und Jugendhi/ftzentrums Karlsruhe in der Sybelstraße Mit der eingangs zitierten Eintragung im "Grundbuch des Waisenhauses zu Karlsruhe" kam der damalige Waisenhausverwalter der in Paragraph 31 der "Grundbestimmungen der Waisen-Anstalt zu Carlsruhe" formulierten Aufgabe nach, in den letzten Jahren des Auf- enthalts eines Zöglings gewissenhaft darauf zu achten, ob derselbe zu irgend einem Beruf eine besondere Neigung, Fähigkeit oder Geschick gezeigt habe, damit er bei seiner Entlassung aus der Anstalt in eine den Umständen ange- messene Lehre oder einen Dienst unterge- bracht werden könne. Über den damals elfjäh- rigen Wilhelm Oberle berichtet Waisenhaus- verwalter Friedrich Fischer in seiner Eintra- gung, vermutlich aus dem Jahr 1886, darüber hinaus, dass der Knabe wegen seiner Aufge- wecktheit und seines Fleißes die Aufmerksam- keit seines Lehrers auf sich gezogen habe. Die- ser habe ihm Lateinunterricht verschafft und fördere die Ausführung des Plans, ihn zum Studium der Theologie vorzubilden. In der Spalte "künftiger Beruf' skizzierte Friedrich Fischer die weitere Ausbildung des Jungen: "Tritt in die von Dekan Lender in Sasbach geleitete Anstalt für Knaben zur Vorbildung für das Studium der Theologie" . Das Waisenhaus in der Kriegsstraße Der aufgeweckte Knabe Wilhelm Oberle war Zögling des ersten Karlsruher Waisenhauses in der südlichen Kriegsstraße beim Karlstor, das am 29. August 1849 eingeweiht worden war. Die Geschichte des ersten Karlsruher Waisen- hauses beginnt im Jahr 1832. Im "Karlsruher Intelligenz- und Wochenblatt" und im 2. Band der Karlsruher Stadtgeschichte Friedrich von Weechs sind die ersten Schritte zur Grün- dung des Waisenhauses dokumentiert. Am 17. Juni 1832 gibt der Karlsruher Gemeinderat und Bürgerausschuss im "Karlsruher Intelli- genz- und Wochenblatt" die Gründung eines Fonds zur Etziehung armer Waisen bekannt und teilt mit, dass er "an dem denkwürdigen Feste am 23. April d.J." 1226 Florentiner- Gulden als erste Gabe für den Waisenfonds erhalten habe. Friedrich von Weech berichtet ausführlich über das Fest am Ostermontag, dem 23. April 1832. Es handelt sich hierbei um den "Wiederhervorgang" der Großherzo- gin Sophie nach der Geburt ihres fünften Kin- des am 9. März 1832, des Prinzen Karl von Baden, der mit einem Volksfest, verbunden mit einer Almosensammlung auf dem Markt- platz und einer Spende des Großherzogpaars an die Armenkommission, gefeiert wurde. Der Plan zum Bau eines Waisenhauses wird in Pa- ragraf 6 der 1836 erlassenen "Statuten für den neuen Waisenfonds in Karlsruhe" festgeschrie- ben: ,,Aus dem Grundstockvermögen soll, wenn dereinst die Mittel zureichen, eine be- sondere Erziehungs-Anstalt errichtet werden". Die Grundsteinlegung zum Bau des Waisen- hauses in der Kriegsstraße fand am 14. April 1848 statt, und an Großherzog Leopolds Ge- burtsrag, dem 29. August 1849, wurde das Waisenhaus von den Waiseneltern Schuma- eher und von zehn Knaben sowie sechs Mäd- chen bezogen. 248 Das Leben im Waisenhans Es waren dies die Geschwister Joseph, Marie und Magdalene Beyer (7, 10 und 12 Jahre), die Geschwister WilheImine, Karl und Augus- te Berblinger (8, II und 13 Jahre), der la-jäh- rige Christian Denny, die Brüder Julius und Franz Ihle (!2 und 13 Jahre), die Geschwister Ludwig, Karl und Luise Kiefer (9, 10 und 12 Jahre), der 12-jährige Karl Pfisterer, der 14- jährige Martin Räuber, die 13-jährige Magda- lene Spörling und der 13-jährige Franz Trönd- le. Alle Kinder hatten seit dem Tod ihres letz- ten noch lebenden Elternteils bei Pflegern ge- lebt. Der Festakt zur Einweihung des Waisen- hauses fand in dem im zweiten Stockwerk ge- legenen Arbeitssaal des Gebäudes statt. Hier hatten die Kinder künftig die in Paragraf 5 der "Haus- und Tagesordnung" formulierten "sonstigen Beschäftigungen" zu verrichten. Die "sonstigen Beschäftigungen" bestanden neben Feld- und Gartenarbeit in verschiede- nen Handarbeiten. Für die Knaben bedeu- tete dies Strumpfstricken, Korbflechten und Strohflechten, für die Mädchen Hanf- oder Flachsspinnen, Stricken und Nähen. Nach Paragraf 30 der "Haus- und Tagesordnung" kam der Erlös aus den Handarbeiten der Kin- der der Waisenhaus-Anstalt zu gute, die An- stalt selbst hatte den rohen Arbeitsstoff an- zuschaffen. Die Arbeit der Kinder wurde in den Sommermonaten in der Zeit zwischen dem nachmittags um 4 Uhr eingenommenen Abendbrot und dem um 7 Uhr gereichten Nachtessen geleistet, in den Wintermonaten arbeiteten die Kinder zwischen 4 Uhr und 6 Uhr. Eine Durchsicht des im Stadtarchiv Karlsruhe archivierten "Grundbuches des Waisenhauses zu Karlsruhe" ergibt, dass die meisten Kinder das Waisenhaus im Alter von 15 bis 17 Jahren verließen. In der Rubrik "künftiger Beruf' ist ihr weiterer Weg ange- deutet. Die meisten Mädchen wurden dem- nach Dienstbotin, die 17-jährige Bertha Sey- fried zog 1880 nach erfolgreichem Besuch der Frauenarbeitsschule des Badischen Frauenver- eins zu ihten bei den Schwestern nach Eng- land, die 15-jährige Maria Bischoff wanderte 1867 zu ihrer Mutter nach Amerika aus und die 17 -jährige Carolin Hauser trat 1880 nach erfolgreichem Besuch der Frauenarbeitsschu- le zur Ausbildung als Kinderlehrerin in die Kleinkinderschule ein. "Schreiner", "Schlos- ser", "Bäcker", "Kaufmann", "Lithograph" und "Zeichner in der hiesigen Werkzeugma- schinenfabrik" lauten einige der Eintragungen für die Knaben, die nach dem Verlassen des Waisenhauses eine Lehre begannen. Der 14- jährige Adolf Hertenstein kam 1861 zu Hof- maler und Photograph Ludwig Wagner in die Lehre. Von ihm ist vermerkt, dass er viel Talent besitze und das Lyceum bis zur Unterquarta besucht hatte. Der überwiegende Teil der Wai- senhauskinder besuchte die zweite evangeli- sche Stadtschule in der Spitalsrraße 26 bund die katholische Stadtschule in der Erbprinzen- straße 12 B. Der Besuch dieser Schulen war kostenlos. Auch der 16-jährige Carl Christian Hörnle hatte eine weiterführende Schule be- sucht. Über ihn ist im "Grundbuch des Wai- senhauses" dokumentiert: "War ein sehr fleißi- ger Schüler, weshalb er noch ein Jahr nach sei- ner Confirrnation die Schule besuchen durfte, um die 6te Klasse der Bürgerschule zurückzu- legen". Carl Christian Hörnle trat 1879 als Schreibgehilfe in die Kanzlei des Großherzog- lichen Amtsgerichts ein. Das Waisenhaus in der Stösserstraße "Das Bedürfnis eines Umbaus bzw. Neubaus des Waisenhauses ist nach gerade zur btennen- den Frage geworden". So lautet das Fazit in Tagesordnungspunkt 8 im Sitzungsprotokoll des Waisenhaus-Verwaltungsrats vom 10. Fe- 249 Gruppenbild 1880. bruar 1897. Der Bau eines neuen, den moder- nen hygienischen wie wirtschaftlichen Ein- richtungen entsprechenden Anstaltsgebäudes hatte im Januar des Jahres 1897 durch die Erkrankung von elf Jungen an Krätze neue Dringlichkeit bekommen. Noch im selben Jahr wurde für den Neubau des Waisenhauses ein Gelände in der Falterstraße (1899 umbe- nannt in Stösserstraße) im Stadtteil Mühlburg erworben, und am 3. Oktober 1899 bezogen 25 Knaben, 15 Mädchen und Waisen vater Theodor Gscheidtlen das nach Plänen des Ar- chitekten E. Schweickhardt errichtete Gebäu- de. Das Waisenhaus in der Stösserstraße 17 war bis zum Jahr 1934 in Betrieb. Danach wurde es von der Stadt Karlsruhe als Volks- schule genurzt und mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs für militärische Zwecke und als La- zarett in Anspruch genommen. Seit 1940 ist das ehemalige Waisenhaus in der Stösserstraße 17 im Besitz der Firma Kondimawerk Engel- hardt GmbH & Co.KG. Das Kinderheim in der Sybelstraße "Es ist deshalb die Errichtung eines besonde- ren Kinderasyls außerhalb der Stadt in Aus- sicht genommen" stellt der Armen- und Wai- senrat der Haupt- und Residenzstadt Karlsru- he am 4. April 1911 in einem Schreiben an Stadtrat Dr. Binz, den Vorstand des Verwal- tungsrats des Waisenhauses, in Aussicht. Die Notwendigkeit der Errichtung eines eigenen Kinderheims hing mit der Überbelegung der Kinderabteilung des städtischen Armenhauses in der Zähringerstraße 4 und den daraus resul- tierenden räumlichen und hygienischen Män- geln zusammen. In der Kinderabteilung des städtischen Armenhauses waren seit mehreren Jahren "unterstandslose" Kinder jeden Alters vorübergehend solange untergebracht worden, bis über ihre weitere Unterbringung bei den Eltern, Fürsorgern oder in einer Pflegefamilie auf dem Land entschieden war. Das neue städ- tische Kinderheim wurde im Südosten der 250 Stadt, Ecke Sybel- und Wiesenstraße (seit 1927 Stuttgarter Straße) erbaut und am 16. September 1913 mit Überführung der im städtischen Armenhaus untergebrachten Kin- der in Betrieb genommen. Der Erfahrungsbe- richt der ehemaligen Kinderheimbewohnerin Katharina Horras vermittelt eine Vorstellung vom Leben im Kinderheim. Die 1912 gebore- ne Katharina Horras wurde bei ihrem Eintritt in das Kinderheim im Jahr 1922 einer Mäd- chengruppe für schulpflichtige Mädchen zu- geteilt, die Mädchen teilten sich einen Schlaf- saal mit zirka 40 bis 45 Betten. Die großen Kinder halfen im Haus mit: für die Mädchen bedeutete dies Strümpfe zu waschen, Wäsche zu stopfen oder Schuhe zu putzen, sie betreu- ten außerdem die jüngeren Kinder und unter- stützten sie bei den Schulaufgaben. Die Buben hatten den Hof zu fegen, dem Hausmeister bei kleineren Arbeiten zu helfen und Kartoffeln zu schälen. Als 27-jährige erlebte Katharina Hor- ras, die seit 1931 im Büro des Kinderheims angestellt war, am 4. September 1939 die Eva- kuierung des Kinderheims in das Paulusheim nach Bruchsal und von dort nach Priem am Chiemsee mit. Nach der Evakuierung wurde das Kinderheim von der Narionalsozialisti- schen Volkswohlfahrt belegt. Bei dieser Gele- genheit kritisierte der zuständige Gauhaupt- stellenleiter in einem Schreiben vom 18. Sep- tember 1939 an Stadtrat Peter Riedner, dass fast alle Wohnräume des Personals ausschließ- lich konfessionellen Charakter trugen und das gesamte Heim überhaupt kaum von NS-Geist berührt zu sein schien. Weitere Evakuierungen fanden im September 1943 in das Bibelheim "Bethanien" nach Langensteinbach und An- fang 1944 nach Ettlingen in das St. Augusti- nusheim der Wohlfahrrsgesellschaft Gut Hell- berg statt. Beim Luftangriffvom 5. September 1944 wurde das Kinder- und Säuglingsheim so sehr beschädigt, dass es nicht mehr benutz- bar war. Der Wiederbezug in der Sybelstraße durch die nach Ettlingen und Langenstein- bach evakuierten Kinder erfolgte im Mai 1946. Das Kinder- und Jugenhilfezentrurn Das heutige Kindet- und Jugendhilfezentrum ist eine nach neuesten sozialpädagogischen und sozialtherapeutischen Kenntnissen ge- führte Einrichtung mit 60 Plätzen für Mäd- chen und Jungen zwischen 6 und 20 Jahten. Die Um benennung wurde 1995 vorgenom- men, als das Städtische Kinder- und Jugend- heim Teil der Heimstiftung Karlsruhe wurde, zu der außerdem das A1ten- und Pflegeheim im Klosterweg sowie das A1ten- und Pflege- heim "Parkschlößle" und die Wohnungslosen- hilfe gehören. Seit den späten sechziger Jahren hat sich das Kinder- und Jugendheim in seiner pädagogischen und baulichen Entwicklung permanent neuen heimpädagogischen Er- kenntnissen und Konzepten angepaßt. Die frühere überholte, eher autoritär-hierarchisch ausgerichtete Heimstruktur wurde durch ei- nen sozial-integrativen Fühtungsstil abgelöst, der die Kinder und Jugendlichen an der Pla- nung und Gestaltung des Heimgeschehens teilnehmen lässt. Die Einbeziehung der Her- kunftsfamilie in den Erziehungsprozeß ist ein wichtiges Element der reformierten Heimar- beit. "Das klassische Heim mit einer aus- schließlich vollstationären Eintichtung gehört der Vergangenheit an. Die neue Richtung zielt auf ein multifunktionales Angebot, auf ein Kinderhilfezentrum mit vielfältigen Dienst- leistungen." Mit diesen Sätzen charakterisiert der damalige Heimleiter Herbert Schmitt im 75. Jubiläumsjahr 1988 Funktion und Aufga- be des städtischen Kinder- und Jugendheims. Im Rahmen von breitgefächerten Hilfen zur Erziehung nach dem Kinder- und Jugendhil- fegesetz gliedert sich das Betreuungsangebot des Kinder- und Jugendhilfezentrums in al- ters- und geschlechtsgemischte Familiengrup- 251 pen mit umfassender Betreuung Tag und Nacht, in Jugend- und Verselbständigungs- gruppen sowie Betreutes Wohnen, in teilstati- onäre Tagesgruppen für 6 - 13-jährige Kinder, die um 17 Uhr in ihre Familien zurückkehren sowie in die Notaufnahme für Inobhutnahme in akuten Krisensituationen. Mit der VeIWirk- lichung dieser differenzierten Betreuungsmaß- nahmen hängt auch der grundlegende Umbau des städtischen Kinderheims in den Jahren 1971 bis 1981 zusammen. Aus den großen Tages- und Sammelschlafsälen mit Groß- waschräumen des Jahres 1913 wurden Grup- penwohnungen für jeweils maximal neun Kinder gebildet. Den Gruppenwohnungen wurden Bastelräume, Lernzimmer, Personal- zimmer und Therapieräume angegliedert und im Kellergeschoss ein Schwimmbad sowie ein Turn- und Gymnastikraum eingebaut. 1978 erhielt das Kinderheim ein Musikzimmer, und der Umbau des ehemaligen Speisesaals zu ei- nem neuen Festsaal wurde fertiggestellt. Seit 1973 unterstützt und begleitet der von der damaligen Stadträtin Margot Neef und ihrem Ehemann Gerhard Neef gegründete "Förder- kreis Städtisches Kinderheim" das Kinder- und Jugendhilfezentrum. Seit 1999 ist Doris Birgin Vorsitzende des Förderkreises. Treue Freunde sind auch die Marinesoldaten der Fregatte "Karlsruhe", die seit mehr als 30 Jah- ren die Patenschaft zum Kinder- und Jugend- hilfezentrum pflegen. ANGELIKA SAUER 100 Jahre St.-Bernhardus-Kirche am Durlacher Tor An einem bedeutsamen Punkt im Karlsruher Stadtgefüge steht am Durlacher Tor seir über einem Jahrhundert erhöht auf einem Plateau etwa 1,50 m über dem Straßenniveau, die ka- tholische St. Bernharduskirche. Die Kirche mit ihren kathedralenartigen Dimensionen, mit der kräftigen Einturmfassade steht genau in Blickachse der Kaiserstraße und markiert den Übergang der Kernstadt zur östlichen Vorstadt. Mit dem Pfarrfest am 23./24. Juni 2001 auf dem Kirchplatz und einem großen Banner am Kirchturm mit der Aufschrift" 100 Jahre St. Bernhard 1901-200112002" begann das Jubeljahr, fast auf den Tag genau 100 Jahre nach der feierlichen Schluss-Steinlegung auf der Spitze des Turms. Die Pfatrgemeinde ge- dachte des Baus der Kirche und der Gründung der Pfarrei mit der Herausgabe einer Fest- schrift und einer Gedenkmünze. Mit Vorträ- gen, Gedenkgottesdiensten, wechselnden Aus- stellungen zum Leben in St. Bernhard - früher und heure - wurde das Jubiläumsjahr abge- rundet. Die Höhepunkte waren ein Festakt und ein Fesrgottesdienst am 26./27. Oktober 2002, dem Tag der feierlichen Einweihung des Gotteshauses vor 100 Jahren. Der Einwei- hungsgottesdienst am 26.0ktober 1902 durch Erzbischof Thomas Nörber fand damals in Anwesenheit des Fürstenpaares Großherzog Friedrich und Großherzogin Luise statt, beim 100-jährigen Jubiläum war das Fürstenhaus Baden durch Markgraf Max und Markgräfin Valerie von Baden vertreten. 252 Die Anfänge Für nahezu 30.000 Katholiken gab es in der Residenzstadt Karlsruhe zunächst nur eine ka- tholische Kirche (St.Stephan) und eine katho- lische Pfarrei. Die Entwürfe für den Bau einer weiteren katholischen Kirche von Baudirektor Heinrich Hübsch im Jahr 1853 und von Bau- rat AdolfWeinbrenner 1885 an jerziger Stelle scheiterten aus finanziellen Gründen. 1888, mit 'Ende des KuIrurkampfes und mit Einführung des Orrskirchensteuergeset- zes, verbesserten sich die Rahmenbedingun- gen für Kirchenbauten in Karlsruhe. So enr- stand zunächst die Liebfrauenkirche im dama- ligen Bahnhofsviertel. Planung und Bau der Kirche Im Januar 1888 stimmte das Erzbischöfliche Ordinariat dem Bau einer dritten katholischen Kirche in der sich rasch vergrößernden Ost- stadt zu und beauftragte den Erzbischöflichen Baurat AdolfWillard mit der Planung. Im November 1888 schenkte Großherzog Friedrich I. der katholischen Gemeinde als Baugrund den ehemaligen Küchengarten vor dem Durlacher Tor unter der Bedingung, in- nerhalb von fünfJahren mit dem Bau der Kir- che zu beginnen. Der Plan von Willard sowie ein neuer Entwurf von Architekt Josef Schmitt missfielen der Großherzoglichen Baudirekti- on, da es diesen Entwürfen an Monumentali- tät und Kraft fehlte. Im November 1892 be- auftragte der Stiftungsrat den Architekten und erzbischöflichen Bauinspektor Max Meckel, ein ansehnliches und würdiges Gotteshaus im früh gotischem Stil mit 1000 Sitz- und 1200 Stehplärzen zu errichten. Dem Großherzog gefiel Meckels Entwurf. Er äußerte lediglich den Wunsch, auf den Ver- purz der Kirche zu verzichten und den Bau stcinsichtig mit Haustcinen auszuführen. Da die Zeit drängte, erfolgte am 15.Mai 1893 der erste Spatenstich. Mit den Bauarbei- ten wurde die Firma Werle & Hartmann aus Mannheim beauftragt. Im November 1895 suchte der Stiftungsrat um die Erlaubnis nach, dass die Kirche dem seligen Markgrafen Bernhard von Baden (1428-1458) geweiht werde, da dieser Patron des Landes und Angehöriger des herzoglichen Hauses sei. Karlsruhe sollte eine besondere Stätte der Verehrung des Seligen werden. Am 29. Juni 1896 nahm Weihbischof Dr. Friedrich Knecht in Anwesenheit des großher- zoglichen Paares, geladener Gäste und der Gemeinde, die Grundsteinlegung der Kirche vor. Am selben Tag erhielt Dekan Benz von Papst Leo XIII ein Telegramm, in welchem der Papst den apostolischen Segen und den Dank an die Königlichen Hoheiten übermittelte. Schwierigketen bei der Fundamentierung des Turmes sowie die anspruchsvolle Detailgestal- wng verursachten eine lange Bauzeir. die mehrfach Anlass zur Kritik gab. Schließlich konnte am 20.0ktbober 1901 mit der Bene- diktion durch Stadtdekan Anton Knörzer der erste Gottesdienst in der neuen Kirche gefei- ert werden. An der feierlichen Konsekration der Pfarr- kirche durch Erzbischof Dr. Nörber am 26.0ktober 1902 beteiligte sich der gesamte Klerus des Stadtdekanats. Am anschließenden Pontifikalamt nahmen das Fürstenpaar sowie die Spitzen der Zivil- und Militärbehörden teil. Am Abend fand zur weltlichen Feier ein Festbankett in der großen Festhalle statt. Max Meckel (1847-1910) war einer der bedeutensten und meist beschäftigten Archi- tekten des Historismus in Südwestdeutsch- land. Neben den architektonischen Plänen für die St.-Bernhardus-Kirche lieferte er auch die Entwürfe für das Inventar unter anderem Hochaltar, Kanzel, Taufstein und Glockenzier. Die ganze Bernharduskirche verdeutlicht den 253 St. -Bernhardus-Kirche etwa 1902. Im Vorgrund die Straßenbahn nach Durlach. Grundriss von Meckcll901 mit der Gewölbestrukrur. freien und kreativen Umgang des Baumeisters Meckel mit historischen und zeitgemäßen Vorbildern bei gleichzeitiger Originaltreue im Detail. Der Grundriss zeigt eine dreischiffige ge- wölbte Rundpfeilerbasilika mit Lang- und Querhaus, deren Apsis von einem abgetrennten Chorumgang umschlossen wird. Der Chorbau öffnet sich wiederum zu einer Art Kapelle, die als Sakristei dient. An das Mittelschiff schließt sich im Westen ein mächtiger Turm mit Vor- halle im Sockel geschoss an. Der gewaltige, reich gegliederte Turm mit 93 m Höhe und der malerisch gruppierte Querhaus-Chor-Komplex stellen die architek- tonisch aufwendigsten Teile dar. Die West- front der Turmfassade ist von einer hohen, kielbogenüberfangenen Portalnische mit rei- chen Dekor bestimmt. Unterhalb des Ziffer- blattes der Turmuhr steht unter einem Balda- chin die Statue des seligen Bernhard, Markgraf von Baden. Dieses von der Firma Huckschlag und Fritschli nach einem Modell vom Karls- ruher Bildhauer Fridolin Dietsehe in Kupfer getriebene Standbild ist ein Geschenk des Großherzogs Friedrich I. Die ursprünglich beidseitige Auffahrt und die breite Außentreppe auf der Turmseite sind durch geänderte Verkehrsführung am Durla- eher Tor nicht mehr vorhanden. Die gegenläu- fige Freitreppe und ein kanzelartiger Altan mit Maßwerkbrüstung im Osten, sind Reste der ursprünglichen Außenanlage. Beim Betreten der Kirche durch das Haupt- portal erlebt der Besucher eine abwechslungs- reiche Raumfolge. Auf die über 20 m hohe Turmvorhalle folgt unter der Orgelempore das sechsjochige Langhaus mit den schmalen Sei- tenschiffen, das durch Säulenarkaden abge- trennt ist. Das Langhaus mit der anschließen- den quadratischen Vierung, den polygonal ge- schlossenen Querhäusern und dem Hochchor formt ein durch Gewölbe und Wandstruktu- ren zusammengefasstes Raumgebilde. Der Reiz liegt in den fein ausgearbeiteten Steinmetzdetails, den aufsteigenden Rund- diensten mit den zierlichen Blattkranzkapitel- len, den Gewölben mit den gekehlten Rippen und den unterschiedlichen Schlusssteinen so- wie den jeweils verschiedenen Maßwerkfor- men der Fenster. Besonders bemerkenswert ist 254 die letrnerartige Orgelbühne mit den feinen Steinmetzarbeiten, die von außergewöhnlicher Schönheit und handwerklicher Qualität zeugen. Eine Besonderheit der Kirche sind die zwi- schen 1902 und 1936 entstandenen kunstvoll geschnitzten, mit Figuren, Reliefs sowie Tafel- bildern ausgestatteten Altäre: der Hochaltar, der Franziskus-, der Marien-, Herz-Jesu-, Bernhard- und Josefaltar. Ebenso beachtlich sind der Taufstein, die Kanzel und die Kreuz- wegsrationen. die in Steinmerzarbeiten von hoher Qualität gefertigt wurden. Kriegschäden und Wiederaufbau Das Abliefern der 1902 von B. Grüninger in Villingen gegossenen sieben Glocken konnte im Ersten Weltkrieg durch Einwände verhin- dert werden. Am 24.08.1942 jedoch läuteten die Glocken nach Beschlagnahme im Zweiten Weltkrieg zum Abschied. Sechs Glocken wur- den herabgelassen und abtransportiert. Die Aufschrift "St. Bernhard Karlsruhe - nicht verhütten" retteten diese jedoch vor dem Ein- schmelzen, und so konnten 1945 die Glocken wieder gefunden werden. Bei einem Grossangriff 1942 wurden zahl- reiche Fenster beschädigt und am 08.09.1944 brannte das Dach, durch Brand- und Phos- phorbomben getroffen, vollständig aus. Au- ßetdem verbrannte die 1908 von Firma Hein- rich Voigt & Söhne in Durlach gefertigte gro- ße Orgel und Teile des Gestühls. Des weiteren wu rden Teile des Gewölbes beschädigt, und alle Fenster, teilweise mit gestifteten Glasge- mälden, gingen verloren. Auch der Turm wur- de durch Artillerie-Beschuss beschädigt. Durch viele Bemühungen konnte am 09.02.1946 das Notdach unter großer Mithilfe der Gemeinde fertig gestellt und dadurch weitere Schäden vermieden werden. Erst 1947 kamen die Glocken aus dem Glockenlager in Hamburg wieder zurück. Zur Beseitigung eines Klangfehlers, der die Wir- kung der Gesamtdisposition beeinträchtigte, wutde die vierte Glocke umgegossen und ei- ne kleinere achte Glocke hinzugefügt. Am 24.12.1948 läuten zum erstenmal alle Glo- cken die Heilige Nacht ein. Als weitgehend unverfälschte Einheit der Jahrhundertwende erhalten, stellt das Geläute zusammen mit dem Glockenturm, dem Glo- ckenstuhl, den Glockenarmaturen und der Turmuhr (von 1902) ein Gesamtkunstwerk dar. Es zählt musikalisch zu den schönsten Ge- läuten der Jahrhundertwende in Süddeutsch- land. Bei den Instandsetzung der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ausmalung im Chor entfernt und einige Elemente der Innenausstattung dem nüchternen Stil der Nachkriegszeit angepasst. Erhalten blieb je- doch die komplette Altarausstattung. 1959 wurde die dritte Orgel, ein Gemeinschafrs- werk deutscher und französischer Firmen und Künstler, fertig gestellt. Bis Ende 1972 wurden umfangreiche Baumaßnahme im Innern, am Turm, am Glockenstuhl und am Kirchen- dach vorgenommen. Die Wiederherstellung der ursprünglichen Dachform und die Besei- tigung von Kriegsschäden sowie Witterungs- schäden am Sandstein standen dabei im Vor- dergrund. 1968 wurde ein Gedenkstein für Erzbi- schofEugen Seiterich (1903-1958), ein Sohn der Pfarrgemeinde St. Bernhard, im nördli- chen Querschiff eingelassen. Die Umgestaltung des Chores im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils erfolgte 1975: Der Zelebrationsaltar wurde unter Ver- wendung von Teilen der neugotischen Kom- munionbank geschaffen. Zu gleicher Zeit ent- stand der in Bronze gegossene Ambo. Eine umfassende Innentenovierung der Kirche erfolgte 1991. Teilweise wurde den nach Raumfassung verlangenden Wand- und 255 Gewölbeflächen eine Bemalung in zeitgemä- ßen Formen zurückgegeben. Die Ausmalun- gen in den Blendfeldern der Langhaus-Ober- gadenfenster nehmen Bezug auf die "Zehn Gebote". Die St.-Bernhardus-Kirche gilt als bedeu- tendster neu gotischer Kirchenbau in Baden. Sie ist nicht nur kraftvolle Manifestation des wiedererstarkten Katholizismus in der protes- tantisch geprägten Residenz am Ende des 19. Jahrhunderts, sondern auch Ausdruck der auf Ausgleich zielenden Kirchenpolitik Großher- zog Friedrichs I. am Ende der KulturkampfZeit gegen die "Sozialistische Gefahr". Ausblick Fortschreitende Witterungseinflüsse auf den Sandstein fordern ihren Tribut. Im Frühjahr 2002 wurden Sofortmaßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherheit notwendig, um locke- re und lose Steine zu entfernen. Dies war auch Anlass, die Vorplanung zur Instandsetzung der Außenhülle der Kirche zu beginnen. Mangels vorhandener Pläne muss zuerst eine Stereo- Photogrammetische Fassadenaufnahme er- stellt werden, um eine anschließende steinge- naue Auswertung und Darstellung der Gebäu- deansichten zu ermöglichen. Auf diesen Grundlagen erfolgt die Schadenanalyse, die Erarbeirung eines Sanierungskonzeptes, die Kostenberechnung und die Ausschreibung der Arbeiten. Die Ausführung wird je nach Finanzie- rungsmöglichkeiten in mehreren Bauabschnit- ten erfolgen müssen. Die jetzt schon kalkulier- ten Instandsetzungskosten wird die Katholi- sche Kirchengemeinde St. Bernhard nicht all- eine tragen können, sie wird auf Spenden an- . . geWIesen sem. HEINRICH ALOIS SCHILLINGER 256 Zei tzeugen berichten 257 Professor Dr. ing. Dr. h. c. Heinz Draheim Blick: Sie waren 1968 bis 1983 Rektor der Universität Karlsruhe. Unterschied sich Ihre Rektor-Wahl von früheren? Draheim: Bisher wanderte das Rektorat für ein, meistens zwei Semester von Fakultät zu Fakultät. 1968 wurde angesichts lebhafter Reformdiskussionen bewusst nach bestimm- ten Personen Ausschau gehalten. Als Dekan 1965/66 hatte ich mich schon engagiert für eine Zusammenarbeit mit studentischen Gre- mien eingesetzt. Das zählte für viele. Blick: Das Jahr 1968 forderte ja von deut- schen Universitäten besondere Aufgaben. War das für Sie ein besonderer Reiz? Draheim: Aber ja. Zu den üblichen Pflich- ten kam als Hauptaufgabe der Vorsitz in einer gewählten Grundordnungsversammlung, in der Vertreter aller Gruppen mitarbeiteten un- ter dem Motto: "Mitarbeit begründet Mitver- antwortung". Reizthema war die Mitwirkung von Studenten. Das Bundesverfassungsgericht wurde angerufen, und es ging vielfach turbu- lent zu. Wir nutzten voll die rechtlichen Mög- lichkeiten für eine echte Mitwirkung, und das wirkte sich auch auf das Diskussionsklima positiv aus, ebenso auf die Verabschiedung der Grundordnung, und das ohne Polizeischutz oder Tumulte. Allgemein sprach man vom "guten Geist von Karlsruhe". der unser Innen- leben bis heute prägt. Blick: Der Senat wurde demnach vom Ver- waltungsrat "entmachtet". Wie stellten sich die Professoren dazu? Draheim: Die Arbeit des Verwaltungsrats kann man nicht als Entmachtung des Senats bezeichnen; es ist vielmehr eine höchst zweck- mäßige Aufgabenteilung. Im alten Dekans- Senat kämpfte jeder natürlich für seine Fakul- tät, und dabei kommen die Aufgaben der Universität zu kurz. Ein von Fachegoismen freier Verwaltungsrat eignet sich besser für die Verteilung von Mitteln, Räumen und Stellen. Er kann sich aktuellen Bedürfnissen anpassen und in Forschung und Lehre gezielt handeln. So war es von besonderer Bedeutung, dass er die Berufungsvereinbarungen aushandelte, was vorher das Ministerium mit manchmal unver- ständlichen Ergebnissen vollzog. Die heutige Abschaffung des Verwaltungsrats ist also abso- lut unverständlich, und man fragt sich, was der Rechnungshof dazu sagt. Blick: Aber die Atmosphäre war doch um 1968 auch in Karlsruhe gespannt? Draheim: Natürlich gab es auch hier De- monstrationen. Die Demonstranten versam- melten sich im Ehrenhof, wobei ich sie er- mahnte, sich nicht bei der Bevölkerung unbe- liebt zu machen. Manchmal stand ich dabei 258 am Straßenrand. Es wurden auch Streiks in der Uni versucht, aber der Lehrkörper war in jedem Falle von mir zu Vorlesungen und Übungen verpflichtet worden. Zum Festakt im Jubiläumsjahr 1975 in der Stadthalle hat- ten wir große Demonstrationen von Sruden- ten anderer Hochschulen. Die eigenen Stu- denten distanzierten sich. Störee, die mir den Zugang zur Mensa verwehrten, ließ ich durch die Polizei entfernen. Bei uns gab es also Jah- resfeiern und auch Rektorenbälle ohne Stö- rungen, allerdings einige Male mit Drohungen. Blick: Eine schwedische Delegation sprach von einer "Pax Draheim"? Draheim: Vielleicht weil sich der Rektor und die Professoren damals zunehmend um vieles mehr kümmerten als früher. Die Stu- denten hatten in den Grundordnungsver- handlungen erfahren, dass ihre Mitwirkung willkommen sei und ernsrgenommen werde. Sie machten die Erfahrung, dass es wirkungs- voller ist, mit Professoren, Dekanen und dem stets sprechbereiren Rektor zu reden als zu demonstrieren oder Klamauk zu machen. Sie wussten, dass Missstände in Vorlesungen, bei Klausuren und Examina, die es natürlich immer wieder gibt, geprüft und nach Mög- lichkeit abgestellt werden. Und wichtig war auch, dass es nur bei den Studenten politische Listen für Wahlen gab, nicht beim Lehrkörper. Blick: Aber Widerspruch bei Studenten gab es auch hier? Draheim: Sicher, z. B. im ASTA. Als die verfasste Studentenschaft im Hochschulgesetz abgeschafft wurde, entstand ein Unabhängiger Studentenausschuss (USTA), der die im Ge- setz vorgeschriebene Vertretung ergänzte. Das ASTA-Vermögen (Busse, Druckerei u. a.) wur- de sachgemäß erhalten. Die Studenten behiel- ten auch ihre Räume, zu deren Schließung ich gedrängt wurde. Schließlich war doch nur der ASTA abgeschafft worden, was ein schwerer Fehler war und bleibt, nicht aber die Studen- ten. Meine Eigenmächtigkeiten wurden auch einmal gerügt, was ich als Auszeichnung an- sah. Für die Medien waren wir uninteressant, weil wir trotz Drittelparität in einem Gremi- um kein Chaos zu bieten hatten. Bildunlerschrifr der BNN vom 1.12.1976: Eine deudiche Aussage zu ihrer sozialen Lage und der SilUation an den Hochschulen sollte die Demonslr3lion der 1.200 SlUdemen, die gestern auf die Stra& gingen. der Bevölkerung bringen. Die Masse der Demonstramen stell· ten die Studierenden der Karlsruher und Pforzheimer Fach· hochschulen und der Pädagogischen Hochschule. die gegen 17 Uhr auf dem Europaplatz mit Studenten der Universität zu einer Abschlußkundgebung zusammentrafen. Wie don ist es auch im übrigen Verlauf der DemonSlruion nach Auss3gen der Polizei zu keinen Zwischenfallen gekommen, wenn man von der Behinderung des Berufsverkehrs in der Innenstadt rur etwa eine Stunde absieht. 259 Blick: Wie gestaltete sich der Kontakt zu Wirtschaft. und Industrie, der ja für eine tech- nische Hochschule besondere Bedeutung hat? Droheim: Ungebrochen, trotz einiger da- maligen Ideologiesprüche über die "Indoktri- nation des Spätkapitalismus" oder die Forde- rung, das Wort "Elite" durch "Experten" abzu- lösen und anderes. Bedeutende Vertreter der Industrie wurden Ehrensenatoren, Honorar- professoren und Lehrbeauftragte. Manche berichteten mir von Diskussionen, die sie ge- nossen. Drittmittel für die Forschung flossen weiter, und die Arbeitsbereitschaft der Studen- tenschaft ließ trotz Entwicklung zur Massen- universität nicht nach. Das Leistungsniveau war und blieb hoch, was damals wie heure anerkannt wird und viele ausländische Stu- denten anzieht. Dazu dienten auch Kontakte mit anderen Universitäten. Man darf heute nicht vergessen, was z. B. vor 30 Jahren ange- sichts des Eisernen Vorhangs eine Partner- schaft mit der Universität Budapest bedeutete. Wir haben so viele Kontakte zu Persönlich- keiten aus Industrie und Wirtschaft, die uns mir Rat und Tat zur Seite stehen, dass eine offizielle Vertrerung in einem Gremium der Universität, wie heute vorgesehen, nicht erfor- derlich ist. Ich habe dies in meiner Amtszeit erprobt. Das funktioniert nicht, denn kein Spitzenmanager kann an offiziellen Sitzungen regelmäßig teilnehmen. Blick: Welche Summe haben Sie nach 15 bewegten Rektor-Jahren gezogen? Draheim: Das lasse ich lieber den damali- gen Wissenschaftsminister Professor Engler beantworten. Bei der Rekroratsübergabe an Professor Kunle 1983 sprach er nicht nur von den Studentenunruhen, dem raschen Hoch- schulausbau trotz nachlassender Finanzkraft und der "fast geräusch- und reibungslos verab- schiedeten ersten Grundordnung" , sondern er wies auf den sichtbaren Fortschritt in vielen Bereichen hin, wobei nur das Rechenzentrum und die Bildung der Fakultät für Informatik genannt sei, die heutezu den führenden zählt. In summa: die Fridericiana ist gestärkt aus dieser problem befrachteten Zeit hervorgegan- gen. Wir haben die vielfach chaotischen Zu- stände als fruchtbare Unruhe genutzt. DIE FRAGEN STELLTE LEONHARD MÜLLER Bildunterschrift der BNN vom 12.6 .1975 Zu einem Handgemenge, zwischen Gästen der Universität, ihrem Rektor und den Studenten kam es, als der Eingang durch cine Gruppe auswärtiger (man vermutet aus Sruttgarr, Heidclberg und Man nheim) kommunistischer Studenten blockiert wurde. Auf unserem Bild sind u.a. Rektor Dra- heim und Alr-Landragspräsidem Oe. Gurk zu erkennen. 260 Hans Joachim Hoffner Deutsch-amerikanischer Verbindungsoffizier 1953 - I 990 Blick: Herr Hoffner. Sie sind als Oberst der Bundeswehr 1990 in Pension gegangen. Ihre Tätigkeit unterschied sich ja deutlich von mancher anderen Offizierskarriere? Hoffiur: 1945 bin ich als Leutnant nach dem Krieg wieder Zivilist geworden und wur- de nach Studien und Berufstätigkeit 1953 als deutscher Berater des amerikanischen Verbin- dungsoffiziers eingestellt. von der Bundeswehr als Hauptmann übernommen. Nach zahlrei- chen Wehrübungen wurde ich parallel zu mehreren Beförderungen durch die Amerika- ner auch in der Bundeswehr befördert. und zwar zuletzt als "Leiter der Verbindungsabtei- lung beim US-Distriktkommando Nord- und Südbaden und des Regierungsbezirks Neu- stadt-Pfalz" und Oberst der Bundeswehr. d. h. ich unterstand unmittelbar der Nato. die mich auch bezahlte. Blick: Das waren zunächst militärische Aufgaben? HoJfoer: Jedes Jahr fanden Manöver bis ca. insgesamt acht Wochen statt mit großen Vor- bereitungen. verschiedenen Lagern. umfang- reichen Flugplatzlandungen innerhalb des Big Lift. wo in kurzer Zeit voll einsatzfähige Trup- penteile aus den USA in Deutschland lande- ten. daher auch meine Verbindungen zu der Air Force. Mit einem kleinen Stab von ca. 25 Personen samt Pressestelle schufen wir nicht nur den erforderlichen Kontakt zur Öffent- lichkeit. sondern kümmerten uns nachher auch um die Manöverschäden. Blick: Was wäre im Ernstfall geschehen? HoJfoer: Der Rhein hätte auf jeden Fall als Auffanglinie gedient. Hier hatte übrigens die US Navy zwei Patrouillenboote und eine gro- ße Anzahl von Fähren für die Rhine River Patrol stationiert. Im Falle einer Besetzung der DDR wäre ich verantwortlich gewesen für den Beginn demokratischer Regierungsformen im Land Thüringen. Blick: Das war sicher damals streng geheim. HoJfoer: Ja. ich war Träger der höchsten Geheimhaltungsstufe. was den Umgang mit Karlsruher amerikanischen Kommandeuren. die nicht diesen Grad hatten. manchmal um- ständlich machte. um Maßnahmen zu erklären. Blick: .. Jack" Hoffner spricht akzentfreies Amerikaniseh? HoJfoer: Was manchmal dazu führte. dass die Amerikaner vergaßen. dass ich Deutscher bin. Doch dazu gehörte auch. die Mentalität 261 dieser Soldaten zu begreifen angesichts ihrer häufig wechselnden Einsatzorte. Blick: Sie stellten also innerhalb der 37 Jah- re eine Kontinuität dar? Hoffoer: Was sehr erwünscht war, auch bei den deutschen Dienststellen, wie zu den Land- räten, Bürgermeistern. Bei den Panzermär- schen, Biwaks mit ihren Straßenschäden wut- den ja erhebliche Entschädigungssummen ge- zahlt, zwei Drittel von der Army, ein Drittel von der Bundesrepublik. Blick: Konnten Sie bei den Übungen ein- zelner Truppenteile noch einen positiven Ak- zent setzen? Hoffoer: Besonders die Pioniere halfen bei der Anlage von Straßen, Sportplätzen, Kinder- gärten, Freizeitanlagen u a. Die Kirche am Feldberg hätte ohne den Einsatz der Amerika- ner nicht gebaut werden können. Blick: In Karlsruhe wurde der Flugplatz in der Nordstadt für die Army umgewidmet. Hoffoer: Und die Kasernenbauten, Schu- len, Kirchen erstellt. Ich war damals bei der Bauplanung beteiligt, wo mit deutschen Stel- len um jeden Baum gekämpft werden musste. Heute ist dies ein bevorzugtes Wohngebiet mit der sehr aktiven amerikanischen Bibliothek, einem Geschenk an Karlsruhe. Blick: Die Truppen und ihre Angehörigen lebten wohl stark abgeschirmt? Hoffoer: In der Versorgung waren sie völlig autark. Gerade bei ihren strikten Hygienevor- stellungen sorgten eigene Schlachter, Bäcker und andere Dienste für die Lebensmittel. Da aber 14.000 Familien in Wohnungen inner- halb der Stadt lebten, kam es zu vielen Kon- takten; besonders wenn die Kinder miteinan- der spielten, begann rasch ein Gespräch über dem Zaun, wobei man immer wieder über- rascht war, wie viele Deutsche Englisch spre- chen und manche Amerikaner kaum Gelegen- heit hatten, die mühsam erworbenen Deutsch- kenntnisse anzuwenden. Mit der Truppenre- duzierung bedauerten viele Vermieter den Rückzug der amerikanischen Familien. Blick: War für die Army eine Y.ersetzung nach Deutschland interessant? Hoffoer: Sicherlich. Jeder musste hier einen 30-stündigen Pflichtkurs absolvieren, in dem die Geschichte, der Standort, die Sitten und Gebräuche und etwas Basic German unter- richtet wurde. Besonders die Mroamerikaner haben sich hier wohl gefühlt. Für das Offi- zierskorps wurde ein Round table mit franzö- sischen, kanadischen und deutschen Offizie- ren eingerichtet. Man ging ins Theater, in Mu- seen, und viele zeigten einen großen Wissens- durst. Blick: Gab es auch Probleme? Hoffoer: Natürlich. Gerade bei Verkehrs- unfällen, Straftaten und anderen Konflikten. Für mich bedeutete es eine harte Aufgabe, deutsche Ehefrauen über den Tod ihres Man- nes in Vietnam zu informieren. Blick: Wenn Sie die Summe ziehen, was ist geblieben, was hat sich bis heute geändert? Hoffoer: Wer als amerikaniseher Soldat in Deutschland diente, konnte als Botschafter dieser Republik in den USA gelten. Hatten die GIs anfangs in den 50er Jahren noch auf die- ses Land herabgesehen, die die Deutschen 1945 nach der ersten französischen Besatzung 262 eher als Befreier betrachteten, so stellte sich bald ein freundschaftliches Verhältnis ein. Wir haben hier in unserem Distrikt auch Gruppen von Medizinern, Juristen, Pädagogen empfan- gen, die sich wohl vorbereitet im Gespräch mit deutschen Partnern zeigten. Zwar sind man- che Kontakte geblieben, Heidelberg ist noch immer Sitz des Hauptquartiers, aber viele Stränge sind verdünnt, und die heutige ame- rikanische Jugend, die nicht mehr die Erfah- rungen einer Wehrpflichtarmee in Europa gewinnen kann, spiegelt wohl ein anders Welt- bild. Die derzeitige Berufsarmee, die andere Strukturen aufweist, anderen Risiken ausge- setzt ist, schafft andere Verhältnisse. Unabhän- gig von der Tatsache, dass wir 1945 von der Nazi-Diktatur befreit wurden, konnte ich in diesen 37 Jahren beobachten, wie hier in Karlsruhe, aber auch in anderen Regionen, besonders die jüngeren Angehörigen zweier Staaten zusammenrückten, sich zu verstehen versuchten. Wenn ich auf meinen privaten Reisen in die USA immer wieder Amerikaner getroffen habe, die oft voll guter Erinnerungen von ihrer Zeit in Deutschland berichten, kann man darin trotz mancher Probleme im ganzen eine positive Bilanz dieses Abschnitts der Zeit- geschichte ziehen. DIE FRAGEN STELLTE LEONHARD MÜLLER JosefWerner Journalist und Publizist Blick: Sie wurden im Jahr 1950 mit 35 Jah- ren Chef des Lokalteils der Badischen Neues- ten Nachrichten (BNN) und später stellvertre- tender Chefredakteur. Hatten die BNN da- mals noch keine Monopolstellung? Wemer: Mitte des Jahres 1949 war in der amerikanischen Zone die Lizenzpflicht für Ta- geszeitungen aufgehoben und damit Gewerbe- freiheit auch für den Bereich der Presse ge- schaffen worden. Rasch wurde dann das Dur- lacher Tageblatt wiedergegründet, und in Karlsruhe wurden die CDU-nahe Badische Volkszeitung (BVZ) sowie die SPD-nahe All- gemeine Zeitung (AZ) aus der Taufe gehoben, die beiden Letzteren von uns Journalisten lie- bevoll-spöttisch "Schwarz Kattl" und "Rot Kattl" genannt. Dass diese Zeitungen nach einigen Jahren aus wirtschaftlichen Gründen eingingen, war ein Verlust an Meinungsfrei- heit, den ich immer sehr bedauert habe. Die Kollegen dieser Zeitungen kamen übrigens fast ausnahmslos bei den BNN unter. Blick: Welche Rolle spielt in Zeitungen wie den BNN der Lokalteil? 263 Werner: Eine sehr wesentliche, denn Leser von Regionalzeitungen wie den BNN wollen ja vor allem über das vielfaltige lokale und re- gionale Geschehen informiert werden. Eine umfassende und objektive Berichterstattung isr die vordringliche Aufgabe der Lokalredak- tion. Zur Erfüllung dieses Auftrags ist ihr in- nerhalb der Gesamtredaktion die größte Zahl an Redakteuren und Redakteurinnen zugeord- net. Zusätzlich verfügt die Lokalredaktion über eine beachtliche Zahl freier Mitarbeiter. Blick: Welchen Einfluss nimmt und hat die Lokalredaktion auf das lokale Geschehen? Werner: Der Leser erwartet von seiner Zei- tung, dass sie zu aktuellen Fragen Stellung nimmt. Gegebenenfalls kann sie dabei sogar eine Art Meinungsführerschaft übernehmen. Ob die Meinung der Zeitung auch Einfluss hat aufEnrscheidungen, etwa des Stadtparlamenrs, hängt zum einen von der Überzeugungskraft der vorgebrachten Argumente ab, zum ande- ren narürlich von der Bereitschaft der Damen und Herren Stadträte, den Standpunkt der Zeitung anzunehmen. Überschärzen sollte man den Einfluss der Zeitung allerdings nicht. Blick: Können Sie dennoch Fälle nennen, bei denen Ihre Zeitung die öffentliche Mei- nung maßgeblich beeinflusst hat? Wemer: Aus meiner Zeit ist mir lebhaft unser Widerstand gegen die Absicht des dama- ligen BVG-Präsidenten Gebhard Müller und des damaligen Ministerpräsidenten Kurt-Ge- arg Kiesinger in Erinnerung, das Bundesver- fassungsgericht im Schloss zu etablieren. Der Plan wurde aufgegeben, das Badische Landes- museum, das sich im Schloss gerade einzurich- ten begann, konnte im Schloss verbleiben. Einen heftigen öffenrlichen Kampf führten wir um den Wiederaufbau des Markgräflichen Palais' J Weinbrenners schönstem Bauwerk, dessen Ruine geschleift werden sollte. Ein vol- ler Erfolg war diesem Bemühen bedauerlicher- weise nicht beschieden. Aber immerhin wur- de der für die Gestalt des Rondellplatzes wich- tige Porrikus wiederaufgebaut. Auf der ganzen Linie durchgesetzt har sich meine Zeitung andererseits bei ihrem Kampf gegen den der Aachener-Münchener Versicherung zuliebe bereits beschlossenen Abbruch des anmutigen klassizistischen Weltzienhauses am Karlstor. Und dem Stadtgarren blieb dank BNN und der von ihr mobilisierren Öffentlichkeit bei der KLV-Erweiterung der - auch vom dama- ligen Gartenbaudirektor Roberr Mürb be- kämpfte - erdrückende so genannte "Dreifin- genurm U erspart. Massive Kritik äußerte die Zeitung schließlich an der vom Gemeinderat nahezu einstimmig erfolgten Entscheidung, den stadthistorischen vielsagenden, zugleich anmutigen Namen "Entenfang" in Mühlburg als Referenz für Besucher aus der Pfalz in "Pfälzer Platz" umzubenennen. Das Ergebnis: In der darauffolgenden Sitzung nahm der Gemeinderat seinen Beschluss zurück, der "Entenfang" war gerettet. Blick: Ist andererseits eine Lokalredakrion nicht doch dann und wann Einflussversuchen, beispielsweise von politischer Seite, ausgesetzt? Werner: Ein Journalist ist dann glaubhaft. wenn er sich seine Unabhängigkeit bewahrt. Um Behinderungen seiner journalistischen Freiheit zu entgehen, ist es ratsam, dass der Lokalredakteur sich nicht von Parreien oder einflußreichen gesellschafrlichen Gruppierun- gen als Mitglied anwerben lässt. Blick: Und wie steht es mit dem Anzeigen- teil? Gibt es nicht seitens der Inserenten Ein- flüsse, denen sich der Redakteur schwer ent- ziehen kann? 264 ~nltr: Es ist theoretisch denkbar, das dies versucht wird. Ich versichere Ihnen aber, dass ich nie auch nur den Versuch erlebt habe, die Redaktion zu einer unveranrwortbaren Gefäl- ligkeit zu veranlassen. Die Trennung vom re- daktionellen und Anzeigenteil ist konsequent und wird respektiert. Auch ein fester Abon- nentenstarnm garantiert die Wirtschaftlichkeit und damit die Unabhängigkeit einer Zeitung. Blick: Sehen Sie die Regional- und Lokal- zeitungen bedroht? ~nltr: Keineswegs. Bei aller Informati- onsflut durch Fernsehen, Rundfunk, auch überregionale Boulevardblätter, will man halt doch vor allem über das Geschehen auf der lokalen Basis informiert werden, möchte schwarz auf weiß in Ruhe lesen können, was auf kommunalpolitischem, kulturellen und sportlichen Gebiet geschieht. Ich bin sicher, dass gut gemachte Regionalblätter ihre Bedeu- tung nicht verlieren, auch nicht im Zeitalter des Internet. Blick: Die Karlsruher Journalisten gründe- ten schon im Jahr 1949 den Karlsruher Pres- seclub. Sie waren Mitbegründer und in den 60er Jahren dessen Vorsitzender. ~rner: In jenen Jahren ging der Presseclub auf zwei Ebenen in eine breitere Karlsruher Öffentlichkeit. Zum einen mit vielbesuchten Vortrags-Großveranstaltungen, beispielsweise mit Baron von Guttenberg und Sebastian Haffner. Wenn Klaus Mehnert kam, war selbst die Schwarzwaldhalle zum Brechen gefüllt. Die andere Schiene war gesellschaftlicher Art, waren die Presse- und die vom Presseclub in- itiierten legendären Bühnen- und Pressebälle, Gemeinschaftsveranstaltungen mit dem Badi- schen Staatstheater. Inzwischen konzentrieren sich die Aktivitäten des Presseclubs vor allem auf Begegnungen mit namhaften Personen des öffentlichen Lebens, erwa mit BVG-Präsiden- tin Jutta Limbaeh, mit den Landesbischöfen Klaus Engelhardt und Ulrich Fischer oder auch mit dem quirligen FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß. Um den Clubmitgliedern sach- dienliche Informationen aus der Politik zu bieten, waren in den vergangenen Jahren Spit- zen politiker jeder Couleur zu Gast, Gerhard Schröder ebenso wie Wolfgang Schäuble, Klaus Kinkel oder Joschka Fischer, um nur diese zu nennen, aber auch mehrere Ministecp präsidenten und unlängst die Justizministerin Däubler-Gmelin. Blick: Der Ruhestand des "In Ettlingen geborenen Karlsruhers", wie Sie OB Gerhard Seiler nannte, hat Ihnen Freiraum für die Stadthistorie gegeben. ~rner: Zu dieser Arbeit kam ich dank des Angebots des damaligen Oberbürgermeisters Dullenkopf. Statt, wie von ihm erwartet, die seit 1923 liegengebliebene Stadtgeschichte fortzuschreiben, widmete ich mich dafür der Zeitgeschichte. So entstand das Buch ,,1945- Karlsruhe unter Hakenkreuz, Trikolore und Sternenbanner", ein Rückblick auf ein unver- gleichliches Jahr Karlsruher Geschichte. Spä- ter kamen, mit Fotos aus den umfangreichen Schlesiger- und Bauer-Beständen, Jahrzehnte- Publikationen hinzu, Spiegel der 40er, 50er, 60er und 70er Jahre in Wort und Bild. Mein herausragendes Engagement aber gehörte ei- ner Arbeit, die die wichtigste meines Berufsle- bens werden sollte. Durch die Recherchen für das Buch ,,1945" schemenhaft auf die Tragö- die des Karlsruher Judentums gestoßen, nahm ich mir, unterstützt von OB Seiler vor, das Schicksal der ehemaligen jüdischen Mitbürger zu erforschen und zu beschreiben. So ent- stand, rechtzeitig zum 50. Jahrestag der so genannten "Reichskristallnacht", das Buch 265 "Hakenkreuz und Judenstern - Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich". Die Arbeit an dieser Publikation war schwer, tief bewegend, aber auch ungemein befriedigend. Denn ich konnte mit diesem Buch dazu bei- tragen, den Nebelschleier aufzureißen, der über dem traurigsten Geschehen Karlsruher Geschichte lag. DIE FRAGEN STELLTE LEONHARD MüLLER Kurt Gauly Erster Bürgermeister a. D. Blick: Herr Gauly, Sie sind, 1926 geboren, in Worms aufgewachsen und mit 25 Jahren als Rechtspfleger im rheinland-pfälzischen Justiz- dienst vom neu gegründeten Bundesgerichts- hof für den Verwaltungsdienst ausgewählt worden. Was waren Ihre Tätigkeiten? Gauly: In den 27 Jahren beim BGH bin ich im Kassenwesen, bei Senatsgeschäftssrellen. der Pressestelle und als Sicherheitsbeauftragter eingesetzt worden, eine Funktion, die vor al- lem nach dem Attentat auf Generalbundesan- walt Buback wichtig wurde. Blick: Das waren die Zeiten, seit dem der BG H mit großen Schutzgittern umzäunt ist? Gauly: Ja, aber auch der Personenschutz der einzelnen Bundesrichter musste verstärkt werden, oft zu ihrem Leidwesen, weil es den Freiraum einengte. Es waren Jahre hoher An- spannungen. Blick: Wann begann Ihre politische Tätig- keit? Gauly: 1947 trat ich in die Christlich-De- mokratische Union ein. 10 Jahre später wurde ich in Karlsruhe Vorsitzender der Jungen Uni- on. Nachdem ich mit ihr in der Auseinander- setzung um die Bundestagskandidatur 1961 den Wechsel von Dr. Werber zu Dr. Güde durchgesetzt hatte, wurde ich im gleichen Jahr Vorsitzender der Karlsruher CDU. Es galt, die noch immer bestehenden Spannungen zwi- schen den ,,Altbadenern" und den "Südwest- staatlern " zu überwinden. 1962 wurde ich dann in den Gemeinderat gewählt. Blick: Welcher Bereiche haben Sie sich als Stadtrat besonders angenommen? Gauly: Auf Grund beruflicher Erfahrungen der Finanzen. Es war wirtschaftlich eine schwie- rige Zeit, als ich 1967 zum Fraktionsvorsitzen- den gewählt wurde. Die Parteien setzten un- 266 terschiedliche Akzente, und die CDU stimmte erstmals dem Haushaltsplan nicht zu. Die Bun- desgattenschau 1967 wat ein Publikumserfolg, verschlang aber viel Geld. Schon zwei Jahre später wollte Oberbürgermeister Klotz, mit dem ich im allgemeinen ein gutes Verhältnis pflegte - war er doch ein Mann, der nicht stän- dige Konfrontationen liebte und auch nicht viel von Ideologien hielt - für das Jahr 1975 eine zweite Bundesgattenschau beschließen lassen. Wegen der Vernachlässigung wichtige- rer Investitionen im Schul- und Krankenhaus- wesen versagte die Mehrheit des Gemeinderats unter meiner Worrführung die Zustimmung. Blick: 1978 wurden Sie Bürgermeister. Wo lagen Ihre Zuständigkeiten? Gauly: Einmal beim Schulwesen. Karlsru- he hat damals unter großen Anstrengungen besonders für die beruflichen Schulen moder- ne Bauten geschaffen, so das Technische Gym- nasium und weitere Schulbauten im Beiermei- mer Feld, die Heinrich-Hübsch-Schule am Mendelssohnplatz mit erheblichen Geburts- wehen, die Gewerbeschule in Durlach, dazu Sonderschulen und andere. Mit der Ernst- Reuter-Schule in der Waldstadt wurde die ers- te Ganztagesschule eingerichtet. Nicht weniger wichtig war mir, und das überrascht vielleicht, die Pflege unserer Fried- höfe. Der Hauptfriedhof wurde erweitert, die Friedhofskapelle neu gestaltet, neue Friedhö- fe in der Nordweststadt und in Wolfartsweier angelegt und anderes mehr. Gepflegte Fried- höfe sind Ausdruck intakter Lebens- und Stadtkultur. Eine große Unternehmung war die Neuge- staltung der Stadthalle, bis jetzt das einzige repräsentative Kongressgebäude. Schon darna- lige Überlegungen für eine Neue Messe außer- halb des Festplatzbereiches scheiterten an der Finanzlage. Schließlich noch mein größter Zuständigkeitsbereich, nämlich die Stadtwer- ke samt Verkehrsbetrieben und Rheinhäfen. Bei den letzteren wurde ein Containerum- schlagplatz neu geschaffen und durch das Hafensperrror der Hafen gegen Hochwasser geschützt. Bei den Versorgungs betrieben sind das große Wasserwerk Rheinwald in EIches- heim sowie eine Kesselanlage mit moderner Rauchgasreinigung festzuhalten; zuletzt noch die herausragende Modernisierung unserer Verkehrsbetriebe, die weltweit Beachtung ge- funden hat. Mit der Einführung der 2-Sys- tem-Fahrzeuge wurde Nahverkehrsgeschichte geschrieben, der Ausbau des Nahverkehrsnet- zes ist beispielhaft. Blick: 1986 wurden Sie Erster Bürgermeis- ter. Was für eine Funktion hat dieses Amt? Gauly: Der Erste Bürgermeister ist der arntliche Vertreter des Oberbürgermeisters. An seiner Stelle kann der Erste Bürgermeister die Stadt über alle Geschäftsbereiche hin rechtlich binden, was den übrigen Bürgermeistern nur für ihren eigenen Geschäftsbereich möglich ist. Natürlich wird der amtliche Vertreter ver- nünftigerweise nicht gegen die Intentionen des Oberbürgermeisters entscheiden. Im Üb- rigen stelle ich dankbar fest, dass mein Ver- hältnis zu meinen Oberbürgermeistern 0[[0 Dullenkopf und Professor Dr. Gerhard Seiler immer herzlich und ungetrübt war. Blick: Was für Pläne würden Sie sich als Karlsruher Kommunalpolitiker mit langjähri- ger Erfahrung für die Zukunft realisiert wün- schen? Gauly: Zunächst einmal eine Straßenbrü- cke über den Rhein. Zu meiner Zeit haben wir beim Neubau der Eisenbahnbrücke Stützpfei- ler und Widerlager für ein zweites Gleis vorge- sehen, das inzwischen nachgebaut worden ist. 267 Die Rheinbrücke muss ja in absehbarer Zeit saniert werden. und so ergibt sich die Not- wendigkeit eines zweiten Strom überganges, an dem allein die geplante. aber nicht be- schlossene Nordtangente angeknüpft werden müsste. Mit der Messe in Rheinsterten ist ein wich- tiger Schritt über die Stadtgrenze hinaus un- ternommen worden, genauso wie bei der Ver- kehrsplanung. Bei dieser befürchtete man zu- erst Wanderungen zu Ungunsten der Stadt- kommune. Heute si.eht man das unproblema- tischer. und Karlsruhe gewinnt deutlich im Prozess einer stärkeren Vernetzung der Region. Schließlich fühle ich mich als ehemaliger "Schulbürgermeister" auch der Entwicklung unseres Bildungswesens noch immer verbun- den. Nicht zuletzt nach den Weichenstellun- gen vergangener Jahre fährt da der Zug auf richtigem Gleis. DIE FRAGEN STELLTE LEONHARD MÜLLER 268 Biografien 269 Fridolin Heurich 1878-1960 Wenn in Karlsruhe von der Trümmerräumung nach 1945 die Rede ist, dann denken die we- nigsten Karlsruher an den verantwortlichen Baubürgermeister jener Tage. Fridolin Heu- rich war in dieser Funktion maßgeblich für die Stadt bei der Gründung der ,,Aufräumungs- Arbeitsgemeinschaft Karlsruhe" beteiligt und förderte deren Tätigkeit so entschieden, wie er die ersten Schritte des Wiederaufbaus von Wohngebäuden, öffentlichen Bauten und die Neugestaltung der Kaiserstraße vorantrieb. Heurich wurde am 14. September 1878 als eines von fünf Kindern eines Taglöhners in Magdlos, Kreis Fulda geboren. Zwischen der Maurerlehre, dem Aufstieg zum Polier 1904 und der Karriere als Politiker in der Weimarer Republik lag eine unermüdliche und erfolgrei- che Tätigkeit für die christlichen Gewerk- schaften. Er begann 1906 als Funktionär des Bauarbeiterverbandes in Krefeld und ging 1908 nach Freiburg als Bezirksleiter. Unter- brochen wurde seine Aufbauarbeit in Baden und im Elsaß durch die Einberufung zum Kriegsdienst bis April 1917. In der Zeit der Weimarer Republik stieg Heurich u. a. als Vorsitzender der christlichen Gewerkschaften zum herausragenden christli- chen Arbeiterführer in Baden auf, der 1922 seinen Wohnsitz nach Karlsruhe verlegte. Mit seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit verband Heurich von Anfang an auch politische Aktivi- täten für die Zentrumspartei. Seit 1919 nahm er eine Führungsrolle als Vorstandsmitglied der Partei in Baden und im Reich und seit 1919 als Mitglied des Landtags und des Fraktions- vorstands ein. Ab 1927 gehörte er als Staatsrat ehrenamtlich der badischen Regierung an. Seine Mitwirkung am Abschluss des badischen Konkordats würdigte der Vatikan 1932 mit der Verleihung eines päpstlichen Ordens. Über den Politiker Heurich schrieb der "Badische Beobachter" 1931, seine Reden sei- en "wuchtig und überzeugend" und verrieten schöpferisches Talent. Er sei ein glänzender Versammlungsredner und ein Meister der Debatte, "der mit seinem Gegner schlagfertig, aber dennoch ritterlich abrechnet." Heurichs tolerante, den Ausgleich mit dem politischen Gegner suchende GrundeinsteIlung fand ihre Grenze im Umgang mit den Nazis. 1930 er- regte sein Ohrfeigenduell mit dem NS-Abge- ordneten Kraft in einer erregten Landtagssit- zung öffentliches Aufsehen. Die Gegnerschaft zum Nationalsozialis- mus kostete Heurich 1933 alle Ämter. Erst ab 1937 konnte er bei einer Bausparkasse wieder arbeiten. Nach dem missglückten Attentat vom Juli 1944 wurde Heurich, der unter stän- diger Beobachtung der Gestapo stand, meh- rere Tage inhaftiert. 270 Wie manch anderer Politiker der Weimarer Republik. die zu NS-Gegnern wurden. kehr- te auch Heurich im Rentenalter 1945 wieder in das politische Leben zurück. Die Amerika- ner ernannten ihn im August 1945 zum Ers- ten Bürgermeister der Stadt. Er zählte zu den Mitbegründern der überkonfessionellen CDU und einer einheitlichen Gewerkschaft in Karls- ruhe. Mit großer Oberzeugungskraft warb er für die Gemeinsamkeit aller demokratischen Kräfte und .. gegen gehässige Parteienkämpfe". Seine Partei wählte ihn 1946 bis 1951 zum Vorsitzenden in Nordbadenj er vertrat sie von 1946 bis 1952 im Parlament von Württem- berg-Baden. Heurich. der nie einen Zweifel daran aufkommen ließ. dass seine geistigen und politischen Wurzeln in der Arbeiterschaft gründeten. schied zu Beginn des Jahres 1953 vor Ablauf seiner Amtsperiode im Alter von fast 75 Jahren aus gesundheitlichen Gründen aus dem Dienst. Ausgezeichnet mit dem Gro- ßen Verdienstkreuz der Bundesrepublik starb der verdiente Landes- und Kommunalpoliti- ker in Karlsruhe am 12. Februar 1960. MANFRED KOCH Heinrich Wetzlar 1868 -1943 Der Karlsruher Jugendrichter Dr. Heinrich Wetzlar hatte im Laufe seiner Berufsarbeit die Notlage der gestrauchelten Jugendlichen er- kannt. Als Vorsitzender des Bezirksvereins für Jugendschutz und Gefangenenfürsorge in Karlsruhe hielt er daher Ausschau nach einem geeigneten Gebäude. wo straffällige junge Menschen vor Polizeigewahrsam. Untersu- chungshaft oder Strafvollzug im Gefängnis verschont bleiben konnten. zugleich soziale Eingliederung erfahren sollten. Im Sommer 1914 gelang es. in einem Wohnhaus in der Werderstraße ein Heim zu eröffnen. das straf- fällige männliche JugentHiche aufnahm. Wäh- rend der Kriegsjahre waren ständig zehn bis zwölf Jugendliche untergebracht. wurden be- treut und versorgt. Bei Kriegsende aber musste die Einrichtung wegen der Wohnraumbewirt- schaftung geschlossen werden. die Fortsetzung der erfolgreich angelaufenen Hilfstätigkeit schien in Frage gestellt. Doch Dr. Wetzlar gab nicht auf. Dank seiner umsichtigen Verhand- lungsführung konnte das ehemalige großher- wgliche Jagdschloß Stutensee durch den Be- zirksverein übernommen und ausgebaut wer~ 271 den. Bereits im Jahre 1919 gründete Dr. Wetz- lar hier ein Erziehungsheim. Bald standen 36 Heimplätze zur Verfügung. die Insassen konn- ten in der Gärtnerei. in der Landwirtschaft. in der Korbflechterei und in der Schuhmacher- werkstatt angelernt und beschäftigt werden. Ein Fortbildungsschullehrer wirkte als Heim- leiter. fünf Aufsichtsbeamte standen ihm bei der Betreuungsarbeit zur Seite. Da herrschte kein Anstaltsklima, sondern man war bestrebt, die Heimbewohner nach neuen jugendpäda- gogischen Erkenntnissen auf das künftige Le- ben draußen vorzubereiten. An vielen Wo- chenenden fuhr oder wanderte der J ugend- richter. oft begleitet von seiner mithelfenden Ehefrau, hinaus nach Stutensee, um sich sei- ner Schützlinge anzunehmen. Ihm gebührt das Verdienst. im Raum Karlsruhe ein bei- spielhaftes Modell moderner Jugendhilfe ge- schaffen zu haben. Heinrich Wetzlar stammte aus einer jüdi- schen Kaufmannsfamilie. am 30. Mai 1868 war er in Mannheim geboren worden. Nach Studium der Rechtswissensehaften absolvier- te er seine Militärdienstzeit. 1894 in den badi- schen Justizdienst übernommen, war er bei verschiedenen Gerichten tätig. über mehrere Jahrzehnte in Karlsruhe. ab 1929 als Landge- richtspräsident in Mannheim. Unermüdlich engagierte sich der Richter in der Stralfalligen- hilfe. Neben seiner Funktion im KarIsruher Bezirksverein hat er 1920 das Amt des stell- vertretenden Vorsitzenden der Zentralleitung aller badischen Bezirksvereine übernommen (heute Badischer Landesverband für soziale Rechtspflege). An zahlreichen Tagungen der Gefangenenfürsorge nahm er teil, um seine erzieherischen Erfahrungen und seine rechts- politischen Forderungen an die Öffentlichkeit zu tragen. Unter dem Druck randalierender SA wurde er als Präsident des Landgerichts Mannheim zum I. August 1933 pensioniett. Kein Wort der Anerkennung und des Ab- schieds haben die amtlichen Stellen für den angesehenen Richter gefunden. Den beschä- menden Pogromen der so genannten Reichs- kristallnacht entging die Familie. sie war recht- zeitig gewarnt worden. Nun entschloss man sich zu rascher Auswanderung in die Nieder- lande. Nachdem dort deutsche Truppen einge- fallen waren. wurden Dr. Wetzlar und seine Frau im März 1943 in das Konzentrationsla- ger Theresienstadt verschleppt. Es lässt sich nur erahnen. welch unsägliche Leiden und Entbehrungen die 74 und 75 Jahre alten Men- schen bis zu ihrem Tode erdulden mussten. Heute erinnert an der Vorderfront des Schlos- ses Stutensee eine Gedenktafel an die Ermor- deten. Und ganz in der Nähe erhebt sich seit dem Jahre 1984 das Heinrich-Wetzlar-Haus. bestimmt zur Unterbringung jugendlicher Beschuldigter, die ansonsten in Untersu- chungshaft einsitzen müssten. Hier lebt das Werk des selbstlosen Helfers fort. REINER HAEHLI NG VON LAN ZENAUER 272 Luitgard Himmelheber 1874-1959 Der Name Himmelheber steht in der Karlsru- her Stadtgeschichte zum einen für die 1768 gegründete, renommieree Möbelfabrik der Gebrüder Himmelheber, zum anderen aber auch für eine Reihe von Frauen, die die übli- chen Pfade weiblichen Verhaltens ihrer Zeit verließen und sich politisch engagiereen. Luitgard Himmelheber war eine der ersten Frauen im Karlsruher Stadtparlament. Sie wur- de im Mai 1919 Stadrverordnete der "Deut- schen Demokratischen Partei" (DDP). Damit hatte sie für eine Frau ihrer Herkunft außerge- wöhnliche Wege beschritten. Am 27. April 1874 wurde sie als Tochter des Max Honsell (1843-1910) und dessen Ehefrau SophieAmalie Prestinari (1845-1929) geboren. Ihr Vater hatte als Ingenieur die von Tulla begonnene Rheinregulierung vollendet und wurde dann badischer Finanzminiscer. Luitgard genoss die für eine Tochter der Ober- schicht herkömmliche Bildung. Von 1880 bis 1890 besuchte sie eine führende Einrichtung für die Erziehung höherer Töchter, die im Besitz der Großherzogin Luise befindliche Vikcoriaschule. 1894 heiratete sie Gustav Himmelheber (1863-1937) , der zusammen mit seinem Bruder Karl die Möbelfabrik "Ge- brüder Himmelheber" führte. Vielleicht lag es daran, dass sie in einem geistig aufgeschlossenen Elternhaus aufge- wachsen war, vielleicht hatte sie ihre eigene Ausbildung als ungenügend empfunden; Lu- itgard Himmelheber befasste sich jedenfalls bald mit den Problemen einer höheren Bil- dung für Mädchen. Die Institute für höhere Töchter wollten Mädchen auf ihre Rolle als bürgerliche Gattin vorbereiten. In erster Linie sollten Repräsentationsfähigkeit, Geschick- lichkeit und ästhetisches Empfinden durch das Erlernen der französischen Sprache, von Hand- arbeiten und durch Zeichenunterricht erwor- ben werden. Eine weiterführende Bildung, die zur Ausübung eines qualifiziereen Berufs oder gar zum Studium befahigt hätte, gab es zu je- ner Zeit für Mädchen in Deutschland nicht. Luitgard Himmelheber setzte sich für die Gründung des 1893 in Karlsruhe eröffneten ersten deutschen Mädchengymnasiums ein und focht mit Entschiedenheit für dessen Forebestehen, als dies 1897 zweicweilig gefähr- det war. Ein besonderes Anliegen war ihr die Einrichtung eines Internats für die auswärti- gen Gymnasiastinnen. Sie kümmeree sich um die Verwaltung des Pensionats und sorgte auch für die Freizeitgestaltung der Mädchen an Sonntagen und in kürzeren Ferien. Der all- jährliche Tagesausflug der Internatsschüler- innen führee in das Landhaus des Ehepaars Himmelheber in Bernbach. 273 Neben diesem praktischen Wirken enga- gierte sich die Fabrikantengattin und Mutter von sieben Kindern auch politisch für eine bes- sere Ausbildung von Mädchen. Sie trat dem Ver- ein "Ftauenbildung- Frauenstudium" bei, des- sen Karlsruher Gruppe sie von 1902 bis 1919 leitete. Während des Ersten Weltkriegs bildete dieser Verein gemeinsam mit anderen Frauen- organisationen den "Nationalen Frauendienst". Luitgard Himmelheber sah hier ihre Aufgabe im sozialen Bereich und widmete sich ins- besondere der Betreuung von Kriegerwitwen. Das Kriegserlebnis veranlasste sie, sich par- teipolitisch zu betätigen. Sie wurde Mitgrün- derin der Karlsruher Demokratischen Partei und nutzte 1919 nach Einführung des Frau- enwahlrechts ihre neugewonnenen demokra- tischen Rechte, um Politik selbst mitzugestal- ten. Bis 1924 saß sie im Karlsruher Bürgeraus- schuss. In ihrem fünfzigsten Lebensjahr zog sie sich aus dem politischen Leben zurück. Der Zweite Weltkrieg veranlasste schließlich ihre Schwiegertochter Kathinka Himmelheber, sich nach 1945 in der überparteilichen Karls- ruher Frauengruppe zu engagieren. Luitgard Himmelheber verstarb am 1. März 1959. BARBARA GUTTMANN GustavTrunk 1871-1936 "Trunk hat gezögert, er besprach sich zunächst mit Chefredakteur Meyer vom 'Badischen Be- obachter' und mir, dann nahm auch er an, 'in Gottes Namen', wie er ausrIef. Trunk war. wie sich herausstellte, ein absoluter Fehlgriff, un- fähig zu selbstständigem Handeln." Mit diesen herben Worten kommentierte sein Parteifreund Heinrich Köhler den Beginn der politischen Laufbahn Gustav Trunks auf Landesebene. Am 10. November 1918 wurde in Karlsruhe im Zuge der Revolution die vor- läufige Volksregierung unrer dem Sozialdemo- kraten Anton Geiß gebildet. Trunk - unsicher, unvorbereitet und misstrauisch - übernahm darin das Amt des Ernährungsministers, das die Verwaltung des Mangels bedeutete und dessen Übernahme ein hohes Maß an Pflicht- bewusstsein und Selbsrverleugnung erforder- te. Er baute das neue Ministerium auf, war aber nicht erfolgreich im Kampf gegen Schwarz- markt, Versorgungsnot, Hunger und die Un- zufriedenheit großer Teile der Bevölkerung. Zugute hielt er sich, die Eisenbahnfahrt der großherzoglichen Familie ins "Exil" nach Schloß Langenstein (17./18. November 1918) mitorganisiert zu haben. JosefLudwig GustavTrunk, der Sohn eines Hauptlehrers, geboren am 24. Juli 1871 in Waldprechtsweier, erhielt in Sasbachwalden, in der von dem Priester und führenden Zen- trumspolitiker Franz X. Lender gegründeten Schule eine stark katholisch-religiös geprägte Erziehung. Gewiss hatte diese Anteil daran, dass der betonr patriotische Mann sich später nicht den Nationalliberalen, sondern dem Zentrum anschloss. Nach dem Abitur am Gymnasium in Rastatt 1893 studierte Trunk bis 1897 Jura in Heidelberg und Berlin und schloss sich der farben tragenden Verbindung Arminia im CV an. Der wegen starker Kurz- sichtigkeit vom Militärdienst befreite Jurist war nur kurze Zeit Amtsrichter in Wolfach und ließ sich 1900 als Anwalt in Karlsruhe nieder. Damals war er schon Mitglied der 274 Zentrumspartei, für die er von 1911-1919 im Stadtrat von Karlsruhe saß. Bereits Minister, kandidierte Trunk im Ja- nuar 1919 erfolgreich für ein Mandat in der Badischen Nationalversammlung. Von 1921 bis 1930 gehörte er dem Landtag an, zuletzt als 2. Fraktionsvorsitzender des Zentrums. Nach dem Wechsel im April 1919 vom Ernäh- rungs- in das Justizministerium (1919-1929) erwarb Trunk sich ohne Zweifel rasch große Verdienste. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis Trunk auch höchste Würden erlang- te. 1920121, 1925/26 und 1927 (als Nachfol- ger des zum Reichsminister ernannten Hein- rich Köhler) war Trunk Badischer Staatspräsi- dent. Der Tod seiner Frau und parteiinterne Streitigkeiten - vor allem der persönliche Kon- flikt mit Köhler, der großen Einfluss in der Landtagsfraktion besaß und im Gegensatz zu Trunk die Politik von Reichskanzler Brüning nicht unterstützte - führten zu seinem Rück- tritt als Minister (November 1929) und zur Niederlegung des Landtagsmandats Quni 1930). Danach war er wieder als Anwalt in Karls- ruhe tätig und heiratete noch einmal. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten ver- dunkelte Trunks Lebensabend. Schon Ende März 1933 wurde ihm das Ruhegehalt aber- kannt, wogegen er. sich, seit 1935 schwer er- krankt, gerichtlich wehrte. Im März 1936 be- kam er auf Intervention des Reichsjustizminis- ters ein Übergangsgeld bewilligt. Wenige Wochen später, am 23. April 1936, ist der Trä- ger der Jubiläumsmedaille der TH Karlsruhe und Ehrendoktor der Universität Freiburg in Karlsruhe gestorben. FRANK RABERG Rahel Straus 1880 -1963 Das zwanzigsre Jahrhundert eröffnete Frauen neue Bildungs- und Berufsmöglichkeiten. Kurz vor der Jahrhundertwende legten in Karlsruhe die ersten vier Frauen in Deutsch- land ihr Abitur ab. Eine von ihnen war Rahe! Straus geb. Gotein. Nach dem frühen Tod ih- res Vaters, des Rabbiners der orthodoxen Aus- trittsgemeinde Dr. Gabor Gotein, lag die Er- ziehung der 1880 geborenen Rahel und ihrer Geschwister in den Händen der Mutter Ida Gotein geb. Löwenfe!d. Für die damalige Zeit durchaus nicht selbstverständlich, ermöglichte diese nicht nur den Söhnen, sondern auch den Töchtern eine Ausbildung. Raheiließ sie das 275 1893 in Karlsruhe gegründete erste deutsche Mädchengymnasium besuchen. Das neue Jahr- hundert brachte für Frauen in Baden auch die Zulassung zum Studium. und Rahel Gotein nahm in Heidelberg als erste Frau an einer deutschen Hochschule das Medizinsrudium auf. Wie ungewöhnlich das war. mag die Reak- tion ihres Freundes Elis Straus verdeutlichen. der rundheraus erklärte: "Eine Ärztin kann man nicht heiraten. " Er tat es doch. und das Paar übersiedelte 1905 nach München. Hier eröffnete Rahel Straus 1908 als dritte Ärztin in München und als erste. die an einer deutschen Universität studiert hatee, eine eigene Praxis. Das. wofür die Frauenbewegung im 19. Jahr- hundert gekämpft hatte. wurde für die junge Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts nun Re- alität. 1918 erlangten Frauen auch die politi- sche Gleichberechtigung. Rahel Straus über- nahm in der Münchener Räterepublik die Ver- tretung im Frauenrat und im Geistigen Rar. Die Situation zu Beginn des 20. Jahrhun- derrs stellte sich für Frauen. zumindest der bürgerlichen Schichten. in vieler Hinsicht als Aufbruch dar. Dennoch konnte Rahel Straus nicht das Gefühl Friedrich Schillers ein Jahr- hundert zuvor teilen: "Wie schön. 0 Mensch. mit Deinem Palmenzweige. Stehst Du an des Jahrhunderrs Neige. Wir spürten zu sehr das Gärende. das kommen wollte und das unter der Decke schwelte.". erinnerte sie sich später. Die alte Weltordnung war brüchig gewor- den. Dies bot nicht nur Chancen für positive Entwicklungen. z. B. hinsichtlich der Frauen- emanzipation, sondern setzte durchaus auch negative Kräfte frei. Die Hoffnung auf eine friedliche Entwicklung des national erstarkten Deutschland wurde durch den Ersten Welt- krieg zunichte gemacht. und die Enttäu- schung über den ausbleibenden Blitzsieg führ- te zu einer Verschärfung des Antisemitismus. Als Rahel Straus 1917 vor dem Kreis ehemali- ger H eidelberger Mitstudentinnen über Zwei- fel am Krieg und die Überbetonung männli- cher Werte in Kriegszeiten sprach. sah sie sich auch hier mit dem Misstrauen gegenüber der patriotischen Loayalität der Juden konfron- tiert. Die ehemaligen Weggenossinnen waren der Meinung. dass sie als Jüdin anders zum Vaterland stünde als die anderen. Als der Krieg vorbei war. engagierte sich Rahel Straus in der neu gegründeten "Womens International Zionist Organisation" (WIZO) und im Jüdischen Frauenbund. Die Verbin- dungen zu nicht jüdischen Frauenorganisatio- nen wurden mit dem Anwachsen der völki- schen Bewegung jedoch zunehmend belastet. "Wir hatten große Sehnsucht nach Ruhe. Frie- de und Ordnung.". erklärte Rahel Straus spä- ter die Tatsache. dass sie das Anwachsen des Antisemitismus zwar wahrnahmen, jedoch darüber hinweg zu gehen suchten. Nach der nat ionalsozialistischen Machtergreifung im Januar 1933 und dem wenige Monate darauf 276 folgenden Tod ihres Ehemanns fasste sie schließlich den Entschluss, das Land zu verlas- sen. Mit Unterstützung ihrer ältesten Tochter Isa und deren Ehemann gelangten Rahe! Straus und die jüngeren Kinder nach Palästina. Eine Pionierin der Frauenbildung und -berufstätig- keir ging Deurschland verloren, doch ihr Le- ben war gerettet. Rahel Straus, deren Haupt- augenmerk auch in Palästina der Situation von Frauen galt, starb 1963 im Alter von 83 Jahren. BARBARA GUTTMANN Franz von Roggenbach 1825 -1907 War er eine Alternative zu Bismarck? Und wäre - so heutige Historiker - unter seiner Kanzlerschaft ein anderer Weg beschritten worden als jener, der die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts für uns so verhängnisvoll werden ließ? Vor 175 Jahren am 25. März 1825 als Sohn des Regimentskommandeurs in Mann- heim geboren, studierte er Jura in Heidelberg, wo die Historiker Gervinus und Schlosser sein politisches Interesse weckten. Nach Ausbil- dungsabschluss 1848 wurde er "durch den wunderlichsten Zufall" im Außenministerium der damaligen Reichsregierung angestellt, und so erlebte er auch das Paulskirchenparlament aus nächster Nähe. Seitdem begleiteten ihn Zweifel "angesichts einer nie ruhenden Dem- agogie" und der "Unfähigkeit großer Ver- sammlungen" . Nach Übertritt in den badischen diploma- tischen Dienst 1849 begann er in Berlin erste Kontakte zu knüpfen, die er auf Bildungsrei- sen vertiefte. Für die liberalen Fürstenhäuser wie Nassau, Oldenburg, Weimar, Coburg u. a. wurde er ein engagierter Berater, weil für ihn der Weg zum nationalen Staat nur über diesen liberalen Konstitutionalismus fuhren konnte. Kleindeutsch gesinnt, erhoffre er sich von der Neuen Ära 1858 in Preußen einen mutigen Schritt für ein Fürstenbündnis. Auch in Baden waren seit 1856 Liberale in die Regierung be- rufen worden. Mit dem ihm freundschaftlich verbundenen Großherzog Friedrich I. entwarf Roggenbach einen Reformplan für die "Verei- nigten Staaten von Deutschland" unter Aus- gliederung Österreichs, dessen Besitzstand garantiert werden sollte. Die gemeinsamen Beratungen mit Friedrichs Schwiegervater Wilhe1m I. durchkreuzte aber Bismarck, den angesichts des Verfassungskonflikts Wilhe1m 1862 zum preußischen Ministerpräsidenten ernannte. 277 Roggenbach, seit 1861 badischer Außen- minister - auf ein Gehalt verzichtete er - for- derte, dass das Bismarcksche System "scho- nungslos angegriffen" werden müsse, und der Hass gegen den "gewissenlosen Menschen" und "grundsatzlosen Junker" begleitete sein politisches Wirken. Aber schon 1865 sah er sich als Vertreter eines Mittelstaates eingeengt, und Friedrich musste auf seinen Antrag seinen "Herzensminister" entlassen. Den Krieg gegen Frankreich 1870 bejahte er freilich wie den Deutschen Krieg 1866 und er "zitterte nur vor Pfuscharbeit". Im Hauptquartier des preußi- schen Kronprinzen entwarf er radikale Annek- tionspläne zur Auflösung Frankreichs in föde- rative Provinzen und eine vorgeschobene Grenze von Belgien bis zur Schweiz. Die Posi- tion eines Statthalters für Elsaß-Lothringen schlug er unter einem Kanzler Bismarck aus. Dafür reorganisierte er als Kurator 1871/72 die Universität Straßburg und war Mitglied des Reichstags. Die Schärfe des Kulturkarnp- fes - wie in Baden - missfiel dem liberalen Ka- tholiken, und er sparte sich "für bessere Zeiten auf'. Diese erhoffte er sich im Kontaktkreis mit Kronprinz Friedrich als künftigem Kaiser, wobei er vor allem eine intensive politische Korrespondenz mit Augusta, Gattin Wllhelms 1., führte, die Roggenbachs Gedanken immer wieder. teils wörtlich übernommen, vortrug. Als 1888 Friedrich III. starb, waren Rog- genbachs Pläne zerbrochen, denn Wilhe1m Il. brauchte ihn nicht. Dessen Regime galt bald seine Kritik im Briefverkehr mit Entschei- dungsträgern, die für ihn mehr bedeuteten als der Parlamentarismus, den er gerade in seiner englischen Form ablehnte. 1907 starb der "Staatsmann ohne Staat", wohl zwiespältig und die Realitäten der Macht oft verkennend, aber ohne persönliches Machtstreben und vol- ler Ahnungen, wohin Deutschland im 20. Jahrhundert treiben würde. LEONHARD MüLLER Wilhelm Eiseniohr 1799 -1872 In der Geschichte det Physik hat der Professor am Karlstuhet Polytechnikum einen Namen, denn die von ihm 1854 als ultraviolettes Licht bezeichneten kurzweiligen Strahlen mit ihrer Fähigkeit, Fluoreszenz zu erregen, konnte er etstmalig anhand eines von ihm erfundenen Verfahrens in ihrer Wellenlänge messen, und dies fand bei den Physikern besondere Auf- merksamkeit. Eine gleiche Beachtung gilt hier dem leh- rer. 1799 in Pforzheim geboren, wuchs der Sohn eines Obervogts in Durlach auf. Die frü- he Halbwaise wollte nach Lateinschulbesuch Schreiber werden, um die alleinerziehende Mutter zu unterstützen. Autodidaktisch er- warb er den Hochschulzugang und studierte 1817 Kameralwissenschaften und Mathema- tik in Heidelberg. Dem brillanten Zwanzig- jährigen wurde bereits 1819 eine Stelle für Mathematik und Physik am Mannheimet Lyceum angeboten, die er mit Erfolg 21 Jah- re wahrnahm. Berichtet wird, dass der begeis- terte Lehrer auf einem Ausflug seinen Schü- lern in einem Gasthaus mit seiner Stentor- stimme den pythagoreischen Lehrsatz anhand eines Stückes Käse erläuterte. Ein unbekann- ter, zuhörender Gast erwirkte später die Erhö- hung der Besoldung des Professors um 200 Gulden. Es war der Innenminister. EisenIohr war mittlerweile auch Gewerbeleh- 278 rer geworden. Er erwarb sich hohe Verdienste um den Aufbau der neuen Schulart. wo er. wie damals üblich. abends und Sonntagfrüh Un- terricht hielt und als Beirat bei der Aufsichts- behörde für Gewerbeschulsachen diente. 1840 wurde er an das Karlsruher Lyceum berufen und im Nebenarnt zu Vorlesungen am Polytechnikum verpflichtet. Seine Hauptsor- ge war die Einrichtung eines physikalischen Kabinetts. Dass er diese anfangs aus eigenen Mitteln bestritt. forderte das Ministerium heraus, einen ansehnlichen Staatszuschuss zu zahlen. Auch seine Vorlesungen. seit 1855 ganz dem Polytechnikum zugeordnet. dehnte er freiwillig bis zu 12 Stunden aus und schuf mit seinem Laboratorium erstmals Übungs- plätze für seine Physikstudenten. "Seine Be- geisterung" so eine Biographie. "entzündete den göttlichen Funken in der Brust der Jüng- linge." 1836 verfasste er das erste Physiklehr- buch. das nicht auf französischen Vorbildern fußte. 1876 in 11. Auflage erschienen. Neben dem industriellen Nutzen der Physik. so heißt es im Vorwort, wirkt sie "aber ebenso wohltä- tig auf unser religiöses und moralisches Ge- fühl. Durch sie lernen wir überall die Weisheit und Größe des Schöpfers bewundern." Verdienstvoll für das Polytechnikum war nicht nur seine enge Zusammenarbeit mit Di- rektor Ferdinand Redtenbacher. sondern auch der Kontakt zum Großherzog Friedrich 1.. der mit Ehefrau Luise sein physikalisches Kabinett besuchte. 1858 fand in Karlsruhe die 34. Ver- sammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte statt. zu deren Vorsitzendem Eiseniohr gewählt wurde. ein Kulminationspunkt in sei- nem Leben. Im Nachhall gründete er 1859 auf Wunsch seines Fürsten den "Verein für wissen- schaftliche Belehrung". dem er zehn Jahre vorstand. Den regelmäßigen Vorträgen. für die er bedeutende Köpfe der Wissenschaft gewin- nen konnte. wohnte der Großherzog fast re- gelmäßig bei. Mit seinen populärwissenschaft- lichen Schriften konnte EisenIohr neben sei- ner großen Redekunst zunehmend nicht nur viele Studenten. sondern auch weite Kreise der Bevölketung für den Erlebnisbereich "Physik" gewinnen . Der Dank blieb nicht aus. Mit hohen Orden und dem Titel Geh. Rat II. Klasse geehrt. mit den Ehrendoktorhüten der Universitäten Freiburg und Basel ausgezeich- net. gehörte er zu den eindrucksvollen Köpfen des Polytechnikums. Neben seiner Neigung zu Kunst und Literatur - Dante und Shakespea- fe las er in der Ursprache - interessiene er sich auch politisch. Im Ruhestand seit 1865 war er nicht min- der rührig. bis er 1872 an einem Herzleiden starb. Der Band. in welchem er Shakespeares dramatische Dichtungen zu lesen pflegte. ist ihm auf seinen wiederholten Wunsch in den Sarg gelegt worden. LEONHARD MüLLER 279 Margarethe Hormuth-Kallmorgen 1857-1916 Margarethe Hormuth war Mitglied der Gröt- zinger Malerkolonie. Sie wurde 1857 in Hei- delberg geboren. Aus einer bürgerlichen Fami- lie stammend, erhielt sie die Ausbildung einer höheren Tochter im Mädchenpensionat. Auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung hatte sie die Chance, eine Berufsausbildung zu ma- chen, doch durch ihre Geschlechtszugehörig- keit waren dem Grenzen gesetzt. Sie wollte Malerin werden, aber an der Akademie, dem klassischen Ausbildungsort der bildenden Künstler, waren Frauen damals nicht zugelas- sen und so musste sie Privatunterricht neh- men. 1878 wurde Margarethe Privatschülerin des Porträt- und Historienmalers Ferdinand Keller. Während man an den Akademien die Fächer Historien-, Porrrät-, Genre- und Land- schaftsmalerei lehrte, wurden die Frauen allein in Blumenmalerei unterrichtet. Obwohl sich Margarethe, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, auf Blumenmalerei spezialisier- te, ist das Vorbild des Lehrers deutlich in ihren Arbeiten spürbar. Die Staffagen seiner großen historischen Szenen. wie ein roter Samtvor- hang, eine kupferne Vase und die üppigen Blüten der Pfingstrosen werden bei ihr zum alleinigen Bildinhalt, wobei sie die Stofflich- keit der Gegenstände hervorragend in Malerei umsetzte. Gestalterisch blieb sie immer der Kunst der Gründerzeit verhaftet. Bereits im ersten Jahr ihrer Malerinnenaus- bildung lernte sie den Kunststudenten Fried- rich Kallmorgen kennen. Bald wurde sie zur wichtigsten Ratgeberin für den jungen Maler: "Ich will keine Frau sein, die mit ein bissehen süßem Geschwätz den Mann unterhält, ihm ein kostbares Spielzeug isr - oh nein - ich als Frau von einem Künstler will vollen Anteil an seinen Werken haben, ich will die anregende, fördernde Kraft sein. Mit mir, durch mich." Erst nachdem gesichert war, dass Friedrich Kallmorgen mit dem Verkauf seiner Gemälde eine Familie ernähren konnte, erlaubte sein Vater die Hochzeit, die am 10. September 1882 stattfand. Doch weder die Heirat noch die Geburt der beiden Kinder hinderten Margarethe am Malen. Nachdem im Sommer 1883 der Sohn Walther zur Welt gekommen war, zog Marga- rethes Schwester Anna zu der jungen Familie. Sie kümmerte sich um den Haushalt und die Familie. Bis zur Geburt der Tochter Helene war Margarethe Schülerin von Ferdinand Kel- ler. Sie erhielt Aufträge für Gemälde, sie be- schickte regelmäßig Ausstellungen, wo ihre Arbeiten meist auch verkauft wurden, und seit 280 1884 unterrichtete sie immer wieder Privat- schülerinnen. Margarethe war nach Kräften bemüht, mit ihrem Verdienst das Haushalts- geld aufzubessern. Dabei teilte sie ihre Zeit ge- wissenhaft ein: ,,Abends strickend, morgens malend, nachmittags Frau für alles'" wie sie 1885 ihre Situation beschrieb. Die künstleri- schen Erfolge Friedrich Kallmorgens ermög- lichten es dem Paar, 1889 in Grötzingen das "Haus Hohengrund" als Wohnsitz für den Sommer zu bauen. Margarethe entwickelte, wegen der langen Abwesenheit ihres Gatten, der als Landschaftsmaler zahlreiche Reisen un- ternahm, große Selbständigkeit. Unterstützt von ihrer Schwester Anna hatte sie bereits 1889 das Richtfest des Hauses ohne ihren Mann bestreiten müssen. Darüber hinaus ar- beitete sie beständig an ihren eigenen Werken - in einem Nordzimmer. das ihr als Atelier diente, und gelegentlich auch im Garten. Wie ihr Ehemann hielt auch Margarethe den Kon- takt zu den Kollegen und Kolleginnen in Karlsruhe. 1898 wurde sie in den Vorstand des Karlsruher Malerinnen-Vereins berufen. Von 1900 bis1902lehrte sie Blumen- und Stillle- benmalerei an der Malerinnenschule in Karls- ruhe. Mit der Berufung ihres Mannes zum Professor an die Berliner Akademie und dem Umzug in die Reichshauptstadt erlahmte die künstlerische Schaffenskraft der 46-jährigen. BRIGITTE BAUMSTARK Melitta Schäpf 1901-1989 Am 27. Januar 2001 jährt sich der Geburtstag einer außergewöhnlichen Karlsruherin zum hundertsten Male. Melitta Schöpf wurde 1956 als erste FDP-Frau in den Karlsruher Stadtrat gewählt. Im selben Jahr kandidierte sie für ihre Partei auch zu den Landtagswah- len. Für eine Frau in den 50er Jahren schlug sie damit ungewöhnliche Wege ein. In ganz Baden-Württemberg befanden sich unter ins- gesamt 350 Erstkandidaten nur elf Frauen, in Karlsruhe war sie die einzige Kandidatin. Me- litta Schöpfs gesellschaftspolitisches Enga- gement hatte Familientradition. 1901 in Mos- bach geboren, wuchs sie in der Karlsruher Weststadt auf und besuchte das Lessinggym- nasium am Gutenbergplatz. Im Elternhaus wurden, besonders von mütterlicher Seite her, demokratische Traditionen lebendig erhalten und weitergegeben. Urgroßvater und Urgroß- onkel hatten sich an den revolutionären Auf- ständen 1848/49 in Baden beteiligt und wa- ren nach deren Niederschlagung in den Kasse- matten von Rastatt inhaftiert. Melitta Schöpf entschloss sich, nach Beendigung von Natio- nalsozialismus und Zweitem Weltkrieg in die FDP zu gehen, weil sie dort Ideale wie Indivi- dualismus und Freiheit des Denkens groß ge- schrieben sah. Den Anstoß, politisch aktiv zu werden, gab für sie jedoch die Frage der Gleich- berechtigung der Frau. Es war schließlich die Freundschaft mit Dr. Marie Elisabeth Lüders, die bereits in Kaiserreich und Weimarer Repu- blik in der Frauenbewegung führend gewesen war und nun für die FDP im Bundestag saß, die Melitta Schöpf 1953 in die liberale Partei führte. 1955 übernahm sie den Vorsitz der Karlsruher FDP-Frauengruppe, und auch im Landesfrauenausschuss der Partei war sie ver- treten. Dies alles war für die Gattin des Inha- bers eines bekannten Karlsruher Modege- schäfts durchaus ungewöhnlich. Seit 1931 war sie mit dem Kaufmann Karl Schöpf verheira- 281 tet. Ihrer Tochter wurde sie in ihrem vielfaIti- gen politischen und sozialen Engagement so- wie ihrem Einsatz für die Gleichberechtigung der Frau zum Vorbild. Melitta Schöpfs politische Arbeit be- schränkte sich keineswegs auf Frauenfragen. Sie wurde bald als stellvertretende Vorsitzende in den Vorstand der Karlsruher FDP gewählt und in den Ausschuss für Gewerbepolitik der Bundespartei entsandt. Auch in ihter Tätigkeit als Stadträtin deckte sie ein breites Spektrum an Themen ab. Ob es nun um die Beleuch- tung des Marktplatzes, die geplante Auflösung der gynäkologischen Abteilung im städtischen Krankenhaus, die Überbelastung der Polizei oder Sicherheit im Straßenverkehr ging, Me- litta Schöpf vertrat stets engagiert ihre Über- zeugung. Ende der 60er Jahre setzte sie sich vehement gegen den vollständigen Abbruch des im Krieg beschädigten Ständehauses ein. Dies war ihr nicht alleine ein baugeschichtli- ches und ästhetisches Anliegen, vielmehr woll- te sie das alte Ständehaus als bedeutendes Zeugnis der liberalenVerfassungsgeschichte Badens erhalten sehen. Die Frau, der die Überlieferung demokratischer Traditionen ein wichtiges Anliegen war, war gleichzeitig mit ihren Ideen oft ihrer Zeit voraus. Manches, wofür sie sich einsetzte, hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. Bereits 1968 sah sie in der Ganztagsschule die Schule der Zukunft und schlug vor, Schulhausneubauren im Hin- blick darauf zu planen. Neben der Arbeit in Partei und Stadtrat fand Melitta Schöpf noch Zeit und Kraft, sich vielfältig gesellschaftlich und sozial zu engagieren. All ihre Aktivitäten und Funktionen im Einzelnen zu benennen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Erwähnt sei, dass sie u. a. stellvertretende Vor- sitzende des Deutsch-Evangelischen Frauen- bunds war. Kirchenälteste sowie stellvertreten- de Vorsitzende des Kreisvereins Karlsruhe des Roten Kreuzes. 1967 wurde Melitta Schöpf für ihre Verdienste im Bereich der Kommunal- politik, der Frauenarbeit und des Sozialwesens das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. 1975 ehrte die FDP sie mit der Thomas-Deh- ler-Medaille. Die engagierte Politikerin ver- starb am 26. Februar 1989. BARBARA GUTTMANN 282 Gustav Zimmermann 1888-1949 "Dieser Tod ist wahrlich eine bittere Überra- schung für uns alle" schrieb Landtagspräsident Wilhe1m Keil dem hessischen Ministerpräsi- denten Christian Stock am 13. August 1949. "Wir haben einen guten Kameraden und ich persönlich einen rreuen Freund verloren". Der plötzliche Hetztod des SPD-Politikers Gustav Zimmermann erschütterte damals zahlreiche Weggefährten, zumal der Verstorbene eine Aura der Vitalität hatte, die Gedanken an Krankheit und Tod gar nicht aufkommen ließ. Gustav Zimmermann wurde am 2.12.1888 in Liedolsheim bei Karlsruhe geboren. Er war Mechaniker und Seemann, bevor er um 1910 zum Journalismus kam. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er schwer verwundet wur- de, war Zimmermann Redakteur sowie Ver- lagsdirektor und stand als stellvertretender Landesvorsitzender mit an der Spitze der badi- schen SPD. Von 1920 bis 1933 Stadtrat und SPD-Fraktionsvorsitzender in Mannheim, er- lebte Zimmermann 1933 die Entlassung aus allen Ämtern durch die Nationalsozialisten. Als führender badischer Sozialdemokrat be- fand er sich 1933 auch in "Schutzhaft" im KZ Kislau. Nach der Entlassung ernährte Zimmer- mann seine Familie als Geschäftsführer einer Papierwarenfabrik und als Handelsvertreter. Wegen Verbreitung eines verbotenen Presseor- gans saß er später erneut für drei Monate im Gefängnis. Nach dem Untergang des "Dritten Reiches" wurde der politisch Unbelastete im Spätfrühjahr 1945 von der US-Militärregie- rung in Mannheim zum Ersten Bürgermeister ernannt. Doch höhere Aufgaben warteten auf ihn: Im September 1945 berief ihn der Präsident des Landesbezirkes Baden im neugegründeten Land Württemberg-Baden Heinrich Köhler, zum Landesdirektor des Inneren und zu sei- nem Stellvertreter. Damit fand Zimmermann einen neuen Lebensschwerpunkt in Karlsruhe, wo die den Landesministerien in Stuttgart beigeordneten Landesdirektionen angesiedelt waren. Er war gewissermaßen für Nordbaden Stellvertreter des Innenministcrs von Würt- temberg-Baden. Als einer der Mitarbeiter am demokratischen Neubeginn im deutschen Süd- westen schrieb er sich in die Nachkriegsge- schichte ein. Schon im Januar 1946 wurde er Mitglied der Vorläufigen Volksvertretung in Stuttgart. Im Sommer des gleichen Jahres erfolgte seine Wahl in die Verfassungsgebende Landesver- sammlung von Württemberg-Baden und zum Erstem Vizepräsidenten. Bei der Erarbeitung 283 der Verfassung des Landes Württemberg-Ba- den leistete Zimmermann im Verfassungsaus- schuss Grundlegendes. Auch im Landtag von Württemberg-Baden. dem er für den Wahl- kreis Mannheim angehörte. nahm Zimmer- mann die Aufgabe des Ersten Vizepräsidenten wahr. Sein parteiübergreifendes Ansehen. sei- ne Konzilanz und sein großer Sachverstand führten im Sommer 1948 zur Wahl in den Parlamentarischen Rat. Er war Mitglied des Hauptausschusses und zählte neben dem mit ihm eng befreundeten Carlo Schmid zu den Sozialdemokraten. die entschieden für Kom- promisse mit den Konservativen, vor allem mit der CDU /CSU. eintraten und damit das Grundgesetz überhaupt erst ermöglichten. Während sich Zimmermann in Karlsruhe. Stuttgart und Bonn engagierte und die Arbei- ten am Grundgesetz in eine Krise gerieten, starb Heintich Köhler. der Präsident des Lan- desbezirks Baden. Als Stellvertreter war Zim- mermann der gegebene Nachfolger. Der 60- jährige fragte sich. ob er auch diese Last noch würde schultern können. Aber er verschloss sich den lauten Rufen nicht und trat das Prä- sidentenamt an. Zunehmend machten sich Folgen der Ent- behrung und der psychischen Belastung aus der Zeit vor 1945 bemerkbar. Zimmermann litt unter einer schweren Herz- und Bronchi- enerkrankung, die er nicht auskurieren konn- te. Im Sommer 1949 bekam er eine Lungen- entzündung, von der er sich zu erholen schien. Eine plörzlich auftretende Embolie führte am I. August 1949 im Neuen Vinzentius-Kran- kenhaus in Karlsruhe seinen Tod herbei. FRANK RABERG Johann Georg Schlosser 1739 -1799 Als einer der "merkwürdigsten" badischen Be- amten wird er in einer Würdigung charakteri- siert. Vielleicht weil er. geboren 1739 in eine Familie der Oberschicht zu Frankfurt. sich immer als "Republikaner" einer freien Reichs- stadt empfand. dem Adel gleichwertig wie sein Schwager Goethe. Nach Rechtsstudium. kurze Zeit Geheim- sekretär. später als Advokat in Frankfurt. trat der Sprachkundige als Übersetzer und Verfas- ser philosophischer Beiträge literarisch hervor. Als er 1773 Goerhes Schwester Cornelia hei- raten wollte, verlangte deren Vater, dass er eine gefestigte Position samt Titel vorweisen solle. Schlossers Interesse galt der badischen Verwal- tung. die ihm als vorbildlich und Markgraf Friedrich als "einer der hervorragendsten Ver- 284 treter des aufgeklärten Absolutismus" erschien. Jener kannte Schlossers "Katechismus der Sit- tenlehre für das Landvolk" und stellte ihn als Hof- und Regierungsrat in das Hofratskollegi- um ein, das Regierungsfunktionen wahrnahm. Nach kurzer Zeit in Kar!sruhe, "schroffe Redlichkeit" machte ihn hier unbequem, zog er mit seiner Frau Cornelia nach Emmendin- gen als hochbezahlter Oberamtsverweser der Herrschaft Hochberg, eine der sücllichen badi- schen Exklaven neben Rötteln und Badenwei- ler. Während die an Frankfurter Geselligkeit gewöhnte Cornelia sich in diesem Ackerbau- städtchen, fern von ihrem geliebten Bruder, sehr unglücklich fühlte, fand Schlosser als oberster Beamter das richtige Betätigungsfeld. Die Verweser verkehrten direkt mit dem Hof- kollegium, waren sie doch für die Polizeige- walt, die Schul- und Kirchen- und Finanzsa- chen, die untere Gerichtsbarkeit und die Ge- werbeaufsicht zuständig. Wenn der Hofrat unter dem "unverbesserlichen Besserwisser" auch litt, denn der Fürst gewährte ihm stetig seine Gunst, so entwickelte sich unter der flei- ßigen, akuraten Verwaltung Schlossers diese Zwergresidenz auf allen Gebieten ganz vorzüg- lich. Seine schriftstellerischen Produktionen ruhten nicht, und Freundschaften mit Litera- ten in der Schweiz, im Elsass und anderswo pflegte er durch reichen Briefwechsel. Der ra- sche Tod der 27 -jährigen Cornelia 1777 nach einer zweiten Geburt und depressivem Dasein war ein harter Schicksalsschlag. Nach 13 Jah- ren in Emmendingen bat er 1787 um eine Stelle "an der er nicht reden dürfte bis man ihn fragt". Kar! Friedrich berief ihn als Geh. Hof- rat nach Karlsruhe, und die Reaktion Schlos- sers war: "Ich lebe so frei wie in Frankfurt. Mein ganzer Zwang besteht darin, dass ich alle Tage einen Haarbeutel und Schuhe und Strümpfe trage." In seinem Wirken ging er, der die "Politik" des Aristoteles als erster ins Deut- sche übersetzt hatte, von einer Gewaltenteilung aus. In vielem der Tradition zwar verbunden, so für die Erhalrung der Ständegesellschaft und der Zünfte, war er schon 1783 vom Kaiser Joseph II in eine Kommission zur Verbesse- rung des österreichischen Rechts berufen wor- den. Jetzt forderte er entschieden die Unab- hängigkeit des Hofgerichrs vom Hofrat, quasi der Exekutive, und dem Fürsten, quasi der Le- gislative. 1790 wurde das eigene Hofgericht ge- schaffen und Schlosser zum Direktor bestellt, obgleich der Markgraf letztlich sters den Adel bevorzugte, aber auf einen solchen "Gelehrten und Mann von Genie" nicht verzichten wollte. 1794 wollte Schlosser aus dem badischen Staatsdienst ausscheiden. Er nahm Anstoß am Eingriff des Markgrafen in die Justiz in Sachen eines hochverschuldeten französischen Asylan- ten, für die das Herz des Fürsten in der Revo- lutionszeit schlug. Hier sah er einen groben Verstoß gegen den von ihm immer wieder ver- tretenen Gerechtigkeitssinn. "Mein Herr ist der liebste Mann, den ich kenne, aber er ist unthätig", und damit meinte er: vom Hofstaat absorbiert, der nur den "Hofblick" kannte. Als unabhängiger Geist, seit 1798 Syndikus im Frankfurter Magistrat, 1799 gestorben, war er ein aufgeklärter Begleiter, ja Wegbereiter eines Monarchen an der Schwelle zum bald libera- len Baden des 19. Jahrhunderts. LEONHARD MÜLLER 285 Rahel Varnhagen 1771-1833 "Hier bin ich noch mit niemand, als wär's mei- nesgleichen", schrieb Rahel Varnhagen im De- zember 1816 an einen Freund, nachdem sie ein halbes Jahr als Ehefrau des preußischen Ge- sandten am badischen Hof, Karl August Varn- hagen, in Karlsruhe gelebt hatte. In die Litera- tur- und Geschichtswissenschaft ging Rahel Vamhagen ein als Betreiberin der wohl bedeu- tendsten Berliner Salons in den Jahrzehnten um 1800, in denen sich der gebildete Adel mit Vertretern des Bürgertums zu stände- und kon- fessionsübergreifendem Gedankenaustausch traf. Zudem hinterließ sie ein umfangreiches Briefwerk, sie korrespondierte im Laufe ihres Lebens mit rund 300 Menschen. Dennoch umgab sie immer eine Einsamkeit, die mit ih- rer Herkunft und ihrem Wesen zusammen- hing. Es stellt sich die Frage, mit wem Rahel hätte so sein können, als wär's ihresgleichen? Sie kam am 19. Mai 1771 als ältestes Kind des jüdischen Kaufmanns Markus Lewin und seiner Frau Chaie in Berlin zur Welt. 1790 begann sie in der Dachstube ihres Elternhau- ses ihren ersten Salon zu etablieren. 1806, als sich im napoleonisch besetzten Preußen der Nationalismus verbreitete, musste sie ihn schließen, denn nun traf man sich nicht mehr bei einer Jüdin. Der deutsche Nationalstolz zeichnete sich von Anfang an durch eine Ab- weisung der Juden aus. 1814 heirate re sie den 14 Jahre jüngeren Karl August Vamhagen, nachdem sie vorher zum christlichen Glauben übergetreten war. Mit ihm lebte sie ab 1816 in Karlsruhe, bis er 1819 von seinem Amt abberufen wurde. Das Ehepaar ging zurück nach Berlin, wo Rahel ihren zweiten Salon eröffnete. Sie starb 1833. In ihren Karlsruher Jahren vermisste sie vor allem die gelehrte Geselligkeit. Sie schrieb: "Karlsruhe ist ein schöner, unbequemer Ort. Die Unbequemlichkeit liegr in der Prätention eines großen, ohne dessen Ressourcen zum Nutzen und Vergnügen, und in der Be- schränktheit und dem Stagnierenden eines kleinen. ( ... ) Kurz, es fehlt den Personen, die sich sehen könnten, eine volle Stadt als Unter- lage und Grund ihrer Gesellschaften.« Auch stieß das Ehepaar aus Preußen wohl auf Vor- behalte seitens der Residenzstadtbewohner. Der Karlsruher Chronist Friedtich Weech stellte noch 1885 fest: "Doch fand der spezi- fisch norddeutsche Zuschnitt ( ... ) nicht gera- de vielen Anklang bei dem Karlsruher Adel . Mit den Beamten- und Bürgerkreisen hatte das geistreiche Gebahren ( ... ) so gut wie gar keine Berührung." Erschwerend kam füt Ra- hel hinzu, dass sie als geborene Jüdin bei Hofe nicht geladen wurde. 286 Hinzu kam die Erkennrnis. dass sie als Ehefrau in ihrer Bewegungsfreiheit stark ein- geschränkt war. Die Erfahrung. dass sie nur etwas galt in Bezug auf ihren Mann. war für sie neu und unangenehm. So schrieb sie 1819 an ihre Schwester: "Es ist Menschenunkunde. wenn sich die Leute einbilden, unser Geist sei anders und zu anderen Bedürfnissen konsti- wiert, und wir könnten zum Exempel ganz von des Mannes oder Sohnes Existenz mit- zehren." Dennoch zählten die Karlsruher Jahre zu den glücklichsten ihres Lebens. da sie erstmals - abgesehen von der Abweisung des Hofes - nicht mehr unter den Kränkungen ihrer frü- heren Jahre litr. Ihr war der gesellschaftliche Aufstieg von der an den Rand gedrängten J ü- din zur Gattin des preußischen Gesandten gelungen. Die Verkündung der badischen Ver- fassung 1818. an die sich die Hoffnung auf eine gesamtgesellschafdiche Emanzipation auch der jüdischen Minderheit knüpfen konnte. erlebte sie wie ihr Mann mit großer Freude. Die judenfeindlichen Hep-Hep-Stürme von 1819 erschreckten sie dann bis in den Her- zensgrund. Sie behielt nämlich trotz ihres ge- sellschaftlichen Aufstiegs und ihres Übertritts zum Christentum ein Gespür für das Inhuma- ne einer Gesellschaft. die bestimmte Gruppen ausschließt oder abwertet. So meinte sie am Ende ihres Lebens. dass sie ihre Herkunft um keinen Preis mehr missen wollte. SUSANNE ASCHE Hilda von Baden 1864-1952 - Am 3. Mai 1885 schrieb Erbgroßherzog Fried- rich an seinen Bruder Ludwig: "Ich kann Dir nur wünschen. dass Du auch einmal so glück- lich wirst. wie ich es bin. und eine solche Per- le findest, wie mir sie in meiner Hilda von Gott geschenkt worden isr." Eine Liebesheirat. doch politisch geplanr. Denn Großherzog Friedrich I. kümmerte sich nicht nur intensiv um die Schul- und Universitätsausbildung wie um die militärische Laufbahn des Thronfol- gers. sondern auch um die Wahl der Schwie- gertochter. bei der sich sogar die englische Königin Viktoria. beka nnt für den europäi- schen Heiratsmarkt. einmischte. Nach einigen Absagen nahm Friedrich I. vorsichtig Verbin- dungen mit Herzog Adolf v. Nassau auf. der im Krieg 1866 von den Preußen aus seinem Land verjagt worden war. Eine Verbindung von dessen Tochter Hilda mit dem Enkel Wil- helms I. hätte also eine positive Entwicklung geschaffen. Vorsichtig sollte der Erbprinz sei- ne politischen Standpunkte beim ersten Be- such darlegen. Aber das war nicht nötig. "denn der Mensch denkt und Gott lenkt" notierte Adolf v. Nassau. seit 1890 Großher- zog v. Luxemburg. und bald begannen "unbe- schreiblich glückliche Tage". als am 26. Sep- tember 1885 das junge Paar in Karlsruhe ein- zog. Die Ehe blieb leider kinderlos. "ein schmerzliches Entbehren". Hilda betreute auf- opferungsvoll den seit seiner Jugend an Ge- lenkrheumatismus leidenden Gatten. der in seiner Offizierslaufbahn öfter aussetzen muss- te. Sie begleitete ihn an verschiedene Standor- tc, vor allem nach Berlin mit Kontakten zum HofWilhe1ms 11.. dessen schnoddrigen Gar- deleumantsjargon Friedrich bei seinem Vetter gar nicht schätzte. 1902 schied er aus dem 287 Dienst, da Wilhelms Militärkabinett seine Ernennung zum Kommandierenden General in Baden ablehnte. weil man u. a. "den jungen süddeutschen Fürsten mit partikularistischem Untergrund" misstraute - so auch dem Würt- temberger und dem Bayer. In Karlsruhe bezo- gen Friedrich und Hilda das neuerbaute Palais, heute Sitz des Bundesgerichtshofs, in dem sie auch blieben, als der Vater 1907 starb und Mutter Luise, die Kaisertochter. im Schloss residierte. Hilda "nahm das in ihrem beschei- denen Sinn gerne hin, , .. anerkannte sie doch rückhaltlos die überragende Größe der bishe- rigen Landesmutter". Beim Badischen Frauen- verein, der unter Luise eine bedeutende Leis- tungskraft gewonnen hatte, musste Hilda im "liebevollen Wetteifer" mit der repräsentati- onsgewohnten Schwiegermutter eine "ausge- prägte Selbstbeherrschung" zeigen. Im I. Weltkrieg gewann Hilda durch Laza- rerrbesllche. Sorge um Verwundetentranspor- te, Ausbildung von Krankenschwestern und anderes weitere Anerkennung der Bevölke- rung. In den sieben Friedenjahren hatte seit 1907 Friedtich 11. , der nicht die Strahlkrafr seines Vaters besaß, dessen Regierungsprinzi- pieo nur weiterführen können. Das neue Großherzogspaar, das sehr zurückhaltend war, galt manchem als arrogant. Wenn dies auch nicht zutrifft , so machte man sich doch poli- tische Illusionen bis zum Kriegsende. Am 11. November 1918 meinte das Paar nach einem Intermezzo einer kleinen Soldateska fliehen zu müssen. Durch ein Fenster musste man stei- gen samt Murter Luise und Schwester Vikto- ria, Königin v. Schweden, um das im Fasanen- garten wartende Auto zu erreichen, den Kof- fer mit Kronjuwelen vetgessend, den anderntags ein Hofbeamter unterm Busch entdeckte. Erst im Schloss Langenstein, fern vom "roten Mannheim ", fand man eine Blei- be, wo man nach Thronverzicht, anders als andere Fürsten, sich großzügig in den Ab- standsleistungen zeigte. Bei der zunehmenden Erkrankung des Großherzogs, der erblindete, sah Hilda in dessen Pflege ihre ganze Aufgabe. Als ihr Gatte 1928 starb, beging man in Karls- ruhe über alle Parteiungen hinweg eine feier- liche Beerdigung. Hilda wohnte im Freiburger Palais, das 1944 zerbombt wurde. In Baden- weiler verlebte sie, die sich völlig abseits des NS-Regimes gehalten hatte, nun ihre letzten Jahre. Sie war wie ihr Gatte ein tiefreligiöser Mensch, der Vorbildliches leisten wollte, dem die Zeitläufte jedoch die Wirkungsfelder ein- schränkte, die Hilda mit Eifer zu bestellen ver- suchte. LEONHARD MÜLLER 288 Richard Horter 1868 -1942 Der Höhepunkt des politischen Lebens von Richard Horter lag zweifellos in der Revoluti- onszeit 1918/19. In dem am 11. November in Karlsruhe gebildeten Arbeiterrar wurde er Vor- sitzender, bewerkstelligte tags darauf die Kon- stituierung eines gemeinsamen Vorstandes des Arbeiter- und Soldateneates und sorgte mit für die Verbreiterung des Arbeiterrates durch die Aufnahme christlicher und liberaler Gewerk- schafter sowie von Vertretern anderer Bevölke- rungsgruppen. Daher nannte sich dieser seit Ende November Volksrar. Als Vorsitzender des Karlsruher Arbeiter- und Soldatenrates eröff- nete Horter dessen Vollversammlung mit den Worten: "Dank gebührt den Soldaten, welche durch ihr beherztes Auftreten die dem Volk auferlegten Fesseln sprengten. Jetzt gilt es, das Errungene festzuhalten .... Der Arbeiter- und Soldateneat steht mit ganzer Macht hinter der Volksregierung, um sie in ihrer Reformarbeit zu unterstützen." Horter stammte aus der Lausitz, wo er in Rothwasser am 10. April 1868 geboren wurde. Wie sein Vater erlernte er das Maurerhand- werk. Als 18-Jähriger kam er nach Mannheim, leistete 1889-1891 den Militärdienst und ging dann aufWanderschaft in die Schweiz, nach Österreich und Frankreich. Zurück in Mann- heim engagierte er sich bei der SPD und in der Gewerkschaft. Nach einer Ausbildung an der Berliner Parteischule wurde der Maurer 190 I Bezirksleiter des Bauarbeiterverbandes. Der Weg Horters in der Arbeiterbewegung gleicht dem vieler rhethorisch begabter und organisa- torisch befähigter Funktionäre, die ihren er- lernten Beruf aufgaben und sich in den Dienst der Partei oder Gewerkschaft stellten. Als Leiter des Bauarbeiterverbandes über- siedelte Horter 1912 nach Karlsruhe und setz- te hier seine parteipolitische Aktivität fort. Er trat bei I. Mai-Veranstalrungen als Redner auf und gelangte in den Vorstand des SPD-Orts- vereins. In der mehrheitlich reformistisch ori- entierten Karlsruher Organisation galt er als Sprecher der linken innerparteilichen Oppo- sition. Zeitgenossen bescheinigten dem Parrei- linken, der im Kriege nicht zur USPD wech- selte, eine nüchtern-ruhige Art und eine klare, fast leidenschaftslose Sprechweise. Er habe sich damit in Partei und Gewerkschaften eine brei- te Vertrauensbasis erworben. Dies galt wohl auch für seine rege Tätigkeit im Arbeiterrat, denn er wurde als badischer Delegierter in den Berliner Rätekongress entsandt. Ab Dezember 1918 war er Mitglied des Zentralrats der Deut- schen Sozialistischen Republik. Dieser fun- 289 gierte bis zum Zusammentritt der Deutschen Nationalversammlung im Februar 1919 als Ersatzparlament. Der Zentralrat wirkte bei den wichtigsten politischen Entscheidungen der Reichs- und der preußischen Regierung mit und besaß das Recht, Volksbeauftragte zu ernennen und abzuberufen. Seit 1919 gehör- te Horter zuerst der Badischen Nationalver- sammlung und dann dem Landtag bis 1925 an, wo er 1919-1921 dem Petitionsauschuss vorstand. Außerdem bestimmte ihn die SPD als Arbeitnehmervenreter des Handwerks von 1920-1933 zu einem ihrer Verrreter im Reichswirtschafrsrat. Dieser Rat blieb ein weit- gehend bedeutungsloses Gremium, das unter Beteiligung aller wirtschaftlichen Berufsgrup- pen grundlegende sozial- und wirrschaftspoli- tische Gesetzentwürfe begutachten sollte. Nach dem Ausscheiden aus dem Landtag übernahm Horrer die Bezirksleitung des Ver- bands sozialer Baubetriebe. Die Nazis setzten den 65-Jährigen und seine Familie nach 1933 zahlreichen Schikanen aus bis hin zur Verhän- gung zeitweiliger Schutzhaft, denen er sich durch eine Übersiedlung nach Legelshurst bei Kehl zu entziehen versuchte. Horter srarb dort am 13. Mai 1942, ohne dass seine Verdienste um die Arbeiterbewegung oder um die fried- liche Neuordnung des Sraarswesen 1918/19 gewürdigt wurden. MANFRED KOCH Clara Faisst 1872-1948 "Mit einem Flügel kann man ja nicht fliegen" - dieser Satz stammt nicht etwa von einem Vogelkundler, sondern von der Karlsruher Komponistin C. Faisst. Geboren ist sie in die- ser Stadt am 22. Juni 1872 - gerade vor 130 Jahren - und sie starb hier am 22. November 1948. Als Pianistin, Musiklehrerin und Kom- ponistin sowie als Dichterin wirkte sie in ihrer Heimat. Ihre musikalische Ausbildung erhielt sie zunächst am Großherzoglichen Konserva- torium in Karlsruhe, 1894 ging sie dann zum Studium nach Berlin an die Königliche Hoch- schule für Musik, wo Max Bruch einer ihrer Lehrer war. Seit 1901 ist sie als "Pianistin", später auch als "Tonkünstlerin" im Karlsruher Adressbuch verzeichnet. e. Faisst hat vorwiegend Lieder kompo- niert, u. a. auf Texte von E. Geibel, G. Haupt- mann, L. Uhland sowie auf eigene Gedichte. Viele der Lieder und der rund 10 Orgel- und K1avierwerke sind veröffentlicht. Die Künstle- rin pflegte viele Freundschaften, u. a. zu Hans Thoma, dem Direktor der Kunsthalle in Karls- ruhe, zum Dichter Hermann Hesse, sowie vor allem zu Musikern wie W. Furtwängler, J.Joa- chim und ihrem Lehrer M. Bruch. Eine bis zum Tod der Komponistin andau- ernde Freundschaft bestand mit dem Arzt, Theologen und Musiker Albert Schweitzer. Die Verbundenheit in musikalischen Fragen muss sehr groß gewesen sein. Faisst schrieb am 5. März 1939 an Schweitzer: "Ich vergesse die Stunden nie im Leben, als Sie einmal am späten Abend in mein Zimmer traten und ich Ihnen viele von meinen Liedern spielen u. singen durfte. [ ... ] Wie Sie mir damals zuhörren, u. beim Fortgehen um ein Heft der Lieder baten - das war eine solche Ermutigung und Ehre für mich, für die ich Ihnen immer dankbar bleibe. Das sind seltene Stunden im Leben des Künstlers [ ... ] Gestern las ich in einem Musik- kreis aus Ihrem Bachbuch vor. Ich spielte das 290 Iw. Concerr [von). S. Bach]. Das ist so befrei- end, so lebensstark, so klar, so beglückend froh. Glaubt man, daß dieses Werk vor 200 Jahren entstanden ist? Ach, was ist "Zeit" - rasch enteilend - solche Lebenswerke wie die unserer ganz großen Meister können nie ver- alten, denn sie sagen ja gerade jedem Zeitalter das, was es braucht! [ ... ] Wenn Sie jemals wieder einmal Abends, wie damals, in meinen Musikraum träten, dann würden Sie da zwei Flügel vorfinden, die mir Freunde schenkten. Mit einem Flügel kann man ja nicht fliegen, dazu braucht man schon zwei! Und da mir das Geld zum Reisen fehlr, ich meine zu solchen Reisen, nach denen ich mich sehne - so lasse ich mich von den Flügeln in "ferne Welten" tragen, wo alles groß, harmonisch, rein und erhaben ist. [ ... ] Meine Kunst hat hier eine feste kleine Zu- hörerschar, die ich alle 4 Wochen zur Musik in meine Wohnung lade. Ich pflege die Werke unsrer großen Meister und spiele viel Bach - neben den andern Großen. [ ... ]" Weitere erhaltene Briefe an Freunde zeigen ein eindrückliches Bild der schwierigen Le- bensumstände in Karlsruhe während und nach dem Zweiten Weltkrieg, die schlechte Er- nährungslage und die Probleme beim Behei- zen der Wohnungen in der zu einem Drittel sehr schwer zerstörten Stadt. In diesen Jahren verschlimmerre sich zudem der Gesundheits- zustand der Künstlerin. C. Faisst erlebte zwei Weltkriege. Diese Er- fahrungen und die damit verbundenen Verluste von Angehörigen sowie weitere Entbehrungen haben ihr Leben stark geprägt. Die Musikerin war schwierigen äußeren Umständen ausge- setzt und dennoch fand sie als Kampanistin und ausübende Künstlerin Anerkennung. Erhalten hat sich ihr handschriftlicher und gedruckter Notennachlass in der Badischen Landesbibliorhek. So kann ihr Werk heute wieder neu entdeckt werden. MARTINA REBMAN N Alois Kimmelmann 1886-1946 Im Sommer 1945 wurde AJois Kimmelmann unter Beteiligung der US-Militärregierung zum Wiederaufbau des Schulwesens in die neu konstituierte Unterrichtsverwalrung für Württemberg-Baden in Karlsruhe berufen. In der im selben Jahr veröffentlichten Schrift "Erziehung und Bildung in neuem Geiste" bot 291 der neu ernannte Ministerialrat rückblickend eine erste breitere Nachkriegsanalyse der Erzie- hungsideologie und Schulwirklichkeit der NS- Zeit und umriss sein pädagogisches Leitbild: "Der Geist der Humanität muss hineinstrah- len in die Schulen. Unter Abkehr von den ver- derblichen, verabscheuungswürdigen Irrlehren des Nationalsozialismus. unter Verurteilung der verbrecherischen Taten muß die Schule die Kinder wieder hinführen zur Ehrfurcht vor allem Hohen und Erhabenen, vor der Heilig- keit menschlichen Lebens, und sie bilden zu ( ... ) rechtschaffenen, vernünftigen, religiös- sittlichen Menschen und brauchbaren Glie- dern einer neuen Gemeinschaft." Vierzig Jahre davor hatte es den am 21. Juni 1886 im fränkischen Oberalbach gebore- nen Alois Kimmelmann als Junglehrer beruf- lich zum ersten Mal nach Karlsruhe verschla- gen. Zwischen 1905 und 1912 war er zu- nächst in der Südstadt (Uhland- und Neben- iusschule), anschließend in Mühlburg (Hardt- schule) als Unterlehrer tätig. Zuvor durchlief er die im Großherzogturn Baden seinerzeit übliche Ausbildung zum Volksschullehrer: Dem Volksschulabschluss (1900) in seinem Geburtsort folgten zwei Jahre Präparanden- schule (Tauberbischofsheim) und drei Jahre Lehrerseminar (Ettlingen). Die größte politische und pädagogische Bedeutung erlangte Kimmelmann während der Weimarer Republik. Mittlerweile Haupt- lehrer in Pforzheim, gründete der Reserveoffi- zier und Weltkriegsteilnehmer nach seinem Eintritt in die SPD (1919) einen Ortsverband der sozialdemokratischen Frontkämpferverei- nigung Reichsbanner (1925). Als führendes Mitglied im Badischen Lehrerverein (ab 1921) hatte er erheblichen Einfluss auf die bildungs- und berufspolitischen Konzepte des Verbandes und genoss darüber hinaus aufgrund seiner schulpolitischen, pädagogischen und didak- tisch-methodischen Publikationen hohes An- sehen. So wurde er 1926 als Dozent für Allge- meine Unterrichtslehre und Methodik an die neu organisierte Lehrerbildungsanstalt Karls- ruhe berufen. Im selben Jahr erschien seine über Lehrergenerationen hinweg populäre "Geschichte der Lehrerbewegung in Baden 1876-1926". Ab 1929 übernahm Kimmelmann als Stadtoberschulrat die Leitung des Karlsruher Volksschulwesens. Unter schwierigen wirt- schaftlichen und bildungspolitischen Rah- menbedingungen gingen von seiner Amtsfüh- rung reform pädagogische Ansärze und Impul- se für das Volksschulwesen aus. Im Frühjahr 1933 wurde der sozialdemokratische Leiter des Stadtschulamts von den Nationalsozialisten entlassen und zwangspensioniert. Die zwölf Jahre des NS-Regimes verbrachte er in seiner fränkischen Heimat. Dort beschäftigte er sich mit lokal- und regionalgeschichrlichen Studi- en, für die er Druckerlaubnis erhielt, da man sie für politisch unverfänglich erachtete. Als Mann der ersten Stunde nutzte Kim- melmann 1945/46 die Möglichkeiten seines neuen Amtes rasch und zielsicher zur Behe- bung der akuten Schulnot in Nordbaden: Er organisierte u. a. Schnellkurse für Volksschul- lehrer, veröffentlichte die "Badischen Schul- blätter" als Schullektüre-Sammlung und gab 292 als Mitarbeiter eine neue Kinderfibel heraus. Auch an der Reorganisation der Lehrerbewe- gung hatte Kimmelmann großen Anteil. Er beantragte noch bei der US-Militärregierung die Herausgabe der "Südwestdeutschen Schul- zeitung" als Organ des Badischen Lehrerver- eins (1950 in die GEW integriert). Am 13. April 1946 wurde Alois Kimmelmann mit 59 Jahren durch einen plötzlichen Tod mitten aus seiner Arbeit gerissen. J ÜRGEN SPANGER Eduard Devrient 1801-1877 Sänger, Schauspieler, Regisseur - es war ein Mann vom Fach, kein Höfling, den vor 150 Jahren Prinzregent Friedrich 1852 als Inten- dant für sein Karlsruher Hoftheater gewann. In Berlin wurde Devrient 1801 geboren, und schon mit 18 Jahren war er Mitglied des kö- nigl. Hoftheaters. Als Bariton gefiel er in Mozart-Opern seinem Publikum. Im produk- tiven geistigen Leben, in dessen Mittelpunkt vor allem einige jüdische Häuser standen, hier besonders das Mendelssohnsche, war er mit Felix Mendelssohn-Bartholdy befreundet und an der "Wiederentdeckung" von Bachs Matt- häus-Passion beteiligt, bei der er die Partie des Jesus sang. Die Pflege der Musik Mendels- sohns galt für ihn auch später in Karlsruhe als eines seiner Ziele. Berlin enttäuschte bald Devrient. "In der immer unumschränkteren Gefallsucht" er- kannte er "das Grundlaster der neuen Kunst- periode. " Mit der Hinwendung zur Sprech- bühne wechselte er 1844 als Schauspieler und Oberregisseur nach Dresden, wo er schnell das Publikum für seinen Stil gewann: zwar Pflege der großen Werke der Weltliteratur, aber nicht im deklamatorischen "Weimarer Stil", son- dern im realistischen Sprachduktus. Konflik- te gab es mit seinem jüngeren Bruder Emil, auch Schauspieler, der sich nicht an strenge künstlerische Prinzipien halten wollte. Das machte ihm bald den Abschied leicht, zumal mit dem Ruf nach Karlsruhe große Aufgaben waneten. Erst 1853 war der Wiederaufbau des Hof- theaters nach dem schrecklichen Brand von 1847 vollendet. Der Fundus musste völlig neu begründet werden, und Devrients Verhand- lungsgeschick war es zu verdanken, dass mit einer einmaligen Bereitstellung von 50.000 Gulden ein guter Start ermöglicht wurde. 293 Gleichzeitig erhielt er die volle Verantwortung fur den künsrlerischen Betrieb, und mit einer geschickten Personalpolitik konnte er das Ni- veau des Ensembles heben. Nach den revolu- tionären Verhältnissen 1848/49 war das The- ater fast zum Amüsierbetrieb herabgesunken. Man musste, trotz Widerstände, nicht nur das Personal, auch das Publikum für ein neues Angebot gewinnen. Hier kam Devrient die "unermüdiche Ausdauer seiner Natur" zu Hilfe, schrieb der Karlsruher Gymnasialdirek- tor Gustav Wendt über seinen Zeitgenossen. Devrienrs Auftreten "war nie ohne freundli- ches Wohlwollen", aber dem Personal zeigte er klar, wer hier der Intendant sei. "Geldstrafen, welche für einzelne Unregelmäßigkeiten ein- mal feststanden, wurden unnachsichrlich ein- gezogen, schwere sitrliche Ausschreitungen nicht geduldet." In verschiedenen Schriften hat er sich zur Schauspielkunst geäußert, und er strebte für die Schauspieler eine "geachtete Stellung in der Gesellschaft an", die auf Bil- dung und Disziplin beruhte. So verpflichtete er nicht nur die einzelnen, Künstler, sondern auch die Chöre zu Lese- und Szenenproben. Shakespeare, Moliere, Goethe, Schiller be- stimmten das Theaterprogramm. Dem klassi- schen Repertoire des Schauspiels entsprach das musikalische. Das gängige Virtuosenturn hielt Devrient dem Theater fern. Große Künstler sollten eine feste Bindung bekommen. So wurde mit dem Engagement von Hermann Levi ein Dirigent gewonnen, der Karlsruhes Musikleben bald national weit berühmt mach- te. Bekannt ist Devrients Einsatz fur das Werk Richard Wagners. "Tannhäuser" stand 42mal, "Lohengrin" 28mal, der "Holländer" 17mal auf dem Programm. Seit 1862 wurde auch im neuen Theaterge- bäude in Baden-Baden gespielt, wo Hector Berlioz als Gast die Eröffnung dirigierte. Beim 50-jährigen Bühnenjubiläum Devrients 1869 wurde er als Generaldirektor unmittelbarer Hofbeamter als erster bürgerlicher Intendant. Seit 1870 im Ruhestand, vollendete er 1874 mit dem 5. Band seine "Geschichte der Schau- spielkunst". 1877 starb er, für viele eine Le- gende, mit dessen überragendem künstlerischen und organisatorischen Profil seine Nachfolger sich auseinanderzuserzen harren. LEONHARD MÜLLER Ernst Fuchs 1859-1929 In ganz Deutschland wurde Ernst Fuchs, Rechtsanwalt in Karlsruhe, als juristischer Fachschrifrsteller, insbesondere als so genann- ter Freirechtler, bekannt. Als Sohn eines Vieh- händlers 1859 in Weingarten geboren, be- suchte der Hochbegabte das Karlsruher Gym- nasium, studierte Rechtswissenschaft 1876- 1880 in Heidelberg und Straßburg und erhielt nach dem Vorbereitungsdienst 1884 die Zu- lassung als Rechtsanwalt zunächst beim Land- gericht Karlsruhe. In dieser Zeit übernahm er auch mehrfach Verteidigungen von Sozialde- mokraten, die nach den Sozialistengesetzen verfolgt wurden. 1894 folgte sodann die Zu- lassung als Rechtsanwalt an das Oberlandesge- richt Karlsruhe, wo er überwiegend in Zivilsa- chen tätig war. Bereits in dieser Zeit verfasste Ernst Fuchs Beiträge für juristische Zeitschrif- ten. Erstmals Aufsehen erregt haben soll er Anfang der neunziger Jahre mit einem in einer Fachzeitschrift erschienen Aufsatz, indem er vorschlug, durch Geserz den jüdischen Sabbat 294 auf den Sonntag zu verlegen, Ausgangspunkt für seine Überlegung war der Umstand, dass bei Zustellungen, Lieferungen, Fristabläufen und Wechselprotestationen durch die damals praktizierte strenge Sabbatsruhe nicht uner- hebliche Schwierigkeiten für den Rechtsver- kehr bestanden. In erster Linie wollte Fuchs durch seinen ungewöhnlichen Vorschlag den Assimilationsvorgang beschleunigen, was da- mals von vielen Tausenden fortschrittlicher deutscher Juden geteilt wurde. Ernst Fuchs gehörte zu einer Juristengene- ration, die mitten in ihrem Berufsleben den grundlegenden Wechsel von einer zur anderen (Zivil-)Rechtsordnung durchmachen musste. Dem zur Jahrhundertwende sich vollziehen- den Übergang vom französischrechtlichen Ba- dischen Landrecht zum streng am Römischen Recht ausgerichteten Bürgerlichen Gesetz- buch, mit dem die reichsweite Rechtseinheit auch im materiellen Zivilrecht verwirklicht wurde, stand Fuchs als glühender Anhänger des Badischen Landrechts von Anfang an reser- viert gegenüber. In erster Linie lehnte er die damit verbundene Tendenz zu mehr formalbe- griffiichem Denken ab. Hinzu kam, dass mit der Einführung eines neuen Gesetzeswerkes regelmäßig die Gebundenheit der Rechtsspre- chung zunahm, was sich insbesondere in den Anfungsjahren der reichsgerichtlichen Judikatur zum BGB bestätigt hat. Hierin liegen die Wur- zeln des alsbald einsetzenden Engagements von Fuchs für die nicht nur in Deutschland in Entstehung begriffene Freirechtsbewegung. Fuchs' Grundpositionen beruhen auf der Erkenntnis der Lückenhaftigkeit der staatli- chen Rechtsordnung. Die norwendige Lü- ckenausfüllung könne weder durch Analogie oder Umkehrschluss, sondern nur im Rahmen einer "soziologischen Methode" erzielt wer- den, wobei der Richter insbesondere die jewei- lige Verkehrssitte seiner Entscheidung zu Grunde zu legen habe. Gebe es keine, so solle er entscheiden, wie. ein mit den jeweiligen Verhältnissen vertrauter "gerechter und ge- scheiter Mann" urteilen würde. Nach Fuchs hat sich die neue "Gerechtigkeitswissenschafr" als eine empirisch - durch Soziologie und Psy- chologie - fundierte theoretisch-praktische Einheit darzustellen, die insbesondere eine grundlegende Änderung der Juristenausbil- dung erfordere. 1929 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Heidelberger Juristischen Fakultät: Fuchs habe die von ihm so genannte Pandektologie der Rechtsgelehrten bekämpft, sei dabei aber selbst - nach dem Vorbild der römischen Ju- risten - als Rechtsschöpfer aufgetreten, nicht aus dem Buchstaben der Gesetze, sondern aus ihrem Sinn und Zweck. 1929 starb Fuchs in Karlsruhe. Seine Kanzlei konnte sein Sohn weiterführen, musste aber 1939 nach Austra- lien emigrieren, seine Tochter wurde in Aus- chwitz ermordet. DETLEV FISCHER 295 Joseph Melling 1724 -1796 Als Hofmaler des Markgrafen Carl Friedrich von Baden-Durlach stellte Joseph Melling sein am französischen Rokoko und besonders an Fran~ois Boucher orientiertes künstlerisches Können vor allem in Karlsruhe eindrucksvoll zur Schau. Joseph Melling wurde 1724 im lothringischen St. Avold geboren. Er ent- stammte einer Handwerker- und Künstlerfa- milie, sein Vater Nicolas war Schreinermeister. sein Onkel Jean Bildhauer. Eine Ausbildung erhielt Joseph Melling zunächst als Latein- schüler in Saarlouis. Dann lernte er bei einem Pariser Kunstschreiner. Später besuchte er die renommierte Pariser ,,Academie royale d'ar- chitecture", an der er unter den berühmtesten Künstlern seiner Zeit, den Rokokomalern Carle van Loo und Fran,ois Boucher studier- te. Van Loo hatte als Hofmaler König Ludwigs XV. eine hervorgehobene Stellung. Fran,ois Boucher stieg unter dem besonderen Schutz von Madame Pompadour sogar zum "Premier peintre du Roi" auf. Später wurde er außer- dem Direktor der ,,Academie royale" womit er die höchsten Ämter im Bereich der Kunst in seiner Zeit innehatte. 26-jährig schloss Mel- ling 1750 seine Studien mit dem "Grand Prix" für Malerei ab. Dieser Preis war mit einer Stu- dienreise nach Rom dotiert. Markgraf eirl Friedrich von Baden-Dur- lach ließ das 1715 von seinem Großvater Karl Wilhelm gegründete, aber schon baufällige Karliruher Residenzschloss erneuern und mo- dernisieren. 1748 holte er Christoph Melling, Josephs Bruder, als Hofbildhauei nach Karls- ruhe. Christophs Initiative und auch 'dem Beistand Fran,ois Bouchers verdankte Joseph Melling seine Berufung in den Dienst des ba- dischen Markgrafen, 1758 kam er nach Karls- ruhe und wurde bereits 1759 zum badischen Hofmaler ernannt. Ebenfalls 1759 erhielt Melling den Auf- trag, das Residenzschloss malerisch auszu- schmücken. Bis 1760 entstand das große De- ckengemälde im Festsaal des Karlsruher Schlosses mit der mythologischen Darstellung der "Geburt der Venus". Dieses im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gemälde gilt als Mellings Hauptwerk. Von besonderer künstlerischer Qualität ist sein Porträt der Markgräfin Caro- line Louise mit ihren beiden Söhnen im Badi- schen Landesmuseum Karlsruhe. Die Arbeiten an der malerischen Ausstat- tung des Karlsruher Schlosses dauerten bis 1775. Dann scheinen die Aufträge, die Mel- ling übertragenen wurden, nicht mehr ausge- reicht zu haben, um ihm seinen Lebensunter- halt zu sichern. Jedenfalls siedelte er 1774 nach Straßburg über. Er tat dies ohne mark- gräfliche Erlaubnis. In einem Brief an Caroli- ne Louise bat er um Verständnis für den Um- 296 zug und berichtet, dass er in Srraßburg eine Malschule, die ,.Acadernie de dessin d' apres natute", gegtündet habe. Diese Schule wurde vom Magistrat der Stadt unterstützt und war gut besucht. Allerdings wurde sie nach der Französischen Revolution zunächst in eine staatliche Institution umgewandelt und später bei det Einführung der staatlichen Zeichen- schulen abgeschafft. Melling starb 1796 in Srraßburg. Mit dem Weggang von Karlsruhe hatte er seinen künst- lerischen Zenit überschritten. Die Werke sei- ner Straßburger Zeit erreichten nicht mehr die gleiche malerische Qualität. Dessen ungeach- tet hinterließ er ein umfangreiches und künst- lerisch eindrucksvolles Gesamtwerk mit einem weiten malerischen Repertoire. ALMUT MAAß Adrian Bingner 1830 -1902 22 Jahre leitete er auf der vom Land Baden zu besetzenden Stelle als Senatspräsident den 11. Zivilsenat im Reichsgericht Leipzig und nahm entscheidenden Anteil an der Auslegung und Fortentwicklung des Rheinisch-Französischem Rechts, das in zirka 'k des damaligen Reichs- gebiets angewandt wurde, zum Beispiel im Badischen Landrecht. 1830 in Karlsruhe ge- boren, wurde er nach Rechtssrudium in Hei- delberg promoviert .. Seine umfassende juristi- sche Bildung beruhte aber nicht nur aufinlän- dischen Studien und der herkömmlichen ju- ristischen Ausbildung seiner Zeit. Ein Studi- enaufenthalt bei den Pariser Gerichten gab ihm die Gelegenheit, die französische Rechts- ordnung, die für das Land Baden von ent- scheidender Bedeutung war, unmittelbar aus eigener Anschauung näher kennen zu lernen. Nach diesem Studienaufenthalt in Paris war er 1861 als Amtsrichter in Heidelberg tä- tig, 1864 als Staatsanwalt am Karlsruher Kreis- und Hofgericht, dem heutigen Landgericht, ab 1865 bereits im Justizministerium als Mi- nisterialrat. In der Stephanienstraße 20 bewg er ein Haus. Zu Fuß ging man zum Vorderen Zirkel 19, zum Ministeriumgebäude mit dem Generallandesarchiv, dem Innen- und dem Justizministerium. Im Badischen Justizminis- terium konnte Bingner besonders nach der Reichsgründung 187 1 entscheidenden Ein- fluss auf die Gesetzgebung nehmen. Seine Aufgabe bestand bald in der Ausarbeitung ei- 297 nes badischen Einführungsgesetzes zum neu- en Reichsstrafgesetzbuch, ein erster Schritt zur deutschen Rechtseinheit, dem die Verfas- sungsgesetzgebung folgte. Schon 1864 hatte Baden einen neuzeitlichen dreistufigen Ge- richtsaufbau. 1877 konnte ein Entwurf »die Einführung der Reichsjustizgesetze über Ge- richtsverfassung, Civilprozeß, Konkurs und Strafprozeß im Großherwgtum Baden betref- fend »dem Landtag vorgelegt werden. Trotz erheblicher Widerstände setzte sich Bingner mit dem Vorschlag durch, nur ein Oberlandes- gericht mit Sitz in Karlsruhe zu errichten. Sei- ne Begründung, aus Zweckmäßigkeit 'sollten die Befugnisse der dritten Instanz nicht zer- splittert, sondern in einem Mittelpunkt verei- nigt werden, zeigt seinen bewundernswerten Weitblick. Erst 1952/53 wurden im Zuge des neuen Südweststaats zwei, heure sieben Zivil- senate in Freiburg als Außensenate des Haupt- hauses eingerichtet, die nun wieder nach Karlsruhe verlegt werden sollen. Im Reichsgericht war er seit 1879 zustän- dig für Revisionen und sonstige Rechtsmittel, und er verfasste unter anderem verschiedene Kommentare, zum Beispiel zum Badischen Landrecht, nachdem er bereits als 24-Jähriger beim Karlsruher Verlag C. F. Müller eine sys- tematische Übersicht über die staatsrechtliche Literatur im Großherwgrum Baden veröffent- licht hatte, ein wichtiges Nachschlagewerk für die badischen Verwaltungsbeamten. 1872 folg- te - auf der Grundlage seiner ministeriellen Erfahrungen - eine Kommentierung zu den badischen Einführungsbestimmungen zum neuen Reichsstrafgesetzbuch. Bingner war auch als Mitglied des Ständigen H aager Schiedsgerichtshof, als Beirat für die Großher- zogin Luise im Badischen Frauenverein, schließlich als Mitglied der Stadrverordneten- versammlung in Karlsruhe 1875 -1879 enga- giert und leistete über seine Ämter hinaus Vor- biltlliches für die rechtliche und gesellschaftli- che Entwicklung. Da es damals noch keine feste Pensionsgrenzen gab, starb er im Dienst für Baden und das Kaiserreich als 72-Jähriger. DETLEV FISCHER 298 Carlsruher Blickpunkte 299 Rätsel um eine Figur im Durlacher Schlossgarten Nur die wenigsten Karlsruher sind schon einmal im Durlacher Schloßgarten gewesen. und in der kalten Jahreszeir. wenn die Bäume kahl. die Springbrunnen abgesrellt und die beiden Kinderspielplärze verwaist sind. durch- queren nur hier und da eilige Passanten den Park. Und auch sie - so scheint es - haben jene Figut noch nie bewusst wahrgenommen. die nahe beim Eingang Ecke Marstall- und Bade- ner Straße zu sehen ist. Etwas unglücklich in den Schatten einer verholzten Eibengruppe gerückt. steht dort auf einem einfachen Sockel die knapp lebens- große Statue einer jungen Frau, eine damen- hafte Etscheinung. eingehüllt in ein faltenrei- ches Gewand. Über eine modische Pelzrnütze hat sie einen mantelartigen Umhang geschla- gen. die Arme hält sie schützend vor den Oberkörper - besonders warm ist ihr anschei- nend nicht. Entdeckt man dann an den zier- lichen Füßen. die unter dem Gewand hervor- schauen. die Kufenschuhe und betrachtet im Profil den weit nach hinten wehenden Falten- schlag der Robe. so wird einem klar. was ge- meint ist: Wir sehen vor uns eine vornehme Schlittschuhläuferin. die auf einer imaginären Eisfläche schicklich. aber doch vorwärtssrre- bend ihte Runden dreht. Darüber hinaus will die Plastik offensichtlich auch ganz allgemein als Sinnbild /Ur den Winter verstanden werden. Bildthema und Stil verweisen auf eine Ent- stehung in der zweiten Hälfte des 19. Jahthun- derts. vor allem auf die so genannten Gründer- jahre nach 1871. als "moderne Allegorien" wie diese - anknüpfend an antike oder barocke Traditionen, aber in einem zeitnahen Natura- lismus auch neue Wege beschreitend - in Mo- de waren. Für diese Entstehungszeit spricht ein weiteres Indiz, das Material. aus der die Figur besteht. Sie ist nämlich keineswegs. wie man erwarten möchte, aus Stein gemeißelt. sondern in Zement gefotmt - ein Verfahren. das in den 1870er Jahren auch unter Künst- lern als innovativ und keineswegs minderwer- tig galt. Gerade in Karlsruhe war diese Technik in aller Munde. nachdem sich die 1865 in der Residenzstadt gegründete Firma Dyckerhoff & Widmann vor allem mit der Entwicklung der Zementausformung für Kunstwerke und Bauornamente einen Namen gemacht hatte. Der Galathea-Brunnen von Hermann Moest. 1872 im Stadtgarten eingeweiht und heute leider für die Öffentlichkeit unzugänglich vor dem Bundesgerichtshof aufgestellt. ist hierfür das anspruchsvollste Beispiel. Auch die Schlittschuhläuferin wird mit großer Wahr- scheinlichkeit von Dyckerhoff & Widmann hergestellt worden sein; noch offen bleibt. wer der Bildhauer war. der das Gussmodell her- stellte. Eine Signatur ist nicht zu erkennen. und Unterlagen über die Produktion der Fir- ma in diesen Jahren lassen sich leider nirgend- wo auffinden. Wie kam die Plastik an ihren heutigen Standort? Alle Nachforschungen in älterer Li- teratur und in Akten blieben zunächst ohne Ergebnis. Erst ein Zufallsfund im Stadtarchiv führte weiter. Auf einem Foto. das bald nach 1871 aufgenommen sein muss und den Tier- gartensee im Karlsruher Stadtgarten zeigt. ist deurlich unsere Schlittschuhläuferin zu erken- nen. aufgestellt an einer kleinen Uferterrasse. neben ihr eine weitere weibliche Figur. wahr- scheinlich als Pendant die Allegorie des Som- mers. Seide Statuen, so ist einem alten Führer zu entnehmen. waren wie viele später entstan- dene Kunstwerke des Stadtgartens von Bür- gern gestiftet worden. ohne dass in diesem Fall 300 der Name des Spenders überliefert worden wäre. Spätestens in den 20er Jahren mussten die Figuren dem Ausbau des Zoos weichen. Altmodisch geworden, verschwanden sie wohl zunächst in einem Bauhof. Angesichts des in Karlsruhe wenig zimperlichen Umgangs mit Kunstwerken im öffentlichen Raum grenzt es fast an ein Wunder, dass zumindest die Dar- stellung des Winters überlebte und schließlich eine neue Heimat im Durlacher Schloßgarten bekam. Und nicht nur die Schlirrschuhläufe- rin fand hier eine Zuflucht: Ein Engel, ver- mutlich von einem Grabmal des alten Fried- hofS beim Basler Tor, die Statue der einst gefei- erten "Schönen Nubierin" sowie der beliebte Rosengartenbrunnen, beide ebenfalls "Vertrie- bene" aus dem Karlsruher Stadtgarten, tragen heute zum individuellen Charme des Durla- eher Schloßgartens bei. Die Tage unserer Schlittschuhläuferin scheinen indes gezählt, wenn nicht bald etwas geschieht. Fast 125 Jah- re lang hat die Figur der Witterung getrotzt. In letzter Zeit zeigen sich vermehrt Risse im Ze- ment, die in Verbindung mit Feuchtigkeit und Frost die Standsicherheit zunehmend in Frage stellen. Wird es für . dieses nicht alltägliche Kunstwerk noch eine Zukunft geben? GERHARD KABIERSKE Der Mensch im Rhythmus der Natur Ein Großteil der Karlsruher Studenten hat es täglich vor Augen, doch die wenigsten neh- men das späte Hauptwerk des in Vergessenheit geratenen badischen Malers August Babberger (1885-1936) bewusst wahr: seine Monumen- talkomposition "Tag und Nacht" beherrscht seit den frühen 60er Jahren die Stirnwand der alten Mensa. Ausgeführt 1932/33 als fünfteiliges Fresko auf transportablen Putzplatten fand es freilich zu Lebzeiten des Künstlers keinen adäquaten Wirkungsorr und blieb daher bis zu seinem 301 frühen Tod im Karlsruher Atelier verborgen. Von dort konnte es 1937 mit dem übrigen Nachlass in die Schweiz transferiert und so vor dem drohenden Zugriff dernationalsozialisten bewahrt werden. Im Zuge der 1956 im Badischen Kunstver- ein gezeigten ersten Gedächtnisausstellung ge- langte das Kolossalwerk schließlich als Schen- kung an die Karlsruher Universität. Sollte es hier zunächst im Architekturgebäude seinen Platz finden, so wurde es beim Neubau der Mensa 1962 in die weite Klinkerwand des großen Hauptsaales eingelassen, wo es bis heu- te als einziger Raumschmuck für dekorative Akzente in der ansonsten nüchternen Innen- architektur sorgt. 1885 im südbadischen Hausen im Wiesen- tal geboren, lässt sich August Babberger nach künstlerisch-handwerklichen Lehr- und Stu- dienjahren in Basel, Karlsruhe und Florenz 1912 in Frankfurt nieder. Erste Aufträge für sakrale Glasmalereien und Bühnenbilder zu expressionistischen Dramen begründen zu- sammen mit Wandbehängen schon bald sei- nen Ruf als vielseitiger Monumenralkünstler. Im Mittelpunkt des Werkes steht fortan neben der reinen Landschaftsmalerei das figürliche Wandbild, in welchem der Einklang von Mensch und Naturgeschehen symbolwirksam zur Darstellung gelangt. Als Professor für De- korative Malerei und Wandmalerei wird Bab- berger 1920 an die neugegründete Karlsruher Akademie berufen, die er in der Zeit von 1923 bis 1929 als Direktor leitet. Die in den 20er und frühen 30er Jahren geschaffenen Wand- bilder und Glasfenster fur Sakral- und Profan- bauten in Deutschland und der Schweiz sor- gen für überregionale Bekannrheit. Die Nazi- Herrschaft setzt der künstlerischen Laufbahn ein abruptes Ende. 1933 wird Babberger als "entarteter" Künstler seines Lehramtes entho- ben und hält sich in der Folgezeit überwiegend in der Schweiz auf. Der frühe Tod ereilt den Maler. 1936 inmitten seines Schaffens im ur- nerischen Altdorf. Geleitet von der Vorstellung, dass das Da- sein des Menschen untrennbar mit natur- rhythmischen Vorgängen verbunden ist, ver- sinnbildlicht Babberger im Karlsruher Wand- bild den Ablauf der Tages- und Jahreszeiten durch stilisierte Figuren vor einer flächenab- strakten Landschaftskulisse und entwirft da- mit ein gültiges Programm bild seines Schaffens. "Mich interessiert als Maler der Mensch, die Landschaft und die Mitte/' diese in Wandmale- rei in eine Dreieinigkeit zu bringen ': definiert er 1921 seine Position und zielt darin zugleich auf eine Abkehr vom traditionellen Staffeleibild. Dem Betrachter begegnet eine friesartig konzipierte und collagehafr aufgebaute, imagi- näre Bildwelt, welche in allegorischer Form die geistige und körperliche Einheit von Mensch, Natur und Kosmos als ideale Lebenswirklich- keit beschwört. Das pathetisch inszenierte Ge- schehen vollzieht sich als mehrfacher Wechsel von Tag und Nacht in rhythmischer Staffelung und dynamischer Reihung auf einer gewalti- gen Bildfläche von drei Metern Höhe und acht Metern Breite. Dem zeitzyklischen Pro- zess antwortet der klare Bildaufbau mit einer alternierenden Abfolge breiter und schmaler Abschnitte. Das Verhalten der Figuren ver- weist auf den Zustand der Natur. Die ins All- gemeingültige und Mystisch-Religiöseüber- 302 höhte Bilderzählung entwickelt sich in Lese- richtung: Kraftvoller Aufbruch und dramati- sche Bewegung, ehrfurchtsvolle Anbetung und gemäßigtes Schreiten sowie andächtiges Verharren und statische Ruhe prägen die drei Hauptbereiche. Sie stehen stellvertretend für Tagesbeginn (Frühling), Mittag (Sommer) und Abend (Herbst). Zwischen die großen Hauptteile schaltet der Maler nach eigenen Worten "die lu ren Nächte mit Morgen- und Abendgrauen, um ruhige Flächen lind Abstände zu haben ". In diesen Zonen lenken ansteigen- de Wellen bewegungen des Nachthimmels das Auge jeweils zur folgenden Szene. Radikale Vereinfachung der Form und Übersteigerung der Farbe bestimmen die Bild- gestaltung. Mensch und Natur, Figur und Umgebung, Muster und Grund, Dekor und Ornament verdichten sich zu einem streng geordneten, bildteppichartigen Flächengefuge. In seinem Putzbild vereinigt Babberger Ein- flüsse aus Symbolismus, Jugendstil, Kubismus und Expressionismus zu einem eigenständigen Monumentalstil, worin er sich gleichzeitig als Grenzgänger zwischen Figur und Abstraktion präsentiert. Mit dem bislang wenig beachteten Fresko "Tag und Nacht", in welchem ein neues, von jeglicher Alltagsrealität abgelöstes Menschen- bild entworfen und zu gesteigertem Ausdruck geführt wird, behauptet August Babberger eine Sonderstellung im Karlsruher Kunstge- schehen seiner Zeit. Als einzigartiges Zeugnis moderner badischer Wandmalerei markiert das Werk zugleich einen Höhepunkt südwest- licher Monumentalkunst zwischen den Krie- gen. Innerhalb der badischen, Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts zählt der Maler damit zu den wichtigsten Vertretern der klassischen Moderne. ANDREAS GABELMANN Badespaß im Glaspalast Der Karlsruher beliebtestes Spiel: die Stand- ortfrage. Ob ZKM, ob OPD, sie werden des Spieles nicht müde. Das neueste Spielzeug birgt Wasserfreuden: Spaßbad oder Badespaß. Doch geht es diesmal nur am Rande um die Frage, ob Rodelhügel oder Weinbrennerplatz. In Wirklichkeit steht das Tullabad auf dem Spiel. Das Tullabad ist ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung, das seit 1990 in das Denkmalbuch des Landes Baden-Württem- berg eingetragen ist. Ocr interessierte Bürger wird sich hier wohl zwei Fragen stellen: ers- tens, warum diese Bccon-Glas-Kiste mit Ka- cheldekor ein Denkmal sein soll, noch dazu ein besonders wertvolles, und zweitens, wie denn die Zukunft dieses Schmuckstücks aussehen soll, wenn ein neues Bad an anderer Stelle ent- steht. Wer kann sich heute noch vorstellen, was in Karlsruhe los war, als 1955 die Pforren des T ullabads öffneten? Seit der Zerstörung des Friedrichsbades 1944 gab es in Karlsruhe nur noch das Vierordtbad. Nach dem Krieg stieg die Zahl der Badegäste stetig an, 1954 zählte man über 380.000 Besucher. Ein neues Bad war dringend notwendig, der Ort schnell ge- funden. Für den Standort sprachen die zentra- le Lage und die Nähe zum Festplatz, dem neu- 303 en Mittelpunkt sportlicher und kultureller Veranstaltungen, sowie die wundervolle Lage am Rande des Sallenwäldchens und des Stadt- gartens. Welch ein Erlebnis muss es gewesen sein, aus der anheimelnden, aber dämmrigen und vor allem völlig überfüllten Schwimmhalle des Vierordtbades in den neuen Glaspalast zu tre- ten, einzutreten in die helle Eingangshalle mit der sich frei emporwindenden Treppe, dem f..rbigen Wandbild und einem kleinen Winter- garten. Geschickt war die Wegefuhrung durch die Umkleiden - geschossweise für Männer und Frauen getrennt - und durch die für Erwach- sene und Jugendliche geteilten Duschräume. Und dann: die Schwimmhalle! Was für ein Anblick! Lichtdurchflutet dank der großen Glaswände, die umgebende Natur unmittel- bar gegenwärtig. Der Eindruck spielerischer Leichtigkeit mit der geschwungenen Hallend- ecke und den schlanken Betonstützen - alles so weit entfernt von der Monumentalarchitek- tur des "Dritten Reiches". Sensationell auch die Technik: Das Sport- becken mit einer Wassertiefe von mindestens Das Tullabad 1956. 2,10 m steht bis heute in seiner ganzen Größe für Wassersport zur Verfügung. Der wie eine Freiplastik in der Halle stehende Zehnmeter- Sprungturm mit den drei tieferen Plattformen war damals in der Bundesrepublik der einzige seiner Art in einem Hallenbad, ebenso wie der hydraulisch verstellbare Sprungturm. Zwei Unterwasserfenster ermöglichten den Trainern die Kontrolle der Schwimmer. Es findet sich eine Tribüne für 550 Zuschauer, Kabinen für Presse und Funk, sogar an Fernsehübertragun- gen war bereits gedacht. Angenehm auch die Atmosphäre: Durch das separierte Nichtschwimmerbecken blieb der Lärm spielender Kinder der großen Halle fern. Hier konnte man, aufWärmebänken ru- hend, gemütlich dem lebendigen Treiben fol- gen, oder man genoss ein Sonnenbad im Frei- en. Abends verzauberten 18 Unterwasserstrah- ler und das Lichtband der Hallendecke den Raum. Das Tullabad ist der erste Hallenbadneu- bau der Bundesrepublik, und es war damals revolutionär. Es markiert den Beginn einer 304 neuen Phase in der Geschichte der Hallenbad- architektur und war Vorbild und Maßstab für zahlreiche andere Bäder in Deutschland. Das Tullabad besitzt einen der qualitätvollsten öffentlichen Innenräume der 50er Jahre in Karlsruhe. Soweit zur Bedeutung der Beton-Glas-Kis- te mit Kacheldekor. Ob das Tullabad in die- sem Spiel verlieren wird, oder ob es als Zeit- zeugnis und als Erinnerung an die damalige Aufbruchstimmung in eine neue Zeit rnit all seinen bis heute gültigen Qualitäten erhalten bleibt, ob es weiterhin seinem eigentlichen Zweck, dem Wassersport, dienen wird, das enrscheiden die Bürger, für die es einst gebaur wurde. ULRIKE PLATE Bürgerliche Gartenkultur in Durlach Der barocke Pavillon vor dem Basler Tor Verriegelte Läden, abblätternde Farbe und ein völlig verwilderter Garten - kein Zweifel, das kleine, an ein Schlösschen erinnernde Gebäu- de an der Weiherstraße unweit des Basler To- res in Durlach hat schon bessere Tage gesehen und seine Zukunft scheint gegenwärtig alles andere als gesichert. Selbst in seinem heutigen verwahrlosten Zustand zeugt es aber von einer besonderen Facette der lokalen Kultur- und Architekturgeschichte, die es zu entdecken gilt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ausweisung der Altstadt Durlach als denkmal- pflegerische Gesamtanlage, die beim diesjäh- rigen "Tag des Offenen Denkmals" auf großes öffentliches Interesse stieß. Die Anfänge des Baues reichen zurück in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. Damals kam es bei vermögenden Durlachern in Mode, sich vor der Stadt Gärten anlegen zu lassen, die nicht mehr nur zum reinen Gemüse- und Obstanbau bestimmt waren, sondern vor al- lem Zierfunktion hatten. Die grandiosen ba- rocken Parkanlagen der Fürsten vor Augen, wollte der Bürger, der es sich leisten konnte, mit seinem Garten nun auch repräsentieren. Zwischen geometrischen Beeten, geschnitte- nen Buchsbaumhecken, Blumenbosketten und Rankgerüsten hielt man sich im Sommer ger- ne auf und empfing Gäste. Gerade in Durlach scheint bürgerliche Gartenkultur lange vor der Goethezeit zur Blüte gekommen zu sein, reih- ten sich doch in Nachbarschaft zum Schloss- garten am Hang oberhalb der Badener Straße gleich eine ganze Reihe von geplanten Idyllen, deren Aussehen sogar in einem Kupferstich festgehalten wurde. Aber auch in den Weiher- gärten vor dem Basler Tor dokumentierte sich der neu entstehende Garrenkulr in mehreren anspruchsvollen Privatanlagen, die teilweise über ein eigenes festes Gartenhaus verfügten, von denen unser Gebäude, direkt außerhalb von Stadtmauer und Stadtgraben gelegen, ein letztes erhaltenes Beispiel ist. Es hatte ursprünglich mehr den Charakter eines Pavillons, da die seitlichen Flügel erst später angebaur wurden. Eine Freitreppe führt hinauf auf die hohe, von einer Balustrade flan- kierte Terrasse vor der zur Sonne nach Süden orientierten Hauptfassade. Ein breiter Giebel mit einem Ochsenaugenfenster. das von Zier- voluten gerahmt wird, sowie ein steiles Zelt- dach sorgen für einen repräsentativen Zug. 305 Durch eine Tür mit dem für die Durlacher Architektur der ersten Hälfte des 18. Jahrhun- dens typischen Ohren gewände und einem ovalen Oberlicht gelangt man zwischen zwei barocken Fenstern von der Terrasse ins Inne- re. Hier empfängt einem ein großer Raum, der vielfältig genutzt werden konnte: als Obdach bei Regen, als Ruheraum bei Hitze oder als Speisesaal beim Empfa~g von Gästen. Ein heizbarer offener Kamin ermöglichte den Auf- enthalt selbst in der Übergangszeit, vor allem aber konnte der PaviIlon damit auch wie eine Orangerie als Winterquartier für wertvolle südländische Kübelpflanzen genutzt werden. Über den Architekten und das genaue Baudatum lässt sich bislang nichts in Erfah- rung bringen. Als Bauherren dürfen wir die Familie Lamprecht vermuren, denen das Gar- tenanwesen Mitte des 18. Jahrhunderts gehör- te, wie der Durlach-Experte Dr. Peter Güß nachweisen konnte. Über drei Generationen gehörten die Lamprechts als Eigentümer des Gasthauses Krone und als Stadtpolitiker zu den gesellschaftlich einflussreichsten Familien der Stadt, deren kultureller Anspruch sich auch in Stuckausstattung und Fassadenbemalung des Hauses am Marktplatz demonstrierte. Durch die im 19. Jahrhundert geschickt angefügten Seitenflügel zum Wohnhaus um- gebaut, gehörte das Anwesen bis in unser Jahr- hundert zum Besitz der Brauerei Eglau. Der schleichende Niedergang setzte erst in den 1950er Jahren ein mit dem wenig einfühlsa- men Anbau auf der Rückseite und der Planie- rung eines Großteils des Gartens, der 1963 einem öden, aber finanziell lukrativen Gara- genhof weichen musste. 1975 versuchte die Ausstellung "Die stiIle Zerstörung" auf das Schicksal des Baues aufmerksam zu machen - mit wenig Erfolg, wie sich heute nach 25 Jah- ren zeigt. Da die öffentliche Hand trotz des in den 80er Jahren erklärten Sanierungsziels, die Gartenanlage wieder herzustellen, keine Not- wendigkeit sieht, sich selbst zu engagieren, steht die definitive Überbauung des Gartens mit Reihenhäusern unmittelbar bevor. Das räumlich bedrängte Gartenhaus selbst, durch unangemessene Umbauten immer weiter ent- wertet und nun auf dem Immobilienmarkt feilgeboten, sieht einem ungewissen Schicksal entgegen. GERHARD KABIERSKE 306 "Dem neuen Jahrhundert zum Gruß" So steht es von kaum jemandem noch regist- riert über dem Eingang des H auses Waldstr. 6. Der Hofconditor Hermann Hildenbrand als Bauherr und der Architekt Theodor Traut- mann, die diese Inschrift vor nunmehr fast genau 100 Jahren an dem Neubau anbringen ließen, sahen offensichtlich voller Zuversicht in das neue Jahrhundert. Schließlich waren sie beide äußerst erfolgreiche Unternehmer. Hil- denbrand konnte zum Jahrhundertbeginn auf seinen beiden Anwesen Waldstr. 6 und 8 zwei neue Gebäude errichten lassen und hatte dafür einen der damals meistbeschäftigten Architek- ten Karlsruhes beauftragt. Über beide Männer ist nur wenig bekannt. Hermann Hildenbrand übernahm 1885 von Theodor Compter dessen 1859 gegründetes und kurz darauf zur Hofconditorei ernanntes Unternehmen in der Waldstr. 8. Fünfund- zwanzig Jahre später zog er sich aus dem Ge- schäft zurück, das bis 1956 an gleicher Stelle als Konditorei Hornung weiter bestand. Über Trautmann ist lediglich wenigen Fachleuten bekannt, dass er seit Beginn der 1890er Jahre bis 1913/14 sehr viele Häuser in der Oststadt, an der Kriegss traße und rund um den Guten- bergplarz geplant und somit durchaus stadt- bildprägende Bedeutung erlangt hat. Laut Karlsruher Adressbuch kam er 1892 mit sei- nem 1885 gegründeten Bauunternehmen nach Karlsruhe. Er bezeichnete sich als Architekt, war aber laut Adressbuch Maurermeister mit der Befugnis, planerische Aufgaben zu über- nehmen. Ohne stilbildend zu wirken, nahm er die jeweils aktuellen Architekturvorstellungen auf und gestaltete für seine Bauherren durchaus individuelle Fassaden. Trautmann starb am Ende des Zweiten Weltkrieges, sein Bauunter- nehmen existiert bis heute in Karlsruhe. Das Vorderhaus der Waldstr. 6 maß 12,5 m Frontlänge, dahinter erstreckte sich bis zum Ende des etwa 50 m tiefen Grundstücks ein 7 m breites Hinterhaus. Im Erdgeschoss lagen zwei Läden, darüber drei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss. Die Fassade war dem da- mals vom Büro Curjel & Moser gepflegten Ju- gendstil nachempfunden. Bereits im Oktober 1900 nach Fertigstellung des Rohbaus annon- cierte Hildenbrand für den April 1901 in der Zeitung: " ... schöne Wohnungen mit großen Zimmern nebst reichlichem Zugehör, AufZug, Bad, Waschküche, Trockenspeicher etc., 5-9 Zimmer, zusammen oder getrennt zu vermiet- hen." Der heute wieder aktuelle Gruß am Haus Waldstr. 6 an das kommende Jahrhundert gibt . v 307 Anlass, einen Blick auf die Geschichte des Hauses zu werfen, in der sich ein Stück weit auch die Geschicke der Stadt widerspiegeln. Gebaut wurde es in einer Boomphase der Stadtenrwicklung, als die Zuwächse der Ein- wohnerzahlen einen Höhepunkt erreichten, und der Bau eines Mietshauses eine gute Geld- anlage war. Im Zweiten Weltkrieg fiel es teil- weise dem schwersten Brandbombenangriff auf die Stadt vom 27. September 1944 zum Opfer. Der Dachstuhl war ausgebrannt und zwei darunter liegende Geschosse in Mitlei- denschaft gezogen. Nach 1945 sollte es auf Empfehlung der Aufräumungs-Arbeitsgemein- schaft Karlsruhe im Zuge der Trümmerräu- mung abgerissen werden. Dem Besitzer gelang es jedoch, den Erhalt durchzusetzen und das Baumaterial für eine Instandsetzung zugeteilt zu bekommen. Ein Notdach schützte bis 1955 die benutzbaren Stockwerke. 1955 erfolgte dann durch einen neuen Eigentümer der Wie- deraufbau, wobei das Haus allerdings um ein Geschoss gekürzt werden musste. Die Bewohner des Vorderhauses, darunter auch der Besitzer, gehörten bis in den Zweiten Weltkrieg sicher zur Oberschicht bzw. zum gurverdienenden Mittelstand der städtischen Gesellschaft, auch wenn der im Haus lebende Besitzer mit dem Ende der Monarchie 1918 auf seinen Titel als Hoflieferant verzichten musste. Ein Ausdruck der Wohnungsnot der Nachkriegszeit war 1922 die Umwandlung der Einzelzimmer im Dachgeschoss in eine Dreizimmerwohnung, auf die das städtische Wohnungsamt gedrängt hatte. Die Ladenlo- kale waren an oft wechselnde Mieter vergeben. So wurden hier bis zum Zweiten Weltkrieg u. a. Werkzeuge, Büroartikel und Herrenwäsche verkauft, ein Büro der Elektrizitätsgesellschaft unterhalten, sowie eine Leihbibliothek betrie- ben, es waren ein Rabattsparverein. eine Tuch- groß- sowie eine Möbelhandlung angesiedelt. Mit der sinkenden Wohnqualität in der Innenstadt im Zeichen der zunehmenden Motorisierung änderte sich seit den 1970er Jahren allmählich auch die Zusammensetzung der Bewohner des Hauses. Das Erdgeschoss beherbergte lange eine Kunsthandlung, da- nach wurde sein Erscheinungsbild kommerzi- ellen Interessen angepasst. MANFRED KOCH Funktionale Ästhetik am Rhein ,,Am nordwestlichen Rand des Stadtgebietes, weit außerhalb des unmittelbaren Blickfeldes der Karlsruher Stadtbewohner, hinter riesigen Raffinerietanks und zahlreichen Schornstei- nen verborgen, direkt am landschaftlich reiz- vollen Rheindamm, dort steht ein Kleinod der Architekturgeschichte, das Verwaltungsgebäu- de der ehemaligen DEA-Scholven-AG." Es ist das Werk eines der berühmtesten Architekten unseres Landes, Professor Egon Eiermann (1904-1970). Bekannt ist er heu- te vor allem für seine nach dem Zweiten Welt- krieg errichteten Bauten. Vor Augen hat jeder den Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis- kirche in Berlin, unter Fachleuten verbinden sich mit dem Namen jedoch eher Industrie- bauten wie die Taschentuchweberei in Blum- berg (Schwarzwald) von 1951, der Deutsche Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel (1957-58) und Verwaltungsgebäude wie das 308 Bonner Abgeordneten-Hochhaus (1965-69) oder die Olivetti-Türme in Frankfurt/Main (1968-72). Eiermann gilt als einer der Haupt- vertreter der so genannten zweiten Generation der modernen Architektur. Die Taschentuch- weberei wirkte 1951 auf junge Architekten in Deutschland wie das Fanal einer neuen, kom- menden Baukunst, modellhaft und zukuntts- weisend. Sie zeigte Maß und Ordnung, über- schaubare Gliederung, präzis gestaltete Details und verwendete wie selbsrverständlich die Stahlkonstruktion als Mittel der Architektur. 1947 erhielt Eiermann einen Lehrstuhl fur Architektur an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Die Bezeichnung "Eiermann-Schü- ler" galt jahrzehntelang für viele Architekten als Referenz. Nach dem Abklingen der "Post- moderne" als Stil der 80er-Jahre ist das Werk Egon Eiermanns gegenwärtig wieder Vorbild einer weiteren Generation von Architekten geworden, die sich, postuliert als "Zweite Moderne", ein zweites Mal den Bauten des großen Architekturlehrers zuwendet. Obwohl Eiermann über zwanzig Jahre lang sein Büro in Karlsruhe hatte, sind von ihm im Stadtgebiet nur zwei seiner Projekte verwirk- licht worden. Da ist zunächst das Versuchs- ktaftwerk auf dem Gelände der Universität Karlsruhe von 1951-55 zu nennen. Es gilt als einer der qualitärvollsten und fortschrittlichs- ten Bauten der Wiederaufbauzeit in Karlsruhe und wurde 1995 als Kulturdenkmal von be- sonderer Bedeutung ins Denkrnalbuch des Landes Baden-Württemberg eingetragen. Das zweite Projekt ist eben das Verwal- tungsgebäude der ehemaligen DEA-Scholven- AG, später OMW. heute mit der benachbar- ten Esso zusammen zur MIRO fusionierten größten Raffinerie Deutschlands. Es steht hier stellvertretend für eine ganze Gruppe von Funktionsbauten wie das Pförtnerhaus mit Fahrradabstellplatz, die Kantine, Magazin und Werkstatt, Feuerwehrhaus bis hin zu Messwar- ten. Die Planung unterlag mehreren äußeren Zwängen, zum einen die Vielzahl der Bauten bei gleichzeitiger Verschiedenheit und ge- 309 wünschter Variabilität innerhalb der Häuser, das alles unter großem Termindruck (es stan- den nur 7 bzw. 18 Monate für Planung und Bauausführung zur Verfügung) und selbstver- ständlich unter Beachtung ökonomischer Vor- gaben. Eiermann löste die schwierige Aufgabe durch den Enrwurf eines einheitlichen kon- struktiven Rasters für alle Bauren. Typisierte Baureile waren in der Anfertigung preiswerter und ermöglichten das parallele Arbeiten im Büro und auf der Baustelle. Aus den vorgege- benen Norwendigkeiten heraus fand Eier- mann eine formal hochqualitätvolle Lösung. Alle außenliegenden Stahlelernente blieben frei sichtbar, die vorgefertigten hölzernen Fas- sadenelemente ethielten eine einheitliche Grö- ße und unterschieden sich nur in der Auftei- lung. Teilweise waren die Gebäude klimati- siert, wobei die Lüftungsmaschinen in den Dachaufbauten untergebracht wurden. Bis ins Detail hinein feilte Eiermann an der techni- sehen und gestalterischen Vervollkommnung. Nichts an den Bauten ist zufällig, bis in das fein abgestimmte Farbkonzept hinein ist es ein Kunsrwerk von funktionaler Ästhetik. Ober die Qualität dieser Gebäude bestand auch bei den Bauherren kein Zweifel. Als am 14. Juni 1963 der Vorsitzende des Konsortial- ausschusses der DEA-Scholven-GmbH, Herr Dr. Staiger, die offizielle Einweihungsrede hielt, lobte er das Werk Eiermanns mit folgen- den Worten: "Das Werk, das Sie vor sich se- hen, ist eine nüchterne Industrieanlage. Den- noch haben wir über den Ansprüchen der Technik den Respekt vor den Gesetzen der Ästhetik nicht vernachlässigt und für die Bau- lichkeiten dieser Raffinerie in Herrn Professor Eiermann einen Architekten von internationa- lem Ruf gewonnen. Für seine Schöpfungen danken wir ihm auch an dieser Stelle." ULR1KE PLATE Tor zum Campus: das Hauptgebäude der Universität Auf einer Fläche von 56 Hektar erstreckt sich das Gelände der Universität wie ein eigener Stadtteil in unmittelbarer Nachbarschaft zur geschäftigen City. Dennoch dürften sich nur die wenigsten Karlsruher in diesem weitläufi- gen Areal mit seinen fast 150 Gebäuden aus- kennen. Sieht man von den über 20.000 Stu- dierenden, Lehrenden und Angestellten ab, die hier arbeiten, so nehmen die meisten Bür- ger den Campus allenfalls im Vorüberfahren wahr. Trotz stadtbild prägender Hochhäuser, die in den sechziger Jahren beim Durlacher Tor oder sogar in Schlossnähe entstanden, wird auch heure noch das hisrorische Haupt- gebäude in der östlichen Kaiserstraße mit sei- ner markanten Fassade aus rotem Sandstein am ehesten mit der Universität identifiziert. Die Geschichte dieses Baues geht zurück bis in die Frühzeit der ältesten Technischen Hochschule in Deutschland. Bei Gründung des Polytechnikums 1825 musste sich die neu- artige Eintichtung zunächst die Räume mit dem Karlsruher Lyceum neben der Stadtkir- ehe am Marktplatz teilen. Nach 1830 konnte an einen eigenen Neubau gedacht werden, für den man einen repräsentativen Bauplatz an der Langen Straße fand, der der rasch wach- senden Bedeutung der Schule entsprach. Ar- chitekt war Heinrich Hübsch, seit 1827 Nach- folger Friedrich Wein brenners als Leiter der 310 badischen Bauverwaltung und ab 1832 auch Vorstand der Architekturschule des Polytech- nikums. Wie innovativ das Gebäude bei seiner Voll- endung 1836 wirkte, ist heute nur bei Kennt- nis der damals aktuellen Architekturszene möglich, und die hatte der junge Hübsch mit seiner 1828 erschienenen programmatischen Schrift "In welchem Stile sollen wir bauen?" nachhaltig beeinflusst. Die darin theoretisch formulierte Abrechnung mit dem Klassizis- mus, die Abkehr von der Orientierung der Baukunst an der Antike, setzte Hübsch beim Neubau des Polytechnikums in die Praxis um. Formal hat das Äußere nichts mehr gemein mit Weinbrenners Stil. An die Stelle antikisie- render Tektonik und Formensprache trat eine sehr individuelle Rezeption italienischer Palaz- zofassaden des Mittelalters und der Frühre- naissance, die vor allem in einer geschlossen- blockhaften Frontbildung von ernster Monu- mentalität zum Ausdruck kommt. 311 Auch durch den roten Haustein als Fassa- denmaterial fiel der Bau im Karlsruhe der 1830er Jahre, das zuvor eine Stadt mit Purz- bauten gewesen war, aus dem Rahmen, Glie- derungen wurden nur sehr spärlich und meist flächig eingesetzt. Verzierungen sind in die abwechselnd roten und gelben Bogenquader spröde, wie Laubsägearbeiten eingeschnitten. Um so mehr traten die auf Konsolen zwischen die Bogenöffnungen des Eingangs gestellten Standfiguren ins Auge, ausgeführt von A10ys Raufer, Erwin von Steinbach und Johannes Kepler darstellend. Selbst die Wahl gerade die- ser Personifikationen flir Architektur und Na- turwissenschaft war neuartiges Programm: Wären im Klassizismus allenfalls antike Vor- bilder denkbar gewesen, sind es jetzt histori- sche "vaterländische" Personen des Mittelalters und der Neuzeit, geboren im badischen Stein- bach bzw. im württembergischen Weil der Stadt. Hübschs Schul palazzo, flir 300 Schüler berechnet, genügte schon bald nicht mehr den rasch wachsenden Studentenzahlen. Seit den 1850er Jahren wurden nördlich davon in den Fasanengarten hinein erste Ergänzungsbauten errichtet - der Beginn der Campusbebauung. 1859-64 schließlich erhielt das Hauptgebäude sein heutiges Aussehen. Einfuhlsam erweiter- te Friedrich Theodor Fischer das Werk seines Amtsvorgängets. Er verdoppelte den bestehen- den Bau in Richtung Dur!acher Tor und fug- te zwischen die beiden Trakte in anpassenden Formen einen höheren Mittelrisalit ein, der im Erdgeschoss einen neuen Haupteingang mit offener Halle erhielt, durch die auch das nörd- lich sich entwickelnde Hochschulgelände von der Kaiserstraße aus erschlossen werden konn- te. Erwin von Steinbach und Kepler wurden an das neue POrtal versetzt. Entstanden war die nach dem Schloss längste Gebäudefront in der Residenz, die es in Ausdehnung und monu- mentalem Anspruch auch mit anderen damals entstehenden Neubauten fur polytechnische Schulen im deutschsprachigen Raum aufneh- men konnte. 1944 ausgebrannt, wurde der Bau in der Nachkriegszeit im Äußeren in sei- nen ursprünglichen Formen wieder aufgebaut. Das mit Ausnahme der Treppenhäuser verän- derte Innere beherbergt heute Rektorat und Verwaltung der Universität. GERHARD KABIERSKE Pyramide oder Reiterstandbild? Als "Via Triumphalis" bilden die Denkmäler der Markgrafen und Großherzöge von Baden die herausragende Blicbchse im Zentrum der Stadt Kar!sruhe. Das 1844 vollendete Stand- bild des Markgrafen Kar! Friedrich auf dem Schlossplatz ist das nördlichste dieser Denk- malsreihe. Es folgen auf dem Marktplatz die Pyramide fur den Stadtgründer Kar! Wilhe1m und das 1833 fertiggestellte Brunnendenkmal für Großherzog Ludwig. Am Rondellplatz schließt sich der 1832 vollendete Obelisk fur Großherzog Kar! an, der als "Verfassungssäu- le" auch an die erste badische Verfassung von 1818 erinnert. Den südlichen Abschluss der "Via Triumphalis" bildete das bis 1805 im Stil einer antiken Tempelfront errichtete Stadttor, das Ettlinger-Tor-Denkmal, das jedoch 1872 abgerissen wurde. Der 1738 verstorbene Gründer der Stadt Kar!sruhe, Markgraf Kar! Wilhe1m von Ba- den-Durlach, wurde in der Gruft der Konkor- dienkirche beigesetzt. Die von Friedrich Wein- brenner von 1791 an projektierte Neugestal- tung des Marktplatzes im klassizistischen Stil führte zum Abriss der Konkordienkirche. So wurde der weitläufige Platz geschaffen, an dem sich Stadtkirche und Rathaus gegenüber stehen. Die Gruft blieb jedoch unangetastet. Schon Weinbrenner sah vor, über ihr ein Denkmal für den Stadtgründer zu schaffen. Er selbst schuf drei Entwürfe für ein solches Monu- ment, zunächst in Form eines Sarkophags, dann mit kolossalen Figuren eines Genius des Todes und einer trauernden Stadtgöttin. Die Kosten fur das Denkmal erwiesen sich freilich als zu hoch, so dass die Gruft nach dem Ab- bruch der Kirche im Jahr 1807 mit einer höl- zernen Pyramide nur provisorisch abgedeckt wurde. Durch die Rezeption der An tike und die Ideen der französischen Revolutionsarchitek- tur wurde die stereometrische Pyramide um 312 1800 in das Gestaltungsrepertoire der Archi- tekten und Bildhauer aufgenommen. Sie fand vorwiegend für Grabmäler Verwendung. Die Abdeckung der KarIsruher Grufr mit einer Pyramide entsprach also dem zeitgenössischen Stilempfinden. Zwischen 1823 und 1825 wurde das mittlerweile beschädigte Provisori- um durch eine Ausführung in rotem Sand- stein ersetzt. Die Pyramide erhielt damit einen dauerhaften Charakter. Nach dem Tod Kaiser Wilhelms l. im Jahr 1888 brach in Deutschland eine Denkmalseu- phorie aus, die sich vor allem an den Monu- menren für den Kaiser festmachte, jedoch auch anderen feudalen und bürgerlichen Per- sonen öffentliche Ehrung zukommen ließ. Das Reiterstandbild wurde als die repräsenra- tivste Denkmalsform angesehen und blieb den bedeutenden Monarchen vorbehalten. Für das in Karlsruhe ab 1890 geplante Kaiser-Wil- helm-Denkmal kam deshalb nur ein Reiter- standbild in Frage, das dann bis 1897 am Kai- serplatz realisiert wurde. Es spricht für die Wertschätzung des Markgrafen Karl Wilhelm, dass man während der Planungen für das Karlsruher Kaiser-Wilhelm-Denkmal auch dem Stadtgründer ein Reiterstandbild errich- ten wollte. Großherzog Friedrich l. äußerte bereits 1890 die Absicht, "anstelle der jetzigen Pyramide ein würdiges Denkmal setzen zu las- sen". Die Ausführung gewann 1902 Konru- ren. Denn mit der Errichtung des neuen Karl- Wilhelm-Denkmals wollte sich der Großher- zog für die Feiern bedanken, die zu seinem 50- jährigen Regierungsjubiläum veranstaltet wur- den. Am 29. April 1902 ließ Friedrich l. den Stadtrat wissen, er gedenke, "dem Gründer der Residenzstadt ( ... ) auf dem hiesigen Markt- platze an der Stelle der ( ... ) als Provisorium erstellten Pyramide ein Reiterdenkmal zu er- richten". Die mittlerweile als Wahrzeichen der Stadt geltende Pyramide sollte an anderer Stel- le wieder aufgebaut werden. Mit dem Entwurf des Denkmals beauf- tragte der Großherzog den Professor an der Karlsruher Kunstgewerbeschule Fridolin Diet- sehe. Der Leiter des Hofbauamtes, der Archi- tekt Friedrich Ratze!' entwarf den Sockel. In der Folgezeit scheute man es jedoch, die Pyra- mide vom Marktplatz zu entfernen. Das Rei- tersrandbild sollte nun in engem Zusammen- hang mit der Pyramide errichtet werden. Des- halb sah ein überarbeiteter Entwurf ein nach Norden ausgerichtetes Denkmal vor, dessen Sockel die Pyramide weit überragte. Doch konnre sich der Großherzog aus ästhetischen Gründen nicht dazu enrschließen, das Denk- mal ausführen zu lassen. Weitere Überlegun- gen gingen dahin, das Monumenr an Stelle des Ludwig-Brunnens zu errichren und diesen auf den Ludwigsplatz zu verlegen. 1907 und 1908 starben Friedrich l. sowie die Künstler Diet- 313 sehe und RalZel. Ihr Tod machte die Realisie- rung dieses Denkmalentwurfs unmöglich. Der neue Großherzog Friedrich 11. griff den Plan eines Karl-Wilhelms-Reiterdenkmals bald wieder auf. Der Marktplatz sollte jedoch unangetastet bleiben und kam als Standort nicht mehr in Frage. Den Auftrag für einen neuen Entwurf erhielt 1909 der Frankfurter Bildhauer FrilZ Boehle. Der sich an den alt- deutschen Kunsttraditionen orientierende und vom Galeriedirektor Hans Thoma sehr ge- schätzte Bildhauer sollte mit diesem Auftrag als Professor für die Karlsruher Kunstakade- mie gewonnen werden. Die Einweihung des Denkmals sollte 1915 zum 200-jährigen Stadt- jubiläum stattfinden. Als Standort wurde die Mittelpromenade der Hans-Thoma-Straße bei der WaIdstraße bestimmt, doch 1916 galt die Standortfrage als wieder offen. Der Erste Welt- krieg und der Tod Boehles im Jahr 1916 besie- gelten das Scheitern dieses Denkmalprojektes. Die Pyramide auf dem MarktplalZ aber war endgültig zum Monument des Stadtgründers Kar! Wilhe1m geworden. J UTT A D RESCH Südstern - Lebendige Geschichte zwischen Sturmlampe und Kastenschloss Der Südstern in der Marienstraße 32 ist zu- mindest Cineasten, die nach dem Besuch der Schauburg eine der vielen Kneipen der Süd- stadt besuchen, hinlänglich bekannt. Magisch ziehen dessen Schaufenster mit ihren Auslagen aus längst vergangenen Tagen den Passanten an, und kaum einer bleibt nicht wehmütig für eine Weile davor stehen. Doch nur wer den Südstern betritt, sich auf die Einrichtung und Auslagen einlässt, wird bemerken, dass dieser Raum, der das ge- samte Erdgeschoss einnimmt, die Geschichte des Hauses, seiner Bewohner und des Ge- schäfts zu erzählen weiß. Das dreigeschossige, durch schlichte Fens- tergewände und einfache Gesimse aus gelbem Sandstein architektonisch gegliederte Eckge- bäude, in dem sich der Laden befindet, wur- de 1872/73 in den Gründungstagen der Süd- stadt errichtet. Ein Schneider und ein Schuh- macher teilten sich das Erdgeschoss, was sich bis heute an den Ladentüren in der Marien- straße nachvollziehen lässt. In den ursprüng- lich drei begehbaren Schaufenstern, die nur diffuses, gebrochen weiches Licht in den In- nenraum dringen lassen, bot der Schneider seine Waren feil. Zwei dieser tiefen, durch Sprossenfensrer zum Innenraum offenen Vit- rinen sind heute neben den Türen leme Zeug- nisse aus der Entstehungszeit des Ladens. In nur wenigen Jahren wechselte das Haus dreimal seinen Besitzer, bis es 1899 schließlich von Adolf Rosenberger erworben wurde. Der mit Lederwaren handelnde jüdische Kauf- mann lebte damals bereits zehn Jahre in der Fächerstadr. Seine Frau Sophie betrieb in der Schützenstraße 52 einen Eisenwarenhandel. Rosenberger übernahm 1893 deren Geschäft und eröffnete es noch vor der Jahrhundert- wende im Erdgeschoss des neu erworbenen Hauses. Rötlich-braun gestrichene offene Re- gale und einfache mit sparsamem Dekor ge- 314 schmückte Theken sowie em Sortimenr- schrank mit hunderten kleiner, nummerierter Holzkästchen für Schrauben und Scharniere, Messer, Beschläge und Werkzeuge zeugen von der reichhaltigen Waren palette, die hier ange- boten wurde und das Fundament des wirt- schaftlichen Erfolgs legte. Rosenberger ließ gegen Ende der zwanziger Jahre seinen Laden vergrößern. Die Hofeinfahrt von der Schüt- zenstraße wurde bis zum Bodenniveau des Ladengeschäfts aufgefüllt und durch ein stäh- lernes Schaufenster, mit zurückgesetzter Ein- gangstür geschlossen. Ein winziger, nur wenige Quadratmeter großer Innenhof wurde über- dacht, wodurch ein dunkles Warenlager ent- stand. Diese Erweiterung brachte seinem Be- sitzer kein Glück. Adolf Rosenberger starb 1926, und seine Frau musste die Geschäfte wieder allein übernehmen. Sie konnte den Betrieb jedoch nur kurze Zeit leiten. 1936 stellten die Nationalsozialisten Haus und Ei- senwarengeschäft unter "arische Zwangsver- waltung", im Oktober 1940 wurde Frau Ro- senberger nach Gurs deportiert, wo sie am 12. Februar 1943 verstarb. Das Eisenwarengeschäft Rosenberger wur- de am 1. Juni 1936 durch den Kaufmann und Hilfspolizisten Otto App unter eigenem Na- men als "rein arisches Unternehmen" eröffnet, wie ein erhaltenes Flugblatt dokumentiert. In seinem Mietvertrag wird penibel festgehalten, dass die Einrichtung zwar verändert und um- geräumt werden dürfe, soweit dies der Ge- schäftsbetrieb erforderlich mache, doch sah App hierzu offensichtlich keine Veranlassung. Er führte das Geschäft bis weit in die Nach- kriegszeit ohne tiefgreifende Veränderungen an Einrichtung und Sortiment fort. Es muss heute als ein außerordentlicher Glücksfall an- gesehen werden, dass nach Apps Tod 1984 der Laden zunächst in einen Dornröschenschlaf verfiel. Als am 16. Oktober 1992 Peter F. Koch die Pforten der Eisenwarenhandlung wieder öff- nete, um die vorhandenen Warenbestände zu verkaufen, die eine knapp einhundert jährige Geschichte industrieller Eisenwarenprodukti- on dokumentierten, konnte niemand wissen, dass neben Nägeln und Schrauben, Sensen- wetzsteinen und emaillierten Reklamerafeln auch zahllose Dokumente erhalten blieben, die den schicksalhaften Weg des Geschäfts nachvollziehbar machen. Es ist das Verdienst Kochs, dass er den Mut aufbrachte, diesen Laden nicht zu modernisieren, sondern in den gegebenen Umständen dessen Geschichte fort- zuschreiben und darüber hinaus die histori- schen Dokumente zu bewahren. Doch dieses Kapitel wird mit dem 23. Dezember 2000 beendet werden. Dann schließt das ehemalige Eisenwarengeschäft in der Marienstraße end- gültig seine Pforten. ULRICH SCHNEIDER 315 Die Karlsruher Uhrmacherfamilie Schmidt-Staub Zur Eröffnung einer netten Abteilung im Badischen Landesmuseum Die Regierungszeit des Markgrafen Kar! Fried- rich bildet den Hintergrund für den Aufbau des Schmidc'schen Uhren geschäfts. Nach an- fänglich schweren Jahren konnte sich Johann Jacob Schmidt schließlich eine solide Existenz als Uhrmacher aufbauen. Seine Söhne, Enkel und Urenkel, Jacob, earl und Gustav führten die Uhrmachertradition des Familienunter- nehmens weiter: Taschen- und Turmuhren, Präzisions regulatoren oder Standuhren aus feinem Holz, Bronze oder Marmor wurden allseits geschätzt. Unter den Käufern waren auch berühmte Persönlichkeiten wie der Dich- ter Johann Peter Hebel. Für seine ausgezeichne- te Arbeit wurde Schmidt zum Hofuhrmacher ernannt. Seitdem war das Schicksal der Fami- lie eng mit dem badischen Hof verbunden. Dies gilt besonders für Georg Schmidt, den zweiten Sohn Johann Jakobs. Er wurde Beamter im Dienste des Großherzogs. Seine Hingebung an das öffendiche Wohl konnte er 1847 beim großen Theaterbrand unter Beweis stellen. Er war die ganze Zeit über bei den Löscharbeiten im Einsatz und musste miterle- ben, wie 63 Theaterbesucher einen qualvollen Tod fanden. Für seinen Einsatz wurde er we- nig später belohnt. Als durch ein Feuer seine eigene Wohnung verwüstet. wurde, erschien der Großherzog Leopold höchstpersönlich, um sich der Sache anzunehmen. Bis zur Behe- bung des Schadens konnte das Ehepaar Schmidt Logis im Schloss nehmen - Seite an Seite mit dem Landesherrn. Zwei Jahre später war es an Gustav, dem Großherzog zu helfen. Ihm oblag die Aufgabe, das Schloss vor der Plünderung revolutionärer Truppen zu schützen, nachdem Leopold vor Smnuhr den AufStändischen geflohen war. Geldbestän- de und Dokumente brachte Schmidt in Sicher- heit. Nicht verhindern konnte er allerdings, dass die Aufständischen einige Pferde aus dem Marstall entführeen und sich an den Beständen der Waffenkammer vergingen. Nur durch die dosieree Herausgabe der wertvollen großher- zoglichen Weinvorräte konnte Georg die Un- ruhestifcer besänftigen und so das Schlimms- te verhindern. Auch anderswo waren die Mitglieder der Familie Schmidt miceen im Geschehen der Zeit. 1844 durfte der lO-jährige Gustav eine 316 Probefahrt der neu erbauten Eisenbahn mit- machen. Mag das noch ein Vergnügen gewe- sen sein , so lässt sich das für seine Reise von Karlsruhe nach Brüssel im Jahr 1858 wohl kaum sagen. Das Unternehmen dauerte gan- ze drei Tage und zwei Nächte. Sein Weg führte ihn mit der Eisenbahn nach Mainz. Weiter ging es mit der Postkutsche nach Koblenz, von wo ein Dampfschiff nach Köln fuhr. Von dort schließlich brachte ihn der Zug endlich nach Brüssel. Ein Trost für die Beschwernisse des Reisens wurde ihm allerdings einige Zeit spä- ter gewährt: 1862 lernte er in einem Eisen- bahnabteil Luise Staub kennen, deren Vatet den ersten Frisiersalon der Stadt betrieb. Nur wenig später sollte sie seine Frau werden. Von der Hochzeit, wie von vielen anderen Familiengeschichten, berichten uns die Fami- lienpapiere - Tagebüchet, Briefe und Poesieal- ben. Sie lassen unter anderem die Zeit des Bie- dermeier lebendig werden und besehteiben typisch biedermeierliche Rituale wie das fami- liäre Beisammensein bei Kaffee und Kuchen. So geschah es auch bei der Vetmählung von Gustav und Luise 1862. Dem Anlass entspre- chend war die Torte von einem Amor mit Pfeil und Bogen gekrönt. Als Gustav diesen beim Anschneiden vorsichtig herunterheben wollte, fiel er in sein Weinglas. Unter großem Geläch- ter deuteten einige Gäste dies als böses Omen, doch zeigte die Zukunft, dass der Sturz des Liebesgottes den Neuvermählten kein größe- res Unglück bringen sollte. 1870/71, während des Krieges mit Frank- reich, verband sich das Familienschicksal er- neut mit der großen Politik. Dank der Kriegs- ereignisse gingen die Geschäfte sehr gut. Offi- ziere kauften Felduhren, die später - mit Split- tern und Kriegsschäden - zu begehrten Kauf- objekten wutden. Für "das Bestreben, in kunstgewerblicher Hinsicht die Uhrgehäuse sowohl stilgerecht als auch in sorgfältiger und liebevoller Ausführung" hergestellt zu haben, erhielt Gustav Schmidt einige Jahre später die Silberne Medaille der Gewerbeausstellung. Von den fünf Enkeln aus der Ehe Gustavs Schmidts mit Luise Staub erlernte der Älteste, Rudolf Schmidt-Staub, das Uhrenhandwerk, während der Zweitgeborene, Hermann, Gold- schmied wurde. Erst 1965 wurde das Uhren- fachgeschäft aufgegeben und teilte damit das Schicksal vieler Familienunternehmungen. Am 27. April 2001 wird im Badischen Landesmuseum die Ausstellung zur badischen Landes- und Kulturgeschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffnet. Mit die- ser Neueinrichtung unter dem Titel "Baden zwischen den Revolutionen 1789-1848" wer- den die Anfänge des Großherzogturns an his- torischem Ort, dem Karlsruher Schloss, leben- dig. Die Ausstellung führt den Besucher dutch die badische Geschichte in der Zeit Napoleons und des Biedermeier, dokumentiert die Um- gestaltung der Stadt durch Friedrich Wein- brenner und den vorindustriellen Aufbruch und leitet über die Erhebungen von 1848 in die zweite Hälfte des Jahrhunderts. All das haben die verschiedenen Generationen der Karlsruher Familie Schmidt bzw. Schmidt- Staub miterlebt. KRlSTIANE BURCKHARDT 317 Die Statuen von Erwin von Steinbach und Johannes Kepler Wer mit offenen Augen über den Karlsruher UniCampus flaniert. bemerkt schnell. dass hier nicht nur Institutsgebäude und laborhal- len zu finden. sondern auch zahlreiche Kunst- werke zu entdecken sind. Der Ort von For- schung und Lehre ist zugleich eine Art Musen- tempel- und das bereits von Beginn an. Vor- gestellt werden nachfolgend die ersten. aus der Gründungszeit des ehemaligen Polytechni- kums stammenden Kunstwerke: die bei den Statuen Etwin von Steinbachs und Johannes Keplers am Portal des Hauptgebäudes. Als Großherzog Ludwig von Baden 1825 die Polytechnische Schule in Karlsruhe grün- dete. fand in den ersten Jahren ihres Bestehens das neugegründete Institut eine provisorische Unterkunft im Lyceum am Marktplatz. 1832 erfolgte eine Reorganisation. bei der man mehrere bereits bestehende Lehranstalten wie die angesehene Bauschule Friedrich Wein- brenners. die Ingenieurschule Johann Gott- fried Tullas. die Forstschule und zwei weitere private Fachschulen im Polytechnikum zusam- menfasste, so dass nun ein Neubau dringend erforderlich wurde. Die Planung des ers- ten Hochschulgebäudes lag in den Händen des herausragenden Archi- tekten Heinrich Hübsch. der seit 1832 auch die Bauschule des Polytech- nikums leitete. Im Jah- re 1833 erfolgte die Grundsteinlegung. drei Jahre später konnte der Lehrbetrieb im eigenen Domizil an der östli- chen Langen Straße. der heutigen Kaiserstra- ße. aufgenommen werden. Hübsch. der mit seinem schulebildenden "Rundbogenstil" in Anlehnung an die italienische Frührenaissance den in Karlsruhe bislang vorherrschenden Klassizismus Weinbrenners ablöste. entwarf ein breites. dreigeschossiges Gebäude mit zen- tral gelegenem Treppenhaus. An der Vordersei- te bildete der Eingangsbereich mit seinen drei Rundbogenöffnungen den Hauptakzent. zu- sätzlich betont durch zwei Portalstatuen. die Hübsch als vermittelnde Elemente zwischen Außen- und Innentaum an dieser Stelle plan- te. Dabei dachte man wohl von Anfang an nicht an Figuren der Antike als Vorbilder eines humanistischen Bildungsideals. sondern an bekannte Persönlichkeiten der nationalen Geschichte. die programmatisch auf Funktion und Ausbildungsschwerpunkte der Polytech- nischen Schule verweisen sollten. Die Wahl fiel auf Erwin von Steinbach (um 1244- 1318). den Baumeister des Straßburger Mün- sters. und auf den Astro- nomen Johannes Kepler (1571- 1630): Der eine als »Repräsentant der Technik und Kunst". der andere als "Reprä- sentant der mathemati- schen Wissenschaften«. wie Hübsch ausführte. Beide waren weithin be- rühmte Vertreter ihrer Fachgebiete. die Weg- weisendes geleistet hat- ten und überdies eng 318 mit der südwestdeurschen Region verbunden waren. Der Auftrag für Entwurf und Ausfüh- rung der zwei Portalfiguren wurde an A10ys Raufer vergeben. Raufer, der seit 1830 als Leh- rer für Modellieren an der Polytechnischen Schule unterrichtete. gehörte im ersten Drir· tel des 19. Jahrhunderts zu den führenden Bildhauern in Baden. Seine Werke sind auch heute noch an prominenten Stellen im Stadt- bild von K:arlsruhe zu finden - erwähnt sei als Beispiel das 1833 auf dem Marktplatz errich- tete Denkmal für Großhetzog Ludwig. Raufers um 1839 vollendete Portalstatuen aus gelbgrünlichem Schilfsandstein sind keine Idealbildnisse, sondern porträthafte Figuren. Sie lassen die Intention des Bildhauers, die in- dividuelle äußere Erscheinung der histori- schen Personen möglichst wirklichkeitsgetreu wiedetzugeben, deutlich erkennen. Beim Bild- nis von Johannes Kepler konnte sich Raufer an den überlieferten Porträtgemälden des Gelehr- ten aus dem 17. Jahrhundert orientieren. Für die Gestalt Erwin von Steinbachs, der seit Goethes Aufsatz "Von deurscher Baukunst" (1772) zu den populärsten Künstlerpersön- lichkeiten des Mittelalters zählte, nahm er sich offensichtlich zwei im Straßburger Münster aufgestellte Figuren aus dem späten 15. Jahr- hundert zum Vorbild, die damals - und wie sich später zeigte irrtümlicherweise - als au- thentische Bildnisse des Erwin von Steinbach galten. Überlebensgtoß und vollplastisch aus- geführt, sind beide Statuen durch Attribure gekennzeichnet: Erwin von Steinbach hält ein Modell des Straßburger Münsters in der einen und ein Winkelmaß in der anderen Hand, während Johannes Kepler durch Weltkugel und Fernrohr charakterisiert ist. Dieses erste eigene Gebäude der Polytech- nischen Schule bot Platz für insgesamt erwa 300 Schüler. Doch die rasch steigende Zahl an Studenten machte schon bald eine Erweite- rung der Räumlichkeiten notwendig. Bis 1864 war die Vergrößerung des Hauptbaus - heute Sitz von Rektor, Senat und Verwaltung - nach den Plänen von Friedrich Theodor Fischer ab- geschlossen. Hübschs Nachfolger in der Bau- direktion löste die Aufgabe, indem er das schon vorhandene Gebäude als Flügelbau ver- wendete und in östlicher Richtung noch ein- mal errichten ließ. Der ursprüngliche Zugang wurde geschlossen, die beiden Skulpturen von Raufer an das neue Portal versetzt und nun auf Wandpfeilern stehend wieder aufgestellt. Aus konservatorischen Gründen wurden die durch Luftverschmutzung gefahrdeten Fi- guren 1976 gegen Kopien aus Epoxydharz ausgetauscht, die Originale befinden sich seit- her im Foyer des Universitätsbauamts. URSULA MERKEL 319 Wasser für die Residenz Friedrich Weinbrenners Brunnenhalls in Dllrlach Seit dem Mittelalter nutzten die Durlacher mehrere natürliche Quellen, die am Fuß des Geigersbergs unmittelbar an der Landstraße nach Ettlingen entspringen, zur Versorgung der Stadt mit fließendem Wasser. Nachweis- lich seit 1468 war eine Quelle baulich gefasst, das Wasser lief über hölzerne Deichelrohre zu einem Brunnenrurm beim Blumentor, um von hier einige öffentliche Brunnen innerhalb der Stadtmauern zu speisen. Später mehrfach verbessert und erneuert, erfüllte diese Leitung bis ins 19. Jahrhundert ihren Dienst. In der 1715 neu gegründeten Residenz Karlsruhe stand es mit der Wasserversorgung im 18. Jahrhundert hingegen nicht zum bes- ten. Man konnte zwar das lebensnotwendige Nass wegen des hohen Grundwasserstands relativ leicht gewinnen, sodass nahezu jedes Haus einen eigenen Zieh- oder Pumpbrunnen besaß; die Wasserqualität ließ jedoch sehr zu wünschen übrig, nicht zuletzt wegen der vie- len Sickergruben, durch die das Abwasser ins Grundwasser gelangte. Wer es sich als Karlsru- her leisten konnte, ließ deshalb Trinkwasser in Fässern aus Durlach und Umgebung heran- fahren. Der alte Karlsruher Wunsch nach reinem Wasser führte nach langen Überlegungen erSt nach 1819 zu konkreten Planungen. Der Bür- germeister von Durlach wies damals auf die noch ungenutzte Quelle zwischen dem alten Durlacher Brunnenhaus und der Bäderbrünn- le Quelle hin, deren Wasser bislang in der sumpfigen Niederung der Weihergärten versi- ckerte. 1821 wurde eine Kommission einge- setzt, die die Möglichkeit der Fassung der Quelle und ihrer Leitung nach Karlsruhe un- tersuchte. Ihr gehörten u. a. der wegen seiner Rheinkorrektion berühmt gewordene Ingeni- eur Johann Gottfried Tulla, Baudirektor Fried- rieh Weinbrenner sowie der "Mechanik- und Mühlen-Baukunst-Practicus" Joseph Haber- 320 stroh aus Ettlingen an. Ihr Projekt wurde 1822 von Großherzog Ludwig genehmigt und bis 1824 realisiert. Über der neu gefassten Quelle an der heu- tigen Ecke von Badener und Marstallstraße wurde ein weiteres Brunnenhaus errichtet, das Wasser zum alten Turm Ecke Pfinztal- und Ba- dener Straße geleitet und dort eine neue Me- chanik eingebaut. Diese erzeugte, angetrieben von beständig im Kreis gefuhrten Pferden, den nötigen Druck, das Wasser durch zwei gussei- serne Rohre entlang der Durlacher Allee bis nach Karlsruhe zu pumpen, wo eine Reihe von laufenden Brunnen vor allem auf städti- schen Plätzen, etwa dem Markt-, dem Ron- dell-, dem Lidell- und dem Ludwigsplatz, ge- speist wurden. Friedrich Wein brenner war als Leiter des öffentlichen Bauwesens für die Gestaltung der Karlsruher Brunnen, aber auch für die Errich- tung des Durlacher Brunnenhauses verant- wortlich. Er löste die ungewöhnliche Bauauf- gabe - wie wir noch heute sehen können - auf anspruchsvolle Weise. Über die reine Funkti- onserfüllung hinaus und völlig anders als die benachbarten älteren, heute verschwundenen Quellhäuser, die schlichte Zweckbauten wa- ren, erhielt der massive Bau eine äusserst re- präsentative, gedrungen-monumentale Form in der für Weinbrenner charakteristischen For- mensprache des Klassizismus. Das mit mäch- tigen Sandsteinplatten gedeckte Satteldach, die wie im Boden versunkenen Pilaster der Wandgliederung oder die archaische Bogenni- sche der Giebelseite mit dem Portal sind stilis- tisch deutlich von der französischen Revoluti- onsarchitektur beeinflusst. Nicht weniger ein- drucksvoll zeigt sich das Innere des Gebäudes. Eine schwere Tonne überwölbt das rechtecki- ge Quellbecken, in dem sich das aus der Erde aufsteigende Wasser sammelt. Ein Umgang ermöglicht es dem Besucher, entlang der Au- ßenwände das Becken zu umschreiten. Noch heute erfüllt das Gebäude seine Auf- gabe der Quellfassung, wenngleich das Wasser nicht mehr der Versorgung der Bevölkerung dient und ungenutzt über einen Graben der Weihergärten in die Kanalisation abfließt. Bis zur Erbauung des Wasserwerks im Oberwald 1871 versorgte es ganz Karlsruhe, später speis- te die Quelle nach dem Neubau des Durlacher Wasserwerks Ecke Pfinztal- und Badener Stra- ße von den 1890er bis in die I%Oer Jahre noch die Haushalte in Durlach. GERHARD KABIERSKE Das Karlsruher Gefängnis Ein Nmrenaissancebau von fase[ Durm Gefangene hatte man früher im Rathausturm oder in dem schmalen Zellenbau, der ehemals im Hofe des Landgerichts stand, eingesperrt. Doch mit der wachsenden Einwohnerschaft Karlsruhes stiegen die Gefangenenzahlen an, unerträglich wurde die drangvolle Enge in den Zellen, der Plarz reichte nicht mehr aus. Man 321 plante daher ein neues Gebäude auf einem Grundstück zwischen heutiger Stabel- und Riefstahlstraße. Ein landläufiger Gefangnisbau hätte dort neben den Kirchen, öffentlichen Bauten und Villen das städtebauliche Gesamt- bild gestört. Prof. Eugen von Jagemann (1849- 1926), der aus dem badischen Justizdienst kam und mit StrafvoUzugsfragen vertraut war. schlug daher vor. nach dem Vorbild des Sankt- Petersburger Untersuchungsgefängnisses einen aufgegliederten Bau zu errichten. dessen Au- ßenfassade an ein Museum erinnert. Der mit dem Entwurf befasste Oberbaudirektor Josef Durm (1837-1919) griff die Idee auf und schuf in den Jahren von 1894 bis 1897 einen rechteckigen Baukärper mit abgerundeten Kanten und einer unauffällig wirkenden Neo- renaissance-Fassade. Der Sockel und die Fen- sterumfassungen des dreistöckigen Bauwerks sind in Sandstein. die übrigen Außenflächen in rötlich-gelben Backsteinen ausgeführt. Der Dachstuhl musste nach Bombenschäden neu errichtet und mit Schiefer eingedeckt werden. Die Außenmaße des Baus betragen 77 x 47 m. Seine Flügel umschließen einen geräumigen. etwa 60 m langen und 30 m breiten Innenhof. auf den sämtliche Zellen ausgerichtet sind. Dank dieser Bauweise verlaufen im Inneren alle Flure an der zur Straßenseite gehenden Wand. so dass nach außen hin keine vergitter- ten Zellenluken. sondern frei gestaltete größe- re Bogenfenster angebracht werden konnten. In den Ostflügel des Gevierts ist ein herausra- gender. erhöhter Mittelbau eingelassen. in dem die Verwaltungsräume mit Krankenre- vier. Arztzimmer. Bibliothek und Anstaltska- pelle sowie im Untergeschoss die Küche unter- gebracht sind. In den Untergeschossen der Sei- tenflügel befinden sich die Werkstätten. der Zentralheizungskeller und das Waschhaus. Al- te Baugrundrisse lassen erkennen, dass in einer Hofecke ein längst verschwundenes Schafott- fundament angelegt war. Bis etwa Mitte der dreißiger Jahre sollen dort zu Todesstrafe Ver- urteilte hingerichtet worden sein. Bei der Erbauung verfügte das Amtsge- fängnis über 124 Einzelzellen. zehn Kranken- zellen und vier Arbeitszellen. Als normale Gesamtbelegung war früher eine Zahl von 162 Gefangenen vorgesehen. heute geht man nach Veränderung einzelner Zellen von 111 Haft- plätzen aus. In den ersten Nachkriegsjahren waren allerdings bis zu 400 Personen hinter den Mauern verwahrt. Auch gegenwärtig be- steht eine gewisse Oberbelegung. Zut Zeit sind 151 erwachsene Männer inhaftiert (Stand 1.1.2001). Während man in dem Hause frü- her auch zeitliche Freiheitsstrafen vollstreckte. wird heutzutage nur Untersuchungshaft für Beschuldigte aus dem gesamten Landgerichts- bezirk Karlsruhe vollzogen. Daneben sitzen auch so genannte Trennungsgefangene aus an- deren Bezirken ein. die mit bestimmten Tatge- nossen keinerlei Konrakt halten dürfen. Bis nach Ende des Zweiten Weltkrieges befand sich im Hause zugleich eine abgesonderte Frauenabteilung. seit längerem aber sind weib- .\ bll. I. O .. tfrolit . 322 liehe Gefangene in speziellen auswärtigen Anstalten untergebracht. In der Verwaltung der Justizvollzugsanstalt - so heißt die Einrichtung nunmehr - sind ge- genwärtig zwölf Mitarbeiter, im Vollzugs- dienst 61 Bedienstete beschäftigt, ebenso ist ein Psychologe tätig. Eine Ärztin und zwei Anstaltsseelsorger betreuen die Insassen an einzelnen Tagen. Drei Sozialarbeiter nehmen sich der Sorgen und Nöte der Gefangenen während der Haft an, zudem können sie den Übergang in die Freiheit, nötigenfalls die Wiedereingliederung, vorbereiten und beglei- ten. Ehrenamtlich unterstützt und gefördert wird diese Tätigkeit von dem Bezirksverein für soziale Rechtspflege (früher: Gefangenenfür- sorge und Bewährungshilfe), der seit dem Jah- re 1832 in Karlsruhe seine Hilfen anbietet. REINER HAEHLlNG VON LANZENAUER Die Künstleröfen der Majolika-Manufaktur Karlsruhe Die Baukeramik gehörte von Anfang an zu den angestrebten Betätigungsfeldern der 1901 gegründeten Karlsruher Majolika-Manufak- tur. Ihr Mitbegründer H ans Thoma hatte dabei sowohl die äußere Gestaltung eines Bau- es als auch die Ausstattung von Innenräumen im Sinn. Getreu dem Anliegen der Manufaktur, Künstler und Architekten zur Mitarbeit zu ge- winnen, schufen auch außenstehende Entwer- fer wie beispielsweise der Architekt Hermann Billing Kachelöfen für die Manufaktur. Auch Abteilungsleiter Hans Grossmann selbst fertig- te Entwürfe. Von Grossmann und Billing stammen die Öfen für die Innenaussrattung des Karlsruher Künstlerhauses, dessen innerer Umbau durch das Architekturbüro Gross- manns erfolgte. Diesen Entwürfen ist im Gan- zen ein historisierender Zug eigen, so im Fal- le der beiden Öfen für das Künstlerhaus mit Rücksicht auf die Architektur in Formen des Empire. Durch den Ersten Weltkrieg wurde die positive Entwicklung der Baukeramik unter- brochen. Anfang der zwanziger Jahre erfolgte jedoch ein erneuter Aufschwung. Es gelang der Manufaktur, bedeutende Künstler zur Mitarbeit zu gewinnen. Im Bereich der Ka- chelöfen führte dies zu einer Kollektion von Künstletöfen, zu der so namhafte Entwerfer wie Fritz August Breuhaus, Emil Fahrenkamp, Josef Hillerbrand u. a. beitrugen. Außerdem erhielt die Manufaktur zahlreiche Aufträge für einzelne Öfen, aber auch ganze Ofenanlagen, von privater und öffentlicher Seite. Auffallend bei diesen Auftragsarbeiten ist, dass sie sich im Gegensatz zu den modernden Künstleröfen sehr an traditionellen Vorbildern orientieren und stark historisierende Züge aufweisen. Der Kachelofen erfreute sich auch in den zwanziger Jahren noch großer Beliebtheit, ob- wohl zunehmend modernere Formen des H ei- zens Verbreitung fanden. Mochte man auch der Zentralheizung heiztechnische Vorzüge zugestehen, so war doch in Bezug auf Behag- lichkeit und Repräsentation eindeutig dem Kachelofen der Vorzug zu geben. Auch was die künstlerische Gestaltung betraf, beschäftigte 323 Kachelof(:n, F. A. Br(:uhaus, 1920. man sich weit intensiver, mit dem Entwerfen von Öfen als etwa der künstlerischen Gestal- tung von Heizkörperverkleidungen. Die Besonderheit der Karlsruher Künstler- öfen besteht darin. dass sie sich zwar im Rah- men des traditionellen Ofen typs bewegen. innerhalb dessen aber. wie ihnen die zeitgenös- sische Kritik bescheinigt. zu "modernem Stil- empfinden" gelangen. Entsprechend dem her- kömmlichen Ofenaufbau bestehen sie aus ei- nem Unterbau. der entweder auf einem Sockel oder auf Füßen steht und in dem das Heizma- terial verbrannt wird. Darüber erhebt sich der Oberofen. der zylinder-. kegel- oder kastenför- mig angelegt sein kann. Er hat die Aufgabe. die Strahlungsfläche des Ofens zu vergrößern. Meistens ist er daher recht hoch. aber im Durchmesser kleiner als der Unterofen. Den oberen Abschluss bildet die Bekrönung. häufig der am aufWendigsten durchgestaltete Teil des Ofens. Während die Entwerfer der Künstleröfen diesen durch Tra- dition und Technik gebildeten Aufbau aufgrif- fen. folgten sie in ihrer künstlerischen Gestal- rung jedoch weder volkstümlichen noch histo- risierenden Vorbildern. So setzte auch Fritz August Breuhaus in seinem hier abgebildeten Ofen den herkömm- lichen Typus in die sachliche Formensprache der zwanziger Jahre um. Die Formen sind ganz auf schlichte Quader reduziert. Die Oberfläche des Unterbaus. der auf einem Mes- singrahmen mit vier Füßen steht. trägt als ein- zigen Schmuck die durch unterschiedliche Farbgebung hervorgehobenen Rippen. Es wer- den nur wenige. große Kacheln verwendet. so dass der einheitliche Charakter des Unterbaus noch verstärkt wird. Um diesen nicht zu stö- ren. ist auch die Befeuerungstür seitlich ange- bracht. Die Schlichtheit des vom Umfang her et- was kleineren Oberofens wird noch dadurch betont. dass pro Seite nur eine einzige glatte Kachel in einen etwas vorspringenden Rah- men eingesetzt ist. Die Bekrönung ist ebenso zurückhaltend und besteht aus einem geraden. sich etwas nach außen neigenden Gesims. Al- les Schmückende konzentriert sich hier auf die Bemalung. die auf dem Oberbau angebracht ist. Während die Seitenteile mit pflanzlichen Motiven bemalt sind. trägt die große Vorder- seite eine mythologisch an murende Szene zweier miteinander kämpfender Reiter. Die Suche nach neuen Formen bei den Karlsruher Künstleröfen wurde von zeitgenös- sischen Kritikern der Gewerbeschau in Mün- chen 1922 lobend festgestellt. Dort waren mehrere der Künsrleröfen. darunter auch der hier gezeigte Ofen von Breuhaus. zu sehen. Trotz des "modernen Stilempfindens" wurde positiv bewertet. dass die Öfen keinem neuen Stil um der Neuheit willen folgen und damit zur Modeerscheinung werden. sondern be- 324 wusst auf alten Formen und Techniken etwas Neues aufzubauen suchen. Die Künstleröfen fielen umso mehr auf, als die Beispiele anderer Hersteller überwiegend "in der bodenständi- gen Geschmacksrichtung altdeutscher Hafuer- kunst" gehalten waren. Wurde den Künstleröfen 1922 auch be- scheinigt, sich keiner Modeströmung zu un- terwerfen, so sieht man ihnen aus heutiger Sicht doch deutlich ihre Entstehungszeit an. Die Modernität und künstlerische Leistung lässt sich jedoch nicht zuletzt im Vergleich zu den Öfen ablesen, die in den dreißiger Jahren von der Manufaktur angeboten wurden und die in ihrer Formensprache wieder ganz auf traditionelle und volkstümliche Vorbilder zu- rückgriffen. Der abgebildete Ofen von Fritz August Breuhaus ist Bestandteil der ständigen Ausstel- lung des Museums in der Majolika-Manufak- tur. Die Ausstellung gibt einen überblick über die Geschichte der Manufaktur und ist täglich außer Montag von 10-13 Uhr und 14-17 Uhr geöffnet. EVA SPINDLER "Terra et mundus" von Hans Kindermann Auf ihrem weitläufigen Areal beherbergt die Universität Karlsruhe nicht nur Institute und Laborhallen, sondern auch eine Vielzahl an Kunstwerken und Technikobjekten. Über die Jahrzehnte hinweg entstand an der Stätte des Forschens und Lehrens sowohl innerhalb wie außerhalb der Gebäude eine Art Museum, das ein bemerkenswertes Spektrum herausragen- der Beispiele der bildenden Kunst und der Technikgeschichte umfasst. Während der ers- ten 130 Jahre nach Gründung der Polytechni- schen Schule (1825) wurden Kunstwerke vor- wiegend als bauplastischer Schmuck, als Denkmalssetzungen oder zur Innenraumge- staltungen ausgewählt. Der weitaus größte Teil datiert jedoch aus neuerer Zeit und konnte zumeist mit Hilfe des "Kunst am Bau"-Pro- gramms seit Ende der 1950er Jahre erworben werden. Den Hintergrund hierfür bildete ein Beschluss des Bundestages von 1950, der 1955 von der Landesregierung Baden-Württemberg festgeschrieben wurde. Er besagt, dass "zur Förderung der bildenden Kunst und des Kunsthandwerks ( ... ) bei allen staatlichen Bau- aufträgen ( ... ) im Regelfall 1 bis 2 % der Bau- auftragssumme" für ·künstlerische Arbeiten vorgesehen werden soll. Mit diesen Mitteln wurde auch die Bronzeplastik "Terra et mun- dus" ("Erde und Weltall") von Hans Kinder- mann realisiert. Das Kunstwerk befindet sich seit 1969 auf der westlichen Grünfläche des Physikgebäu- des, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ins- titut für Nachrichtentechnik. Eine Vielzahl amorph geformter und ineinander greifender Einzelteile mit schrundig zerklüfteter Oberflä- che fügen sich zu einer durchlässigen Kugel zusammen. Wie in einer unaufhörlichen. wir· belnden Bewegung scheint das in seiner Mit- te offene Gebilde schwerelos im Raum zu schweben. Das lebhafte Spiel von Licht und Schatten, das sich auf den Wölbungen, Graten und Vertiefungen der Bronze entfaltet, unter- streicht den transitorischen Charakter des Bildwerks: Innen und Außen, Materie und Raum sind keine unvereinbaren Gegensätze, sondern einander bedingende und ergänzende Elemente. 325 Anders als die ebenfalls zum Kunstbesitz der Universität gehörenden Plastiken von Ari- stide Maillo!, Bernhard Heiliger oder Karl- Heinz Krause, die unabhängig von ihrem künftigen Standort geschaffen wurden, ent- stand "Terra et mundus" als Auftragsarbeit für die Neubauten der Institure für Nachrichten- technik und Physik. Die Geschichte dieses Bildwerks lässt sich bis z~m Jahr 1959 zurück- verfolgen. Zum damaligen Zeitpunkt dachte man zunächst ausschließlich an eine Bildhau- erarbeit für das neue, zwischen 1959 und 1964 errichtete Gebäude. Der mit der Pla- nung des Neubaus beauftragte Architekt Wolf- gang Hirsch von der "Werkgemeinschaft Karlsruhe" beabsichtigte, den Eingangshof des Instituts mit einer Brunnenanlage und einer freistehenden Skulptur zu schmücken. Als für diese Aufgabe geeigneten Künstler schlug Hirsch den an der Karlsruher Kunsta- kademie lehrenden Bildhauer Hans Kinder- mann (1911-1997) vor. Dabei verwies der Architekt ausdrücklich auf Varianten, die Kin- dermann neben seinem realisierten Brunnen- entwurf für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel vorgelegt hat- te und die nicht zur Ausführung bestimmt worden waren. Diese Varianten dienten als Ausgangspunkt für die künftigen Planungen. Anfang der sechziger Jahre entwickelte Hans Kindermann schrittweise eine modifi- zierte künstlerische Konzeption, die als zei- chenhafte, abstrakt-plastische Chiffre symbo- lisch auf die moderne Nachrichtentechnik und damit auf die Nutzung des Gebäudes ver- weisen sollte. Obwohl die Arbeit am Modell wenig später abgeschlossen war und die Um- setzung in Kürze hätte erfolgen können, erga- ben sich nun langwierige Verzögerungen, in deren Folge nicht nur der Entwurf noch wei- terentwickelt und umgestaltet, sondern auch der ursprünglich geplante Standort verändert wurde. Nicht zuletzt stellten die zu erwarten- den hohen Gusskosten der Großplastik ein Problem dar. Nach längeren Diskussionen wurde jedoch eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung gefunden: Man einigte sich darauf, das Bild- werk wenige Meter vom zunächst vorgesehe- nen Standort entfernt auf dem Gelände der benachbarten, gerade im Bau befindlichen Physikalischen Institute aufzustellen und die für künstlerische Gestaltungen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel beider Institutio- nen zusammenzufassen. Die Ausführung der Plastik übernahm ab 1966 die Karlsruher Firma Metz und Bachert. Stück für Stück wurden die insgesamt 124 Bronzeteile im Wachsausschmelzverfahren gegossen und anschließend im Atelier des Künstlers überarbeitet. Einige der Teilformen waren 1966 in Essen und 1967 in Karlsruhe auf den Jahresausstellungen des Deutschen Künstlerbundes zu sehen. 1968 konnten die Bauarbeiten am Neubaukomplex der Physika- lischen Institute im Wesentlichen abgeschlos- sen werden, einige Monate später folgte die Aufstellung der mehr als fünf Tonnen schwe- ren Plastik. URSULA MERKEL 326 Das Durlacher "Markgrafendenkmal" Wer auf dem Durlacher Marktplatz den Blick schweifen lässt. entdeckt auf dem Balkon des Rathauses eine steinerne Ritterfigur. Geht man dann in das Pfinzgaumuseum in der Karlsburg. stäßt man erneut auf diese Ritter- gestalt mit einer Fahne aus Eisenblech und einem Schild mit dem badischen Wappen. Im Museum steht das Original. auf dem Rathaus- altan eine Kopie. Welche Geschichte verbirgt sich hinter dieser doppelten Ritterfigur? Im Jahr 1567 ließ die gerade zur Residenz erhobene Stadt Durlaeh einen großen steiner- nen Brunnen errichten und darauf eine steiner- ne Statue setzen. Einer jahrhundertealten Über- lieferung folgend gilt diese als eine Darstellung des Markgrafen Karl Ir .• der 1565 seine Resi- denz von Pforzheim nach Durlach verlegen ließ. Angeblich aus Dankbarkeit ge lach die Ritterfigur anfertigen. die als Markgrafensta- tue in die Geschichtsschreibung einging. Der Durlacher Marktplatzbrunnen von 1567 wurde 1862 abgerissen. Man ersetzte ihn durch einen gusseisernen achteckigen Brun- nen mit einem ebenfalls gusseisernen Aufsatz. zu dem die jahrhundertealte Ritterstatue nicht passte. Zunächst plante die Stadt. die Standfigur auf den vor dem Schloss gelegenen Fischbrun- nen zu setzen. Dagegen erhoben allerdings der großherzogliehe Archivrat Bader und der Konservator Hofmaler von Bayer Protest. denn schließlich handele es sich um die Dar- stellung eines ehemaligen Landesherren. Da- raufhin wurde die Statue auf dem Rathausbal- kon untergebracht. Das stieß aber auf die Ablehnung des Großherzogs. der die steinerne Darstellung seines Vorfahren nicht so unwür- dig untergebracht sehen wollte. Nun schalte- ten sich Kreisregierung und Obetamt ein. bis der Bürgerausschuss eine Summe von 1.000 Gulden für die Restaurierung der Sandsteinfi- gur beschloss. Die nun von einer Brunnenfi- gur zum Denkmal gewordene Statue samt Baluster wurde 1865 nach Entwürfen August von Bayers um einen mit vier gusseisernen he- raldischen Löwen verzierten Sockel unterbau erweitert, mit einem Zaun umgeben und auf der Grundfläche des 1829 begonnenen. aber nicht ausgeführten Karl-Friedrich-Denkmals auf dem Schlossplatz an der Ecke Pfinztalstra- ße/Karlsburgstraße errichtet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Figur so stark verwittert. dass der großherzog- liehe Konservator Ernst Wagner 1902 vor- schlug, sie zu restaurieren und in einen ge- 327 schlossenen Raum zu stellen. Er meldete zu- dem Zweifel an, dass es sich um eine Darstel- lung des Markgrafen Karl 11. handele. In einer damaligen Durlacher Volksweise, die Wagner zitierte, meinte er einen Hinweis zu entde- cken, dass auch die Durlacher sich nicht sicher waren, ob es sich tatsächlich um die Statue Karls II. handele: "Zu Durlach auf dem Brun- ne, Da steht ein Mann mit Spieß; Er sagt, er kann nicht kumme, Er hätt so krumme Füß." Dennoch wurde die Ritterfigur nun als Zeichen der Durlacher Geschichte entdeckt. In Durlach wuchs, wie auch in anderen Städ- ten, ein ortsgebunden-historisches bürgerli- ches Selbstverständnis. Ebenfalls 1902 er- schien im Durlacher Wochenblatt ein Aufruf, eine Altertümersammlung anzulegen - das war der Beginn der Sammlungen des heurigen Pfinzgaumuseums. Im gleichen Jahr begann auch die Diskussion über eine mögliche Wie- derherstellung des alten Marktplatzbrunnens mit der Ritterstatue, in die auch der Maler Karl Weysser einbezogen wurde, der ein heu- te im Pfinzgaumuseum zu sehendes Ölgemäl- de des Marktplatzbrunnens von 1567 gemalt hatte. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg be- schloss der Durlacher Gemeinderat tatsächlich die Rekonstruktion des alten Brunnens und rief eine Kommission mit Fachleuten ins Le- ben. Der gerade zum Konservator ernannte Friedrich Eberle veröffentlichte einen Spen- denaufruf für dieses Projekt, das nach Ende des Krieges in den 20er Jahren weiter verfolgt wurde. Doch der Marktplatzbrunnen blieb unverändert. Aber schon 1911 hatte Heinrich Bauser den Auftrag erhalten, die Ritterfigur zu restaurieren, die nun im Erdgeschoss des Rat- hauses aufgestellt werden sollte, und eine Ko- pie anzufertigen. Ein Jahr später wurde die Statue abgebaut, 1915 der Sockel abgetragen und der mit heraldischen Löwen geschmück- te Unterbau auf den Bauhof gebracht. Die Ritterstatue wurde 1929 schließlich dem 1924 eröffneten pfinzgaumuseum über- geben, die Kopie schmückt seitdem den Rat- hausbalkon. Auch wenn es sich nicht um eine Darstellung des Markgrafen Karl II. handelt, sind Original und Kopie heute fest im Durla- eher Bewusstsein verankerte Symbole der eige- nen jahrhundertealten Geschichte. SUSANNE ASCHE Kunst oder Schrott? Das Hirschtor im Karlsruher Schloss garten Es steht in Sichtverbindung mit dem Schloss- turm und schließt den Schlossgarten gegen den Fasanengarten ab, die bei den Parkteile dabei trennend und doch optisch miteinander ver- bindend. Gemeint ist das prächtige schmiede- eiserne Gittertür, das wegen seiner repräsenta- tiven Erscheinung und seiner handwerklichen Perfektion ein beliebtes Fotomotiv abgibt. Zwischen den von Schmuckvasen gekrön- ten Steinpfeilern sind drei Eisengitter wie Spit- zenwerk eingespannt: Schmale, jeweils mit dem badischen Wappen geschmückte Fuß- gängerpforten flankieren das breite Haupttor der Durchfahrt, das korbbogenförmig über- höht ist und in einer Wappenkartusche mit den Initialen MarkgrafKarl Friedrichs gipfelt. 328 Skiue des Tores z.um Vorhor des Schlosses. Der spröde Werkstoff Eisen wird im phanta- sievoll-plastischen Schmuckwerk. das wurzel- • ranken- oder blattartig aus den Vertikalsrre- ben herauszuwachsen scheint, in seiner Mate- rialeigenschaft geradezu negiert. Zweifellos handelt es sich um ein Meister- werk der Rokoko-Schmiedekunst aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. das in eine Reihe zu steI- len ist mit berühmten zeitgenössischen Beis- pielen anderer Barockschlösser. etwa in Würz- burg oder Schwetzingen. Als Zeichner des Entwurfs ist der damals noch junge. seit 1752 am Karlsruher Hof tätige Baumeister Wilhe1m Jeremias Müller überliefert. die Ausführung besorgte der talentierte Hofschmied Melchior Hugenest. der auch die Fenster-. Balkon- und Treppengitter des Schlossneubaus fertigte. Das Tor wurde nicht immer so geschätzt wie heute. Schon unmittelbar nach seiner Fer- tigstellung im Jahr 1759 untersagte Karl Fried- rich die Aufstellung am vorgesehenen Ort. dem Hauptzugang des Schlosses zwischen den gerade fertig gestellten Wachhäuschen. Wie sehr es dort in spätbarockem Sinn das Ge- samtbild des Ehrenhofs bereichert hätte. macht eine Skizze deutlich. die sich im Nach- lass des Bauhistorikers Arnold Tschira im Süd- westdeutschen Archiv für Architektut und in- genieurbau an der Universität Kadsruhe fand . Der Markgraf. durch seine Gemahlin Karoline Luise gut über die aktuellen französischen Modesträmungen informiert, hatte erkannt, dass das Tor nicht mehr dem neuestcn Pariser Geschmack entsprach. der sich immer stärker an der Antike orientierte. Für Jahrzehnte ver- schwanden die reich geschmückten Gitterflü- gel im Bauhof. erst 1806 fand das Tor an ab- gelegener Stelle beim Neuen Zirkel eine unter- geordnete Verwendung. obwohl ein Gutach- ten Friedrich Weinbrenners damals sogar schon fast sein Ende bedeutet hätte. Der be- rühmte Architekt - Vertreter eines schlichten Klassizismus - fand. dass das Werk seines Vor- gängers Müller mit seinen Schnörkeln ganz und gar abzulehnen sei. da "man über dassel- be gleich einer Leiter leicht einsteigen und sich im vorbeigehen durch die hervorragenden. langen und spitzigen Verzierungen beschädi- gen kann". Glücklicherweise erfolglos forderte er den Verkauf als altes Eisen. aus dessen Erlös ein modernes Tor finanziert werden könne. Erst 1864. als - bezeichnenderweise wieder von Paris ausgehend - das Rokoko neu ent- deckt wurde. erkannte man am Karlsruher 329 Hof die Qualität des inzwischen über hundert Jahre alten Tores und verschaffte ihm seine heutige Stelle. Zwei ruhende Hirsche. Kopien nach Christian Daniel Rauch. wurden damals zu beiden Seiten als zusätzlicher Schmuck auf- gestellt. Sie verschwanden leider nach dem Zweiten Weltkrieg. nur der Name "Hirschror" erinnert heute noch an sie. GERHARD KABIERSKE Der "Männerwald" von HAP Grieshaber Obwohl es keine städtische Galerie. das heißt keine Ausstellungsräume rur eine permanente Präsentation der Kunstwerke gab. kaufte die Stadt Karlsruhe seit dem späten 19. Jahrhun- dert immer wieder Gemälde. Zeichnungen. Druckgrafiken und Plastiken vorwiegend hie- siger Künstler an. 1971 erwarb die Stadt Dru- cke der 8-teiligen Holzschnittserie "Männer- wald" von HAP Grieshaber anlässlich einer Werkausstellung des Künstlers im Badischen Kunstverein. Der Künstler war zu dieser Zeit in Karlsruhe sehr bekannt. 1955 wurde er als Nachfolger Erich Heckels an die hiesige Kunstakademie berufen. Grieshaber prakti- zierte in Karlsruhe eine neue Form des Unter- richts. Er selbst war wichtiger Anreger und Gesprächspartner. der mit seinen Studenten aktuelle Ausstellungen besuchte oder ihnen moderne amerikanische Literatur vermittelte. Als zwei Lehramtskandidatinnen durch die Prüfung fielen. weil die Prüfungsordnung - in den 1930er Jahren unter den Nationalsozialis- ten erlassen - forderte. dass das dargestellte Motiv erkennbar sein müsse. legte Grieshaber 1960 seine Professur nieder und verließ Karls- ruhe. Wenige Jahre später schuf er den "Män- nerwald" für die Weltausstellung 1967 in Montreal. 1972 fügte er das Relief der Justitia hinzu. und gab der Arbeit den Gesamttitel "Areopag". So erweitert gelangten die Druck- stöcke an ihren endgültigen Platz im Gerichts- hof der Europäischen Gemeinschaft in Lu- 330 xemburg. Jedes der großformatigen Blätter mit den Maßen 220 x 122 cm zeigt eine Figur, die wie ein überdimensionales schwarzes Zeichen auf dem weißen Papier steht. Die acht leicht überlebensgroßen Gestalten sind fries artig angeordnet und beziehen sich jeweils paarar- tig aufeinander. Jede nimmt die ihr zur Verfü- gung stehende Fläche völlig ein und wendet sich weitgehend dem Betrachter zu. Die Figu- ren erscheinen flächig. Der Künstler setzt Li- nien ein, die zum Teil die Figuren präziser for- mulieren oder die Binnenflächen strukturie- ren. Die Abfolge der Figuren weist formal und inhaltlich eine Zäsur auf mit der, von links ge- sehen, vierten Figur, dem Flötenspieler. Nach rechts schließen vier Akte an, die Pflanzen wie Attribute oder als Kopfputz tragen. Fast könn- te man meinen, die Figuren gingen, vergleich- bar der Sage von Daphne, in Bäume über. Inhaltlich lässt die Folge viel Fragen offen: Warum gab ihr Grieshaber den poetischen Titel "Männerwald" , wenn doch zwei der Fi- guren eindeutig weiblich sind? HAP Grieshaber vor den Druckstöcken des "Männerwaldes". Der Künstler selbst bezeichnete sie als "Ce- res" und "Gäa", zwei antike Göttinnen. Auch die Übrigen sind namentlich benannt. Es han- delt sich um die antiken Gestalten (v. I. n. r.): Peleus, Polias, Öneus, Linus und Nisus. Ihre Biografien bergen tragische Züge, wie zum Beispiel Öneus, dessen Nachlässigkeit dazu führte, dass seine Gemahlin den gemeinsamen Sohn tötet. Oder wie Peleus, auf dessen Hoch- zeit mit det Nereide Thetis Eris, die Göttin det Zwietracht, den Apfel mit der Aufschrift "Der Schönsten" in die Runde warf und damit letztlich den Trojanischen Krieg hervorrief. Die Bedeurung des Titels "Männerwald" sowie des gesamten Zyklus lässt sich nicht rasch erschließen und bedarf eingehender Re- cherchen. In der Ausstellung zu HAP Griesha- ber ab 6. September 2003 in der Städtischen Galerie wird der Zyklus zu sehen sein. Dann werden auch Anrworten auf die Fragen gege- ben, die dieses Kunstwerk stellt. BRIGITTE BAUMSTARK 331 Sphinx ante portas Begeistert schrieb 1905 der renommierte Kunstkritiker Karl Widmer über die neue künstlerische Bewegung der Jahre um 1900, den Jugendstil, der auch in Karlsruhe eine Fülle faszinierender Zeugnisse hinterlassen hat. "Die letzten fünf, sechs Jahre haben eine Reihe architektonischer Schöpfungen hervor- gebracht, die in ihrer sprudelnden Fülle von persönlichem Gehalt und phantasievoller For- menfreude die äußere Physiognomie der Stadt völlig umgestaltet und einen ungewohnt ori- ginellen und künstlerisch interessanten Zug hineingebracht haben.« Allen Kriegszerstörun- gen zum Trotz haben sich zahlreiche Bauwer- ke aus dieser Zeit erhalten - und vieles ist den- noch heure so gut wie unbekannt. Geht man durch die Straßen der Stadt und macht sich die Mühe, den Blick nach oben zu richten, lässt sich Erstaunliches entdecken. Wer zum Beispiel kennt die beiden Sphingen hoch oben am Haus Nummer 136 in der 50- phienstraße? Errichtet wurde das Gebäude im Jahr 1904 von Christian Rothfuß junior, der Maurermeister, Zimmermann und Unterneh- mer in einem war. Von welchem Bildhauer die beiden Skulpturen rechts und links des Bal- kons stammen, ist dagegen bisher unbekannt. Weshalb aber ägyptische Sphingen an einem badischen Wohnhaus? Die Welt der Verände- rungen und der fließenden Grenzen, der Zwit- terwesen und des beflügelnden Rausches, das Reich dunkler Dämonen und lauernder Be- gierden, waren dem Mensch des Fin de Siede, dessen Gedanken und Gefühle bis in das neue Jahrhundert hineinreichten, ständiger, wenn oft auch trügerischer Lebenshintergrund. Symbolischen Ausdruck fand dieses Lebensge- fühl häufig auch im Schmuck von Hausfassa- den. Bei den Ägyptern mit männlich glatter, breiter Brust, bei den Griechen der Antike vollbusig als weiblich dargestellt, wurde die Sphinx im 19. Jahrhundert in Kunst und Li- teratur zum Inbegriff des rätselhaften Weibes schlechthin. Niemand anderes als Heinrich Heine war es, der in seinem Gedicht von der Sphinx diese als die Verkörperung von Liebe und Liebesschmerz versteht. Die Gestaltung der Sphingen in der So- phienstraße zeigt die widersprüchliche und komplexe Natur des mythischen Wesens. Von 332 vorne betrachtet ist das mythische Wesen ein schönes Mädchen mit stolzen Brüsten und langen Lockenwellen. dessen seltsam leerer. auf sich selbst bezogener Blick Rätsel aufgibt. Die Krallen sind verborgen. der Eindruck ist von kühler Unnahbarkeit. Ganz anders dage- gen die Skulptur im Profil: Da ist ein Raubtier auf dem Sprung. die Augen aufmerksam auf das hilflose. gebannte Opfer gerichtet. die Schultermuskeln angespannt. die Krallen der mäch tigen Tatzen ausgefahren. der Schwanz peitscht kraftvoll die Flanken. Das Figuren- paar ist identisch gestaltet und flankiert einen kleinen Balkon. dessen geschwungenes Gitter die gleichen qualitätvollen Jugendstilmerkma- le zeigt wie die beiden Skulpturen. Während die Sphingen den Abschluss der Fassade bilden und die Dekoration des sehens- werten Hauses. eines der bedeutendsten erhal- tenen Karlsruher Jugendstilhäuser. von unten nach oben immer reicher und vielfältiger wird. gibt es über dem Eingang zur Begrüßung lediglich einen Kopf. dessen Züge sich in line- ar-dekorativ wucherndes Pflanzenwerk aufzu- lösen scheinen. Unzweifelhaft ist bei aller all- mählichen Verwandlung. dass es sich um ein zeitlos-gelassenes. ursprünglich männliches Gesicht handelt - den Blick nach innen ge- richtet. Wird also im Gesamrzusammenhang der Fassade der Triumph des »Ewigweibli- chen" über die gebannte und verwandelte Männlichkeit gezeigt? Den Zeitgenossen sind solche Vorstellungen und Überlegungen nicht fremd gewesen. Das von Robert Dreikluft fotografierte und im G. Braun Verlag erschienene Buch .,Jugendstil in Karlsruhe. Formen. Vielfalt. Fantasien" kann als ein Ariadnefaden der be- sonderen Art durch die Straßen Karlsruhes hin zu dem ganzen Reichtum der Karlsruher Ju- gendstilarchitektur dienen. Tiefsinniges und Trauriges. Skurriles und Lustiges. Mystisches und Historisches lassen sich auf den verschie- denen Streifzügen entdecken. Anmutige Mäd- chen und phantastische Fabelwesen. eine Fau- na, die vom Frosch bis zum Rhinozeros reicht, und eine Flora. die manche Fassade in einen steinernen Garten schier zu überwuchern scheint. Wohlklang der Linien und Schönheit der Ornamente kommen hinzu. Eine eigene Welt. für die das Haus in der Sophienstraße als ein besonders gelungenes Beispiel gelten kann. MONlKA BACHMAYER 333 Neue Adresse der Denkmalpflege in Nordbaden Die Grenadierkaserne in Karlsrtlhe Nach dem 1991 erfolgten Abzug der franzö- sischen Armee aus der Grenadierkaserne im Karlsruher Westen nutzt das Land Baden- Württemberg die Möglichkeit, hier mietfrei Behörden untetzubringen. Die Außenstelle des Landesdenkmalamtes in Karlsruhe bezog nun in der Moltkestraße 74 ihr neues Domizil. Die Karlsruher Grenadierkaserne wurde in den Jah- ren 1893 bis 1897 nach Plänen des Garnisons- baubeamten Jannasch errichtet. Sie war der Sitz des 1. Badischen Leibgrenadier-Regiments. In den Ersten Weltkrieg war das Regiment mit 3.000 Soldaten nach Frankreich ausgezogen. Von den insgesamt 25.000 Männern des im- mer wieder verstärkten Regiments, das in den mörderischen Grabenkämpfen um Verdun kämpfte, kehrten 3.500 nicht mehr zurück. Kurz nach seiner Rückkehr wurde das Re- giment 1919 aufgelöst. Nach Besetzung der entmilitarisierten Zone durch die Reichswehr quartierte sich 1936 wieder das Infanterieregi- ment 109 in der Kaserne ein, nun unter natio- nalsozialistischem Oberkommando. Seit 1945 wurden die Militärgebäude für einige Jahre zur provisorischen Unterkunft für Heimatvertrie- bene. Erst 1952, nach Aufhebung der starren Militärzonenaufteilung, bezog die französische Armee die Grenadierkaserne und nannte sie "Quartier General Pagezy", die bei Karlsru- hern noch heute als "Franzosenkaserne" be- kannt ist. Mit dem Ende des Kalten Krieges ging das Kasernengelände 1990 schließlich in die Verwaltung des Bundesvermögensamtes über, das dann für den Verkauf an das Land Baden-Württemberg und die Stadt Karlsruhe sorgte. Immer wieder hoben Betrachter den "preu- ßischen Gesamteindruck" der Kasernenanlage hervor. An die 1892 eröffnete und unmittel- bar benachbarte Kadettenanstalt schloss der im folgenden Jahr begonnene Neubau der Leibgrenadierkaserne zeitlich und räumlich fast unmittelbar an. Das Grundstück der Ka- serne ist erwa fünf Hektar groß, und die Ge- bäude gruppieren sich um einen großen zen- tralen Exerzierplatz. Die schweren Gebäude sind in rotem Sandstein gemauert und waren ursprünglich mit Schieferplatten und Holzze- ment eingedeckt. Auf drei Seiten stehen sechs große Mannschaftsgebäude, die jeweils zwei Kompanien aufnehmen konnten. Zwischen den Mannschaftshäusern wurden drei kleine- re Wirtschaftsgebäude mit Wasch- und Speise- funktion eingestellt. Stärker umgebau·t wurde das große Exer- ziergebäude am Ostrand des Platzes; es fun- giert seit 1932 als Autohalle. An der Nordost- ecke des Grundstücks befand sich ein großes Kammergebäude. Wohnhäuser für verheirate- te Unteroffiziere und die Offiziersmesse neben dem Wachgebäude an der Toreinfahrt schlos- sen das Areal gegen Osten ab. Am westlichen Rand des großen Exerzierfeldes stand unweit des Gebäudes des Landesdenkmalamtes 1913 die eingeschossige Waffenmeisterwerkstatt und Beschlagschmiede. Besonders stolz waren die Erbauer der Mannschaftsschlafsäle auf die Fenster, deren Oberlichter leicht zu öffnen waren und somit eine gute Belüftung garan- tierten. Auch in den Türen waren bewegliche Lüftungsklappen angebracht. Die meisten der auf Hygiene zielenden Eigenschaften des Ge- bäudes finden sich bereits in der 1889 heraus- gegebenen preußischen Garnisons-Gebäude- ordnung zusammengefasst. Die Norm billig- te jedem Soldaten eine Fläche von 4,5 Qua- 334 ! 11011 Z\!nl 1 ~'" j iihr, J ubilÄum ~,ß",lif,nr,1'1 6 r(1l"~{t~··R"ts: . N,"" ~C9 . Pos[karte eines Grenad iers 1903. dratmeter Fläche zu, wie auch einen Luftraum von 15-16 Kubikmeter. Dies führte zu durch- schnittlichen Raumhähen von 3,5 Metern. In der Bauvorschrift von 1889 finden sich nur vage ästhetische Vorgaben zur architektoni- schen Formgebung. Sie dekretierte lediglich, den Bauten "im Aeußeren einen einfachen und ernsten Charakter zu geben". Die militä- rische Funktion sei "durch einfache aber sorg- fältig erprobte architektonische Formen" zu signalisieren. In der Kaiserzeit konnten Kaser- nenbauten in Baden deshalb individuelle Erscheinungs- bilder enrwickeln, die nicht einer Form, son- dern einer Baunorm verpflichtet waren. Eine wichtige Eigenschafi: von Kasernenanlagen des späten 19. Jahrhunderts ist eine strenge räum- liche Trennung der einzelnen Funktionen. So waren Unterkünfte und Latrinen streng von- einander getrennt, auch Wasch-, Speise- und Küchenräume befanden sich in einem separa- ten Gebäude. Dies verringerte die Gefahr von Epidemien sehr deutlich. Die Offiziere der Grenadierkaserne besaßen ein eigenes Kasino, sie hatten jedoch keine Wohnpflicht auf dem Kasernengelände und wohnten großteils in Privatunterkünften. Aber ein Offizier musste je Kompanie in der Kaserne leben. Durch die Anlage des großen Exerzierplatzes konnten militärische Übungen nun auch innerhalb der Kaserne durchgeführt werden; zudem grenzte unmittelbar im Nordwesten ein mehrere Hek- tar großes, heute bebautes Übungsfeld an. In den vorspringenden Flügelbauten der Kompaniegebäude befanden sich Wohnungen für ledige Offiziere und Unteroffiziere, Ärzte und die Revierkrankenstuben. Verheiratete Unteroffiziere wohnten mit ihren Familien in den drei Familienhäusern der Kaserne, die auch von der Straße aus zugänglich waren und 335 den Komfort von internen Latrinen und Was- seranschlüssen boten. Die Mannschaftsräume wurden mit eisernen Kanonenöfen beheizt, in den übrigen Zimmern standen Kachelöfen. Bei Dunkelheit wurden die Mannschaftsge- bäude mit Petroleumlampen erhellt. In den Kompanie- und Wirtschaftsgebäuden gab es damals noch keine Aborte. Vier eingeschossige Latrinengebäude befanden sich, jeweils etwa 10 Meter von den Mannschaftsgebäuden ent- fernt, bei den Eckpunkten des Exerzierplatzes. Die drei kleineren Wirtschaftsgebäude - sie liegen zwischen den größeren Kompaniehäu- sem - beherbergten im Untergeschoss jeweils Mannschafts- und Unteroffiziersküchen mit Kantinen, sowie das Brausebad für die gemei- nen Soldaten. Nur die dreistöckigen Wohn- häuser für Soldatenfamilien verfügten schon damals über Klosett und Wasseranschluss im Hause. Zusätzlich konnte sich jedes Wirt- schaftsgebäude, das Wachhaus, das Kammer- gebäude und die Wohnhäuser über jeweils 15 Meter tiefe Röhrenbrunnen mit Wasser ver- sorgen. CLEMENS KIESER 336 · Bücher-Blick 337 Barbara Guttmann: Hopfen & Malz. Die Geschichte des Brauwesens in Karlsruhe Mit Beiträgen von Thomas Meyer und Erik Neumann, Karlsruhe; Badenia 1998 (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadt- archivs, Bd. 19), DM 39,80 Das Karlsruher Stadtarchiv hat eIn "neues Faß" aufgemacht: Im mittlerweile 19. Band der Reihe "Veröffentlichungen des Stadtar- chivs" wird die Geschichte des Brauwesens in Karlsruhe in einem zusammenfassenden Über- blick erstmals erschlossen. Unter Berücksich- tigung unterschiedlicher Quellenüberlieferun- gen, die aus Archiven, Zeitungen, zeitgenössi- schen Beobachrungen und Firmenfestschrif- ren "mosaikartig" zusammengetragen werden mussten, ist es gelungen, ein übersichdiches Bild über die Geschichte des städtischen Bier- brauens von der Gründung der Residenzstadt im Jahr 1715 bis in die Gegenwart zu entwer- fen. Gleichzeitig zur Ausstellung "Hopfen & Malz" im Prinz-Max-Palais erfährt damit jener Teil der Karlsruher Wirtschafts- und Unter- nehmensgeschichte, der ·rund um den allseits beliebten Gerstensaft angesiedelt ist, eine um- fassende Würdigung. Die Historikerin Barbara Gurrmann hat die Hauptarbeit an dem reich bebilderten Band übernommen und die Entwicklungsge- schichte des Brauwesens in Karlsruhe beschrie- ben. Struktur- und wirtschaftshistorische Per- spektiven wollte sie dabei in den Vordergrund rücken, aber auch alltags- und sozialgeschicht- liche Aspekte "schlaglichtartig" beleuchten. Dieses Vorhaben, das bei zahlreichen stadrhis- torisehen Abhandlungen bereits erfolgreich angewendet worden ist, kann sie handwerklich solide umsetzen. Da Karlsruhe nun einmal keine Insel ist, beschreibt sie stets allgemeine, über die Fächerstadt hinausreichende histori- sche Entwicklungsprozesse und kombiniert ihre Ausführungen dann mit der Geschichte des Brauwesens. Kommt diese Darstellung mit- unter auch nicht über die Feststellung schieter . Parallelität hinaus, gelingt Guttmann doch an manchem Beispiel eine tiefgreifende Vernet- zung von Ereignissen und Personen, so etwa bei dem Karlsruher NS-Kreisleiter Worch, der seinen Beruf zuvor als Bierbrauer ausgeübt har. Im Vordergrund des Buches steht indes die Fachgeschichte des städtischen Brauwesens mit besonderem Schwerpunkt auf der Darstel- lung des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit det zunehmenden Industrialisierung mündeten quantitative und qualitative Ausdifferenzie- rungen in eine Blütezeit des Bietbrauens. Wäh- tend der Hochkonjunktutphase besaß die Fä- cherstadt annähernd 30 Brauereien. Die Be- schreibung der jeweiligen Firmengeschichte bringt die zum Teil vergessenen Unternehmen wieder in Erinnerung. Bauhistorische Betrach- tungen zu den Brauereigebäuden, die das Stadtbild mitunter bis heute prägen, runden das Bild ab. Ergänzend hierzu beleuchtet Thomas Me- yer in einet kurzen Abhandlung den Einfluss der Karlsruher Btauereien auf die Stadtent- wicklung; Erik Neumann, vom Stadtmuseum der Partnerstadt Halle, macht erhellende Be- merkungen zur Sonderausstellung im Prinz- Max-Palais. Der sorgfältig zusammengestellte Anhang erlaubt es darüber hinaus, das infor- mative Buch auch als Nachschlagewerk zum Thema zu benutzen. M ICHAEL STOLLE 338 Mühlburg: StreifZüge durch die Ortsgeschichte Hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Ernst Otto Bräunche in Verbindung mit dem Bürgerverein Mühlburg; Karlsruhe 1998; 32,- DM Zu den Feiern der 750-jährigen urkundlichen Ersterwähnung Mühlburgs und "runden Ge- burtstagen" von gleich vier Vereinen oder Or- ganisationen des Stadtteils hat das Stadtarchiv publizistisches Neuland betreten. Gleich mehr- fach: Zum einen haben die Stadthistoriker den bisherigen Weg der mit professioneller Feder aus einem Guss verfassten Geschichtsschrei- bung verlassen und die Jubiläumsvereine mit eigenen Beiträgen in die Publikation einge- bunden. Und ebenfalls als Novum stellt der Mühlburg-Band nicht den Text, sondern das Bild in den Vordergrund. Historische Zeichnungen, Pläne, Fotogra- fien von Wilhe1m Kratt oder aus dem Schlesi- ger-Archiv: Gut 150 Abbildungen spiegeln das Aussehen Mühlburgs, seiner Gebäude, Stra- ßen und Plätze in den unterschiedlichen Epo- chen wider, geben vor allem aber Einblick in den früheren Alltag, zeigen Mühlburger bei der Arbeit in der Eisengießerei Seneca, bei Festen oder im Dress der einst so erfolgreichen Fußballer. Und zum Bildteil trugen die Be- wohner des Stadtteils ebenfalls ein gewaltiges Scherflein bei. Nach Aufrufen in StadtZeitung und Tagespresse stellten zahlreiche Privatper- sonen Schnappschüsse aus ihren Archiven für die Veröffentlichung zur Verfügung. Obwohl die eindrucksvollen Aufnahmen in schwarz- weiß die 300 Seiten dominieren, ist das Werk kein Bildband im herkömmlichen Sinn. Die von Profis und Amateuren geschosse- nen Fotos sind vielmehr eingebettet in Texte, die ebenfalls Fachleute, aber auch Mitglieder der Feuerwehr, des Bürgervereins oder Rad- sportler fertigten. Wenn überhaupt, liegt hier auch die einzige kleine Schwäche des Bandes. Gegenüber dem historischen StreifZug, den Stadtarchiv-Chef Ernst Otto Bräunehe mit den Lesern vom "Mulenberc" des Jahres 1248 bis zum zerbombten Stadtteil im Zweiten Weltkrieg unternimmt oder dem Beitrag von Stadtplaner Harald Ringler über die Neuord- nung in den 50er Jahren fallen die Kapitel der anderen Autoren sprachlich manchmal ein wenig ab und kommen bisweilen holprig oder gestelzt daher. Doch Unebenheiten wie "in großer Anzahl stattgefundene Feste" machen den Band auf der anderen Seire sympathisch. Der Leser spürt: Der Mühlburg-Rückblick wurde keineswegs routinemäßig abgespult, es "menschelt" zwischen den Zeilen. Der Stadt- teil stellt sich selbst in Wort und Bild dar. Stadtgeschichte soll bekanntlich Identität stif- ten: Mit dem Pilotprojekt haben Archiv und Vereine dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. MATHIAS TRONDlE Dieter Vestner: Badische Revolution vor 150 Jahren. Geschehnisse in Baden und Durlach 1848/49 Hrsg. von der Bürgergemeinschaft Durlach und Aue 1892 e.v., Durlach 1998, 62 Seiten, 15,- DM Dieter Vestner: Die Karlsburg und der Fürstenhof zu Durlach Durlach 1998,72 Seiten, 22,80 DM Stadtgeschichtsschreibung lebt in ihren vielen Facetten auch von der intimen, oft durch jah- relanges Quellenstudium erworbenen Detail- kenntnis nichtprofessioneller Historiker. Die- ter Vesmer beschä.&igt sich in seinen in den ver- gangenen zehn Jahren publizierten Büchern mit der Geschichte Durlachs und Badens. Er stützt sich dabei auf vorliegende Veröffentli- 339 chungen und verzichtet, soweit dies erkennbar ist, völlig auf eigene Archivsrudien. Daher kann er keine neuen Erkenntnisse mitteilen. Auch in den beiden neuen Bändchen macht sich der Autor zum Multiplikator der Forschungen anderer, was durchaus berechtigt sein kann, wenn damit zusätzlich Leser ange· sprochen werden. Dabei unterlaufen Vesener jedoch Fehler, die die Mühen seiner Arbeit in Frage seelIen. In der chronologisch erzählten Revolurionsgeschichte spricht er z.B. vom Zehnt und der Leibeigenschaft, als ob diese nicht längse aufgehoben worden wären. In Offenburg forderte man 1847 nicht die kon- stitutionelle Monarchie, sondern die Repub- lik, und der Bürgerverein von 1847 kann mit seinen politischen Intentionen nicht als Vor· läufer der heutigen Bürgergemeinschaft inter- pretiert werden. Warum man für diese trotz der lieferbaren Geschichte der Revolution in Durlach von A. Mohr eine gekürzte Nacher- zählung für nötig hielt, ise unverständlich. Die zweite Broschüre berichtet enclang des Wech- sels der Markgrafen und ihrer Aktivitäten die Geschichte des Fürsrenhofes in Durlach. Entgegen der mit dem TItel geweckten Erwar- tung kommt die Baugeschichte der Karlsburg dabei zu kurz. Auch hier unterlaufen Vesmer Schnirzer wie z. B. die Fesrstellung, die Mark- grafen härren früher auf dem Turmberg resi- diert. Wer sich über die Geschichte Durlachs informieren will, sollte lieber zur 1996 erschie- nen Geschichte Durlachs greifen. MANFRED KOCH Susanne Asche I Ernst Ouo Bräunehe I Manfred Koch I Heinz Schmitt I Christina Wagner: Karlsruhe. Die Stadtgeschichte. Badenia Verlag, Karlsruhe 1998, 792 S., zahlreiche Abb., 49,-DM Stadtgeschichte hat in Deurschland seit gerau- mer Zeit eine gure Konjunktur. In den zu- rückliegenden beiden Jahrzehnten haben zahl- reiche Kommunen ihre Enrwicklung von den Anfängen bis heute in umfassenden Werken vor Augen geführt, verwiesen sei aus dem süd- wesedeurschen Raum nur aufSpeyer, Freiburg und, für das 18. bis 20. Jahrhundert, aufTri- er. Auch in Karlsruhe beschäftigte sich eine rege Forschung mit vielen Aspekten des städ- tischen Lebens seit 1715, aber es blieb doch schmerzlich spürbar, dass eine Gesamtdarstel- lung der Stadtgeschichte nicht greifbar war - die lerzte Publikation dieser Art erschien 1915. Die Lücke wurde durch das Gemeinschafts- werk von fünf Historikern, von denen vier im Stadtarehiv tätig sind, auf eindrucksvolle Wei- se geschlossen. Einleitend behandelt Heinz Schmitt relativ knapp, aber sehr instruktiv den Raum Karlsruhe vor 1715 und das Umland der Stadt seither - mit Durlach und Mühl- burg existierten hiet zwei kleine Städte und eine Reihe von Dörfern, von denen Knielin- gen schon 776 erwähnt wurde. Christina Wagner erörtert die Enrwicklung Karlsruhes von 1715 bis zum Jahre 1806, also bis zur Annahme der Würde eines Großherzogs durch Karl Friedrich. Der umfangreichste Beitrag stammt von Susanne Asche und hat das 19. Jahrhundert zum Thema. Hier wird die Enrwicklung von der Residenzstadt mit knapp 9 000 Einwohnern (einschließlich des 1812 eingemeindeten 'Dörfles' Klein-Karlsru- hel bis zur schon kräftig industrialisierten Großstadt mit einer Bevölkerung von etwa 130 000 Menschen im Jahre 1914 nachge- zeichnet. Das Schicksal der Stadt und ihrer 340 Bewohner während des Ersten Weltkriegs, in der Weimarer Zeit und unter der nationalso- zialistischen Diktatur sowie im Zweiten Welt- krieg führt Ernst Orto Bräunehe vor Augen, nur der Widerstand wird von Manfred Koch behandelt. Koch ist auch der Autor des ab- schließenden Teils über Karlsruhe zwischen 1945 und 1997. Insgesamt ist etwas mehr als die Hälfte des Bandes dem 18. und 19. Jahr- hundert gewidmet, etwas weniger den letzten 85 Jahren. Der Leser findet alles, was eine sinnvoll konzipierte Stadtgeschichte bieten muss. Behandelt werden der Raum des Ge- schehens, die Entwicklung der Bevölkerung, das allmähliche territoriale Wachstum der Stadt - 1886 wurde, um nur einige Beispiele zu nennen, Mühlburg eingemeindet, 1935 Knielingen, 1938 das damals knapp 20.000 Einwohner zählende Durlach - , die Ausbil- dung der Infrastruktur, wichtige Bauren, die Erwerbs- und Lebensverhältnisse der Einwoh- ner, Gewerbe, Handel und Industrie, Verfas- sung und Verwaltung der Stadt, die Oberbür- germeister, die Einwirkungsmöglichkeiten der Bürger auf die kommunalpolitischen Ent- scheidungen, ihr Verhalten als Wähler, Partei- en und Vereine, die Presse und die öffentliche Meinung zu wichtigen Fragen, das Bildungs- wesen, das kulturelle Leben, die konfessionel- len Verhältnisse und die Religionsgesellschaf- ten. Selbstverständlich ist dabei nie nur Karls- ruhe das Thema. Alle Autoren beziehen die Region, die Geschichte Badens, dessen Haupt- stadt Karlsruhe ja 230 Jahre war, und die deut- sche Entwicklung stets in gebührendem Maße mit ein. Zu diesen allgemeinhistorischen Pas- sagen wären hier und da Anmerkungen zu machen. So ließ König Friedrich Wilhelm IY. am 18. März 1848 nicht einfach "in die Men- ge schießen", vielmehr ist bis heute unklar, wie es an jenem Tage in Berlin zum Kampf kam. Die von Preußen und der Provisorischen Zen- tralgewalt 1849 gegen die Pfalz und Baden 341 aufgebotenen Interventionstruppen beliefen sich auf nur 53.000 Mann. Der Krieg mit Frankreich wurde 1870 nicht von Bismarck "provoziert", er war, jedenfalls nach Bismarcks lebenslanger Überzeugung "uns aufgezwun- gen". Und von Widerstand ohne Volk kann man nicht sprechen: zwischen 600.000 und 1.000.000 Deutsche waren in den Jahren 1933 bis 1945 aus politischen Gründen für längere oder kürzere Zeit in Haft; in Karlsru- he betrug die Zahl mindestens 700. Alle fünf Beiträge sind sehr informativ und sehr leser- freundlich geschrieben. Die zahlreichen Abbil- dungen und Karten tun ein übriges, um fast 300 Jahre Karlsruher Stadtgeschichte anschau- lich vor Augen zu führen. Bei der Betrachtung einiger Karren dürfte mancher Leser freilich zur Lupe greifen, wenn er alles entziffern will, was da aufgedruckt ist. Aus der Fülle des von den Autoren Vorge- tragenen können nur. ganz wenige Momente erwähnt werden. Im 18. Jahrhundert war die Stadt in ganz ausgeprägtem Maße auf den Hof bezogen. Das änderte sich nach 1806 deutlich, weil Baden im Zuge der damaligen territoria- len Veränderungen vom Klein- zum Mittel- staat heranwuchs; der durlachsche Landesteil hatte zunächst weniger als 90.000 Einwohner, das junge Großherzogrum immerhin die zehnfache Zahl. So gewann die Verwaltung ganz beträchtlich an Gewicht, und 1819 ent- stand mit den Kammern ein zweites politi- sches Zentrum von schnell erheblicher Bedeu- tung. Trotz der im letzten Drittel des 19. Jahr- hunderts sich kräftig entfaltenden Industrie blieb die Stadt, da sie eben Verwalrungszen- trum und Sitz zahlreicher Bildungseinrichtun- gen war, stärker bürgerlich geprägt als Kom- munen vergleichbarer Größe ohne derlei Ein- richtungen. Politisch dominierte lange ein gemäßigter Liberalismus, und konservative Neigungen waren hier und übrigens auch im unmittelbaren Umfeld deutlicher ausgeprägt als im badischen Durchschnitt. Mit den sich wandelnden Konfessionsverhältnissen - 1840 waren drei Fünftel der Karlsruher evangelisch, ein Drittel katholisch, in der Weimarer Zeit waren die beiden großen Konfessionen fast gleich stark - und mit der Industrialisierung erlangten der politische Katholizismus und die Sozialdemokratie fortlaufend mehr Gewicht. Das politische Klima in der Stadt blieb dabei moderat, und die Revolution im Winter 1918/19 verlief gemäßigt, wie das auch schon 70 Jahre zuvor der Fall gewesen war. Der Zu- spruch, den die Nationalsozialisten in der Spät- zeit Weimars fanden, lag (mit 40,3 % der gül- tigen Stimmen bei der Reichstagswahl am 31. Juli 1932) etwas über dem deutschen Durch- schnirt. Auf den Verlust der Hauptstadtfunk- tion musste man sich schon nach dem deut- schen Sieg über Frankreich im Juni 1940 und der Schaffung des Parteigaus Baden-Elsaß ein- stellen; eine Kompensation der damit verbun- denen Schwächung schien nur dutch eine ver- stärkte Industrialisierung möglich. Als das Land Baden nach 1945 unterging, blieb Karls- ruhe freilich in beachtlichem Maße Verwal- tungszentrum. Mit der Ansiedlung des Bun- desgerichtshofs - gegen die starke Konkurrenz von Köln - und des Bundesverfassungsgerichts gewann die Stadt als 'Residenz des Rechts' allerdings eine neue zentrale Funktion, dies- mal für die gesamte Bundesrepublik. Auch die Industrialisierung machte Fortschritte. Dass der Wille der Badener bei der 1950/51 heftig umkämpften Frage der Wiederherstellung des Landes Baden "überspielt" wurde, räumte 1956 selbst das Bundesverfassungsgericht ein und übte damit implizit Kritik an seiner ersten ein- schlägigen Entscheidung von 1951. Die Karls- ruher waren zu fast sieben Zehnteln für das Land Baden und gegen den Südweststaat. Schon im Ersten Weltkrieg wutde die Stadt wiederholt das Ziel von Luftangriffen, zwi- schen 1939/45 kam es viel schlimmer: Jetzt wurden fast 80 % aller Wohnhäuser zerstört oder doch beschädigt. Die Beseitigung der 3 Mill. m3 Trümmer erfolgte bemerkenswert schnell. Dieser von der Stadt nachdrücklich geför- derten, vom Verlag liebevoll betreuten und rundum gelungenen Stadtgeschichte, wird es an Lesern nicht mangeln, daran ist nicht zu zweifeln. Vermutlich wird es nicht bis zur Dreihundert jahrfeier Karlsruhes im Juni 2015 dauern, bis eine zweite Auflage erscheint. HANS FENS KE Klaus Bindewald: Die Albtalbahn. Geschichte mit Zukunft. Von der Schmalspurbahn zur modernen Stadtbahn Hg. Albtal-Verkehrs-Gesellschafr mbH., Ubstadt-Weiher 1998, 144 Abb., 191 S., 29,80 DM. Der öffentliche Personenverkehr ist ein Stadt- phänomen. Ohne ein leistungsfähiges Nahver- kehrsnetz wären die modernen Großstädte nicht denkbar. Der Nahverkehr erschloss aber schon früh aus der Stadt heraus auch das Um- land. Bahnen, die Stadt und Region verbanden, gab es in Karlsruhe bereits vor der Jahrhun- dertwende: Die Lokalbahn Durmersheim- Spöck und die Albtalbahn. Ihre 1998 100-jäh- rige wechselvolle Geschichte vermittelt K. Bin- dewald in seiner Darstellung ebenso kenntnis- und faktenteich wie unterhaltsam. Zahlreiche historische und neuere Aufnahmen - nicht nur von Schienenfahrzeugen - tragen dazu bei. Der Autor wendet sich - obgleich Ingenieur - weniger an Spezialisten der Straßenbahn- technik, sondern an alle an der Geschichte von Stadt und Region interessierte Leser. Es wer- den immer auch die sehr spannenden politi- schen Entscheidungsprozesse, die wirtschaftli- 342 ehen Rahmenbedingungen des Betriebs - hier hätten gelegentliche Angaben von Beförde- rungszahlen nicht geschadet -, aber auch die wirtschaftliche Enrwicklung von Unterneh- men entlang der Strecke einbezogen. Dabei stützt sich der Autor auf intensives Quellen- studium, verzichtet jedoch zum Bedauern des Historikers auf Einzelnachweise. Eingangs berichtet Bindewald von der 25- jährigen Planungszeit einer Lokalbahn nach Herrenalb mit einer Verbindung nach Pforz- heim. Es folgt die Geschichte der schmalspuri- gen, schon kurz nach der Eröffnung 1898 teil- weise elektrifizierten Albtalbahn. Die Zusam- menhänge zwischen dem Neubau des Haupt- bahnhofs sowie die Finanznot der Betreiberge- sellschaft mit dem Besitzerwechsel in der Zwi- schenkriegszeit werden u. a. thematisiert. Mit dem Kauf der Bahn durch die Stadt ging 1957 ein lang gehegter Wunsch in Erfül- lung. Die Enrwicklung seitdem bildet den zweiten Teil der Darstellung. Umbau der Glei- se auf Normalspur, Verknüpfung mit dem Karlsruher Straßenbahnnetz, Modernisierung der Technik und der Fahrzeuge, Verkürzung und schließlich Erweiterung des Streckennet- zes sind Themen dieses Teils. Tabellen z. B. zu den Fahrzeugtypen sowie eine Chronik run- den den Band ab. Gelungen ist damit ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des welrweit beachteten "Karlsruher Modells" des öffentli- chen Nahverkehrs. MANFRED KOCH Auf den Spuren der antiken Welt, eine Reise durch die Antikensammlung des Badischen Landesmuseums Hrsg. vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe im G. Braun Buchverlag 1998; 56 Seiten, 20,- DM. Zu seiner neu gestalteten Antikensammlung hat das Landesmuseum "für Kinder und Ju- gendliche ab 11 Jahren" einen Führer, nein, einen Reisebegleiter veröffentlicht. Sieht es ein Museum als seinen Auftrag an, seine "Expona- te" nicht nur einem schon interessierten, meist informierten Besucher zu präsentieren, will es auch für den Nichtfachmann da sein und ihm seine Schätze zugänglich machen, so ist es fol- gerichtig, besonders die jungen Menschen anzusprechen. Jugendbücher, die vergangene Kulturen anschaulich darstellen, gibt es heute erfreulicherweise zahlreich. Mit den bunten Restruktionszeichnungen dort wird ein Be- gleiter durch ein Museum nicht konkurrieren wollen, er hat aber - richtig gemacht - eine besondere Chance. Beate Bollmann, die die Texte schrieb (mit Beratung durch Mitarbeiter des Museums), hat es richtig gemacht. Sie stellt den jungen Besucher nicht vor die Vitrine und belehrt sondern schickt ihn auf eine Entdeckungsrei- se. Zu einzelnen Ausstellungsstücken, die in dem Heft abgebildet und somit schnell zu fin- den sind, stellt sie graphisch deutlich hervor- gehobene Fragen. Die Richtigkeit der Anrwort und weitere Informationen kann man dem beschreibenden Text auf der gleichen Seite entnehmen. So wird mit 46 Fragen der junge (nur der junge?) Besucher hingeleitet in die Welt der alten Ägypter, Urartäer und Phönizi- er, blickt in die Welt der griechischen Götter und Helden, erkennt die Lebensfreude der Etrusker aus ihren Gräbern und schaut in das Leben von römischen Kaisern und Töpfern, 343 bis schließlich den alten Göttern das Kreuz der neuen Religion in die Stirn gemeißelt wurde. Wer bei diesem Gang auf den Spuren der antiken Welt dieses vermisste und jenes gerne näher ausgeführt hätte. könnte auch nur eine Auswahl bieten. Dieses Heft - an Jugendliche gerichtet - gibt jedenfalls auch dem Lehrer. der einen Besuch der Sammlung mit Schülern plant. wertvolle Antegungen. Viele Fragen sind beantwortet, mehr wer- den sich stellen. und so soll es sein. HELMUT GRIMM Ute Grau / Ulrike Plate: 1898 - 1998. Vom Versicherungspalast zum Rathaus West Festschrift. Hrsg.: Stadtarchiv Karlsruhe. Kirlsruhe 1998. 36 Abb .• 77 S. Das heutige Rathaus West an der nordwesdi- ehen Ecke des Mühlburger Tores gehört zu den eindrucksvollsten Beispielen für Reprä- sentationsbauten des späten 19. Jahrhunderts in Karlsruhe. Ursprünglich als Bürogebäude der Karlsruher Lebensversicherung konzipiert. dominiert der von Adolf Hanser geschaffene monumentale Sandsteinbau noch heute den Zugang zur Weststadt über die Kaiserallee. In der vorliegenden Festschrift stellt Ute Grau die wechselvolle Geschichte des ehema- ligen Versicherungsgebäudes und seiner Nutz- er dar, das zur Zeit seiner Erbauung als Se- henswürdigkeit der Stadt galt. Die 1835 ge- gründete Karlsruher Lebensversicherung er- richtete in den Jahren 1895-98 den Repräsen- tationsbau im Stil der Neo-Renaissance. um der kontinuierlich gewachsenen Bedeutung des Unternehmens städtebaulich wirksam Rech- nung zu tragen. In den folgenden Jahrzehnten war das Ge- bäude immer wieder teilweise gravierenden Ver- änderungen unterworfen, die einerseits den gewandelten Zeitgeschmack. andererseits das Schicksal der Stadt Karlsruhe widerspiegeln. Neben Erweiterungen in den Jahren 1912 und 1928/29. die sich der stilistischen Dominanz des Hauptgebäudes unterordneten. kam es im Zuge der Vorbereitungen zum IOD-jährigen Firmenjubiläum im Jahre 1935 zu einer opti- schen Überarbeitung. bei der große Teile des Bauschmucks des 19. Jahrhunderts weichen mussten. Mit dem Ende des Zweiten Welt- krieges endet die Nutzung durch die Versiche- rung. da das Gebäude zunächst von der fran- zösischen, später von der amerikanischen Be- satzungsmacht beschlagnahmt wurde. Wäh- rend die Versicherung Mitte der 50er Jahre einen Neubau bezog. übernahm die Stadt Karlsruhe das Gebäude am Mühlburger Tor. wo seitdem das Rathaus West mit seinen zahl- reichen Dienststellen untergebracht ist. In einem zweiten Abschnitt des Bandes beschreibt Ulrike Plate die Baugeschichte und den architektonischen Rang des Verwaltungs- komplexes. wobei auch auf die weitgehend unbekannte Person des früh verstorbenen Ar- chitekten Adolf Hanser eingegangen wird. Mit dem vorliegenden Buch gelingt den beiden Autorinnen auf anschauliche und in- formative Weise die Würdigung eines Gebäu- des. das bis heute als städtebaulicher Akzent das Stadtbild prägt. Zahlreiche Abbildungen ergänzen den Text. THOMAS MEYER 344 Elisabeth Spitzbart: Karl Joseph BerckrnülIer 1800-1879. Architekt und Zeichner. (Friedrich Weinbrenner und die Weinbrenner-Schule, Bd. III) Hrsg. Wulf Schirmer, Institut für Baugeschichte der Universität Karlsruhe, G. Braun, Karlsruhe 1999, 308 S., zahlreiche Abb., 118,- DM Das Sammlungsgebäude und die Gestaltung des Friedrichsplatzes erforderten die Verbin- dung von Architektur und Städtebau in einer Weise, wie sie seit Weinbrenner wohl keinem anderen Architekten in Karlsruhe als Chance geboten wurde. Der Architekt, dem dieses Glück widerfuhr, hatte einen ungewöhnlichen Lebenslauf, über den bisher außer knappen Nachrufen keine biographischen Arbeiten vorlagen. E. Spitzbart unterrichtet jetzt umfas- send über Karl Joseph Berckrnüllers Werk als Zeichner und Architekt in dem reich bebilder- ten neuen Band der überdurchschnittlich gut ausgestatteten Veröffentlichungen über Fried- tich Weinbrenner und seine Schüler. Wesent- liche Quellengrundlage der Arbeit bildet der künstlerische und architektonische Nachlass Berckrnüllers im Institut für Baugeschichte der Universität Karlsruhe. Dieser ist in dem 991 Nummern zählenden Katalogteil des Bandes erschlossen und erstmals vorgestellt. Das Leben Berckrnüllers, der einer seit drei Generationen in Karlsruhe tätigen Bauunter- nehmerfamilie entstammte, verlief nicht ge- radlinig. Zum Architekten ausgebildet (1817- 1829) wurde er nach der Hochzeit mit einer Unternehmersrochter 1829 zunächst Fabrik- direktor, um, als der Konkurs der Spinnerei in St. Blasien absehbar war, 1844 in Karlsruhe zunächst Bezirks- und Militär- und seit 1853 bis 1878 Holbaumeister zu werden. Diese bio- graphischen Daten geben die Hauptabschnitte der Darstellung vor. Dass dabei insgesamt die Person und die privaten Lebensumstände des Studenten und Bildungsreisenden, Eheman- nes und Witwers seit 1852 nur arn Rande zur Sprache kommen, ist offensichtlich der fehlen- den Überlieferung persönlicher schriftlicher Quellen geschuldet. Spitzbart arbeitet anhand der Skizzenbücher und Reisezeichnungen die Spannung heraus zwischen der durch den Klassizismus Wein- brenners geprägten Ausbildung und den durch die Reisen gewonnenen Eindrücken, die den Historismus als Möglichkeit eines neuen Bau- stils enthielten, wobei Berckrnüller eine Vorlie- be für die Renaissance zeigte. Die Autorin the- matisiert dabei auch den kulturgeschichtli- chen Rahmen der Bildungsreisen der Zeit und die unterschiedlichen Arbeitsweisen der wer- denden Architekten in Paris und in Rom. Obgleich Berckrnüller 34 Jahre als Archi- tekt tätig war, hat er nur relativ wenige Bauten selbst ausgeführt (u. a. die Kirche in Leo- poldshafen und das Pfarrhaus St. Stephan in Karlsruhe). Als Gründe dafür nennt Spitzbart die Befassung mit zahlreichen Verwaltungsauf- gaben und kleineren Um- sowie Anbauren. Weiter trugen dazu die knappen Finanzen in der Vor- und Nachrevolutionszeit 1848/49 und während der kriegerischen Auseinander- setzungen 1866 und 1870/71 bei. Dies führ- te auch zu sehr langen Planungs- und Bauzei- ten. Betroffen davon war auch das Karlsruher Sarnmlungsgebäude, das Berckrnüller nahezu ein Vierteljahrhundert beschäftigte. Ausführ- lich schildert die Aurorin das für die Lokalge- schichte interessante Kapitel der Friedrichs- platzbebauung vom ersten Architektenwettbe- werb in Karlsruhe über die Entwicklung der dann doch Berckrnüller übertragenen Planung und die Bauverzögerungen beim Sammlungs- gebäude durch die Koordinierung der unter- schiedlichen Interessen der späteren Nutzer des Hauses. In ihrer Gesarnteinschätzung sieht die Au- torin in Berckmüller einen Architekten, der, 345 eingebunden in das von Heinrich Hübsch ge- prägte zentralisierte badische Bauwesen, erst spät seinen eigenen architektonischen Vorstel- lungen Ausdruck geben konnte. Deutlich sichtbar am Sammlungsgebäude habe er "mit seiner klassischen und ruhigen .. . Grundhal- rung eine ganz persönliche Variante der Neu- renaissance ausgebildet .. . und so mit seiner Stilhaltung eine Brücke ... zwischen dem Klas- sizismus Wein brenners und dem späten 19. Jahrhundert" geschlagen. MANFRED KOCH Eduard Koelle: Drei Tage der Karlsruher Bürgerwehr 1849 Hrsg. von Rainer Gut jahr, (Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte, Schriftenteihe des Stadtarehivs Karlsruhe, Band 5); Karlsruhe 1999, 154 5., 35 Abb., 29,- DM. Der Autor, 1810 in Karlsruhe geboren, ein rechtschaffener Kaufmann, war 1848 in der Bürgerwehr bis zum Adjutanten des Oberbe- fehlshabers aufgestiegen. Der "konstitutionelle Konservative" will seine Darstellung über den 13./14. Mai, 6./7. und 24./25. Juni 1849 als Rechtfertigungsschrift verstanden wissen. Die freiwillige Bürgerbewaffnung sollte zunächst einen befürchteten Franwseneinfall abwehren, dann bald angesichts innerer Unruhen die öf- fentliche Ordnung sichern. Besonders bedeut- sam wurde dieser Auftrag in den Junitagen, als sich die Revolution dem Ende neigte. Wäh- rend die Bürgerwehr am 4.6. noch vor der provisorischen Regierung Brentano und Peter defilierte, sah man am 24.6. die Truppen die- ser Regierung als "geschlagenen Tross" vor den Preußen fliehen. "Diesen aufgelösten Horden, die damit begonnen hatten, kein Gesetz mehr zu kennen und nur ihren Lüsten zu folgen, war die gute Stadt Carlsruhe diese Nacht über- antwortet." Eine dramatische Schilderung, die Verständnis schaffen soll, warum die Bürger- wehr nach dem Einzug des Prinzen Wilhe1m in die Stadt von den Siegern geachtet wurde und ihre Waffen behalten durfte, da sie als Ordnungselement ein Chaos verhindert hatte. Koelle, vom zurückkehrenden Großherwg Leopold im August geehrt, wollte in seiner Beurteilung der Aufständischen diese aber nicht pauschal verurteilen, so sehr er auch deren Ziele verabscheute. In einer Fülle von wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten stieg er nachher zu hohen Würden auf, wurde u. a. Mitbegründer der Badischen Bank, die Ende der 70er Jahre die Munitionsfabrik, die späteren IWK finanzierte. Handelsrichter, Präsident des badischen Handelstags, portu- giesischer Konsul, das waren nur einige seiner Würden. Die Herausgabe des eindrucksvollen Textes durch Rainer Gut jahr ist vorbildlich. Mit ei- ner ausführlichen Einleitung wird man in die Lage Karlsruhes in diesen Tagen 1849 einge- führt. Urheberschaft, innere und äußere Merkmale der Quelle und die Editionsprinzi- pien werden erörtert, schließlich neben reich- lichen Literaturangaben in 150 Kurzbiogra- phien die im Text erwähnten Personen aufge- listet. Die farbigen Abbildungen veranschau- lichen den besonderen Sektor der revolutionä- ren Situation, der eben nicht nur den Ruf nach Freiheit kannte, sondern auch manches Leid für Baden brachte. LEONHARD MüLLER Elga Roellecke: Vereine und Vereinigungen, Gasthäuser. Chronik Wolfartsweier Hrsg. vom Verein für die Geschichte von Wolfartsweier, Karlsruhe 1998, Heft 3, 197 S. Mit diesem "Hefr" legt Elga Roellecke nun den dritten Teil einer Ortschronik vor, die einmal sechzehn Kapitel umfassen soll (siehe 346 S. 196 im Anhang). Mit ihren Beiträgen zur Munitionsfabrik, dem so genannten Zünd- hürle, und zu "Wasser und Straßen, Quellen und Wegen" in Wolfartsweier, Publikationen, die ebenfalls schon hier besprochen worden sind, erreicht die geplante Chronik bereits 500 Seiten, ein Umstand, der einerseits für den fleiß der Autorin spricht und andererseits an- gesichts der noch ausstehenden Kapitel einen Umfang des Gesamtwerks von mindestens 2.000 Seiten erwarten lässt. Scheint es auch heute populär zu sein, mit dem "Gewicht" bestimmter Publikationen zu werben, die schon in Kilo aufgewogen wer- den, so wäre m. E. bei der Geschichte eines kleinen Ortes wie Wolfartsweicr etwas Mäßi- gung angebracht, handelt es sich ja nicht um die Geschichte einer Großstadt. Sicher werden sich aber viele Wolfartsweierer freuen, gerade in diesem Heft namentlich erwähnt zu wer- den, etwa der Schützenkönig von 1968 oder die Schriftführerin des Evangelischen Ge- meindevereins. Die Daten zu Geschichte und Aktivitäten der fast dreißig Vereine von Wol- fartsweier sind minutiös aufgelistet, so dass sich Vorstände und Mitglieder hier gut reprä- sentiert wiederfinden. Dies mag zum Wirge- fühl der Gemeinde und zur Identitätsfindung beitragen, für den Außenstehenden wirkt die Fülle der Detailinformationen manchmal et- was ermüdend. Er muss eifrig blättern, um an Informationen von allgemeinem Interesse zu kommen. Zu diesen zählt sicherlich die lesenswerte Einleitung zur Entwicklung des Vereinswesens seit der französischen Revolution 1789, die den historischen Kontext und die Bedingun- gen berücksichtigt, unter denen Vereine da- mals entstanden sind und die die Einwirkun- gen auf sie im Verlauf der Geschichte schil- dert. Interessant sind auch die den einzelnen Vereinschroniken vorangestellten Einführun- gen zur Geschichte jeder Vereinsart ganz allge- mem, so etwa zu den Militärvcreinen, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870171 in fast jedem Dorf entstanden sind, oder zum Turnverein, wo auf die Bewegung unter Turnvater Jahn eingegangen wird. Al- lerdings tragen diese Einführungen auch wieder zum Anschwellen der Chro- nik bei, z. B. wird die Geschichte des Feuer- löschwesens seit 1689 dargestellt. Manches Interessante ist aber auch in den eigentlichen Vereinsgeschichten nachzulesen, etwa wenn beim Kleintierzuchtverein die Frage beantwor- tet wird, warum im Dritten Reich "Hühner und Kaninchen einen nationalsozialistischen Wert" hatten. Insgesamt erstaunt es den Leser, welche Masse und Vielfalt an Aktivitäten ein kleiner Ort wie Wolfartsweier in den letzten hundert bis hundertfünfZigjahren entwickeln konnte. Viel Lokalkolorit von Wolfartsweier ent- deckt der Leser dann . beim Schlusskapitel zu den Gasthäusern, stammt ja deren Bausub- stanz zum größten Teil noch aus dem 18. Jahr- hundert. Nicht nur hier regen Text und Abbil- dungen, die nur manchmal etwas klein gera- ten sind, zum Besuch dieses noch sehr dörflich wirkenden und in landschaftlich schöner Umgebung liegenden Stadtteils an. PETER PRETSCH Manfred Koch - Jürgen Morlock (Hrsg.): Von Graspisten zum Baden-Airport, Luftfahrt in Mittelbaden Herausgegeben im Auftrag der Baden-Airport AG in Verbindung mit dem Stadtarchiv Karls- ruhe 1999,306 S., 159 Abb., 29,80 DM Sicher ist dies auch eine Selbstdarstellung der Baden-AirparkAG, die mit ihrem Airport und dem dazu gehörenden Gewerbepark ein Ob- jekt begonnen hat, über dessen Zukunfts- 347 trächtigkeit Jürgen Morlock selbst referiert. Zur Entwicklung in den letzten Jahren berich- tet Walter Baumgärtner, dessen zweiter Beitrag über die Umwandlung der Air-Base Söllingen zum Baden-Airport spannend zu lesen ist, denn was in den fünfJahren nach seinem "Ta- gebuch einer Konversion" alles geschah, wel- che Widerstände zu überwinden waren, wie jeweils neue Mitstreiter und Politiker gewon- nen werden mussten, das schafft Respekt vor den Aktivisten, die im wahrsten Sinn des Wor- tes ein "Unternehmen" wagten, das für die wirtschaftliche Entwicklung Mittelbadens zu- nehmende Bedeutung gewinnen wird. Wer freilich zuvor Kurr Hochstuhls Auf- satz über "Düsenjäger am mittel badischen Himmel" und das Ausgelieferrsein der Bevöl- kerung gegenüber dem Lärm gelesen hat, ver- steht den anfänglichen Widerstand gegen ei- nen neuen Flugbetrieb. Als aber die Kanadier, die nicht nur zu den besonders freundlichen Besatzungstruppen gehörten und auch für 540 deutsche Zivil beschäftigten Arbeirsplatz boten, 1994 abzogen, gab es nicht nur tränen- reiche Abschiede; der Wegfall von "Klein-Ka- nada" bedeurere für die ganze Umgebung tie- fere Einschnitte. Die historischen Kapitel der Publikation sind nicht einfach Vorspann, sondern können verpflichten, dass Mittelbaden wie einst wie- der eine Rolle in der Luftfahrt spielen sollte. Reiner Haehling von Lanzenauer erinnert an den Flughafen Baden-Baden-Oos, wo in der Zeppelineuphorie 1910 der erste Luftschiff- Landeplatz entstand. Als intimer Kenner sei- ner Stadtgeschichte erzählt der Auror an Hand anschaulicher Quellen von den Erfolgen der ersten Passagierflüge. aber auch von den vielen Unfällen, ja Katastrophen. Wären damals nur "Bedenkenträger" am Werk gewesen, wäre der Luftverkehr von Anfang an abgestorben. Manfred Koch schildert Ähnliches über die Entwicklung der Flughäfen Karlsruhe und Forchheim. In der Residenz lebte eine Weile Carl Friedrich Meerwein, der 1784 in Em- mendingen erste Flugversuche unternahm. Gleichzeitig ergriff aber das "Ballonfieber" via Frankreich die Erfinder, und 1812 erlebte Karlsruhe die erste bemannte Ballonfahrt. Um die Jahrhundertwende begeisterte der Zeppe- lin die Karlsruher Bevölkerung. Anlässlich des Kaisermanövers 1909 wanderten nicht nur Tausende zum Exerzierplatz, auch "Fremden- ströme, die sich hierher wälzten" wollten die Landung eines Luftschiffs miterleben. Wie schnell der Bau von Luftschiffen und der sich rasch entwickelnden Flugzeuge zur tödlichen Waffe mutieren konnte, beweist der französi- sche Luftangriff am Fronleichnamstag 1916 aufKarlsruhe, der 120 Tote forderte. Die Ka- pitel stecken voller Informationen auch über die Bemühungen in der Weimarer Republik, "aus Karlsruhe in die Welt hinaus" zu dringen, vom Ringen um Flugplätze, über das NS-Flie- gerkorps in "brauner" Zeit bis zur Dominanz der Besatzungsmächte nach 1945. Über jede Seite müsste man berichten, zumal die zahlrei- chen Fotos die antegende Lektüre noch erhö- hen. Hier wird ein stadtgeschichrliches Kapi- tel aufgeschlagen, das innovative Gemeinderä- te, zuverlässig informiert. heute weircrschrei- ben können. Und das gilt nicht für jedes Buch. LEO N HARD MÜLLER Wolfgang H. Collum: Hugenotten in Baden- Durlach. Die französischen Protestanten in der Markgrafenstadt Baden-Durlach, insbe- sondere in Friedrichstal und Welschneureut verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1999, 112 S., 10 Abb., 26,- DM. Im letzten Jahr konnten die ehemaligen Huge- nottengemeinden Friedrichstal und Welsch- neureut ihr 300-jähriges Jubiläum feiern. Aus 348 diesem Anlass erschien ein bereits 1974 in der Badischen Heimat veröffentlichter Aufsatz von Wolf gang H. Collum in einer überarbei- teten und ergänzten Buchfassung. Der Autor verwendet für alle in Baden- Durlach aufgenommenen Glaubensflüchtlin- ge richtigerweise den Begriff Hugenotten. Diese waren im Spätjahr 1699 in die Mark- grafschaft nach der Aufhebung des Toleranz- ediktes von Nantes im Jahre 1685 zunächst in die Schweiz geflüchtet und erst dort aufWal- denser getroffen. Auf einen entsprechenden Aufruf König Wilhe1ms III. von England, die Flüchtlinge, aufzunehmen, hatte Markgraf Ftiedrich Magnus positiv reagiert und einer Anzahl gestattet, sich in seinem Lande nieder- zulassen, darunter die etwa 180 Hugenotten, die Welschneureut gründeten. Obwohl die Welschneureuter also keine Waldenser im enge- ren Sinne waren, fühlen sich deren Nachkom- men bis heute als solche. In der 1983 erschie- nenen Neureuter Ortsgeschichte von Hermann Ehmer und der im letzten Jahr veröffentlich- ten Festschrift ,,300 Jahre Welschneureut" ist Collums Forschungsergebnis von 1974 aber übernommen und damit auch alczeptiert. Der Autor, der einen familiengeschichtli- chen Ansatz verfolgt, geht zunächst auf die Vorgeschichte der Ansiedlungen ein, ehe er sich mit Friedrichstal, dann mit dem hier zu berücksichtigenden Welsch neu reut befasst. Namen und Herkunft der Neuankömmlinge interessieren ihn in erster Linie, einem be- schreibenden Text folgt eine fast achtseitige Namensliste. Verdienstvoll ist darüber hinaus, dass er anhand der Eintragungen im Welsch- neureuter Kirchenbuch die Menschen und ihre Schicksale vorstellt. In einem weiteren Kapitel werden die Stammeltern der heutigen Familien aufgeführt. Das durch ein Personen- und Familienre- gister erschlossene und mit 10 schwarz-weiß- Fotos, darunter einer Abbildung des erwähn- ten Briefs Wilhe1m 111., ausgestattete Buch lie- fert wertvolle Informationen zur Frühge- schichte Welschneureuts. Aus Karlsruher Sicht bleibt nur zu bedauern, dass der Verfasser - konsequenterweise - die bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts württembergische Waldenser- gründung Palmbach, heute ebenfalls Karlsru- her Stadtteil, nicht berücksichtigt, so dass man im Jubiläumsjahr 2001 dort nicht auf seine Forschungen zurückgreifen kann. ERNST OTTO BRÄUNCHE Horst Schlesiger, JosefWerner: Die 70er Jahre. Ein Karlsruher Jahrzehnt in Bildern G. Braun Verlag, Karlsruhe 1999, 120 S., 90 Abb., 36,- DM Der Braun Verlag führt eine Reihe mit Auf- nahmen aus dem Nachlass des ehern. BNN- Fotografen Schlesiger und Texten seines ehern. Lokalchefs Werner fort. Dieser Band ist nicht weniger anschaulich als die vorangegangenen. Der Rückblick in die Zeiten vor 20,30 Jahren lässt erkennen, in welcher Weise das Stadtbild deutlich verändert wurde: Günther-K1otz- Anlage mit Europahalle, Stadthalle, Theater, Einschnitte wie die Südtangente, die nicht das Los der Nordtangentenplanung erlitt, die mit 32 zu 31 Stimmen im Gemeinderat abgelehnt wurde. Einschneidend auch die Sanierung des "Dörfles" mit dem damals größten internati- onalen Architektenwettbewerb. Während mit Ende der Ära K1orz, von Werner mit innerer Anteilnahme beschrieben, Otto Dullenkopf erst rigoros sparen musste, weil die "Lichter ausgegangen waren", konn- ten trotz Ölpreisschock und erster Wirt- schaftskrise deutliche Fortschritte gemacht werden. Die Fußgängerzone um die Kaiser- straße (schon 1971 plante man eine Unter- pflasterbahn) schuf ein neues Flair. Aber Ar- 349 beitslosigkeit, Streiks und Demonsttationswel- len, vor allem der RAF-Terror, brachte Karls- ruhe auch Negativ-Schlagzeilen. Das Wich- tigste der Ära Dullenkopf war wohl die Einge- meindung, z. T. unter schmerzhaften Reakti- onen, die Karlsruhe deutlich größer werden ließ und neue Entwicklungsschübe auslöste. Klug dosierte Texte und Bildunterschriften schließen nicht nur die ptägnanten Fotos auf, mehrere von künstlerischer Qualität, sondern vermitteln einen deutlichen Eindruck vom Lebensgefühl jener Jahre, die an Aufgeregthei- ten nicht arm war, in denen aber Karlsruhe endgültig aus der Nachkriegszeit herauswuchs. Neben der reichhaltigen Information stellt sich unter der damaligen Herrschaft der Ab- rissbirne und des auslaufenden Betonzeitalters auch Nachdenklichkeit ein, weil der Rück- blick in diesem wichtigen Buch die Gegenwart durchsichtiger werden lässt. LEON HARD MÜLLER Birgit Bublies-Godau (Hrsg.): Henriette Obermüller-Venedey, Tagebücher und Lebenserinnerungen 1817-1871 (Forschungen und Quellen zur Stadtgeschich- te Band 7, Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe); Badenia Verlag, Karlsruhe 1999, 278 S., 21 Abb., 32,- DM. "Dass die Frauen bessere Democraten, gebore- ne Democraten seren ... '\ wie es zusätzlich im Titel heißt, ist jedenfalls bei dieser Karlsruhe- rin deutlich zu erkennen, hat sie doch wegen ihres Einsatzes 1848/49 für die demokratische Entwicklung allein monatelang im GeHingnis verbringen müssen und ist auch später einen teilweise schwierigen Lebensweg gegangen. Ihre Tagebücher, "Notizen unseres Erlebens", reichen vom Mai 1856 bis September 1870 und geben einen Teil der Atmosphäre im Großherzogturn Baden wieder, wie sie sie als Frauenrechtlerin, ehemalige Barrikadenkämp- ferin und Republikanerin sah. Auch die Le- benserinnerungen sind nicht nur fesselnd zu lesen; sie vermitteln einen farbigen Eindruck in familiäres, wirrschaftliches und auch politi- sches Alltagsleben im 19. Jahrhundert, wie man es nicht leicht vergleichbar findet. Darum ist nicht nur das Stadtarchiv zu loben, dass es diese Quellen der bisher wenig bekannten "Democratin" zugänglich gemacht hat, bereichert um 16 Seiten Abbildungen, sondern auch die Herausgeberin, die mit ko- lossaler Intensität in die Materie eingestiegen ist, nachdem sie über den Publizisten und Historiker Jakob Venedey (1805-1871), der zweite Ehemann von Henriette Obermüller (1817 -1893), ihre Dissertation geschrieben hatte und man sie dort schon die Papiere die- ser Familie auswerten ließ. Die Texte werden sehr ausführlich kommentiert, und die Präzi- sion der Autorin au~h in der Handschriftdeu- tung besticht. Zuweilen wird jedoch wohl des Guten zuviel getan. Bei 34 Seiten der Tagebü- cher zählt der Anmerkungsapparat 35 Seiten, und die Lebenserinnerungen werden mit 456 Anmerkungen begleitet. Zählt man zu den Anmerkungen noch die 21 Seiten Literatur- verzeichnis dazu, erhält man nebst dem Ein- druck der großen Belesenheit und des Fleißes der Herausgeberin freilich eine umfassende Bi- bliographie, die für den jungen Historiker sehr nützlich sein kann. LEONHARD MÜLLER Harm-Hinrich Brandt: Deutsche Geschichte 1850-1860, Entscheidung über die Nation Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln 1999, 273 Seiten, 48,90 DM Wer vor dem Hintergrund fulminanter Ge- samtdarstellungen zum 19. Jahrhundert aus 350 jüngerer Zeit wie denen von Thomas Nipper- dey oder Hans-Ulrich Wehler eine Epoche der deutschen Geschichte noch einmal beschrei- ben will, braucht schon Mut. Nun handelt es sich hier um ein Studienbuch, dessen Umfang der Verlag "mit freundlicher Beharrlichkeit" streng begrenzte. so dass nach einem kurzen einführenden Kapitel über den "ökonomi- schen Wandel im Zeichen der Industrialisie- tung" nur die politische Geschichte beschrie- ben wird, auch wenn in Unterkapiteln Kir- chen- und Bildungspolitik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Reaktionszeit gestreift wer- den. Der Verfasser weist im Vorwort daraufhin, wie stark er den Text straffen musste. Wenn das ein "Studienbuch" für Studenten sein soll, ist es eine sraubtcocken konzentrierte Kost, die nicht gerade zum Geschichtsstudium einlädt. Selbst Handbuchbeiträge wie die von Hans Fenske zur baden-würtrembergischen Ge- schichte (1992) sind da farbiger geschrieben. Für Profis ist die Lektüre hingegen anre- gend, zumal hier die föderale Grundlage stär- ker gesichert ist und Baden und Württemberg neben anderen Ländern eigene Kapitel erhal- ten. Dazu findet man sonst in Gesamtdarstel- lungen ab 1849 nur wenige Formulierungen; in der Regel wird gleich die Brücke zur Neu- enÄra 1858 in Preußen geschlagen, das ohne- hin als Großmacht zu einseitig betont wird. Aber auch die Kapitel zum deutschen Süd- westen sind äußerst gestrafft. Was soll sich der Leser über die Reaktionszeit in Baden von der "Inszenierung politischer Prozesse (Prozess Ger- vinus)" vorstellen, wenn ihm nicht in einem Nebensatz erklärt wird, dass da ein Hisroriker des Hochverrats bezichtigt wurde, der die Entwicklung zur Demokratie voraussagte. Wer solche Verkürzungen kennt oder in Handbüchern nachschlägt, wird freilich diese Passagen mit Gewinn lesen. So ist z. B. die ba- dische liberale Parteiregierung 1858-66, die innenpolitisch so konfliktreich verlief, auf zwei Seiten höchst differenziert und sachgerecht dargestellt. Ähnliches gilt für den Wechselbe- zug von Innen- und Außenpolitik in Würt- temberg. Wie Baden ist ja kein anderer deutscher Einzelstaat so nachdrücklich von der Tendenz- wende einer Neuen Ära geprägt worden. Erst- mals wurden in Deutschland durch Entschluss des Regenten Vertreter einer Kammermehr- heit der Liberalen in eine Regierung berufen, eine erste parlamentarische, von der sich Friedrich l. "innenpolitische Impulse" ver- sprach, "eine nationalpolitische Signalwirkung erhoffte ... und andere Fürsten von der Frucht- barkeit des badischen Kooperationsmodells" zu überzeugen versuchte. Das große innere Reformwerk "erneuerte Badens nationalen Ruf als Reformstaat" , der bei "einer Verstaadichung der Schulorganisation und einer Säkularisati- on der Bildungsziele und Lehrpläne" zum er- sten langjährigen Kulturkampf mit den Kir- chen, besonders der katholischen, führte . Die Hinwendung von Baden und WÜrt- temberg zu Österreich bis zur Kriegspartner- schaft 1866, die antipreußische Stimmung und die Ablehnung Bismarcks quer durch die politischen Lager erhält in der Darstellung durch die Einbeziehung Österreichs tiefere Dimensionen. So ist eines der wichtigsten Ka- pitel die Beschreibung des Reformversuchs der Habsburger Monarchie 1862/63, die Verfas- sung des Deurschen Bundes als Staatenbund weiter zu entwickeln, um ihm "ein Element nationaler Integrität einzufügen". Bismarcks kleindeutsche Politik zielte aber auf eine Zer- störung des Deutschen Bundes und die preu- ßische Vormacht. Im Schlusskapitel weist Brandt daraufhin, dass bei einer Hypothese eines Bewahrens des Deutschen Bundes unter österreichischer Do- minanz zwar die bereits vorhandenen nationa- listischen Tendenzen nicht "so penetrant for- ciert" worden wären wie nach dem "sieges- 351 deutschen Anstrich" wilhelminischen Musters nach 1871. Die Bundesreformvorschläge hät- ten aber auch nicht zu einem echten Parla- mentarismus der Bundesangelegenheiten ge- führt und die obrigkeitsstaatliche Tradition wäre auch so prägend geblieben. Die Wiener Regierung hätte die deutsche Nationalbewe- gung für die Interessen des Vielvölkerstaats eingesetzt und wäre in der Balkanpolitik un- ausweichlich auf die russische Expansion ge- stoßen. Ein Konflikt hätte sich dann schon vor 1914 ergeben. Das sind interessante Extrapo- lationen, die in die Sonderwegdebatte ein- münden, d. h. auch ohne das Reich Bismarck- scher Prägung wäre ein österreichisch geleite- ter Bund in die innen- und außenpolitischen Konflikte hineingeraten, die das Ende des 19. Jahrhunderts bis 1914 begleiten. Der Verfasser bietet - studienbuchgemäß - ein ausführliches Verzeichnis der jüngsten li- teratur an. Und so basiert z. B. auch seine Dar- stellung der Gründe für den deutsch-französi- schen Krieg auf Forschungen Josef Beckers zum Problem der Bismarckschen aggressiven Politik in der spanischen Thronfrage. Bei der Annexionsfrage von Elsaß-Lothringen kenn- zeichnet er dagegen Bismarcks Zurückhal- tung, die er "nicht von sich aus losgetreten" hat. Denn wenn man die Pläne zur politischen Zerstückelung Frankreichs eines einflussrei- chen badischen Politikers wie Franz von Rog- genbach dem gegenüberstellt, erkennt man, dass unter Nationalliberalen noch viel härtere Friedensbestimmungen gefordert wurden, die die Demütigung des "Erbfeindes" noch ver- stärkt hätten. Weder eine liberale noch eine österreichi- sche Alternative zu Bismarcks Kleindeutsch- land hätte wohl eine andere Wendung ge- bracht, denn noch vor der Zerstörung des Deutschen Bundes zeigte auch die Habsburger Politik - so der Verfasser - sowohl im Krim- Krieg wie im Anspruch aufOberitalien 1859 "ausgesprochen frühimperialistische Züge ... , in manchem eine Vorwegnahme der Stim- mung von 1870". Offenbar war die Lawine der Imperialismen nicht aufZuhalten und ließ 1914 "in Europa die Lichter ausgehen". LEONHARD M ü LLER Unter Strom - Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs in Karlsruhe (Veröffentlichungen des Karlsruher· Stadtar- chivs Band 20; hrsg. vom Stadtarchiv Karls- ruhe und den Verkehrsbetrieben Karlsruhe durch Manfred Koch); Badenia Verlag Karls- ruhe 2000; 336 Seiten, 39,80 DM Die Fächerstadt gilt als Mekka des ÖPNV. Mit der Eröffnung der Linie Bretten-Gölshau- sen zum Albtalbahnhof im September 1992 war erstmals die Trennung von Straßen- und Eisenbahn aufgehoben. Die weltweit beachte- te Pioniertat bestand im von den Verkehrsbe- trieben entwickelten Stadtbahnwagen, der auf beiden Gleisarten gleichermaßen verkehren konnte und so Bewohner der Region ohne Umsteigen in die Innenstadt brachte. Der im Jahr darauf gegründete KVV baute das Netz der Zweisystem-Stadtbahnwagen, die den öf- fentlichen Nahverkehr revolutionierten, zügig aus, schuf einen einheitlichen Tarifverbund und erweiterte seinen Service für die Fahrgäs- te. Heute bedient der KVV ein Gebiet mit einer Fläche von 3.158 Quadratkilometern, in dem etwa 1,2 Millionen Menschen leben. Das unter der Ägide von Dieter Ludwig entstande- ne Karlsruher Modell wurde zum Vorbild für zahlreiche Städte in In- und Ausland. Doch das erste Teilstück der Erfolgsspur legten bereits die Generationen zuvor. Über die Geschichte des öffentlichen Nah- verkehrs in der Fächerstadt und dessen we- sentliche Weichen stellungen berichtet jetzt 352 ausRihrlieh der Band 20 der Veröffentlichun- gen des Stadtarchivs, den Archiv und Ver- kehrsbetriebe unter dem Titel "Unter Strom" zum 100-jährigen Jubiläum der elektrischen Straßenbahn in Karlsruhe vorlegten. Das 336 Seiten starke Werk ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist es die erste Gesamtdarstellung der facettenteichen Ent- wicklung der Karlsruher Schiene in einem Guß von den Anfangen als Pferdebahn im Jahre 1877 und als Dampfbahn, die seit 1881 vom Durlacher Tor zum damaligen Durlacher Staatsbahn hof führte, bis zum Karlsruher Modell unserer Tage. Wesentliche Wegmarken wie die Elektrifizierung im Jahre 1900 oder der Weitblick in den 50er bis 70er Jahren, als Karlsruhe unter den Oberbürgermeistern Klotz und Dullenkopf ganz entgegen dem Trend in vielen anderen Städten weiter auf die Straßenbahn setzte, genießen in der von zahl- reichen, teilweise bisher unveröffentlichten Abbildungen wirksam unterstützten Retros- pektive besonderen Stellenwert. Weiter bringt die Publikation detaillierte Informationen über technische Neuerungen, Änderungen im Liniennetz, die Entwicklung von Albtal-, Turmbergbahn und Lokalbahnen und listet sämtliche bisherige Fahrzeuge der Karlsruher Straßenbahnbetriebe auf. Und "der Neuling" beleuchtet auch bislang weitgehend unbe- kannte Facetten der wechselvollen Bahnge- schichte. So hätte das Karlsruher Modell um ein Haar bereits acht Jahrzehnte zuvor einen Vorgänger gehabt. Im Jahre 1912 trat Ober- bürgermeister Karl Siegrist mit dem Plan an die Öffentlichkeit, die Straßenbahn, die ins Umland filhrende Lokalbahn und die Albtal- bahn miteinander zu verbinden und eine Karlsruher Eisenbahngesellschaft zu gründen. Die nahverkehrspolitische Vision scheiterte jedoch am Veto des Bürgerausschusses, der sich vor allem gegen die vorgeschlagene Form der Privatisierung in eine Aktiengesellschaft der gerade zehn Jahre zuvor kommunalisierten Straßenbahn wandte. Bemerkenswert ist bei "Unter Strom" aber auch die Herangehenswei- se an die Themen und die Verarbeitung der Fülle an Details. Unter Federfilhrung und Schlussredaktion von Stadthistoriker Dr. Manfted Koch liefer- te ein zwölfköpfiges Autorenteam, das sich zur überwältigenden Mehrheit nicht aus ausge- wiesenen Hiscorikern, sondern aus Straßen~ bahnexperten zusammensetzte, Einzelbeiträge zu den drei Schwerpunkten "Straßenbahnver- kehr in der Stadt 1877-1953", "Schienenver- kehr mit dem Stadtumland 1843-1957" und "ÖPNV in Stadt und Region 1954-2000". Koch selbst fügte die Arbeiten der Hobbyhis- toriker durch ein gleichermaßen themenorien- tiertes wie chronologisches Ordnungsschema nicht nur zu einem sinnvollen Ganzen, son~ dem gibt in einem eigenen Kapitel auch einen Überblick über den bislang weitgehend uner- forschten Zusammenhang von Nahverkehr und Stadtentwicklung. Insgesamt ist "Unter Strom" der Spagat, zum einen wissenschaftlich fundierte Erkennt- nisse zu liefern, aber auch eine möglichst brei- te Leserschaft anzusprechen, überzeugend ge- lungen. Vor allem da sich der Band nicht nur als Lesebuch eignet, in das sich der Interessier- te in Ruhe vertiefen kann, sondern durch sei- ne wohldutchdachte Unterteilung auch als profundes Nachschlagewerk, das vor allem in Manfred Kochs Überblick und der abschlie- ßenden Chronik in Kürze übet die wichtigs- ten Wegmarken det ÖPNV-Geschichte infor- miert. Nicht zu vergessen sind dabei die zahl- reichen eindrucksvollen Photographien aus den Anfängen der Bahn in der Fächerstadt, die Pferdebahn, Dampfbahn, wie die ersten "Elektrischen" vor dem Auge des Betrachters so richtig wieder auferstehen lassen. MATHIAS TRONDLE 353 Jürgen Schuhladen-Krämer: Akkreditiert in Paris, Wien, Berlin, Darmstadt. Badische Gesandte zwischen 1771 und 1945 Hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe; Info Verlag Karlsruhe 2000, 80 Seiten, 14,80 DM Anlässlieh der Einrichtung einer neuen baden- württembergischen Landesvertretung in Ber- lin gibt das Stadtarchiv einen Überblick he- raus, wie er in dieser anschaulichen Form bis- her noch nicht vorlag. Viele dieser Diploma- ten im 18.119. Jahrhundert hatten bei geringer Amtstätigkeit nur Kontakte zu den Höfen zu pflegen und ausführlich darüber zu berichten. Doch in entscheidenden Momenten wie in den Jahren 1803 und 1806 war es ein Diplo- mat wie Reitzenstein, der mit großem Ge- schick mehr zum Entstehen des badischen Staates bewirkte als sein Fürst. Es war ein spar- sames Land, und die Klage der zu geringen Aufwandsentschädigung war bei allen Ge- sandten notorisch, die deshalb oft aus reichen Adelsgeschlechtern ausgewählt wurden, um einen Eigenanteil zu leisten. Ein besonderes Kapitel ist den Vertretern in Berlin gewidmet, wofür bei den Preußen anfangs besonders Offiziere geeignet erschie- nen. Bei den zivilen Nachfolgern mussten die Außenminister zuweilen darauf drängen, dass nicht eigene, sondern die Politik der Karlsru- her Regierung vertreten werde. 1871 hob Ba- den zunächst alle Gesandtschaften auf bis auf die Berliner, die das Land im Bundesrat zu vertreten hatte und so auch ein repräsentatives neues Gebäude bezog, denn die zunehmende Bedeutung der Wirtschaftsförderung verlangte vielerlei Kontakte. So blieb dieser Stützpunkt als Vertretung im Reichsrat 1919 erhalten, ja bis 1943, um sich auch bei dem Rüstungspro- gramm beteiligt zu sehen. Beim Verfasser als erfahrenem Landeshis- toriker kann man nichts anderes als solides Quellenstudium und einen allgemein zugäng- lichen Stil erwarten. Die Redaktion (E. O. Bräunehe) der zahlreichen Abbildungen, Ta- bellen, Register unter Mitwirkung von Kat ja Schmalholz zeigt, wie gewissenhaft sich das Stadtarchiv auch bei kleineren Gelegenheits- publikationen aus gegebenem Anlass kümmert. LEONHARD MüLLER Heinz Kunle, Stefan Fuchs (Hrsg.): Die Technische Universität an der Schwelle zum 21. Jahrhundert Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum der Universität Karlsruhe (TH); Springer Verlag Berlin 2000, 477 S., 230 Abb., 69,- DM Gar manche Festschriften für Institutionen langweilen, weil man sich dort nur selbst fei- ern will. Ganz anders dieser Band, der, auch unabhängig vom Anlass, ein Tableau unserer Epoche zu entwerfen versteht: im Spannungs- feld von Tradition und Innovation zwar mit dem Schwergewicht auf die Brennpunkte technisch-naturwissenschaftlicher Forschung, aber gründend auf den gesellschaftlichen Strö- mungen. Natürlich sind manche der 17 Bei- träge über neue Erkenntnisfelder für Fachleute geschrieben. Aus Darstellungen über "Das neue Bild der Erde" oder "Neue Werkzeuge für die Medizin" kann aber auch der Laie Ge- winn ziehen, um nur zwei Beispiele zu nen- nen. Allein 13 Beiträge wenden sich den neu- en Formen der Lehre zu. Gängige Schlagwör- ter wie "Internationalität" oder "Interdiszipli- narität" werden hier mit Fakten gesättigt und überzeugen in ihrer Schlüssigkeit. Mit Berich- ten über ein Karlsruher Modell für die Ingeni- eurausbildung, postgraduale Studien, Studien- zentrum für Sehgeschädigte, lebenslanges Ler- nen und eine Teleuniversität beweisen, welche große Bedeutung die Lehre in dieser Hoch- schule einnimmt. 354 Die geistes-sozialwissenschaftlichen Pers- pektiven für Bildung und Ausbildung führen in das Feld der "offenen Universität" und ihre Rolle füt Politik, Wirtschaft und Gesellschafr. Hier wird angesichts jüngerer Kritik an den Universitäten ob ihrer Strukrur und der Ge- fährdung der Einheit von Forschung und Leh- re Stellung bezogen. Wie können Elemente der Leisrungskontrolle und des Wettbewerbs sinnvoll eingebracht werden, wie verändern öffentliche und private Mittel den Finanzrah- men, welchen Stellenwert soll die Grundla- genforschung gegenüber der angewandten, ökonomisch geforderten einnehmen? "Eines ist sicher: Die Hochschule muss mit einer be- wussten Öffnung hin zur Gesellschafr auf die- se Herausforderungen reagieren ... sei es als kompetente Beratungsinstanz für Politik, Me- dien und Bürger, sei es als mächtiger wirt- schaftlicher Faktor für ganze Volkswirrschaften oder ganz unminelbar für die eigene Region." Gerhard Seiler erwähnt für Stadt und Region die große Zahl von Unternehmern, aus der Universität kommend, die in der Technologie- region einen erfolgreichen Start fanden. Die Hochschule ist für ihn wie die Stadt von "ty- pisch badischem Understatement" geprägt, in einer "lauten Zeit" manchmal ein Nachteil, wo man Leistungen besser "verkaufen" müss- te. Die geschichtlichen Rückblicke erläutern, welche Impulse von Karlsruhe ausgingen, wie z. B. im Kampf um die Gleichberechtigung der technisch-naturwissenschaftlichen Bildung neben den traditionellen Universitäten mit dem TItel "Technische Hochschule" 1885 und das Promotionsrecht 1900 durch Grhzg. Fried- rich I. die "Fridericiana" bewusst herausgeho- ben wurde, die schon in der Kaiserzeit Weltruf gewann. Neben solchen Erfolgen werden auch Problemphasen in ausgewogener Sicht mehr- fach erÖrtere. So ist den Herausgebern gelun- gen, eine zwar varianrenreiche, aber doch ge- schlossene Publikation vorzulegen mit griffi- gen Zwischentexren zwischen den Sektionen bei vorzüglicher Präsentation durch Abbildun- gen. Die Universität kann auf eine solche Fest- schrift stolz sein. LEONHARD MÜLLER Barbara Guttmann: Den weiblichen Einfluss geltend machen ... KarIsruher Frauen in der Nachkriegszeit 1945 - 1955 (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadt- arehivs Bd. 21); Badenia-Verlag, Karlsruhe 2000,248 S., 37,- DM Der TItel ist Programm. In Anlehnung an ein Zitat von Kathinka Himmelheber, Initiatorin und etste Vorsitzende der im Oktober 1946 gegründeten Karlsruher Frauengruppe formu- liert Barbara Gunmann das Ziel, den Beitrag von Karlsruherinnen zum politischen Wieder- aufbau eines demokratischen Gemeinwesens in der ersten Dekade nach dem Zweiten Welt- krieg zu dokumentieren und in allgemeine politische Zusammenhänge einzuordnen. Diese Untersuchung lässt sich als weiteres Ele- ment in das mosaikartige Bild weiblichen En- gagements in der öffentlichen Sphäre einfü- gen, um das sich Forscherinnen seit einigen Jahren bemühen. Nach wie vor dominiert in der allgemeinen Erinnerung das Bild der so genannten Trümmerfrau, die in mühseliger Arbeit die Ruinen des Weltkriegsdesasters bei- seite räumt, um Neuem Platz zu schaffen. Damit wird jedoch nur ein Bruchteil des Ein- satzes, der Verdienste und vor allem auch Hoffnungen auf Einfluss und demokratische Gestaltungsmöglichkeiten von Frauen erfasst. Die ganze Breite gesellschaftlichen Engage- ments in den Blick nehmend, zeichnet Gun- mann neben der Mitarbeit in Parteien, in Ge- werkschaften und in kommunalpolitischen Ins- titutionen, also in der Politik im engeren Sinn, auch die Arbeit in Frauenorganisationen auf. 355 Die Quellenlage freilich ist schwierig und erfordert eine penible Spurensuche über allge- mein Zugängliches, wie z. B. die zeitgenössi- sche Presse hinaus. In den Überlieferungen der Parteien oder Gewerkschaften wird selten ein Wort über die weiblichen Protagonisten verlo- ren, die Unterlagen der Frauenorganisationen mussten aus privater Hand zur Einsicht erbe- ten werden. Außerdem führte die Historikerin Interviews mit 20 Zeitzeuginnen durch. Alltagsbewältigung und Politik fielen auf kommunaler Ebene zusammen, wie Gutt- mann das überwiegend kommunalpolitische Engagement begründet. Einführend widmet sie sich der wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Situation von Karlsruherinnen nach 1945, die die Rahmenbedingungen allen Engagements prägte und zugleich auch jene Alltagsprobleme schuf, an deren Lösung Frau- en mitarbeiten wollten. Die politischen Rah- menbedingungen wurden bis 1949 von der Besatzungspolitik gestaltet. Das kam der Gründung von Frauenorganisationen entge- gen, denn die amerikanische Militärregierung sah gerade in der weiblichen Bevölkerung das Potenzial ' für den Aufbau der Demokratie. Ohne Zögern wurde beipielsweise dem Antrag der Karlsruher Frauengruppe stattgegeben, ei- nen interkonfessionellen und überparteilichen Zusammenschluss zu begründen, der sich in der Tradition der Frauenbewegung vor 1933 sah. Ob und wie diese Erfahrung eine Rolle spielte, ist eine der Leitfragen. Die Verfasserin kommt zu dem Ergebnis, dass zu den Aktiven fast ausschließlich jene zählten, die auf organi- satorische und politische Erfahrungen vor 1933 zurückgreifen konnten, aber es gelang ihnen nicht, junge Frauen zu gewinnen. Für sie waren die alten Organisationsformen über- lebt, außerdem habe eine Abneigung gegen Politik unter jenen, Frauen wie Männern, ge- herrscht, deren Jugend durch den Nationalso- zialismus geprägt worden war. Und so seien die Älteren in vielen Organisationen unter sich geblieben. Barbara Guttmann zeigt an- schaulich und ohne aus heutiger Sicht ambiva- lente Aspekte zu verschweigen, dass das öffent- liche Handeln der "Frauen der ersten Stunde" zur demokratischen Tradition gehört - auch wenn es kein massenhafter Aufbruch war. CHRISTINA KLAVSMAN N Horst Fischer: Landwirtschaft und Viehzucht in früherer und heutiger Zeit. Heft 4 (Band 11, Kapitel 8) der Chronik Wolfarts- weier; hrsg. vom Verein für die Geschichte von Wolfartsweier, 153 S., 24,- DM Die ersten authentischen Hinweise zur Situa- tion der Landwirtschaft in Wolfartsweier fin- den sich in AufZeichnungen von 1404. Zahl- reiche weitere Urbare, Urkunden und Schrift- stücke dienen dem Autor als Grundlage. Vom frühen Mittelalter bis in das 14. Jh. werden allgemeine Quellen herangezogen, die sich auch aufWolfartsweier übertragen lassen. Das Ergebnis ist eine interessante Wiedergabe des Lebens in den vergangenen Jahrhunderten. Die Bauern waren wichtigster Wirtschaftsfak- tor der Volkswirtschaft, die Gesellschaft war bis in das 19. Jh. bäuerlich geprägt. Struktur und Entwicklung der landwirt- schaftlichen Betriebe zeichnen ebenso ein le- bendiges Bild wie die Veränderung der Erträ- ge und Preise bei landwirtschaftlichen Produk- ten. Anschaulich wird die Problematik der Realteilung mit ihren negativen Folgen für die Betriebs- und Flurstruktur im Laufe der Jahr- hunderte abgehandelt. Kleinstbäuerliche Ver- hälrnisse resultieren daraus und bleiben bis weit in das 20. Jahrhundert hinein bestehen. Die landwirtschaftlichen Betriebe boten ihren Eigentümern bei einer äußerst geringen Flä- chenausstattung oft nur ein karges Brot und 356 das bei der Last der hohen und vielfaltigen Abgaben und Frondienste. Dennoch: manch tüchtiger Landwirt mehrte seinen Besitz und etteichte sicher auch einen gewissen Wohl- stand. Bemerkenswert, dass über die Jahrhun- derte hinweg 20 bis 40 % der Fläche im Besitz von Auswärtigen lag (z. B. Auemer, Durlacher, Grötzinger). Berichtet wird von rund zwei Dutzend landwirtschaftlicher Betriebe Anfang des 15. Jh., die dann bis zum Ende des 18. Jh. auf über 80 ansteigen und erst im Zuge des Strukturwandels der Nachkriegszeit bis 1990 völlig aufgegeben werden. Ebenso anschaulich dargestellt wird die Nutzung der kleinen Wolfartsweierer Flur: Wie wichtig war das Gartengrundstück zur Selbstversorgung! Die Förderung der Land- wirtschaft durch die Markgrafen war bedeut- sam. Natürlich spielte die Abhängigkeit von der Obrigkeit eine große Rolle, die Gemar- kung gehörte rechrlich den Markgrafen. Manche Familie in Wolf.lttsweier wird sich vielleicht bei der Auflistung der Namen im Zusammenhang mit früherem Gebäude- und Grundbesitz wiederfinden. Die Verwendung und Erläuterung der alten Begriffe wie Hube, Hufen, Zelg usw. interessiert. Wie auch die Nennung zahlreicher Hub- und Flurnamen und das Auflisten der früheren Straßennamen. K1einstbetriebe in Wolfartsweier konnten natürlich nur sehr kleine Viehbestände halten. Ein bis zwei Milchkühe, zugleich als Arbeits- tiere eingesetzt, waren die Regel. Die Pferde- haltung und "von oben" verordnete Pferde- zucht diente mehr der Bereitstellung von Mi- litätpferden und für Fuhrzwecke im Lohn. Nicht unbedeutend war das Federvieh. Ein besonderes Kapitel ist der Entwicklung des Genossenschaftswesens in Wolfärrsweier ge- widmet. Selbsthilfeeinrichtungen, wobei vor al- lem die Warengenossenschaft während ihres 70- jährigen Bestehens ab 1990 viele Impulse für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft gab. In den alten Quellen hat der Autor auch längst vergessene Namen und Tatbestände wieder ausgegraben. Die Geschichte der land- wirtschaft in Wolfartsweier spiegelt die allge- meinen Lebensumstände vergangener Jahr- hunderte wieder, und sie ist in sehr vielen Tei- len auf unseren Raum übertragbar. Das Heft ist ein Nachschlagewerk und Geschichtsbuch zugleich. Welch große Bedeutung hatte die heimische Landwirtschaft für die Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg, wie untergeordnet ist ihr Stellenwert in heutiger Zeit! ARNULF BEEG Bernhard Wien: Politische Feste und Feiern in Baden 1815-1850, Tradition und Transformation: Interdependenzen liberaler und revolutionärer Festkultur Peter Lang Verlag, frankfurt 2001, 702 S., 185,- DM Seit dem Historikertag 1984 wurden "Feste und Feiern" zu einem Modethema, dem bereits viele Arbeiten gelten. Also auch noch ein Buch über Baden, fragt der Verfasser ein- gangs. Er bejaht dies mit 702 Seiten und 1955 Anmerkungen. Für weitere Dissertationen wie diese sollte das keine Richtschnur werden. Die überfülle der Details verhindert aber nicht eine facettenreiche Publikation, weil in ihrer Differenzierung pauschalierende Darstellun- gen über das so unterschiedlich strukturierte Großherzogturn Baden relativiert werden. Seit 1818/19 wurde die neue Verfassung gefeiert, die man allerdings trotzig von der Regierung respektiert wissen wollte, und Eltern wie leh- rer sollten den Kindern den Verfassungstext wie Bibelstellen einprägen. Da politische Ver- sammlungen verboten waren, entpuppten sich diese kryptopolirischen Feste - in gelöster At- mosphäre - und Feiern - gemessenen Charak- 357 ters mit Pathos in Rede und Musik - zur Schiene in die revolutionäre Phase ab 1847, zur Revolution 1849. In Württemberg von der Polizei verboten, stärkte in Baden die po- litische Festkultur die liberalen Abgeordneten, ein Vorgang, von anderen Staaten bewundert, doch angesichts schwacher liberaler Bewegun- gen nicht erfolgreich nachgeahmt. Denn Ba- den und die bayerische Pfalz waren wohl die "aufgeregtesten" Länder und aufgeschlossen fur die Dynamisierung der revolutionären Ent- wicklung durch das Ausland. Mannheim und Freiburg galten dabei als liberale Hochburgen; Karlsruhe, Sitz der Regierung, wurde als Ba- dens Mitte in Zweifel gezogen. Bedeutsam bei den Festivitäten waren die Teilnehmerkreise und Symbole, mal mit Be- amten und Offizieren, mal ohne, mal mit Gottesdiensten sakral überhöht, mal rein po- litisch. Das Zeremoniell spielte eine wachsen- de Rolle mit Abzeichen, Kokarden, Bändern, Binden, Schärpen oder Kleidungstücken wie große Hüte, rote Mützen, blaue Blusen. Der Heckermyrhos, charakterisiert durch Heckers Erscheinungsbild, wurde einerseits Vorbild fur Revolutionäre, andererseits so abschreckend wie die rote Fahne, die die Radikalen für das erst revolutionäre, dann kompromittierte Schwarz-Rot-Gold einsetzten. Vor diesem Rot aber schreckten Bürgermeister zurück, die rote Feuerspritzen verkauften; Apotheker wollten Fläschchen nicht mehr in rotes Papier einwi- ckeln, "ein Bankier schnitt einem herrlich prangenden Kaktus alle seine Blüten ab", so berichteten die Konstanzer "Seeblätter" , eine der 77 Zeirungen, die d. Verf. in stupendem Fleiß ausgewertet hat neben vielen bisher un- gedruckten Quellen aus Stadtarchiven. Allein 73 Seiten umfasst das Verzeichnis der Litera- tur, mit der er sich kritisch auseinandersetzt. In Zwischenergebnissen nach seinen Kapiteln wird der Weg deutlich, wie die traditionellen bürgerlichen Feste und Feiern transformiert werden zur Basis fur Massenwirksamkeit mit entsprechender Durchschlagskraft, ja sie die- nen als "Türöffner für das unterbürgerliche Versammlungswesen 1847-49". Damit wird ein Zugang zu einer neuen Öffentlichkeit ge- schildert, die seit dem 19. Jahrhundert bis in unsere Tage reicht. LEONHARD MÜLLER Rheinhafen Karlsruhe 1901-2001. Mit Beiträgen von E. O. Bräunehe, G. Hert- weck, R. Homberg, P. Pretsch, U. Schubart, J. Schubladen-Krämer, A. Schwarzer (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs, Band 22), Karlsruhe 2001, Info Verlag, 408 S., 45,- DM Heute fragen Firmen, die sich neu ansiedeln wollen, häufig zuerst: Wie weit ist es zum nächsten Flughafen? Vor hundert Jahren hat- te die Rheinschifffahrt eine ähnlich große Be- deutung. Die Inbetriebnahme des Karlsruher Rheinhafens 1901 stieß das Tor auf zur drin- gend notwendigen wirtschaftlichen Weiterent- wicklung der Stadt und ihres Umlandes. Nicht zuletzt durch den 1963 angelegten Ölhafen hat sich der Güterumschlag übetwiegend po- sitiv entwickelt. In den 1980er Jahren stand Karlsruhe nach Duisburg zeitweilig an der Spitze der deutschen Anlauforte für die Bin- nenschifffahrt. Höchste Zeit also, nach früheren kleineren Publikationen die Geschichte und Entwick- lung der Karlsruher Rheinhäfen in der Ge- samtschau darzustellen. Für den vorliegenden, auch durch seine reiche Bebilderung informa- tiven Band zeichnen mehrere Autoren verant- wortlich. Nach einer zusammenfussenden Ein- leitung durch E. O. Bräunehe, der eine kurze Chronik zur Rheinhafengeschichte beisteuer- te, teilen sich G. Hertweck, J. Schuhladen- Krämer sowie Rheinhafenchef A1exander 358 Schwarzer die Aufgabe, den Werdegang von der Entwicklung der Oberrheinschiflfahrt und frühen Hafenplänen bis zur heutigen Anlage und den an sie gerichteten Anforderungen nachzuverfolgen. Eine Darstellung der Hoch- bauten am Hafen als Beispiele der Industtiear- chitektut zwischen Historismus und Beginn der Moderne von U. Schubart, die reizvolle Prä- sentation der Rheinhäfen in der bildenden Kunst von P. Pretsch sowie die kurze Geschichte der IOO-jährigen Stromversorgung durch das städtische E-Werk am Rheinhafen von R. Homberg erweitern in willkommener Weise die Untersuchung der Hafenentwicklung. Die mit dem Verfahren, das Thema "Rheinhafen" aus unterschietllichem Blickwinkel zu betrachten- unvermeitllichen Wiederholungen nimmt man gerne in Kauf. werden sie doch ausgeglichen durch Informationen, wie sie vorher so und zu- dem so übersichtlich geordnet nicht zur Ver- fügung standen - ist ein Gewinn. Dass schon die Römer den Rhein als Trans- portweg nutzten, ist bekannt, dass die Rhein- schifffahrt danach zeitweise immer wieder zur Bedeutungslosigkeit verkam, schon weniger. Weder die Stromverhältnisse, noch die Schiffs- technik bremsten den Handel, sondern eine Art gewerblichen Raubrittertums, das die Schiffs- ladungen "hemmungslos" mit Zöllen und Abgaben belegte. Neben diesen Detailfragen vermitteln die historischen Kapitel vor allem gruntllich recherchiert und faktenreich die wirt- schaftliche Bedeutung des Hafens für die Stadt, ist das Auf und Ab seiner Umschlagszahlen und seiner Erweiterungspläne doch ein Gradmes- ser auch für die Stadtentwicklung. Nachvoll- ziehbar wird der Einfluss der beiden Weltkrie- ge, der umstrittenen Neckarkanalisierung und der Energieträger Kohle und Öl. ZU einem Buch über den Hafen gehören freilich auch Informationen über die Personen beförderung mit den Fahrgastschiffen "Friedrich Töpper" oder "Karlsruhe" und über Hochwasser, die viele Karlsruher noch in Erinnerung haben. Auch wenn die Fülle des Stoffs die Lektüre nicht immer leicht macht, so ist der Band den- noch nicht nur für Historiker, sondern für alle an der Geschichte ihres H afens interessierte Karlsruher und Karlsruherinnen eine unent- behrliche Fundgrube. DOROTHEA SCHMITT-HOLLSTEIN Ute Grau/Barbara Guttmann: Gegen Feuer und Flamme. Das Löschwesen in Karlsruhe und die Berufsfeuerwehr (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs, Band 23), Karlsruhe 2001, Info Verlag, 256 S., 39,80 DM Noch 1809 bestimmte die Feuerordnung: "Je- der erwachsene Einwohner hiesiger Stadt und Klein-Carlsruhes ist verbunden, an den Feuer- lösch-Anstalten Antheil zu nehmen." Bis zur heutigen, gut organisierten Feuerwehr "als Mädchen für alles" war es ein langer Weg. Die Autorinnen beschreiben die Entwicklung des Feuerlöschwesens als mühsame Wanderung zwischen organisatorischen Reformen und technischem Fortschritt. Anlässe zu Verbesse- rung waren oft Katastrophen mit vielen Toten. Zwar hatte schon Markgraf Karl Wilhelm erkannt, dass seine überwiegend aus Holz ge- baute Stadt eine Feuerordnung brauchte. Inves- tieren wollte er jedoch nichts und zwang die Bürger, selbst eine falubare Spritze und Leder- eimer anzuschaffen. Das funktionierte leitllich. Zur Gründung der Freiwilligen Feuerwehr führte schließlich der Theaterbrand von 1847. Die als demokratische Vereine entstandenen freiwilligen Wehren hatten es daher nach der Revolution 1848/49 erst einmal schwer. Ab 1860 gab es jedoch erstmals im Haushalt ei- nen eigenen Feuerwehretat. Militärisch organi- siert, erwarb sich die Truppe schnell einen gu- 359 ten Ruf. Während der Industrialisierung wirk- ten sich das Wachstum der Stadt und die tech- nischen Entwicklungen bei den Anforderungen und der Ausstattung der Feuerwehr aus. 1912 leitete unter anderem die "benzin-automobile Drehleiter" die Motorisierung ein. Erst 1926 leistete sich die Stadt eine Berufsfeuerwehr, die an der Ritterstraße eine moderne Hauptwache erhielt. Für die Lösung des schwelenden Kon- flikts, ob der Chef der Hauptamtlichen oder der Freiwilligen das Sagen haben sollte, brauchte es einen Denkzettel. Nach dem Brand des Warenhauses Knopf im Juli 1928 erhielt der Chef der Berufswehr das letzte Wort. Unter dem Nationalsozialismus erlebte die Feuerwehr in der Reichskristallnacht 1938, als sie Juden keine echte Hilfe leisten durfte, den Tiefpunkt ihrer Geschichte. Nach 1949 folg- te dem ,Anfang mit nichts" eine stete Auswei- tung der Aufgaben mit neuen Sicherheitskon- zepten, etwa im Strahlenschutz oder für den Ölhafen. 1960 kam mit der Dependance in Mühlburg endlich die seit langem geforderte Westwache. Die Anschaffung moderner Mul- tifunktionswagen entsprach den erweiterten Anforderungen. Heute ist die Karlsruher Be- rufsfeuerwehr ein moderner Dienstleistungs- betrieb mit 210 Männern. Im Stadtfeuerwehr- verband besteht eine vertrauensvolle Koopera- tion zwischen Berufsfeuerwehr und der Frei- willigen Wehr. Wer sich für den aktuellen Stand des Löschwesens interessiert, dem bietet das letzte Kapitel des Buches guten Einblick. Der ganze Band bettet die Historie der Wehren in das politische und wirtschaftliche Geschehen der Stadt ein. Die umfassende und detaillierte Darstellung wäre allerdings noch lesefreundlicher, wenn jedem Kapitel ein kur- zer Absatz voran ginge, der die spezifischen Er- eignisse in die großen Entwicklungslinien auch der Feuerwehrgeschichte einreihte. ANDREA ALTENBURG Michael Ruhland: Schulhausbauten im Großherzogrum Baden 1806-1918 Verlag Renate Miller-Gruber, Augsburg 1999, 504 S., 379 Abb., 79,- DM Die Dissertation von Michael Ruhland, die nunmehr in einer reich illustrierten Buchaus- gabe vorliegt. leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag zu einer noch ausstehenden Architek- turgeschichte des Schulhausbaus in Deutsch- land, vielmehr dürfte diese Untersuchung ge- rade auch für den regional- und lokalge- schichtlich interessierten Leserkreis von beson- derem Interesse sein. Die Publikation besteht aus einem gut les- baren Darstellungsteil und einem umfangrei- chen Katalogteil. Im Mittelpunkt der Darstel- lung steht der Schulbau und Schulraum als soziale und pädagogische Umgebung im Spannungsfeld zwischen Funktion und Reprä- senration. Dabei bilden städtebauliche Aspek- te, die Entwicklung der Grundrissformen und Fassaden sowie die Frage nach der künstleri- schen Ausschmückung von Schulgebäuden in sich geschlossene Themenkomplexe der Un- tersuchung. Viele Beispiele in Text und Bild beziehen sich hierbei auf Karlsruher Schulbau- projekte von Friedrich Weinbrenner, Heinrich Hübsch, Heinrich Lang, Wilhe1m Strieder oder Friedrich Beichel. Der um die Jahrhun- dertwende einsetzende Einfluss der Kunster- ziehungsbewegung erreichte im Karlsruher Schulhausbau den Höhepunkt mit der 1905 in der Kapellenstraße fertiggestellten Schiller- schule von August Stürzenacker. Der Katalog stellt 98 Schulbauten vor, die im Großherzogturn Baden 1806-1918 ent- standen sind. Zu jedem Objekt gibt es eine Abbildung, eine Auflistung wichtiger Daten und Fakten sowie eine kurze Charakteristik des betreffenden Gebäudes. Daran schließt sich jeweils ein Abriss der Baugeschichte und eine Beschreibung der Ausstattung des Schul- 360 hauses an. Dabei ist mögliehst der Zustand zur Zeit der Eröffnung. zumindest aber das Aus- sehen vor 1918 zugrundegelegt. Aus Karlsruhe werden 17 Sehulhausbauten vorgestellt. Das ehemalige Lyceum in den Sei- tenflügeln der Stadtkirehe am Marktplatz und die ehemalige Höhere Töchterschule in der Kreuzstraße dienen heute anderen Zwecken. Dagegen wurden die Höhere Bürgerschule am Zirkel und das Lehretseminar in der Rüppur- rer Straße nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut. während vom Lehrerseminar in der Bismarckstraße wenigstens noch die Fassaden /Ur den Wieder- aufbau der heutigen PH verwendet werden konnten. Noch ganz oder tei lweise erhalten sind die Schulgebäude des Gymnasiums in der Bismarckstraße. der Höheren Bürgerschule und des Realgymnasiums in der Englerstraße. der Höheren Mädchenschule in der Sophien- straße. der Oberrealschule in der Kaiserallee. der Goemeschule in der Renkstraße und der Lessingschule in der Sophienstraße. Bezeich- nenderweise musste das Gebäude der Gewer- beschule am Lide11platz nach seiner Fertigstel- lung 1914 zunächst als Lazarett eröffnet wer- den. bevor es 1919 seiner eigentlichen Bestim- mung übergeben werden konnte. Der Stadtteil Durlach ist in Ruhlands Katalog mit drei noch heute bestehenden Schulhausbauten vertreten: Vereinigte Schulen in der Pfinztalstraße. Ge- werbeschule sowie Progymnasium und Real- progymnasium in der Gymnasiumstraße. Zu jedem Objekt sind auch die entspre- chenden Archivalien und die Literatur angege- ben. Zusätzlich erschließt ein Personen- und Gebäuderegister alle im Darstellungs- und Katalogteil erwähnten Sehulen und die betei- ligten Architekten und Künstler. Somit stellt die Publikation insgesamt auch ein wichtiges Handbuch und Nachschlagewerk dar. JÜRGEN SPANGER Annette Borchardt-Wenzel: Frauen am badischen Hof. Gefahrtinnen der Großher- zöge zwischen Liebe. Pflicht und Intrigen Casimir Katz Verlag. Gernsbach 2001. 388 S .• 25 Abb .• 49.- DM Der nFrauengeschichteCC ist seit längerem zu verdanken. dass die manchmal männlich- graue Geschichtsszene nicht nur eine neue Farbe erhält. sondern aueh neue Einsichten. So ist es verdienstvoll. die Lebensläufe von sie- ben Fürstinnen an badischen Höfen zu schil- dern. die nicht ohne Einfluss /Ur Badens Ent- wicklung waren: Karoline Luise. Amalie. Luise Karoline von Hochberg. Stephanie Beauhar- nais. Sophie. Luise v. Preußen und Hilda. Zwar gibt es über jede bereits Literatur. doch die Zusammenfassung dieser Lebensläufe ver- mittelt neben dem politischen einen breiten kulturhistorischen Zusammenhang. Wiewohl auf wissenschaftlichen Publikati- onen gründend. trotzdem manchmal an alte Voreingenommenheiten gebunden. will die Verfasserin in erster Linie unterhalten und wirft den deutsehen Historikern "aller größtes Misstrauen vor, wenn Geschichte zu 'Unter- haltung' herhalten soll". Nun könnte man im Gegenteil genug brillant gesehriebene Werke aufführen und auch darauf hinweisen. dass immerhin. die wissenschaftliche Literatur. auf die sich dieses Buch stützt. von diesen Histo- rikern aufgearbeitet wurde. Deren Stil ist freilich ein anderer. Hier dagegen benimmt sich ein russischer Großfürst "wie die Axt im Walde". Amalie "war ganz seharf', Kamarina die Große zu sehen, hielt dagegen Stephanie für "eine dumme Pute", während Napoleon "hämisch gegrinst" haben soll und so fort. Man weiß nicht, wo in den Quellen so etwas steht, denn das Original macht doch wohl erst "Spaß", wovon mehrere hier zitierte Quellen zeugen und nicht allein diese Diktion der Autorin. 361 Dass es zu Überschneidungen der einzel- nen Lebensbilder kommt. die einzeln gelesen werden können, Stört weniger, dagegen ein Faktum wie z. B. die Vorliebe Karl Friedrichs für "diese oder jene niedrige Weibsperson" so oft in Variationen, was man doch spätestens beim zweitenmal begriffen hat. Die Schicksale sind "durch ein Temperament" gesehen. und da kann man bei jeder Biographie streiten. Dass der letzte Großherzog Friedrich 11. aber ein "charakterschwacher" Mann gewesen sein soll. dem muss man auf Grund der Quellen deutlich widersprechen. Die zahlreichen Literaturangaben werden z. T. eigens kommentiert und eine Stammta- fel erleichtert die Übersicht. So werden Hilfen für weitere Orientierungen angeboten. Und manchen mögen die obigen Einwände weni- ger stören, wenn er sich bei dieser Portrair- sammlung unterhalten weiß. Sollte er dadurch mögliche Zugänge zur badischen Geschichte finden. wäre das erfreulich. . LEONHARD MÜLLER Ute Grau: Schloss Augustenburg (Häuser- und Baugeschichte. Schriftenteihe des Stadtarchivs Karlsruhe. Bd. 1). Info Verlag Karlsruhe 2000.16.80 DM/8.59 € Holger Reimers. Gerhard Kabierske. Georg Matzka: Ein Karlsruher Modellhaus von 1723. Das Seilerhäuschen (Häuser- und Baugeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe. Bd. 2). Info Verlag Karlsruhe 2001. 29.34 DMI15 € Mit dem Band über Schloss Augustenburg eröffnet das Sradtarchiv Karlsruhe eine neue Publikarionsreihe "Häuser- und Baugeschich- te" und ergänzt damit die beiden bestehenden Reihen "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs" und "Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte". Nun besteht eine Publi- kationsmöglichkeit für kleinere Arbeiten zu architektur- und baugeschichtlichen Themen. denen innerhalb der Gesamtstadtgeschichte eine wichtige Rolle zukommt. Dies ist umso erfreulicher. als es gerade in Karlsruhe lange am Bewusstsein für die eigene Architektur fehlte. Insbesondere die historischen Gebäude wurden - aufgrund des geringen Alters der Stadt - wenig geschätzt. Völlig zu Unrecht. denn. wie Oberbürgermeister Heinz Fenrich in seinem Geleitwort feststellt. verfügt Karls- ruhe über eine beachtliche historische Bausub- stanz. Diese sei nicht nur von architekturge- schichtlichem Interesse. sondern liefere darü- ber hinaus wertvolle Erkennrnisse z. B. zur Alltags-. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Dass Häuser "vielerlei Geschichten erzäh- len" können. zeigt sich gleich im ersten Band über Schloss Augustenburg. Die Autorin Ute Grau. eine auf stadt- und landesgeschichtliehe Themen spezialisierte Historikerin. bettet ver- siert die wechselvolle Geschichte des Gebäudes in übergreifende Zusammenhänge ein. In flüs- sig zu lesender Weise entblättert sie das Schick- sal des Gebäudes vom staufischen Pfründner- haus über fürstliche Hofhaltung. die Nutzung als Krapphaus und als Knopffabrik. bis hin zur Herberge der Grötzinger Malerkolonie. Span- nend zu verfolgen ist auch der lange Kampf um den Erhalt des alten Gemäuers. Leider erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts konnte durch den Ausbau zum Altenheim wenigstens noch der Hauprflügel gerettet wer- den - der Rest der Anlage war wegen des fort- geschrittenen Verfalls nicht zu erhalten. Der Titel der neuen Reihe legt nahe. dass sich das Stadtarchiv in Zukunft mehr der Bau- geschichte widmen will. Wie schwer Histori- kern der Umgang mit dreidimensionalen Quel- len fällt. zeigt dieser erste Band. Die Bauge- schichte wird zwar genannt. doch fehlt es an 362 einer soliden Baubeschreibung, kein Plan hilft dem Leser, sich das Gebäude selbst zu erschlie- ßen. Selbst klassische historische Quellen wie die Inventarverzeichnisse der Markgräfin Ma- riaAugusta (1649-1728) werden nur in Hin- blick auf Besitztümer und Personalbestand ausgewertet. Die Information über 34 Zimmer und eine Kapelle im Hauptgebäude sowie eine Vielzahl an Nebengebäuden fehlt. Ein Blick ins Großinventar von 1938 (Kunstdenkmäler Badens) gibt hier auf wenigen Seiten eine Viel- zahl von bauhiscorischen Informationen, die in eine Monographie unbedingt hätten einflie- ßen müssen. Eine Ergänzung dieser über 70 Jahre alten Beschreibung anhand des heutigen Bestandes wäre darüber hinaus wünschens- wert gewesen. Auch fehlt ein Wort zu den prä- genden Baurnaßnahmen des 16. Jahrhunderts im Rahmen der heimatlichen Renaissancebau- kunst. Trotz dieser Kritik bleibt der hier vorge- stellte Band eine unterhaltsame und optisch ansprechende Lektüre, die mit leichter Hand viel über das Leben im Schloss Augustenburg erzählt. Völlig anders zeigt sich demgegenüber der zweite Band der Reihe. Er ist einem Gebäude gewidmet, das auf grund seiner spektakulären Rettungsgeschichte zu einer Karlsruher Be- rühmtheit wurde: dem Seilerhäuschen. Schon die Profession der Aucocen - zwei Bauhisroci- ker und ein Architekt - lässt die andere Ge- wichtung dieses Bandes ahnen. Und dann schlägt sie zu, die Baugeschichte. Zunächst führt Holger Reimers den Leser an das Gebäude heran und in es hinein. In allgemeinverstäncllicher Sprache erklärt er, wie viele Fragen der kenntnisreiche Forscher an ein unscheinbares Haus stellen kann, und wie vielfältig die Erkenntnisse sind, wenn er Zeit für die Suche nach Antworten hat. Das an- hand des Seilerhäuschens gewonnene Wissen erlaubte dem Autor, historische Fotografien anderer Modellhäuser neu auszuwerten. Die Erkenntnisse befruchteten sich gegenseitig und dem Leser steht nun nicht mehr die alte Hütte vor Augen, sondern - sehr anschaulich in den farbigen Rekonstruktionszeichnungen - ein reizvolles Barockhäuschen. Dieser Ex- kurs kommt einer Grundlagenforschung zur Stadtbaugeschichte gleich. Der Wert der bei- den letzten erhaltenen Dokumente - neben dem Seilerhäuschen nur noch das Haus Wald- straße 9 - wird um so deutlicher. Wie wenig selbstverständlich das Interesse an dieser Form von Geschichte ist, zeigt die von Gerhard Kabierske zusammengestellte Chronologie der Ereignisse seit 1962. Das Seilerhäuschen ist ein Paradebeispiel für den Wandel des öffentlichen Bewusstseins von fortschrittsgläubigem Erneuerungswillen der 1960er Jahre - als das unscheinbare Haus be- denkenlos einer Hochgarage weichen sollte - bis hin zur Eintragung des Gebäudes ins Denkmalbuch als Kulturdenkmal von beson- derer Bedeutung im Jahre 1999. Für den zukünftigen Besucher des Gebäu- des - und dank der geplanten Nutzung als Cafe und Galerie wird das Gebäude öffentlich zugänglich sein - wird ebenfalls von Interesse sein. wie denn nun mit den vielen Erkenntnis- sen umgegangen wurde. was warum und wie erhalten blieb oder erneuert wurde. Hierüber gibt der Beitrag des bauleitenden Architekten Georg Matzka Auskunft. Der Band ist mit zahlreichen informativen Abbildungen ausgestattet, die zum Nachlesen verleiten. Sie erleichtern es dem Leser, die an- spruchsvolle Lektüre zu bewältigen - der Lohn ist ein großer Erkenntnisgewinn: über cllie frü- he Stadtbaugeschichte, die Modellhäuser, über Handwerkstraditionen und nicht zuletzt auch über bauhistorische Methoden. ULRIKE PLATE 363 Sergej G. Fedorov: Wilhe1m von Traitteur. Ein badischer Baumeister als Neuerer in der russischen Architektur 1814-1831 Berlin 2000, 331 5.; 75,67 € Badens Architektur- und Ingenieurschule - Vorläuferin der heutigen Karlsruher Univer- sität - ist seit Weinbrenners Zeiten über die nationalen Grenzen hinaus bekannt. Nur we- nige wissen, dass bereits vor Weinbrenner ein badischer Baumeister im Ausland wirkte und maßgeblich am Aufbau einer modernen Ar- chitekturschule in St. Petersburg Anteil hatte. Die Rede ist von Wilhe1m von Traitteur (1788-1859), dessen Familie heute noch im Mannheimer Raum bekannt ist. In den Jah- ren, als gerade die Rheinbegradigung durchge- führt wurde, erwarb er das für solche Projek- te notwendige ingenieurtechnische Wissen zu- nächst autodidaktisch und dann an der europa- weit führenden »&ole des ponlS et chaussees" in Paris. In der Endphase der napoleonischen Kriege (1813-1816) weilte der russische Zar Alexander 1., verheiratet mit einer badischen Prinzessin, häufig in Bad~n. Hier lernte er den jungen Ingenieur kennen und engagierte ihn 1814 für Arbeiten in seiner Hauptstadt. St. Petersburg war seinerzeit wohl die größte Baustelle Europas. Zur Bewältigung der zahlrei- chen Aufgaben richtete der Zar Bauschulen und Behörden nach französischem Vorbild ein und berief ausländische Fachleute wie Augus- tin de Betancourt als Leiter und Wilhelm von Traitteur, der mit seinen französischen Erfah- rungen beste Voraussetzungen mitbrachte. In den kommenden 18 Jahren entfaltete Traitteur eine reiche Tätigkeit: Seine Entwürfe für Kasernen, staadiche Druckanstalten oder unüblichen Spannweiten. Brückenbauten stellten den innovativsten Teil des Oeuvres von Traitteur dar. Russland hatte einen enor- men Bedarf an neuen Verkehrswegen. Dabei waren Hunderte von Brücken über Bäche und Flüsse zu bauen, was nur durch weitgehende Rationalisierung und Standardisierung der Bauelemente zu lösen war. In St. Petersburg selbst mussten für den steigenden Verkehr ebenfalls neue Brücken über die Newa und ihre Seitenarme geschlagen werden. Traitteur passte den gerade in Amerika und England entwickelten Typus der Eisenkettenbrücke dem Nordrusslands an. Dabei entstanden ei- nige besonders schöne Brücken, wie die Pan- teleimonbrücke, die zum eleganten Erschei- nungsbild St. Petersburgs beitrugen. Einzelne von ihnen existieren heure noch. 1831 verließ Wilhelm von Traitteur plötz- lich den russischen Staatsdienst und kehrte nach Mannheim zurück. Aufgrund fehlender Quellen sind dafür eher politische als persön- liche Gründe zu vermuten. Das Wirken eines Ingenieurs in verschiede- nen Kulturen zu schildern, war nur einem Autor möglich, der diese auch selbst kennt. Es ist daher ein Glücksfall, dass der russische Bauhistoriker Sergej G. Fedorov aus St. Peters- burg seit edichen Jahren am Institut für Bau- geschichte der Universität Karlsruhe arbeitet. Er brachte die reichen Quellen insbesondere der St. Petersburger Archive zum Sprechen und entlockte auch badischen Archiven man- che Neuigkeiten. Das Buch, großzügig ausge- stattet und votzüglich bebildert, schildert ei- nen neuen Aspekt der badisch-russischen Be- ziehungen und macht mit einer wichtigen Facette der Geschichte des Brückenbaus be- Menagerien zeugten einerseits von der siche- kannt. ren Verwendung der klassizistischen Architek- turformen; andererseits offenbaren sie seine besondere Neigung zu Ingenieurbauten: viele Bauwerke besitzen Hallen mit riesigen, bisher JÜRGEN KRÜGER 364 Hansmartin Schwarzmaier: Das Dorf in der Geschichte von Land und Landschaft. Von den Anfangen bis zum Jahr 1800 Chronik Wolfahrtsweier Heft 5, Selbstverlag des Geschichtsvereins, 2001, 143 S., 12,- € Der Elan von Elga Roellecke, eine repräsenta- tive Chronik von Wolfahrtsweier herauszuge- ben, von der bereits vier Hefte erschienen sind, ist bemerkenswert. Wer in verschiedene landesgeschichtliche Arbeiten Einblick hat, z. B. bei der Jury für Preise zur Heimatfor- schung in Baden-Württemberg, bemerkt, wie besonders dieses Heft sich von einer einäugigen Blickrichtung auf das örtliche Detail abhebt, wie sie oft anzutreffen ist. Nun ist H . Schwarz- maier ein versierter Historiker, der für zahlrei- che Epochen eine Vielzahl von Veröffentli- chungen vorgelegt und besonders als Heraus- geber und Autor des "Handbuchs der Baden- Württembergischen Geschichte" große Ver- dienste erworben hat. So gelingt es ihm, wie der Titel verheißt, die Entwicklung eines Dor- fes wie Wolfahrrsweier in das große Tableau der Landesgeschichte einzufügen. Und das gerade für eine Zeit, für die der Ort nur weni- ge Quellen aufWeist, denn die Schriftzeugnisse strömen erst seit dem 18. Jahrhundert. Allein die sorgfaltige Ausstattung mit Kar- ten zeigt, wie eine Dorfgeschichte immer im Zusammenhang mit der Landschaft zu sehen ist. Dazu gehört nicht nur die Geographie, die Bevölkerungsstruktur. In dieser Landschaft der ehemaligen Römerstraßen, der Funde aus Kelten- und Alemannenzeit, der großen Be- deutung des Klosters Gottesau für die kirchli- che Betreuung findet man so viele Kompo- nenten, dass farbige Kapitel aus antiker und mittelalterlicher Geschichte aufgeschlagen werden können. Der Verfasser nimmt den Leser bei der Hand, um ihn in großer An- schaulichkeit zu Epochen hinzuführen, die diesen Ort in ein großes Geschehen einbetten. Die komplizierte Familiengeschichte der Zäh- ringer und ihre Glaubenswechsel in der Refor- mationszeir werden so aufbereitet, dass man neues Imeresse an badischer Geschichte ge- winnt. Die Zeit der französischen Einfälle im 17. Jahrhundert, die großes Elend am Ober- rhein hervorrief. macht deutlich, wie die dörf- liche Bevölkerung Opfer von Machtgier und Ideologie wurde. In einem sorgfältig ausge- wählten Anmerkungsapparat wird auf eine umfangreiche Literatur hingewiesen. In summa: ein Beispiel für Hobbyhistori- ker, wie Orrsgeschichte lebendig gemacht wer- den kann, wie man mit dem Schicksal eines Dorfes den großen Atem der Geschichte ein- Hingt, der jeden Leser faszinieren wird. LEONHARD MüLLER Karl Zahn: Gräber, Grüfte, Trauerstätten. Der Karlsruher Hauptftiedhof (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs, Band 24), Info Verlag Karlsruhe, 200 I , 26,- € "Denn alle Lust will Ewigkeit" - mit einem fotokünstlerischen Blick auf erorische Skulp- turen europäischer Friedhöfe öffnete die Foto- grafin Isolde Ohlbaum nicht nur den Blick auf eine ungewöhnliche Friedhofsperspektive, son- dern weckte bei einem breiten Publikum die Lust auf mehr über Friedhöfe. Lust auf Fried- hof? Die kulturelle Bedeutung des "öffentli- chen Bestattungsraumes", sie verdient weit mehr als spektakuläre Impressionen, sie for- dert vor allem eine feste Verankerung des The- mas "Friedhof" im Kontext stadthistorischer Untersuchungen. Friedhöfe als wichtiger Be- standteil von Stadtgeschichte sind ein facet- renreiches Kaleidoskop von Stadtentwicklung, kunsthistorischer Vielseitigkeir, Baugeschichte und vor allem soziokultureller Entwicklung. 365 Wie Friedhofsgeschichte als integraler. le- bendiger Bestandteil der Karlsruher Stadtge- schichte durchaus Lust auf mehr Friedhof ent- fachen kann. das verdeutlicht die von Karl Zahn über zwanzig Jahre hinweg sorgfältig recherchierte Entwicklung des Karlsruher Hauptfriedhofs und seiner Vorgeschichte. Dass das umfangreiche Manuskript der nach ihrem Verfasser im Karlsruher Stadtarchiv ge- führten "Zahn-Chronik" über den ältesten kommunalen Friedhof Deutschlands nun endlich als Buch den Weg in die Öffentlich- keit gefunden hat. ist ein publizistischer Glücksgriff. Weckt bereits der Haupttitel "Gräber. Grüfte. Trauerstätten" die Neugierde der stadthistorisch interessierten Leser. so hält der chronologisch gegliederte Inhalt neben seiner unglaublichen Informationsfülle so manches überraschende historische Detail bereit. Wer vermutet schon unter dem bauli- chen Karlsruher Prunkstück. dem Markplatz. den Ursprung des Karlsruher Bestattungswe- sens oder unter dem Verkehrsknotenpunkt Mendelssohnplatz den ersten. 1794 angeleg- ten Friedhof der jüdischen Mitbürger? "Streit um das Leichenhaus". "Drei-K1assen-Bestat- tungssystem", "das Karlsruher Sargmonopol" - wer Karl Zahn auf den Spuren durch die Karlsruher Friedhofgeschichte begleitet. wird vieles entdecken: Nachdenkliches. Erstaunli- ches und auch manches zum Schmunzeln. Für den Leser etwas irreführend mag der Untertitel der Publikation sein. Denn wenn auch ihr Kernstück dem Karlsruher Haupt- friedhof gewidmet ist. macht vor allem die umfassende Darstellung der Geschichte des Bestattungswesen in Karlsruhe - von der Stadtgründung bis heute - die Besonderheit dieses Werkes aus. Mit historischen Quellen. Plänen. Zeichnungen sowie reichhaltigem Fo- tomaterial abwechslungsreich gestaltet. entfal- tet sich ein spannungsreicher Bogen von den Gräbern beim Schloss Gottesaue. Trauersitten Das Theatcrhrand·Denkma! vor der Grufu=nhalle auf dem Allen Friedhof, mit dem den Opfern des Theaterhrandes 3m 28. Februn 1847 gedacht wird. und Begräbnisvorschriften. Friedhöfen der jü- dischen Gemeinde. über die architektonischen Höhepunkte. die Parkstruktur sowie besonde- re Grabmale des Hauptfriedhofes bis hin zu dem aktuellen Thema "Grabmalpatenschaften auf Karlsruher Friedhöfen". Mehr Lust auf Karlsruher Friedhofsge- schichte? Sicher! Was der langjährige stellver- tretende Leiter des Karlsruher Friedhofsamtes 366 Karl Zahn durch intensives Quellen- und Li- teraturstudium zusammengetragen hat, ist ein Werk von besonderer historischer Dichte, das in seiner Gründlichkeit der Karlsruher Stadt- geschichte eine neue vielseitige Perspektive er- öffnet. YPS KNAUBER Im Mittelpunkt der Mensch. Parlaments- reden Karlsruher SPD-Abgeordneter. Herausgegeben vom SPD-Kreisverband durch Manfred Koch, Info Verlag Karlsruhe 2001,15,- € Jubiläen zu begehen ist eine Kunst. Traditio- nen verleiten gerne zu ausschmückender Selbstdarstellung. Die eigene Geschichte dient dann nur noch als Instrument zur Selbsrwert- steigerung im Gegenwärtigen. Ganz anders ist die Karlsruher SPD mit dem bleibenden Werk zu ihrem 125-jährigenJubiläum umgegangen. Statt einer farbigen Hochglanzbroschüre liegt ein 232seitiges Buch mit wenigen schwarz- weiß Aufnahmen auf dem Tisch. Auf dem Umschlag nur Passfotos von Politikerinnen und Politikern, einer Berufsgruppe, die im öf- . fentlichen Ansehen der Bundesrepublik nicht gerade hoch gehandelt wird. Die positive Übertaschung erfolgt bei der Lektüre des Bandes: Statt in hehren Worten sich selbst zu feiern, wird anhand der geleiste- ten Arbeit Karlsruher Parlamentarier der Ein- satz für die Werte der Sozialdemoktatie darge- stellt. Der Kraft des Wortes vertrauend, wer- den gleichsam wie Zeitzeugen alle Karlsruher Abgeordnete und Oberbürgermeister - die Auswahl wird in einer Vorbemerkung erläutert - mit wichtigen Reden vorgestellt. Dabei wird jede Rede mit Bild und einer 1-2 seitigen in- formativen Kurzbiografie dem Leser nahege- bracht, bevor der Zusammenhang, in dem die Ansprache gehalten wurde, kurz skizziert wird. Unter dem mehrfach zutreffenden Leitmo- tiv "Im Mittelpunkt der Mensch" bieten die Texte ein beeindruckendes Kaleidoskop aus der deutschen Geschichte. Bei manchen The- men zeigt sich die Veränderung der Bundesre- publik überdeutlich, wenn z. B. Erwin Sack 1979 im Landtag eine Lanze für den Sozialen Wohnungsbau bricht, weil viele Familien kei- ne Wohnung zu einen verktaftbaren Mietpreis finden. Bei den Forderungen von Brigitte Wim- mer aus dem Jahr 1989 zur Schulpolitik drängt sich dagegen der Eindruck auf, dass viele der Sätze nach 13 Jahren angesichts der Ergebnisse der Pisa-Studie unverändert gültig sind: eine Klassenstärke von 25, fächerüber- greifender Unterricht und Projektorientierung - damals übrigens an den Kultusminister Mayer-Vorfelder gerichtet. "Im Mittelpunkt der Mensch" als Orien- tierungspunkt der politischen Sacharbeit aber auch als Individuum zeigt eindrücklich die Rede Ludwig Marums anlässlich der Ermor- dung von Walter Rathenau 1922. Klar be- nennt er die Geldgeber der national-völki- schen Hetze als Wegbereiter politischer Mor- de in der Weimarer Republik. Und hellsichtig geißelt er die Teilnahmslosigkeit der Masse: "Wenn es jetzt nach diesem Attentat auf Ra- thenau wieder so gehen sollte, dass die deut- sche Öffentlichkeit 14 Tage vielleicht wieder entrüstet ist und dann der Bürger in Deutsch- land wieder sein Zipfelmütze über die Ohren zieht und Angst vor dem Sozialismus be- kommt, [ ... 1 dann werden Sie die deutsche Republik nicht retten" (S. 80). Hellsichtig und tragisch zugleich, weil er letztlich die Ursachen seine eigenen Ermordung 1934 beschrieb. Diese kurzen Eindrücke mögen anregen, sich im "Who is who" der Karlsruher Sozialde- mokratie festzulesen, von Wilhe1m Kolb 1918 zur Friedenspolitik über Friedrich Töpper mit dem Etat 1949, Hermann Veit 1951 leiden- 367 schaft1ich zum Südweststaat in aufgepeitschter Atmosphäre, Günther Klotz 1964 zur Bun- desgartenschau und A1ex Möller 1970 zum Bundeshaushalt, um nur einige zu nennen. Die ganze Bedeutung entfaltet der Band, wenn man vorher die 40 Seiten zur Geschichte der Arbeiterbewegung und der SPD in Karls- ruhe liest. Informativ und kurzweilig: Ein SPD-Kreisverband in der badischen Landes- hauptstadt, in der die so genannte Weimarer Koalition (SPD, Zentrum, Liberale) bis 1933 stabile Verhältnisse und solide Politik ermög- lichte, eine Partei, die bis zum Ende der 60er Jahre auch die kommunale Politik entschei- dend mitprägte. Det Band, ein würdiges, blei- bendes Denkmal, zu dem man - passend zum Jubiläum - gratulieren kann. CLEMENS REHM Michael Stolle: Die Geheime Staats polizei in Baden. Petsonal, Organisation, Wirkung und Nachwirken einer regionalen Verfolgungsbehörde im Dritten Reich Konstanz 2001 (Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus Bd. 6), UVK Verlagsgesellschaft mbH, 39,- € In fünf Kapiteln untersucht der Autor in sei- ner an der Universität Karlsruhe vorgelegten Dissertation Vorgeschichte, Organisation, Per- sonal, Verfolgungspraxis und Entnazifizierung einer Behörde, die als eine der tragenden Säu- len der nationalsozialistischen Diktatur gilt. In Baden ging die Gestapo aus dem Landes- polizeiamt hervor, in das die politische Polizei integriert war. Dieses "StaatsschulZorgan" hat- te in der Weimarer Republik die links- und rechrsextremen Parteien zu überwachen. Eine angesichts dieses Einsatzes für die Demokratie erstaunlich hohe Zahl von Beschäftigten (40 von 50) konnte nach der nationalsozialisti- schen Machtübetnahme für die badische Ge- stapo weiterarbeiten, die im Dri[[en Reich zeitweise 450 Beschäftigte (1938) ha[[e. Nur besonders exponierte Beamte wie der Karlsruher August Furrer, der wegen seines entschiedenen Auftretens gegen die National- sozialisten sofort nach der Reichstagswahl am 5. März 1933 verhaftet worden war, wurden entlassen. Furrer gehörte auch zu den Sozial- demokraten, die in der beschämenden Schau- fahrt durch Karlsruhe am 16. Mai 1933 in das KZ Kislau überführt wurden. Stolle, der immer auch den Blick auf die Entwicklung im Reich hat, arbeitet heraus, dass die badische Gestapo bis 1936 noch relativ ei- genständig war. Der unmittelbar dem badi- schen Gauleiter Robert Wagner unterstellte ers- te Gestapochef Karl Berckmüller geriet nach der "Verreichlichung" der Polizei 1936 zuneh- mend in Konfrontation zu Himmler und wur- de schließlich im März 1937 abgeschoben. Die Gestapo war trotz des starken perso- nellen Ausbaus immer auch auf willige Helfer angewiesen, auf andere Partei- und Staats- dienststeIlen, aber auch auf Denunzianten, die z. B. die Abhörung von Feindsendern melde- ten. Zuweilen wurden "V-Männer" in opposi- tionelle Gruppen eingeschleust. So fiel die Widersrandsgruppe um den Mannheimer KPD-Politiker Georg Lechleitner einem sol- chen V-Mann zum Opfer: Lechleitner wurde 1942 mit 19 Mitstreitern zum Tode verurteilt und hingerichtet. Zu diesem Zeitpunkt war seit Ende der 30er Jahre nach der weitgehenden Zerschla- gung der linken oppositionellen Gruppen die Verfolgung anderer Gegner in den Vorder- grund getreten. Die badische Gestapo glieder- te sich nahtlos ein in die Bekämpfung der au- ßerhalb der so genannten Volksgemeinschaft gestellten Gruppen wie etwa ,,Asoziale", "Be- rufs- und Gewohnheitsverbrecher", "Homo- sexuelle", "Zigeuner", "Bibelforscher" sowie "Juden". 368 Dabei nahm die Brutalität der Maßnah- men nach dem Beginn des Zweiten Weltkrie- ges noch einmal signifikant zu. In Ettlingen wurde z. B. das Gerichtsgefängnis seit 1941 für .. Vernehmungen" der Gestapoleitstelle Karls- ruhe genutzt, um dort ungestört zu foltern. Maßgeblich beteiligt waren Gestapoleute an den Exzessen der .. Reichskristallnacht" 1938 und der Deportation der badischen Juden im Oktober 1940 nach Gurs. Auch an den be- rüchtigten Einsatzgruppen im Elsaß hatte die Gestapo großen Anteil. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie- ben Angehörige der Gestapo von den Sieger- mächten hingerichtet. Nur 10% wurden in ihrem Entnazifizierungsverfahren als Haupt- schuldige eingestuft, 17 % waren .. Belastete". Diese recht bescheidene Bilanz wird auch dadurch nicht besser, dass die Betroffenen im Schnitt eine fast dreijährige Internierungshaft hinter sich hatten. Abgerundet wird dieser gründlich recher- chierte Band, der die Erforschung der NS- Diktatur in Baden, aber auch die der Gestapo allgemein ein gutes Stück weiterbringt, durch Kurzpotträts der badischen Gestapoleiter und eine Topographie der badischen Gestapo- dienststellen. ERN ST OTTO BRÄUNCHE Angela Borgstedt: Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951. Politische Säube- rungen im Spannungsfeld von Besatzungs- politik und lokalpolitischem Neuanfang (Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 5), UVK Verlagsgesell- schaft, Konstanz 2001,387 S., 34,- € Das Urteil über die Entnazifizierung durch die Zeitgenossen und die Wissenschaft ist einmü- tig: Ein Fehlschlag. In den letzten Jahren sind zahlreiche Regional- und Lokalstudien dazu erschienen. Ursache dafür ist das allgemeine Interesse an der Aufarbeitung diktatorischer Vergangenheit nach 1945 und 1989, das durch den Ablauf von Sperrfristen für die Quellen zudem befördert wird. Borgstedt fügt aber nicht einfach vorliegenden Regionalstu- dien für Bayern, oder (Süd-)Baden eine weite- re hinzu, sondern setzt einen bisher wenig beachteten Schwerpunkt, indem sie sich nicht auf die ,,Altlastenentsorgung" der politischen Vergangenheit beschränkt, sondern die Leis- tungen des Personals der Spruchkammern für Politik, Wirtschaft und für die Justiz der ent- stehenden Bundesrepublik analysiert. Auf der Basis sorgfältiger Auswertung des Quellenmaterials beschreibt die Autorin den Entnazifizierungsapparat in Nordbaden und Karlsruhe, der bei seiner Eintichtung im Früh- jahr 1946 über 350 Mirarbeiter umfasste. Die- ser personal- und kostenintensive Apparat ar- beitete trotz nachkriegsberlingter räumlicher, personeller und materieller Probleme zügiger als die Einrichtungen anderer Karnmerbezirke der US-Besatzungszone. Diesen Erfolg kann Borgstedt überzeugend auf die erfolgreiche Per- sonalpolitik zurückführen. Es war gelungen, trotz des begrenzten Kreises potenzieller Kandi- daten ein hohes Maß kompeteriter Juristen zu gewinnen, .. die den Prozess der Säuberung von den politischen in rechtliche Bahnen lenkten." Für die von den politischen Parteien gestellten Beisitzer wird das zeitgenössische Urteil wider- legt, wonach diese weitgehend unqualifiziert gewesen seien. Bestätigt wird dagegen rlie über- proportionale Aktivität von Sozialdemokraten und Liberalen als Beisitzer. Das juristische Per- sonal neigte dagegen mehr zur CDU. Bei der Analyse der ArbeitsWeise det Spruch- kammern wählt Borgstedt aus den ca. 54.000 vom Gesetz betroffenen Fällen (von ca. 200.000 Einwohnern Karlsruhes) rlie .. Haupt- schuldigen" (263 Personen, von denen 19 definitiv so eingestuft wurden) , Juristen (159 369 Fälle) und eine Stichprobe von 129 "norma- len" Entnazifizierungsfällen aus. Dabei irri- . tiert, dass im Anhang die aufgelisteten Entna- zifizierungsfälle anonymisiert, im Text aber in Übereinstimmung mit dem D atenschutzge- serz bei den einzeln behandelten Fällen nahezu alle Namen genannt werden. Das Ergebnis der Entnazifizierung ist auch für Karlsruhe ernüchternd. Wie überall mutier- ten die Spruchkammern mit fortschreitender Zeit zu "Mitläuferfabriken". Dennoch über- zeugt aufgrund der differenzierenden und de- taillierten Darstellung die Feststellung, dass mit Internierungshaft, mit Verlusten von Ver- mögen und Beamtenbezügen sowie durch vorübergehenden Beschäftigungseinschränkun- gen auch Erfolge in der Entnazifizierung zu sehen sind. Die Leistungen der Mitarbeiter sind daher nicht gering zu achten, zumal sie im Spannungsfeld von Besatzungspolitik, 10- kalpolitischem Neubeginn und öffentlicher Kritik zu erbringen waren. Die Autorin geht in ihrer gut lesbaren Ar- beit schließlich den Karrieren des Spruchkam- mer-Personals nach. Dass die verdienten Mit- arbeiter bei ihrer Rückkehr in meist juristische Berufe oder politische Funktionen des demo- kratischen Staares nicht selten auf entnazifi- zierte Kollegen und sogar Vorgesetzte trafen, war jedoch nicht eine Folge der wenig erfolg- reichen Entnazifizierung, sondern der Amnes- tierungen durch die Gesetzgebung der frühen Bundesrepublik. Für die an Karlsruher Lokalgeschichte in- teressierten Leser bietet das Buch eine Fülle biografischer Details und Einsichten in Vor- gänge des Dritten Reiches und der Nach- kriegszeit. MANFRED KOCH Alfred Hanser 1858-1901. Ein badischer Architekt. Katalog einer Sonderausstellung der Fachhochschule Karlsruhe - Hochschule für Technik. Karlsruhe 2001 , 123 S., 103 Abb., 14,- € Mit der von W. Förster konzipierten und durch eine biographische Skizze eingeleiteten Publikation würdigt die Fachhochschule an- lässlich des 100. Todestages das Werk eines ihrer Professoren, der bei seinem Tod mit 43 Jahren als einer der kommenden Baumeister des Landes galt. Der Blick auf das eher kleine Werk ist deshalb so interessant, weil es an der Schwelle des Wandels vom Stil der Renais- sance zu einem Formenvokabular mit neuro- manischen, neubarocken und Jugendstilmo- tiven stand. Hanser hatte seine Ausbildung ganz im Stil der Neurenaissance 1875-81 am Karlsruher Polytechnikum erhalten. Diese srilistische Prä- gung wurde durch erste praktische Tätigkeit bei der Mitwirkung an dem preisgekrönten Projekt des Berliner Reichstagsbaus durch Paul Wallot vertieft. Bereits nach sechs Jahren Tätigkeit als Architekt in Mannheim (sein dortiges Wirken schildert C. Präger) erhält er 1890 den Ruf als Professor an die Karlsruher Baugewerkeschule, an der er bis 1898 lehrte und seine Arbeit als Architekt fortführte. Zwei Beiträge befassen sich mit bis heute stadtbildprägenden Bauten Hansers in Karls- ruhe. In der 1895 fertiggestellten Rheinischen Kreditbank, heute Badische Beamtenbank, Ecke Waldstraße/Zirkel sieht R. Fath einen Bau mit "imperialer Geste", der städtebauliche Akzente serze. Dem 1896 fertiggestellten Bau der Karlsruher Lebensversicherung, heute Rathaus West am MühlburgerTor bescheinigt U. Plate "mit großem künstlerischem Können inszenierte repräsentative Architektur". Mit beiden Bauten führte Hanser, wie Rößling in 370 seinem Beitrag über dessen Rang als Architekt feststellt ... den preußisch-barocken Stil in Karlsruhe ein." Wie dieser Baustil in Kontrast geriet zu neueren architekturästhetischen Auffassungen. verdeutlicht die ausführliche Schilderung der Planungsgeschichte des Behördenkomplexes Rechnungshof / Verwaltungsgerichtshof / Generallandesarchiv an der Hildapromenade von K. Krimm. Hansers Pläne dazu stießen auf heftige Kritik von Josef Durm. der die klassischen Regeln der Herrschaftsarchitektur vernachlässigt sah. Die entsprechenden Doku- mente sind dem Beitrag beigefügt. Die Reali- sierung des Bauvorhabens bis 1905 (nach Hansers Tod) durch F. Ratzel verdeutlicht dann die Anpassung an die neue architektoni- sche Formensprache. Der Band wird abgerundet durch eine Schilderung von Karlsruher Architekturdomi- zilen (1. Brunner II~ Brunner) und einen fikti- ven Rundgang durch die Stadt in den 1890er Jahren (P. Prersch). MANFRED KOCH Pau! Ludwig Weihnacht (Hrsg.): Die badischen Regionen am Rhein Nomos Verlagsgesellschafr Baden-Baden. 2002. 554 Seiten. 34.- € Ein Resumee. keine Kampfschrift. Der Polito- loge Weihnacht. Professor in Würzburg. hat 51 Mitarbeiter gewonnen. um zum 50-jähri- gen Landesjubiläum eine Bilanz zu ziehen. Das heißt nicht. nur zu jubilieren. aber auch nicht nur zu jammern. denn Baden hat auch genügend Anteil an der positiven Entwicklung dieses Landes gehabt. Dabei wird auf 1945 bzw. 1952 zurückgegriffen. z. B. bei der Bil- dung der Regierungspräsidien und deren Wirksamkeit. Mittelbehörden. die man im- mer wieder abschaffen wollte. die sich aber als 371 Mittler und Initiatoren zwischen landesregie- rung und Bevölkerung bewährt haben. wie auch andere Sonderbehörden. Die Bilder von Mannheim. Heidelberg und Karlsruhe zeigen die eigene Handschrift dieser Städte. zumal man sich im Norden eher als Kurpfälzer denn als Badener versteht. Manfred Koch hat das Porträt Karlsruhes ausgewogen gezeichnet. Die Mängelliste aufgrund von Fusionen ist bekannt. Doch auch die Positiva werden ge- nannt: die Förderung der Hochschulen und Kulturstätten. die Leistungen für die industri- elle Entwicklung. der Handel. der Verkehr. Das Bild Mannheims weist größere Ausfalle auf, und der Schuldenstand pro Einwohner ist in Karlsruhe erträglicher. Fast alle Gebiete werden von Fachleuten komprimiert beschrieben: IHK. Universitäten. Kirchen. Genossenschaft. Sportbund. Schul- wesen. Archive. Bibliotheken. Rundfunk und manches mehr. Wo Konzentrationen sinnvoll waren, wird dies bestätigt, wo sie unsinnig wä- ren wie beim Landeswohlfahrtsverband Baden deutlich pointiert. weil eine solche Fusionitis das .. ehrenamtliche Element" einschränken würde und zur Verteuerung der ständig wach- senden Leistungen führte . Die Kritik am SWR und dem politischen Einfluss in den Räten kann nicht deutlicher betont werden. wenngleich die Zusammenarbeit der ehern. Rundfunkanstalten verbesserungswürdig war. Insgesamt stellen die Beiträge ein farbiges Bild einer fazettenreichen Landschaft dar. Man fragt zum Schluss nach der .. badi- schen Identität" - wohl keine politische mehr. aber eine emotionale. wenn auch nur 20% beim Freiburger SC das Badnerlied im Stadi- on singen. In Karlsruhe mehr? Wichtig ist freilich die GrenzÜberschreirung. nach der Schweiz. nach Frankreich. in vielen Kapiteln angeschnitten: Baden eingefügt in die europä- ische Metropolachse der .. blauen Banane" von Liverpool bis Florenz. So klingt das nützliche wie gut lesbare Sammelwerk positiv aus. Baden hat Zukunft- um die es sich freilich tummeln muss, soll sie positiv sein. LEONHARD MÜLLER Gudrun Kling: Frauen im öffentlichen Dienst des Großherzogtums Baden. Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg (Veröffentlichungen der Kommission für Ge- schichtliche Landeskunde in Baden-Württem- berg Reihe B Forschungen 142. Band). Kohlhammer, Stuttgart 2000, 250 5., 25,- € Lehrerinnen, Post- und Bahnangestellte, Ma- schinenschreiberinnen. aber auch Gefängnis- aufseherinnen und Haushältetinnen in öffent- lichen Einrichtungen - überall erobern sich im 19. Jahrhundert Frauen Arbeitsfelder im staat- lichen öffentlichen Dienst. Der Titel von Gudrun K1ings Buch könnte vermuren lassen, dass hier eine Erfolgsgeschichte des wachsen- den Arbeitsmarktes fürFrauen im 19. Jahr- hundert erzählt wird. Doch das täuscht. Kling legt mit dieser Dissertation die fundierte und umfassende Erarbeirung eines wichtigen Kapitels der Ge- schlechtergeschichte vor. Hier wird nicht nur aufgefuhrt, wann und wo Frauen im öffentli- chen Dienst auftauchen und damit eine For- schungslücke in der bisherigen Verwaltungsge- schichte Badens gefüllt. Es wird auch keine Erfolgsgeschichte der weiblichen Emanzipati- on erzählt in der Art, dass sich Frauen zuneh- mend den Arbeitsmarkt erobern. Vielmehr zeigt Gudrun Kling vor dem Hintergrund der allgemeinen Enrwicklung der badischen Lan- desverwalrung und mit vergleichendem Blick auf andere Bundesländer und andere europä- ische Staaten, wie sich die Integration weibli- cher Arbeitskräfte bei gleichzeitiger Herausbil- dung geschlechtsspezifisch typisierter Berufs- bilder vollzog. Auf breiter Quellenlage und über einen Zeitraum von über 100 Jahren zeichnet sie präzise die Strategien nach, die mit der Aufnahme von Frauen in dem bis dahin fast ausschließlich männlich besetzten Staats- wesen einhergingen, durch Regelungen und Gesetze sowie durch die Definition von Ein- stellungsvoraussetzungen und Arbeitsfeldern Hierarchien zwischen den Geschlechtern zu schaffen und festzuschreiben. Der von ihr gewählte Zeitraum von 1806 bis zum Ersten Weltkrieg, in dessen Mitte die Integration Badens in das sich bildende Deut- sche Reich und damit die teilweise Anglei- chung an preußische Verwalrungsstrukruren liegt, ermöglicht es, nachzuweisen, wie sich auf dem Weg von der Hoheits- zur Leistungs- verwaltung innerhalb des öffentlichen Diens- tes typisch weibliche Berufsbilder herausbilde- ten, die hierarchisch niedriger eingestuft wa- ren und weniger Einkommen und Prestige brachten. Dazu zählten z. B. die exklusiv weib- lichen Tätigkeitsfelder wie die im Telegrafen- , Telefon- und Schreibdienst, die von der Ver- beamtung ausgeschlossen wurden. Bei Ar- beitsfeldern wie der Lehrtätigkeit, in denen es Frauen gelang, die Verbeamtung zu erreichen, ist die - wie Kling es nennt - "Konstruktion des weiblichen Beamten" festzustellen. Der weibliche Beamte unterlag der Zölibatsklausel und hatte ab 1888 in Baden grundsätzlich nur 75 % des Einkommens der jeweiligen Gehalts- stufe. Die Trennung des Arbeitsfeldes in männli- che und weibliche Bereiche und die rechtlich festgelegte Diskriminierung der Beamtin wur- den ideologisch begründet mit häuslichen Verpflichtung der Frau und zementierten da- mit eine Arbeitsteilung der Geschlechter, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts allgemein durchsetzte. Dem Staatsdienst als "Schnittstel- le zwischen Gesellschaft und staatlicher Herr- schaft, zwischen staatlichem und privatem 372 Arbeitsmarkt und zwischen gesellschaftlichen Ideologien, kulturellen Mentalitäten und de- ren gesetzlicher Umsetzung" kam bei der Durchsetzung dieses Modells des männlichen Familienernahrers eine Art Vorbildfunktion für den privaten Arbeitsmarkr zu. Dabei zeigt Kling, indem sie traditionelle Arbeitsfelder von Frauen im öffentlichen Dienst wie z. B. in den staatlichen Anstalten als Aufseherinnen mit neu entstehenden Ar- beitsbereichen wie dem Eisenbahn- und Post- wesen vergleicht, dass sich etwa ab 1860 eine Geschlechtstypisierung in der Verwaltung zeigte. Damit ist erneut erwiesen, dass erst in der Zeit der Industrialisierung geschlechtsspe- zifische Arbeitsmärkte gebildet werden. Da dies mit der gesetzlichen Festschreibung ge- schlechtsspezifischer Diskriminierungen ein- hergeht, kann die Eroberung des öffentlichen Dienstes durch Frauen nicht als ein langsam voranschreitender Prozess der Gleichstellung bewertet werden. Vielmehr trug die Positio- nierung der Frauen im öffentlichen Dienst wesentlich zu der Zuweisung von außerhäus- licher als männlicher und häuslicher als weib- licher Arbeit bei und damit zur Manifestie- rung eines frauendiskriminierenden Arbeits- marktes. SUSANNE ASCHE Kerstin Lutter: Der Badische Frauenverein 1859-1918. Rotes Kreuz, Fürsorge und Frauenfrage (Veröffentlichungen der Kommission für Ge- schichtliche Landeskunde in Baden Württem- berg Reihe B Forschungen 146. Band), Kohlhammer, Stuttgart 2002, 503 S. In Baden wurde 1859 ein Verein gegründet, der um die Jahrhundertwende reichsweit lo- bende Aufmerksamkeit fand und als vorbild- lich empfunden wurde - der Badische Frauen- verein. Unter dem tätigen Protektorat der Großherzogin Luise entwickelte dieser vater- ländische Verein, der auch ein Frauenverein vom Roten Kreuz war, neben der Unterstüt- zung der Sanitätsdienste im Kriegsfalle oder bei außerordentlichen Notfällen eine umfas- sende Tätigkeit im zivilen Fürsorge- und Ar- menwesen, in der Krankenpflege und bei der Schaffung von weiblichen Ausbildungsplät- zen- und Berufsfeldern. Dieser Verein, der 1908 über 75.000 Mitglieder hatte, wurde zu einem Stützpfeiler bei der Herausbildung moderner Sozialpolitik auf kommunaler Ebe- ne und eröffnete dabei seinen weiblichen Mit- gliedern den Weg in die außerfamiliale Öf- fentlichkeit. Lange Zeit waren die Bedeutung und die Leistungen dieses 1937 von den Na- tionalsozialisten aufgelösten Frauenverbandes in Vergessenheit geraten, erst in den letzten Jahren entstanden erste Forschungen über sein Wirken. Nun endlich liegt eine umfangreiche, detailgenaue und umfassende Darstellung von Entwicklung, Aufbau, Tätigkeit, Mitglieder- struktur und Tätigkeitsfelder des Badischen Frauenvereins bis zum Ende des ersten Welt- krieges vor. Kerscin Lutzer hat mit ihrer Dis- sertation eine schon lange zu spürende For- schungslücke geschlossen und ein Kapitel ba- discher Geschichte geschrieben, ohne das die badische Innenpolitik und Sozialpolitik nur unvollständig dargestellt ist. Sie zeichnet die Entwicklung der Organisation nach, beschreibt das zeitweise auch spannungsvolle Verhältnis zwischen der Karlsruher Zentrale und den zahlreichen Zweigvereinen, analysiert die Mit- gliederscruktur und die soziale Herkunft der Betreuten bzw. der Nutzerinnen der Vereins- institutionen. Lutzer stellt die einzelnen Ar- beitsgebiete dar, benennt die auch konfessio- nell begründeten inneren Konflikte, verdeut- licht die Rolle der Männer in der Organisati- on und erläutert die distanziert-freundliche Haltung dieser sehr staatsnahen Organisation 373 gegenüber der damaligen bürgerlichen Frau- enbewegung. Ein Unterkapitel ist dem Ersten Weltkrieg gewidmet, während dem der Badi- sche Frauenverein als Verein vom Roten Kreuz nach der langen Friedensphase wieder Lazaret- te unterhielt und die Fürsorgetätigkeit auf die Erfordernisse der Kriegswirtschaft einstellte. Ein ausführliches Registet ermöglicht es, den sehr umfangreichen Band auch als Nachschla- gewerk zu nutzen. Lutzer kann die Bedeutung des Vereins für den Wandel von der traditionellen Armenfür- sorge zur modernen kommunalen Daseinsvor- sorge sehr überzeugend nachzeichnen und lie- fert einen erneuten Nachweis dafür, dass sich die vielfältigen Strategien der Frauen und ih- rer Organisationen den eindeutigen Bewer- tungen wie konservativ oder fortschrittlich häufig entziehen. So argumentierte der Verein immer mit der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, die dem jeweiligen männli- chen und weiblichen Wesen entspreche. Doch mit dem Hinweis auf den pflegenden und behütenden weiblichen Charakter wurden den Frauen neue gesellschaftlich relevante Hand- lungsspielräume eröffnet. Kerstin Lutzer leistet einen wichtigen Bei- trag zur Frauen- und Geschlechtergeschichte und zum bürgerlichen Vereinswesen. Ebenso wie im Werk von Gudrun Kling ist dies bei der Kommission für geschichtliche Landes- kunde Baden-Württemberg in guten Händen, die damit erneut bewiesen hat, dass sie aktuelle Forschungstendenzen im Blick hat und damit die Landesgeschichtsschreibung als Beitrag zur allgemeinen Geschichte voranbringt. SUSANNE ASCHE J ürgen Spanger: Aus der Schulstube ins Leben. Die Karlsruher Volksschulen 1716 -1952 (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 25), Info Verlag 2002, 304 S., 29,80 € Heimatgeschichte anschaulich zu präsentieren beweist erneut das Karlsruher Stadtarchiv mit dem Band 25 seiner Veröffentlichungen. J. Spanger hat sehr sorgfaltig das Quellenma- terial über die Entwicklung der Karlsruher Volkschulen zusammengetragen und mit zahl- reichen Abbildungen verdeutlicht. Die Disser- tation an der hiesigen Pädagogischen Hoch- schule ist für den Laien aufbereitet und den- noch mit zahlreichen Anmerkungen und Lite- raturangaben auch für den Fachmann weiter- führend. Spanger schließt mit der Gründung des Südweststaats, weil dann erst die bildungspo- litische Landeszentralität vorherrschte und die Aufgliederung in Grund- und Hauptschulen begann. Bis dahin hatten die Städte noch grö- ßeren Einfluß auf das Volksschulwesen, sieht man von der Zentralisierung des NS-Regimes ab. Doch der Schulhausbau ist bis heute eine Domäne der Kommunen. "Der Raum ist der dritte Pädagoge", zitiert Spanger, und das ent- sprechende Bemühen der Stadt auch in schwierigen Zeiten zeichnete Karlsruhe schon immer als Schulstadt aus. Dies freilich dem jeweilgen Zeitgeist entsprechend. Große Klas- sentäume für 40 bis 50 Schüler, die in Zwei- erbänken hintereinandergereiht für den Fron- talunterricht bereit waren, gab es freilich nicht nur im wilhelminischen Deutschland, son- dern um 1900 auch anderswo. Der kasernen- artige Eindruck der Gebäude erinnert, dass "Kaserne" damals nicht von vornherein nega- tiv besetzt war, und die Einrichtung von Duschbädern in den Schulen galt als Fort- schritt angesichts der damaligen Wohnverhält- 374 nisse. Vom Zeitgeist bestimmt war auch das Schulleben: Ordnungsformen. Schulfeste und -feiern. vom Regierungsjubiläum des Kaisers bis zur Flaggenhissung im "Dritten Reich". Bei Schulwanderungen und Landheimaufent- halten wird das Landschaftspezifische deut- lich. Nachdenkenswert ist das Kapitel der Er- innerungen ehemaliger Schülerinnen und Schüler an Karlsruher Volksschulen. Dabei reflektiert d. Verf. durchaus das Problema- tische einer oral hisrory. wo man die Rückbli- cke nicht immer als Tatsachenbeschreibung werten darf. wohl aber als "wirkungsvollen Prozess von Erinnerung. Verdrängung und nachträglicher Bewertung". der damit die Wirkungsgeschichte der Volksschule verdeut- lichen kann. Das Buch ist aus der Sicht der Volksschu- le geschrieben und damit durchaus stimmig. Schulhistorische Darstellungen anderer Insti- tutionen kommen zu anderen Ergebnissen. Alle helfen aber die Gegenwart zu verstehen und machen den Wechsel bezug von Zeitgeist und Schule deutlich. der auch für unsere Tage gilt, ein Phänomen, das mancher zeitgenössi- sche Kritiker nach der Pisa-Studie übersieht. wenn er den Idealtyp des Schulwesens einfor- dert. Spanger macht am Beispiel eines Schul- orts deutlich. wie viele Kräfte auf die Schul- wirklichkeit einwirken, und das ist ihm mit einer farbigen Darstellung und solider Recher- che gelungen. LEONHARD MÜLLER Die Orgelstadt Karlsruhe innerhalb der Orgellandschaft am Oberrhein Eine Ausstellung der Europäischen Orgel- akademie am Oberrhein Ettlingen in der Badischen Landesbibliorhek in Zusammen- arbeit mit der Vereinigung der Orgelsachver- ständigen Deutschlands (VOD). hrsg. von Michael Gerhard Kaufmann und Marrin Kares. Karlsruhe 2001. 100 Seiten. 9.50 € Orgelfärdervereine haben Konjunktut. Aller- orten kann man Patenschaften für Orgelpfei- fen übernehmen und es wird um finanzielle Mittel für neue Register geworben. Hat dem- nach auch der Orgelbau Konjunktur? Mit- nichten. in den Orgelstädten Karlsruhe und mehr noch in Durlach. wo einst zahlreiche Orgelbaufirmen mit klangvollen Namen an- sässig waren. ist heute kein Betrieb mehr aktiv. Auch von den früher vorhandenen histori- schen Orgeln unter anderem des Straßburgers Johann Andreas Silber mann in den beiden Hauptkirchen der Stadt ist auf Grund der tra- gischen Kriegsverluste keine einzige erhalten ge- blieben. Dennoch darf Karlsruhe auch heute noch als eine der großen Orgelstädte Deutsch- lands gelten. Diese "Orgelstadt Karlsruhe in- nerhalb der Orgellandschaft am Oberrhein " beleuchtet das Begleitbuch zu einer Ausstel- lung. die im Herbst 2001 in der Badischen Landesbibliorhek zu sehen war. Das hundert- seitige Buch wurde von Michael Gerhard Kaufmann und Martin Kares herausgegeben und ist - auch ohne die Ausstellung gesehen zu haben - ein Lesegenuss. beschreibt es doch in umfassender Weise ein kulturhistorisches Phänomen. das monographisch untersucht für kaum eine weitere Stadt Deutschlands vor- liegt. Die mehr als zweihundertjähtige Orgel- bautradirion Karlsruhes wird in Beiträgen von M. G. Kaufmann ("Orgelgeschichte in Karls- ruhe"). M. Kares G ("Karlsruhe - Schmelztie- gel deutscher Orgelbau-Technologie") und 375 Martin Kölle ("Die Orgelbauerfamilie Stein") gewürdigt. Das zum Teil schwierige Verhältnis der Menschen zum Kircheninstrument Orgel stellt Kaufmann in seinem Beitrag "Herausfor- derung ungeliebte Orgel" dar, und leitet damit zum Thema des Symposiums über, das sich mit diesem Phänomen auseinander setzte. Auch Kares weist auf die Problematik der Orgeln der fünfziger Jahre hin, deren große Exemplare sich alle in Kirchen an der Karlsru- her Tramlinie 1 befinden (Stadtkirche Dut- lach, Lutherkirche, Sr. Bernhard, Stadrkirche und Sr. Stephan, Christuskirche). Wie unter- schiedlich die Lösungsansätze für diese Zeug- nisse der Wirtschaftswunderzeit sein können, stellt er an den beiden Instrumenten der Stadt- kirehe und von Sr. Stephan dar. Beide Orgeln stammen aus den fünfziger Jahren, und wäh- rend in St. Stephan in jüngster Zeit über den Verkauf der alten Orgel Uohannes Klais, Bonn, 1959) und einen Neubau nachgedacht wurde - über den in der Durlacher Stadrkir- ehe bereits entschieden ist -, steht die Orgel der Stadtkirehe (Steinmeyer, Oettingen, 1958) heute unter Denkmalschutz. Ein "Karlsruher Orgelspiegel" , der in Form eines Inventars alle Orgeln der Stadt und der Stadtteile auflistet (erarbeitet von Andreas Schröder, Kaufmann und Kares), rundet die Beiträge des reich be- bilderten Buches ab, das über die Badische Landesbibliothek zu erwerben ist. MATTHIAS MILLER Stadtplätze in Karlsruhe. Hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Manfred Koch (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs, Band 26), Info Verlag Karlsruhe 2003, 424 Seiten, rund 400 Abbildungen, 36,- € (Mit Beiträgen von: S. Asche, E. O. Bräunehe, G. Everke, G. Kabierske, M. Koch, M. KühneI, Th. Meyer, A. Mührenberg, D. Neumeister, P. Pretsch, H . Ringler, W Rößling, K. Schmal- holz, R. ]. Schott, S. Stephan-Kabierske) Ein Buch über Karlsruher Stadtplätze? Haben unsere Stadtplaner, Stadthistoriker, Stadtarchi- vare und Kunstgeschichtler nichts Wichtigeres zu tun? Gemach - und ungeniert gleich zu Beginn gesagt: Den 15 Autoren der soeben erschienenen Publikation ist ein hervorragen- des Werk gelungen. Was immer man wissen will über das Zustandekommen, die Entwick- lung, Funktion oder Nichtfunktion Karlsru- her Stadtplätze: In den gründlichen, mit histo- rischen und aktuellen Bildern lebhaft unter- stützten Beiträgen ist es nachzulesen. Das Werk ist die folgerichtige, historisch- wissenschaftliche Untermauerung der von Oberbürgermeister Fenrich in Auftrag gege- benen Erarbeitung eines Gesamtkonzepts "Karlsruher Stadtplätze". Dessen ebenso einfa- ches wie ehrgeiziges Ziel ist, auf einen Begriff gebracht, die "Revitalisierung" der Stadtplät- ze zu Gunsten der Bevölkerung. Bei Licht be- sehen ist die Stadtplätze-Publikation ein auf- rüttelndes Plädoyer zur Wiederaufnahme des in den siebziger Jahren von Oberbürgermeis- ter Dullenkopf aufgelegten Programms einer "menschengerechten Stadt" mit der dank Egon Martin und Theo Schlüter erfolgreichen Neugestaltung von Räumen wie dem Markt-, dem Friedrichs-, Lidell- oder Ludwigsplatz, Fußgängerzonen inklusive. Mit dem Schloss- platz fing Karlsruhes Platzhistorie an, mit den als Nebenprodukt der Altstadtsanierung ge- 376 wonnenen Plätzen - Berliner-, Kronen- und Waldhornplatz - hört es vorerst auf. 34 Plät- ze im Stadtinnern, neun in Mühlburg und Durlach nahmen die Autoren in ihrem histo- rischen Herkommen, in ihrer raumbildenden Bebauung und ihrem Nutzen oder Schaden für die Bevölkerung unter die Lupe. ,,Außen vor" geblieben sind die 14 Plätze in den wei- teren zur Stadt gekommenen Gemeinden, ebenso die Plätze ohne Fassung wie der Mess- oder Engländerplatz. Unabhängig von dem Willen, Überzeugungsarbeit für eine Zurück- gewinnung oder Neugewinnung urbaner, also menschendienlicher Plätze zu leisten, besticht "Stadtplätze in Karlsruhe" durch spannende Schilderungen der jeweiligen Platzgeschichte. Ob Schlossplatz, der erste, größte, bedeu- tendste Platz in Karlsruhe, oder der kleine Dreiecks-Lidellplatz: Alle haben ihre eigene Historie, die zu lesen allein schon größtes Vergnügen bereitet. Fachkundig erläutert wird dabei das Zustandekommen der den Platz- raum säumenden gebauten Umgebung. In diesem Zusammenhang geradezu als ein Juwel unter den Karlsruher Plätzen erscheint der - inzwischen samt allen Gebäuden unter Denk- malschutz gestellte - Gutenbergplatz, das Herz der Weststadt. Jeder Karlsruher Stadtplatz hat narurge- mäß seine ganz individuelle Struktur. Der Bogen spannt sich vom gemütvollen Platz hin- ter der Kleinen Kirche bis zum Ludwigsplatz, dem vor allem unter jungen Menschen belieb- testen Treffpunkt, von dem gerade noch als Verkehrskreisel nützlichen Yorckplatz bis zum anmutigen Haydnplatz, von der Verkehrs- drehscheibe Karlstor bis zum Wohlgefühl ver- heißenden Friedrichsplatz. Das Durlacher Tor lädt in seiner heutigen Gestalt "kaum zum Verweilen" ein, und die Qualität des Etdinger- Tor-Platzes beschränkt sich nach Auffassung eines Nichtkarlsruher Spötters "lediglich auf die Flüssigkeit der Ampelschalrung". Die selbstgefällig noch immer "Via Trium- phalis" benannte Strecke und Platzfolge vom Schlossplatz über Markt- und Rondellplatz zum Ettlinger Tor - des unentschuldbaren Umgangs mit dem Markgräflichen Palais und anderer Bausünden wegen in der Presse schon vor Jahren "Via Miserabilis" benannt -, ist Ge- genstand besonders subtiler Untersuchungen. Die Herren Everke und Kabierske, stadtunab- hängig, wie sie sind, sparen in ihren Beiträgen nicht mit Kritik. Neben Mäkeleien wegen der Marktplatzgastronomie stellt sich für Everke "auf ewig die Frage", warum das Theater am Schlossplatz nicht wiederaufgebaut wurde, und Kabierske klagt in Erinnerung an das ab- gebrochene Hotel "Germania", einst ein Schmuckstück des Etdinger-Tor-Platzes: ,,Alte Bausubstanz, war sie noch so bedeutsam, hatte zwischen 1950 und 1970 keine Chance". Gnädige Zensuren erhält dagegen das neue Hotel, das dem Festplatz doch seine Unschuld nahm, und Everke preist das jetzige Bild des Bahnhofplatzes mit solchem Enthusiasmus, dass man Gefahr läuft, ihm Recht zu geben. Man sieht: "Stadtplätze in Karlsruhe" ist ein Werk, das über ein Riesenmaß an Infor- mationen hinaus Diskussionen geradezu pro- voziert. Angereichert mit Gtundsatzbeiträgen von Ringler und Schott, ist dies eine unge- wöhnlich interessante, als Grundlage jeder bürgerdienlichen Stadtplanung unverzichtbare Veröffendichung. Manfred Koch, Motivator, Organisator und Mitautor der vorzüglichen Arbeit, ist ein großer Wurf gelungen. JQSEF WERNER 377 Gottfried Leiber: Friedrich Weinbrenners städtebauliches Schaffen für Karlsruhe Teil II: Der Stadtausbau und die Stadter- weiterungsplanungen 1801-1826, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002, 454 Seiten, 75,- € Mit diesem Band über Friedrich Weinbrenner als Stadtplaner und Baumeister des Klassizis- mus ist nun das grundlegende Werk zur Karls- ruher Sradtplanungs- und Baugeschichre von der Gründung 1715 bis 1826 abgeschlossen. Es basiert auf der akribischen Auswertung al- ler erreichbaren Quellen und bietet eine syste- matische und detaillierte Gesamtdarstellung der baulichen Stadtentwicklung vor den Ver- änderungen des Städtebaus seit der Indus- trialisierung. Gottfried Leiber ist damit ein Werk gelungen, das die ältere Weinbrenner- Forschung zu dessen Karlsruher Schaffen weit- gehend obsolet macht und für die stadtge- schichrIiche Arbeit unverzichtbar bleiben wird. Teil II besticht durch die gleiche editorische Qualität wie Teil I mit zahlreichen Abbildun- gen, einem Anhang mit 14 wichtigen Doku- menten sowie u. a. einem Orrs-, Personen- und Sachregister. Im vorliegenden Band behandelt Leiber Weinbrenners Wirken als Leiter der badischen Bauverwaltung, der mit den Stadterweiterun- gen betraut war, die sich aus dem Bedeutungs- und Bevölkerungszuwachs der Residenz des neu geschaffenen Großherzogrums ergaben. Der Ausbau der Stadt sollte 25.000 bis 30.000 Menschen Wohnraum bieten, 1801 waren es 8.700 und als Weinbrenner 1826 starb knapp 19.000. Leiber untersucht im ersten Viertel des Buches die Planungen zur Stadterweite- rung, die sich im Wesentlichen auf drei Quar- tiere im Anschluss an die bestehende Bebau- ung erstreckten. Im Westen waren die Bebau- ungsgrenzen die heurige ReinhoId-Frank-, Moltke- und Kriegsstraße. Das östliche Erwei- terungsquartier lag nördlich der Kaiserstraße im herrschaftlichen Fasanengarten und hatte daher keine Verwirklichungschance. Südlich davon verhinderte das "Dörfle" eine grundle- gende Neuplanung. Aber auch im Westen war Weinbrenner bei der stadtplanerischen Gestal- tung zu Kompromissen gezwungen durch Rücksichtnahmen auf Privatinteressen. Nach- vollziehbar wird das am heurigen Europaplatz. Wein brenners Sradrcrweirerungspläne von 1802 und 1809 erhielten auch keine Verbind- lichkeit, sondern nur den Status von Leitlini- en für das Bauen. Hauptstreitpunkt mit staat- lichen Behörden war der Konflikt zwischen Stadterweiterung und Stadtverschönerung durch Ausbau im bestehenden Sradtgebiet. Das gleiche Schicksal erfuhr auch Wein- brenners grandioser Stadterweiterungsplan von 1812/1818, mit dem er das Gebiet süd- lich der Kriegsstraße bis etwa zum heutigen Bahnhof halbkreisförmig überplante. Er sieht neue Stadttore und große Platzanlagen vor, die besrimmte Funktionen übernehmen sollten. Belegt wird vom Autor auch die Detailpla- nung, in der Häuser mit bis zu fünf Geschos- sen vorgesehen waren. Die Alb sollte durch diesen neuen Stadtteil geführt werden und vor dem Ettlinger Tor ein Hafenbecken bilden. Dieser Plan scheiterte vor allem an der nach- lassenden Bautätigkeit und an der Tatsache, dass das Gelände zum Großteil der Gemeinde Beiertheim gehörte. Mit seinen Plänen zur Stadterweiterung in der Tradition barocker Planung war Wein- brenner, das verdeutlicht Leiber anschaulich, nur bedingt erfolgreich. In den in drei Vierteln des Buches ausgebreireten Planungen für sie- ben Stadtbereiche kann aber das erfolgreiche Wirken Weinbrenners als Stadtbaumeister nachvollzogen werden. Wobei zum Beispiel auch erklärt wird, warum die Zähringersrraße nicht gradlinig zur Rittersrraße verläuft und dort endet, oder warum die Blumenstraße 378 nicht komplett parallel zur Erbprinzenstraße verläuft. In der Darstellung des mittleren Stadt- bereichs findet sich dann auch die Beschrei- bung des Marktplatzes, jenes großen stadt- räumlichen Erbes, das Weinbrenner hinterlas- sen hat. Dazu zitiert Leiber A. Tschira, der den Platz als "das schönste Beispiel eines klassizis- tischen Platzes in Deutschland und in seiner Geschlossenheit eine der größten Leistungen des europäischen Städtebaus" bezeichnete. Leiber würdigt Weinbrenner als den Stadt- planer, der "bewusst der Tradition folgend, die Karlsruher Stadtanlage im Sinne des barocken Städtebaus" fortführte, in seiner Architektur aber ein entschiedener Vertreter des modernen Klassizismus war. 900 Jahre Rüppurr. Geschichte eines Stadtteils MANFRED KOCH Hrsg. Bürgergemeinschaft Rüppurr, Info Verlag, Karlsruhe 2003, 400 Seiten, 27,- € Ortsgeschichten können unter einer überbür- denden Faktenfülle eine schwer genießbare Kost sein. Diese Chronik ist dagegen gut les- bar, weil sie, wie der Sprecher der "Geschichts- werkstatt Rüppurr", F. Kessel, betont, mit dem "Mut zur Lücke" verfasst wurde, intensiv bera- ten durch den Stadthistoriker M. Koch. Zu- dem hat der Herausgeber Mitarbeiter gefun- den, die fundierte Kapitel geschrieben haben. So sind zum Beispiel die Abschnitte von E. Schulz und G. Philipp mit sorgfaltiger Quellen- und Literaturkenntnis von den Anfangen 1103 bis zur Eingemeindung 1907 flüssig dargestellt worden. Aber auch die anderen Autoren zeigen Anschaulichkeit und Sachkunde. Die Wand- lung vom Bauerndorf zum Wohnort von In- dustriearbeitern und Handwerkern bis zur heu- tigen gesuchten Wohnsiedlung wird an vielen Beispielen und reich an Akzenten beschrieben. In der Einleitung wird betont, dass "die Auffassungen und Interpretationen zur Ge- schichte Rüppurrs und einzelnen Vorgängen und Phänomenen" unterschiedlich seien. In der Tat kann dies oft für den Leser zu einer "Verlebendigung des Sammelbandes" beitra- gen, und er fühlt sich zu einer eigenen Sicht aufgerufen. Dabei helfen die sorgfältig ausge- wählten Fakten, die überlegt gewählten Schwerpunkte, die vielen sinnvollen Abbil- dungen und manches mehr. Der überschauba- re Band soll durch eine "Schrifteneeihe zu Rüppurr" fortgesetzt werden. Hier könnte man noch weitere Zeitzeugen zu Wort kom- men lassen, die neben den schriftlichen Quel- len werrvolle Einblicke in die Geschichte die- ses Stadtteils eröffnen. In summa: eine gelun- gene Publikation, deren Lektüre besonders den Rüppurrern sehr angelegen sein sollte, denn sie kann "das Wohlgefühl steigern, in dem bevorzugten Karlsruher Vorort" zu leben. LEONHARD MÜLLER Elga Roellecke: Bildung auf dem Land, Lehren und Lernen in der Volksschule Chronik Wolfartsweier, Heft 6, hersg. vom Verein für Geschichte, Selbstverlag des Geschichtsvereins, 2003, 219 Seiten, 16,- € Bei der auf 16 Hefte angelegten Chronik, von denen neben anderem Elga Roellecke bisher fünf verfasst hat, ist dieser Beitrag - schon vom Thema her - besonders gelungen. Schul- geschichten, von Pädagogen geschrieben, merkt man oft an, so sorgfältig sie auch erar- beitet sein mägen, dass sie zuweilen von einem standespolitischen Gesichtskreis her konzi- piert wurden, den bestimmte Leser bejahen, andere aber anders betrachten. Darum ist es 379 wohltuend, mal keine Fachfrau am Werke zu sehen, die jedoch einen großen Bogen zu spannen weiß, dabei sich freilich sorgsam um die Quellen gekümmert hat. So stieß man auf "Befehlsbücher" der heutigen Grundschule Wolfartsweier, die es möglich machten, "die Entwicklung des Volksschulwesens auf dem Land im 19. und 20. Jahrhundert bis 1933 im Detail nachzuspüren". Doch auch für das "Dritte Reich" fanden sich drei Aktenbündel, und so war die Ausgangslage besser als in man- chen zerbombten Städten mit ihrem Quellen- rest. Die Verfasserin hat zudem Zeitzeugen befragt, Aussagen die farbig sind, aber auch zuweilen von der Erinnerung geschönt klin- gen wie bei aller oral history. Die Darstellung hat natürlich ihren Schwerpunkt in Wolfartsweier, greift aber immer wieder allgemeine Tendenzen auf, wirkt nicht eng, ja kleinkariert, wie dies in der Heimatforschung zuweilen anzutreffen ist. Der Atem der allgemeinen Geschichte weht durch die meisten Kapitel, und das macht die Schrift so lesenswert. Die Verfasserin schildert die Entwicklung problem bewusst, stellt die Fakten in den jeweiligen Zusammenhang und greift auch gelegentlich auf eigene Schulerfah- rungen zurück. Schon die Gliederung erleichtert die Lek- türe, zwar chronikalisch, aber nicht zersplit- tert, weil unter spezifischen Gesichtspunkten immer wieder neu beginnend Themen über Jahrzehnte zusammengefasst werden. Die Bildauswahl ist sinnvoll und ausreichend, und das muss auch so sein, wenn man sich auf219 Seiten beschränken will, damit diese Publika- tion zu einem Preis verkauft werden kann, der tragbar ist. Nur beim ersten Heft hat diese Chronik eine Anschubfinanzierung durch die Stadt Karlsruhe erfahren. Bis heute versteht es der Geschichtsverein, deren Vorsitzende Elga Roellecke ist, seine Veröffentlichungen selbst zu tragen. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn Hefte wie das vorliegende angeboten werden, wo "viele Menschen die Geschichte ihrer Heimat besser verstehen und pflegen ler- nen." Doch auch der Fachmann dürfte gern zu dieser Schrift greifen, nützt ihm doch nicht nur ein Glossar bei diversen Fachbegriffen, sondern auch eine sorgfältige Bibliographie zur weiteren Vertiefung. So wartet man mit Interesse auf neue Hefte dieser Chronik, die am Ende ein respektables Werk für die erwei- terte Geschichte der Stadt Karlsruhe sein wird. Die Verfasserin erhält den 1I. Preis des Landes- wettbewerbs für Heimatforschung Baden- Württemberg 2003. LEONHARD MÜLLER Monika Bachmayer - Robert Dreikluft: Jugendstil in Karlsruhe. Formen - Vielfalt - Fantasien. G. Braun-Buchverlag Karlsruhe, 199 Abbildungen, 108 Seiten, 24,80 € Ein prachtvolles Buch! Allein das Durchblät- tern mit Blick auf die vielen Fotos ist ein Ver- gnügen. R. Dreikluft, der auch souveräner Gestalter dieses Bandes ist, hat fast ein Jahr- zehnt lang mit der Kamera das spezifische Material zusammengetragen. Schon das Auf- finden der Objekte war mühevoll. Aber das jeweilige Licht abzupassen, in engen Straßen die richtige Perspektive zu finden, beweist nicht nur die dokumentarische Sorgfalt, son- dern auch ästhetisches Feingefühl für Kunst- schätze, die vielen Karlsruhern und Besuchern bisher verborgen blieben. Der Text der versier- ten Kunsthistorikerin M. Bachmayer steht dem nicht nach. Der Abriss der "Stadt im Wandel" führt zur Leitzahl 1900 hin, ein Jahr, in dem in der Residenzstadt der Jugendstil 380 viele Gebäude zu prägen beginnt. Karlsruhe muss um diese Zeit angesichts deutlich stei- gender Einwohnerzahlen eine gewaltige Bau- stelle gewesen sein. In der bisher von einem barock-orientierten Grundriss geprägten Stadt waren neue Viertel in der Süd-, Südwest- und Nordweststadt entstanden. Die Verfasserin ordnet die Jugendstilelernente nach den "Ver- wandlungen von Naturformen ", nach Darstel- lungen von "Mädchen, Frauen und Medu- sen u, "Männern, Mythen, Masken", nach Tie- ren wie "Dämonen, Drachen, Fabelwesen CI in etwas modischen Überschriften, schließlich nach ornamentalen Abstraktionen. Das Kapi- tel über die "neue Kunst auf Straßen und Plät- 381 zen" rundet den Überblick zur Architektur und Formengestaltung des Jugendstils ab, kundig, aber ohne Fachjargon beschrieben, einfuhlsam, aber ohne verstiegene Interpreta- tionen. Im ausfuhrlichen Anhang sind die betref- fenden Häuser und Objekte nach Straßen geordnet, und in Kurzbiografien werden die Künstler vorgestellt. Gerade fur Laien stellt dieser Band eine gute Einführung in die Ar- chitekrurgeschichte Karlsruhes dar, birgt sie doch mehr Überraschungen, als man auf den ersten Blick glaubt. LEONHARD MÜLLER S. 20 S"dtAK 8/PBS 01 239 S. 24 Privat: Harald Ringler S. 25 Stadt Karlsruhe. $tadtplanungs- amt 1II 0633 S. 26 Stadt Karlsruhe. Stadt planungs- amt IIl 24 11 S. 27 Privat: Harald Ringler . S. 29 Bildstelle der Stadt Karlsruhe S. 30 Lufrfoto Brugger 1969/27996 S. 31 Privat: Harald Ringler S. 36 Privat: Holger Reimers S. 41 Stadtmuseum Karlsruhe S. 42 (0. und u.) Stadtmuseum Karlsruhc S. 4S Landesmedienuntrum Baden- Württcmbcrg, Karlsruhe S. 46 LandesmedienU'nlrum Baden- Württcmbcrg, Karlsruhe S. 51 S"dtAK 8/PBS oXlllc 4 I 7 S. 55Suhrkamp Verlag, brecht erben S, 58 $tadrrnuscum Karlsruhe S. 63 S"dtAK 8/PBS 0111 683 S. 64 SudtAK B/PBS IV 186 S. 65 S"dtAK 8/ PBS XIV, 3 S. 67 5tadtAK 8/PBS oXlVa 77 S, 68 StadtAK 8/Diaslg. XJVa 913 S. 69 Sradtrnuseum Karlsruhe, Foto: Fdix Groß S. 73 Regierungspräsidium Karlsruhe S. 76 Universität Karlsruhe, Instimt rUf Sport und Sportwissenschaft S, 79 StadrAK 8/PBS oXJVa 1582 S, 82 StadrAK 8/BA Schlesiger A3 951 5/IA S, 83 StadrAK 8/BA Sch lesiger A30 42/4/1 9 382 Bildnachweis S. 8-4 StadrAK 8/BA Schlesiger A 13a 26/3/9 S. 85 StadrAK 8/BA SchIcsiger Alla 26/3/5A S. 87 S"dtAK 8/0, F XIV 7.14 S. 17 S. 89 S"dtAK 8/PBS oXIVd 176 S. 91 StadrAK 8/PBS XlIIa 144 S. 94 (li.) Archiv der Universität Karlsruhe S. 94 (",.) S"dtAK 8/PBS 0111 674 S. 98 Privat S. 103 S"dtAK 8/PBS oXIVb 301 S. 105 Archiv der Universität Karlsruhe S. 107 Eidg. Archiv fUf Denkmalpflege Bern, Sammlung Wehrli S. 109 Privat: M. Fertig S. 113 FotO: lUZ.Zimmermann S. 117 StadrAK 7/N I Hammann 79 S. 118 StadrAK 7/NI Hammann 79 S. 120 (0. und u.) Priv.: FrithjofKesscl S. 123 Privat: FrithjofKessd S. 126 Gemcindearchiv Christuskirche S. 133 Universitätsbibliothek Karlsruhe S. 135 S"dtAK 8/PBS olV 175 S. 141 Aus: Ernst Schneider. General· bebauungsplan der landeshaupt- stadt Karlsruhe in Baden. Karlsruhe 1926. Anlage 4 S. 143 StadtAK 8/PBS oXJVa 2199 S. 147 (0. und u.) landcsmedienzen· trum Baden-Wümemberg. Karlsruhe S. 148 landesmed ienzemrum Baden· Wümemberg. Karlsruhe S. 151 StadrAK 8/Alben 5 Bd. I , S. 109/2 S. 153 BNN vom 18. April 1946 S. 156 Foto aus: Elisabeth Marum- Lunau: Auf der Flucht in Frank- reich. Der BriefWechsel einer deut· schen Familie im Exil 1939-42, Teen 2000. S. 159 Badisches landesmuscurn S. 161 Badisches landesmuscum S. 165 Staatl iche Majolika.Manufak. tur R 38894 S. 166 Staatliche Majolika-M.:mufaktur S. 167 Badische Landesbibliothek Karlsruhe S. 168 Badische landesbibliothek Kaclsruhe S. 169 (0. und u.) Badische Lmdes- bibliothek Karlsruhe S. 171 Der Volksfreund vom 25. August 1917 S. 172 Der Volksfreund vom 25. August 1917 S. 173 S .. dtAK 8/PBS oVI208 S. 174 S .. dtAK 8/PBS oVI 399, S. 179 (0.) Bildarchiv Rheinhäfen l lufbilddienSl S. 179 (u.) S"dtAK 8/PBS oXIVf 411 S. 183 StadtAK 8/PßS olV 3 11 S. 185 S"dtAK 8/PBS IV 164 S. 189 landcswohlfahnsverband Baden S. 193 S"dtAK 8/PBS 111 312 S. 198 Aus: e h. A. Vulpius: Rinaldo Rinaldini. der Räuber Hauptmann. Eine romantische Geschichte in 3 Teilen oder 9 Büchern. Lcpzig 1799-1801, Nachdruck Hildes- heim INew Yock, O lms, 1974 S. 20 1 S"dtAK 8/PBS 0111 45 S. 202 Daimler-Chrysler~Archiv, Stungan U 53459 s. 205 S"dtAK 8/PBS oXlV, 684 S. 209 StadtAK 8/PBS 0111 674 S. 211 StadtAK 8/Alben 329/2 S. 213 (0. und u.) StadtAK IIAEST 1237-1239 S. 219 StadtAK IISJB 102 S. 224 StadtAK 8/PBS XVI 132 S. 225 St:l.dtAK 8/PBS XVI 187 S. 231 Eberhard-Gothein-Schule, Mannheim S. 233 Karlsruher Schlachthof- Beniebsgcsellschaft mbH S. 235 Karlsruher Schlachthof- Bcniebsgcsellschaft mbH S, 237 Büro Asscm, Karlsruhe S. 238 Foto: A. Fabry, E([lingen . S. 24 1 StadtAK 8/PBS oXIVa 1592 S. 243 Aus: S. Oemrmann, Das Pa- norama, Frankfurt IM. 1980. S. 41 S. 245 (0. und u,) Sradtbibliothek Karlsruhe S. 250 S"dtAK 8/PBS IV 227 S. 254 (0. und u.) Pfarrarchiv SL Bernhardus-Kirche S. 258 Privat S. 259 St:l.dtAK 81BA Schicsiger A 32 1611113 S. 260 SradtAK 8/BA Schlesiger A 29 154/6/27 S. 261 Privat S. 263 Privat S. 266 Bildstelle der St:l.dt Karlsruhe. Foto: Fränkle S. 270 StadtAK 8/PBS 0111 296 S. 27 1 Foto: Reiner Haehling von unzenauer S. 273 S"dtAK 8/PBS 0111 1786 S. 275 S"dtAK 8/A1bcn 12 S. 48 S. 276 StadtAK 8/Diaslg, 111 105 5.277 StadtAK Foto CD 0742, Nr. 34 5.279 StadtAK 8/PBS 0111 1814 S. 280 Aus: Margarethe Hormuth- Ka1lmorgen. Lebensbild einer Blu- menmalerin. Karlsruhe 1994, S. 6 5, 282 Privat S. 283 BNN vom 2. August 1949 S. 284 S"d,AK 8/PBS 1111368 S, 286 Aus: Rahe! Varnhagen. Ein Frauenle~n in Briefen, Pmsdam 1925, S. 136 S. 288 SradtAK 8/PBS 01 167 S. 289 S"dtAK 8/Albcn 186 (Landtagsabgeordnete GLA 851) S. 291 Badische Llndesbibliothek Karlsruhe S. 292 Staatsarchiv Freiburg. W I8 1 S. 293 S"d,AK 8/PBS Jll 249 S. 295 Aus: Ernst Fuchs, Gerechrig- kcicswissenschaft. Ausgewähhe Schriftcn zur Freiheitslehre. Karlsruhe 1965 S. 296 Badisches Llndesmuseum Karlsruhe S. 297 Bibliothek des Bundes· gerichtshofes S. 301 Foto: Privat S, 302 Foto: Andreas G:l.belmann S. 304 LandcsdenkmalanH Karlsruhe 457/3 S. 306 Foto: Privat S. 307 Stadt Karlsruhe, Bauordnungsamt. Akte Waldm. 6 S. 309 Landesdenkmalamt Karlsruhe 46/4 S. 311 Südwesrdeursches Archiv für Architektur und Ingenieurbau S. 313 Badische Landesu:itung vom 20. Juni 1908 S. 315 Foto: Ulrich Schneider S. 316 Badisches Landesmuscum Karlsruhe Inv. Nt. 65/36 S. 3 18 (re. und Ii.) Fotos: Ralf Leder~ bogen. aus: R. Lederhogen/V. Mer- ke!: Kunstwerke und Tcchnikobjek- re der Universitär Karlsruhe 1825- 2090, Info Verlag Kar/sruhe 2001. S. 320 Privat S. 322 Privatarchiv Reiner Hachling von Lanzen:l.uer S. 324 Badisches Landesmuseum. Inv. Nr.: M6432 S. 326 Foto: Rolf Lcderbogen. aus: R. Lederbogen lU. Merkcl: Kunstwerkc und Tcchnikobjekte der Universität Karlsruhe 1825- 2000. Info Verlag Karlsruhe 200 I. S. 327 SradtAK 8/PBS oXIVa 1628 S. 329 Südwestdeutsches Archiv fur Architektur und Ingenieurbau S. 330 $tadtAK 8/PBS oXIVb 524 S. 331 Foto: Näher, Rcudingen (Staatliche Kunsth. lle Karlsruhe) S. 332 Foto: Roben Dn=ikluft S. 333 Foto: Robert Dn=iklufr S. 335 StadtAK 8/PBS oXIVa 2376 S. 366 Foto: Peter Wannet 383 Adcnaucr, Konrad 81.84 Adolf. Herzog von Nassau/Großher· zog v. Luxemburg 287 Ahlborn, Knud 86, 88 Alexander 1., Za r von Rußland 11 9, 364 Allegri 61 Amann, Robert 144. 146 App, OttO 315 ~e,Su~nne 340,376 Aue, Haremann von 99 Auerbach. Max 144 Augenstein, Karl 241 Augusta, deutsche Kaiserin 278 Babbcrger. AuguSt 301-303 Babo, Freiherr August von 70 Bach. Johann Sebastian 291.293 Bachmayer. Monika 166,380 Baden, von - Amalic, Markgräfin 222, 361 - Bernhard. Markgraf 253. 254 - Bcrnhard. Prinz von 45 - Christoph 1., Markgraf 167,168 - Eli~beth, Prinzessin 119 - Friedrich. Markgraf 284 - Friedrich 1., GroßheJ"ZOg 21, 45 , 57.61.94.110.192.194.195. 252-254.256.277.287.279.287. 293.313.351.355 - Friedrich 11., Großherzog 20-22, 196.287.288.314.362 - Hilda. GroßheJ"ZOgin 20,287.288. 361 - Kar!, Großherzog 312 - Kar!, Prinz 248 - Karl Friedrich. Markgraf/Großher. wg 70.91. 181.198.204.285. 296.312.316.328.329.340.362 - Leopold, Großherzog 248,316, 346 - Ludwig 287 - Ludwig, Markgraf 222 - Ludwig I. 44.312.318.319.321 384 Personenregister BEARBEITET VON KATJA SCHMALHOLZ - Luise. Großherzogin 22,57,61, 252.273.279.288.298.361.373 - Max, Markgraf 252 - Philipp 1. . Markgraf 167 - Sophie. GroßheJ"ZOgin (Prinz.essin von Schweden) 248.361 - Stephanie de Beauharnais, Großher- zogin 182.361 - Valerie. Markgräfin 252 - Viktoria, Prinzessin 61.288 - Wilhe1m, Prinz 241 Baden-Baden, von - Bernhard 111., Markgraf 167 Baden-Durlach, von - Ernst. Markgraf 167 - Friedrich Magnus. Markgraf 349 - Kar! Il .• Markgraf 167·169,327. 328 - Karl Wilhe1m. Markgraf 44.45, 47.90.296.312-314.359 Karoline Luise, Markgräfin 296, 329.361 Luise Karolinc, Freiin Geyee von Geyersberg/Reichsgräfin von Hoch- b<'g 222.361 Magd:!..!ena Wilhdmina. Markgräfin 91 - Maria Augusta. Markgräfin 363 Bader, Joscph 327 Ball. Hermann 137 Barker. Roben 240 Baum. Marie 63. 231 Baumann, Hans Theo 163,164 Baumeister. Reinhard 106-108 Bäumer, Gemud 231 Baumgarten. Paul 84 Baumgolften. Hermann 94,95,98, 229 Baumgärtner, Walter 348 Bauser, Heinrich 328 Bayer, Adolf 25,75 Bayer, August von 327 Becher, Johannc:s R. 56 Bechtold, Gerhard 243 Beck, Josef 98 Becker. Carl 241 Becker, Joscf 352 Behrens, Peter 103 Beichel, Friedrich 136, 146,360 Benz, Josef 253 Benz, Benha 203 Beßl., Carl 200-203 Bcnz, Clara 202 Benz. Ellen 202 Benz, Eugen 202 Benz, Johann Georg 200 Bcnz, Richard 202 Bcnz, Thilde 202 Bcrblinger, Auguste 249 Berblinger. Kar! 249 Berblinger. Wilhclmine 249 Bcrckmüller, Kar! 368 Berckm üller, Karl Jo.scph 345 Bergheim. Brigine 55 Berlioz. Hcetor 294 Bernheimer, Ernst 215 Bernheimer, Gerhard 215 Berschauer, Lina 63 Beyer, Joscph 249 Ikyer, Marie 249 Beyer, Magdalenc 249 Bieringer, Liane 236 Billing, Hetman n 323 Bindewald. Klaus 342.343 Bingner, Adrian 297. 298 Binz. Gustav 250 Birgin, Doris 252 Bischoff, Maria 249 Bismarck, Ouo von 60,94, 194. 195. 240.277.278.341 .352 Blankenhorn, Erich 38 Blart, Oskar Gottlieb 125 Bleidorn, Gustav AdolE 92 Bodman, Heinrich Freiherr von 20. 21.22 Bochle, Fritz 314 Boehdingk. Arthur 95. 98 , 99 Bollmann. Beate 343 Bonifaz VIII., Papst 50 Borchardt-Wcnzel, Anncne 361 Borgscedr, Angela 369 Bös, Klaus 77 Boucher, Frano;:ois 296 Brahms. Johannes 230 Brandenburg-Ansbach-Kulmbach von, - A1brccht. Markgraf 168 - Kasimir, Markgraf 168 Katharina 168 - Kunigunde 168, 169 - Maria 168 - Susanna, Markgräfin 168,169 Brandr. Harm-Hinrich 350 Braun, Louis 240, 242 Bräunche, Ernst Ona 339-341. 354, 358, 376 Brecht. Benhold 53-56. 100 Brentano. Lorenz 346 Breuhaus. Frin August 323. 325 Bronner. Emil 139 Bruch. Max 290 Brüning, Heinrich 275 Brunner, holde 371 Brunner, Paul 371 Buback, Sicgfried 266 Bublies-Godau, Birgit 350 Buchberger. Adolf 194 Büchner, Ursula 41 Bühl, A1fons 210 Bühler, Hans Adolf 203 Buhmann. Wolfgang 115 Burckhardt, Jacob 101 Burger, Roben 89 Burkard, Erwin 188 Bußmann, Walter 97 Caesar. Julius 49 Calmez, Isaac 197 Camphausen, Octa 194 Celtis, Konrad 50 Chamoff, Rita 116, 118 Clay, Lucius D. 151 Collum, Wolfgang H. 348, 349 Compter, Theodor 307 Cratander, Andreas 167 Curjel, Roben 126, 307 Curtius, Ernst 101 Dame Alighieri 279 Däubler-Gmelin, Herta 265 Dchler, Thomas 81, 84 Denny, Christian 249 Devrienr, Eduard 293. 294 Oevrient, Emil 293 Oewald. Franz 162 Diemer, Michael Zeno 242 Dietsche. Fridolin 254,313,314 Dionysius Exiguus 48 d'Occhieppo. Ferrari 48 Dollmätsch. Johann Gottlieb 184 Douglas. Christoph Graf 22 Draheim. Heinz 258-260 Drais von Sauerbronn, Carl Friedrich Freiherr 78 Drechsler, Friedrich 52 Dreikluft, Roben 333. 380 Duchardt, Michael 55 Dullenkopf.Ono 164.187.265. 267, 349, 353 Dürer, A1brechr 50 Durm,Josef 79, 102, 195,321,322. 371 Eberle. Friedrich 67,328 Eben, Friedrich 22 Eck, Doris 118 Egler. Carl 203 Ehmcr. Hermann 349 Ehrenberg 222, 224 Eiermann, Egon 308-310 EisenIohr, Wilhe1m 194. 278, 279 Eil. Ernsr 220.221 ElIsläner, Moritz 191 -195 Ellstäner. Ono 193 Engel, Heinrich 42 Engelhardt, Klaus 265 Engler, earl 111 Engler, Helmut 260 Erdmann. Dieter 115 Erzberger, Manhias 231 Eschenbach, Wolfram von 99 Everke, Gerhard 376. 377 Fahnenberg. Freiherr von 182 Fahrenkamp, Emil 323 Fahrner, Rudolf 99 Faisst, Clara 290, 291 Farh, Ralf 370 Fedorov, Sergcj G. 364 Fehringer, Prof. 144 Feim. Karl Heinz 162 Fenrich, Heinz 45,362.376 Fenske, Hans 351 Finrer,Julius 139. 202.218 Fischer. Friedrich 248 Fischer. Friedrich Theodor 312,319 Fischer. Horst 356 Fischer. Joschka 265 Fischer, Kunigunde 64 Fischer. Ulrich 125,265 Fischer. Werner 113 Förster, Wolfram 370 Frank, A1ex 42 Frank, Leopold 42 Fribolin. Hermann 136 Frick, Wilhe1m 38 Friedmann, Hugo 116 Friedrich Wilhdm IV., König von Preußen 341 Friedrich IU .• deutscher Kaiser 278 Fromm, August 43 Frommcl, Emil 125 Frosch. Kar! Huben 242 Fuchs.' Ernst 294. 295 Fuchs, Stefan 354 Fuchs, Wahher Peter 97 Funck. Rolf 108 Furrer. August 368 Furtwängler, Wilhclm 230, 290 Gamber. Gerhard 188 Gärtner, Friedrich von 207 Gauly. Kun 266. 267 Geibel, Emanuel 290 Geiß. Anton 20, 22, 274 Gersmer. Wilhdm 98 Gervinus. Georg Gonfried 94. 110. 114,277,35 1 Gilg. Jakob 117 Glatzlc. Fridegan 162.166 Göderin, Johannes 26 Goebbels, Joscph 210 Goenz. Jürgen 164 Goethe. Johann Wolfgang von 99. 184,284,294 Göler, Sigmund von 22 Goll. Anton 165 Gorbmchow. Michail 121 Görtz, Franz Josef 54 Gotein, Gabor 275 385 Gotein geb. Löwenfeld, Ida 275 Gotdn, Rahe!, s. Stroms Gothein , Eberhard 228-232 Gradenwitz, Sophic 155 Grau, Ute 344, 359. 362 Grcgor XlII. , PapSt 49 Grcgor, Adalbert 218,219 Gricshaber, HAP 330, 331 Gropius, Walter 26. 145 Groß, Josef 24, 188 Großkinsky. Manfred 59 Grossmann, Hans 323 Großwendt, EJisabcth 136 Grothmann. Karl 129 Grüningcr, B. 255 Gschcidtlcn, Theodor 250 GÜdc. Max 266 Gurk. Franz 260 Güß, Pcter 306 Gustav Adolf, Kronprinz/König von Schwcdcn 61, 242 Gutenbcrg. Johanncs 167 Gmjahr, Rainer 346 Guttenberg, Baron von 265 Gunmann, Barbara 338. 355, 356, 359 Haas. Ludwig 21 Habcrstroh. Joseph 320 HafTner. Sebastian 265 Hainau, von (Polizcidircktor) 182 Hammann , Gertrud 116-1 19 Hanauer, Anton 42 Hanscmann , David 192 Hanscr, Adolf 344 Hanscr, AJfred 370, 371 Haupt, Dorothca 27 Haupt, Pc[cr 27 Hauptmann , Gcrhard 99. 290 Hauser. Carolin 249 Haußer, Paul 38 Hcbel, Johann Perer 316 Hecht, Werncr 53, 54 Heck. Michael 53 Heck. Stanislaus 43 Hecke!, Erich 330 Hecker, Friedrich 358 Hccr, Adolf 59 Heiligcr, Bernhard 326 Heinrich 1.. König 119 Heinrich. Josef 137 386 Heinrich, Willi 121 Held, Fried rich 206 Hcmbcrger. Jakob Friedrich 45 Hertenstein, Adolf 249 Henweck, Georg 358 HeB, Rudolf 151 Hesse, Hermann 290 Heurich, Fridolin 137,270, 271 Heuss, Theodor 81, 84, 23 1 Heyse, Paul 230 Hildenbrand, Hermann 307 Hillerbr:and , Josef 323 Himmelhebcr, Gustav 273 Himmel hcbcr, Kar! 273 Himmelheber, Karhinka 274, 355 Himmelhebcr, luitgard 273, 274 Himmler, Heinrich 368 Hirsch, Felbt 97 Hirsch, Friedrich 113 Hirsch, Wolfgang 326 Hider, Adolf 75, 111, 155, 156, 210 Hochstuhl, Kun 348 Hoeneß. Vii 265 HofTner, Hans Joachim 26 1,262 HofmannsthaI, Hugo von 99 Hohen lohe-Schillingfürst. Chlodwig. Fürst zu 52 Hohkamp. Michaela 196 Hohnstein, Andre 196 Hölderlin, Friedrich 99 Holdcrman n, Karl 98 Holl. Kar! 99 Hollaender. Peter 1 55~ 1 57 Homberg, Rüdiger 358.359 Honsdl. Mn 273 Höpke. KJaus-Perer 128 Hormu th , Anna 280.28 1 Hormuth-Kallmorgen. Helene 280 Hormulh-Kallmorgen. Margarethe 280.281 Hormuth-Kallmorgen, Walrher 280 Hörner, Heinrich 40 H örnle. Carl Christian 249 Horras. Katharina 251 Horter, Richard 289.290 Hon. Joachim 100 Hübsch, Hei nrich 204, 206, 207. 224.253.310.311.318.319.346. 360 Hüchtkcr.Dicrlind 197 Hugencst, Melchior 329 Hundt, Hermann 216 H üssy,Oskar 137 Ihle, Julius und Franz 249 ]agemann, Eugen von 321 Jäger, AdolfFriedrich 136 Jann.sch, Georg 334 Japp, Uwe 99 Jaspers, Kar! 210 Jellinek, W.her 210 Joachim. Joscph 290 JoUy, Julius 192 Joseph H. , Kaiser 285 Jung, Ernst 27 K. bierske. Gerhard 362,363,376. 377 Kallmorgen, Friedrich 24 1, 280, 281 Kam.ler, Alfrcd 216 Kares. M.u in 375.376 Kalharina die Große 119.36 1 Kaufmann. Michael Gerh2fd 375. 376 Kehr, Kar! 24 1 Keidel , Eugen 138 Kei l. Wilhe1m 283 Keller. Ferdinand 280 Kenntner. Gcorg 76 Kepler, Johannes 311 ,312, 318,319 Kessel, Frilhjof 379 Keßler, Emil 200 Kiefer. Karl 249 Kiefer. Ludwig 249 Kiefer, Luise 249 Kiesinger, Kurr-G eorg 264 Kim mclmann, Alois 291- 293 Kindermann, Hans 325, 326 Kin keI, KJaus 265 KJais. Johannes 376 KJing, Gud run 372-374 Klingmüller 97 KJipfel, ludwig 41 Klose, August 226 Klon. GÜnlher 24,45, 138,203, 267.349.353. 368 KJumpp, Heinrich 22 Knecht, Friedrich 253 Knörzer, Anten 253 Koch, M.nfred 340.34 1,347,348. 352.353.367.371.376.377.379 Koch. Peter F. 31 5 Koelle. Eduard 346 Köhler. Heinrich 151, 153.2 12.274, 275,283,284 Köhler. Walter 153 Kolb. Wilhdm 367 Kölle. Manin 376 Korn 92 Kran, Wilhdm 339 Krause, Burkhardt 99 Krause. Karl-Heinz 326 Kremer. Egon 54 Krieger, Josef 242 Krimm. Konrad 371 Kühlenthai, Kar! Christoph 93,98 Kühncl, Miriam 376 Kunle, Heim .. 53. 260. 354 Künnle, Cul 224 La Fontaine. Jean de 184 Lamprccht, Familie 306 Lang, Heinrich 360 Lankheit, K1aus 97. 103 Lanunauer. Reiner Haehling von 348 Lassalle. Ferdinand 58 Laßberg, Joseph von 167 Lcchleirner. Georg 368 Lehmann, Ono 87 Leiber, Gonfried 378.379 Leiser, Wolfgang 176 Lcnard, Philipp 210 Lender. Franz X. 274 Lenin, Wladimir 97 Lw Xlii., P'p" 47, 253 Lconhard, Heinrich 78 Lermontow. Michail 11 9 Lessing, Gotthold Ephraim 99 Leunbach. Wilhdm 108 Levi. Hermann 294 Lewin, Chaie 286 Lewin, Markus 286 Liedke. Dietmar 162 lill, Rudolf 97 Limbach, Juna 64,265 Linde 97 Lählein, Theodor 98 Loo, Carle van 296 Lorenz 41 Löwemhal. Hans Hcinz 213 Lübke. Wilhclm 102, 103 Lüders. Marie EliS3.bcth 281 Ludin. Hanns 38 Ludwig XIV .. , König von Frankreich 90 Ludwig XV .. , König 296 Ludwig. Dierer 109.352 Lunau. Heinz 155,156 Lurz, Meinhold 59 luner. Kerstin 373, 374 Luz. Hans 27 Maaß, Hans 116 Maillol. Aristide 326 Mann, Thomas 155 Mao Tse-tung 55 Marriensen, Theodor 200 Manin, Egon 376 Marum. Brigine 155- 157 Marum. Elisabcth 155-157 Marum. H ans 154-157 Marum. Johanna 155. 156 Marum. Ludwig 40.154. 155,367 Marum. Pierre 157 Marum, Sophie, geb .. Gradenwin 155-1 57 Mau, Karl 58, 97 Mathy, Karl 108, 192 Manka, Georg 362,363 Maul, Heinrich 122 Maurer. Gustav 42 Maximilian 1.. Kaiser 168 May, Ernst 145 Mayer, Car! 206 Mayer-Vorfc1der, Gerhard 367 Meckd, Mn 253, 254 Mecrwein. Carl Friedrich 348 Mehnere, K1aus 265 Mdling, Chrisroph 296 Mdling. Jean 296 Mdling, Joseph 296, 297 Mdling. Nicolas 296 Mendc1ssohn-Bartholdy, Felix 293 Mertens, Heinrich 28 Merz. Florian 163-165 Merz, Waher 144- 146 Metzger. Marie 215 Metzger, Simon 215 Meyer. Bruno 101. 102 Meyer, Thomas 338, 376 Miller, Wolfgang 27 Mittenzwei, Wemer 53. 54 Möckd, Klaus 25 Moesr, Hermann 300 Mohr, Alcxande.r 340 Molihe 294 Möller, Alex 368 Morin. Karl Philipp 99 Morlock. Jürgen 347 Moser. Kar! 126, 307 Moue. Fouque, Friedrich de la 184 Monl, Fdix 230 Mühre.n~rg, Ankc= 376 Müller, David 98 Müller, Gc=bhard 84, 264 Müller, Jeremias 204 Müller, K1aus-Detlef 54 Müller, Wilhdm Jeremias 329 Müller·Hufschmid, Willi 33 Münch. Jaoob 39. 40 Mürb, Roben 264 Mutter 61 Napoleon Bonapartc= 361 Napoleon IlI .. , Kaiser von Frankreich 240 Ne~nius, Carl Friedrich 98 Neef, Gerhard 252 Neef, Margot 252 Nestle, Karl Theodor 210 Neuburger. August 151,152 Neumann, Erik 338 NeumeisIer, Dirk 376 Nikiforowa,Sweriana 124 Nippe.rdey, Thomas 97,350 Nokk, Franz Wilhdm 228 Nolde, Emil 33 Nörbcr, Thomas 252, 253 Oberle. Wilhdm 248 Obermüller.Vc=ncdey. He.nrieIle 350 Ooolampad ius. Johannes 167 Oechdhäuser. Adolf 102 Oehme, Ruthard 129 Oelsner, GUSIav 145 Ohlbaum, !solde 365 Ohndotf, Mathias 164 Oncken. Hermann 94 On. Frieda 219.220 On, Kar! 86-89 Paulcke, Wilhdm 74 PaulI, Hermann 63 Pestalozzi. Heinrich 217 387 Peter IIL. Zar 119 Pe:te:r. Jose:ph 346 Pe:te:rse:n. Hans 242 Pfarr, Adam 95.98 Pf'iste:re:r, Ge:rhard 31 Pfiste: re:r. Karl 249 Pfläste:re: r, Karl 137. 139 Pflaume: r. Kar! 38. 153 Philipp. Günthe:r 379 Piglhdn. Bruno 242 Plate:. Ulrike: 344. 370 Pogge:ndorf. Die: trich 129 Pompadour (Madame: de:) 296 Possdt. Gottfricd 197 Possdt. Ernst Ludwig 92. 199 Präge:r. Christmut 370 Pre:slinari. Sophie: Amalie: 273 Pre:tsch. Pe:le:r 358.359. 37 1. 376 Prinn 31 Raab, Frie:drich 108 Ramspc=ge:r. He:rmann 38 Ranke:. Lropold 228 Rasch, Wolfdiwich 99 Rathe:nau. Wahe:r 367 Rand. Frie:d rich 3 13. 3 14.371 Räube:r. Manin 249 Rauch, Christian Danid 330 Raufe:r. A10ys 3 11 . 319 Rauh ul. Christa 220 Rausch, Jan-Dirk 121, 124 Re:bmll.nn. Edmund 62 Re:bmll.nn. Marie: 62 Re:dt e:nbache:r, Ferdinll.nd 279 Rc=ichard. Frirorich 134 Rdme:rs. Holge:r 362.363 Re:nne:r, Narziss 168 Re:uchlin. Johanne:s 167 Rhott 197 Rie:dinge:r. Be:rthold 137 Rie:dne:r, Pe:t e:r 149.25 1 Rilke:. Raine:r Maria 99 Rinck. Christoph Frie:drich 181 Ringlu, Harald 339. 376 Ritte:r. August 200 Rodlc=cke:. Elga 346. 365. 379. 380 Roggenbach. Franz von 277.278. 352 Rosc=nbcrge:r, Adolf 3 14.3 15 Rose:nbcrge:r. Sophie: 3 14.3 15 Roßkonen, He:inrich 28 388 Rößling, Wilfrie:d 376 Rothfuß. Christi'lR 332 Rüdt von Colle:nbcrg. Fd ix 78 Ruhland, Michad 360 Rumpf. Hans 76 Rürup. Re: inhard 100 Sack. Erwin 367 Salomon. Else: 136 Sa!omon. Ernst 152 Samojknko. VlI.lcrij 122 Saue:r. K.u l 38. 40 Sax, He:rbe:n 2 15 Schäfe: r, ClI. r1 102 Schäuble:. Wolfgang 265 Sche:ide:mann, Philipp 22 Schdl, Wilhdm 128, 129 Schdling. Erich 3 1,83 Schd ling. Friedrich 184 Schilb, Christof 80 Schille:r. Fric=drich von 99. 184. 198. 276.294 Schinde:rhanne:s 198 Schinkd, Kar! Frie:drich 205, 207 Schirme:r. Wulf 345 Schlc=sige:r. Horst 349 Sch!osse: r. Corndia 284, 285 Schlosse:r, Frie:drich Christoph 277 Schlomr, Johann Ge:org 284, 285 Schlüte:r, The:o 376 Schmalho!z, Katj ll. 354, 376 Schmid. Carlo 284 Schmidt 25 - Car1 316 - Gc=org 3 16 - Gustav 3 16,317 - Jacob 316 - Johann Jacob 316 - Karl-Throdor 129 - Norbe:rt 221 Schmidt-Staub, He:rmann 317 Schmidt-Sraub. Rudolf 3 17 Schmitt. He:inz 61 .340 Schmitt, Jose:f 253 Schmiu , Pe: te: r 166 Schmoller. Gustav von 230 Schnabel. Franz 94,96,99. 100, 208- 212 Schndde:r, August 39.40 Schneider. Hermann 139, 140, 142, 145 Schne:tz.ler, Karl 59, 107. 134, 177 Schoch, Emmy 63 Schöpf, Karl 28 1 Schöpf, Mc:1irra 281, 282 Schon. Rudolf 376 Schrag, P:ml 156 Schrag, Susie 156 Schreibe:r 184 Schröde:r, Andreas 376 Schröde:r, Ge:rhard 265 Schr()(:dte: r, Adolf 183 Schroll-Vom.Onmar 203 Schubart. Ulrike 358.359 Schubladen-Kräme:r, Jürgen 354,358 Schulz. Ekke:hard 379 Schumache: r, Frirz 145 Schütz., Pau! 26 Schwarz 186, 224 Schwarur. Ale:xande:r 358 Schwarzmaier, Hansmartin 365 Schwdckhardr, Emi! 250 Schwdne:r, Albert 290 Schwörc=r, Hans 188 Sd ler. Ge:rhard 45, 122-124, 265, 267.355 Sdterich. Eugen 255 Sdmayr, Gerhard 53 Shakc=spcare: , William 55, 279, 294 Shd lq . Percy Bysshe 55 Sie:bw. Clara 64 Sie:gmann, Wolfgang 27 Sie:grist, Kar! 108. 134, 177.353 Silbermann, Johann Andrcas 375 Silbcrstdn, Max 81 Sinclair, Upton 55 Sombart, Nicolaus 230 Spanger, Jürge:n 374, 375 Spcye:r. Sie:gfri ed 215 Spin bll. rt , Elisabc(h 345 Spirzmülle:r 66 Spö rli ng, Magdale:ne: 249 Staige:r 3 10 Staub. Luise: 317 Stein . Frdherr von 182 Stcinbach, Erwin von 3 11 , 312. 318. 319 Steiner, Jacob 77. 99 Ste:phan-Kabierske:, Susanne 376 Stie:fcl, Philipp 128 Stock. Christian 283 Stolle, Michad 368 Strack. Heinrich 205 Straus, Elis 276 Straus, Isa 277 Straus geb. Gorein, Rahel 275-277 Strieder, Wil hclm 233, 360 Stüler, Friedrich August 205 Stürzenacker. August 360 Sulzer. Marie 220 Teufel, Manhäus 42, 43 Thierfclder, J örg 116 Thode, Henry 102 Thoma, Hans 290,3 14, 323 Thum, Bernd 99 1111, Karl 162 Tolsroi, Leo 99 Töpper, Friedrich 137,359.367 Traitteur, Wilhelm von 364 Trammann, Theodor 307 Trippmacher, Elisabeth 202, 203 Tröndle, Franz 249 Trunk, Josef Ludwig Gustav 87, 274, 275 Tschira, Arnold 329, 379 Tulla, Johann Gottfried 273, 318, 320 Turban , Ludwig 194 Twele, August 74 Uehlin , Theodor 43 Uhland, Ludwig 290 Ulbrich, Claudia 196 Unscld, Siegfried 53 Yaillant, Johanna 200 Yaillant, Kar! Friedrich Michael 200 Yarnhagen, Kar! August 286 Yarnhagen, Rahe! 286 Yarerrodt, Franz 38 Yeit, Hermann 137,210,367 Yenedey, Jakob 350 Vestner, Dieter 339, 340 Victoria, Königin von Schweden 22 Vigener, Gerhard 188 Viktoria, Königin von England 287 Vischer, Friedrich Theodor 101 Vogel, Heim 44,45.47 Vulpius, Christian 198 Waag, Maximilian 92 Wach . Kar! 28 Wagner, Christina 340 Wagner, Ernst 327,328 Wagner, Ludwig 249 Wagner, Manin 145 Wagner, Richard 99 . 294 Wagner, Roben 38,40,75, 149, 153, 368 Wallner, Gemot 164 Wallor, Paul 370 Wapllewski, Peter 99 Wätjen, Herrmann 96 Weber, Alfred 23 1 Weber, Max 230,231 Weech . Friedrich von 57,66,67,69. 226,248, 286 Wehler, Hans-Ulrich 350 Weigel , Rudolf 210 Weihnacht, Pau! Ludwig 371 Weil, Lcopold 213 WeiH. Heinrich 149, 150 Weinbrenner, Adolf 253 Wein brenner. Fried rich 31,44-46, 182,204,222,223,264,310-312, 317,318, 320,321,329,345,346, 360,364,378,379 Weinkauf, Hermann 82, 83 Wels,Orto 154 Wehring, Heinrich 102 Wendt, Gustav 110, 114,230,294 Werber, Friedrich 266 Wemer, Anton von 240, 24 1 Werner, Josef 263-265, 349 WenIar, Heinrich 27 1,272 Wcysscr, Kar! 328 Widmer, Kar! 332 Wieland, Chrisroph Manin 184 Wien, Bernhard 357 Wilamowirz-Moellendor/T, Ulrich von 111 Wil hclm 1., deutscher Kaiser 59, 125, 277,278,287,313,346 Wilhe1m 11., deutscher Kaiser 21,47, 52, 57, 60, 111, 231, 241 , 278, 287 Wilhe1m llJ., König von Eng!and 349 Wilhe1m, Rudolf 215,216 Wilhe1m, T hekla 216 Willard. Adolf 253 Wimmer. Brigirte 367 Witkowski, Hclga 164 Winmann, Heinrich 210 Wölffiin, Heinrich 102 Wohmann, Alfred 101 Worch, W illi 153,338 Worri nger, Wilhclm 103 Wulzinger, Kar! 103 Würz. Bcrnhard 188 Zahn , Kar! 365-367 Zimmermann, Guslav 283, 284 389 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Viktori:a Adam Schülerin, Bismarckgymnasium Karlsruhc: Andre:!. Ahcnburg Presse· und Informationsamt Stadt Karlsruhe Oe. Susanne Asche Instirut rUf Sudtgcschichte. $tadrarchiv Oe. Monika Bachmayer Kunsthislorikerin. Karlsruhe Oe. Brigittc Baumstark Städlische Galerie Karlsruhe ArnulfBttg LId. Reg. Landw. Dir., Rcgierungspräsidiuffi Karlsruhe Oe. Angc:la Borgslcdt Universität Karlsruhe Oe. Ernst Otto Bräunehe Leiter des Instituts fü r Stadtgeschichte. $tadtarchiv Oe. Kristiane Burckhardt Badisches Landesmuseum Karlsruhe Sven ia Diefenbachcr Schülerin. Bismarckgymnasium Karlsfuhe Oe. Juna Dresch Badisches Landesmuseum Karlsruhe Oe. Konrad Dussel Kunsthistoriker, Forst Jan Ernc:rn.ann Schüler. Bismarckgymnasium Karlsruhe Prof. Dr, Hans Fenskc Universität Freiburg Dr. Dellev Fischer Vorsincnder Richter am Landgerichl Karlsruhe Andreas Gabelmann M.A. Kunsthismriker, Karlseuhe Si mi na German Schülerin, Bismarckgymnasium Karlsruhe üstR Helmut G rimm Bismarckgymnasium Karlsruhe Sabine Groh Schülerin, Bismatckgymnasium Karlsruhc OstR Rainet Gut jahr Humboldtgymnasium Karlsruhe Oe. Barbara Gunmann Historikerin, Karlsruhc 390 Dr. Reiner Haehling von Lanzc:nauer Jurist und Historiker, Baden-Baden Dr. Gisela von Hc:gel Direktorin des Zoologischen Gartens Karlsruhe D r. Brigilte Herbach-Schmidt Oberkonservatorin, Badisches Landesmuseum Karlsruhe Priv. Doz. Dr. Klaus-Peter Hoepke Universi tät Karlsruhe Oe. Annemarie Jaeggi Universität Karlsruhe Prof. Dr. Uwe Japp Universität Karlsruhe Sandra Ju ng Schülerin, Humboldtgymnasium D irekto r Klaus Dietet Justen Studienkolleg der Universität Karlsruhe Dr. Gerhard Kabierske Südwesldeutschcs Archiv Hir Archileklur und Ingenieurbau, Universitäl Karlsruhe Hanna Kaiser Schülerin, Bismarckgymnasium Karlsruhe Frilhjof Kessel Alt-Stadrrat, Karlsruhe Dr. Clemens Kieser Landesdenkmalamt Baden-Württemberg Dr. Christina Klausmann Haus der Gcschichle Baden-Würnemberg, Stuttgarr Prof. Dr. Manfred Klinkon Universität Karlsruhe Yps Knauber Journalisti n, Karlsruhe Prof. Dr. Jan Knopf Universilät Karlsruhe Dr. Manfred Koch Inslitut fu r Stadlgeschichte, Stadl2Tchiv Richard Kohlmann Abt. Direktor a. 0., Karlsruhe Andrea Krieg Leiterin der Stadtbibliothek Karlsruhe Prof. Dr. Jürgen Krüger Universität Karlsruhe David Kuhs Schüler, Bismarckgymnas ium Karlsruhc Prof. Dr. h. c. Heinz Kunle Un iversität Karlsruhe Tomen Liesegang M.A. Literarische Gesel lschaft Karlsruhe Almur Maaß M.A. Badisches Landesmuseum Karlsruhe Dr. Ursula Merke! Sräddsche Galerie Karlsruhe Thomas Meyer Historiker, Karlsruhe Matthiu Miller M.A. Universitätsbibliothek Heidclberg Dr. uonhard Müller Forum fur Stadtgeschichte und Kultur Dr. Ute Obhof Leiterin der Handschriftenabtcilung, Badische Landesbibliothck Karlsruhc Dr. Ulrike [>1:1[e L:lRdesdenkmalamt Baden-W~memberg Olivcr Porticz STUdienreferendar, Scminar für Schul pädagogik Oe. Peter Pretsch InstiTUt fu r Stadtgeschichte, Stacltmuseu m Dr. Frank R.3berg Historiker; Kommission für geschichtl iche Landeskunde Baden-Württemberg Dr. Manina Rebmann uiterin der Musikalienabteilung, Badische Landesbibliothck Karlsruhe Oe. Clemens Rehm Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe Dr. Hoiget Reimcrs Universität Karlsruhe Dr. Harald Ringler Stellven rctcnder uitcr des Stadrplanungsamrs Karlsruhe Prof. Dr. Erika Rödiger-Diruf Leiterin der Städtischcn Galerie Karlsruhe Angelika Sauer Sradtarchiv Karlsruhc Heinrich Alo is Sch illinger Architekt, Karlsruhe Dr. Heinz Sch mitt Leitender Bibliomcksdirekror a. D. Pctcr Schmilt M. A. Badisches Landesmuseum Karlsruhe Oe. Do rothca Schmin-Hollsrei n Journalistin, Karlsruhe Oe. Ulrich Schneider Südwestdeutschcs Archiv fu r Architektu r und Ingenieurbau, Universität Karls ruhe Dr. Christoph-Huben Schüne Ltd, BibI. Dir., Universität Ka rlsruhe Asysa Schwehn Schülerin, Bismaeckgymnasium Karlsruhe Prof. Dr. Gerhard Seiler Oberbürgermeister a. 0., Karlsruhe Dr. Jürgen Spanger Stellvertretender Leiter des Staatl ichen Scminars für schulprakrische Ausbildung, Mannhcim Eva Spindler M. A. Badisches Landesmuscum Karlsruhe Oe. Dirk Stegen Geschäftsfl1hrcr der Karlsruher Schlachthof- Iktriebsgescllschaft mbH Dr. Günter Stegmaier Landesbildstelle Baden. Karlsruhe Dr. Claudia SlOckingcr Universität Karlsruhe Dr. Michael Stolle M.A. Universität Karlsruhc Mathias Trä ndie Presse- und Informationsaffit Stad t Karlsruhe Hans-Ouo Wallet Direktor a. 0 .• Badischer LandeswohlF..thnsverband Josef Werner Journalist, Enlingen Manud Wittek Abiturien t, Humboldtgymnasium, Karlsruhc 391 www.infoverlag.de P-ESE-06L88-E NBSI
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/literatur/stadtarchiv/HF_sections/content/ZZmmCkfzTfr4ZR/Blick%20in%20die%20Geschichte%201998-2003.pdf