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Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_225 Neureut Allgemein Energieeffizienz des Stadtteils Priorität 3 - Adolf-Ehrmann Bad - Badnerlandhalle - Evang. Kirche Neureut-Nord - Ehemaliger "Grüner Baum" - Heimathaus - Kath. Kirche St. Heinrich und Kunigunde - Kirchfeldbrücke - Schulzentrum - Evangelische Kirche Neureut-Süd (Waldenserkirche) Prüfungsauftrag - Majolikafassade an der Südschule Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_226 Neureut Allgemein Neureut ist der nördlichste Stadtteil von Karls- ruhe und wurde im Jahre 1260 durch Markgraf Rudolf I. gegründet. Die ehemals größte Landgemeinde Baden- Württembergs wurde 1975 nach Karlsruhe eingemeindet und hat heute ca. 17.300 Ein- wohner. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_227 Neureut Energieeffizienz des Stadtteils Dieser kurze Überblick zeigt die in diesem Stadtteil hauptsächlich verwendeten Lichtquellen und stellt den Stand Januar 2006 gemäß den Stadtwerken Karlsruhe dar. Leuchtstofflampe 40 % 1319 St. Natriumdampf-Hochdruck 30 % 960 St. Halogen-Metalldampflampe 0 % 0 St. Quecksilberdampflampe 30 % 973 St. Bewertung Sehr hoher Anteil an unwirtschaftlichen Quecksilberdampflampen mit geringer Lichtausbeute. Es ist ein Austausch der Queck- silberdampflampen durch wirtschaftlichere Na- triumdampf-Hochdrucklampen oder Halogen- Metalldampflampen zu prüfen. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_228 Neureut Adolf-Ehrmann-Bad Das Adolf-Ehrmann-Bad ist ein Hallenbad in Neureut. Es wurde 1964 auf Initiative des da- maligen Neureuter Bürgermeisters Adolf Ehr- mann eröffnet. Im Sinne der übergeordneten Thematisierung des Wassers eignet sich das Gebäude des Adolf-Ehrmann-Bades aufgrund seiner ku- bischen Verschachtelung für eine abstrakte Licht-Wasser-Beleuchtung. Ob durch bewegtes, in Blautönen gehaltenes oder anderes Licht, so oder so kann hiermit nicht nur die wichtige Wahrnehmungsverknüpfung "Karlsruhe – Was- ser" gestärkt werden, sondern auch ein für Neureut markantes Gebäude stärker ins Blick- feld gerückt werden. a Situation heute b Luftbild c Beispielbild a b c Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_229 Neureut Badnerlandhalle Die Badnerlandhalle wurde 1977 eröffnet und wird für Ausstellungen, Kongresse und Konzer- te genutzt. Im Obergeschoß der Halle befinden sich eine Zweigstelle der Stadtbibliothek, ein Restaurant und mehrere kleine Tagungsräume. Die Badnerlandhalle ist ein typischer Vertreter der ausgehenden 70er-Jahre Architektur. So- wohl Gebäudeform wie auch das umgebende Gelände eignen sich für eine dezente Licht- sprache, welche mit den Erinnerungen an „Zu- kunft, Technologie und abhebendem Raum“ spielt. Der vor dem Gebäude liegende Raum soll ver- stärkt nur auf den Boden ausgerichtetes Licht erhalten und so das "leichte Schweben" des Hauses stärken. a b a Beispielbild b Situation heute Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_230 Neureut Evangelische Kirche Neureut-Nord Die im neugotischen Baustil errichtete Evange- lische Kirche Neureut Nord (auch "Nordkirche") wurde 1888 eingeweiht. 2001/2002 wurde die Steinfassade und die wertvollen Kirchenfenster überarbeitet sowie die Schiefereindeckung erneuert. Die Kirche stellt eine der historischen Wurzeln Neureuts dar und ist einer der nächtlichen Orientierungspunkte. Beides soll mit einem – sanft über das gesamte Gebäude streichen- den – Fassadenlicht hervorgehoben werden. Den Baumaterialien entsprechend soll hierfür ein kühleres, neutralweißes Licht (4‘200K oder höher) verwendet werden. Ein warmes Licht (2‘700 – 3’000K) aus den Kirchenfenstern her- aus sorgt für einen reizvollen Kontrast und be- tont die Wichtigkeit der Fenster.a b a Situation heute b Prinzipbild Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_231 Neureut a Luftbild b Situation heute c Kompositorische Skizze Ehemalig "Grüner Baum" In dem um 1780 erbauten Gebäude befand sich bis 1941 die Gastwirtschaft Grüner Baum. Das Gebäude stellt mit seiner Größe und mas- siven Bauweise, sowie aufgrund seiner Historie eines der wichtigen Bauwerke Neureuts dar. Eine ruhige, auf der Fläche von oben nach unten verlaufende Fassadenbeleuchtung soll dem gerecht werden. Die subtilen Mittel- und Eckrisalite sollen durch eine abgesetzte Licht- farbe die symmetrische Gebäudeteilung sicht- bar machen. Damit die Schwere des Gebäudes spürbar wird, soll die Fassadenbeleuchtung – zumindest die ersten Meter – auch über die Seitenfassaden geführt werden. Im Sinne der anzustrebenden Energie- und Kosteneffizienz sollte eine Beleuchtung mit Fassaden-Gobo-Projektion (siehe Kapitel: Licht- verschmutzung) geprüft werden. a b c Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_232 Neureut Heimathaus Das Heimathaus Neureut ist ein Ortsmuseum welches 1999 eröffnet wurde. Teil der Ausstel- lung ist eine komplett eingerichtete Neureuter Wohnung um 1900 mit Flur, Küche, Wohn- stube, Schlafstube und Keller. Das Haus soll mehr im Sinne des „Merkma- les“ am Abend auf seinen Inhalt aufmerksam machen. Denkbar sind historisch anmutende Leuchten, eine sanft schimmernde Lichtskulp- tur oder – von der öffentlichen Beleuchtung aus – ein angemessene Lichtprojektion. a b a Situation heute b Luftaufnahme Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_233 Neureut Kath. Kirche St. Heinrich und Kunigunde St. Heinrich und Kunigunde ist die katholische Kirche in Neureut-Kirchfeld. Die Kirche wur- de 1952/53 erbaut und besteht aus einem Kirchenschiff mit Sakristei, einem baulich ge- trennten Glockenturm und einem Gemeinde- saal. Dem baulich getrennten Glockenturm kommt aufgrund seiner Höhe eine wichtige Bedeutung als Orientierungspunkt zu. Eine Beleuchtung von Glockenöffnungen und Durchstoß, zu- sammen mit den beleuchteten Seitenfassaden, stellt diese Bedeutung auch Abends sicher. a b a Luftaufnahme b Fernwirkung Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_234 Neureut b a Situation heute b Kompositorische Skizze Kath. Kirche St. Heinrich und Kunigunde a Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_235 Neureut Kirchfeldbrücke Die Brücke wurde 1989 erbaut. Das Aufleuchten ihrer Unterseite macht den Schwung des Bauwerkes auch nachts sicht- und spürbar. Die Eignung von eingefärbtem Licht sollte ge- prüft werden. a c a Situation heute b Beispiel Kaita Brücke Japan c Prinzipbild b Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_236 Neureut Schulzentrum Das Schulzentrum Neureut besteht aus dem Gymnasium Neureut, der Realschule Neureut und der Musikschule Neureut. Das Schulzentrum nimmt am Projekt „Schule auf Umweltkurs“ teil und wurde im Jahre 2005 als erste Karlsruher Schule durch Emas nach den EU-Richtlinien für sein "Öko-Audit" ausge- zeichnet. Das gesamte Gelände, wie auch die Bauwerke, sollen mit zukunftsweisenden, energieeffizien- ten Lichttechnologien beleuchtet werden. Der sorgfältige und trotzdem schöne Umgang mit der Energieform Licht kann hier ideal ins Bewustsein der heranwachsenden Generation gebracht werden. a b a Situation heute b Luftaufnahme Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_237 Neureut Evangelische Kirche Neureut - Süd (Waldenserkirche) Die heutige Kirche wurde nach dem zweiten Weltkrieg, in größeren Abmessungen wieder errichtet. Der im Weinbrennerstil erbaute Glockenturm soll ein Herausleuchten des Glockenraumes aufweisen, in Kombination mit einer sehr zu- rückhaltenden Turmbeleuchtung. Lichtfarben Turm 2‘200 – 3‘000 K Glockenraum ca. 4‘200 K a b a Tagsituation heute b Nachtsituation heute Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_238 Neureut b a Luftbild b Kompositorische Skizze Evangelische Kirche Neureut a Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_239 Oberreut Allgemein Energieeffizienz des Stadtteils Priorität 3 - Gemeindezentrum Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_240 Oberreut Allgemein Auf einer Fläche von 100 Hektar entstand 1964 auf dem Reißbrett eine Wohnsiedlung für rund 12.000 Menschen. Im Jahre 1970 war die Be- bauung der Waldlage beendet. 5700 Einwoh- ner, anstatt der geplanten 4200, wohnten in den 1160 entstandenen Wohnungen. Danach wurde die Feldlage beplant. Der Teilbebauungsplan "Oberreut-Feld- lage I" wurde 1969 als Satzung beschlossen. 439 Wohneinheiten für 1500 Menschen ent- standen. 1980 kam dann der Bebauungsplan "Oberreut-Feldlage II" hinzu. "Oberreut-Feldla- ge III" folgte 1990. So lebten am 30. Juni 1999 9956 Menschen in 4231 Wohnungen in Oberreut Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_241 Oberreut Energieeffizienz des Stadtteils Dieser kurze Überblick zeigt die in diesem Stadtteil hauptsächlich verwendeten Lichtquellen und stellt den Stand Januar 2006 gemäß den Stadtwerken Karlsruhe dar. Leuchtstofflampe 55 % 668 St. Natriumdampf-Hochdruck 44 % 529 St. Halogen-Metalldampflampe 0 % 0 St. Quecksilberdampflampe 1 % 7 St. Bewertung Geringer Anteil an unwirtschaftlichen Quecksil- berdampflampen mit geringer Lichtausbeute. Es ist jedoch ein Austausch der Quecksilber- dampflampen durch wirtschaftlichere Natrium- dampf-Hochdrucklampen oder Halogen-Metall- dampflampen zu prüfen. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_242 Oberreut Gemeindezentrum Oberreut Das Gemeindezentrum ist der zentrale Begeg- nungsort von Oberreut. Der Charakter des in den 80er-Jahren erbauten Ensembles wird vor allem durch das Fassaden- material und die kubische langgezogene Ver- schachtelung gebildet. Warmes Licht (2‘000 bis 2‘700 K) soll den ge- samten Baukörper einhüllen, ihn gleichsam umspannen, während der hohe und zentra- le Mittel-Baukörper in subtil kühlerem Licht (3’000K) erscheint. Die „Nicht-Beleuchtung“ der den zentralen Wegstreifen umgebenden Innenfassaden lässt einerseits den warmen langgestreckten Licht- teppich klarer hervor treten und sorgt ande- rerseits für eine Verstärkung des Gefühls den Gesamtbaukörper zu durchschreiten. a b a Luftbild b Tagessituation heute Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_243 Kurzbeschrieb Prinzipbild Die grundsätzlich warme (bis gelbe) Lichtfar- benwahl lässt das Baumaterial in seiner Natür- lichkeit aufleuchten und stärkt die Wahrneh- mung einer zentralen Begegnungsstätte. Der Kirchturm soll gleichermaßen in seiner ge- samten Höhe flächig beleuchtet werden, wäh- rend eine kühle Beleuchtung (ca. 4‘200 K) des Glockenraumes dieses architektonische Turm- merkmal hervorhebt. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_244 Rintheim Allgemein Energieeffizienz des Stadtteils Priorität 3 - Tor zum Hauptfriedhof - Staudenplatz Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_245 Rintheim Allgemein Das ehemalige Arbeiter- und Bauerndorf im Nordosten von Karlsruhe setzt sich aus mehre- ren Teilen zusammen. - Alt-Rintheim bildet den historischen Kern des bereits 1110 nach Christus erstmals urkund- lich erwähnten ehemaligen Dorfes. - Das Wohngebiet im Norden zwischen Hirten- weg und Sinsheimer Straße und der Technolo- giepark im Nordwesten. - Das “Rintheimer-Feld” liegt im Westen und ist geprägt von großen Wohnblocks und Hoch- häusern. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_246 Rintheim Energieeffizienz des Stadtteils Dieser kurze Überblick zeigt die in diesem Stadtteil hauptsächlich verwendeten Lichtquellen und stellt den Stand Januar 2006 gemäß den Stadtwerken Karlsruhe dar. Leuchtstofflampe 77 % 617 St. Natriumdampf-Hochdruck 17 % 135 St. Halogen-Metalldampflampe 0 % 0 St. Quecksilberdampflampe 6 % 49 St. Bewertung Geringer Anteil an unwirtschaftlichen Quecksil- berdampflampen mit geringer Lichtausbeute. Es ist jedoch ein Austausch der Quecksilber- dampflampen durch wirtschaftlichere Natrium- dampf-Hochdrucklampen oder Halogen-Metall- dampflampen zu prüfen. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_247 Rintheim Tor zum Hauptfriedhof 1874 entstand der Karlsruher Hauptfriedhof, einschließlich großzügig gestaltetem Eingangs- bereich, Ehrenhof und Friedhofskapelle. Die Gebäude des Eingansbereichs, das Torpor- tal, den Campo Santo mit der großen Kapelle und die an sie anschließenden Gruftenhallen schuf Josef Durm im Stil der italienischen Früh- renaissance. Die Vielfalt der verwendeten Materialien wie Sandstein, Jaumont und Marmor betonen eben- so wie der symbolische Gehalt des mit Ähren, Früchten und einer nach unten gedrehten Fackel geschmückten Frieses die Vergänglich- keit. Beleuchtung Das Tor soll sanft angestrahlt werden und so die Architektur sehr zurückhaltend gezeigt werden. Die Beleuchtung der Durchgänge in einem kühleren Weiß rückt im Sinne des "Lebens- übergangs-Tores" den Eingang respektvoll ins Bewusstsein. Lichtfarbe Architektur 2‘700 bis 3‘000 K Durchgang ca. 4’200 K a b a Situation heute b Kompositorische Skizze Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_248 Rintheim Staudenplatz Der 1978 benannte Staudenplatz bildet das Zentrum einer großen Wohnsiedlung im östli- chen Teil von Rintheim. Im Zuge der Aufwertungsmaßnahmen soll auch die Beleuchtung attraktiver werden. Da der Platz gleichsam von einem Rahmen aus Vordä- chern eingefasst wird, sollen diese mit einer warmen Lichtfarbe indirekt (Aufhellung der Vordach-Unterseiten) beleuchtet werden. Auf Kandelaber-Leuchten jeglicher Art sollte weit- gehend verzichtet werden. Da das wichtigste räumliche Element des Plat- zes selbst – und Namensgeber – die Bepflan- zung ist, sollen diese mittels energieeffizienter und naturgerechten Leuchten in kühlerem bis grünlichem Licht romantisch aufleuchten. Eignen könnten sich Leuchtdioden-Leuchten, welche durch Solarzellen (auf den Vordächern) versorgt werden. Staudenplatz Stadt Karlsruhe Stadtplanungsamt Bereich Stadtbild Aufwertungsmaßnahmen des Gartenbauamts Einbau von Hochbeeten, Baumpflanzung, Abfalleimer, Radabstellplätze, Sitzplätze, Spielgerätea b c a Luftbild b Situation heute c Situation heute Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_249 Rüppurr Allgemein Energieeffizienz des Stadtteils Priorität 3 - Brunnen Ostendorfplatz - St. Nikolaus Kirche - Schloss Rüppurr - Alte Mühle und Wasserwehr Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_250 Rüppurr Allgemein Die Eingemeindung Rüppurrs fand 1907 statt. Etwa um 1960 vollzog sich ein Struktur-Wandel vom Dorf zu einem Vorstadt-Wohngebiet, wo- bei Alt-Rüppurr noch heute seinen dörflichen Charakter beibehalten hat. Heute gilt Rüppurr, insbesondere Teile von Neu-Rüppurr sowie der Märchenring als exklu- sives Wohnviertel in Karlsruhe. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_251 Rüppurr Energieeffizienz des Stadtteils Dieser kurze Überblick zeigt die in diesem Stadtteil hauptsächlich verwendeten Lichtquellen und stellt den Stand Januar 2006 gemäß den Stadtwerken Karlsruhe dar. Leuchtstofflampe 71 % 1834 St. Natriumdampf-Hochdruck 21 % 532 St. Halogen-Metalldampflampe 0 % 0 St. Quecksilberdampflampe 8 % 203 St. Bewertung Hoher Anteil an unwirtschaftlichen Quecksil- berdampflampen mit geringer Lichtausbeute. Es ist ein Austausch der Quecksilberdampf- lampen durch wirtschaftlichere Natriumdampf- Hochdrucklampen oder Halogen-Metalldampf- lampen zu prüfen. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_252 Rüppurr a b c a Luftbild b Situation heute c Beispielbild für Schalenbeleuchtung d Beispielbild für leuchtendes Alabaster Brunnen Ostendorfplatz Der Ostendorfplatz bildet das Entree zur Gar- tenstadt. Im Sinne des übergeordneten Konzeptes soll das Wasser des Ostendorfplatz-Brunnens als solches aufleuchten. Da die beiden Schalenformen des Brunnens sich in ihrer Formensprache klar als „Wasser- träger“ präsentieren, sollen sie sanft und warm aufleuchten. Ihre Materialisierung ermöglicht eine an durchscheinenden Alabaster erinnern- de Wirkung. Die visuelle Einfassung des Platzrundes mit den vorhandenen Kandelabern zeichnet den Platz-Raum bei Dämmerung und Nacht gut nach. Die Lichtquellen der Kandelaber sollten eine warme Lichtfarbe (2‘200 - 2‘700K) und einen Farbwiedergabeindex von 80 oder höher auf- weisen. d Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_253 Rüppurr St. Nikolaus Kirche Die idyllisch an einer Biegung der Alb gelegene Nikolauskirche, von den Rüppurrern auch "Klei- nes Kirchle" genannt, ist der einzige Sakralbau auf Karlsruher Gemarkung, der unter kunst- geschichtlichem Aspekt in die Zeit des ausge- henden Rokoko und beginnenden Klassizismus fällt (1774/1776). Lage und Baustil verlangen nach einer eher romantischen Beleuchtung. Umlaufende, eng- hochstrahlende Kleinstlichtbänder sollen den Turm in seiner Bauform strukturieren und mit einer sehr sanften, zurückhaltenden Flächen- beleuchtung des Kirchenhauses zusammen- spielen. Eine auf die Dachkantung beschränkte Beleuchtung erhöht die idyllische Wirkung und lässt den Dachspitzenaufbau aufleuchten. Lichtfarben Fassade 2‘200 - 3‘000K Dach ca. 4’200K a b c a Situation heute b Beispielbild c Kompositorische Skizze Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_254 Rüppurr Schloss Rüppurr Das Rüppurrer Schloss wird erstmals urkund- lich 1380 als "Veste Ryeppuer" erwähnt, war also zu dieser Zeit noch eine Burg. Erst ab Mit- te des 15. Jahrhunderts sprechen die Urkunden von einem „Schloss“. Vom Schloss Rüppurr ist nur noch die ehemalige Meierei aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts übrig. Der Name der Haltestelle „Schloss Rüppurr“ erin- nert an die ehemalige Existenz eines Schlos- ses. Eine leuchtende, auch bei Tag wirksame In- formationstafel soll den geneigten Betrachter erlauben, sich die ursprüngliche Lage, Größe und den Bezug zur Meierei und alten Mühle vorzustellen. Ein sanftes Fassadenlicht auf verschiedenen Seiten der Meierei könnte den Bezug stärken. Alte Mühle Meierei a b a Situation heute b Luftbild Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_255 Rüppurr Alte Mühle und Wasserwehr Die alte Mühle in der Rastatter Straße ist neben der Meierei (dem "Roten Haus") auf dem heuti- gen Festplatz das letzte Gebäude, das von dem Ensemble des einstigen Rüppurrer Schlosses übrig geblieben ist. Noch heute sind im Mau- erwerk an der Albseite besonders behauene Steine zu sehen, die auf den Sitz der Radwellen verweisen. Im Sinne des übergeordneten Konzeptes soll das Wasserwehr bei Dämmerung und Nacht visuell belebt werden. Wenige Leuchten mit kaltweißem - und allen- falls wasserblauen Filtern - Licht sollen den Wasserwehr-Raum zurückhaltend ausleuchten und Wasserspiegelungen auf der Fassade er- zeugen. Kleinste, punktuelle und sehr warme (2’000- 3’000K) Lichter sollen die ehemaligen Radwel- lensitze ins Blickfeld rücken. Zu prüfen ist eine grundsätzliche sanfte Flächenaufhellung der Fassade in gelb bis warmweiß von der Dach- kante aus oder auch aus der Distanz. a b a Situation heute b Kompositorische Skizze Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_256 Stupferich Allgemein Energieeffizienz des Stadtteils Priorität 2 - Rathaus Priorität 3 - Fachwerkhaus und Gedenkstein 900 Jahre Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_257 Stupferich Allgemein Stupferich ist mit rund 9 km der am weitesten vom Zentrum entfernt gelegene Karlsruher Hö- henstadtteil und weist im Ortskern einen intak- ten dörflichen Charakter auf. Um das Jahr 1100 wurde "Stutpferrich" erst- mals urkundlich erwähnt, der Name deutet darauf hin, dass es als Einrichtung zur Pferde- zucht angelegt war. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_258 Stupferich Energieeffizienz des Stadtteils Dieser kurze Überblick zeigt die in diesem Stadtteil hauptsächlich verwendeten Lichtquellen und stellt den Stand Januar 2006 gemäß den Stadtwerken Karlsruhe dar. Leuchtstofflampe 10 % 55 St. Natriumdampf-Hochdruck 78 % 409 St. Halogen-Metalldampflampe 0 % 0 St. Quecksilberdampflampe 12 % 64 St. Bewertung Hoher Anteil an unwirtschaftlichen Quecksil- berdampflampen mit geringer Lichtausbeute. Es ist ein Austausch der Quecksilberdampf- lampen durch wirtschaftlichere Natriumdampf- Hochdrucklampen oder Halogen-Metalldampf- lampen zu prüfen. Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_259 Stupferich Rathaus Das ursprünglich als Volkschule genutzte Ge- bäude wurde 1972 zum Rathaus umgebaut. Die beiden Kandelaber stellen ablenkende Lichtpunkte dar und sollten demontiert werden oder durch tiefstrahlende Leuchten ersetzt werden. Eine zurückhaltende Akzentuierung macht den Haupeingang auch abends klar erkennbar. Baukörper und markanter Seitengiebel verbin- den sich in einem gleichmäßigen und warmen Licht (2‘000 - 3‘000K). Bei einer Fassadenprojektion sollte darauf ge- achtet werden, dass kein Licht ins Innere der Räume strahlt. a b c a Tagessituation heute b Nachtsituation heute c Kompositorische Skizze Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_260 Stupferich Fachwerkhaus und Gedenkstein 900 Jahre Das zweigeschossige Fachwerkhaus an der Ortsstraße wurde um 1700 erbaut und zählt zu den Kulturdenkmälern des Stadtteils. Zur Erinnerung an das 900-jährige Bestehen des Ortes wurde im Jahr 2000 ein Gedenkstein im "Dorfkern" gesetzt. Zusammen mit den Baum-/ Blumeninseln bil- det das Fachwerkhaus einen räumlichen platz- artigen Abschluss der Ortsstraße. Die beiden Blumeninseln sollen eine Beleuch- tung mit kühlem (ca. 4‘200K) Licht aus den Bäumen heraus erhalten. Der Gedenkstein soll sich aufgrund einer ei- genen Ausstrahlung in warmem Licht (2‘700 - 3‘000K) darin abheben. a b c a Luftbild b Prinzipbild c Tagessituation heute d Gedenkstein bei Tag d Lichtplan Karlsruhe 15 | 09 | 09 S_261 Stupferich Das Fachwerkhaus soll eine eher schwache, über Eck reichende Fassadenbeleuchtung er- halten. Es darf kein Licht in die Räume selbst gelangen. a b a Tagessituation heute b Kompositorische Skizze
https://www.karlsruhe.de/b3/bauen/projekte/lichtplan/HF_sections/content/ZZjW69R7NpwMlk/ZZjW6wIpenb7bk/LP13.pdf
KMBT_C224e-20211007153449 Heidengass 16 76356 Weingarten Tel. 0 7244 /7013 -0 Fax 0 7244 /7013 -17 Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Tel. 0 6340 /508070 - 1 Fax 0 6340 /508070 - 2 Volksbank Bruchsal-Bretten eG IBAN DE43 6639 1200 0030 8719 01 BIC GENODE61BTT USt-IdNr. DE320033392 Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH Institut für Geotechnik 76356 Weingarten/Baden HRB 723656, Amtsgericht Mannheim Geschäftsführer: Dipl.-Ing. Klaus-M. Gottheil Dipl.-Ing. Jürgen Santo Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH· Hauptstraße 152 · 76744 Wörth-Schaidt Planungsgemeinschaft Herzog+Partner - INROS LACKNER Alte Bahnmeisterei 2 76744 Wörth Anerkanntes Institut nach DIN 1054 Beratende Ingenieure Dipl.-Ing. K.-M. Gottheil Dipl.-Geol. D. Klaiber Dipl.-Ing. J. Santo F. Steltenkamp, M.Sc. Baugrunduntersuchungen Erd- und Grundbau Boden- und Felsmechanik Damm- und Dammbau Ingenieur- u. Hydrogeologie Deponietechnik Grundwasserhydraulik Bodenmechanisches Labor ___________________________________________________________________________________________________ Ihr Zeichen Unser Zeichen Bearbeiter Datum E 8580a15G KS ( 06340 / 50 80 70-5 7. Oktober 2021 k.schoellhorn@kaercher-geotechnik.de Projekt-Nr.: E 8580a Auftraggeber: Planungsgemeinschaft Herzog+Partner - INROS LACKNER Alte Bahnmeisterei 2 76744 Wörth Auftrag: Ingenieurvertrag vom 04. Mai 2017 ergänzt um 1. Vertragserweiterungsoffert GEOTECHNISCHES GUTACHTEN Ausbau und Sanierung Vergabe-Los I - Los 2 Rheinhochwasserdamm XXV Leitdamm Bau-km 0-160 bis 0+185 E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 2 INHALT Seite 1 Vorbemerkungen 5 1.1 Veranlassung und verwendete Unterlagen 5 1.2 Abschnitt Leitdamm 6 2 Baugrund 6 2.1 Lage und geologischer Überblick 6 2.2 Durchgeführte Untersuchungen 6 2.2.1 Bohr- und Sondierarbeiten 6 2.2.2 Kampfmitteluntersuchung 7 2.2.3 Bodenmechanische Laborversuche 7 2.3 Untergrundbeschreibung 8 2.3.1 Oberboden 8 2.3.2 Dammkörper/Auffüllungen 8 2.3.3 Bindige Deckschichten 9 2.3.4 Fein- und Mittelsande 9 2.3.5 Kies und Kiessand (bis zur Bohrendtiefe) 10 2.3.6 Obere Zwischenhorizont, OZH 10 2.4 Homogenbereiche und bodenmechanische Kennwerte 11 2.5 Rammarbeiten 13 2.6 Grundwasser 14 3 Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen 14 3.1 Bemessungswasserstand und Freibord 14 3.2 Regelprofil 15 3.3 Leitungen und Bauwerke im Damm 16 4 Erdstatische und Untergrundhydraulische Nachweise 16 4.1 Standsicherheit der wasserseitigen Böschungen nach DIN 4084 16 4.2 Standsicherheit der landseitigen Böschung 18 4.3 Suffosionsgefährdung 18 4.4 Suberosionsgefährdung 18 4.5 Setzungen 19 4.6 Spreizspannungen 19 4.7 Konstruktive Maßnahmen 19 4.7.1 Oberbodenabtrag 19 4.7.2 Hochwassersicherheit 20 E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 3 5 Baustoffe (Material- und Einbauanforderungen, Kennwerte) 20 5.1 Generelle Anforderungen an die Schüttmaterialien 20 5.2 Natursteinschottergemisch, feinteilhaltig 20 6 Zusammenfassung 21 E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 4 ANLAGEN 1. Lageplan der Bohransatzpunkte 1.1 Übersichtslageplan, M 1: 20.000 1.2 Lageplan geotechnische Erkundung, M 1: 1.000 2. Bohrungen und Sondierungen 2.0 Legende 2.1 Längsschnitt M = 1 : 100 2.2 Bau-km 0-170, BK 0-340, M 1: 100 2.3 Bau-km 0-068, BK/DPH 0-250, M 1: 100 2.4 Bau-km 0+000, BK 0+000, M 1: 100 2.5 Bau-km 0-080, BK/DPH 0-100, M 1: 100 2.62 Bau-km 0+170, BK 0-010, M 1: 100 3. Bodenmechanische Laborversuche Kornverteilungsanalysen 4. Erdstatische Berechnungen Standsicherheit der wasserseitigen Böschung nach DIN 4084 E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 5 1 Vorbemerkungen 1.1 Veranlassung und verwendete Unterlagen Das Referat 53.1 des Regierungspräsidiums Karlsruhe beabsichtigt, den zum Rhein- hochwasserdamm XXV zählenden Leitdamm, auf einer Länge von rd. 385 m auszubauen. Die Untersuchungen erfolgten ergänzend zum Geotechnischen Gutachten (Bericht E 8580a07G vom 20.03.2020) für den Ausbau und Sanierung des Rheinhochwasserdammes XXVII, Damm- km 0+000 bis 4+959, aufgestellt von der Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH. Die Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH, Wörth-Schaidt, wurde mit der Betreuung der Bau- grunderkundung, der Ausarbeitung von Ausbau- und Sanierungsvorschlägen und den statischen Nachweisen für den Leitdamm beauftragt. Folgende Unterlagen liegen als Bearbeitungsgrundlage vor: /U1/ Planunterlagen der Vor- und Entwurfsplanung, Planungsgemeinschaft Herzog+Partner – INROS LACKNER /U2/ Angaben zu Bemessungswasserständen und Ausbauhöhen übermittelt von der Planungsgemeinschaft Herzog+Partner – INROS LACKNER, aktueller Planungsstand /U3/ Multitemporale Luftbildauswertung Kampfmittelbeseitigungsdienst Baden Württemberg, RP Stuttgart, Aktenzeichen 16-1115.8/ KA-7141 vom 19.10.2016 /U4/ Bodenproben und Protokolle von 4 verrohrten Rammkernbohrungen (Tiefe 10 - 21 m) und 2 Schweren Rammsondierungen (DPH n. DIN EN ISO 22476-2, Tiefe 10 m) ausgeführt durch Hettmannsperger Spezialtiefbau GmbH, Karlsruhe, im April 2018 /U5/ Geotechnisches Gutachten Bericht Nr. E 8580a07G: Ausbau und Sanierung, Vergabe- Los I - Los 2, Rheinhochwasserdamm XXVII, Damm-km 0+000 bis 4+959 aufgestellt von der Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH vom 30.03.2020 /U6/ Hydrogeologische Kartierung und Grundwasserbewirtschaftung im Raum Karlsruhe- Speyer, Bericht. Hrsg.: Umweltministerium Baden-Württemberg und Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz, 2007. /U7/ Geologische Karte E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 6 1.2 Abschnitt Leitdamm Der 385 m lange Abschnitt "Leitdamm" bildet das nördliche Ende des Rheinhochwasserdammes XXV (Damm-km 28+931 - 29+276), verläuft auf einer Länge von ca. 55 m unterhalb der Eisen- bahn- und Straßenbrücke und trennt im nördlichen Verlauf den Rhein vom Yachthafen. Etwa in der Mitte des Abschnitts schließt im rechten Winkel der Rheinhochwasserdamm XXVII an (Damm-km 0+000). Der Bereich weist ein eher klassisches Dammprofil von geringer Höhe auf, mit der auf der Dammkrone verlaufenden asphaltierten Straße "Maxau am Rhein". Die wasserseitigen Böschungen weisen Neigungen von ca. 1 : 2,5 oder flacher auf. Im südlichsten Bereich versteilt sich Böschung auf eine Neigung von bis zu ca. 1 : 2,3 und weist hier die größte Dammhöhe von ca. 1,8 m. Die hochgelegene Landseite verläuft i.d.R. sehr flach (Neigung ca. 1 : 12) und wird verschiedentlich genutzt (Brückenwiderlager, Parkplatz, Restaurantbereich, Grünstreifen, abbiegende Straße " Maxau am Rhein". 2 Baugrund 2.1 Lage und geologischer Überblick Der Untersuchungsabschnitt liegt unmittelbar östlich des Rheins und verläuft in Nord-Süd Ausrichtung unterhalb der Rheinbrücken. Die Lage ist aus dem Übersichtslageplan in der Anlage 1.1 ersichtlich. Unterhalb der Auffüllungen mit variierenden Zusammensetzungen stehen eher geringmächtige holozäne bindige Deckschichten an. Diese jüngsten Anschwemmungen stammen überwiegend vom Rhein. Die Mächtigkeit dieser Deckschichten variiert zwischen rd. 0,3 m bis 2,3 m, und wurde im nördlichsten Untersuchungspunkt nicht nachgewiesen. Unterhalb der bindigen Deckschichten folgen bis in Tiefen von ca. 13,6 m pleistozäne Kies- sande und Sande der ”Oberen kiesig-sandigen Abfolge, OksA”, welche oberflächennah holozän umgelagert sein können. Der darunter folgende, in der Rheiniederung häufig anzutreffende "Obere Zwischenhorizont" (OZH) als mögliche hydraulische Trennschicht, wurde in der tieferen Bohrung (bis 21 m) hier nicht angetroffen. 2.2 Durchgeführte Untersuchungen 2.2.1 Bohr- und Sondierarbeiten Zur Erkundung der Baugrundverhältnisse im Bereich des Leitdammes wurden insgesamt 4 verrohrte Rammkernbohrungen (BK) in Abständen von rd. 100 m sowie 2 Schwere Ramm- sondierungen (DPH) etwa im Bereich der wasserseitigen Dammschulter ausgeführt. Die im Rahmen des Untersuchungsprogrammes für den Rheinhochwasserdamm XXVII /U5/ aus- E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 7 geführte, etwa in der Mitte des Abschnittes liegende Bohrung BK 0+000, wird ergänzend für die Beurteilung herangezogen. Auf Erkundungen wasser- und landseitig des Dammes wurde in Abstimmung mit dem AG verzichtet. Die Bohrungen wurden im Rammkernverfahren bis in eine Tiefe von 10 m niedergebracht. Die aus /U5/ übernommene Bohrung BK 0+000 reicht bis in 12 m Tiefe. Um den Oberen Zwischen- horizont OZH als möglichen Grundwasserstauer anzutreffen, wurde eine Tiefe bis in eine Tiefe von rd. 21 m abgeteuft; der Horizont konnte jedoch nicht festgestellt werden. Die Rammwiderstände der grobkörnigen Böden (Kiese und Sande) wurden mit schweren Rammsondierungen (DPH) bis in Endtiefen von 10 m erkundet. Die Lage der Untersuchungsstellen bzw. der Bohrungen und Sondierungen ist in der Anlage 1.2 dargestellt. Zur Übersicht ist in der Anlage 2.1 der Schichtaufbau der ausgeführten Bohrungen als Längsschnitt zusammengestellt. Die Ergebnisse der Bohrungen und Sondierungen sind in den Anlagen 2.2 bis 2.6 in Schichtprofilen sowie Rammdiagrammen aufgetragen.. Mit der Anlage 2.0 ist eine Legende beigelegt, in der die in den dargestellten Schichtprofilen verwendeten Kurzzeichen aufgeschlüsselt sind. 2.2.2 Kampfmitteluntersuchung Gemäß den Planunterlagen der Luftbildauswertung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Baden-Württemberg /U3/ ist der gesamte Abschnitt als bombardierter Bereich einzuordnen. Entsprechend wurde vor dem Abteufen der Bohrungen jeweils eine tiefenorientierte Kampfmittelfreimessung durchgeführt. Der Bohrpunkt BK 0-340 musste aufgrund dessen mehrfach versetzt werden und liegt daher um wenige Meter außerhalb des eigentlichen Unter- suchungsabschnittes. 2.2.3 Bodenmechanische Laborversuche An ausgewählten Bodenproben aus den Bohrungen wurden insgesamt folgende Laborversuche durchgeführt: - 3 Kornverteilungsanalysen nach DIN 18123 Die Versuchsauswertungen sind in der Anlage 3 beigelegt. Die Versuchsergebnisse sind neben der Bodenansprache Grundlage der Bodenbeschreibung und der Zuordnung der Homogen- bereiche sowie der bodenmechanischen Kennwerte. Auf die Ergebnisse wird jeweils in den Beschreibungen der Bodenarten eingegangen. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 8 2.3 Untergrundbeschreibung Neben den natürlich anstehenden Böden wurden künstlich aufgefüllte Böden (Dammschüttung, Straßenoberbau) angetroffen. Großräumig gliedert sich der oberflächennahe Untergrund in Oberboden, Auffüllungen (Dammkörper), nicht durchgehend vorhandene bindige Deckschichten sowie die darunter folgenden Kiessande und Sande im tieferen Untergrund. Diese jüngsten Anschwemmungen wurden in Stillgewässern (Tone und Schluffe) und in Fließgewässern (Sand und Kies) abge- lagert. Der in der Rheinniederung häufig ausgebildete Obere Zwischenhorizont (OZH) /U6/ als hydrau- lisch wirksame Trennschicht (Grundwasserstauer,) in variierenden Mächtigkeiten und Aus- bildungen in Form von Schluffen, Tonen und gemischtkörnigen Böden) wurde in der tiefer geführten Erkundungsbohrung im Leitdamm nicht angetroffen. Der angetroffene Untergrundaufbau kann in die nachfolgend beschriebenen Homogenbereiche im Sinne der DIN 18300 untergliedert werden: - Oberboden - Dammkörper/Auffüllungen - Kiessande, Kies - Fein-Mittelsande 2.3.1 Oberboden Oberboden ist nur in der BK 0-340 im Süden sowie in der BK 0-010 im Norden vorhanden und weist Stärken von 0,2 m und 0,3 m auf. 2.3.2 Dammkörper/Auffüllungen Der Aufbau des Dammkörpers ist aus dem Längsschnitt in der Anlage 2.1 sowie aus den Anlagen 2.2 bis 2.6 ersichtlich. Die für Rammarbeiten (Spundwände) maßgeblichen Ramm- widerstände der Sondierungen mit der Schweren Rammsonde (DPH), einschließlich Angaben zur Rammbarkeit (vgl. Kap. 2.5) sind in den Anlagen 2.3 und 2.5 mit dargestellt. Wie aus den Schichtprofilen ersichtlich, ist der Dammkörper aus fein-, gemischt- und grob- körnigen Böden aufgebaut. Im Süden (BK 0-340) ist der Damm feinkörnig ausgebildet in Form von sandigen, teils kiesigen Schluffen von weicher bis weich-steifer Konsistenz, welche bis in eine Tiefe von 3,5 m angetroffen wurden. Im wasserseitigen Randbereich der Straße entlang des Leitdammes wurde in den Bohrungen BK 0-250, BK 0+000 und BK 0-010 eine 10 bis 15 cm starke Asphaltdecke angetroffen. Die Bohrung BK 0-010 wurde neben dem befestigten Straßenkörper niedergebracht und weist daher zunächst eine 0,2 m mächtige Oberbodenschicht auf. Darunter folgen sowohl grob- als auch E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 9 gemischtkörnige aufgefüllte Böden in variierender Zusammensetzung bis in 2,7 bis 3,6 m Tiefe. Steinanteile aus Sandsteinbruch sowie Fremdanteile wie Schlacke-, Asphalt- oder Ziegelreste wurden teilweise festgestellt. Anhand der Rammwiderstände in den Rammsondierungen (DPH) ist in den aufgefüllten Böden von lockeren, mitteldichten und dichten Lagerung der grobkörnigen Böden auszugehen. Aufgrund der angetroffenen Steinanteile können die Schlagzahlen auch auf eine dichte bis sehr dichten Lagerung hinweisen. 2.3.3 Bindige Deckschichten Die bindigen Deckschichten bilden keine durchgehend Schicht; in der nördlichsten Bohrung BK 0-010 wurden keine entsprechenden feinkörnigen Böden unterhalb der Auffüllungen angetroffen. In den weiteren Bohrungen schwankt die Mächtigkeit zwischen ca. 0,7 m bis max. 2,3 m. Es überwiegen leichtplastische schluffige Tone und feinsandige Schluffe (TL/UL) mit wechseln- dem Sandgehalt, z.T. auch als Wechsellagerung mit schluffigen bis schwach schluffigen Fein- Mittelsanden. Die Konsistenzen variieren stark und reichen von breiiig bis halbfest. Unterge- ordnet wurde mittelplastische Tone (UM/TM) von weich-steifer Konsistenz angetroffen. Die Durchlässigkeit der bindigen Deckschichten ist sehr gering. Erfahrungsgemäß kann hier von folgenden Durchlässigkeitsbeiwerten k f ausgegangen werden: • Schluff (UL): kf ≤ 10-6 m/s • Leichtplastischer Ton (TL): kf ≤ 10-7 m/s • Mittelplastischer Ton/Schluff (UM/TM): kf ≤ 10-7 m/s Die kf-Werte sind somit mehrere Zehnerpotenzen kleiner als die der unterlagernden grob- körnigen Böden (Sande und Kiese). Aus geohydraulischer Sicht bilden die bindigen Deck- schichten somit Sperrschichten. Bei Hochwasser kann dies zu gespanntem Grundwasser im Hinterland führen. Bei den leichtplastischen Böden der Bodengruppen UL und TL ist zu beachten, dass diese extrem wasserempfindlich sind und bei Wasserzutritt und zeitgleicher mechanischer Beanspruchung zum aufweichen bzw. verbreien neigen. 2.3.4 Fein- und Mittelsande Unter den bindigen Deckschichten wurde lediglich in der Bohrung BK 0-100 eine 0,8 m starke Schicht aus Fein- bis Mittelsanden erkundet, hier in Form von feinsandigen, schwach grob- sandigen Mittelsanden der Bodengruppe der enggestuften Sande (SE) gemäß DIN 18196. In den Rammsondierungen weisen die Schlagzahlen in dieser Schicht auf eine lockere Lage- rung hin. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 10 In der tiefer geführten Bohrung BK 0-250 wurden in einer Tiefe von 13,6 m ebenfalls Fein- und Mittelsande als Zwischenhorizont im Kieslager angetroffen, welche mit feinkiesigen Anteilen eine Gesamtstärke von 3,2 m aufweisen. Die Sandböden, insbesondere die Feinsande, sind erosionsempfindlich. Schluffige Sande sind zudem wasserempfindlich. Bei geringen Wassergehaltsänderungen können diese in fließende Bodenarten übergehen. 2.3.5 Kies und Kiessand (bis zur Bohrendtiefe) Unterhalb der bindigen Deckschichten, der enggestuften Sande bzw. der aufgefüllten Böden wurden in allen Aufschlüssen die pleistozänen Kiesablagerungen (Obere kiesig-sandige Abfolge OksA) des Rheins erbohrt, welche in variierender Zusammensetzung angetroffen wurden. Die Kornzusammensetzungen wechseln teilweise und reichen von schwach sandigem Kies bis zu kiesigem Sand. Bei den angetroffenen Böden ist überwiegend von intermittierend bis weit- gestuften Körnungen der Bodengruppen GI und GW nach DIN 18 196 auszugehen. In der Tiefe von 16,8 m (BK 0-250) wurden unterhalb der o.g. Fein-Mittelsande grobkörnige Böden in Form von kiesigen bis stark kiesigen Sanden in einer Stärke von 2 m angetroffen. Darunter folgen bis zur Bohrendtiefe wieder sandige Kiese. In der Anlage 3 sind Körnungslinien von 2 Proben der Kiese und Kiessande als Korngrößen- verteilungslinien dargestellt. Laboruntersuchungen in /U5/ weisen ähnliche Kornverteilungen für die Kiese und Kiessande auf. Die Lagerungsdichte der Kiessande kann anhand der durchgeführten Rammsondierungen abgeschätzt werden. Für die Dimensionierung von Rammarbeiten für Spundwände sind vor allem die dicht gelagerten Bereiche maßgeblich. Die Sondierwiderstände unterhalb des Grundwassers (hier treten geringere Schlagzahlen auf) weisen überwiegend auf eine lockere bis mitteldichte Lagerung hin. Wie aus der DPH 0-250 (s. Anl. 2.3) hervorgeht, ist anhand der Schlagzahlen lokal auch von Bereichen mit dichter Lagerung auszugehen. Die Durchlässigkeit der Kiesböden wurde anhand der Kornverteilungsanalysen nach BEYER abgeschätzt. Der zugehörige Wert ist in der Versuchsauswertung in der Anlage 3 angegeben. Die ermittelten Durchlässigkeitsbeiwerte liegen zwischen kf = 1,3 ⋅10-2 m/s (sandarmer Kies) bis kf = 7,3 ⋅10-4 m/s (Kiessand). 2.3.6 Obere Zwischenhorizont, OZH Der im Untersuchungsgebiet nicht nachgewiesen Obere Zwischenhorizont besteht i.d.R. aus fein- bis gemischtkörnigen Böden und kann somit eine hydraulische Trennschicht, die Basis des Oberen Grundwasserleiters bilden. Die nicht flächenhafte Ausbreitung des OZH /U6/ bestätigt sich auch hier, wie beispielsweise in /U5/ dargelegt, wo nur in einer von zwei tiefer reichenden Bohrungen dieser Horizont ab einem Niveau von 91,2 m+NHN in Form von feinsandigen Schluffen und stark schluffigen Feinmittelsanden angetroffen wurde. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 11 2.4 Homogenbereiche und bodenmechanische Kennwerte Die voranstehend beschriebenen Böden sind hinsichtlich ihrer bautechnischen Eigenschaften (Erdarbeiten nach DIN 18300) in Homogenbereiche einzuteilen. Folgende Homogenbereiche werden anhand der Erkundungsergebnisse aufgestellt: - Homogenbereich A: Oberboden - Homogenbereich B1: Dammkörper/Auffüllungen, grobkörnig - Homogenbereich B2: Dammkörper/Auffüllungen, fein-/gemischtkörnig - Homogenbereich C: bindige Deckschichten - Homogenbereich D: Fein-, Mittelsande - Homogenbereich E: Kies und Kiessand Gemäß der DIN 18320 (Landschaftsbauarbeiten) ist der Oberboden unabhängig von seinem Zustand vor dem Lösen ein eigener Homogenbereich. In der nachfolgenden Tabelle 1 sind die Einstufungen der Homogenbereiche zusammenfassend aufgeführt. Bodenmechanische Kennwerte können gemäß den angetroffenen Böden bzw. Bodengruppen der Tabelle 2 und der Tabelle 3 entnommen werden. Tabelle 1: Einstufungen Homogenbereiche (ohne Oberboden) Homogenbereich B1 Dammkörper/ Auffüllungen grobkörnig B2 Dammkörper/ Auffüllungen fein-/ gemischtkörnig C bindige Deckschichten D Fein-, Mittelsande E Kies, Kiessande Bodenart Sand, z.T. schwach schluffig, bis Kies, sandig, z.T. schwach schluffig Schluff, sandig kiesig, schluffiger- stark schluffiger Sand / Kies Schluff, schwach- stark sandig Schuff-Feinsand- Gemisch Ton, schluffig- stark schluffig Sand Sand kiesig bis Kies sandig Konsistenz / Lagerungsdichte locker bis dicht weich bis halbfest weich bis halbfest (z.T. breiig) locker (mitteldicht-dicht) locker bis mitteldicht, dicht Bodengruppe DIN 18196 GW/GI, GU, SU UL, TL, UM, TM, GU*, SU* UL, TL, UM, TM SE (SW/SI) GW, GI, (GE, SW/SI) Bodenklasse DIN 18300(1) 3 (6,7) 2, 4, 5 4, 5 3, 4 3 1 Angabe der Bodenklasse nach DIN 18300:2012 nur nachrichtlich E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 12 Die bodenmechanischen Eigenschaften der angetroffenen Böden wurden auf der Grundlage der durchgeführten Laboruntersuchungen, in Anlehnung an einschlägige Tabellen- und Litera- turwerte sowie aufgrund von Erfahrungswerten festgelegt. In den folgenden Tabellen 4 und 5 sind die bautechnischen Klassifizierungen und die für erd- statische Berechnungen und Nachweise unter Einrechnung der erforderlichen Sicherheits- beiwerte aufgelistet. Hierin bezeichnet Es den Steifemodul, ϕ‘ den Reibungswinkel, c’ die Kohä- sion, γ die Wichte und γ‘ die Wichte unter Auftrieb der jeweils angetroffenen Bodenschicht. Hier- bei handelt es sich um charakteristische Werte nach DIN 1054:2021-04. Die Schlagzahl n10 gibt hierin die Anzahl der Normschläge je 10 Zentimeter Eindringtiefe der Sondenspitze in den Untergrund an. Tabelle 2: bodenmechanische Kennwerte der anstehenden fein- und gemischtkörnigen Böden Bodenmechanische Kennwerte fein- und gemischtkörnige Böden Bodenart Boden- gruppe Konsistenz Es,k [MPa] ϕ´k [°] c´k [kN/m2] γk/γ´k [kN/m3] Boden- klasse1) kf,k [m/s] Ton, u TM weich 5 25,0 2 20/11 4 1·10-7 – 1·10-9 Ton, u TM steif 8 25,0 7 20/11 4 1·10-7 – 1·10-9 Ton, u TM halbfest 12 25,0 15 20/11 4 1·10-7 – 1·10-9 Ton, u* 2) TL/UL breiig 3 27,5 0 19/10 2 1·10-7 – 1·10-9 Ton, u* 2) TL/UL weich 5 27,5 2 20/11 4 1·10-7 – 1·10-9 Ton, u* 2) TL/UL steif 8 27,5 5 20/11 4 1·10-7 – 1·10-9 Ton, u* 2) TL/UL halbfest 12 27,5 7 20/11 4 1·10-7 – 1·10-9 Schluff + Sand UL/SU* 8-12,5 27,5-30 0 20/11 2/43) 1·10 -6 – 1·10-8 Sand, u' SU 30 30,0 0 20/11 3 5·10-4– 1·10-5 Sand, u SU* 20 30,0 0 20/11 2/43) 5·10-5 – 5·10-7 Sand, u* SU* 10 - 20 30,0 0 20/11 2/43) 5·10-5 – 5·10-7 Kies, u' GU 30 30,0 0 20/11 3 5·10-4 – 5·10-5 Kies, u GU* 30 30,0 0 20/11 2/43) 5·10-5 – 5·10-7 Kies, u* GU* 15 - 30 30,0 0 20/11 2/43) 5·10-5 – 5·10-7 mit: u: schluffig t: tonig o: organisch ': schwach *: stark 1) Angabe der Bodenklassen nach DIN 18300:2012, nur nachrichtlich 2) Kennwerte für Ton, u* gelten auch für Schluffe 3) Die bindigen Böden gehen bei Wasserzutritt rasch in breiige Konsistenz über. Werden Erdarbeiten bei nasser Witterung durchgeführt, ist damit zu rechnen, dass ein Teil der Böden in Bodenklasse 21) übergeht. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 13 Tabelle 3: bodenmechanische Kennwerte der anstehenden grobkörnigen Böden Bodenmechanische Kennwerte grobkörnige Böden Bodenart Boden- gruppe N10 [-] Es,k [MPa] ϕ'k [°] c'k [kN/m2] γk/γ'k [kN/m3] Boden- klasse1) kf,k [m/s] 2,5 30 30 0 19/10 3 1·10-1 – 1·10-4 5,0 40 32,5 0 19/10 3 Kies GE/GW/GI 7,5 50 35,0 0 20/11 3 Sand SE/SW 10 55 36,0 0 20/11 3 15 70 37,5 0 20/11 3 20 85 38,5 0 20/11 3 25 95 40,0 0 20/11 3 1) Angabe der Bodenklassen nach DIN 18300:2012, nur nachrichtlich 2.5 Rammarbeiten Für Rammarbeiten (DIN 18304) kann eine Abschätzung der Rammbarkeit in grobkörnigen Böden anhand der DPH-Schlagzahlen N10 (Sondierwiderstand) erfolgen. In der nachfolgenden Tabelle 4 sind die Einteilungsgrenzen für Rammarbeiten in Anlehnung an das BWA-Merkblatt MEH, Ausgabe 2017 aufgeführt. Tabelle 4: Einteilungsgrenzen Rammarbeiten Leitparameter Einteilungsgrenzen Rammbarkeit*) Homogenbereiche Sondierwiderstand ≤ 7 leicht B1, B2, C, D, E DPH-Schlagzahl N10 7 - ≤ 15 mittelschwer B1, B2, C, D, E 15 - ≤ 25 schwer B1, B2, E 25 - ≤ 80 sehr schwer B1, B2, E *) Einteilung in Anlehnung an BAW Merkblatt MEH, Ausgabe 2017 In den Anlagen 2.3 und 2.5 ist die Zuordnung zur Rammbarkeit entsprechend den DPH-Schlag- zahlen N10 neben den Tiefenprofilen dargestellt. Wie aus den Darstellungen ersichtlich, variiert die Rammbarkeit im Dammkörper/Auffüllungen (Homogenbereiche B1, B2) und den anstehen- den Kiesen und Sanden (Homogenbereich E) zwischen einer leichten und sehr schweren Rammbarkeit. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 14 2.6 Grundwasser Das Grundwasser wurde in den Bohrungen angetroffen, die Einmessung des Grundwassers erfolgte beim Antreffen des Grundwassers sowie nach dem Einstellen des Ruhewasserspiegels. Die gemessenen Grundwasserstände sind in den Schichtprofilen der Anlagen 2.1 bis 2.6 ein- getragen. Die Bohrungen wurden im Juni 2017 sowie im April 2018 durchgeführt, in dieser Zeit lag der angetroffene Grundwasserspiegel zwischen 4,0 m bis ca. 5,8 m unterhalb dem Niveau der Dammkrone, was einem Niveau von ca. 103,0 bis 101,2 m+NHN entspricht. Es ist weitgehend von gespannten Grundwasserverhältnissen auszugehen. Der Grundwasserspiegel wird maßgebend durch den Wasserstand im Rhein beeinflusst. Bei erhöhten Rheinwasserständen bzw. bei Hochwasser infiltriert das Flusswasser in den Kies- aquifer, der Grundwasserstand steigt dadurch an. Unter den bindigen Deckschichten wird der bereits gespannte Grundwasserspiegel noch verstärkt. Es ist bei Hochwassereinstau von einer Grundwasserspiegellage auf Geländeniveau und darüber hinaus auszugehen. Aufgrund der direkten Lage am Rhein kann der unmittelbar am nördlichen Ende des Ausbau- abschnittes gelegene Pegel Maxau (Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oberrhein) als Maß für den Grundwasserstand in der Dammachse herangezogen werden. 3 Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen 3.1 Bemessungswasserstand und Freibord Seitens des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurden folgende Vorgaben zu den Bemessungs- wasserständen und dem erforderlichen Freibordmaß vorgelegt. Der zugrunde gelegte Bemessungswasserstand entspricht dem Wasserstand, der sich beim Bemessungshochwasser (BHW) des Rheins am Damm einstellt. Er ist für den gesamten Abschnitt auf einer gleichbleibenden Höhe von BHW = 107,10 m+NHN festgelegt. Gemäß der Ländervereinbarung1 wird für den Standort Damm-km 29+100 eine maximal zulässige Ausbau- höhe von 107,91 m+NHN genannt. Das Freibordmaß beträgt vom Ausbauanfang (Bau-km 0-160) bis Bau-km 0+000 f = 0,80 m (= 107,91 m+NHN) und reduziert sich bis zum Ausbauende (Bau-km 0+170) auf f = 0,0 m. Durch die vorgesehene Erhöhung des Leitdammes wird der Wasserstand im landseitig vor- handenen Yachthafen (durch den der Leitdamm im nördlichen Bereich beidseitig eingestaut wird) im Vergleich zum Rhein gesenkt, so dass die Hochwasserschutzanlagen im Bereich des Yachthafens niedriger ausgebaut werden können. 1 Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz über Fragen des Hochwasserschutzes am Oberrhein, Stand: 01.07.2002) E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 15 3.2 Regelprofil Die Diskussion von Regelprofilvarianten erfolgte parallel im Zuge der Vor- und Entwurfs- planung. Im vorliegenden Gutachten wird das mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe und der Planungsgemeinschaft Herzog+Partner - Inros Lackner abgestimmtem Regelprofil beschrieben. Die Regellösung sieht eine im Mittel 0,75 m auskragende Spundwand als eigenständige Hoch- wasserschutzwand in der wasserseitigen Böschung vor, die vom Ausbauanfang bis zur Kreuzung der Straße "Maxau am Rhein" auf die maximal zulässige Höhe gezogen wird. Die Höhe reduziert sich anschließend bis zum Ausbauende auf das BHW-Niveau. Eine Damm- verteidigung ist aufgrund der als freistehende Hochwasserschutzwand bemessenen Spund- wand nicht erforderlich. In der nachfolgenden Abbildung ist der Regelausbau dargestellt. Sonderbauweise Abschnitt Leitdamm: Abbildung 1: Regelquerschnitt Leitdamm, Bau-km 0-160 - 0-185, Querschnitt Bau-km 0-100 (Grundlage: Entwurfsplanung PG HIL: Plan_4.1_20190516-HIL-XXVff-EPL-RQ), Die Straße "Maxau am Rhein" erhält eine neue Deckschicht, der Asphaltaufbau ist in einer Stärke von ca. 25 cm vorgesehen. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 16 Für die erforderliche Auffüllung zwischen der Spundwand und der ursprünglichen wasser- seitigen Dammschulter bzw. neben dem Straßenkörper (s. Abbildung 1) wird ein Mischschotter (Natursteinschotter) mit zulässigem Feinteilgehalt bis 15 Gew.% empfohlen. Die Befestigung als Bankettstreifen kann mit Schotterrasen erfolgen. Die Sonderbauweise sieht eine 9,15 m, lange Spundwand vor. Die statische Bemessung ist nicht Gegenstand dieses Gutachtens und erfolgte seitens der Planungsgemeinschaft HIL. 3.3 Leitungen und Bauwerke im Damm Innerhalb des betrachteten Dammabschnitts queren Abwasserleitungen (DN 300B) sowie ein LWL-Kabel den Damm, welche bei der Planung zu berücksichtigen und im Rahmen der Bau- ausführung zu sichern sind. Die Kontaktbereiche zwischen baulichen Anlagen und dem Dammkörper stellen kritische Bereiche dar, Fremdkörper im Dammquerschnitt können daher nur dort geduldet werden, wo sie unvermeidlich sind. Nicht erforderliche (alte) bauliche Anlagen sind zu entfernen. Nach der DIN 19712 und dem Merkblatt DWA-M 507 dürfen Leitungen grundsätzlich nicht parallel zur Dammachse in und unter Dämmen verlaufen. Gemäß DIN19712 bzw. DWA-M 507 sind bei dammquerenden Fluidleitungen wasser- sowie landseitig Verschlussorgane vorzusehen. Für sämtliche Querungen der Spundwand sind wasserundurchlässige Durchführungen vorzu- sehen. 4 Erdstatische und Untergrundhydraulische Nachweise Die nachfolgenden erdstatischen Nachweise orientieren sich an der Auflistung der Nachweise in dem DVWK-Merkblatt "Heft 210/1986, Flussdeiche, Hochwasserschutz" sowie der DIN 19712:2013-01. Entsprechend den Forderungen der DIN 19712 werden die nachfolgend aufgeführten erdstatischen und untergrundhydraulischen Nachweise nach dem Teilsicherheits- konzept der DIN 1054:2021-04 geführt. 4.1 Standsicherheit der wasserseitigen Böschungen nach DIN 4084 Mit dem Nachweis des Böschungsbruchs nach DIN 4084 wird die globale Standsicherheit der wasserseitigen Böschung überprüft. Dieser Nachweis ist entsprechend der DIN 1054:2021-04 in die Grenzzustandsbedingung GEO-3 einzuordnen. Es wird die maßgebende Bemessungs- situationen BS-P (Schnelle Spiegelsenkung) mit den erforderlichen Teilsicherheitsbeiwerten für die wasserseitige Böschung im ausgebauten Zustand in dem ungünstigsten Profil unmittelbar am Ausbauanfang (Bau-km 0-160) untersucht. Die Berechnungen erfolgten nach der DIN:4084:2009-01. Da in diesem Schnitt die Dammverteidigung nicht auf der Dammkrone E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 17 verläuft sondern landseitig, wird lediglich eine Ersatzflächenlast von pv,k = 5 kN/m auf der Dammkrone angesetzt. Für die Bemessung der Hochwasserschutzwand entlang der Straße "Maxau am Rhein" ist jedoch als Dammverteidigungszuwegung zu den südlich anschließenden Hochwasser- schutzdämmen eine Verkehrslast für Schwerlastverkehr (SLW 30) zu berücksichtigen. Eine ausreichende Standsicherheit ist gegeben, wenn Ausnutzungsgrade von µ ≤ 1,00 erreicht werden. Für die Bemessungssituation BS-A, bei welcher von einer Beanspruchung durch den Wasser- stand "bordvoll" (Einstau bis zur wasserseitigen Böschungsschulter) ausgegangen wird, ohne Berücksichtigung lokaler Über- oder Unterhöhen, kann von deutlich geringeren Ausnutzungs- graden ausgegangen werden. Diese Berechnungen werden daher nicht gesondert aufgeführt. Bemessungssituation BS-P: Bei der Bemessungssituation BS-P wird davon ausgegangen, dass sich, bedingt durch einen lang andauernden Einstau, der Dammkörper aufgesättigt hat. Der Wasserspiegel wird maximal bis auf das Niveau des Bemessungswasserspiegels BHW angenommen. Der Einstau des Dammes führt zur Infiltration und Teilsättigung des Dammes. In der Regel sinkt der Wasser- stand nach dem Hochwasserereignis schneller, als das Wasser aus dem Damm aussickern kann. Dadurch kann sich, vor allem bei gemischtkörnigen und bindigen Böden, eine böschungs- parallele Durchströmung im Dammkörper einstellen. Dieser Vorgang der sogenannten "Schnellen Spiegelsenkung" stellt die maßgebende Bemessungssituation für die Wasserseite des Dammes dar. Für das untersuchte Profil Bau-km 0-160 (Damm-km 28+931) wird von einer stationären Sickerlinie ausgegangen. In der Berechnung wird die vorgesehene Spundwand in der wasser- seitigen Dammschulter als Bauteil definiert, wobei Bauteile keinerlei physikalischen Eigen- schaften auf die Böschung haben. Es werden jedoch Gleitkörper, die das Bauteil schneiden nicht berechnet. Wie die Berechnung für das Profil bei Damm-km 28+931 (Bau-km 0-160) in der Anlage 4 zeigt, wird mit einem ausreichenden Ausnutzungsgrad von µ = 0,79 eine ausreichende Standsicher- heit der wasserseitigen Böschung nachgewiesen. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 18 4.2 Standsicherheit der landseitigen Böschung Aufgrund der Gegebenheiten wie den geplanten Regelausbau mit einer Spundwand als eigen- ständige Hochwasserschutzwand, des weitgehend hochliegenden landseitigen Geländes und somit einem geringem hydraulischen Gefälle Δw im Dammkörper (Differenz zwischen BHW und GOK am landseitigen Dammfuß) sind weitere Standsicherheitsnachweise nicht erforderlich. Eine Dammverteidigung ist aufgrund der Bemessung als eigenständige Hochwasserschutz- wand nicht erforderlich. Im nördlichen Abschnitt wird zudem die Spundwand durch den an- grenzenden Yachthafen beidseitig eingestaut. Auf rechnerische Nachweise der landseitigen Standsicherheit kann daher an dieser Stelle verzichtet werden. 4.3 Suffosionsgefährdung Die geometrische Suffosionsgefährdung bedeutet, dass es bei hohen hydraulischen Gradienten zu Kornausspülungen und somit zu einer Schwächung des Dammes kommen kann. Nach der DIN 19712 sind bei weitgestuften Böden hydraulische Gradienten von imin ≥ 0,25 (siehe Bild 8 der DIN 19712 (§9.6)) erforderlich, um einen Feinteilaustrag zu erzielen. Entsprechend dem in der DIN 19712 geforderten Sicherheitsbeiwert von η ≥ 1,5 ergibt sich ein zulässiger Strömungs- gradient von izul ≤ 0,17. Aufgrund des hier gewählten Regelausbaus mit einer Spundwand sowie dem im Hochwasser- fall zu erwartenden nur geringen hydraulischen Gefälle wegen des hochliegenden landseitigen Geländes, ist die Überprüfung der geometrischen Suffosionsstabilität nicht erforderlich. 4.4 Suberosionsgefährdung Nach den Bohr- und Sondierergebnissen wurden im Untergrund teilweise ausgeprägte Wechsellagerungen von Schluffen/Tonen mit Fein-/Mittelsanden bzw. Wechsellagerungen von Fein-/Mittelsanden und Kiessanden beobachtet. Nach MÜLLER-KIRCHERNBAUER gilt für Fein- sande ein Kontrollgefälle von ikrit = 0,06 bis 0,08. In Abhängigkeit des bei den Bohrarbeiten angetroffenen Untergrundaufbaus wird nach MÜLLER-KIRCHERNBAUER, H. (1985) bzw. DAVIDENKOFF, R. (1970) ein zulässiges Kontrollgefälle von ikrit = 0,075 = 7,5% angesetzt. Eine Überschüttung des Kontrollgefälles wird erforderlich, wenn dieses oberhalb des Geländes im Hinterland verläuft. Ist das aufgrund eingeschränkter Platzverhältnisse nicht möglich, kann dies durch eine ausreichend tiefe Einbindung der Spundwand in den Kiesuntergrund erfolgen. Im Untersuchungsabschnitt verläuft lediglich im Profil Bau-km 0-100 das Kontrollgefälle ober- halb des Geländes. Das Profil (s. Abbildung 1) liegt unterhalb der Eisenbahnbrücke; angrenzend beginnt das Brückenwiderlager. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 19 Zur Suberosionssicherung kann die erforderliche Einbindetiefe der Spundwand lerf unterhalb der bindigen Deckschichten überschlägig aus der Wasserspiegeldifferenz ∆w (= BHW – GOK land- seitig) wie folgt ermittelt werden: Ierf = 1,4 · ∆w Im vorliegenden Profil 0-100 ist: BHW: 107,1 m+NHN GOK: 106,1 m+NHN ∆w: BHW - GOK = 1,0 m à Ierf = 1,4 · 1,0 m = 1,4 m Aus dem Niveau der Unterkante der bindigen Deckschichten und der ermittelten Einbindetiefe lerf ergibt sich: UK bindige Deckschicht (BK 0-250): 102,78 m+NHN Erforderliche UK Spundwand: 102,78 m+NHN - 1,4 m = 101,38 m+NHN Geplante UK Spundwand: 98,38 m+NHN Durch die ausreichend tiefe Einbindung der geplanten Spundwand besteht eine ausreichende Suberosionssicherung. 4.5 Setzungen Nennenswerte Setzungen sind nur dort zu erwarten, wo entweder stark kompressible Schichten im Untergrund anstehen oder größere Schüttungen aufgebracht werden. Da im Zuge der Aus- bau- und Sanierungsmaßnahme keine maßgeblichen Schüttmaßnahmen durchgeführt werden, ergeben sich hieraus keine Lasterhöhungen in der Dammbasis. 4.6 Spreizspannungen Der Nachweis der Spreizspannungen im Bereich Dammaufstandsfläche wird i.A. nur bei Dammneubauten mit großer Schütthöhe und steilen Böschungsneigungen maßgebend. Daher kann der Nachweis der Aufnahme der Spreizspannungen entfallen. 4.7 Konstruktive Maßnahmen 4.7.1 Oberbodenabtrag Auf dem bestehenden Damm sowie in den Aufstandsflächen der wasserseitigen Bermen muss der Oberboden abgetragen werden. Als Kalkulationsgrundlage können die im Kap. 2.3.1 genannten Oberbodenstärken angesetzt werden. Der Oberboden liegt in unterschiedlichen Mächtigkeiten vor, lokal können die genannten Ober- bodenstärken auch deutlich abweichen. Für die Bauausführung empfehlen wir, die Abtrags- stärke örtlich mit einzelnen Schürfen festzulegen. E 8580a15G 7. Oktober 2021 Seite 20 4.7.2 Hochwassersicherheit Im Zuge der Realisierung des Dammausbaus ist beim Bauablauf die Hochwassersicherheit zu berücksichtigen. Die Ausdehnung bzw. Länge der einzelnen Bauabschnitte ist so zu wählen, dass eine Hochwassersicherung zeitnah erfolgen kann. Wir empfehlen eine Abschnittslänge von rd. 100 m. Die Baustelleneinrichtung und -logistik müssen so geplant werden, dass innerhalb der Warnfrist für ein anlaufendes Hochwasser die Hochwassersicherheit hergestellt werden kann. Dies gilt besonders auch für das Freilegen, den Aus- und Wiedereinbau der querenden Wasserrohre vor und nach dem Einbringen der Spundwand. 5 Baustoffe (Material- und Einbauanforderungen, Kennwerte) 5.1 Generelle Anforderungen an die Schüttmaterialien Alle angelieferten Schüttmaterialien müssen natürliche Erdstoffe oder aus natürlichem Material hergestellte Baustoffe (z. B. Natursteinschotter) sein. Recyclingschotter oder Mischböden mit Bauschuttanteilen sind nicht zulässig. Zur Gewährleistung der Umweltverträglichkeit der zu liefernden Schüttmaterialien wird empfoh- len die einzuhaltenden Analysewerte bereits im Zuge der Ausschreibung in einem Qualitäts- nachweis für mineralische Erdbaustoffe (QME) festzulegen. Dies gilt auch für Primärrohstoffe, da der Einbau in der durchströmten Zone des Dammes erfolgt. Entsprechende Nachweise sind vorzulegen. 5.2 Natursteinschottergemisch, feinteilhaltig Nach derzeitigem Planungsstand werden lediglich geringfügige Verfüllungen bereichsweise zwischen der Spundwand und der ursprünglichen wasserseitigen Dammschulter bzw. neben dem Straßenkörper (s. Abbildung 1) erforderlich. Als Schüttmaterial außerhalb der Tragschicht für den Straßenbau kann ein feinteilhaltiger Mischschotter mit folgenden Anforderungen Verwendung finden: • Gebrochenes Schottermaterial, Körnungen 0/16 - 0/45 • Natursteinschotter, kein Recycling-Material • Feinkornanteil P ∅ < 0,063 mm ≤ 15 Gew. % • Stetige Körnungslinie, keine Ausfallkörnung Das Schüttmaterial ist lagenweise einzubauen und ausreichend zu verdichten. m+NHN 97.0 99.0 101.0 103.0 105.0 107.0 m+NHN 97.0 99.0 101.0 103.0 105.0 107.0 DPH 0-100 106,68 m+NHN 0 10 20 30 0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0 6.0 7.0 8.0 9.0 10.0 Schlagzahlen je 10 cm 0.00 m Rammarbeiten Tiefe [m] Rammbarkeit DPH 0-100 2.00 leicht 2.50 schwer 10.00 leicht-mittelschwer BK 0-100 106,68 m+NHN 3.90 (102.78) (10.04.2018) 4.10 (102.58) (09.04.2018) 0.10 Asphalt 0.40 Auffüllung + Kies, z.T. Schotter, Asphaltr., arom. Geruch, schw.-grau A 1.40 Auffüllung + Kies, sandig, schwach schluffig, z.T. Sst-Bruch, schw. aromat. Geruch A 2.00 Auffüllung + Kies, schluffig, schwach sandig, z.T.Sst-Bruch A 2.50 Auffüllung + Kies, stark schluffig, sandigA 2.70 Auffüllung + Steine, (Sst-Bruch), kiesig, sandigA 3.00 Fein-Mittelsand, kiesig, schwach schluffig, U-Linsen 3.40 Fein-Mittelsand, schwach kiesig, schwach schluffig, U-Linsen 3.60 Fein-Mittelsand, schluffig, U-Linsen 3.80 Schluff, feinsandig 3.90 Feinsand, mittelsandig 4.00 Schluff, stark feinsandig 4.80 Mittelsand, feinsandig, schwach grobsandig 5.80 Kies, schwach sandig 7.80 Fein-Mittelkies, schwach grobsandig, schwach grobkiesig 8.80 Fein-Mittelkies 10.00 Kies, grobsandig Damm-km 29+176 Legende steif - halbfest steif Rammbarkeit* leicht leicht mittelschwer schwer sehr schwer Bau-km 0+080 * in Anlehnung an BAW Merkblatt MEH, Ausgabe 2017 AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT ZEICHNUNGS-NRNAMEDATUMÄNDERUNG 1. 2. 3. Rheinhochwasserdamm RHWD XX Los 2 PLANINHALT KS KS JS 29.09.2021 29.09.2021 1 : 100 FREIGEGEBEN UNTERSCHRIFT Leitdamm (Bau-km 0-160 bis 1+185) Projekt E 8580a Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 Datei: Plangröße: Herzog + Partner GmbH Bestand AG-Dokumenten Nr. Zeichnungsnummer Karlsruhe, den Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Anlage 2.5 OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka(at)herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de Bohrung BK / DPH 0-100 (Bau-km 0+080) Schichtprofil, Rammwiderstände 8580a_BK0_100_Leitdamm.bop 420 x 297 Damm-km 28+931 - 29+276 Homogenbereich A Homogenbereich B1 Homogenbereich B2 Homogenbereich C Homogenbereich D Homogenbereich E Homogenbereich E Homogenbereich D Homogenbereich E Homogenbereich EHomogenbereich E Homogenbereich C Homogenbereich C Homogenbereich A Homogenbereich B1 Homogenbereich B1 Homogenbereich B2 Bau-km 0-170 Bau-km 0-068 Bau-km 0+170Bau-km 0+080Bau-km 0+000 Homogenbereich B1 Homogenbereich B2 m+NHN 87.0 89.0 91.0 93.0 95.0 97.0 99.0 101.0 103.0 105.0 107.0 m+NHN 95.0 97.0 99.0 101.0 103.0 105.0 107.0 BK 0-010 106,35 m 3.50 (102.85) (11.04.2018) 4.00 (102.35) (10.04.2018) 0.20 MutterbodenMu 0.60 Auffüllung + Schluff, stark kiesig, sandigA 1.20 Auffüllung + Kies, sandig, schwach schluffig, Ziegelreste A 1.50 Auffüllung + Kies, stark sandig, schwach schluffig, Ziegelreste A 1.80 Auffüllung + Fein-Mittelkies, sandig, schwach schluffig, Ziegelreste A 2.00 Auffüllung + Schluff, kiesig, sandig, bunt A 2.60 Auffüllung + Kies, sandig, rotgrau A 2.70 Auffüllung + Kies, sandig, schluffig A 5.00 Fein-Mittelkies, sandig 5.70 Fein-Mittelkies, schwach grobsandig 10.00 Kies, schwach sandig Damm-km 29+266 BK 0-100 106,68 m 3.90 (102.78) (10.04.2018) 4.10 (102.58) (09.04.2018) 0.10 Asphalt 0.40 Auffüllung + Kies, z.T. Schotter, Asphaltr., arom. Geruch, schw.-grau A 1.40 Auffüllung + Kies, sandig, schwach schluffig, z.T. Sst-Bruch, schw. aromat. Geruch A 2.00 Auffüllung + Kies, schluffig, schwach sandig, z.T.Sst-Bruch A 2.50 Auffüllung + Kies, stark schluffig, sandigA 2.70 Auffüllung + Steine, (Sst-Bruch), kiesig, sandig A 3.00 Fein-Mittelsand, kiesig, schwach schluffig, U-Linsen 3.40 Fein-Mittelsand, schwach kiesig, schwach schluffig, U-Linsen 3.60 Fein-Mittelsand, schluffig, U-Linsen 3.80 Schluff, feinsandig 3.90 Feinsand, mittelsandig 4.00 Schluff, stark feinsandig 4.80 Mittelsand, feinsandig, schwach grobsandig 5.80 Kies, schwach sandig 7.80 Fein-Mittelkies, schwach grobsandig, schwach grobkiesig 8.80 Fein-Mittelkies 10.00 Kies, grobsandig Damm-km 29+176 BK 0-250 107,08 m 4.30 (102.78) (12.04.2018) 4.30 (102.78) (11.04.2018) 0.15 Asphalt 0.40 Auffüllung + Kies, sandig, Asphaltreste A 0.60 Auffüllung + Fein-Mittelkies, mittelsandig A 1.20 Auffüllung + Schluff, sandig, schwach kiesig A 1.60 Auffüllung + Mittelsand, kiesig, feinsandig A 2.00 Auffüllung + Steine, (Bauwerk-Sst-Reste), sandig, schwach kiesig A 2.40 Auffüllung + Sand, kiesig, schwach schluffig A 2.90 Auffüllung + Kies, (z.T. Schotter), sandig, schwach schluffig, vereinz. Ziegelreste, grau-schwarz A 3.60 Auffüllung + Fein-Mittelkies, sandig, Ziegelreste A 4.30 Schluff, stark feinsandig 5.00 Fein-Mittelkies, schwach sandig 7.40 Kies, schwach sandig 8.00 Kies, sandig 8.50 Kies, stark sandig 9.10 Kies 11.60 Kies, schwach sandig 12.50 Fein-Mittelkies, grobkiesig, schwach mittelsandig 13.60 Kies, schwach sandig 14.50 Fein-Mittelsand, stark feinmittelkiesig 16.80 Mittelsand, feinmittelkiesig, schwach grobsandig, schwach feinsandig 17.80 Sand, kiesig 18.80 Sand, stark kiesig 21.20 Kies, sandig Damm-km 29+029 BK 0-340 107,81 m 5.20 (102.61) (16.04.2018) 5.80 (102.01) (13.04.2018) 0.30 MutterbodenMu 0.40 Auffüllung + Mittelsand, schwach grobsandig, kiesig, feinsandig A 0.50 Auffüllung + Schluff, kiesig, sandig A 0.90 Auffüllung + Schluff, feinsandig A 1.60 Auffüllung + Schluff, schwach sandig A 2.00 Auffüllung + Schluff, sandig, schwach kiesig A 2.60 Auffüllung + Schluff, feinsandig, schwach kiesig A 3.20 Auffüllung + Schluff, schwach feinsandig, schwach kiesig A 3.50 Auffüllung + Schluff, stark kiesig, sandig, Ziegelreste A 3.70 Ton, stark schluffig, schwach feinsandig 4.10 Ton, stark schluffig 4.80 Ton, schluffig 5.00 Schluff, stark feinsandig 5.80 Schluff + Feinsand 6.00 Fein-Mittelkies, schwach grobkiesig, sandig 6.70 Fein-Mittelkies, grobsandig, schwach grobkiesig 7.50 Fein-Mittelkies, grobsandig, schwach grobkiesig 8.20 Kies, mittelsandig 9.00 Kies, sandig 9.50 Kies, stark sandig 10.00 Kies, sandig Damm-km 28+927 BK 0+000 RHWD XXVII 106,80 m 4.40 (102.40) (27.062017) 4.40 (102.40) (28.06.2017) 0.10 Asphalt 0.40 Auffüllung + Kies (Sandstein), Schlackereste, sandig, schwach schluffig A 1.10 Auffüllung + Fein-Mittelsand, stark kiesig, schluffig A 1.50 Auffüllung + Mittel-Grobkies, schwach sandig A 1.70 Auffüllung + Kies, schluffig, sandig A 2.00 Auffüllung + Mittelsand, schluffig, stark kiesig, feinsandig A 3.20 Auffüllung + Kies, stark sandig, schluffig A 4.00 Schluff, stark sandig, kiesig 4.80 Mittelsand, feinsandig, schwach schluffig, schwach grobsandig 5.00 Schluff, stark sandig, kiesig, schwach tonig 5.80 Kies, stark feinmittelsandig, grobsandig 6.50 Fein-Mittelkies, grobkiesig, grobsandig 7.00 Fein-Mittelkies, sandig, schwach schluffig 8.00 Fein-Mittelkies, Holzreste, grobsandig, schwach mittelsandig, schwach grobkiesig 9.00 Kies, sandig 10.00 Kies, schwach sandig 12.00 Kies, sandig RHWD XXVII Damm-km 0+000 Legende halbfest steif - halbfest steif weich - steif weich breiig Homogenbereiche: Homogenbereich A: Oberboden Homogenbereich B1: Dammkörper/Auffüllungen, grobkörnig Homogenbereich B2: Dammkörper/Auffüllungen, fein-, gemischtkörnig Homogenbereich C: bindige Deckschichten Homogenbereich D: Fein-/Mittelsande Homogenbereich E: Kies und Kiessand AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT ZEICHNUNGS-NRNAMEDATUMÄNDERUNG 1. 2. 3. Rheinhochwasserdamm RHWD XXV Los 2 PLANINHALT KS KS JS 29.09.2021 29.09.2021 1 : 100 FREIGEGEBEN UNTERSCHRIFT Leitdamm (Bau-km 0-160 bis 0+185) Projekt E 8580a15G Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 Datei: Plangröße: Herzog + Partner GmbH Bestand AG-Dokumenten Nr. Zeichnungsnummer Karlsruhe, den Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Anlage 2.1 OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka(at)herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de Längsschnitt Bohrungen, Schichtprofile, Homogenbereiche 8580a_LS_Leitdamm.bop 580 x 297 Damm-km 28+931 - 29+276 B 10 0+100 0+000 Rhein Rhein 0- 00 0 0- 05 0 0- 10 0 0- 15 0 0- 20 0 0- 25 0 0- 30 0 0- 34 7 0+185 0+100 0+000 0-100 0-160 BS 0+100 BK 0+100 BK 0-100/DPH BK 0+000 BK 0-250/DPH BK 0-340 BK 0-010 28+931 29+000 29+100 29+200 29+276 Le itd am m RH WD XX V RHW D XXVII AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT ZEICHNUNGS-NRNAMEDATUMÄNDERUNG 1. 2. 3. PLANINHALT FREIGEGEBEN Projekt: Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 AG-Dokumenten Nr. Anlage: OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Ingenieurgesellschaft Kärcher GmbH & Co. KG Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Herzog+Partner GmbH Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka@herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Zeichnungsnummer: IGK_XXVII-L2-Lageplan_Erkundung.dwg Plangröße: Datei: Höhensystem Rheinhochwasserdamm RHWD XXV Damm-km 28+931 - 29+276 Los 2 Lageplan geotechnische Erkundung Leitdamm (Bau-km 0-160 - 0+185) KS KS JS 07.06.2019 07.06.2019 1 : 1.000 Höhenstatus 160 DHHN 1992 Bestand 580 x 297 1.1 E 8580a15G mbH m+NHN 96.0 98.0 100.0 102.0 104.0 106.0 BK 0-010 106,35 m+NHN 3.50 (102.85) (11.04.2018) 4.00 (102.35) (10.04.2018) 0.20 MutterbodenMu 0.60 Auffüllung + Schluff, stark kiesig, sandigA 1.20 Auffüllung + Kies, sandig, schwach schluffig, ZiegelresteA 1.50 Auffüllung + Kies, stark sandig, schwach schluffig, Ziegelreste A 1.80 Auffüllung + Fein-Mittelkies, sandig, schwach schluffig, Ziegelreste A 2.00 Auffüllung + Schluff, kiesig, sandig, bunt A 2.60 Auffüllung + Kies, sandig, rotgrau A 2.70 Auffüllung + Kies, sandig, schluffig A 5.00 Fein-Mittelkies, sandig 5.70 Fein-Mittelkies, schwach grobsandig 10.00 Kies, schwach sandig Damm-km 29+266 Legende halbfest weich Bau-km 0+170 AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT ZEICHNUNGS-NRNAMEDATUMÄNDERUNG 1. 2. 3. Rheinhochwasserdamm RHWD XXV Los 2 PLANINHALT KS KS JS 29.09.2021 29.09.2021 1 : 100 FREIGEGEBEN UNTERSCHRIFT Leitdamm (Bau-km 0-160 bis 0+185) Projekt E 8580a15G Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 Datei: Plangröße: Herzog + Partner GmbH Bestand AG-Dokumenten Nr. Zeichnungsnummer Karlsruhe, den Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Anlage 2.6 OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka(at)herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de Bohrung BK 0-010 (Bau-km 0+170) Schichtprofil 8580a_BK0_340_Leitdamm.bop 210 x 297 Damm-km 28+931 - 29+276 ' schwach stark Nebenanteile Legende klüftig fest halbfest - fest halbfest steif - halbfest steif weich - steif weich breiig - weich breiig naß A (Auffüllung)A Mu (Mutterboden)Mu G (Kies) fG (Feinkies) mG (Mittelkies) gG (Grobkies) S (Sand) fS (Feinsand) mS (Mittelsand) gS (Grobsand) U (Schluff) T (Ton) X (Steine) H (Torf) g (kiesig) fg (feinkiesig) mg (mittelkiesig) gg (grobkiesig) s (sandig) fs (feinsandig) ms (mittelsandig) gs (grobsandig) t (tonig) u (schluffig) x (steinig) Datei: 8580a_Leitdamm_Legende.bop Grundwasser 2,50 30.06.2018 GW Ruhe 2,50 30.06.2018 GW Bohrende 2,50 30.06.2018 GW angebohrt AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT ZEICHNUNGS-NRNAMEDATUMÄNDERUNG 1. 2. 3. Rheinhochwasserdamm RHWD XXVII Los 2 PLANINHALT KS KS JS 30.09.2021 30.09.2021 30.09.2021 FREIGEGEBEN UNTERSCHRIFT Leitdamm, Bau-km 0-160 - 0+185 Projekt E 8580a15G Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 Datei: Plangröße: Herzog + Partner GmbH Bestand AG-Dokumenten Nr. Zeichnungsnummer Karlsruhe, den Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Anlage 2.0 OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka(at)herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de 8580a_Leitdamm_Legende.bop 210 x 297 Damm-km 0+000 - 4+959 Legende Bodenarten m+NHN 97.0 99.0 101.0 103.0 105.0 107.0 BK 0-340 107,81 m+NHN 5.20 (102.61) (16.04.2018) 5.80 (102.01) (13.04.2018) 0.30 MutterbodenMu 0.40 Auffüllung + Mittelsand, schwach grobsandig, kiesig, feinsandig A 0.50 Auffüllung + Schluff, kiesig, sandig A 0.90 Auffüllung + Schluff, feinsandig A 1.60 Auffüllung + Schluff, schwach sandig A 2.00 Auffüllung + Schluff, sandig, schwach kiesig A 2.60 Auffüllung + Schluff, feinsandig, schwach kiesig A 3.20 Auffüllung + Schluff, schwach feinsandig, schwach kiesigA 3.50 Auffüllung + Schluff, stark kiesig, sandig, ZiegelresteA 3.70 Ton, stark schluffig, schwach feinsandig 4.10 Ton, stark schluffig 4.80 Ton, schluffig 5.00 Schluff, stark feinsandig 5.80 Schluff + Feinsand 6.00 Fein-Mittelkies, schwach grobkiesig, sandig 6.70 Fein-Mittelkies, grobsandig, schwach grobkiesig 7.50 Fein-Mittelkies, grobsandig, schwach grobkiesig 8.20 Kies, mittelsandig 9.00 Kies, sandig 9.50 Kies, stark sandig 10.00 Kies, sandig Damm- km 28+927 Legende halbfest steif - halbfest steif weich - steif weich Bau-km 0-170 AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT ZEICHNUNGS-NRNAMEDATUMÄNDERUNG 1. 2. 3. Rheinhochwasserdamm RHWD XXV Los 2 PLANINHALT KS KS JS 29.09.2021 29.09.2021 1 : 100 FREIGEGEBEN UNTERSCHRIFT Leitdamm (Bau-km 0-160 bis 0+185) Projekt E 8580a15G Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 Datei: Plangröße: Herzog + Partner GmbH Bestand AG-Dokumenten Nr. Zeichnungsnummer Karlsruhe, den Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Anlage 2.2 OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka(at)herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de Bohrung BK 0-340 (Bau-km 0-160) Schichtprofil 8580a_BK0_000_Leitdamm.bop 420 x 297 Damm-km 28+931 - 29+276 m+NHN 87.0 89.0 91.0 93.0 95.0 97.0 99.0 101.0 103.0 105.0 107.0 m+NHN 95.0 97.0 99.0 101.0 103.0 105.0 107.0 DPH 0-250 107,08 m+NHN 0 10 20 30 40 0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0 6.0 7.0 8.0 9.0 10.0 Schlagzahlen je 10 cm Rammarbeiten Tiefe [m] Rammbarkeit DPH 0-100 0.50 leicht 2.10 mittelschwer 2.50 schwer-sehr schwer 4.10 leicht 7.00 leicht-mittelschwer 7.60 schwer 9.30 leicht-mittelschwer 10.00 mittelschwer-schwer BK 0-250 107,08 m+NHN 4.30 (102.78) (12.04.2018) 4.30 (102.78) (11.04.2018) 0.15 Asphalt 0.40 Auffüllung + Kies, sandig, Asphaltreste A 0.60 Auffüllung + Fein-Mittelkies, mittelsandig A 1.20 Auffüllung + Schluff, sandig, schwach kiesig A 1.60 Auffüllung + Mittelsand, kiesig, feinsandig A 2.00 Auffüllung + Steine, (Bauwerk-Sst-Reste), sandig, schwach kiesig A 2.40 Auffüllung + Sand, kiesig, schwach schluffig A 2.90 Auffüllung + Kies, (z.T. Schotter), sandig, schwach schluffig, vereinz. Ziegelreste, grau-schwarz A 3.60 Auffüllung + Fein-Mittelkies, sandig, Ziegelreste A 4.30 Schluff, stark feinsandig 5.00 Fein-Mittelkies, schwach sandig 7.40 Kies, schwach sandig 8.00 Kies, sandig 8.50 Kies, stark sandig 9.10 Kies 11.60 Kies, schwach sandig 12.50 Fein-Mittelkies, grobkiesig, schwach mittelsandig 13.60 Kies, schwach sandig 14.50 Fein-Mittelsand, stark feinmittelkiesig 16.80 Mittelsand, feinmittelkiesig, schwach grobsandig, schwach feinsandig 17.80 Sand, kiesig 18.80 Sand, stark kiesig 21.20 Kies, sandig Legende halbfest steif Rammbarkeit* leicht leicht mittelschwer schwer sehr schwer Bau-km 0-068 * in Anlehnung an BAW Merkblatt MEH, Ausgabe 2017 AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT ZEICHNUNGS-NRNAMEDATUMÄNDERUNG 1. 2. 3. Rheinhochwasserdamm RHWD XXV Los 2 PLANINHALT KS KS JS 29.09.2021 29.09.2021 1 : 100 FREIGEGEBEN UNTERSCHRIFT Leitdamm (Bau-km 0-160 bis 0+185) Projekt E 8580a15G Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 Datei: Plangröße: Herzog + Partner GmbH Bestand AG-Dokumenten Nr. Zeichnungsnummer Karlsruhe, den Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Anlage 2.3 OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka(at)herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de Bohrung BK / DPH 0-250 (Bau-km 0-068) Schichtprofil, Rammwiderstände 8580a_BK0_250_Leitdamm.bop 420 x 297 Damm-km 28+931 - 29+276 m+NHN 95.0 97.0 99.0 101.0 103.0 105.0 107.0 BK 0+000 106,80 m+NHN 4.40 (102.40) (27.06.2017) 4.40 (102.40) 0.10 Asphalt 0.40 Kies (Sandstein), Schlackereste, sandig, schwach schluffig 1.10 Feinmittelsand, stark kiesig, schluffig 1.50 Mittel-Grobkies, schwach sandig 1.70 Kies, schluffig, sandig 2.00 Mittelsand, stark kiesig, feinsandig, schluffig 3.20 Kies, stark sandig, schluffig 4.00 Schluff, stark sandig, kiesig 4.80 Mittelsand, feinsandig, schwach schluffig, schwach grobsandig 5.00 Schluff, stark sandig, kiesig, schwach tonig 5.80 Kies, stark feinmittelsandig, grobsandig 6.50 Fein-Mittelkies, grobkiesig, grobsandig 7.00 Fein-Mittelkies, sandig, schwach schluffig 8.00 Fein-Mittelkies, Holzreste, grobsandig, schwach mittelsandig, schwach grobkiesig 9.00 Kies, sandig 10.00 Kies, schwach sandig 12.00 Kies, sandig aus geot. Gutachten E8580a07G (RHWD XXVII) Legende breiig Bau-km 0+000 AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT ZEICHNUNGS-NRNAMEDATUMÄNDERUNG 1. 2. 3. Rheinhochwasserdamm RHWD XXV Los 2 PLANINHALT KS KS JS 29.09.2021 29.09.2021 1 : 100 FREIGEGEBEN UNTERSCHRIFT Leitdamm (Bau-km 0-160 bis 0+185) Projekt E 8580a15G Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 Datei: Plangröße: Herzog + Partner GmbH Bestand AG-Dokumenten Nr. Zeichnungsnummer Karlsruhe, den Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Anlage 2.4 OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka(at)herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de Bohrung BK 0+000 (Bau-km 0+000) Schichtprofil 8580a_BK0_000_Leitdamm.bop 420 x 297 Damm-km 28+931 - 29+276 Bestimmung der Kornverteilung Proj.: RHWD XXV Be: KS Institut für Geotechnik Los 2, Leitdamm Tel.: 07244/7013-0 Fax: 07244/ 7013-17 E 8580a15G Anl.: 3 Kurve Vers. Darstellung Nr. fortl. von bis Kurve(n) FSS TS Trocken Nass 1 KV 1 2,70 3,0 æææææææææææ N 2 KV 2 5,8 6,8 æ æ æ æ æ æ æ æ T 3 KV 3 5,0 5,7 æ ◊ æ ◊ æ ◊ æ ◊ æ ◊ æ T D 5 D 10 D 15 D 17 D 20 D 30 D 40 D 50 D 60 D 85 Nr. [%] [mm] 1 10,47 k. E. k. E. 0,12 0,14 0,18 0,26 0,37 0,52 1,81 12,45 2 2,63 0,19 0,34 0,62 0,81 1,39 4,12 6,13 7,97 10,32 18,42 3 0,24 0,59 1,26 2,12 2,32 2,65 4,15 5,65 6,97 8,59 16,70 Nr. 1 2 30,14 4,80 3 6,82 1,59 Kommentar: Stand: 08.12.2010 3 3 GI GW Sieblinienbereiche 3 3 Siebung Kurve BK 11.08.2018 Kurve Tiefe [m] (∆ mm) Feinkornanteil P(∆ < mm) [-] [-] [m/s] (BEYER) DIN 18 196 BK 0-100 BK 0-010 DIN 18 300 Bodenansprache SU 1,28E-02 Durchlässigkeit kfUngleichförmigkeit U Krümmungszahl Cc 0,063 0,063 0,063 Ingenieurgesellschaft Kärcher mbH 7,34E-04 BK 0-100 0,01 0,063 0,1 0,2 0,5 1 2 10 20 63 100 100 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Si eb du rc hg an g [% ] Korndurchmesser [mm] Schluff Sand f m g Kies f m g St 0.35 0.40 0 .45 0.50 0.55 0.60 0.65 0.70 0. 7 5 w w w w pv = 5.00 j,k c,k g,k [°] [kN/m²] [kN/m³] Bezeichnung 27.50 2.00 20.00 Dammkörper, U, s, wch-stf 25.00 5.00 20.00 Ton, u-u*, wch-stf 30.00 0.00 20.00 Schluff + Feinsand 35.00 0.00 20.00 Kies, sandig Boden j,k c,k g,k[°] [kN/m²] [kN/m³] Bezeichnung 27.50 2.00 20.00 Dammkörper, U, s, wch-stf 25.00 5.00 20.00 Ton, u-u*, wch-stf 30.00 0.00 20.00 Schluff + Feinsand 35.00 0.00 20.00 Kies, sandig 0.79 j,k c,k g,k [°] [kN/m²] [kN/m³] Bezeichnung 27.50 2.00 20.00 Dammkörper, U, s, wch-stf 25.00 5.00 20.00 Ton, u-u*, wch-stf 30.00 0.00 20.00 Schluff + Feinsand 35.00 0.00 20.00 Kies, sandig Boden j,k c,k g,k[°] [kN/m²] [kN/m³] Bezeichnung 27.50 2.00 20.00 Dammkörper, U, s, wch-stf 25.00 5.00 20.00 Ton, u-u*, wch-stf 30.00 0.00 20.00 Schluff + Feinsand 35.00 0.00 20.00 Kies, sandig -25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 Berechnungsgrundlagen Ungünstigster Gleitkreis: mmax = 0.79 xm = -2.34 m ym = 108.63 m R = 2.47 m Teilsicherheiten: - g(j') = 1.25 - g(c') = 1.25 - g(cu) = 1.25 - g(Wichten) = 1.00 - g(Ständige Einw.) = 1.00 - g(Veränderliche Einw.) = 1.30 Datei: 8580a_Leitdamm_0_160_BSP.boe AUFTRAGGEBER PLANUNGSSTAND ALLE RECHTE DIESER ZEICHNUNG UNTERLIEGEN DEM URHEBERSCHUTZ GEMÄSS DIN 34 Maßstab GEPR. NAME DATUM GEZ. ENTW. PROJEKT Rheinhochwasserdamm RHWD XXV Los 2 PLANINHALT KS KS JS 28.05.2019 28.05.2019 xx 1 : 100 FREIGEGEBEN UNTERSCHRIFT Leitdamm, Querprofil Bau-km 0-160 Projekt E 8580a15G Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Ref. 53.1 Regierungspräsidium Karlsruhe Abteilung 5, Referat 53.1 Datei: Plangröße: Herzog + Partner GmbH Entwurfsplanung AG-Dokumenten Nr. Zeichnungsnummer Karlsruhe, den Ingenieurgesellschaft Kärcher GmbH & Co. KG Institut für Geotechnik Hauptstraße 152 76744 Wörth-Schaidt Anlage 4 OBJEKTPLANER: GEOTECHNIK: Planungsgemeinschaft Inros Lackner - Herzog + Partner Im Bögel 7 / 76744 Wörth-Maximiliansau Tel.: +49 (0) 7271 - 767265-0 / Fax: +49 (0) 7271 - 767265-17 infoka(at)herzogundpartner.de / www.herzogundpartner.de Standsicherheit der wasserseitigen Böschung nach DIN 4084 BHW = 107,10 m+NHN, Bemessungssituation BS-P 8580a_Leitdamm_0_160_BSP.boe 420 x 297 Damm-km 28+931 - 29+276 1 : 2 ,38 BHW = 107,10 m+NHN 1/3 BHW = 106,41 m+NHN 1 : 1,5 5 Dammverteidigungsweg
https://www.karlsruhe.de/b4/bekanntmachungen/unterlagen_rhwd/HF_sections/content/ZZppPve12N973Z/8.2_Geotechnisches_Gutachten_Leitdamm_inklusive_Anlagen.pdf
Microsoft Word - Begründung Gestaltungssatzung Durlach-26-08-2016.docx Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Karlsruhe – Durlach beigefügt: Begründung und Hinweise - Entwurf - Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 2 - Inhaltsverzeichnis: A. Begründung zur Gestaltungssatzung Altstadt Durlach ...................................... 3 1. Aufgabe und Notwendigkeit ............................................................................... 3 2. Bauleitplanung ...................................................................................................... 4 2.1 Vorbereitende Bauleitplanung .................................................................................. 4 2.2 Verbindliche Bauleitplanung ..................................................................................... 4 3. Denkmalschutz ........................................................................................................ 4 4. Bestandsaufnahme ............................................................................................... 4 4.1 Räumlicher Geltungsbereich ..................................................................................... 4 4.2 Vorhandene Bebauung ............................................................................................ 4 5. Planungskonzept ................................................................................................... 5 5.1 Zonierung des Geltungsbereiches ............................................................................. 6 5.2 Gestaltung ............................................................................................................... 7 5.2.1 §§ 1 bis 5 sowie 15 und 16 - Allgemeine Regeln ...................................................... 8 5.2.2 § 6 – Gestaltungsgrundsätze .................................................................................... 8 5.2.3 § 7 Dächer und Dachaufbauten ............................................................................. 10 5.2.4 § 8 Fassaden .......................................................................................................... 12 5.2.5 § 9 Türen, Tore, Fenster, Läden, Schaufenster ........................................................ 16 5.2.6 § 10 Markisen und Vordächer ................................................................................ 17 5.2.7 § 11 Einfriedungen ................................................................................................ 18 5.2.8 § 12 Werbeanlagen ............................................................................................... 18 5.2.9 § 13 Wertvolle Bauteile .......................................................................................... 19 5.2.10 § 14 -Technische Bauteile ....................................................................................... 19 6. Beipläne zur Begründung ................................................................................... 21 6.1 Geltungsbereich Gestaltungssatzung (§ 74 LBO) ..................................................... 21 6.2 Lageplan mit Zoneneinteilung ................................................................................ 21 6.3 Geltungsbereich Gesamtanlage (§ 12 DSchG) ......................................................... 22 B. Allgemeine Hinweise .......................................................................................... 23 1. Archäologische Funde, Kleindenkmale .................................................................... 23 2. Baumschutz ........................................................................................................... 23 3. Erneuerbare Energien ............................................................................................. 23 C. Hinweise zur Möblierung des öffentlichen Raums ........................................... 23 1. Warenauslagen ...................................................................................................... 24 2. Außenbewirtung .................................................................................................... 24 3. Post/Telekommunikation ........................................................................................ 24 4. Kundenstopper ...................................................................................................... 24 Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 3 - A. Begründung zur Gestaltungssatzung Altstadt Durlach 1. Aufgabe und Notwendigkeit Die bauliche und gestalterische Entwicklung in der Altstadt Durlach wird seit 1998 auf Grundlage der Gesamtanlagensatzung gemäß § 19 Denkmalschutzge- setz „Altstadt Durlach“ gesteuert. Zuvor wurde diese Aufgabe mittels sanierungs- rechtlicher Genehmigungen im Rahmen der seinerzeit noch gültigen Sanierungs- satzung wahrgenommen. Eine Grundlage für gestalterische Entscheidungen ist unter anderem ein 1976 entwickelter Entwurf für eine Gestaltungssatzung. Zwi- schenzeitlich zeigen sich die Schwächen dieser rechtlichen Situation. Obwohl das Denkmalschutzgesetz für sich genommen die stärksten Einflussmöglichkeiten auf das bauliche Geschehen bietet, die überhaupt zur Verfügung stehen, gibt es Fälle oder auch Bereiche, in denen dieses Gesetz nicht greift, bzw. aus sich selbst her- aus seine Grenzen findet. Beispielsweise sind im baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz städtebauliche Gründe für denkmalrechtliche Maßnahmen nicht vorgesehen. Des Weiteren sind Gegenstände, die das Stadtbild stark beein- flussen, jedoch nicht unmittelbar Gegenstand denkmalschutzrechtlicher Geneh- migungsvorgänge sind, nicht zu steuern. Beispiele hierfür sind nicht denkmalgeschützte Altbauten innerhalb der Gesamtanlage aber auch Neubauten auf bisher unbebauten Grundstücken oder nach Abbrüchen. Zunehmend wird auch die Bedeutung der Randbereiche und der Eingangssituati- onen zur Altstadt hin als so wichtig eingeschätzt, dass auch dort Steuerungsmechanismen eingeführt werden sollen. In der Gesamtanlagensatzung werden die wesentlichen Schutzziele aufgeführt, es wird aber nicht beschrieben, mit welchen konkreten baulichen Maßnahmen solche Ziele zu erreichen sind. Es bleibt insofern den jeweiligen amtlichen Entscheidungsträgern, beteiligten Eigentümern und Planern vorbehalten, den geeigneten Weg zur Umsetzung des Schutzziels im Einzelfall zu finden. Entwicklungsziele kennt die Gesamtanlagensatzung nicht. Sie ist rein konservatorisch angelegt. Auf ihrer Grundlage allein sind keine Aussagen zu Weiterentwicklungen möglich. Mit der Gestaltungssatzung Altstadt Durlach soll eine möglichst nachvollziehbare, verbindliche Entscheidungsgrundlage für alle Beteiligten zur Anordnung der Baukörper, zur Ausführung der wesentlichen Bauteile (Dach, Fassade, Öffnungen) aber auch zu baulichen Details (Fenster, Werbeanlagen, Einfriedungen etc.) geschaffen werden. Sie soll Spielräume für Neubauten eröffnen und dabei eine harmonische Ensemblewirkung begünstigen. Die Vorschriften werden aus den örtlichen, durch die Dulacher Bau- und Planungsgeschichte geprägten Gegebenheiten heraus entwickelt und präzisieren die allgemeinen Anforderungen, wie sie sich aus der Landesbauordnung ergeben. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 4 - 2. Bauleitplanung 2.1 Vorbereitende Bauleitplanung Das Plangebiet ist im gültigen Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands Karlsruhe (FNP NVK) als "Gemischte Baufläche", „Gewerbliche Fläche, Sonderbaufläche“ und „Kerngebiet“ dargestellt. Die Festsetzungen weichen davon nicht ab. Die Darstellungen im Flächennutzungsplan bleiben von den Festsetzungen der Gestaltungssatzung unberührt. 2.2 Verbindliche Bauleitplanung Für das Plangebiet bestehen folgende Bebauungspläne: Bebauungsplan Nr. 614 „Nutzungsartfestsetzung (ehem. Bauordnung der Stadt Karlsruhe)“, rechtsverbindlich seit 22.2.1985 und Bebauungsplan Nr. 729 „Pforzheimer Straße, Pfinzstraße, Lederstraße, Seboldstraße und Pfinztalstraße“, rechtsverbindlich seit 10.3.2000. Für den Geltungsbereich der vorliegenden Gestaltungssatzung werden diese Pläne wie folgt ergänzt. Bestehende Bebauungspläne bleiben bezüglich ihrer planungsrechtlichen Festsetzungen unverändert. Die örtlichen Bauvorschriften werden durch die Festsetzungen der Gestaltungssatzung beim Bebauungsplan Nr. 729 ergänzt und beim Bebauungsplan Nr. 614 ersetzt. 3. Denkmalschutz In der Durlacher Altstadt stehen nicht nur viele Einzelgebäude als Kulturdenkmal unter Schutz. Vielmehr wurde im Jahr 1998 im Rahmen der Gesamtanlagensat- zung „Altstadt Durlach“ das Straßen-, Platz-, und Ortsbild im Bereich der histori- schen Altstadt Durlachs als Ganzes unter Denkmalschutz gestellt. Dieser Schutz ist umfassend und betrifft gemäß Satzungstext das vorhandene Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt, wie es sich gegenwärtig von innen, aber auch von außen, beispielsweise vom Turmberg aus gesehen, darstellt. 4. Bestandsaufnahme 4.1 Räumlicher Geltungsbereich Das ca. 32 ha große Planungsgebiet liegt in Karlsruhe-Durlach. Maßgeblich für die Abgrenzung des Planungsgebietes ist der zeichnerische Teil. 4.2 Vorhandene Bebauung Das Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt wird maßgeblich von einer historisch gewachsenen Stadtstruktur und einer Vielzahl baulicher Kulturdenkmale aus unterschiedlichen Zeitepochen geprägt. Die in der Altstadt erlebbare, hohe städtebauliche Qualität entsteht aus den Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 5 - Besonderheiten des öffentlichen Raums mit seinem charakteristischen Kreuz- und Ringstraßensystem mit unterschiedlich dimensionierten Platzräumen, aber auch aus den fernwirksamen Sichtbezügen zu den Kirchtürmen, zum Rathausturm und zum Turmberg. Auch der Blick zurück vom Turmberg auf die Straßen- und Dachlandschaft der Altstadt erschließt die Besonderheit der ehemaligen Markgrafenstadt. Im Altstadtkern präsentieren sich die Straßenzüge über weite Strecken hinweg wohltuend einheitlich, wobei die Qualität der straßenbegleitenden Bebauung wegen der Krümmung der Ringstraßen in besonderer Weise erlebbar wird. Die Altstadt kennzeichnet aber auch der Kontrast: Öffentliche Gebäude wie das Rathaus, die Kirchen, die Schulen und insbesondere die Karlsburg setzen städtebauliche Akzente. Mitunter stehen Gebäude wie z.B. die in der Gründerzeit errichtete Löwen-Apotheke in starkem stilistischem Gegensatz zur umgebenden Bebauung. Die städtebauliche Qualität der Altstadt hat sich aus der Summe vieler einzelner Bauprojekte entwickelt, die überwiegend in hoher planerischer und handwerklicher Qualität, sensibel in das städtebauliche Umfeld eingefügt wurden. Dies gilt insbesondere für Baumaßnahmen aus der Zeit der Sanierung 1984-2004, in der das Ortsbild mit hohem Betreuungsaufwand seitens der Denkmalpflege und der Stadtplanung gepflegt und weiterentwickelt wurde, aber durchaus auch für Beispiele aus jüngster Zeit. Ebenso gibt es weniger gelungene Maßnahmen und es gibt die vielen „kleinen Sünden“ (unproportionierte Anbauten, unangemessene Materialwahl, übertriebene Werbeanlagen), die in der Summe die Wirkung des historischen Stadtbildes schwächen. 5. Planungskonzept Die mit dieser Satzung verfolgten Ziele sind im Wesentlichen folgende: Die bauliche Entwicklung der Durlacher Altstadt soll so gesteuert werden, dass ihre unverwechselbare Identität erhalten bleibt. Dazu sollen Regelungen getroffen werden, die die essentiellen Gestaltungsmerkmale erhalten und diese Gestaltungsmerkmale zur Richtschnur für bauliche Ergänzungen machen. Gleichzeitig sind im Sinne der Attraktivität der Altstadt als Wohn- und Wirtschaftsstandort und zur Sicherung der durch die Sanierung erreichten Erfolge auch Freiräume für eine qualitätvolle aber am Bestand orientierte Weiterentwicklung zu schaffen. Es sollen erweiterte Einflussmöglichkeiten aus einem grundsätzlich erhaltenden Blickwinkel auf Veränderungen der räumlichen, städtebaulichen und architektonischen Situation und des Erscheinungsbildes der Altstadt Durlach geschaffen werden. Diese Einflussmöglichkeiten sollen über die Möglichkeiten des Denkmalschutzes hinausgehen und auch städtebaulich begründet sein. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 6 - Darüber hinaus sollen gestaltrelevante Erscheinungen, die den Regelungen des Denkmalschutzgesetzes nur unzureichend zugänglich sind, im Sinne einer positiven, gestalterischen Weiterentwicklung des Ortsbildes gesteuert werden. Störende Werbeanlagen sollen ausgeschlossen werden. Zulässigen Werbeanlagen sollen in das Stadtbild integriert und den städtebaulichen und architektonischen Ausdrucksformen untergeordnet werden. Die ebenfalls wünschenswerte, vereinheitlichende und vereinfachende Gestaltung von Stadtmobiliar und Mobiliar von Außenbewirtungen und die Steuerung von Gegenständen aus Sondernutzungen im öffentlichen Raum können aus rechtlichen Gründen nicht in dieser Satzung geregelt werden. Sie werden in den Hinweisen angesprochen. 5.1 Zonierung des Geltungsbereiches Um den unterschiedlichen städtebaulichen Situationen innerhalb der Altstadt ge- recht zu werden, wird der Geltungsbereich in verschiedene Zonen mit differen- zierter Regelungstiefe unterteilt. Manche Regelungen gelten für den gesamten Geltungsbereich, manche nur für einzelne Zonen. Die Zonierung wurde mit Blick auf die unterschiedlichen historischen Baustrukturen festgelegt (6.2 Lageplan S. 21). Es wird Gebäudetypologisch unterschieden in: Zone A - Kernstadt / Durlacher Modellhaus Im Bereich der Kernstadt ist das historische Ortsbild durch eine charakteristische Bauform geprägt, die sich auf die „Durlacher Modellbauverordnung“ von 1698 bezieht und damit der gestalterischen Zielsetzung für den Wiederaufbau nach dem Stadtbrand im Jahre 1689 entspricht. Typische Merkmale sind:  meist 2-Geschosse  Gebäude traufständig zur Straße  Dachneigung um 50°  Geschlossene Dachflächen mit Dachüberstand an der Traufe, als Kastengesims ausgebildet  Rotbraune Biberschwanzeindeckung  Verputzte Fassade, durch horizontale Bänder, Fenster und Klappläden rhythmisch gegliedert  Gebäude stehen auf einem Sockel mit Vorsprung Zone B – Stadtmauerbebauung Die Bebauung auf der Flucht der mittelalterlichen Stadtbefestigung bzw. auf Resten der alten Stadt- / Zwingermauer hat als vormals untergeordneter, von Nebengebäuden geprägter Stadtbereich historisch folgende typische Merkmale: Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 7 -  meist 2-Geschosse  Gebäude traufständig zur Straße bzw. Stadtmauerflucht  Dachneigung um 50°  Kleinflächige oft differenzierte Dachlandschaft mit meist geschlossenen Dachflächen ohne Öffnungen  Unverputzte Natursteinfassaden, Fachwerkfassaden, verputzte Fassaden In dieser Zone finden sich auch Sonderlösungen für Fassaden- und Dachgliederungen aus der Zeit der Sanierung, die die Geschlossenheit der Mauerflächen von Stadt- und Zwingermauer betonen und kontrastieren. Gestalterisch und funktional ähnlich ambitionierte Planungen sollen hier weiterhin möglich sein. Zone C - Innere und äußere Stadterweiterung Am Rand des Geltungsbereichs, aber auch entlang von Teilen der Pfinztalstraße, findet sich ein weniger homogener Gebäudebestand. Diese Bereiche der Altstadt sind geprägt durch Gebäude der Gründerzeit, der Nachkriegszeit und der darauf folgenden Jahrzehnte bis zur Gegenwart, mit größeren Dimensionen und vielfältigeren Materialien. Die „Stadterweiterung“ weist auch eine größere Vielfalt an Bautypen auf, als die beiden zuvor beschriebenen Zonen. Vom öffentlichen Raum aus sichtbare und nicht sichtbare Bereiche Über diese Zoneneinteilung hinaus ist zu beachten, in welchem Umfang die betreffende Bebauung oder der Bauteil vom öffentlichen Raum aus wahrnehmbar ist. Grundsätzlich sind Gebäude „ganzheitlich“ zu gestalten. Im Hinblick auf den Grundsatz der Angemessenheit ist es allerdings geboten, zwischen einsehbaren Bereichen mit höherem Regelungsbedarf und nicht einsehbaren Bereichen mit geringeren Anforderungen zu unterscheiden. Diesem Zweck dient die weitere Unterteilung der Zonen A und B in A1/A2 und B1/B2, wobei die Zonen A1 und B1 Gebäude bzw. Gebäudeteile umfassen, die vom öffentlichen Raum aus sichtbar sind und A2 und B2 solche, die nicht vom öffentlichen Raum aus sichtbar sind. 5.2 Gestaltung Das Ortsbild und die vorhandene Baustrukturen in ihrer Maßstäblichkeit und mit ihren ortstypischen Gestaltungsmerkmalen sollen bei allen baulichen Maßnahmen grundsätzlich erhalten werden. Veränderungen im Erscheinungsbild von Gebäu- den müssen sich am Bestand orientieren und sich in die umgebende Bebauung einfügen. Vorhandene Gestaltungsmängel müssen im Zuge baulicher Maßnah- men beseitigt werden. Im Sinne einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung sol- len aber auch neue, an die gestalterischen Ziele dieser Satzung angepasste Lö- sungen möglich sein. Folgende Elemente sind für das Erscheinungsbild der Altstadt Durlachs erheblich, weshalb sie Gegenstand der Festsetzungen sind: Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 8 -  Die städtebauliche Grundstruktur mit ovalem Stadtkern, der Vorstadt und dem Schlossbereich, die historischen öffentlichen und privaten Gebäude, der Verlauf von Stadtmauer und Graben und die mittelalterliche Parzellierung  Die von der historischen Bebauung geprägten Straßen und Platzräume mit ihren Profilen, den Belägen, der Möblierung des öffentlichen Raumes und den Grünbereichen  Die Gebäudefassaden mit ihren sich aus der Parzellengröße und Traufhöhe ergebenden Proportionen, ihren Gliederungen, die Dachzonen, die gestalteten Details an den Fassaden, die Farb- und Materialwahl, Fensterformate, Teilungen und Fensterläden, Tür- und Torflügel.  Gebäude, Bauliche Anlagen aller Art, Garagen, überdachte Stellplätze, Fahrgastunterstände, Vorbauten, Überdachungen, Verglasungen  private Freiflächen  Öffnungen in Außenwänden und Dächern  Außenwandverkleidungen, Verblendungen und Verputz baulicher Anlagen  Anlagen zur photovoltaischen und thermischen Solarnutzung  Windenergieanlagen  Masten, Leitungen, Sirenen, Fahnen, Einrichtungen der Brauchtumspflege  Technische Ausrüstungen des öffentlichen Raumes  Antennen  Einfriedungen  Stützmauern  Werbeanlagen  Automaten Die Festsetzungen gelten sowohl bei Neubauten als auch bei Sanierungen, Wie- deraufbauten, Umbauten, Instandhaltungen und Erweiterungen baulicher Anla- gen. Die Festsetzungen gelten ebenso für die nach § 50 Landesbauordnung (LBO) verfahrensfreien Vorhaben, welche gem. § 3 der Satzung im Kenntnis- gabeverfahren anzuzeigen sind. Die Satzung gliedert sich im Einzelnen wie folgt: 5.2.1 §§ 1 bis 5 sowie 15 und 16 - Allgemeine Regeln In den §§ 1 bis 5 werden zunächst der räumliche und sachliche Geltungsbereich festgesetzt, anzeigepflichtige Maßnahmen beschrieben, die Zulässigkeit sowie die Voraussetzungen für Ausnahmen bzw. Befreiungen von den Satzungsinhalten definiert und das Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften geklärt. Nach den inhaltlichen Festsetzungen wird der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erläutert (§ 15) und auf die erforderlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten der Sat- zung hingewiesen (§ 16). 5.2.2 § 6 – Gestaltungsgrundsätze Die Gestaltungsgrundsätze beschreiben die Hauptanliegen der Satzung, nämlich Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 9 - die Erhaltung und Fortschreibung der städtebaulichen und architektonischen Besonderheiten der Durlacher Altstadt. Maßnahmen müssen sich in die Eigenart der die Umgebung prägenden Bebauung einfügen. Dies ist nicht nur bei Maßnahmen an Hauptgebäuden zu fordern (z.B. Neubauten, Wiederaufbauten, Umbauten, Erweiterungen), sondern auch bei sonstigen Bauteilen und Anlagen (z.B. Werbung, Antennen, Einfriedungen oder Anlagen zur Solarenergienutzung). Die Festsetzungen beziehen sich auch auf Detailausbildungen (Dächer, Fassadenputz, Gebäudesockel, Türen, Fenster, Schaufenster), da diese Elemente in ihrer Gesamtheit das Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt mit bestimmen. Die Grundsätze sind auch bei der Gestaltung von öffentlichen Straßen und Plätzen, im Zusammenhang mit der öffentlichen Beleuchtung, Oberflächengestaltung und bei der Errichtung von baulichen Anlagen im öffentli- chen Raum, insbesondere bei technischen Anlagen der Versorgungsträger anzuwenden. Auf Gebäude, Gebäudegruppen sowie sonstige bauliche Anlagen und Freiräume von geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung ist besondere Rücksicht zu nehmen (z.B. Stadtmauerbebauung am alten Friedhof oder die Bereiche Marktplatz, Saumarkt, Karlsburg). Wiederherstellung des historischen Bildes Wann immer dies möglich ist, sind bauliche Veränderungen, die das historische Erscheinungsbild eines Gebäudes erheblich beeinträchtigt haben, bei Umbau- und Renovierungsmaßnahmen zu beseitigen. Falls eine Rekonstruktion nicht sinnvoll möglich bzw. unter Abwägung sonstiger berechtigter Interessen nicht vertretbar ist, ist eine Angleichung an das historische Erscheinungsbild oder dessen gestalterisch schlüssige Weiterentwicklung anzustreben. Erhalt historischer Gebäudeabstände Die städtebauliche Besonderheit der Durlacher Altstadt wird bereichsweise auch durch historische Gebäudeabstände gekennzeichnet, welche die nach Landesbauordnung (LBO) heute einzuhaltenden Gebäudeabstände zum Teil deutlich unterschreiten. Zur Sicherung dieser ortstypischen Charakteristik sind solche historisch begründeten Abstände bei Um- und Neubauten beizubehalten bzw. wiederherzustellen. Andere als die in der LBO festgesetzten Gebäudeabstände werden insoweit für zulässig er- klärt. Dabei darf es zu keiner Beeinträchtigung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse kommen und die Belange des baulichen Brandschutzes müssen gewahrt bleiben. Erhalt der historischen Gebäudeteilung Bei einer Zusammenlegung von Grundstücken oder Gebäuden soll die Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 10 - ortsbildprägende historische Gebäudeteilung in Fassade und Dach durch eine differenzierte Gestaltung ablesbar bleiben. 5.2.3 § 7 Dächer und Dachaufbauten Die Festsetzungen betreffen Dachform und Dachneigung, die Materialien zur Dacheindeckung, die Ausformung von Dachrändern / Dachgesimsen / Kaminen / Ortgängen und die sog. „Aufschieblinge“ (Knick in der Dachfläche oberhalb der Traufkante), ferner auch Dachterrassen, Dacheinschnitte, Dachflächenfenster, Firstverglasungen sowie Dachgauben und Zwerchgiebel. Die Regelungen sind erforderlich, weil das Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt in besonderem Maß auch von ihrer Dachlandschaft mitbestimmt wird. Dies wird nicht erst vom Turmberg aus ersichtlich, sondern bereits innerhalb der historischen Straßenräume, wo die Dachflächen aus zahlreichen Blickwinkeln heraus zusammen mit den Gebäudefassaden prägend erlebbar werden. Historische Dachkonstruktionen und Dachdeckungen sind grundsätzlich zu erhalten. Beispiele für Dachformen und Dachmaterialien Dachform und Dachneigung Durch die Festsetzungen soll erreicht werden, dass bei geschlossener Bauweise (Gebäude stehen beidseitig auf der Grenze) nur Satteldächer mit Firstlage in Ge- bäudemitte und beidseitig weitestgehend gleicher Dachneigung entstehen. Eine solche symmetrische Dachausbildung ist kennzeichnend für die Altstadt. Einseitige Veränderungen der Dachneigung („Aufklappungen“) entsprechen hingegen nicht dem historischen Vorbild und wirken in den meisten der realisierten Fälle in ihrer städtebaulich-gestalterischen Außenwirkung „ungelenk“. Sie können in den Fällen, wo die Dachseiten nicht gemeinsam wahrnehmbar sind und die Abweichung geringfügig sind und zu einer erheblich besseren Nutzbarkeit von Innenräumen oder einer verbesserten Zugänglichkeit von Außenräumen führen, ausnahmsweise auch nicht symmetrisch ausgeführt werden. Zurückgesetzte Dachgeschosse und Drempelgeschosse sind In bestimmten Zonen unzulässig, da sie den seinerzeitigen technischen Möglichkeiten und gestalterischen Gepflogenheiten nicht entsprechen und daher nicht oder nur in Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 11 - extrem seltenen Fällen ausgeführt wurden und somit untypisch für das zu erhaltenden Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt sind. Bei Gebäuden in offener Bauweise (beidseitiger seitlicher Grenzabstand) oder mit einseitigem Grenzanbau sind, entsprechend einer Anzahl historischer Vorbilder, auf den Gebäudeseiten mit Grenzabstand auch Walm- und Krüppelwalmdächer zulässig. Die zulässige Dachneigung beträgt entsprechend den historischen Leitbildern (siehe Ziffer 5.3 der Begründung) und unter Sicherung einer angemessenen planerischen Flexibilität bei Sattel-, Walm- und Krüppelwalmdächern 40 bis 50 Grad. In der Zone C sind auch Mansarddächer zulässig, da diese häufig bei der dort überwiegend vorhandenen gründerzeitlichen Bebauung realisiert wurden. In den Zonen A 2 und B sind auch andere Dachformen zulässig, weil es sich hier in der Regel um Nebenhäuser – oft als Grenzbebauung - handelt, die bereits bei der Erbauung beispielweise mit Pultdächern etc. errichtet worden waren. Historisch begründete Dachneigungen und Dachdeckungen sind anzustreben. Dachmaterialien / Kamine / Dachzubehör Naturrote oder braune, unglasierte Ziegel mit einer matten Oberfläche sind die vorherrschenden und historisch begründeten Dachmaterialien und Dachfarben. Darüber hinaus werden weitere Details zur Dachgestaltung festgesetzt, die den historischen technischen und gestalterischen Möglichkeiten entsprechen und daher typisch für das zu erhaltende Erscheinungsbild sind. Auch unter Beachtung dieser Regelungen verbleibt für die Eigentümer/innen ein ausreichender Gestaltungsspielraum. Die Regelungen zu Material und Ausführung der Dachaufbauten ergänzen die Festsetzungen im Sinne einer ganzheitlichen Gestaltung der Dachlandschaft als der „fünfter Fassade“ Durlachs. Dachrand / Aufschieblinge / Ortgang Kastengesimse, Aufschieblinge und Ortgänge zählen zu den charakteristischen Merkmalen der Durlacher Altstadt und sind deshalb in den gestalterisch besonders wichtigen Zonen A1 und B 1 zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Beispiel für (Sattel-)dachgaube und Dachrand mit Überstand als Kastengesims und mit Aufschiebling Dacheinschnitte / Dachterrassen / Dachflächenfenster Dacheinschnitte, Dachterrassen und Dachflächenfenster sind keine historisch begründeten Bauteile und sollen den Straßenraum der Altstadt insofern gestalterisch nicht mitbestimmen. Ihre Zulässigkeit ist deshalb auf die weniger sensiblen Zonen beschränkt. Dachflächenfenster und Dachfirstverglasungen sind Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 12 - außerdem in ihrer Anordnung reglementiert um Störungen der entsprechend dem historischen Vorbild möglichst vollständig geschlossenen Dachflächen zu minimieren. Gauben / Zwerchgiebel - Maße und Abstände Das historische (barocke) Ortsbild war bestimmt durch ruhige Dachflächen ohne, bzw. mit sehr kleinen Dachaufbauten und Öffnungen. Seit sehr langer Zeit werden Dächer jedoch ausgebaut und höherwertig genutzt. Eine erhebliche Anzahl von Dachausbauten geht auf die Periode der Sanierung und die jüngste Zeit zurück. Dabei wurden Standards angewandt, die ebenso, wie die Gestaltungssatzung zum Ziel hatten, die zeitgemäße Nutzung von Dachge- schossen zu erlauben, aber gleichzeitig die Ablesbarkeit der alten Dachformen zu gewährleisten. Diese Standards wurden im Grundsatz beibehalten und im Detail an aktuelle bauphysikalische und baurechtliche Vorschriften angepasst. Die festgesetzten Maximaldimensionen von Dachgauben und Zwerchgiebeln sowie deren Abstände untereinander, zu Traufe und First und zum Ortgang des Hauptdachs sichern ein angemessenes Verhältnis zwischen den unterzuordnenden Dachaufbauten und dem dominierenden Hauptdach. Bei Gauben handelt es sich um Dachaufbauten, mit denen die Dachtraufe nicht unterbrochen wird. Skizze Stirnhöhe / Stirnfläche von Gauben Zwerchgiebel im Sinne dieser Satzung sind Dachaufbauten, welche die Dachtraufe unterbrechen. Beispiel für Zwerchgiebel und Gauben 5.2.4 § 8 Fassaden Historische Fassadengliederungen sind zu erhalten. Ansonsten wird die Verwendung sogenannter „Lochfassaden“ festgesetzt. Lochfassaden sind Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 13 - Fassaden mit untergeordneten Öffnungsanteilen und überwiegenden Wand- anteilen (durchgängige Fensterbänder z.B. sind unzulässig). Lochfassaden beruhen auf den technischen Möglichkeiten und den daraus entwickelten gestalterischen Vorstellungen nahezu der gesamten Baugeschichte. Sie folgen einer handwerklichen Tradition, die sich in den Regularien zum Modellbauverordnung niederschlägt und sind in der Folge kennzeichnend für die Altstadt geworden. Lochfassaden finden durchaus auch in der Architektur der Gegenwart Anwendung. Die Festsetzung ist insofern auch mit Blick auf heutige Bauformen angemessen. Beispiele Fassaden Fassadengliederung Die gestalterische Abstimmung der Erd- und Obergeschosse und die gegenseitige Bezugnahme von Öffnungen innerhalb einer Fassade sind eigentlich gestal- terische Selbstverständlichkeiten. Das Erfordernis einer diesbezüglichen Festsetzung ergibt sich allerdings aus der Analyse einer ganzen Anzahl anders gearteter Beispiele, die zur gestalterischen Beeinträchtigung der Altstadt beitragen. Vor diesem Hintergrund werden auch Störungen oder Unterbrechungen einer Fassade durch untergeordnete Bauteile (z.B. Werbeanlagen) per Satzung geregelt und der Erhalt bzw. die Wiederherstellung vorhandener Gliederungs- und Gestaltungselemente wie horizontale Gesimse, Lisenen, Fenster-, Tür- und Torgewände, Sockel, Sohlbänke oder Klappläden festgesetzt. Sichtfachwerk Sichtfachwerk (kunstvoll gefertigtes Fachwerk, welches als Sichtfassade ohne Verputz geplant worden war) ist zu erhalten. Die Freilegung von Fachwerk ist grundsätzlich nur bei Sichtfachwerk zulässig, und nur dann, wenn ein nachträglich aufgebrachter Verputz nicht seinerseits erhaltenswert ist. Eine Festverglasung von Gefachen ist in Zone A1 unzulässig, da sie nicht dem dort angestrebten Gestaltungsziel entspricht. Sichtbare Fachwerke müssen dunkler gestaltet sein als die Ausfachungen. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 14 - Zulässigkeit von Balkonen, Loggien und Erkern Balkone, Loggien und Erker sind als besonders auffällige und historisch für den überwiegenden Teil der Altstadt untypische Bauteile grundsätzlich nur in den Gestaltungszonen zulässig, die nicht vom öffentlichen Raum (Straßen und Plätze) aus sichtbar sind. Ausnahmen sind im Falle des Ersatzes solcher historisch vorhandener Bauteile oder auch bei Neubauten möglich, wenn sie sich maßstäblich einfügen und das für die jeweilige Zone angestrebte Erscheinungsbild nicht beeinträchtigen. Straßenzug ohne Rücksprünge oder Vorbauten Fassaden und Sockel / Materialien Fassaden- oder Sockelverkleidungen aus Holz, Metall, Kunststoff, Faserzement, Keramikfliesen, Waschbeton, Natursteinimitationen, sowie Verkleidungen oder Fassadenelemente, die andere Materialien oder Fassadenkonstruktionen imitieren, können gestalterisch so dominant in Erscheinung treten, dass sowohl die Wirkung der einzelnen Fassade als auch das umgebende städtebauliche Ensemble beeinträchtigt werden. Daher sollen solche untypischen, oft einem kurzlebigen Zeitgeist folgende Materialien in der traditionell von qualitätvoller Handwerksarbeit geprägten Durlacher Altstadt keine Verwendung finden. Zu Verwenden sind vielmehr fein- bis mittelkörnige, richtungslos verriebene Außenputze (Zonen A und B) sowie Gebäudesockel, die ebenfalls verputzt oder mit unpoliertem, ortstypischem Sandstein oder mit Beton und Natursteinvorsatz verkleidet sind. Zur Wahrung der gestalterischen Kontinuität sind in der Zonen A1 auch Neubauten mit einem Sockel auszubilden. Fassaden – Farben Die festgesetzten Farbangaben beziehen sich auf das RAL-Classic-System für Sockelfarben bzw. das RAL-Design-System und sind insofern objektivierbar. Damit sichern sie sowohl die gestalterische Vielfalt als auch eine behutsame Farbabstimmung im Durlacher Altstadtkontext. Unverzichtbar ist allerdings, dass alle Fassadenfarben grundsätzlich vor der Ausführung anhand von örtlich anzu- Gestaltun b Fassade O Fassade E Gewände ngssatzung A bringenden OG: RAL 050 EG: RAL 060 e/Gesimse: R Altstadt Durla n Farbmust 0 80 30 90 05 AL 050 90 10 ach tern mit de 0 - 15 - r Denkmal-- bzw. Bau Bei Bei Fen Bei Fa behörde ab ispiel Socke spiel Fassad nster spiel Fenste assung vom 2 bzustimme el de mit Tor er / Klapplä 26.8.2016 n sind. und äden Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 16 - Energetische Maßnahmen an Fassaden Das gewachsene Erscheinungsbild der Kernstadt ist wesentlich geprägt durch die bündig mit den Nachbargebäuden stehenden, geschlossenen Fassaden. Vor- sprünge, wie sie sich durch das Aufbringen von Dämmung zwangsläufig ergeben, würden dieses Erscheinungsbild beeinträchtigen und zudem wichtige Gliederungselemente der alten Fassaden überdecken. Auf historischen Fassaden ist daher das Aufbringen von Wärmedämmverbundsystemen oder vergleichbaren flächigen Fassadensystemen unzulässig. Die Festsetzung ist zur Sicherung des historischen Erscheinungsbildes der Altstadt unverzichtbar und angemessen weil es zur energetischen Gebäudesanierung auch alternative Verfahren z. B. im Gebäudeinneren gibt. 5.2.5 § 9 Türen, Tore, Fenster, Läden, Schaufenster Die für die Zonen A1 und B1 festgesetzte Verwendung von hochkant stehenden, rechteckigen Fensterformaten entspricht der ortstypischen, historisch be- gründeten Tradition. Dies gilt ebenso für die Gliederung durch Profile oder Pfosten. Zugestrichene oder durch Werbung überdeckte Türen, Tore, Fenster und insbesondere die zu einem unproportional hohen Anteil mit Werbung überzogenen Schaufensterflächen sind erfahrungsgemäß nicht werbewirksam, sondern deuten eher auf einen funktionalen Missstand hin, der Passanten verunsichert und abstößt. Türen, Tore und Fenster dürfen deshalb nicht zugestrichen und nicht durch Werbeverklebung überdeckt werden. Bei Schaufenstern ist es oft der Fall, dass kleinere Teilflächen zu Werbezwecken auch beklebt werden. Dies soll allerdings dauerhaft nicht zu mehr als 10% der Schaufensterfläche zulässig sein. Aus- nahmen für beschränkte Zeitdauer sind möglich, z.B. für Umbau und Dekoration. Die Verwendung von Glassprossen im Scheibenzwischenraum (unechte Sprossen) wirkt gestalterisch „billig“ weil handwerklich nicht begründet und stellt keinen angemessenen Ersatz für das historische Vorbild dar. Sie sind daher nicht zulässig. Störend und im historischen Ensemble oft unangemessen dominant wirken Glasbausteine, Verglasungen aus getöntem Glas, Draht-, Struktur-und Spiegelglas. Sie sind ebenfalls nicht zulässig. Schaufenster in Fassadenbild eingefügt Gestaltun D b L e u Z m M - v A U s u t W h d E K R g F 5.2.6 § M i d i ngssatzung A Durch die v baulich ges Löcher“ in ebenfalls unzulässig. Zur Dimen maximalen Mauerabsc - Fassaden von Fassad Auch nach Umfeld für schlossen unzulässig. technische Wie Fenste historisch b den Zonen Erscheinun Klappläden Rollladenkä gestalterisc Fassade vo § 10 Mark Markisen integrierter den Gesam im Schaufe Altstadt Durla verbindlich schlossene n der Ens zu einer nsionierung Breite chnitte fest - zu beac enbauteile Ladenschl r Besucher sind, kön Ausnahme n Forderun er und Tü begründete n A1 und gsbild zu n auf einer ästen sind chen Beeint rstehen od kisen und V und Vord r Bestandte mteindruck enster-und ach e Festsetzu , „stabile“ semblewirk solchen n g von Scha und in B gesetzt. 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Als trag für erweilen wendung gen den e zerstö- nze Ge- ragende eschosse optisch Gestaltun D a d 5.2.7 § E e R d g 5.2.8 § A g g L p h b d B ngssatzung A Die Festset angemesse das umgeb § 11 Einfri Einfriedung eher selten Raums beis durchaus m gestalterisc § 12 Werb Außenwerb gestalterisc gehen. Des Leistung“ ( portion der hinsichtlich bäudefassa die Fassade Beispiel We Altstadt Durla tzungen zu ene Einordn bende städt iedungen gen sind zw nes Elemen spielweise i mitprägen. che Mindes beanlagen bung an G che Qualitä shalb ist es (dem Gesc r Fassadens h Größe un ade untero e beherrsch erbeanlage ach u Dimensio nung der M tebauliche war im stä nt, können in der Zone Die entsp ststandards Beisp Gebäuden d ät einer Fa s notwendi chäft bzw. struktur an nd Anzahl rdnet und ht. 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Dabei Werbung ht oder strierten Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 19 - 5.2.9 § 13 Wertvolle Bauteile Bauteile wie Wappen, Schlusssteine, Gewände, Konsolen, Zierfiguren, historische Bodenbeläge, Einfriedungen u.a. tragen zum sinnlich wahrnehmbaren Gesamteindruck der Altstadt bei. Die sie betreffenden Festsetzungen dienen dazu auch diese Details der überlieferten Gestaltung des Durlacher Ortsbildes zur Bereicherung des gegenwärtigen und zukünftigen Erscheinungsbildes zu erhalten. Beispiel Wertvolle Bauteile 5.2.10 § 14 -Technische Bauteile Die Nutzung von Solarenergie ist generell gesehen eine sinnvolle und wünschenswerte Entwicklung. Aufgrund der dunklen Farbe der Module, der reflektierenden Oberflächen und der Montage oberhalb der Dachhaut lassen sich Solaranlagen jedoch nur schwer in die historische Dachlandschaft integrieren und stören das historische Ortsbild durch ihre großen Flächenanteile. Antennen und sog. Satellitenschüsseln sind aufgrund Ihrer exponierten Lage besonders geeignet, das Erscheinungsbild der Dächer und Fassaden zu beeinträchtigen. Deshalb soll die Anzahl und die Größe von Antennen auf das unumgängliche Maß beschränkt und der Gestaltung des Hauses angepasst werden. Weder Solar- bzw. Photovoltaikanlagen noch Satellitenempfangsanlagen (sog. „Schüsseln“) noch Klimageräte sollen aus der Durlacher Altstadt verbannt werden. Allerdings sind sie nur auf den nicht vom öffentlichen Raum her einsehbaren Dach- und Fassadenflächen zulässig. Insofern kann es im Einzelfall vorkommen, dass die Errichtung von Solar- bzw. Photovoltaikanlagen auf Gebäudedächern aufgrund einer ungünstigen Himmelsrichtung ausscheiden muss oder zur Klimatisierung von Räumlichkeiten ein anderes Konzept als die Aufstellung von Einzelgeräten zu wählen ist. Grund für die Beschränkung ist, dass solche Anlagen sowohl einzeln, insbesondere aber in der Häufung ein massives gestalterisches Problem darstellen können, wenn sie vom öffentlichen Raum aus sichtbar sind. Oft geschieht die Montage von Solar-, Photovoltaik-, Satelliten- und Klimageräten individuell aus rein technischen Erwägungen und ohne Rücksicht auf städtebauliche Belange. Sicher kann auch nicht erwartet werden, dass sich jeder Haus-/ Wohnungseigentümer, Mieter oder Monteur stets auch seiner städtebaulichen Verantwortung bewusst wird; gerade deshalb sind die Regelungen einer Gestaltungssatzung erforderlich. Die insofern möglichen Einschränkungen sind im Hinblick auf die hochrangige Schutzwürdigkeit der Durlacher Altstadt, die Vielzahl an Kulturdenkmalen und Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 20 - Ensembles sowie unter Berücksichtigung der historischen städtebaulichen Gesamtanlage abwägend in Kauf zu nehmen. Bei Satellitenempfangsanlagen ist der Rechtsprechung zu Folge das Recht der Anwohner auf frei zugängliche Information zu gewährleisten, weshalb die Anbringung solcher Anlagen nicht generell ausgeschlossen werden kann. Deshalb sind solche Anlagen in anderen Zonen ausnahmsweise dann zulässig, wenn ein geordneter Empfang ohne die Antenne nachweislich nicht gewährleistet werden kann. Zum Schutz vor gestalterischer Ausuferung ist in solchen Fällen allerdings auf jedem Gebäude maximal eine Anlage zulässig. Auch private Müllbehälter können die Wirkung des öffentlichen Raums nachteilig beeinflussen. Das dauerhafte Aufstellen privater Müllbehälter im öffentlichen Straßenraum ist deshalb unzulässig. Das Aufstellen von Müllbehältern auf privaten Flächen, die unmittelbar an den öffentlichen Raum angrenzen, ist nur zulässig, wenn die Behältnisse verkleidet oder deren Standorte eingegrünt sind. Gestaltun 6. B Z 6.1 G 6.2 L ngssatzung A Beipläne z Zur Erläute Geltungsb Lageplan Altstadt Durla zur Begrün rung sind d bereich Ge mit Zonen ach ndung der Begrün estaltungs neinteilung - 21 - ndung folge ssatzung (§ g ende Pläne § 74 LBO) Fa beigefügt: assung vom 2 : 26.8.2016 Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 22 - 6.3 Geltungsbereich Gesamtanlage (§ 12 DSchG) Karlsruhe, 16. Februar 2016 Fassung vom 26. August 2016 Stadtplanungsamt Prof. Dr.-Ing. Anke Karmann-Woessner karl-heinz.alm AKW sw 1 Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 23 - B. Allgemeine Hinweise 1. Archäologische Funde, Kleindenkmale Bei Baumaßnahmen besteht die Möglichkeit, dass historische Bauteile oder ar- chäologische Fundplätze entdeckt werden. Diese sind gemäß § 20 Denkmal- schutzgesetz (DSchG) umgehend dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Dienstsitz Karlsruhe, Moltkestraße 74, 76133 Karlsruhe, zu melden. Fund und Fundstelle sind bis zum Ablauf des vierten Werktages nach der Meldung in unverändertem Zustand zu erhalten, sofern nicht das Denkmalschutzbehörde einer Verkürzung dieser Frist zustimmt. Das Verschweigen eines Fundes oder einer Fundstelle ist ein Verstoß gegen das DSchG und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Evtl. vorhandene Kleindenkmale (z.B. Bildstöcke, Wegkreuze, historische Grenz- steine, Brunnensteine, steinerne Wegweiser und landschaftsprägende Natur- steinmauern) sind unverändert an ihrem Standort zu belassen und vor Beschädi- gungen während der Bauarbeiten zu schützen. Jede Veränderung ist mit der Denkmalschutzbehörde abzustimmen. 2. Baumschutz Bezüglich der Erhaltung der vorhandenen Bäume wird auf die am 12.10.1996 in Kraft getretene Satzung der Stadt Karlsruhe zum Schutz von Grünbeständen (Baumschutzsatzung) verwiesen. 3. Erneuerbare Energien Aus Gründen der Umweltvorsorge und des Klimaschutzes sollte die Nutzung er- neuerbarer Energien im durch die Satzung vorgegebenen Rahmen verstärkt an- gestrebt werden. Auf die Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) und des Gesetzes zur Nutzung erneuerbarer Wärmeenergie in Ba- den-Württemberg (EWärmeG) wird verwiesen. C. Hinweise zur Möblierung des öffentlichen Raums Die Wahrnehmung des Durlacher Stadtbildes soll nicht durch private Nutzung oder Überladung durch übermäßige Anordnung von Warenauslagen und Möblierungen beeinträchtigt werden. Für die Warenpräsentationen und Außenmöblierungen im öffentlichen Raum sind grundsätzlich entsprechende Genehmigungen der zuständigen städtischen Behörde einzuholen. Gestalterische Maßgaben für Warenpräsentationen und Außenmöblierungen sind im Rahmen einer Gestaltungssatzung nach Landesbauordnung rechtlich nicht möglich. Deshalb werden an dieser Stelle lediglich Hinweise gegeben, unter welchen gestalterischen Voraussetzungen eine Genehmigung in Aussicht gestellt werden kann: Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 26.8.2016 - 24 - 1. Warenauslagen Die Aufstellung von Warenregalen zur Präsentation gewerblicher Produkte ist genehmigungsfähig, sofern die Restgehwegbreite mind. 1,60 m beträgt, die Regale unmittelbar vor der Fassade platziert werden, die in Anspruch genommene Fläche maximal 1,00 m tief ist und je Ladeneinheit nur einheitliche Warenträger mit einer max. Höhe von 1,25 m eingesetzt werden. 2. Außenbewirtung Eine Möblierung des öffentlichen Raums mit Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen ist genehmigungsfähig, wenn die Restgehwegbreite mind. 1,60 m beträgt, je Ladeneinheit nur einheitliche Möblierung und einheitliche Sonnenschirme eingesetzt werden und Möbel aus den Materialien Metall, Holz, Korb (auch Korb-Imitat aus Kunststoff) in zurückhaltenden Farben ohne Werbung verwendet werden. Abgrenzungen, Abschrankungen, Sichtschutz, Raucherzelte, Heizpilze etc. sind unzulässig. 3. Post/Telekommunikation Die Aufstellung und Ausgestaltung von Anlagen für Post (Aufbewahrungskästen u.ä.) und Telekommunikation ist mit der Ortsverwaltung und ggf. dem Stadtplanungsamt abzustimmen. 4. Kundenstopper Die Aufstellung von Kundenstoppern ist genehmigungspflichtig im Rahmen des Straßenrechts (Sondernutzungserlaubnis).
https://www.karlsruhe.de/b3/bauen/bebauungsplanung/plaene/altstadt_durlach/HF_sections/content/ZZkq4UN3kV2GGM/ZZmYpFFN4VvVM4/Begr%C3%BCndung%20Gestaltungssatzung%20Durlach-26-08-2016.pdf
1 Bauten Friedrich Weinbrenners und seiner Schule in der TechnologieRegion Karlsruhe 2 3 Friedrich Weinbrenner (1766–1826) Der Architekt der Region Nur selten wird das Gesicht einer Region so sehr durch einen einzelnen Künstler geprägt wie in unserem Fall durch Friedrich Weinbrenner, ab 1801 Bau- und 1807 Oberbaudirektor des Landes Baden. Von langen Studienreisen Ende 1797 zurückgekehrt, entwarf er nicht nur Gebäude, Denkmäler, Brunnen und ähnliches, sondern leitete auch die Anlage ganzer Stadtteile, Straßen, Plätze und Grünanlagen. Stadt und Land sah er als Kulturlandschaft und erfand dafür eine Architektursprache, die ländliche Einfachheit mit städtischer Eleganz verband. So wurde es weithin wahrgenommen; Jacob Grimm, der ältere der Kasseler Gebrüder, bezeichnete Karlsruhe 1814 als »eigens anmuthig, wozu die neue zierliche weinbrennerische Bauart gewiss das meiste beiträgt«. Doch damit nicht genug. Um diesen hohen künstlerischen und technischen Standard zu verbreiten, begründete Weinbrenner eine mo- derne Bauverwaltung und Architektenausbil- dung für Baden und setzte damit innerhalb der deutschen Länder Maßstäbe. So konnte er sich auf die badische Hauptstadt Karlsruhe und ihr Umland konzentrieren, einschließlich des auf- strebenden Baden-Baden, während seine zahl- reichen Schüler und Mitarbeiter den »Weinbren- ner-Stil« in andere Regionen und Länder trugen. Sein Vorbild wirkte auch über den Rhein hinü- ber in die südliche Pfalz. Damit finden sich in der gesamten TechnologieRegion Karlsruhe Bau- werke aus Weinbrenners Schule. Der folgende Überblick verbindet deshalb alle vorhandenen Bauten, die er eigenhändig für die Region entwarf, mit einer Auswahl der wich- tigsten Bauten seiner Schüler und Mitarbeiter. Obwohl vieles im Lauf der Zeiten verloren ging, lässt sich hieran eindrucksvoll das Spektrum der »Weinbrenner-Schule« zwischen kleinen und großen, privaten und öffentlichen, weltli- chen und religiösen Aufträgen erleben. Das Äußere dieser Bauten ist ursprünglich in einem gebrochenen Weiss zu denken, das Innere hingegen in kräftigen Farbtönen, dekoriert in den zierlichen Formen des Empire, wo das Bau- budget es zuließ. 4 Die 1715 neu gegründete Residenz- und Haupt- stadt des Landes war auch der Amtssitz des badischen Baudirektors – und dessen größte Baustelle. In seiner Geburtsstadt war Friedrich Weinbrenner mit Ausnahme mehrjähriger aus- wärtiger Studien- und Arbeitsaufenthalte fast durchgängig ansässig. Er baute sein eigenes Wohnhaus 1800/01 am südlichen Stadteingang, dem Ettlinger Tor; darin befanden sich auch sei- ne erfolgreiche, halbstaatliche Bauschule und zeitweise die Bauverwaltung. Weinbrenner machte Pläne für Straßen und Plätze, öffentliche wie private Gebäude, Denk- mäler und Brunnen, arbeitete auch an den Grünanlagen mit. Dabei konnte er auf bestehen- den Planungen zur Stadterweiterung aufbauen – und verwandelte zugleich die geschlossene barocke Form der Residenz in eine offene Folge von gebauten und grünen Räumen. 1 34 5 11 12 13 14 16 15 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 28 « « Karlsruhe 5 Marktplatz Bis zu Weinbrenners Zeit endete die noch junge Stadt mit der südlichen Häuserzeile der Kaiser- straße, damals »Lange Straße«; der Marktplatz um die kleine Konkordienkirche bildete den mittleren Abschluss. Schon seit 1783 war ge- plant, die Stadt von hier aus nach Süden zu er- weitern und ein neues Zentrum anzulegen. Gegenüber den hieraus hervorgegangenen Projekten zeichnet sich Weinbrenners Plan durch die dynamische Wirkung der klaren, aber raffiniert verschränkten Stadträume aus. Der nun bis über den Landgraben hinweg verlängerte Marktplatz setzt sich aus Abschnitten zusam- men, die eine kulissenartige Staffelung erzeu- gen. Dazu tragen die abgestuften Dimensionen und Proportionen bei, die das ganze Ensemble durchziehen, sowie Weinbrenners sachlich- elegante Formensprache. 2 3 4 76 8 9 10 11 27 29 « 6 Den Marktplatz beherrscht das Gebäudepaar aus Rathaus und Evangelischer Stadtkirche, die sich im Laufe von Weinbrenners Planung zu multifunktionalen Komplexen entwickelten. Rathaus • 1805–25 Karl-Friedrich-Straße 10 Das Rathaus enthielt außerdem im Südflügel das Spritzenhaus, im Nordflügel Fleischbank, im Verbindungstrakt Korn- und Mehlhalle und im Turm ein Gefängnis. Der Bau begann mit dem Nordtrakt, wurde aber erst 1821 fortgesetzt. In der Zwischenzeit spielte Weinbrenner Varian- ten durch, so auch mit einem Ständesaal für das 1818 begründete Parlament. Die ursprünglich zweigeschossigen Verbindungstrakte wurden letztlich aufgestockt. Dadurch wirkt die große Nische noch stärker in die Fassade eingebun- den, ein überraschendes Motiv, das Weinbren- ner seinen Italieneindrücken verdankte. Die Einweihung fand am 28. Januar 1825 statt. Der 51 m hohe Turm war bis 1899 verputzt. Darauf steht eine von Alois Raufer gestaltete, lebensgro- ße und vergoldete Figur des römischen Gottes Merkur, die sich mit dem Wind dreht. Nach Kriegszerstörungen wurde das Rathaus 1948–55 im Äußeren teilweise wiederhergestellt und im Innern neu gestaltet; an den Säulen im Foyer lässt sich die originale Situation erahnen. 1 Karlsruhe 7 Evangelische Stadtkirche • 1807–17 Karl-Friedrich-Straße 9/11/13 Von Weinbrenner zuerst als Rundbau geplant, wuchs die neue Kirche, der Ersatz für die Kon- kordienkirche, im Lauf der Planungen zu einer länglichen Basilika mit Nebenbauten heran. Denn wie das Rathaus sollte auch sie weitere Nutzungen aufnehmen: im nördlichen Trakt das Gymnasium, im südlichen die Kirchen- verwaltung mit Pfarrhaus. Die Weihe fand am 2. Juni 1816 statt, doch laut den Akten und einer Inschrift am Gebäude zogen sich die Arbeiten noch bis ins folgende Jahr hin. Den 61,70 m hohen Turm bekrönt eine vergoldete Engels- gestalt mit Palmzweig, die Alois Raufer gestaltete. Im Innern ragten hohe korinthische Säulen von unten bis an die flache Kassettendecke und trugen zwei Emporengeschosse. Das Äußere wurde 1951–58 nach Kriegszer- störungen wiederhergestellt, das Innere als Sicht- betonkonstruktion neu gestaltet. Das Messing- kreuz im Boden vor dem Portal bezeichnet das Grab Weinbrenners in der Krypta darunter. Es war auf dem Friedhof an der Kapellenstraße im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1958 hierhin umgelegt worden. 2 8 Pyramide • 1823–25 Karl-Friedrich-Straße / Marktplatz Das Wahrzeichen der Stadt ist zugleich das älteste und neueste Element in Weinbrenners Markt- platz. Die unterirdische Gruft mit dem Grab des Stadtgründers Carl Wilhelm stammt noch aus der barocken Konkordienkirche, die 1807 abge- rissen wurde, aber für den oberirdischen Aufbau ergab sich erst spät die Pyramide als endgültige Form. Weinbrenner hatte zuvor ein Denkmal für Rhea Silvia vorgesehen, die Mutter von Romulus und Remus, der Gründer Roms. Doch inspirierte ihn die Form der provisorischen Abdeckung zu einer Pyramide. Ebenerdig liegt darin ein Raum mit einem Stadtplan aus Marmor. Ludwigsbrunnen • 1822/23(–33) Karl-Friedrich-Straße / Marktplatz Ein Brunnen sollte den Endpunkt der neuen Wasserleitung von Durlach nach Karlsruhe markieren (siehe auch S. 19) und zugleich ein Denkmal für Großherzog Ludwig tragen. Ur- sprünglich plante Weinbrenner den Unterbau in Marmor und die Statue in Eisenguss, doch wurde beides aufgrund der Produktionsproble- me und -kosten in Sandstein ausgeführt. Der Brunnen war nach einem Jahr vollendet, aber die Anfertigung der Statue durch Alois Raufer erst 1833 abgeschlossen. 3 5 Karlsruhe « 9 Wohn- und Geschäftshäuser • 1802–12 Karl-Friedrich-Str. 5/7/8, Kaiserstr. 137/139/141 Auch die großen und scheinbar einheitlichen Hausblöcke beiderseits des Marktplatzes beste- hen aus Abschnitten. Weinbrenner entwarf ein Modell, das er auf jeder Seite in vier Parzellen für einzelne Bauherren unterteilte. Dies ließ sich ursprünglich an den Eingängen, Fenster- rhythmen und Fallrohren ablesen. Die hohen Rundbögen der unteren Doppelgeschosse sind nur verständlich als Hintergrund für die einge- schossigen Ladenzeilen (»Boutiquen«), die Wein- brenner um den Platz legen wollte, aber nie realisieren konnte. Nach starken Kriegsschäden wurden die Häuser vereinfacht rekonstruiert. 4 10 Ehemaliges reformiertes Pfarrhaus • 1811 Kreuzstraße 10 / Zähringerstraße Im Erdgeschoss reihte Weinbrenner Rundbögen aneinander, wie er es an den Seiten des nahen Stadtkirchenkomplexes tat. Das Haus bildet mit dem Großherzoglichen Verwaltungshof (Hebel- straße 2 / Kreuzstraße 12 / Pfarrer-Löw-Straße) und dem Haus Berckmüller (Kreuzstraße 11) ein stimmiges Ensemble um den Platz hinter der Kleinen Kirche. Weitere Privathäuser Friedrich Weinbrenners: Haus Hemberle • 1816 Adlerstraße 12 / Kaiserstraße Haus Eichelkraut • 1818 Kaiserstraße 115 / Adlerstraße Haus Reinhard • 1813 Steinstraße 23 Haus Nägele • 1809/10 Zähringer Straße 90 Die Größe dieses Hauses er- klärt sich auch aus seiner Nutzung als Brauerei und Wohnhaus des Bierbrauers Nägele. Wer den Entwurf zeichnete, ist nicht bekannt, aber er folgte einem von Weinbrenner entwickelten Modell. Es ist vor allem das über zwei Geschosse durch- laufende Fugenbild, das die Fassade bestimmt. 6 7 8 9 10 Karlsruhe 11 Rondellplatz Ein runder Platz war bereits seit 1768 in den Er- weiterungsplänen für Karlsruhe eingezeichnet gewesen. Die Grundstücke wurden ab 1800 ein- heitlich im Stile Weinbrenners bebaut. Markgräfliches Palais • 1803–14 Karl-Friedrich-Str. 23 Das größte Gebäude am Platz ließ Markgraf Karl Friedrich für seine Kinder aus der zweiten Ehe mit Reichsgräfin Luise Karoline von Hochberg er- bauen. Weinbrenner entwarf ein Palais, das im- mer als eines der elegantesten des Klassizismus galt. Das Innere war im zierlichen Empire-Stil ausgestattet und besaß geometrisch intarsierte Holz- und Steinböden. Nach Beschädigungen im Krieg wurde der mittlere Abschnitt der Fassade mit der Säulenfront wiederhergestellt. Verfassungsdenkmal • 1822–24(-32) Karl-Friedrich-Straße Lange Zeit geplant, wurde der Obelisk letztlich mit zwei Brunnenschalen, Bronzemedaillons und zwei Greifen, den badischen Wappentieren, ausgeführt, wobei Alois Raufer die Stein- und To- bias Günther die Bronzearbeiten übernahmen. Bei der Fertigstellung 1832 erhielt das Denkmal die Widmung an Großherzog Karl und die von ihm 1818 erlassene Verfassung. 11 12 12 Katholische Stadtkirche St. Stephan • 1808–14 Erbprinzenstraße 16 Die katholische Gemeinde im damals mehrheit- lich evangelischen Karlsruhe besaß zuvor nur einen Betsaal am Zirkel. Aus Mitteln des Groß- herzogs Karl Friedrich konnte eine eigene Stadt- kirche gebaut werden, gewidmet dem Namens- patron seiner katholischen Frau Stéphanie. Weinbrenner verband hier einen Rundbau nach dem Vorbild des römischen Pantheon mit einem Kreuz, dessen Enden als Fassaden nach außen in Erscheinung treten. Zudem wollte er ihn mit einem Hof aus vier Eckbauten und Säulengängen umgeben. Dies unterblieb, aber vom geplanten Anschluss der Kolonnade zeugt noch ein kurzer Wandpfeiler an einem großen Pfeiler rechts des Haupteingangs. In dieser Komposition empfand Weinbrenner einen Kirchturm als unpassend, doch bestand die Kirchengemeinde darauf. Ur- sprünglich trug er einen hohen, spitzen Helm. Das Innere bestimmten die hohen Bögen der Querarme sowie die Kuppel mit Durchmesser und Höhe von fast 30 Metern. Sie war nach anti- kem Vorbild wie ein textiler Schirm ausgemalt. 1881 wurden der Putz entfernt und die io- nischen Volutenkapitelle der Säulen am Haupt- eingang durch die einfacheren toskanischen er- setzt. Der Wiederaufbau erfolgte 1946–51 stark vereinfacht. Karlsruhe 13 13 14 Amalienschlösschen • 1802 Nymphengarten, Lammstraße / Ritterstraße Von den Bauten, die Weinbrenner für Markgräfin Amalie im »Erbprinzengarten« errichtete, blie- ben Fragmente erhalten, im Schlosspark (S. 18) sowie an Ort und Stelle der Sockel des »Land- hauses« (oben) und eine Gedenkplatte (rechts) für Zarin Elisabeth von Russland, die als Prinzes- sin Luise von Baden in Karlsruhe geboren wurde und hier ihre Kindheit verbrachte. Die Anlage wurde 1944 zerstört. Haus Fischer (Gothaer Haus) • 1812 Herrenstraße 23 Der Baumeister Christian Theodor Fischer, ein enger Mitarbeiter Weinbrenners, behandelte die schwierige Ecksituation ganz in dessen Sinn als eine markante Eingangsfasssade. Ab 1975 wurde das Haus entkernt und in den Geschäftskomplex »Gothaer Haus« integriert. 15 14 Ehemaliges Gärtnerhaus • 1817 Herrenstraße 45 Es war ein Teil der Anlage um Weinbrenners Palais der Markgräfin Christiane Louise, das 1891 für das Erbgroßherzogliche Palais weichen musste, den heutigen Bundesgerichtshof. Zu diesem gehört es heute. Dazwischen war es als Wohnhaus für den Oberhofmeister genutzt und 1949 nach Kriegsschäden vereinfacht wieder- hergestellt worden. Haus Lidell • 1804 Erbprinzenstraße 15 / Ritterstraße 16–20 Dies ist der Seitentrakt eines Wohnhauses, dessen Hauptteil sich entlang der Erbprinzenstraße er- streckte. Bauherrin war Sophie Steinheil, Witwe des Kammerrats Lidell. Nach deren Tod 1827 baute es Friedrich Arnold zum Außenministerium um. Den nach Kriegszerstörung erhaltenen Bauteil nutzt heute das Staatliche Schulamt. 16 Karlsruhe 17 15 Gotischer Brunnen • 1822–24 Ludwigsplatz Friedrich Weinbrenner be- wunderte die Gotik, doch als zeitgemäßes praktisches Vorbild konnte er sie sich wegen des hohen Aufwan- des nur für Kleinbauten im Garten oder im Stadtraum vorstellen, so wie hier für diesen Brunnen. Der Aufsatz ähnelt einer Fiale, dem ty- pischen Miniaturtürmchen gotischer Kirchen. Der Brun- nen diente auch als Markt- brunnen. 18 Weitere Bauten der Weinbrenner-Schule nahe des Ludwigsplatzes (Auswahl): Gasthaus »Zum Salmen« • 1809–14 Waldstraße 55–57 Haus Meess • 1808 Bürgerstraße 2a / Erbprinzenstraße 29/29a Weltzien-Haus • 1822/23 Karlstraße 47 Die Zimmermeister Georg und Carl Friedrich Küntzle führten das Gebäude aus, waren dessen Bauherren und ersterer vermutlich auch der Entwerfer. Der Name stammt von späteren Besit- zern. Es ist heute ein Teil der Musikhochschule. « 19 20 21 16 Münze • 1826/27 Stephanienstraße 28/28a Im nördlichen End- und Blickpunkt der Karl- straße steht Weinbrenners letztes Werk, die badische Münzprägeanstalt. Nach dessen Tod wurde sie durch seinen Schüler Friedrich Theodor Fischer fertiggestellt. Sie vereint noch einmal typische Gestaltungsmittel Weinbren- ners, insbesondere die ausbalancierte Kompo- sition und die Verbindung aus Monumentalität und Eleganz, ablesbar an den mächtigen Kon- solen. Das »L« über dem Eingangstor steht für Großherzog Leopold. Im Hof befindet sich eine Bronzekopie einer Friedrich-Weinbrenner-Büste des Bildhauers Alois Raufer. Im Innern haben sich stellenweise Reste der originalen Dekoration erhalten. Der Osttrakt wurde 1985 abgerissen, um ihn unterkellern zu können, und außen originalgetreu wiederherge- stellt. Heute wird das Gebäude von der Prägean- stalt und einem Archiv genutzt. Zwischen der Münze und der Orangerie am Zir- kel, heute Teil der Staatlichen Kunsthalle, bietet die Stephanienstraße das fast einheitliche Bild einer Straße im Stil Weinbrenners. Mehrere sei- ner Schüler und Mitarbeiter haben dazu beige- tragen. Es findet sich hier ein breites Spektrum zeittypischer Details, insbesondere auf Türen und Friesen. 22 Karlsruhe 17 Haus Ettlinger • 1815 Zirkel 32 Das Haus für den Kaufmann Abraham Ettlinger überlebte Kriege und Abrisswellen weitgehend unverändert. So zeigt es auch in den Details noch die typischen filigranen Empire-Formen. Kanzleibau • 1803–16 Schlossplatz 19 Das Behördengebäude fügte sich mit ursprüng- lich zwei Geschossen und einem Mansarddach in die barocke Platzwand gegenüber dem Schloss ein. Weinbrenner wollte ihm mit einem Mittel- giebel Eigenständigkeit verleihen, doch wurde ihm dies untersagt. An der Rückseite zum Zir- kel baute er das bestehende Staatsarchiv seines Vorgängers Wilhelm Jeremias Müller von 1792 ein. Nach dem Krieg wurde die Kanzlei 1955 als Landratsamt hergerichtet. Heute beherbergt es das »International Department« des KIT. 23 24 18 Promenadenhaus • um 1815 Kaiserallee 13 Nicht nur in Kurorten wie Baden-Baden oder Langensteinbach, auch in Karlsruhe wollten die Bürger flanieren und promenieren. So entstand dieses Ausflugslokal an der Allee nach Mühl- burg. Die Urheberschaft ist nicht gesichert, aber als öffentliche Aufgabe dürfte der Auftrag dem Oberbaudirektor selbst zugefallen sein. Heute wird es als Vereinslokal genutzt. Vogelhaus und Gedenkstein • 1802 Schlosspark Bei dem oft »Weinbrenner-Tempel« genannten Bauwerk aus Sockel, 6 Säulen und Giebeldach handelt es sich um das ehemalige Vogelhaus aus dem Garten der Markgräfin Amalie (siehe S. 13). Ursprünglich war es mit vergitterten Sprossen- fenstern geschlossen und stand auf einem hohen Sockel an der Kriegsstraße. Dort wurde es 1883 abgetragen und in den Schlosspark vor den Aha-Graben versetzt. In einem ummauerten Be- reich nahe des Schlossturms steht ein weiteres Objekt aus dem Erbprinzengarten, ein »Denkstein« in Form eines römischen Rundaltars. Die Inschrift lautet: »Hier sey der Siz unshuldiger Freuden und der Ruhe nach wohltaetiger Arbeid.« 25 26 27 Karlsruhe « 19 Stephanienbad (Paul-Gerhardt-Kirche, ev.) 1807–11 Karlsruhe-Beiertheim, Breite Str. 49A Vor den Toren Karlsruhes lud das private Gesell- schaftshaus an der Alb zum Essen, Tanz und Flussbad ein. 1817 wurde es nach Großherzogin Stéphanie benannt. Weinbrenner betonte die Eingänge an der einfachen Hausform durch Säulenreihen. Das Innere gruppierte sich um einen Festsaal, dessen Decke Joseph Sandhaas ausgemalt hatte. Dort hinein konnte man von Galerien und auch vom »Rittersaal« aus blicken, Brunnenhaus • 1824 Karlsruhe-Durlach, Badener Straße 18 In Weinbrenners fensterlosem Bauwerk wurde Quellwasser vom Geigersberg gefasst, das hier- durch erstmals nach Karlsruhe geleitet werden konnte (s. auch S. 8/9). Diese Aufgabe erfüllte es bis 1871. Es erscheint wie in den Boden ein- der über dem Foyer lag. In Etappen wurde das Bad ab 1926 in eine Kirche umge- wandelt, vor allem 1950–56 nach den Kriegsschäden, und nochmals in den 1990er Jahren tief- greifend renoviert, wobei Weinbrenners Struktur skelettartig freigelegt wurde. 28 29 gesunken. An dem großen Rundbogen in der Fassade zeichnet sich das Gewölbe des Innenraums ab. 20 Stutensee Walzbachtal Pfinztal Evangelische Kirche • 1817–22 Walzbachtal-Wössingen, Weinbrennerstraße 6 Wer aus Weinbrenners Umfeld die Pläne zeich- nete, ist nicht sicher zu sagen. Es zeugt von Mut und Können, wie die Kirche mit der lan- gen Freitreppe und dem Pfarrhaus jenseits der Wössinger Straße zu einer Achse verbunden wurde, was sich unmittelbar erleben lässt. Aus Evangelische Kirche • 1830 Stutensee-Friedrichstal, Hirschstraße Der Plan zum Bau reicht bis 1821 zurück, ein Anteil Weinbrenners ist deshalb denkbar. Auffal- lend sind die drei Bögen der Eingangsfront. 1956 wurden im Stil Weinbrenners eine Vorhalle ange- baut und ein neuer Turm aufgesetzt. dem Pfarrhaus he- raus kann sogar über die Treppe hinweg und durch das Kirchenportal bis zum Altar ge- schaut werden. Auch im In- nern der Kirche erwartet die Besu- cher ein eindring- liches Raumer- lebnis aus klaren Proportionen und der Zusammenfas- sung von Stützen, Empore, Altar und Kanzel. 21 Thomaskirche (ev.) • 1807–17 Pfinztal-Kleinsteinbach, Pforzheimer Straße Die Kirche steht an der Durchgangsstraße mit einer zugleich einladenden und monu- mentalen Eingangsfront, während der (Fach- werk-)Turm zurücktritt. Wegen des sumpfigen Bodens ruht sie auf Eichenrosten, was die Kosten verdreifachte und die Fertigstellung verzögerte. Der helle beige-graue Anstrich Ludwigskirche (ev.) • 1826–28 Karlsbad-Langensteinbach, Weinbrennerstraße 2 In einer ungewöhnlichen Komposition rückte Weinbrenner den Kirchturm an die Straße; die Fassade ähnelt einem Wohnhaus. Für den Kur- ort hatte er ab 1801 eine Gesamtplanung der Badeanlagen erarbeitet, die dann aber gegenüber Baden-Baden an Bedeutung verloren. Die Kirche wurde durch Karl August Schwarz fertiggestellt. Das Innere ist stark modernisiert. und der Innenraum geben einen seltenen authentischen Ein- druck von Weinbren- ners Architektur. Die Kanzel lag ursprüng- lich über dem Altar; die Empore wurde 1838 vergrößert. Pfinztal Karlsbad 22 Gaggenau Ingenheim Herxheim Heilig-Kreuz-Kirche (kath.) • 1820 Herxheim-Hayna, Hauptstraße 89 Über die Anfänge dieser Kirche ist nicht viel mehr bekannt als das Baujahr. Sie ersetzte einen barocken Vorgängerbau von 1722. Von Amts we- gen könnte wiederum Friedrich Samuel Schwar- ze verantwortlich gewesen sein. In jedem Fall ist auch hier im damals bayerischen Ort deutlich das Vorbild des badischen Baudirektors Fried- rich Weinbrenner zu erkennen, vor allem in der Form des Turms, der dreieckigen Eingangsfassa- de und der Rundbogenfenster. Chor und Sakri- stei wurden 1862 angefügt. Evangelische Kirche • 1822/23 Ingenheim, Hauptstraße 39 Dem »Bayerischen Rheinkreis« mit Amtssitz Speyer diente seit 1819 der zuvor in Nürnberg tätige Friedrich Samuel Schwarze als Bauinspek- tor. Für die Ingenheimer Kirche orientierte er sich nicht an bayerischen Vorbildern, etwa von Leo von Klenze, sondern erstaunlich eng an der Weinbrenner-Schule im Nachbarland Baden. Auch nach Kriegsschäden und Renovierun- gen vermittelt nicht nur das Äußere den origina- len Charakter, sondern auch das Innere mit dem stützenlosen Saal, der Empore, der Holzvertäfe- lung und der Anordnung von Altar und Kanzel. « « 23 Anton-Rindenschwender- Denkmal • 1803 Rathausplatz Ursprünglich stand der Obelisk jenseits der Murg vor dem Amalienberg, wo Anton Rindenschwender (1725–1803) seinen Wohn- sitz hatte, Wirtschafts- pionier und Schultheiß in Gaggenau. Ihm stiftete der Markgraf dieses Denkmal, das Weinbrenner entwarf. Mehrfach versetzt, steht es heute auf der Nordseite des Rathauses. Schloss Rotenfels • 1816–18 Gaggenau-Bad Rotenfels, Badstraße 1 Das Landschloss begann als Industriewerk, in dem Eisen geschmolzen und verarbeitet und ab 1801 Steingut hergestellt wurde. Seit 1790 im Besitz der Markgräflich-Hochbergischen Familie, verwandelte es Weinbrenner in das Herrenhaus eines landwirtschaftlichen Versuchsgutes, wo mit Pflanzen und Düngern experimentiert wurde. Von seinen Parkbauten sind nur noch Fragmente erhalten, z. B. der Felsensockel des »Römischen Hauses«. Im Hauptgebäude finden sich noch originale Details. Der Vorbau an die linke Stirnseite stammt von 1869. Heute beher- bergt das Schloss die Landesakademie für Schul- kunst, Schul- und Amateurtheater. Gaggenau 24 Am 24. April 1798 brannte die obere Hälfte der Altstadt ab, vom Kornhaus bis zur Kirche; schon am 19. Mai legte Weinbrenner für das badische Bauamt seinen Wie- deraufbauplan vor, der den Wünschen der Bürger ange- passt und sofort umgesetzt wurde. Die Straßen wurden begradigt und verbreitert, um das Ausbreiten weiterer Brände zu verhindern. Zwei öffentliche Gebäude, das Kornhaus und das Forstamt, und vermutlich auch den Metzgerbrunnen (links) ent- warf Weinbrenner persön- lich. Gernsbach Kornhaus • 1798–1804 Hauptstraße 32 Es steht frei und setzt sich von den umstehen- den Bauten auch dank seiner Würfelform ab, den glatt eingeschnittenen Öffnungen und der offenen Vorhalle mit den kantigen Pfeilern. Die Fachwerkwände waren ursprünglich glatt ver- putzt. Dies betonte die außergewöhnliche Form noch mehr und damit die Sonderstellung als kleiner, aber für die Versorgung der Bevölke- rung wichtiger Nutzbau. 25 Schloss Eberstein • 1803/04 Kreisstraße 3701 1798 übergab Markgraf Karl Friedrich seinem zweiten Sohn Friedrich die 1272 erstmals er- wähnte Burg oberhalb Gernsbachs; dieser ließ die Ruine durch Weinbrenner neu aufbauen. Der Bergfried erhielt einen spitzen, gotischen Turmhelm (1951 verändert). Aus dem trapzeför- migen Wohnbau entwickelte er eine symmetri- sche Anlage aus zwei Flügeln um einen Hof, der spitz zuläuft und eine perspektivische Wirkung entfaltet. Verbunden werden die beiden Arme durch eine Brücke und im Innern einen runden Raum. Das Schloss ist in Privatbesitz, Teile wer- den von Hotellerie und Gastronomie genutzt. Forstamt • 1803 Hauptstraße 51 Weinbrenner plante es als Amtshaus auf dem bestehen- den Keller des „Wolkenstei- nischen Hofs“ von ca. 1600. Die typische Klarheit Wein- brenners findet sich in den Details ebenso wieder wie auf den Fassaden und in den Außen- und Innenräumen. Weinbrenner passte das An- wesen in das steil abfallende Gelände ein und verlieh ihm dabei eine ausgewogene Ansicht, die Würde und Wohnlichkeit zugleich ausstrahlt. Heute ist das Gebäude privat. 26 Friedrich Weinbrenner versicherte 1807 dem badischen Hof, dass neben der Residenz Karls- ruhe die damals noch kleine Stadt Baden am Flüsschen Oos seine größte Aufmerksamkeit verdiene. Wirklich entwickelte sie sich zu einer zweiten Großbaustelle und unter seiner Leitung von einem mittelalterlich geprägten Ort auf dem Hügel zu dem mondänen, in die Landschaft aus- greifenden Kurort, als den wir sie heute kennen. Nicht nur entwarf er wichtige Bauwerke und Denkmäler, sondern war auch an der Planung von Straßen, Fusswegen und Grünanlagen maß- geblich beteiligt und gestaltete sogar Wegweiser und ein Gipfelkreuz in der näheren Umgebung. So wurde 1825, wie drei Jahre zuvor von Karls- ruhe, ein Plan veröffentlicht, der das Erreichte dokumentierte und ringsum die prägenden Bauten versammelte, die meisten von Weinbren- ner selbst entworfen. Seine Tätigkeit begann im antiken Bäderbezirk in der Altstadt rings um den Marktplatz und schritt fort bis zur Prome- nade jenseits der Oos. 5 6 4 Baden-Baden 27 Markgräfliche Grablege 1801 Stiftskirche, Marktplatz Im Auftrag Markgraf Karl Friedrichs stellte Wein- brenner die Grablege der ausgestorbenen Linie Baden-Baden im Chor der Stiftskirche wieder her. Für drei alte Epitaphe (Ot- tilie (rechts), Christoph I., Eduard Fortunat) und eine eigens angefertigte Büste (August Georg) gestaltete er Rahmen sowie eine Namentafel über dem linken Durch- gang. Sie alle sind an den klassischen Dreieck- giebeln zu erkennen. 1 1 2 3 28 Erstes Konversationshaus (Rathaus) • 1810–12 Marktplatz 2 Für das erste Konversationshaus der Stadt sollte Weinbrenner das barocke, gerade säkularisierte Jesuitenkolleg umbauen. Sichtbar ist dies nach weiteren Veränderungen besonders am heuti- gen Eingangsteil am Jesuitenplatz. Weinbrenner selbst hatte wegen der beengten Situation einen Neubau bevorzugt, wozu es zehn Jahre später an anderer Stelle kam (S. 30, Nr. 4). Ab 1830 wurde es als Hotel »Darmstädter Hof« weitergeführt und 1862 zum Rathaus umgewandelt. 2 Baden-Baden 29 Haus Maier (Palais Hamilton) • 1807/08 Sophienstraße 1 Weinbrenner entwarf das markante Gebäude zwischen dem Leopoldsplatz und der Oospro- menade für den Arzt Aloys Maier, der darin auch Pensionsgäste beherbergte. Es war Baden-Badens erste Villa, das erste freistehende Wohnhaus au- ßerhalb der Stadtmauern. Hierfür wurde auch die bis dahin noch unbebaute Straße begradigt. Weinbrenner orientierte sich an den Renaissance- Villen Andrea Palladios in Norditalien, ohne diese zu kopieren. Mauern mit Toren und Eck- pavillons schützten Haus und Garten auch vor dem Hochwasser der Oos. Bekannt ist es heute als Wohnsitz der badischen Prinzessin Marie Hamilton (1817–88). Nach Veränderungen wurde Palais der Königin Friederike (LA8) • 1820 Lichtentaler Allee 8 Bauherrin war Friederike Dorothea (1781–1826), geborene Prinzessin von Baden und geschiedene Frau des entthronten Königs Gustav IV. Adolf von Schweden. Auch nach Umbauten ist Weinbren- ners asymmetrische Komposition noch abzule- sen: ein dreigeschossiger Wohntrakt links und ein niedriger Diensttrakt rechts der Durchfahrt. An der Gartenseite befand sich eine hohe Nische mit Thermenfenster und eingestellten Säulen, ähnlich der Rückseite des Palais Hamilton. 3 die klare Form 1954 wiederhergestellt und zugleich im Innern entkernt. Es ist Sitz der Sparkasse. 4 « 30 Zweites Konversationshaus • 1821–24 Kaiserallee 1 Es ist Weinbrenners und Baden-Badens bekann- testes Bauwerk überhaupt. Nichts deutet darauf hin, dass es aus einem barocken Promenade- haus von 1765 hervorgegangen ist, das er 1802 und 1807 umbaute und letztlich als linken Bau- teil in das neue Konversationshaus integrierte. Es erstreckt sich harmonisch über 140 Meter am Fuß des Friesenberges. Weinbrenner plante es als eine Einheit mit der davorliegenden Prome- nade und dem rechteckigen Kurgarten, der von Baumreihen gerahmt war. Längs reihte er drei Teile aneinander: Der linke enthielt Speise- und Spielsäle, der mittlere den »großen Kursaal« (heute »Weinbrennersaal«, rechts oben) und dahinter drei kleinere Salons, der rechte das Theater und eine Bibliothek. Der Eingang erfolgte fast ebenerdig durch die drei mittleren Türen direkt in den großen Saal. Seit den 1830er Jahren wurde das Innere für die Spielbank mehrfach verändert und im barocken Stil ausgestattet. Das Theater erhielt 1862 ein ei- genes Gebäude. Der rückwärtige Bénazet-Saal, die Kolonnaden vor den Seitenteilen und das Foyer in Formen des Art Déco entstammen dem Umbau durch August Stürzenacker in den Jah- ren 1912 bis 1917. Dabei wurde der linke Flügel des alten Promenadehauses neu gebaut. Der »Weinbrennersaal« gehört auch nach späteren Änderungen zu den besterhaltenen Raumschöp- fungen des Architekten. 5 Baden-Baden 31 Hotel »Badischer Hof« • 1807–09 Lange Straße 47 Für den Verleger Johann Friedrich Cotta und den Diplomaten Johann Ludwig Klüber ent- warf Weinbrenner das erste Palasthotel in den deutschen Ländern. Innerhalb von eineinhalb Jahren verwandelte er das aufgehobene Kapu- zinerkloster in eine malerische Anlage nach dem Vorbild eines talienischen Landgutes, ein- schließlich Thermalbädern und Pferdeställen. Aus dem Kirchen- schiff entlang der Straße wurde der Tanz- und Konversa- tionssaal, aus dem Kreuzgang der hohe, überwölbte Speise- saal, um den herum statt der Mönchszel- len 51 Gästezimmer auf drei Etagen ent- standen. Nach mehre- ren Umbauten zeugt inbesondere diese Halle von der langen und illustren Ge- schichte. 6 32 Kreuzkirche • 1810–12 Lichtenau-Scherzheim, Kirchstraße 4 Lichtenau Schul- und Rathaus • 1824, 1866/67 Bühl, Hauptstraße 41 Das heutige Rathaus 2 besaß ursprünglich diese, damals nicht ungewöhnliche doppelte Nutzung und nur zwei volle Geschosse mit einem dreige- schossigen Giebel, noch ablesbar an den Gesims- stücken auf der Fassade. Weinbrenners Mitar- beiter Wilhelm Vierordt und Wilhelm Frommel entwarfen ein sachlich elegantes und würdevol- les Gebäude. Als es über 40 Jahre später aufge- stockt wurde, geschah dies im selben Stil der Weinbrenner-Schule, der als noch immer vor- bildlich angesehen wurde, weshalb das Gebäude wie aus einem Guss erscheint. Bühl Nachdem das Hanauer Land 1803 zu Baden kam, war Wein- brenner auch hier zuständig. Die Bürger setzten durch, dass der Neubau nicht an die Land- straße rückte, sondern in der zweiten Reihe blieb, wo schon seit ca. 800 die Kirchen stan- den. So bildet sie den male- rischen Blickpunkt zwischen den Fachwerkhäusern und offenbart erst aus der Nähe ihre Raffinesse. In der hohen Nische des Eingangs verbirgt sich ein Gerüst aus Pfeilern und Gebälk, das sich am ele- ganten, hoch gestreckten Turm wiederholt. Im Innern ist die typisch weinbrennerische Anordnung aus hohen, hölzernen Säulen mit umlaufenden Emporen erlebbar, auch die »schwe- bende« Kanzel über dem Altar. Stühle haben die Holzbänke ersetzt, die den direkten Gang zum Altar nur durch die Seiten- eingänge, nicht aber vom Haupteingang aus zu- ließen. Neben der Kirche steht das Pfarrhaus von 1821/22, entworfen vom Weinbrenner-Schüler Hans Voß, damals Bauinspektor in Offenburg. « 33 Ein Gasthaus von 1720 ergänzte Weinbrenner durch drei Flügel zu einer Hofanlage. Sein Badhotel bot rund 70 Gäste- und mehrere Gesellschaftzim- mer, verbunden durch umlaufende Galerien, und war von einem Park mit einem See umgeben. Typisch für Weinbrenner war der Kontrast zwischen einem zurückhaltenden Äußeren und elegant de- korierten Innenräumen. Ottersweier Einen Eindruck gibt der Tanz- und Speisesaal im Querflügel, selbst noch nachdem er 1893 zur Kirche umgestaltet wurde (oben). Ursprünglich besaß er Malereien von Friedrich Gaßner, mar- morierte Säulen, offene Emporen und an beiden Querseiten Balkone für Musikanten; damit dien- te er Weinbrenner als Muster für den Großen Kursaal im Baden-Badener Konversationshaus. Zahlreiche europäische Hoheiten und andere illustre Gäste verkehrten in seinem Hub-Bad, bis es schrittweise zum Pflegeheim ausgebaut wurde. Das Zentrum der weitläufigen Anlage bildet noch immer der »Weinbrenner-Bau«. Bad in der Hub • 1811/12 Ottersweier-Hub, Hubstraße 66 34 im Stil Weinbrenners in der TRK (Auswahl): Au am Rhein: St. Andreas (kath.), Hauptstraße, 1838/39, Johann Ludwig Weinbrenner Böbingen: Ev. Kirche, Hauptstraße 24, 1818–20 Bühl-Eisental: St. Matthäus (kath.), Winzerstraße 18, 1828, Johann Ludwig Weinbrenner Bühlertal: Altes Schulhaus, Seßgasse 2, 1839, Johann Ludwig Weinbrenner Durmersheim: St. Dyonisius (kath.), Hildastraße, 1830, Johann Ludwig Weinbrenner Ettlingen: Gut Watthalden, Pforzheimer Straße 67, 1818, Johannes Ignaz Ullrich Gernsbach: Haus Katz, Bleichstraße 20–22 Weitere Bauten Herxheim: Rat- und Schul- haus (Fassade), Obere Hauptstraße 2, 1824–26 Iffezheim: St. Brigitta (kath.), Hauptstraße 52, 1829-31, Wilhelm Vierordt & Johann Ludwig Wein- brenner Karlsbad-Ittersbach: Ev. Kirche, Friedrich-Dietz- Straße, 1808, 1827 Karlsruhe: Kadettenhaus, Hans-Thoma-Straße 19, 1820/21, Friedrich Arnold « « Kuppenheim: Altes Krankenhaus, Friedrichstraße 95, 1828, Johann Ludwig Weinbrenner Kuppenheim-Oberndorf: Heilig Kreuz (kath.), Hauptstraße 45, 1827, Ernst Adolph Oehl 35 Malsch: St. Cyriak (kath.), Am Kirchplatz 3, 1830, Johann Ludwig Weinbrenner Malsch-Neumalsch: Dorfplanung, 1811 Malsch-Völkersbach: St. Georg (kath.), St. Georg- Str. 2, 1834/35, Johann Ludwig Weinbrenner Muggensturm: Rathaus, Hauptstraße 33 Ötigheim: St. Michael (kath.), Kirchstraße 1, 1828–30, Johann Ludwig Weinbrenner Rastatt-Wintersdorf: St. Michael (kath.), Dorf- straße, 1821 Unteröwisheim: Kreuzkirche (ev.), Friedrichs- platz, 1825–28, Karl August Schwarz Zaisenhausen: Alte Gemeindekelter, Kelterstraße, 1838 « Impressum Konzept, Text, Gestaltung: Ulrich Maximilian Schumann / Friedrich-Weinbrenner-Gesellschaft e.V. Abbildungsnachweis (nach Seiten): ONUK: Vorderseite unten, 8, 11; Roland Fränkle – Presseamt der Stadt Karlsruhe: 6, 7, 9 unten, Rückseite unten links; Stadtverwaltung Stutensee: 20 oben; Gemeinde Walzbachtal: 20 unten; Ev. Kirchengemeinde Langensteinbach: 21 unten; Prot. Kirchengemeinde Billigheim- Ingenheim: 22 links; Ortsgemeinde Herxheim- Hayna: 22 rechts; Stadt Bühl: 33 unten; Peter Thoma: 34 oben; Gemeinde Zaisenhausen: 35; TechnologieRegion Karlsruhe: Rückseite oben; Ulrich Maximilian Schumann: alle übrigen. 36 ro te P u n k te : vo rg es te ll te B a u te n
https://www.karlsruhe.de/b1/kultur/kunst_ausstellungen/HF_sections/rightColumn/1304490056205/ZZmLIDZviKwSeZ/Brosch%C3%BCre%209%2C8x21%20160705.pdf
Microsoft Word - Begründung Gestaltungssatzung Durlach 18062018 final.docx Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Karlsruhe – Durlach beigefügt: Begründung und Hinweise - Entwurf - Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 2 - Inhaltsverzeichnis: A. Begründung gemäß § 9 Abs. 8 Baugesetzbuch (BauGB) ........................ 3 1. Aufgabe und Notwendigkeit ................................................................... 3 2. Bauleitplanung .......................................................................................... 4 2.1 Vorbereitende Bauleitplanung ...................................................................... 4 2.2 Verbindliche Bauleitplanung ......................................................................... 4 3. Denkmalschutz ............................................................................................ 4 4. Bestandsaufnahme ................................................................................... 5 4.1 Räumlicher Geltungsbereich ......................................................................... 5 4.2 Vorhandene Bebauung ................................................................................ 5 5. Planungskonzept ....................................................................................... 5 5.1 Zonierung des Geltungsbereiches ................................................................. 6 5.2 Gestaltung ................................................................................................... 8 5.2.1 §§ 1 bis 5 sowie 15 und 16 - Allgemeine Regeln .......................................... 9 5.2.2 § 6 – Gestaltungsgrundsätze ........................................................................ 9 5.2.3 § 7 Dächer und Dachaufbauten ................................................................. 10 5.2.4 § 8 Fassaden .............................................................................................. 13 5.2.5 § 9 Türen, Tore, Fenster, Läden, Schaufenster ............................................ 16 5.2.6 § 10 Markisen und Vordächer .................................................................... 18 5.2.7 § 11 Einfriedungen .................................................................................... 18 5.2.8 § 12 Werbeanlagen ................................................................................... 18 5.2.9 § 13 Wertvolle Bauteile .............................................................................. 19 5.2.10 § 14 -Technische Bauteile ........................................................................... 19 6. Beipläne zur Begründung ....................................................................... 21 6.1 Geltungsbereich Gestaltungssatzung (§ 74 LBO) ......................................... 21 6.2 Lageplan mit Zoneneinteilung .................................................................... 21 6.3 Geltungsbereich Gesamtanlage (§ 12 DSchG) ............................................. 22 B. Allgemeine Hinweise .............................................................................. 23 1. Archäologische Funde, Kleindenkmale ........................................................ 23 2. Baumschutz ............................................................................................... 23 3. Erneuerbare Energien ................................................................................. 23 C. Hinweise zur Möblierung des öffentlichen Raums ............................... 23 1. Warenrauslagen ......................................................................................... 24 2. Außenbewirtung ........................................................................................ 24 3. Post/Telekommunikation ............................................................................ 24 4. Kundenstopper .......................................................................................... 24 Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 3 - A. Begründung zur Gestaltungssatzung Altstadt Durlach 1. Aufgabe und Notwendigkeit Die bauliche und gestalterische Entwicklung in der Altstadt Durlach wird seit 1998 auf Grundlage der Gesamtanlagensatzung gemäß § 19 Denkmalschutzge- setz „Altstadt Durlach“ gesteuert. Zuvor wurde diese Aufgabe mittels sanierungs- rechtlicher Genehmigungen im Rahmen der seinerzeit noch gültigen Sanierungs- satzung wahrgenommen. Eine Grundlage für gestalterische Entscheidungen ist unter anderem ein 1976 entwickelter Entwurf für eine Gestaltungssatzung. Zwi- schenzeitlich zeigen sich die Schwächen dieser rechtlichen Situation. Obwohl das Denkmalschutzgesetz für sich genommen die stärksten Einflussmöglichkeiten auf das bauliche Geschehen bietet, die überhaupt zur Verfügung stehen, gibt es Fälle oder auch Bereiche, in denen dieses Gesetz nicht greift, bzw. aus sich selbst her- aus seine Grenzen findet. Beispielsweise sind im baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz städtebauliche Gründe für denkmalrechtliche Maßnahmen nicht vorgesehen. Des Weiteren sind Gegenstände, die das Stadtbild stark beein- flussen, jedoch nicht unmittelbar Gegenstand denkmalschutzrechtlicher Geneh- migungsvorgänge sind, nicht zu steuern. Beispiele hierfür sind nicht denkmalgeschützte Altbauten innerhalb der Gesamtanlage aber auch Neubauten auf bisher unbebauten Grundstücken oder nach Abbrüchen. Zunehmend wird auch die Bedeutung der Randbereiche und der Eingangssituati- onen zur Altstadt hin als so wichtig eingeschätzt, dass auch dort Steuerungsmechanismen eingeführt werden sollen. In der Gesamtanlagensatzung werden die wesentlichen Schutzziele aufgeführt, es wird aber nicht beschrieben, mit welchen konkreten baulichen Maßnahmen solche Ziele zu erreichen sind. Es bleibt insofern den jeweiligen amtlichen Entscheidungsträgern, beteiligten Eigentümern und Planern vorbehalten, den geeigneten Weg zur Umsetzung des Schutzziels im Einzelfall zu finden. Entwicklungsziele kennt die Gesamtanlagensatzung nicht. Sie ist rein konservatorisch angelegt. Auf ihrer Grundlage allein sind keine Aussagen zu Weiterentwicklungen möglich. Mit der Gestaltungssatzung Altstadt Durlach soll eine möglichst nachvollziehbare, verbindliche Entscheidungsgrundlage für alle Beteiligten zur Anordnung der Baukörper, zur Ausführung der wesentlichen Bauteile (Dach, Fassade, Öffnungen) aber auch zu baulichen Details (Fenster, Werbeanlagen, Einfriedungen etc.) geschaffen werden. Sie soll Spielräume für Neubauten eröffnen und dabei eine harmonische Ensemblewirkung begünstigen. Die Vorschriften werden aus den örtlichen, durch die Dulacher Bau- und Planungsgeschichte geprägten Gegebenheiten heraus entwickelt und präzisieren die allgemeinen Anforderungen, wie sie sich aus der Landesbauordnung ergeben. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 4 - 2. Bauleitplanung 2.1 Vorbereitende Bauleitplanung Das Plangebiet ist im gültigen Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands Karlsruhe (FNP NVK) als "Gemischte Baufläche", „Gewerbliche Fläche, Sonderbaufläche“ und „Kerngebiet“ dargestellt. Die Festsetzungen weichen davon nicht ab. Die Darstellungen im Flächennutzungsplan bleiben von den Festsetzungen der Gestaltungssatzung unberührt. 2.2 Verbindliche Bauleitplanung Für das Plangebiet bestehen folgende Bebauungspläne: Bebauungsplan Nr. 614 „Nutzungsartfestsetzung (ehem. Bauordnung der Stadt Karlsruhe)“, rechtsverbindlich seit 22.2.1985, Bebauungsplan Nr. 420 „Palmaienstraße, Kanzlerstraße“, rechtsverbindlich seit 29.07.1896, Bebauungsplan Nr. 421 „Pfinztalstraße von Pforzheimer Straße bis Hengstplatz, rechtsverbindlich seit 13.02.1901 Bebauungsplan Nr. 410 „Hengstplatz“, rechtsverbindlich seit 28.08.1905, Bebaunngsplan Nr. 408 „Kanzlerstraße, Amalienbadstraße, Basler-Tor-Straße, Palmaienstraße“, rechtsverbindlich seit 14.08.1912 Bebauungsplan Nr. 729 „Pforzheimer Straße, Pfinzstraße, Lederstraße, Seboldstraße und Pfinztalstraße“, rechtsverbindlich seit 10.3.2000, Bebauungsplan Nr. 823 „Karl-Weysser-Straße, Karlsburgstraße, Pfinztalstraße, Badener Straße“, rechtsverbindlich seit 15.02.2013 und Bebauungsplan Nr. 846 „Innenbereich Karlsruhe Durlach“, rechtsverbindlich seit 01.07.2016. Für den Geltungsbereich der vorliegenden Gestaltungssatzung werden diese Pläne wie folgt ergänzt. Bestehende Bebauungspläne bleiben bezüglich ihrer planungsrechtlichen Festsetzungen unverändert. Die örtlichen Bauvorschriften werden durch die Festsetzungen der Gestaltungssatzung beim Bebauungsplan Nr. 729 und Nr. 823 ergänzt. 3. Denkmalschutz In der Durlacher Altstadt stehen nicht nur viele Einzelgebäude als Kulturdenkmal unter Schutz. Vielmehr wurde im Jahr 1998 im Rahmen der Gesamtanlagensat- zung „Altstadt Durlach“ das Straßen-, Platz-, und Ortsbild im Bereich der histori- schen Altstadt Durlachs als Ganzes unter Denkmalschutz gestellt. Dieser Schutz ist umfassend und betrifft gemäß Satzungstext das vorhandene Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt, wie es sich gegenwärtig von innen, aber auch von außen, beispielsweise vom Turmberg aus gesehen, darstellt. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 5 - 4. Bestandsaufnahme 4.1 Räumlicher Geltungsbereich Das ca. 32 ha große Planungsgebiet liegt in Karlsruhe-Durlach. Maßgeblich für die Abgrenzung des Planungsgebietes ist der zeichnerische Teil. 4.2 Vorhandene Bebauung Das äußere Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt wird maßgeblich von einer historisch gewachsenen Stadtstruktur und einer Vielzahl baulicher Kultur- denkmale aus unterschiedlichen Zeitepochen geprägt. Die in der Altstadt erlebbare, hohe städtebauliche Qualität entsteht aus den Besonderheiten des öffentlichen Verkehrsraums mit seinem charakteristischen Kreuz- und Ringstraßensystem mit unterschiedlich dimensionierten Platzräumen, aber auch aus den fernwirksamen Sichtbezügen zu den Kirchtürmen, zum Rathausturm und zum Turmberg. Auch der Blick zurück vom Turmberg auf die Straßen- und Dachlandschaft der Altstadt erschließt die Besonderheit der ehe- maligen Markgrafenstadt. Im Altstadtkern präsentieren sich die Straßenzüge über weite Strecken hinweg wohltuend einheitlich, wobei die Qualität der straßenbegleitenden Bebauung wegen der Krümmung der Ringstraßen in besonderer Weise erlebbar wird. Die Altstadt kennzeichnet aber auch der Kontrast: Öffentliche Gebäude wie das Rathaus, die Kirchen, die Schulen und insbesondere die Karlsburg setzen städtebauliche Akzente. Mitunter stehen Gebäude wie z.B. die in der Gründerzeit errichtete Löwen-Apotheke in starkem stilistischem Gegensatz zur umgebenden Bebauung. Die städtebauliche Qualität der Altstadt hat sich aus der Summe vieler einzelner Bauprojekte entwickelt, die überwiegend in hoher planerischer und handwerklicher Qualität, sensibel in das städtebauliche Umfeld eingefügt wurden. Dies gilt insbesondere für Baumaßnahmen aus der Zeit der Sanierung 1984-2004, in der das Ortsbild mit hohem Betreuungsaufwand seitens der Denkmalpflege und der Stadtplanung gepflegt und weiterentwickelt wurde, aber durchaus auch für Beispiele aus jüngster Zeit. Ebenso gibt es weniger gelungene Maßnahmen und es gibt die vielen „kleinen Sünden“ (unproportionierte Anbauten, unangemessene Materialwahl, übertriebene Werbeanlagen), die in der Summe die Wirkung des historischen Stadtbildes schwächen. 5. Planungskonzept Die mit dieser Satzung verfolgten Ziele sind im Wesentlichen folgende: Die bauliche Entwicklung der Durlacher Altstadt soll so gesteuert werden, dass ihre unverwechselbare Identität erhalten bleibt. Dazu sollen Regelungen getroffen werden, die die essentiellen Gestaltungsmerkmale in ihrem Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 6 - Erscheinungsbild erhalten und diese Gestaltungsmerkmale zur Richtschnur für bauliche Ergänzungen machen. Gleichzeitig sind im Sinne der Attraktivität der Altstadt als Wohn- und Wirtschaftsstandort und zur Sicherung der durch die Sanierung erreichten Erfolge auch Freiräume für eine qualitätvolle aber am Bestand orientierte Weiterentwicklung zu schaffen. Es sollen erweiterte Einflussmöglichkeiten aus einem grundsätzlich erhaltenden Blickwinkel auf Veränderungen der räumlichen, städtebaulichen und architektonischen Situation und des äußeren Erscheinungsbildes der Altstadt Durlach geschaffen werden. Diese Einflussmöglichkeiten sollen über die Möglichkeiten des Denkmalschutzes hinausgehen und auch städtebaulich begründet sein. Darüber hinaus sollen gestaltrelevante Erscheinungen, die den Regelungen des Denkmalschutzgesetzes nur unzureichend zugänglich sind, im Sinne einer positiven, gestalterischen Weiterentwicklung des Ortsbildes gesteuert werden. Störende Werbeanlagen sollen ausgeschlossen werden. Zulässige Werbeanlagen sollen in das Stadtbild integriert und den städtebaulichen und architektonischen Ausdrucksformen untergeordnet werden. Die ebenfalls wünschenswerte, vereinheitlichende und vereinfachende Gestaltung von Stadtmobiliar und Mobiliar von Außenbewirtungen und die Steuerung von Gegenständen aus Sondernutzungen im öffentlichen Raum können aus rechtlichen Gründen nicht in dieser Satzung geregelt werden. Sie werden in den Hinweisen angesprochen. 5.1 Zonierung des Geltungsbereiches Um den unterschiedlichen städtebaulichen Situationen innerhalb der Altstadt ge- recht zu werden, wird der Geltungsbereich in verschiedene Zonen mit differen- zierter Regelungstiefe unterteilt. Manche Regelungen gelten für den gesamten Geltungsbereich, manche nur für einzelne Zonen. Die Zonierung wurde mit Blick auf die unterschiedlichen historischen Baustrukturen festgelegt (6.2 Lageplan S. 21). Es wird Gebäudetypologisch unterschieden in: Zone A - Kernstadt / Durlacher Modellhaus Im Bereich der Kernstadt ist das historische Ortsbild durch eine charakteristische Bauform geprägt, die sich auf die „Durlacher Modellbauverordnung“ von 1698 bezieht und damit der gestalterischen Zielsetzung für den Wiederaufbau nach dem Stadtbrand im Jahre 1689 entspricht. Typische Merkmale sind:  meist 2-Geschosse  Gebäude traufständig zur Straße  Dachneigung um 50°  Geschlossene Dachflächen mit Dachüberstand an der Traufe, als Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 7 - Kastengesims ausgebildet  Rotbraune Biberschwanzeindeckung  Verputzte Fassade, durch horizontale Gesimse, Fenster und Klappläden rhythmisch gegliedert  Gebäude stehen auf einem vorspringenden Sockel Zone B – Stadtmauerbebauung Die Bebauung auf der Flucht der mittelalterlichen Stadtbefestigung bzw. auf Resten der alten Stadt- / Zwingermauer hat als vormals untergeordneter, von Nebengebäuden geprägter Stadtbereich historisch folgende typische Merkmale:  meist 2-Geschosse  Gebäude traufständig zur Straße bzw. Stadtmauerflucht  Dachneigung um 50°  Kleinflächige oft differenzierte Dachlandschaft mit meist geschlossenen Dachflächen ohne Öffnungen  Unverputzte Natursteinfassaden, Fachwerkfassaden, verputzte Fassaden In dieser Zone finden sich auch Sonderlösungen für Fassaden- und Dachgliederungen aus der Zeit der Sanierung, die die Geschlossenheit der Mauerflächen von Stadt- und Zwingermauer betonen. Andererseits finden sich hier in die geschlossenen Flächen eingegliederte, größere verglaste Wand- und Dachflächen, die sich störungsfrei einfügen. Gestalterisch und funktional ähnlich ambitionierte Planungen sollen hier weiterhin möglich sein. Zone C - Innere und äußere Stadterweiterung Am Rand des Geltungsbereichs, aber auch entlang von Teilen der Pfinztalstraße, findet sich ein weniger homogener Gebäudebestand. Diese Bereiche der Altstadt sind geprägt durch Gebäude der Gründerzeit, der Nachkriegszeit und der darauf folgenden Jahrzehnte bis zur Gegenwart, mit größeren Dimensionen und vielfältigeren Materialien. Die „Stadterweiterung“ weist auch eine größere Vielfalt an Bautypen auf, als die beiden zuvor beschriebenen Zonen. Vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare und nicht sichtbare Bereiche Über diese Zoneneinteilung hinaus ist zu beachten, in welchem Umfang die betreffende Bebauung oder der Bauteil vom öffentlichen Verkehrsraum aus wahrnehmbar ist. Grundsätzlich sind Gebäude „ganzheitlich“ zu gestalten. Im Hinblick auf den Grundsatz der Angemessenheit ist es allerdings geboten, zwischen einsehbaren Bereichen mit höherem Regelungsbedarf und nicht einsehbaren Bereichen mit geringeren Anforderungen zu unterscheiden. Diesem Zweck dient die weitere Unterteilung der Zonen A und B in A1/A2 und B1/B2, wobei die Zonen A1 und B1 Gebäude bzw. Gebäudeteile umfassen, die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind und A2 und B2 solche, die nicht vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 8 - 5.2 Gestaltung Das Ortsbild und die vorhandene Baustrukturen in ihrer Maßstäblichkeit und mit ihren ortstypischen Gestaltungsmerkmalen sollen bei allen baulichen Maßnahmen grundsätzlich erhalten werden. Veränderungen im Erscheinungsbild von Gebäu- den müssen sich am Bestand orientieren und sich in die umgebende Bebauung einfügen. Vorhandene Gestaltungsmängel müssen im Zuge baulicher Maßnah- men beseitigt werden. Im Sinne einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung sol- len aber auch neue, an die gestalterischen Ziele dieser Satzung angepasste Lö- sungen möglich sein. Folgende Elemente sind für das äußere Erscheinungsbild der Altstadt Durlachs erheblich, weshalb sie Gegenstand der Festsetzungen sind:  Die städtebauliche Grundstruktur mit ovalem Stadtkern, der Vorstadt und dem Schlossbereich, die historischen öffentlichen und privaten Gebäude, der Verlauf von Stadtmauer und Graben und die mittelalterliche Parzellierung  Die von der historischen Bebauung geprägten Straßen und Platzräume mit ihren Profilen, den Belägen, der Möblierung des öffentlichen Raumes und den Grünbereichen  Die Gebäudefassaden mit ihren sich aus der Parzellengröße und Traufhöhe ergebenden Proportionen, ihren Gliederungen, die Dachzonen, die gestalteten Details an den Fassaden, die Farb- und Materialwahl, Fensterformate, Teilungen und Fensterläden, Tür- und Torflügel.  Gebäude, Bauliche Anlagen aller Art, Garagen, überdachte Stellplätze, Fahrgastunterstände, Vorbauten, Überdachungen, Verglasungen  private Freiflächen  Öffnungen in Außenwänden und Dächern  Außenwandverkleidungen, Verblendungen und Verputz baulicher Anlagen  Anlagen zur photovoltaischen und thermischen Solarnutzung  Windenergieanlagen  Masten, Leitungen, Sirenen, Fahnen, Einrichtungen der Brauchtumspflege  Technische Ausrüstungen des öffentlichen Raumes  Antennen  Einfriedungen  Stützmauern  Werbeanlagen  Automaten Die Festsetzungen gelten sowohl bei Neubauten als auch bei Sanierungen, Wie- deraufbauten, Umbauten, Instandhaltungen und Erweiterungen baulicher Anla- gen. Die Festsetzungen gelten ebenso für die nach § 50 Landesbauordnung (LBO) verfahrensfreien Vorhaben, welche gem. § 3 der Satzung im Kenntnis- gabeverfahren anzuzeigen sind. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 9 - Die Satzung gliedert sich im Einzelnen wie folgt: 5.2.1 §§ 1 bis 5 sowie 15 und 16 - Allgemeine Regeln In den §§ 1 bis 5 werden zunächst der räumliche und sachliche Geltungsbereich festgesetzt, anzeigepflichtige Maßnahmen beschrieben, die Zulässigkeit sowie die Voraussetzungen für Ausnahmen bzw. Befreiungen von den Satzungsinhalten definiert und das Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften geklärt. Nach den inhaltlichen Festsetzungen wird der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erläutert (§ 15) und auf die erforderlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten der Sat- zung hingewiesen (§ 16). 5.2.2 § 6 – Gestaltungsgrundsätze Die Gestaltungsgrundsätze beschreiben die Hauptanliegen der Satzung, nämlich die Erhaltung und Fortschreibung der städtebaulichen und architektonischen Besonderheiten der Durlacher Altstadt. Maßnahmen müssen sich in die Eigenart der die Umgebung prägenden Bebauung einfügen. Dies ist nicht nur bei Maßnahmen an Hauptgebäuden zu fordern (z.B. Neubauten, Wiederaufbauten, Umbauten, Erweiterungen), sondern auch bei sonstigen Bauteilen und Anlagen (z.B. Werbung, Antennen, Einfriedungen oder Anlagen zur Solarenergienutzung). Die Festsetzungen beziehen sich auch auf Detailausbildungen (Dächer, Fassadenputz, Gebäudesockel, Türen, Fenster, Schaufenster), da diese Elemente in ihrer Gesamtheit das Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt mit bestimmen. Die Grundsätze sind auch bei der Gestaltung von öffentlichen Straßen und Plätzen, im Zusammenhang mit der öffentlichen Beleuchtung, Oberflächengestaltung und bei der Errichtung von baulichen Anlagen im öffentli- chen Raum, insbesondere bei technischen Anlagen der Versorgungsträger anzuwenden. Auf Gebäude, Gebäudegruppen sowie sonstige bauliche Anlagen und Freiräume von geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung ist besondere Rücksicht zu nehmen (z.B. Stadtmauerbebauung am alten Friedhof oder die Bereiche Friedrichsschule, Marktplatz, Saumarkt, Karlsburg, Hengstplatz). Wiederherstellung des historischen Bildes Wann immer dies möglich ist, sind bauliche Veränderungen, die das historische Erscheinungsbild eines Gebäudes erheblich beeinträchtigt haben, bei Umbau- und Renovierungsmaßnahmen zu beseitigen. Falls eine Rekonstruktion nicht sinnvoll möglich bzw. unter Abwägung sonstiger berechtigter Interessen nicht vertretbar ist, ist eine Angleichung an das historische Erscheinungsbild oder dessen gestalterisch schlüssige Weiterentwicklung anzustreben. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 10 - Erhalt historischer Gebäudeabstände Die städtebauliche Besonderheit der Durlacher Altstadt wird bereichsweise auch durch historische Gebäudeabstände gekennzeichnet, welche die nach Landesbauordnung (LBO) heute einzuhaltenden Gebäudeabstände zum Teil deutlich unterschreiten. Zur Sicherung dieser ortstypischen Charakteristik sind solche historisch begründeten Abstände bei Um- und Neubauten beizubehalten bzw. wiederherzustellen. Andere als die in der LBO festgesetzten Gebäudeabstände werden insoweit für zulässig er- klärt. Dabei darf es zu keiner Beeinträchtigung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse kommen und die Belange des baulichen Brandschutzes müssen gewahrt bleiben. Erhalt der historischen Gebäudeteilung Bei einer Zusammenlegung von Grundstücken oder Gebäuden soll die ortsbildprägende historische Gebäudeteilung in Fassade und Dach durch eine differenzierte Gestaltung ablesbar bleiben. 5.2.3 § 7 Dächer und Dachaufbauten Die Festsetzungen betreffen Dachform und Dachneigung, die Materialien zur Dacheindeckung, die Ausformung von Dachrändern / Dachgesimsen / Kaminen / Ortgängen, ferner auch Dachterrassen, Dacheinschnitte, Dachflächenfenster, Firstverglasungen sowie Dachgauben und Zwerchgiebel. Die Regelungen sind erforderlich, weil das Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt in besonderem Maß auch von ihrer Dachlandschaft mitbestimmt wird. Dies wird nicht erst vom Turmberg aus ersichtlich, sondern bereits innerhalb der historischen Straßenräume, wo die Dachflächen aus zahlreichen Blickwinkeln heraus zusammen mit den Gebäudefassaden prägend erlebbar werden. Der Erhalt historischer Dachkonstruktionen und Dachdeckungen ist grundsätzlich einer Nachbildung vorzuziehen. Nachbildungen regeln die Festsetzungen der Satzung. Beispiele für Dachformen und Dachmaterialien Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 11 - Dachform und Dachneigung Durch die Festsetzungen soll erreicht werden, dass bei geschlossener Bauweise (Gebäude stehen beidseitig auf der Grenze) nur Satteldächer mit Firstlage in Ge- bäudemitte und beidseitig weitestgehend gleicher Dachneigung entstehen. Eine solche symmetrische Dachausbildung ist kennzeichnend für die Altstadt. Einseitige Veränderungen der Dachneigung („Aufklappungen“) entsprechen hingegen nicht dem historischen Vorbild und wirken in den meisten der realisierten Fälle in ihrer städtebaulich-gestalterischen Außenwirkung „ungelenk“. Sie können in den Fällen, wo die Dachseiten nicht gemeinsam wahrnehmbar sind und die Abweichung geringfügig sind und zu einer erheblich besseren Nutzbarkeit von Innenräumen oder einer verbesserten Zugänglichkeit von Außenräumen führen, ausnahmsweise auch nicht symmetrisch ausgeführt werden. Zurückgesetzte Dachgeschosse und Drempelgeschosse sind in bestimmten Zonen unzulässig, da sie den seinerzeitigen technischen Möglichkeiten und gestalterischen Gepflogenheiten nicht entsprechen und daher nicht oder nur in extrem seltenen Fällen ausgeführt wurden und somit untypisch für das zu erhaltende beziehungsweise neu zu gestaltende Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt sind. Bei Gebäuden in offener Bauweise (beidseitiger seitlicher Grenzabstand) oder mit einseitigem Grenzanbau sind, entsprechend einer Anzahl historischer Vorbilder, auf den Gebäudeseiten mit Grenzabstand auch Walm- und Krüppelwalmdächer zulässig. Die zulässige Dachneigung beträgt entsprechend den historischen Leitbildern (siehe Ziffer 5.3 der Begründung) und unter Sicherung einer angemessenen planerischen Flexibilität bei Sattel-, Walm- und Krüppelwalmdächern 40 bis 50 Grad. In der Zone C sind auch Mansarddächer zulässig, da diese häufig bei der dort überwiegend vorhandenen gründerzeitlichen Bebauung realisiert wurden. In den Zonen A 2 und B sind auch andere Dachformen zulässig, weil es sich hier in der Regel um Nebenhäuser – oft als Grenzbebauung - handelt, die bereits bei der Erbauung beispielweise mit Pultdächern etc. errichtet worden waren. Historisch begründete Dachneigungen und Dachdeckungen sind anzustreben. Dachmaterialien / Kamine / Dachzubehör Naturrote oder braune, unglasierte Ziegel mit einer matten Oberfläche sind die vorherrschenden und historisch begründeten Dachmaterialien und Dachfarben. Darüber hinaus werden weitere Details zur Dachgestaltung festgesetzt, die den historischen technischen und gestalterischen Möglichkeiten entsprechen und daher typisch für das zu erhaltende Erscheinungsbild sind. Auch unter Beachtung dieser Regelungen verbleibt für die Eigentümer/innen ein ausreichender Gestaltungsspielraum. Die Regelungen zu Material und Ausführung der Dachaufbauten ergänzen die Festsetzungen im Sinne einer ganzheitlichen Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 12 - Gestaltung der Dachlandschaft als „fünfter Fassade“ Durlachs. Dachrand / Aufschieblinge / Ortgang Kastengesimse, Aufschieblinge und Ortgänge zählen zu den charakteristischen Merkmalen der Durlacher Altstadt und sind deshalb in den gestalterisch besonders wichtigen Zonen A1 und B 1 zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Beispiel für (Sattel-) dachgaube und Dachrand mit Überstand als Kastengesims und mit Aufschiebling Dacheinschnitte / Dachterrassen / Dachflächenfenster Dacheinschnitte, Dachterrassen und Dachflächenfenster sind keine historisch begründeten Bauteile und sollen den Straßenraum der Altstadt insofern gestalterisch nicht mitbestimmen. Ihre Zulässigkeit ist deshalb auf die weniger sensiblen Zonen beschränkt. Dachflächenfenster und Dachfirstverglasungen sind außerdem in ihrer Anordnung reglementiert um Störungen der entsprechend dem historischen Vorbild möglichst vollständig geschlossenen Dachflächen zu minimieren. Gauben / Zwerchgiebel - Maße und Abstände Das historische (barocke) Ortsbild war bestimmt durch ruhige Dachflächen ohne, bzw. mit sehr kleinen Dachaufbauten und Öffnungen. Seit sehr langer Zeit werden Dächer jedoch ausgebaut und höherwertig genutzt. Eine erhebliche Anzahl von Dachausbauten geht auf die Periode der Sanierung und die jüngste Zeit zurück. Dabei wurden Standards angewandt, die ebenso, wie die Gestaltungssatzung zum Ziel hatten, die zeitgemäße Nutzung von Dachge- schossen zu erlauben, aber gleichzeitig die Ablesbarkeit der alten Dachformen zu gewährleisten. Diese Standards wurden im Grundsatz beibehalten und im Detail an aktuelle bauphysikalische und baurechtliche Vorschriften angepasst. Die festgesetzten Maximaldimensionen von Dachgauben und Zwerchgiebeln sowie deren Abstände untereinander, zu Traufe und First und zum Ortgang des Hauptdachs sichern ein angemessenes Verhältnis zwischen den unterzuordnenden Dachaufbauten und dem dominierenden Hauptdach. Bei Gauben handelt es sich um Dachaufbauten, mit denen die Dachtraufe nicht unterbrochen wird. Skizze Stirnhöhe / Stirnfläche von Gauben Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 13 - Zwerchgiebel im Sinne dieser Satzung sind Dachaufbauten, welche die Dachtraufe unterbrechen. Beispiel für Zwerchgiebel und Gauben 5.2.4 § 8 Fassaden Der Erhalt historischer Fassaden ist grundsätzlich einer Nachbildung vorzuziehen. Ansonsten wird die Verwendung sogenannter „Lochfassaden“ festgesetzt. Lochfassaden sind Fassaden mit untergeordneten Öffnungsanteilen und überwiegenden Wandanteilen (durchgängige Fensterbänder z.B. sind unzulässig). Lochfassaden beruhen auf den technischen Möglichkeiten und den daraus entwickelten gestalterischen Vorstellungen nahezu der gesamten Baugeschichte. Sie folgen einer handwerklichen Tradition, die sich in den Regularien zum Modellbauverordnung niederschlägt und sind in der Folge kennzeichnend für die Altstadt geworden. Lochfassaden finden durchaus auch in der Architektur der Gegenwart Anwendung. Die Festsetzung ist insofern auch mit Blick auf heutige Bauformen angemessen. Beispiele Fassaden Fassadengliederung Die gestalterische Abstimmung der Erd- und Obergeschosse und die gegenseitige Bezugnahme von Öffnungen innerhalb einer Fassade sind eigentlich gestal- terische Selbstverständlichkeiten. Das Erfordernis einer diesbezüglichen Festsetzung ergibt sich allerdings aus der Analyse einer ganzen Anzahl anders gearteter Beispiele, die zur gestalterischen Beeinträchtigung der Altstadt beitragen. Vor diesem Hintergrund werden auch Störungen oder Unterbrechungen einer Fassade durch untergeordnete Bauteile (z.B. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 14 - Werbeanlagen) per Satzung geregelt und der Erhalt bzw. die Wiederherstellung vorhandener Gliederungs- und Gestaltungselemente wie horizontale Gesimse, Lisenen, Fenster-, Tür- und Torgewände, Sockel, Sohlbänke oder Klappläden festgesetzt. Sichtfachwerk Sichtfachwerk (kunstvoll gefertigtes Fachwerk, welches als Sichtfassade ohne Verputz geplant worden war) ist zu erhalten. Die Freilegung von Fachwerk ist grundsätzlich nur bei Sichtfachwerk zulässig, und nur dann, wenn ein nachträglich aufgebrachter Verputz nicht seinerseits erhaltenswert ist. Eine Festverglasung von Gefachen ist in Zone A1 unzulässig, da sie nicht dem dort angestrebten Gestaltungsziel entspricht. Sichtbare Fachwerke müssen dunkler gestaltet sein als die Ausfachungen, da die weit überwiegende Mehrzahl der historischen Vorbilder diesem Prinzip folgt und die dunklere Farbe, welche mit Stabilität assoziiert wird die Konstruktionsweise des Fachwerkbaus bildlich ausdrückt . Zulässigkeit von Balkonen, Loggien und Erkern Balkone, Loggien und Erker sind als besonders auffällige und historisch für den überwiegenden Teil der Altstadt untypische Bauteile grundsätzlich nur in den Gestaltungszonen zulässig, die nicht vom öffentlichen Raum (Straßen und Plätze) aus sichtbar sind. Ausnahmen sind im Falle des Ersatzes solcher historisch vorhandener Bauteile oder auch bei Neubauten möglich, wenn sie sich maßstäblich einfügen und das für die jeweilige Zone angestrebte Erscheinungsbild nicht beeinträchtigen. Straßenzug ohne Rücksprünge oder Vorbauten Fassaden und Sockel / Materialien Fassaden- oder Sockelverkleidungen aus Holz, Metall, Kunststoff, Faserzement, Keramikfliesen, Waschbeton, Natursteinimitationen, sowie Verkleidungen oder Fassadenelemente, die andere Materialien oder Fassadenkonstruktionen imitieren, können gestalterisch so dominant in Erscheinung treten, dass sowohl die Wirkung der einzelnen Fassade als auch das umgebende städtebauliche Ensemble beeinträchtigt werden. In der Regel sind bei den hier auf dem Markt Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 15 - befindlichen Produkten Imitate auch von Laien eindeutig von originalem Material unterscheidbar und werden aufgrund Ihres minderwertigen Erscheinungsbildes und ihres abweichenden Alterungsverhaltens als störend empfunden. Daher sollen solche untypischen, oft einem kurzlebigen Zeitgeist folgende Materialien in der traditionell von qualitätvoller Handwerksarbeit geprägten Durlacher Altstadt keine Verwendung finden. Zu Verwenden sind vielmehr fein- bis mittelkörnige, richtungslos verriebene Außenputze (Zonen A und B) sowie Gebäudesockel, die ebenfalls verputzt oder mit unpoliertem, ortstypischem Sandstein oder mit Beton und Natursteinvorsatz verkleidet sind. Zur Wahrung der gestalterischen Kontinuität sind in der Zonen A1 auch Neubauten mit einem Sockel auszubilden. Fassaden – Farben Die festgesetzten Farbangaben beziehen sich auf das RAL-Classic-System für Sockelfarben bzw. das RAL-Design-System und sind insofern objektivierbar. Damit sichern sie sowohl die gestalterische Vielfalt als auch eine behutsame Farbabstimmung im Durlacher Altstadtkontext. Unverzichtbar ist allerdings, dass alle Fassadenfarben grundsätzlich vor der Ausführung anhand von örtlich anzu- bringenden Farbmustern mit der Denkmalbehörde bzw. dem Stadtplanungsamt abzustimmen sind. Beispiel Sockel Beispiel Fassade mit Tor und Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 16 - Fenster Fassade OG: RAL 050 80 30 Fassade EG: RAL 060 90 05 Gewände/Gesimse: RAL 050 90 10 Beispiel Fenster / Klappläden Energetische Maßnahmen an Fassaden Das gewachsene Erscheinungsbild der Kernstadt ist wesentlich geprägt durch die bündig mit den Nachbargebäuden stehenden, geschlossenen Fassaden. Vor- sprünge, wie sie sich durch das Aufbringen von Dämmung zwangsläufig ergeben, würden dieses Erscheinungsbild beeinträchtigen und zudem wichtige Gliederungselemente der alten Fassaden überdecken. Auf historischen Fassaden ist daher das Aufbringen von Wärmedämmverbundsystemen oder vergleichbaren flächigen Fassadensystemen unzulässig. Die Festsetzung ist zur Sicherung des historischen Erscheinungsbildes der Altstadt unverzichtbar und angemessen weil es bei der energetischen Gebäudesanierung auch alternative Verfahren z. B. im Gebäudeinneren gibt. 5.2.5 § 9 Türen, Tore, Fenster, Läden, Schaufenster Die für die Zonen A1 und B1 festgesetzte Verwendung von hochkant stehenden, rechteckigen Fensterformaten entspricht der ortstypischen, historisch be- gründeten Tradition. Dies gilt ebenso für die Gliederung durch Profile oder Pfosten. Zugestrichene oder durch Werbung überdeckte Türen, Tore, Fenster und insbesondere die zu einem unproportional hohen Anteil mit Werbung überzogenen Schaufensterflächen sind erfahrungsgemäß nicht werbewirksam, sondern deuten eher auf einen funktionalen Missstand hin, der Passanten verunsichert und abstößt. Türen, Tore und Fenster dürfen deshalb nicht zugestrichen und nicht durch Werbeverklebung überdeckt werden. Bei Schaufenstern ist es oft der Fall, dass kleinere Teilflächen zu Werbezwecken auch beklebt werden. Dies soll allerdings dauerhaft nicht zu mehr als 10% der Schaufensterfläche zulässig sein. Aus- Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 17 - nahmen für beschränkte Zeitdauer sind möglich, z.B. für Umbau und Dekoration. Die Verwendung von Glassprossen im Scheibenzwischenraum (unechte Sprossen) wirkt gestalterisch „billig“ weil handwerklich nicht begründet und stellt keinen angemessenen Ersatz für das historische Vorbild dar. Sie sind daher nicht zulässig. Störend und im historischen Ensemble oft unangemessen dominant wirken Glasbausteine, Verglasungen aus getöntem Glas, Draht-, Struktur-und Spiegelglas. Sie sind ebenfalls nicht zulässig. Schaufenster in Fassadenbild eingefügt Durch die verbindliche Festsetzung von Toren an Gebäudedurchfahrten sollen die baulich geschlossene, „stabile“ Wirkung einer Fassade unterstützt und „dunkle Löcher“ in der Ensemblewirkung vermieden werden. Rollgittertore können ebenfalls zu einer solchen negativen Wirkung beitragen und sind daher unzulässig. Zur Dimensionierung von Schaufenstern werden Maßgaben hinsichtlich ihrer maximalen Breite und in Bezug auf gliedernde Pfosten, Pfeiler oder Mauerabschnitte festgesetzt. In diesem Zusammenhang ist auch § 8 der Satzung - Fassaden - zu beachten, wo z.B. die gegenseitige gestalterische Bezugnahme von Fassadenbauteilen gefordert wird. Auch nach Ladenschluss können Schaufenster mit ihren Auslagen ein attraktives Umfeld für Besucher der Altstadt bieten. Schaufenster, die durch Rollläden ver- schlossen sind, können diese Qualität nicht entfalten und sind deshalb unzulässig. Ausnahmen sind nur bei Vorlage einer entsprechenden versicherungs- technischen Forderung möglich. Wie Fenster und Türen zählen auch Klappläden zu den wichtigen und oft historisch begründeten Gliederungs- und Gestaltungselementen einer Fassade. In den Zonen A1 und B1 sind vorhandene Klappläden deshalb in ihrem äußeren Erscheinungsbild zu erhalten oder ersatzweise in Holz wiederherzustellen. Alle Klappläden auf einer Fassadenseite müssen gleich gestaltet sein. Rollladenkästen sind funktional durchaus begründet, sollen aber nicht zur gestalterischen Beeinträchtigung der Fassade führen. Rollladenkästen die vor die Fassade vorstehen oder das Fensterformat verkleinern sind deshalb unzulässig. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 18 - 5.2.6 § 10 Markisen und Vordächer Markisen und Vordächer sind untergeordnete Bauteile einer Fassade. Als integrierter Bestandteil eines Gebäudes können sie einen wichtigen Beitrag für den Gesamteindruck einer Fassade leisten und als Wetterschutz zum Verweilen im Schaufenster- und Gastronomieaußenbereich einladen. Unproportionale Konstruktionen und die Verwendung unangemessener Materialien können hingegen den gestalterischen Gesamteindruck einer Fassade zerstö- ren. Insbesondere durch massive, über das ganze Ge- bäude hinweg gezogene und weit auskragende Vordächer kann der der Blick auf die Obergeschosse versperrt und die Fassade der Obergeschosse optisch „abgeschnitten“ werden. Beispiel Markisen Die Festsetzungen zu Dimension, Konstruktion, Material und Farbe sichern eine angemessene Einordnung der Markisen und Vordächer in das Fassadenbild und das umgebende städtebauliche Ensemble. 5.2.7 § 11 Einfriedungen Einfriedungen sind zwar im städtebaulichen Gefüge der Durlacher Altstadt ein eher seltenes Element, können allerdings das Erscheinungsbild des öffentlichen Raums beispielweise in der Zone C, aber auch im südlichen Teil des Altstadtringes durchaus mitprägen. Die entsprechenden Festsetzungen dienen dazu auch hier gestalterische Mindeststandards zu gewährleisten. Beispiel Einfriedung 5.2.8 § 12 Werbeanlagen Außenwerbung an Gebäuden darf optisch nicht so dominant werden, dass die gestalterische Qualität einer Fassade oder eines baulichen Ensembles verloren gehen. Deshalb ist es notwendig, dass Werbeanlagen einen Bezug zum „Ort der Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 19 - Leistung“ (dem Geschäft bzw. Betrieb) herstellen, sich bezüglich Lage und Pro- portion der Fassadenstruktur anpassen, keine wichtigen Bauteile überdecken und hinsichtlich Größe und Anzahl in einem Umfang verbleiben, der sich der Ge- bäudefassade unterordnet und nicht etwa, wie auch Durlacher Beispiele zeigen, die Fassade beherrscht. Neben der klassischen Geschäftswerbung sind heute auch Werbeanlagen verbreitet, die sich durch übertrie- bene optische Präsenz gegenüber der schützenswer- ten Durlacher Bausubstanz in den Vordergrund drän- gen und die deshalb ausgeschlossen werden. Dabei handelt es sich um bewegte Werbung und Werbung mit wechselndem oder grellfarbigem Licht oder Werbung in Signalfarben, auch bei registrierten Firmen- oder Markenzeichen. Beispiel Werbeanlage Bei Werbeanlagen im öffentlichen Verkehrsraum, die mittels Verträgen der Stadt oder ihrer Gesellschaften geregelt werden wird die Verträglichkeit mit dem zu schützenden äußeren Erscheinungsbild der Durlacher Altstadt mittels entsprechender gestalterischer Betreuung durch die Stadt im Genehmigungsverfahren gewährleistet. 5.2.9 § 13 Wertvolle Bauteile Bauteile wie Wappen, Schlusssteine, Gewände, Konsolen, Zierfiguren, historische Bodenbeläge, Einfriedungen u.a. tragen zum sinnlich wahrnehmbaren Gesamteindruck der Altstadt bei. Die sie betreffenden Festsetzungen dienen dazu auch diese Details der überlieferten Gestaltung des Durlacher Ortsbildes zur Bereicherung des gegenwärtigen und zukünftigen Erscheinungsbildes zu erhalten. Beispiel Wertvolle Bauteile 5.2.10 § 14 -Technische Bauteile Die Nutzung von Solarenergie ist generell gesehen eine sinnvolle und wünschenswerte Entwicklung. Aufgrund der dunklen Farbe der Module, der reflektierenden Oberflächen und der Montage oberhalb der Dachhaut lassen sich Solaranlagen jedoch nur schwer in die historische Dachlandschaft integrieren und stören das historische Ortsbild durch ihre großen Flächenanteile. Antennen und sog. Satellitenschüsseln sind aufgrund Ihrer exponierten Lage besonders geeignet, das Erscheinungsbild der Dächer und Fassaden zu Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 20 - beeinträchtigen. Deshalb soll die Anzahl und die Größe von Antennen auf das unumgängliche Maß beschränkt und der Gestaltung des Hauses angepasst werden. Weder Solar- bzw. Photovoltaikanlagen noch Satellitenempfangsanlagen (sog. „Schüsseln“) noch Klimageräte sollen aus der Durlacher Altstadt verbannt werden. Allerdings sind sie nur auf den nicht vom öffentlichen Raum her einsehbaren Dach- und Fassadenflächen zulässig. Insofern kann es im Einzelfall vorkommen, dass die Errichtung von Solar- bzw. Photovoltaikanlagen auf Gebäudedächern aufgrund einer ungünstigen Himmelsrichtung ausscheiden muss oder zur Klimatisierung von Räumlichkeiten ein anderes Konzept als die Aufstellung von Einzelgeräten zu wählen ist. Grund für die Beschränkung ist, dass solche Anlagen sowohl einzeln, insbesondere aber in der Häufung ein massives gestalterisches Problem darstellen können, wenn sie vom öffentlichen Raum aus sichtbar sind. Oft geschieht die Montage von Solar-, Photovoltaik-, Satelliten- und Klimageräten individuell aus rein technischen Erwägungen und ohne Rücksicht auf städtebauliche Belange. Sicher kann auch nicht erwartet werden, dass sich jeder Haus-/ Wohnungseigentümer, Mieter oder Monteur stets auch seiner städtebaulichen Verantwortung bewusst wird; gerade deshalb sind die Regelungen einer Gestaltungssatzung erforderlich. Die insofern möglichen Einschränkungen sind im Hinblick auf die hochrangige Schutzwürdigkeit der Durlacher Altstadt, die Vielzahl an Kulturdenkmalen und Ensembles sowie unter Berücksichtigung der historischen städtebaulichen Gesamtanlage abwägend in Kauf zu nehmen. Bei Satellitenempfangsanlagen ist der Rechtsprechung zu Folge das Recht der Anwohner auf frei zugängliche Information zu gewährleisten, weshalb die Anbringung solcher Anlagen nicht generell ausgeschlossen werden kann. Deshalb sind solche Anlagen in anderen Zonen als in Zone A2, B2 und in Zone C ausnahmsweise dann zulässig, wenn ein geordneter Empfang ohne die Antenne nachweislich nicht gewährleistet werden kann. Zum Schutz vor gestalterischer Ausuferung ist in solchen Fällen allerdings auf jedem Gebäude maximal eine Anlage zulässig. Auch private Müllbehälter können die Wirkung des öffentlichen Raums nachteilig beeinflussen. Das dauerhafte Aufstellen privater Müllbehälter im öffentlichen Straßenraum ist deshalb unzulässig. Das Aufstellen von Müllbehältern auf privaten Flächen, die unmittelbar an den öffentlichen Raum angrenzen, ist nur zulässig, wenn die Behältnisse verkleidet oder deren Standorte eingegrünt sind. Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 21 - 6. Beipläne zur Begründung Zur Erläuterung sind der Begründung folgende Pläne beigefügt: 6.1 Geltungsbereich Gestaltungssatzung (§ 74 LBO) 6.2 Lageplan mit Zoneneinteilung Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 22 - 6.3 Geltungsbereich Gesamtanlage (§ 12 DSchG) Karlsruhe, 16. Februar 2016 Fassung vom 18. Juni 2018 Stadtplanungsamt Prof. Dr.-Ing. Anke Karmann-Woessner karl-heinz.alm AKW 3 blau Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 23 - B. Allgemeine Hinweise 1. Archäologische Funde, Kleindenkmale Bei Baumaßnahmen besteht die Möglichkeit, dass historische Bauteile oder ar- chäologische Fundplätze entdeckt werden. Diese sind gemäß § 20 Denkmal- schutzgesetz (DSchG) umgehend dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Dienstsitz Karlsruhe, Moltkestraße 74, 76133 Karlsruhe, zu melden. Fund und Fundstelle sind bis zum Ablauf des vierten Werktages nach der Meldung in unverändertem Zustand zu erhalten, sofern nicht das Denkmalschutzbehörde einer Verkürzung dieser Frist zustimmt. Das Verschweigen eines Fundes oder einer Fundstelle ist ein Verstoß gegen das DSchG und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Evtl. vorhandene Kleindenkmale (z.B. Bildstöcke, Wegkreuze, historische Grenz- steine, Brunnensteine, steinerne Wegweiser und landschaftsprägende Natur- steinmauern) sind unverändert an ihrem Standort zu belassen und vor Beschädi- gungen während der Bauarbeiten zu schützen. Jede Veränderung ist mit der Denkmalschutzbehörde abzustimmen. 2. Baumschutz Bezüglich der Erhaltung der vorhandenen Bäume wird auf die am 12.10.1996 in Kraft getretene Satzung der Stadt Karlsruhe zum Schutz von Grünbeständen (Baumschutzsatzung) verwiesen. 3. Erneuerbare Energien Aus Gründen der Umweltvorsorge und des Klimaschutzes sollte die Nutzung er- neuerbarer Energien im durch die Satzung vorgegebenen Rahmen verstärkt an- gestrebt werden. Auf die Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) und des Gesetzes zur Nutzung erneuerbarer Wärmeenergie in Ba- den-Württemberg (EWärmeG) wird verwiesen. C. Hinweise zur Möblierung des öffentlichen Raums Die Wahrnehmung des Durlacher Stadtbildes soll nicht durch private Nutzung oder Überladung durch übermäßige Anordnung von Warenauslagen und Möblierungen beeinträchtigt werden. Für die Warenpräsentationen und Außenmöblierungen im öffentlichen Raum sind grundsätzlich entsprechende Genehmigungen der zuständigen städtischen Behörde einzuholen. Gestalterische Maßgaben für Warenpräsentationen und Außenmöblierungen sind im Rahmen einer Gestaltungssatzung nach Landesbauordnung rechtlich nicht möglich. Deshalb werden an dieser Stelle lediglich Hinweise gegeben, unter welchen gestalterischen Voraussetzungen eine Genehmigung in Aussicht gestellt werden kann: Gestaltungssatzung Altstadt Durlach Fassung vom 18. Juni 2018 - 24 - 1. Warenauslagen Die Aufstellung von Warenregalen zur Präsentation gewerblicher Produkte ist genehmigungsfähig, sofern die Restgehwegbreite mind. 1,60 m beträgt, die Regale unmittelbar vor der Fassade platziert werden, die in Anspruch genommene Fläche maximal 1,00 m tief ist und je Ladeneinheit nur einheitliche Warenträger mit einer max. Höhe von 1,25 m eingesetzt werden. 2. Außenbewirtung Eine Möblierung des öffentlichen Raums mit Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen ist genehmigungsfähig, wenn die Restgehwegbreite mind. 1,60 m beträgt, je Ladeneinheit nur einheitliche Möblierung und einheitliche Sonnenschirme eingesetzt werden und Möbel aus den Materialien Metall, Holz, Korb (auch Korb-Imitat aus Kunststoff) in zurückhaltenden Farben ohne Werbung verwendet werden. Abgrenzungen, Abschrankungen, Sichtschutz, Raucherzelte, Heizpilze etc. sind unzulässig. 3. Post/Telekommunikation Die Aufstellung und Ausgestaltung von Anlagen für Post (Aufbewahrungskästen u.ä.) und Telekommunikation ist mit der Ortsverwaltung und ggf. dem Stadtplanungsamt abzustimmen. 4. Kundenstopper Die Aufstellung von Kundenstoppern ist genehmigungspflichtig im Rahmen des Straßenrechts (Sondernutzungserlaubnis).
https://www.karlsruhe.de/b3/bauen/bebauungsplanung/plaene/altstadt_durlach/HF_sections/content/ZZkq4UN3kV2GGM/ZZnK01biQGa4Ym/Begr%C3%BCndung%20Gestaltungssatzung%20Durlach%2018062018%20final.pdf
Karlsruhe City Park Südstadt-Ost 38 | CITY PARK | DIE VERKEHRSPLANUNG DIE VERKEHRSPLANUNG VERKEHRSPLANUNG FÜR ALLE EIN GEWINN CITY PARK VERFÜGT ÜBER ATTRAKTIVE WEGEBEZIEHUNGEN FÜR FUSSGÄNGER UND RADFAHRER Neue Quartiere wie der City Park benötigen intelligente Lösungen in der Verkehrsplanung. Die Erschließung geschieht über drei Straßen aus verschiedenen Himmelsrichtungen, die Durchgangsverkehr im Quartier selbst und in den angrenzenden Gebieten weitgehend ausschließt. Die städtebauliche Zielsetzung guter Qualität für Wohnen und Arbeiten bei gleichzeitig hoher städtebaulicher Dichte stellte auch große Anforderungen an die Verkehrsplanung. Neben der Verkehrserschließung haben Straßen und Plätze im Quartier auch Aufenthalts-, Spiel- und Kommunikationsfunktion. Die Attraktivität der Wegebeziehungen für Fußgänger und Radfahrer war deshalb Voraussetzung, um möglichst viel motorisierten Individualverkehr zu vermeiden. Letzterer sollte trotzdem eine leistungsfähige Erschließung von und nach außerhalb erhalten. Dies ist im Quartier über drei Zugänge von Norden, Westen und Süden realisiert worden. Einmal geschieht die Erschließung über die Ludwig-Erhard- Allee in die Henriette-Obermüller- Straße, zum anderen von der Rüppurrer Straße aus in die Philipp-Reis-Straße und schließlich von der Stuttgarter Straße aus in die Amalie-Baader- Unter der Esplanade: Zufahrt in den City Park über die Henriette-Obermüller-Straße (2015) Straße und die Luisenstraße. Damit ist Durchgangsverkehr weitgehend ausgeschlossen – sowohl für den City Park als auch für den schon existierenden Teil der Südstadt.   Seit dem Jahr 2012 fährt die so genannte „Südostbahn“ durch den City Park. (2014) STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 39 ANDERE QUARTIERE WERDEN DURCH AUSBAU DER LUDWIG-ERHARD- ALLEE ENTLASTET Der Ausbau der Kriegsstraße-Ost zur vierspurigen Ludwig-Erhard- Allee entspricht der Gestaltung anderer Boulevards in Karlsruhe. Als Vorbild dient der Brauerboulevard am Rand der westlichen Innenstadt, der die Reinhold-Frank- Straße mit der Ebertstraße in Nord-Süd- Richtung verbindet. Trotz der vorrangigen Erschließungsfunktion der Ludwig- Erhard-Allee für den motorisierten Individualverkehr ist die Straße mit Baumreihen und leicht zu querenden, ebenerdigen Fußgängerüberwegen ausgestattet. Hinzu kommt eine parallel zur Hauptachse verlaufende Anliegerspur für den Einzelhandel, der sich auf der Südseite des Boulevards angesiedelt hat. Die Ludwig-Erhard-Allee, am 23. September 1998 freigegeben für den Verkehr, verbindet die Kriegsstraße mit der Wolfartsweierer Straße und dem ebenfalls neu gebauten Ostring. Ziel war, die Durlacher Allee und die angrenzenden Quartiere erheblich vom Autoverkehr zu entlasten und gleichzeitig eine leistungsfähige Erschließung für den City Park zu ermöglichen. Beide Ziele wurden erreicht: Die neue Allee nimmt zum einen den Ziel- und Quellverkehr von Norden her in den City Park auf und dient als „Zubringer“ für den Einzelhandel. Zum anderen ging die Belastung in der Durlacher Allee im Zeitraum von 14 Tagesstunden um 47 Prozent auf 22.000 Fahrzeuge zurück, in der Kapellenstraße sogar auf 20.000 Fahrzeuge. Weitere Entlastungen 40 | CITY PARK | DIE VERKEHRSPLANUNG - machten sich in der östlichen Kaiserstraße und in der Haid-und-Neu- Straße bemerkbar. Die Bebauung in der Hedwig-Kettler-Straße (2015) Im Jahr 2012 wurde die neue Straßen bahnlinie eröffnet, die vom Alten Schlachthof-Gelände kommend über die Ludwig-Erhard-Allee in die Henriette-Obermüller-Straße und die Philipp-Reis-Straße und schließlich in die Baumeisterstraße führt. Die Namen für die neue Bahnlinie waren schnell gefunden: Südostbahn oder Kulturbahn – in Anlehnung an die Tatsache, dass die Linie auch durch den Alten Schlachthof mit seinen vielen kulturellen und kreativwirtschaftlichen Angeboten führt. Insgesamt sind zwischen den bestehenden Strecken in der Südstadt und in der Durlacher Allee 2,2 Kilometer neue Gleise und vier moderne Haltestellen entstanden. Sie sind allesamt barrierefrei ausgebaut. Neben der Erschließung des City Parks ermöglicht die neue Strecke zusätzliche Fahrbeziehungen, beispielsweise vom Hauptbahnhof in Richtung Technologiepark oder nach Durlach. Bis zur Fertigstellung der Kombilösung dient die Strecke auch als Umfahrungsmöglichkeit der Baustellen in der Innenstadt. Eine weitere Straßenbahntrasse im Süden des City Parks über die Rahel- Straus-Straße und Luisenstraße wurde freigehalten, aber noch nicht realisiert. Zu klären ist hier der weitere Trassenverlauf außerhalb des City Parks. Nahezu in allen Straßen so umgesetzt: Autos werden auf einer Seite längs und auf der anderen seitlich geparkt (2009) Auf den Straßen im Quartier selbst ist der Verkehr auf Tempo 30 Kilometer pro Stunde reduziert. In einigen Fällen wurden auch verkehrsberuhigte Bereiche umgesetzt. Dazu wurden die Straßen an mehreren Stellen niveaugleich mit dem Gehweg gebaut. Was die Dimension angeht, sind die Straßen ähnlich angelegt wie in der bestehenden Südstadt. Die Erschließung des City Parks von Norden über die Ludwig-Erhard-Allee (2009) STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 41 Entsprechende Querschnitte fi nden sich beispielsweise in der Morgenstraße, der Luisenstraße oder der Werderstraße. Die Breite der Fahrbahn beträgt 4,50 Meter oder 5,50 Meter, die Gehwege sind jeweils 2,50 Meter breit. Im Unterschied zur Südstadt wurden die Straßen allerdings mit einer Baumreihe ausgestattet, die Freihaltetrasse für die Straßenbahn in der Rahel-Straus-Straße mit zwei Baumreihen. Der Stellplatznachweis wurde über den Bau von Tiefgaragen vorgenommen. Gleichwohl existieren auch oberirdische Stellplätze für Besucher im Quartier. In jeder Straße ist in der Regel auf der einen Seite Längsparkierung, auf der anderen Seite Senkrechtparkierung vorgesehen. Für die Innenhöfe ist Parken ausgeschlossen. Insgesamt nehmen Verkehrsfl ächen rund zehn Hektar des 33 Hektar großen Gebiets ein. Dazu zählen die Straßen und Gehwege, die Parkplätze, die verkehrsberuhigten Bereiche und die Verkehrsgrünfl ächen. Der Temeswar-Platz im Grünzug des City Parks (2015) 42 | CITY PARK | DIE FREIRAUMPLANUNG DIE FREIRAUMPLANUNG DIE MISCHUNG MACHT ES AUS GROSSE, ZUSAMMENHÄNGENDE GRÜNFLÄCHE MACHT NICHT NUR DEN CITY PARK, SONDERN DIE GANZE STADT UM EINE ATTRAKTION REICHER Der Stadtpark im City Park ist der dritte „grüne Finger“ in der Karlsruher Innenstadt – neben der Günther-Klotz- Anlage und dem Zoologischen Stadtgarten. Zusammen mit dem Otto-Dullenkopf-Park beseitigt der Stadtpark den Zustand fehlender Grünfl ächen im Südosten der Stadt. Und die Bewohnerinnen und Bewohner des City Parks leben in einem urbanen Umfeld und trotzdem in direkter Nachbarschaft zum Grün. Die Umsetzung des Stadtparks und die Fortsetzung des Grünzugs im Westen des City Parks sind zentrale Elemente im Gesamtkonzept des Areals. Die Idee einer großen zusammenhängenden Grünfl äche entstammt dem Ideenwettbewerb für die Bundesgartenschau 2001 und ist im Jahr 2015 fast vollendet. Der Stadtpark wird in einer ersten Dokumentation aus dem Jahr 2001 als „urbaner Stadtpark“ bezeichnet und verläuft im nördlichen Bereich des City Parks parallel zur Ludwig-Erhard-Allee. In seinen letzten Ausläufern ragt er bis an das Mendelssohnzentrum heran. Der Übergang vom urbanen Einzelhandel in den Stadtpark, gelegen in einem urbanen Umfeld, ist damit fl ießend. Für die Gesamtstadt spielt der Stadtpark ebenfalls eine wichtige Rolle: Er ist nach der Günther-Klotz-Anlage im Westen und dem Zoologischen Stadtgarten in zentraler Lage der dritte „grüne Finger“ für den Südosten der Stadt – gemeinsam mit dem Otto-Dullenkopf-Park. Der Stadtpark mit knapp neun Hektar Fläche hat als eines seiner wesentlichen Der Kinderspielplatz im Stadtpark mit Blickrichtung Osten (2013) Elemente einen Spielplatz für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen. Er erfüllt eine wichtige Funktion für alle jungen Familien, für die der Stadtpark und insbesondere der Spielplatz die erste Anlaufstelle bei der täglichen Freizeitgestaltung sein kann.  |  Spielen in direkter Nähe zur Wohnung – hier das Beispiel Marie-Juchacz-Straße (2013) STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 43 IM STADTPARK UND AUF DER ESPLANADE WURDEN 270 BÄUME GEPFLANZT Für die Umrandung der einzelnen Spielbereiche wurde Sandstein genutzt, der von früheren Gebäuden des Ausbesserungswerks stammt und hier noch einmal zum Einsatz kommt. Außerdem besteht der größte Teil des Stadtparks aus einer Wiesenfl äche, die zum freien Spiel oder zur Erholung zur Verfügung steht – mit Blick auf die letzten Ausläufer des Schwarzwalds. So entsteht der Gesamteindruck, dass der Stadtpark direkt in die außerhalb von Karlsruhe liegende Landschaft übergeht. Rund 150 Bäume wurden allein im Stadtpark gepfl anzt, weitere 120 Bäume auf der Esplanade. Die Anpfl anzungen werden in einigen Jahren für einen hainartigen Effekt sorgen. Außerdem werden zwei Wasserbereiche angelegt, einmal in einer Größe von 1.200 Quadratmetern offener Wasserfl äche am westlichen Ende und zum anderen in einer Größe von 1.700 Quadratmeter am östlichen Ende. Hinzu kommen 550 und 700 Quadratmeter an Flachwasserzonen mit einer Bepfl anzung, die zur Selbstreinigung der Gewässer dient. Die ursprüngliche Planung, dass entlang der Esplanade auch ein Wasserlauf errichtet wird, der sich von West nach Ost durch den gesamten Park zieht, wurde nicht umgesetzt. Die Pfl ege und Wartung eines solchen Wasserlaufs hat sich als zu aufwändig erwiesen. Erste Erfahrungen mit dem begonnenen Wasserlauf beim Mendelssohnzentrum haben auf Seiten der Stadt Karlsruhe zu dieser Erkenntnis geführt. 44 | CITY PARK | DIE FREIRAUMPLANUNG - - - Der Spielplatz beim Temeswarplatz (2015) Die Breite des Stadtparks beträgt an seiner engsten Stelle rund 100 Meter. Stadtklimatisch hat er die Funktion einer wichtigen innerstädtischen Grün- und Klimaschneise. Ein Netz von Wegen und Plätzen ermöglicht die Durchquerung für Fußgänger und Radfahrer. Der Park verknüpft die Quartiere auf der Nord und Südseite über die Ludwig-Erhard Allee hinweg – beispielsweise mit den Grünbereichen am Alten Friedhof im Norden und mit dem Otto-Dullenkopf Park im Osten. Eine Verbindung zur bestehenden Südstadt stellt die Fortführung des Grünzugs durch das neue Quartier dar. Er zieht sich mit einer Gesamtfl äche von etwa 3,5 Hektar von der Luisenstraße kommend zwischen Alt- und Neubebauung im Westteil gen Norden zur Ludwig-Erhard-Allee. Das geplante Gebäude „Bellevue“ wurde bisher zugunsten der Stadtparkfl ächen noch nicht realisiert. Am östlichen Rand sollte eine rund sechs Meter hohe, begrünte Erhebung gebaut werden – quasi als Abschluss des Stadtparks. Dort wird nun der „Garten der Religionen“ umgesetzt, ein Projekt zum 300. Stadtgeburtstag der Stadt Karlsruhe (siehe Seite 45). Hervorzuheben ist, dass die Herstellung des Stadtparks zeitlich gesehen bislang mit der schnellen Entwicklung der Wohnbebauung Schritt halten konnte. Die Herstellung der restlichen Flächen erfolgt durch die Stadt Karlsruhe und wird spätestens 2016 abgeschlossen sein. Damit verbleibt dann noch die Herstellung des Stadtpark-Teils, der derzeit noch durch die Tennisanlage genutzt wird. Der Endausbau dieser Flächen kann erst nach deren Verlagerung stattfi nden. Der westliche Teil des Stadtparks (2008)  Ganz im östlichen Bereich des City Parks wird der Garten der Religionen entstehen  Skizze des geplanten Gartens ganz unten: Die Lage des Gartens im Stadtpark STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 45 DER „GARTEN DER RELIGIONEN“ Der „Garten der Religionen“ schlägt eine Brücke von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, zum Privilegienbrief des Markgrafen Karl Wilhelm aus dem Jahr 1715. Das Projekt, das den Publikumspreis bei einem Ideenwettbewerb zum Stadtgeburtstag gewonnen hat, erinnert mit dem Thema Glaubensfreiheit bewusst an die Geburtsstunde Karlsruhes. Denn von Beginn stand Karlsruhe für Menschen aller Glaubens- und Kultureinrichtungen offen. Daher soll der Garten ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Toleranz für Menschen aller Religionen und Kulturen sein. Angelegt ist der Garten, dessen Symbolik in allen Weltreligionen positive Bedeutung hat, in einer kreisrunden Form – als Sinnbild des menschlichen Miteinanders. Jede Religion hat dabei ihr „Haus“. Dort werden spezifi sche Inhalte der einzelnen Religionen erklärt. Jede Religion drückt so ihre eigene Identität aus, fi ndet aber über bestehende Wege zu anderen Religionen und entdeckt dabei Gemeinsamkeiten. DER „GARTEN DER RELIGIONEN“ 46 | CITY PARK | DER ÖFFENTLICHE RAUM DER ÖFFENTLICHE RAUM CITY PARK IST MEHR ALS NUR WOHNEN UND ARBEITEN KITAS UND EINE SCHULE MACHEN DAS NEUE QUARTIER AUCH ZU EINEM ATTRAKTIVEN WOHNGEBIET VOR ALLEM FÜR FAMILIEN Wer im City Park auf der hoch gelegenen Esplanade fl aniert, hat den Blick von oben: auf den gesamten Stadtpark, auf das Wohngebiet, aber beispielsweise auch auf den historischen Wasserturm, die Grundschule und die beiden Kindertagesstätten. Ein urbanes und modernes Wohn gebiet und ein unmittelbar daran angrenzender Stadtpark – damit sind zwei wichtige Wesensmerkmale des City Parks be- nannt. Doch ein solches Areal benötigt mehr, um für die Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für die Besucher innen und Besucher attraktiv zu sein. Und so wurden zum einen städte- bauliche Akzente gesetzt, zum anderen wurden Einrichtungen geschaffen, die für junge Familien von grundlegender Bedeutung sind. - Es geht bei den städtebaulichen Akzenten um den Bau der öffentlich begehbaren Esplanade, die sich vom Mendelssohnzentrum bis zum großen Verkehrskreisel am Übergang zur Wolfartsweierer Straße zieht. Sie ermöglicht sowohl Blicke in den Stadtpark, in das Wohngebiet, in die ersten Hügelketten des Schwarzwalds als auch Blicke in die nördlich der Ludwig- Erhard-Allee gelegene Oststadt. Immer wieder eröffnen Sichtachsen zwischen Der längste Teil der rund ein Kilometer langen Esplanade ist bereits fertiggestellt (2014) den Büro- und Wohngebäuden von Nord nach Süd, aber auch in Richtung Schloss zusätzliche Möglichkeiten, besondere Blickbeziehungen zu genießen. Die Verlängerung des Schlossstrahls Waldhornstraße „durchdringt“ quasi die Esplanade und wird innerhalb des City Park als Marie-Juchacz-Straße weitergeführt.  |  Vom Mendelssohnplatz her kommend gelangen Fußgänger direkt in den Stadtpark (2014) STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 47 Die Esplanade, ausgestattet mit etwa 120 Bäumen, ist etwa einen Kilometer lang und lädt zum Flanieren ein. Sie verläuft in Südhanglage auf der um fünf bis sechs Meter angehobenen nördlichen Parkseite direkt unterhalb der Büro- und Wohngebäude. Unter ihr liegen Tiefgaragen und sie trägt im Zusammenspiel mit den angrenzenden Gebäuden zum städtebaulichen Schallschutz des Stadtparks gegenüber dem Straßenverkehr auf der Ludwig- Erhard-Allee bei. - Ein Wasserlauf, der in Flachgewässer übergeht, begleitet die Esplanade (2014) Begleitet wird die Esplanade im west lichen Bereich von einem Wasserlauf, der in zwei Flachgewässer übergeht. Die Esplanade ist in der Überarbeitungphase nach dem Wettbewerb als bereicherndes Element mit mehreren Funktionen ergänzt worden. Sie ist eine Abgrenzung zur großen Erschließungsachse Ludwig- Erhard-Allee, gewinnbringendes 48 | CITY PARK | DER ÖFFENTLICHE RAUM - - - - -städtebauliches Element und Verbindung zwischen City Park und Oststadt zu gleich. In Zukunft ist zudem eine Brücke vom City Park in den Otto-Dullenkopf Park geplant. Spaziergänger könnten bei einer Realisierung direkt von der Esplanade in den angrenzenden Park bis zum Messplatz und zum Alten Schlachthofgelände laufen. Der Clara-Immerwahr-Haber-Platz noch im Bau … (2014) Ein Ort zum Verweilen ist der Quartiersplatz. Er trägt den Namen Clara-Immerwahr-Haber-Platz (siehe Seite 50), liegt inmitten der Wohn blöcke und hat die Funktion eines kleinen Zentrums. Er hat eine Fläche von 27 Metern Länge und 21 Meter Breite und ist mit großformatigen Natursteinpfl aster ausgestattet, an den Rändern wird die Pfl asterung kleinformatig gehalten. Eingesetzt wurde dafür an anderer Stelle entfernter Granit-Straßenbelag – das schon benutzte Material setzt einen reizvollen Kontrast zur ansonsten neuartigen Ausgestaltung des Platzes. Sitzangebote gibt es auf Holzbänken, eine punktuell in den Boden einge lassene Beleuchtung in Richtung der Bäume verbreitet angenehme Abend stimmung. Der Platz selbst ist als multifunktionale Fläche freigehalten und kann für Angebote verschiedener Art genutzt werden. Für die Installation eines Brunnens im nördlichen Bereich des Platzes wurde ein Wettbewerb durchgeführt. Der Majolikabrunnen wird bereits produziert und im Frühjahr 2016 installiert. – … die aktuelle Aufnahme zeigt den fertiggestellten Quartiersplatz im Juni 2015. Auch eine Außengastronomie durch ein Café, das sich am Quartiersplatz STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 49 - - befi ndet, ist erwünscht und vorgesehen. Der dort ansässige Lebensmittelmarkt will auf dem Platz Obst und Gemüse verkaufen. Zur Verkehrsberuhigung rund um den Platz trägt bei, dass die Fläche selbst, der Verkehrsraum und der Gehweg niveaugleich ausgebaut sind. Die Grundschule am Wasserturm wird schon nach kurzer Zeit erweitert (2014) Zwei Gebäude im City Park zeugen noch von der früheren Nutzung des Geländes als Ausbesserungswerk: Die frühere Kantine im Westen des Areals und der zentral gelegene Wasserturm genau zwischen Wohnbebauung und Stadtpark. Für beide Gebäude sind kreative Nachnutzungen gefunden. So wurde ab dem Jahr 2001 aus der Kantine das „Bürgerzentrum Südwerk“, das unter anderem von der Bürgergesellschaft Südstadt betrieben wird. Die Eigentümerin des Geländes hatte das Gebäude zuvor an die Stadt übertragen. In die Generalsanierung wurden umgerechnet etwa 1,8 Millionen Euro investiert. Der außen wie innen denkmalgeschützte Wasserturm hat mehrfach den Besitzer gewechselt und gehört seit 2011 der Wohnungsbaugenossenschaft Familienheim Karlsruhe eG. Sie hat den Turm und dessen historische Leitungstechnik im Inneren instand setzen lassen. Im Frühjahr 2015 eröffnete die Genossenschaft im Turm eine Ein-Zimmer-Hotelsuite. Eines der Bürogebäude entlang der Ludwig-Erhard-Allee: Das Park Offi ce (2014) Als so genannte weiche Standort faktoren gehören Kindertagesstätten und Schulangebote längst zu einem absoluten Muss in Neubaugebieten. Mit zwei Kindertagesstätten im City Park – einmal die Kita Aufwind der Arbeiterwohlfahrt Karlsruhe in der - - - 50 | CITY PARK | DER ÖFFENTLICHE RAUM - - - - - - Elisabeth-Großwendt-Straße und die Kita Südstadtstrolche des Vereins Kind e. V. in der Hedwig-Kettler-Straße – wurde der verstärkte Zuzug von jungen Familien und denen, die es bald werden wollen, in die Planungen für den City Park einbezogen. Beide Kitas wurden schon im Laufe der Entstehung des City Parks eröffnet. Der Neubau der Landesbank Baden-Württemberg (2014) Seit 2007 ist die Kita Aufwind mit Sportschwerpunkt in Betrieb. In der Zwischenzeit ist sie als Bewegungs kindergarten zertifi ziert. In vier Gruppen können 60 Kinder zwischen einem und sechs Jahren betreut werden. Unterstützt wird die Kita von der Stiftung Aufwind der PSD-Bank, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Einrichtung gleichzeitig als Betriebskindergarten für ihre Kinder nutzen können. Im Jahr 2012 kam die Kita Südstadtstrolche mit 90 Plätzen für Kinder im Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren hinzu. Die Einrichtung mit zwei integrativen Gruppen ist ein bilinguales Kinderhaus mit deutsch-französischer Ausrichtung. Abgerundet wird das Angebot schließ lich durch die Grundschule am Wasser turm, deren Namensgebung die Lage im Quartier beschreibt. Errichtet wurde die Schule von der Stadt Karlsruhe auf einem Gelände, das von aurelis Real Estate auf Grundlage des städte baulichen Rahmenvertrags zur Ver fügung gestellt wurde. Zunächst war die Schule bei ihrer Eröffnung zum Schuljahr 2013/14 als einzügige Grundschule mit Ganztags betreuung geplant. Weil in das neue Stadtviertel deutlich schneller als vermutet mehr Menschen und damit Kinder zogen, startete die Schule stattdessen schon zweizügig. Das reichte allerdings nicht aus: Nach kurzer Zeit begannen die Planungen für eine Erweiterung der Schule. Sie soll zum zweiten Schulhalbjahr 2016/17 fertig sein. CLARA IMMERWAHR-HABER (1870 BIS 1915) Die Studentin Clara Immerwahr Pionierin und tragische Figur zugleich – diese Begriffe beschreiben möglicherweise am besten die Person von Clara Immerwahr-Haber. Die Chemikerin war eine der ersten deutschen Frauen mit einem Doktorgrad und arbeitete im Bereich der Katalyseforschung. Sie war zudem eine engagierte Menschen- und Frauenrechtlerin. Nach dem Studium der Chemie promovierte sie im Jahr 1900 als erste Frau an der Universität Breslau. Ein Jahr später heiratete sie den Chemiker Fritz Haber. Der Professor an der damaligen Technischen Hochschule Karlsruhe übersiedelte mit seiner Familie nach Berlin, wo er am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie arbeitete und 1919 den Chemie-Nobelpreis für die Entwicklung des Haber-Bosch Verfahrens erhielt. Dieses bedeutete den Durchbruch bei der Herstellung von Düngemitteln. In Berlin stieg Haber im Auftrag der deutschen Regierung allerdings auch in die Forschung zum Einsatz von Giftgas ein. Der erste große tödliche Einsatz von Chlorgas, der von Haber mitentwickelt wurde, fand im April 1915 an der Westfront in Belgien statt. Seine Frau Clara Immerwahr Haber missbilligte die Aktivitäten ihres Mannes öffentlich. Sie brachte sich am 2. Mai 1915 mit der Dienstwaffe ihres Mannes im Garten ihrer Villa in Berlin Dahlem um. Der Quartiersplatz im City Park trägt seit 2001 den Namen der Wissenschaftlerin. STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 51 Blick zur Wohnbebauung auf der Esplanade (2015) 52 | CITY PARK | DER NAME SÜDSTADT-OST? SÜDOSTSTADT? ODER EINFACH CITY PARK! Südoststadt, Südstadt-Ost, Südost oder hinter dem Mendelssohnplatz – von Anfang an gab es mehrere geografi sche Zuordnungen und Bezeichnungen für den City Park, die sich zum Teil bis heute gehalten haben und verwendet werden. Sogar die offi zielle Politik und die Karlsruher Medien waren sich über viele Jahre uneins, wie das Gebiet denn nun korrekt bezeichnet werden muss. Auch in der Karlsruher Stadtverwaltung kursierten unterschiedliche Bezeich- nungen. Im Jahr 2010 gab es im Karlsruher Gemeinderat eine Anfrage, die die Situation auf den Punkt brachte: „Für einen Teil der Bevölkerung, vor allem aus der Südstadt, ist der neue Stadtteil eine Erweiterung der bestehenden Südstadt. Viele Neuzugezogene sehen hingegen den neuen Stadtteil zwischen Südstadt und Oststadt als eigenständigen Stadtteil, die ‚Südoststadt‘“. Ein Konfl ikt bei der Namensgebung scheine vorprogrammiert. Vorgeschlagen wurde in der Anfrage eine Bürgerbefragung zum Namen. So weit sollte es dann aber doch nicht kommen. Denn formal gesehen stand der Name längst fest. Offi ziell heißt das Gebiet nämlich „Südstadt – Östlicher Teil“, umgangssprachlich wurde daraus „Südstadt-Ost“. Diesen Namen hatte der Gemeinderat schon im März 2002 beschlossen, als es darum ging, ein neues Stadtviertel und dessen Grenzen festzulegen. Auch im Bebauungsplan wird dieser offi zielle Name verwendet. Die Bezeichnung „Südstadt – Östlicher Teil“ nimmt Bezug auf einige andere Stadtteile in Karlsruhe. So ist die Oststadt in die Viertel „Nördlicher Teil“, „Südlicher Teil“ und „Westlicher Teil“ oder die Weststadt in „Mittlerer Teil“ und „Südlicher Teil“ untergliedert. Die Einteilung wird auch vorgenommen, um im Rahmen von statistischen Untersuchungen kleinräumige und damit bessere Ergebnisse zu erhalten. Auch für die Durchführung von Wahlen spielt die Einteilung eine wichtige Rolle. Entsprechend besitzt die bestehende Südstadt schon einen „Nördlichen Teil“ mit knapp 6.200 Einwohnern und einen „Südlichen Teil“ mit etwa 7.600 Einwohnern. Im „Östlichen Teil“ leben nun etwa 5.000 bis 6.000 Menschen. In der Vermarktung des Geländes spielte die Namensgebung ohnehin lediglich eine geringe Rolle. Hier wurde mit dem Namen „Karlsruhe City Park“ agiert. Die Südstadt ist mit dem neuen Viertel nun deutlich gewachsen und schließt bevölkerungsmäßig beinahe zur Südweststadt und zur Weststadt auf. DIE ENTWICKLUNG DER BEVÖLKERUNGSZAHLEN IN DER KERNSTADT IM VERGLEICH Blick über den Spielplatz zur Rahel-Straus-Straße (2015) STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 53 Blick über den Spielplatz zur Rahel-Straus-Straße (2015) UNTER DIE LUPE GENOMMEN Studierende am Institut für Geographie und Geoökologie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben sich im Rahmen einer Lehrveranstaltung mit der „Vielfalt des Wohnens“ beschäftigt. Unter anderem haben sie Bewohnerinnen und Bewohner im neuen Quartier City Park befragt. Die nicht-repräsentative Untersuchung zeigt, wie gut die neue „Südstadt-Ost“ bei den Menschen ankommt. Forschungsfrage 1: Wird der City Park von jungen Familien lediglich als Zwischenlösung vor einem Umzug ins suburbane Umland genutzt? Forschungsfrage 2: Wird der City Park seinen Ansprüchen als neue Top-Adresse im Stadt zentrum Karlsruhes gerecht? - HAUSHALTSTYPEN IM VERGLEICH 54 | CITY PARK | KIT-UMFRAGE WOHNUNGSGRÖSSEN IM VERGLEICH WOHNFLÄCHE IN QUADRAT METER - CITY PARK (IN %) KARLSRUHE GESAMT (IN %) Unter 40 2,5 8 40 bis 59 5,5 18 60 bis 79 5,5 26,5 80 bis 99 30 20 100 bis 119 42 10,5 120 bis 139 7,5 7 ≥ 140 5,5 8 KRITERIEN FÜR DIE WAHL DER WOHNUNG DER CITY PARK-BEWOHNER „sehr wichtig“ oder „wichtig“ Größe von Wohnung/Haus 82 Prozent Innenstadtnähe 78 Prozent Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten 77 Prozent Wohnkosten 63 Prozent Entfernung zur Arbeit/Uni etc. 62 Prozent WOHNFLÄCHE IN QUADRAT METER - CITY PARK (IN %) KARLSRUHE GESAMT (IN %) 82 Prozent 78 Prozent 77 Prozent 63 Prozent 62 Prozent STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 55 WELCHE EIGENSCHAFTEN SIND UNVERZICHTBAR BEIM THEMA WOHNEN DER CITY PARK – NUR EINE ZWISCHENLÖSUNG? City Park-Bewohner, die in den nächsten Jahren aus ihrer aktuellen Wohnung/ ihrem aktuellem Haus ausziehen möchten 32 Prozent City Park-Bewohner, die in den nächsten Jahren nicht aus ihrer aktuellen Wohnung/ihrem aktuellem Haus ausziehen möchten 68 Prozent LÄNDLICHE UMGEBUNG <–> ZENTRUMSNÄHE „Stimme voll und ganz zu“ oder „stimme zu“ Zeit, die benötigt wird, um zum Arbeitsplatz zu kommen GRÜNANLAGEN Als „sehr gut gelungen“ oder „gut gelungen“ betrachten 73,3 Prozent die Gestaltung der Grünanlagen. IMAGE Wenn Sie persönlich dem City Park Karlsruhe Eigenschaften zuordnen müssten, würden Sie dann sagen, der City Park ist … Was glauben Sie, mit welchen drei Begriffen würde ein Karlsruher, der nicht im City Park wohnt, diesen beschreiben? Was glauben Sie, mit welchen drei Begriffen würde ein Karlsruher, der nicht im City Park wohnt, diesen beschreiben?  56 | CITY PARK | ZUSAMMENFASSUNG Die typische Blockrandbebauung fi ndet auch im City Park ihre Fortsetzung – hier an der Ecke Hedwig-Kettler-Straße/ Melitta-Schöpf-Straße (2014) ZUSAMMENFASSUNG DER SÜDOSTEN KARLSRUHES STRAHLT IN NEUEM GLANZ DER CITY PARK ZÄHLT SCHON NACH KURZER ZEIT ZU DEN TOP-WOHNVIERTELN IN DER FÄCHERSTADT 300 Jahre nach der Stadtgründung konnte das letzte verfügbare Areal in der Kernstadt einer Wohnnutzung zugeführt worden. Der City Park als neuer Teil der Südstadt ist ein moderner Nachkomme der gründerzeitlichen Stadtteile in Karlsruhe. Mit der Entwicklung des City Parks im Südosten von Karlsruhe ist eines der letzten großen Areale entwickelt worden, die im Stadtgebiet der Fächerstadt zur Verfügung stehen. Möglich geworden war diese Entwicklung mit der Schließung des Ausbesserungswerks Karlsruhe der Deutschen Reichsbahn und später der Deutschen Bundesbahn, das in seiner langjährigen Hochphase zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer der bedeutenden Industrie-Arbeitgeber in Karlsruhe mit mehreren tausend Arbeitsplätzen war. Die ersten Überlegungen, auf dem Gelände in einem größeren Verbund mit dem Areal um Schloss Gottesaue und dem heutigen Otto-Dullenkopf Park die Bundesgartenschau 2001 durchzuführen, wurden nicht realisiert. - In einem städtebaulichen Rahmenvertrag regelten die Deutsche Bahn AG und die Stadt Karlsruhe die künftige Nutzung des Geländes zwischen der damaligen Kriegsstraße-Ost, der STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 57 Stuttgarter Straße und der Luisenstraße. Dieser Rahmenvertrag wurde von aurelis Real Estate übernommen – die Projektentwicklerin übernahm das Gelände im Jahr 2003 von der Bahn. Er verpfl ichtete sich damit unter anderem, die verkehrliche Erschließung des Gebiets vorzunehmen sowie bis zu einer Kostengrenze von rund sieben Millionen Euro die öffentlichen Freianlagen herzustellen. CITY PARK: JUNG, URBAN, MODERN, INNENSTADTNAH Der Bebauungsplan der Stadt Karlsruhe aus dem Jahr 2000 sah vor, zentrumsnahe Wohnungen und Arbeitsplätze zu schaffen und weitere Grünfl ächen für das Gebiet selbst, aber auch für den östlichen Teil der Kernstadt zu schaffen. Diese Ziele wurden mit der Wohnbebauung, dem Bau von modernen Bürogebäuden entlang der Ludwig-Erhard-Allee und mit dem Stadtpark umgesetzt. Die Geschwindigkeit, mit der die Bebauung vorangetrieben werden konnte, hat alle beteiligten Partner überrascht. Zunächst war die Fertigstellung des Wohnquartiers bis zum Jahr 2022 vorgesehen. Dieser Prozess wurde bereits sieben Jahre früher beendet. Im Jahr 2015 wohnen rund 6.000 Menschen im Quartier. Der City Park nimmt die gründerzeitliche Bebauung der Südstadt und die typische Karlsruher Blockrandbebauung auf – ergänzt um eine oder zwei Baumreihen pro Straße und begrünte Dächer. Die Baufelder wurden ab dem Jahr 2001 sukzessive von West nach Ost erschlossen. In Abstimmung mit den Investoren wurden im weiteren Verlauf Mehrfachbeauftragungen bei den Architektenleistungen vorgenommen, um die Qualität der Bebauung zu sichern. Der Stadtpark mit ausgedehntem Spielbereich und einem noch größeren Freibereich dient als bedeutende klimatische Schneise für das Wohngebiet und die Innenstadt sowie als erste Anlaufstelle zur Naherholung für die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers. Um das Gebiet besonders für junge Familien attraktiv zu machen, wurden zwei Kindergärten und eine mehrzügige Grundschule mitgeplant. Alle drei Einrichtungen wurden noch während der Fertigstellung des City Parks in Betrieb genommen. Die Grundschule wird bereits erweitert. Städtebauliche Akzente wurden mit dem Bau einer erhöhten Esplanade im nördlichen Bereich gesetzt. Sie ermöglicht ein Flanieren entlang der Bürogebäude vom Mendelssohnzentrum bis zum östlichen Ende des City Parks. Die Bürokomplexe Park Plaza und Park Offi ce sowie die Wohngebäude Park Arkaden und Park Tower mit dem vielfältigen Angebot an Versorgung und Gastronomie in deren Erdgeschosszonen bilden zusammen mit dem Neubau der Landesbank Baden-Württemberg auf der Südseite der Ludwig-Erhard- Allee die neue, imposante Eingangssituation im Osten der Stadt. Die Struktur wird auch auf der Nordseite der Ludwig-Erhard-Allee ihre Fortsetzung fi nden. Als Fazit lässt sich sagen, dass der City Park nach kurzer Zeit zu einer der Top Adressen in Karlsruhe geworden ist. Entstanden ist ein junges, urbanes, modernes und zugleich innenstadtnahes Viertel. Das ist auch das Ergebnis einer Umfrage von Studierenden am Karlsruher Institut für Technologie. Sie hatten unter anderem festgestellt, dass eine deutliche Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner den City Park nicht als bloße Übergangsstation vor dem Kauf eines Eigenheims im suburbanen Umfeld sieht, sondern längerfristig hier bleiben möchte. - Spannt man den historischen Bogen, so ist 300 Jahre nach der Stadtgründung der letzte Teil der Karlsruher Kernstadt einer Wohnnutzung zugeführt worden – ermöglicht durch das Ende einer fast 150-jährigen industriellen Nutzung des Areals in Zentrumsnähe. Der City Park als Erweiterung der Südstadt ist damit symbolisch gesprochen ein später, aber moderner Nachkomme der gründerzeitlichen Quartiere Weststadt, Südweststadt und der Oststadt. BILDNACHWEIS aurelis Seite 5 rechts | Seite 15 | Seite 44 oben Oliver Buchmüller Seite 20 Marcus Dischinger Seite 29 | Seite 45 oben | Seite 48 unten Roland Fränkle Seite 5 links Monika Müller-Gmelin Seite 1 | Seite 17 | Seite 18 | Seite 19 | Seite 21 oben | Seite 22 | Seite 23 | Seite 25 | Seite 28 | Seite 32 | Seite 33 | Seite 34 | Seite 35 | Seite 36 | Seite 38 | Seite 39 | Seite 40 | Seite 41 | Seite 42 | Seite 43 | Seite 44 unten | Seite 47 | Seite 48 oben | Seite 49 | Seite 50 oben | Seite 51 | Seite 53 | Seite 56 Stadtarchiv Karlsruhe Seite 10, 8_PBS_XVI_259 | Seite 11 oben, 8_BA_Schlesiger_A37_200_1_32 | Seite 11 unten, 8_BA_Schlesiger_ A26A_172_2_9 | Seite 12, 8_BA_ Schlesiger_A40_64_4_35 Stadtplanungsamt Seite 4 | Seite 13 | Seite 16 unten | Seite 37 | Seite 46 | Seite 59 Rossmann + Partner Seite 14 Bundesgartenschau 2001, Vorbereitende Untersuchung, Titelbild Seite 16 oben Städtebaulicher und landschafts planerischer Ideenwettbewerb Karlsruhe-Südost-Gottesaue, Titelbild - Seite 21 rechts Planungsskizzen Seite 45 mittig | Seite 45 unten commons.wikimedia.org Seite 50 unten (gemeinfrei) 58 | CITY PARK STADTPLANUNGSAMT | aurelis | 59
https://www.karlsruhe.de/b3/bauen/publikationen/karlsruhe_city_park/HF_sections/content/ZZm8ke21wsTQGz/ZZm8keTWnAmo9l/Teil%204.pdf
Gemeinsam - Karlsruher Partnerstädte Stadt Karlsruhe Hauptamt GEMEINSAM KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE 2 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE NANCY 4 NOTTINGHAM 8 HALLE 12 KRASNODAR 16 TEMESWAR 20 KARLSRUHE 24 HAUPTAMT | 3 BRÜCKEN ZWISCHEN DEN MENSCHEN VORWORT Grenzen verschwinden. Netzwerke entstehen und verbinden die Länder Europas. Städtepartnerschaften spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle. Mit dieser Broschüre stellen sich Karlsruhe und seine fünf Partnerstädte Nancy, Nottingham, Halle, Temeswar und Krasnodar vor. Dazu kommt die Projektpartnerschaft mit der kroatischen Hafenstadt Rijeka. Vieles hat mittlerweile Tradition. Im Jahre 2012 feierte Karlsruhe 20 Jahre Partnerschaft mit Krasnodar und Temeswar und sogar 25 Jahre mit Halle. Antrieb für die Verschwisterung unserer Städte war der Wunsch, mehr voneinander zu erfahren, sich näher kennen zu lernen und Vorbehalte dauerhaft abzubauen. Aus der Vergangenheit lernen und gemeinsam die Zukunft neu gestalten, lautete die Devise. Rückblickend kann ich heute sagen: Das Konzept ist aufgegangen. Unsere Partnerschaften erweisen sich als äußerst lebendig. Und das Wichtigste ist: Sie leben von unten, von den vielen Kontakten zwischen den Menschen und nicht nur vom protokollarischen Austausch bei festlichen Anlässen auf Verwaltungsebene. Außerdem baut die Stadt mit unseren fünf und deren Partnerstädten ein weit verzweigtes europäisches Netzwerk auf. Durch gemeinsame Projekte entstanden und entstehen hier immer wieder aufs Neue zukunftsträchtige Chancen. Die Städteverbindung zu Nancy besteht seit 1955 und war eine der ersten zwischen Deutschland und Frankreich. Sie gilt heute immer noch als beispielhaft – beide Partner haben dafür alle Auszeichnungen erhalten, die international für Städtepartnerschaften vergeben werden. Das „twinning“ zu Nottingham ruht auf festem Fundament. Große Aufmerksamkeit schenkt Karlsruhe auch seiner Partnerstadt Halle in Sachsen-Anhalt. Der deutsch-deutsche Brückenschlag – schon lange vor der Wende – erweist sich gerade in schwierigen Situationen als äußerst tragfähig. Aus den Kontakten zum südrussischen Krasnodar und Temeswar in Rumänien sind Freundschaften und erfolgreiche Projekte entstanden. Mit Rijeka haben wir bereits 2011, noch vor dem EU-Beitritt Kroatiens, dank vielfältiger freundschaftlicher Beziehungen, eine Projektvereinbarung über die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, der Wirtschaft, Kultur, im Sozialen und im Bereich Jugend abgeschlossen. Beide Städte werten sie als wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung. Betrachten Sie die Schrift über unsere Städtepartnerschaften auch als ein Stück Geschichtsschreibung und als ein Zeitdokument über die „kommunale Außenpolitik“ Karlsruhes. Dr. Frank Mentrup Oberbürgermeister NANCY STADT DER WIRTSCHAFT UND KULTUR Place Stanislas 4 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE www.karlsruhe.de Partnerschaftsbüro: Service des Relations Européennes et Internationales Mairie de Nancy 54000 Nancy Frankreich Tel. +33 383-853410 Fax +33 383-853302 www.mairie-nancy.fr verena.denry@mairie-nancy.fr Lage: Im Osten Frankreichs, an den Flüssen Meurthe und Rhein-Marne-Kanal, 197 m über NN, größte Stadt Lothringens, Hauptstadt des Départements Meurthe-et-Moselle. Fläche: 149 Quadratkilometer. Einwohner: 300.000 Einwohner im Groß raum Nancy. Wirtschaft: Banken, Finanz- und Versicherungswesen, Forschung (in den Bereichen Medizin, Agrarwissenschaften …), Digitale Wirtschaft und Informationstechnologien, Life Sciences (Biotechnologie, Umwelt, ...), Kunst, Messe- und Ausstellungsgelände, Kongresszentrum. Wissenschaft und Ausbildung: In der Stadt Nancy sind mehr als 45.000 Studenten eingeschrieben: Université de Lorraine, 10 Ingenieurschulen, Handelsschule (ICN Business School), Französisches Staatliches Zentrum für Wissenschaftliche Forschung (Centre national de recherche scientifi que, CNRS), Nationales Zentrum des öffentlichen Dienstes (Centre national de la fonction publique), Kunsthochschule, Konservatorium. Kultur: Opéra national de France, Nationales Choreographisches Zentrum, Theatergesellschaften, Museen, Buchmesse, Jazzfestival, Programme verschiedener Vereine. Sport und Freizeit: Die Stadien Stade Marcel Picot sowie das Olympia-Schwimmstadion (stade olympique de natation de Gentilly), Galopprennbahn, Golfanlagen und Tennisplätze. Verkehrswesen: Regionalfl ughafen, TGV (1 Stunde 30 Minuten bis Paris ab Bahnhof Nancy), Autobahnen A4 und A31. Bei Nancy verlaufen der Rhein- Marne-Kanal und der Ostkanal. HAUPTAMT | 5 6 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE In einer grünen Fluss- und Hügellandschaft gelegen, ist Nancy eine moderne Groß stadt mit einer langen Tradition. Die Rand lage im zentralistisch orientierten Frankreich hat Nancy stets mit Selbstbewusstsein ausgeglichen: gegründet vor allem auf seine eigenständige Geschichte, die jahrhunderte lang mit dem freien Herzogtum Lothringen verbunden war, und aufbauend auf seine Leistungsfähigkeit als wirtschaftliches und kulturelles Ballungs zentrum, das sich im modernen Frankreich zu profi lieren weiß. Nancy ist Universitätsstadt, Verwaltungszen trum, Kongressstadt, Finanzzentrum und der Mittelpunkt einer Region, deren Schwerpunkt Eisen- und Stahlindustrie um moderne Industriezweige er weitert wurde. Ein Beispiel der jüngsten Geschichte ist etwa der Technologiepark im Südwesten der Stadt, ein großes Projekt mit futuristischer Dimension. Nancy ist ein Verkehrsknotenpunkt, etwa gleich weit entfernt von Paris, Lyon, Brüssel und dem Ruhrgebiet (rund 300 Kilometer). Karlsruhe liegt etwas näher (rund 230 Kilometer). Die großen Nord- Süd-Routen und Ost- West-Verbindungen berühren sich hier. Die Nähe zu Luxemburg, Belgien und Deutschland schafft eine ideale Lage im Zentrum Westeuropas. Vielleicht ein Grund für das europäische Engagement, denn die Jumelage Nancy – Karlsruhe ist eine der ältesten deutsch- französischen Städtepartnerschaften überhaupt. Ein Platz in Nancy trägt heute den Namen „Place de Karlsruhe“. Die zentrale geographische Lage hatte auch Einfl uss auf die Geschichte der Stadt Nancy und des Herzogtums Lothringen, das sich lange Zeit zwischen den Großmächten behaupten konnte. Im 16. Jahrhundert gehörte der lothringische Hof zu den glänzendsten Europas. Zuvor war 1477 in der berühmten Schlacht von Nanc y der Angriff Karls des Kühnen abgewehrt worden. Das Stadttor „Porte de la Craffe“, das älteste Bauwerk Nancys, ist als Teil der damaligen Festungsanlagen bis heute er halten geblieben. Immer waren die Blütezeiten von Nancy verbunden mit architektonischen Glanzleistungen. Das gilt für die Stadter weiterung im 16. Jahrhundert, als neben der bestehenden Altstadt eine „neue Stadt“ mit gerade gezogenen Straßen und italienisch orientierter Architektur entstand. Dies gilt auch für die prachtvolle Stadtanlage, die nach 1700 unter Stanis law Leczczynski gebaut wurde. Eine Anlage, die der Stadt das Attribut „königliches Nancy“ einbracht e. Der ehemalige polni sche König war der Schwiegervater Ludwigs XV. Ihm sind die berühmten Plätze „Place de la Carrière“ und „Place Stanislas“ zu verdanken, die nahezu jeder kennt, der einmal Nancy Oben: Place Stanislas Mitte: Maison Ducret Unten: Im Park der Villa Eugène Corbin Jardin Ephemere HAUPTAMT | 7 www.karlsruhe.de besucht hat. Ein Triumphbogen verbindet die beiden Plätze, die mit ihren herrlichen vergoldeten Gittern von Jean Lamour und den schönen, beeindruckenden Fontänen und Brunnen mit barockem Figurenschmuck das ganz charakteristische Lebensgefühl einer Epoche zum Ausdruck bringen. Nach dem Tode von Stanislaw kam Lothringen zu Frankreich. Nancy wurde 1777 Bischofssitz. Erst nach 1871 begann ein neues Wachstum. Das einstmals höfi sche Nancy entwickelte sich nun zur Wirtschafts- und Industriemetropole. 1909 fand hier die Weltausstellung statt. Die Kunst aber blieb bis heute ein ganz bedeutender Faktor. Um 1900 entstand die „Ecole de Nancy“ an der Spitze der Jugendstilbewegung, deren progressive Formensprache nach wie vor Gültig keit hat. Unter den vielen Museen Nancys befi nden sich das Musée des Beaux-Arts, das historische Museum mit Zeugnissen aus römischer und merowingischer Zeit, das geologische Museum, das Eisen-Museum und nicht zu vergessen das zoologische Museum mit seinem tropischen Aquarium, das die wohl reichste Sammlung der Welt beherbergen soll. Kunst und Wissenschaft sind ständig gegenwärtig. Stanislaw gründete einst eine Ärzteschule, aus der die berühmte me di zinische Fakultät Nancy hervorging. Heute ist die naturwissenschaftliche Universität Nancys die drittgrößte Frankreichs. Die Stadt profi tiert davon, dass sich ihre Industrie außerhalb befi ndet und das historische Stadtbild nicht berührt. Es bleibt in seiner vollkommenen Schönheit erhalten. Und es ist ein Magnet für ein breites Publikum, vor allem im Sommer mit den nächtlichen „spectacles son et lumière“ auf dem wohl schönsten Platz der Stadt. Mitte: Stadtmitte Place Stanislas Unten: Palais Ducal Parcours Bismuth 8 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE NOTTINGHAM STADT DER LEGENDEN UND TEXTILIEN Robin Hood HAUPTAMT | 9 www.karlsruhe.de Lage: Im Herzen Englands, 128 m über NN, Hauptstadt der Region „East Midlands“. Fläche: 74 Quadratkilometer Nottingham Distrikt. Einwohner: 275.000. Wirtschaft: Traditionelle Textilindustrie (Spitze, Strumpf und Strickwaren). Internationale Niederlassungen für Pharmazeutika, Fahrräder, Tabak. Zuwachs im Dienstleistungs- und Verwaltungssektor, im Kongresswesen, im Tourismus und Einzelhandel. Geschäftszentren Broad Marsh Centre und Victoria Centre. Wissenschaft und Ausbildung: Nottingham Trent University (seit 1881). Wissenschaftszentrum Highfi elds Science Park. Kultur: Theatre Royal, Nottingham Playhouse, Nottingham Theatre Club (Lace Market Theatre), Cooperative Arts Theatre, Kulturzentrum Nottingham Contemporary. Sport und Freizeit: Zwei Fußball- Ligaclubs, Cricketplatz Trent Bridge, Hindernis- und Galopp- Pferderennen im Colwick Park, Landeswassersportzentrum Holme Pierrepoint, Hallensportzentrum Victoria und Portland Leisure Centre, Motorrennstrecke Donington Park. Verkehrswesen: Anschluss an die Autobahn M1 (200 Kilometer nach London, 110 Kilometer nach Leeds, 60 Kilometer nach Sheffi eld). Intercity Nottingham – London (Fahrzeit zwei Stunden). Internationale Flughäfen East Midlands Airport (15 Kilometer entfernt) und Airport Birmingham (80 Kilometer entfernt), Flughafen Tollerton für Firmen und Privatfl ugzeuge. River Trent bis Nottingham schiffbar. Partnerschaftsbüro: Nottingham City Council Loxley House Station Street Nottingham NG2 3NG Großbritannien Telefon +44 115 8763416 www.nottinghamcity.gov.uk gill.cooke@nottinghamcity.gov.uk 10 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE „Königin der East Midlands” wird Nottingham genannt, und das nicht nur, weil die englischen Könige hier Hof hielten, wenn sie in den ausgedehnten Wäldern ringsum auf die Jagd gingen. Als Mittelpunkt der Grafschaft Nottinghamshire, 200 Kilometer nördlich von London, hat sich die Stadt am River Trent mit ihren schönen alten Parks in einer Mischung aus Ruhe und lebhaftem Geschäftstreiben ihren besonde ren Charakter bewahrt. Die Touristen kommen gern, weil sie hier alles fi nden, was das Herz begehrt: Zeugnisse der Geschichte auf Schritt und Tritt, eine zauberhafte Landschaft mit vielen Ausfl ugsmöglichkeiten, aber auch das gesellige Leben einer modernen Metro pole, in der Einkaufs touren zum Erlebnis werden können. Nicht nur für britische Kinder ist Nottingham mit dem Namen von Robin Hood verbunden. In dem bis heute romantischen Wald von Sherwood im Norden der Stadt hauste einst der berühmte Gesetzlose, raubte durchreisende Kaufl eute und Steuereinnehmer aus und schenkte dann deren Geld den Armen. Heute, über 700 Jahre später, lebt Robin Hood in vielen Balladen, Erzählungen, Legenden, Theaterstücken und Filmen weiter fort. Das Amt des Sheriffs von Nottingham, seines einstigen Erzfeindes, gibt es immer noch. Die Ureinwohner haben vermutlich in Höhlen gewohnt – nirgendwo sonst in Groß britannien gibt es noch so viele Spuren unterirdischer Gänge und Behausungen. Die berühmte Sandstein-Höhle, „Mortimer’s Hole“, mit ihrer legendenumrankten Ver gangenheit, ist unter Nottingham Castle zu fi nden. Neben der alten Burg ist vor allem Wollaton Hall, für viele das schönste elisa bethanische Herrenhaus des Landes, ein beliebtes Ziel. Im nahen Kloster Newstead Abbey verbrachte der Dichter Lord Byron fast zwei Jahrzehnte seines Lebens. Restauriert ist die Windmühle von George Green; jener Müller gilt heute als eines der bedeutendsten Mathematikgenies Großbritanniens. Selbst Albert Einstein hat ihn bewundert. Am bekanntesten jedoch wurde ein anderer Sohn Nottinghams: William Booth, der Gründer der Heilsarmee. Auf der Suche nach historischen Stätten werden Ausfl ügler nicht versäumen, zwei der ältesten britischen Gasthäuser kennenzulernen. „The Salutation Inn“ und „Ye Olde Trip to Jerusalem“, in denen schon die Kreuzfahrer Station gemacht haben sollen. Die City und der historische Marktplatz werden vom „Council House“, dem Rathaus, beherrscht. Der über der säulengeschmückten Fassade aufragende Turm mit seiner weithin sichtbaren Kuppel gilt als eines der Wahrzeichen von Nottingham. Der traditionelle Einkaufsbereich rund um das Rathaus wird heute durch Shopping Malls ergänzt. Dem Schicksal so mancher schönen alten Großstadt, die heutzutage im Verkehr erstickt, hat man in Nottingham rechtzeitig vorgebeugt: Ausgedehnte Fußgängerzonen in der Innenstadt machen das Bummeln zum Vergnügen. Seit über 1.000 Jahren zieht die „Goose Fair“, der berühmte „Gänsemarkt“, die Menschen aus nah und fern an – diese dreitägige „Mess“ eröffnet der Oberbürgermeister im Oktober Oben: Wollaton Hall. Mitte: Ältester Pub Englands; Council Hall. Unten: St. Peter‘s Gate. Oben: Royal Concert Hall. Mitte: Goose Fair, Nottingham Castle. Unten: Old Market Square. HAUPTAMT | 11 nach altem Brauch mit einer feierlichen Zeremonie im Stadtteil „The Forest“. Musikfreunde jeden Alters lockt das „Nottingham Festival“ im Juni an, das für jeden Geschmack etwas bereithält. Wer lieber die Nacht zum Tage macht, hat die Qual der Wahl zwischen Oper und Theater – im Theatre Royal und im Nottingham Playhouse. Wer Sport liebt, kommt ebenso auf seine Kosten wie der Freund, die Freundin beschaulicher Spaziergänge am Flussufer, durch Parks und Gartenanlagen. Doch in dieser Stadt wird auch viel gearbeitet. Die Spitze hat ihren Namen in alle Welt ge tra gen – das Lace Centre in einem der ältesten Gebäude von Nottingham legt Zeugnis davon ab. Die Textilindustrie mit Strumpf und Strickwaren gehört zu den ältesten Stützen einheimischer Wirtschaft, internationale Konzerne ließen sich hier bereits vor rund 100 Jahren nieder. Stadt und Universität entwickeln gemeinsam das Wissenschaftszentrum Highfi elds Science Park zur Förderung technisch hoch entwickelter Unternehmen. Nicht zuletzt als Kongressstadt erfreut sich Nottingham zunehmender Beliebtheit. Die verkehrsgünstige Mittelpunkt lage ist dafür mit ausschlaggebend. Die reizvolle Umgebung tut das Ihre dazu, dass Besucher der East Midlands ins Schwärmen geraten. HALLE LEBENDIGE KULTUR AN DER SAALE Marktplatz mit Händel-Denkmal 12 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE www.karlsruhe.de Lage: Süden von Sachsen-Anhalt, liegt an der Saale, 87 m über NN. Fläche: 135,02 Quadratkilometer. Einwohner: 233.000. Wirtschaft: Medienzentrum mit Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Martin-Luther-Universität, MDR Hörfunkzentrum, Mitteldeutsche Zeitung, digital images (digim), Arthaus Musik. Außerdem enviaM, KSB-Pumpen, Computer DELL, Halloren Schokoladenfabrik, Kathi Rainer Thiele GmbH. Wissenschaft und Ausbildung: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Burg Giebichenstein-Kunsthochschule Halle (Saale), Hochschule für Evangelische Kirchenmusik, Leopoldina-Nationale Akademie der Wissenschaften, Franckesche Stiftungen, Weinberg- Campus mit Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Institut, Fraunhofer Institut. Kultur: Theater, Oper und Orchester GmbH (mit Oper Halle, Staatskapelle, Puppentheater Halle, neues theater, Thalia Theater), Stiftung Händel-Haus, Franckesche Stiftungen, Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, Stiftung Moritzburg – Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, Beatles-Museum, Luther-Totenmaske in der Marktkirche, Kabarett „Die Kiebitzensteiner”, freie Theater (Varomodi, Hallesche Kulturreederei, Schaustelle, SchillerBühne, Kaltstart, Theater Apron), Steintor-Varieté. Kulturevents: Händelfestspiele, women in jazz, Händels Open, Werkleitz Biennale – Festival der Medienkunst, Lange Nacht der Wissenschaften, Laternenfest, Hanse-und Salzfest, Lindenblütenfest. Sport und Freizeit: Erdgas Sportpark, Pferderennbahn, Volksbank Arena, Zoo Halle (größter Bergzoo Europas), Botanischer Garten, Reichardts Garten – „Herberge der Romantik“, Sternwarte. Verkehrswesen: Autobahnanbindungen: München-Halle-Berlin (A 9), Dresden-Halle-Magdeburg (A 14), Halle-Göttingen (A 38), Westumfahrung Halle (A 143), Flughafen: Interkontinental – Flughafen Leipzig/Halle, Flugplatz Halle-Oppin, Eisenbahnnetz mit IC/ICE-Anschlüssen: Berlin, Bochum, Dresden, Eisenach, Erfurt, Essen, Frankfurt (Main), Fulda, Gotha, Hamburg, Hannover, Kassel, Leipzig, Magdeburg, München, Nürnberg, Schifffahrt: Hafen Halle-Trotha. Partnerschaftsbüro: Stadtverwaltung Halle Markt 1 06108 Halle | Saale Telefon +49 345221-4016 Fax +49 345221-4004 www.halle.de sonja.furtak@halle.de HAUPTAMT | 13 14 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE Die über 1.200 Jahre alte Stadt an der Saale ist durch eine wechselvolle Geschichte und lebendige Moderne geprägt. 2012 konnten Halle und Karlsruhe auf 25 Jahre Städtepartnerschaft zurückblicken. Die in eine Einbuchtung der Norddeutschen Tiefebene gebettete Kulturhauptstadt des Landes Sachsen- Anhalt mit ihren malerischen Flussauen verdankte im Mittelalter vor allem dem Salz und der Saale ihren Reichtum: Vier Solequellen auf dem Hallmarkt und die daraus entstandenen Salzbereitungsstätten der Salzwirkerbrüderschaft im Thale zu Halle machten Halle zum wichtigen Zentrum für Wirtschaft, Wissenschaft und Handel. Davon zeugte die Mitgliedschaft in der Hanse von 1281 bis 1479. Die älteste von vielen Burgen an der Saale thront am Saaletal und ist heute Teil des Kunstcampus der renommierten Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Mehr als 3.000 Baudenkmale – vom mittelalterlichen Fachwerk über ganze Renaissancestraßenzüge, barocke, historistische und Jugendstilbauten bis hin zur Moderne – prägen das im Zweiten Weltkrieg unversehrt gebliebene Stadtbild. Darunter fi nden sich Sakral- und Profanbauten ebenso wie Wohn- und Geschäftshäuser, aber auch Fabrikanlagen, Kultur- und Verwaltungsbauten sowie Brücken, Parkanlagen und Friedhöfe, so etwa der bedeutendste, von Gruftenhallen eingefasste Renaissance-Friedhof nördlich der Alpen. Zentrum der Altstadt ist der Marktplatz mit Rotem Turm und viertürmiger Marienkirche, auf den nicht nur der Boulevard, die fast einen Kilometer lange Einkaufsstraße, sondern auch 14 Straßen und Gassen münden. Ein Besuch Halles führt stets zum berühmten Sohn der Stadt – zum Barockkomponisten Georg Friedrich Händel. Die Stiftung Händel-Haus vereint ein Museum, die Händel-Forschung sowie die jährlich stattfi ndenden Händel-Festspiele, um das musikalische Erbe des Komponisten zu pfl egen und zu erforschen. Theater, Oper und Orchester GmbH Halle bieten zudem Theater- und Konzerte auf hohem künstlerischen Niveau. Das Landesmuseum für Vorgeschichte gehört zu den wichtigsten archäologischen Museen in Mitteleuropa. Der umfangreiche Sammlungsbestand mit weit mehr als zehn Millionen Funden umfasst herausragende Stücke wie etwa die Himmelsscheibe von Nebra. Auch die Reformation und das Wirken von Martin Luther sind in der Saalestadt durch den Gegenspieler Luthers, Kardinal Albrecht, spürbar. Knapp 30 Jahre wirkte der Kunstmäzen in Halle. Dom, Neue Residenz und Marktkirche gehen auf ihn zurück. Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg und Mainz, liebte prunkvolle Kunst und Bauten, die er größtenteils durch Ablasshandel fi nanzierte. Luther kritisierte diesen Lebenswandel. Aus dieser Glaubensauseinandersetzung mit dem ranghöchsten geistlichen Würdenträger des Deutschen Reiches entstanden Luthers Thesen, die er 1517 an die Pforte der Wittenberger Schlosskirche schlug. Nach Luthers Tod 1546 wurde seinem Leichnam in Halle, während der Überführung von Eisleben nach Wittenberg, eine Totenmaske und ein Abdruck seiner Hände abgenommen. In einer Krypta der Marktkirche „Unser Lieben Frauen“ werden die Relikte und die Kanzel, von der Martin Luther 1545 und 1546 in Halle predigte, gezeigt. Die Stiftung Moritzburg ist das größte Kunstmuseum Sachsen-Anhalts und einer der wichtigsten Ausstellungssorte für die Klassische Moderne. Neben Werken der Brücke-Maler fi nden sich hier auch Meisterwerke von Gustav Klimt, Emil Nolde oder Franz Marc. Die ehemalige Residenz von Kardinal Albrecht war 1930 und 1931 Atelier des expressionistischen Malers Lyonel Feininger. Dieser schuf während seines Aufenthaltes den berühmten „Halle-Zyklus“, bekannt sind die Ansichten der Marktkirche und des Roten Turmes. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist eine der ältesten Hochschulen Deutschlands und mit 20.000 Studierenden, neun Fakultäten und über 180 Studiengängen und -programmen zugleich Oben: Salinenmuseum; Burg Giebichenstein. Mitte: Marktplatz und Händel-Haus. Unten: Stadtgottesacker. Rechts oben: Universitätsplatz; Neue Residenz. Mitte: Moritzburg Hof. Unten: Moritzburg. HAUPTAMT | 15 die größte Bildungseinrichtung Sachsen-Anhalts. Gemeinsam mit der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, dem Wissenschafts- und Technologiepark Weinberg Campus (mit Einrichtungen wie dem Max-Planck-Institut, dem Fraunhofer-Institut und der Helmholtz-Gesellschaft) sowie der Hochschule bildet Halle einen Knotenpunkt für Wissenschaft und Forschung in Mitteldeutschland. Hinzu kommen Medieneinrichtungen. Die Franckeschen Stiftungen, gegründet 1698 von dem Pietisten August Hermann Francke, sind eine Kultur- und Wissenschaftseinrichtung von europäischem Rang. Weitblickende Reformen, soziales Engagement, wissenschaftliche Innovation und wertvolle Sammlungen begründeten den Ruf der Stiftungen über die Grenzen Europas hinaus. Als größtes Fachwerkensemble Europas beherbergen sie als wahrer Bildungskosmos eine einmalige Kunst- und Naturalienkammer sowie eine barocke Kulissenbibliothek. Diese besitzt cirka 50.000 Bücher, vor allem zur Kirchen- und Bildungsgeschichte der Frühen Neuzeit. Im Historischen Waisenhaus von 1700 gibt es Ausstellungen, Vorträge und Konzerte. 16 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE KRASNODAR VON KOSAKEN AM KUBAN GEGRÜNDET Katharina, die Große HAUPTAMT | 17 www.karlsruhe.de Lage: In Südrussland an den Ausläufern des Kaukasus, etwa 120 bis 150 km vom Schwarzen und Asowischen Meer entfernt, am Fluss Kuban, 21 bis 34 m über NN. Hauptstadt der Kuban-Region. Fläche: 840 Quadratkilometer. Einwohner: über 840.000. Wirtschaft: Wirtschaftliches Zentrum der Kuban-Region, metall- und holzverarbeitende Industrie, Herstellung von Baustoffen, Porzellanmanufaktur, Leichtindustrie, Lebensmittelindustrie, Tabakfabrik. Zahlreiche Landwirtschaftsbetriebe (u. a. Reisanbau am Kuban-Stausee sowie Tee und Wein), Sitz mehrerer Großbanken. Wissenschaft und Ausbildung: Staatliche Kuban-Universität, staatl. Agrar-Universität, technische Universität, Fachhochschule für Medizin, Kunst und Kultur, Sport. Über 70.000 Studierende. Mehrere wissenschaftliche Forschungsinstitute, u. a. für Erdöl, Gas, landwirtschaftliche Produkte. Kultur: Philharmonie, Schauspielhaus, Operettentheater, Puppentheater, Zirkus, Orgelsaal im Rathaus, Rimskij- Korsakow-Musikhochschule, Sinfonie- und Kammerorchester, staatlicher Kuban-Kosaken-Chor, Städt. Gemäldegalerie, historisch-archäologisches Museum, „Skwer Druzhby“/„Grünanlage der Freundschaft” (regelmäßige Ausstellung von handgemachten Kunstgegenständen im Freien), Puschkin-Bibliothek. Sport und Freizeit: Stadion Kuban (40.000 Zuschauer), mehrere kleine Stadien, fünf Schwimmbäder, Pferderennbahn. Verkehrswesen: Internationaler Flughafen (mit rund 3 Mio. Passagieren jährlich), vier Bahnhöfe (Verbindungen: große Städte Russlands, Hauptstädte der Anliegerstaaten Kaukasus, Schwarzes und Asowsches Meer), Knotenpunkt mehrerer Fernstraßen, Flusshafen am Kuban. Partnerschaftsbüro: Büro für Internationale Beziehungen: Rathaus 122, Krasnaya Straße 350000 Krasnodar Russische Föderation Telefon +7 8612-590555 Fax +7 8612-532562 www.krasnodar.ru starle@krd.ru 18 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE Krasnodar, die Hauptstadt der Kuban-Region, ist die südlichste Bezirkshauptstadt Russlands. Die Stadt an den Ufern des zum Asowschen Meer fl ießenden Kuban-Flusses hat heute über 840.000 Einwohner; neben Russen auch Ukrainer, Armenier, Griechen und Deutsche. Rund um die Metropole zwischen Kaukasus und dem Schwarzem Meer dehnt sich eine sehr fruchtbare Landwirtschaftsregion aus, die von den ertragreichen Böden und dem milden Klima gleichermaßen profi tiert. So liegt in der Region um Krasnodar auch das nördlichste Teeanbaugebiet der Welt. Obst, Getreide, Sonnenblumen und Reis werden in 69 Staaten exportiert. Krasnodar ist ein Verkehrsknotenpunkt. Neben wichtigen Fernstraßenverbindungen, welche hier zusammenlaufen, verfügt die Stadt über zwei Fernbahnhöfe und einen internationalen Flughafen und einen Flusshafen. Von der früheren Sowjetunion einstmals gezielt zu einem industriellen Zentrum ausgebaut, haben in Krasnodar heute vor allem Raffi nerien sowie große Betriebe zur Herstellung von Werkzeugen und Landwirtschaftsmaschinen ihren Platz. Die Kuban- Metropole wird aber nicht nur von Industrie und Landwirtschaft geprägt, sondern gilt auch als Stadt der Wissenschaft und der Kultur. Seit 1920 ist Krasnodar Sitz der Kuban-Universität mit 17 Fakultäten. Außerdem widmen sich hier fünf weitere Hochschulen und eine ganze Reihe weiterer Institutionen der wissenschaftlichen Forschung vor allem in der Landwirtschaftsproduktion und der Lebensmitteltechnologie. Kunst und Kultur fi nden in den zahlreichen Theatern, Bibliotheken und Museen reiche Entfaltungsmöglichkeiten. Zwei auffallende Gemeinsamkeiten verbinden Krasnodar mit der Fächerstadt: Wie Karlsruhe liegt Krasnodar genau auf einem geographischen Breitengrad, nämlich dem 45., und damit vier Breitengrade südlicher als die ehemalige badische Landeshauptstadt. Ebenso wie Karlsruhe ist Krasnodar eine junge Gründung. Vor über zwei Jahrhunderten, 1793, schenkte die russische Zarin Katharina II. den Schwarzmeerkosaken für ihre Verdienste um die Krone bewaldetes Land am rechten Ufer des Flusses Kuban. Katharina zu Ehren erhielt die zukünftige Stadt nun den Namen „Jekaterinodar“ – Geschenk Katharinas. „Die Perle Russlands“, so wird das Kuban- Gebiet am Fuße des schneebedeckten Kaukasus unweit des Schwarzen Meeres genannt. Nicht nur Kosaken hatte die Zarin ins Land geholt: Deutsche Bauern erschlossen die fruchtbaren Böden am Kuban. 30.000 Deutsche leben noch heute in der Region. Im Jahre 1867 erhielt Jekaterinodar den Status einer „zivilen Stadt“. Anfang des 20. Jahrhunderts fuhren dort Straßenbahnen und es gab ein Elektrizitätswerk, Telefon sowie Kinos. Die Stadt wurde wegen ihrer schönen Parks und Kathedralen berühmt, und ihre Gebäude in den Hauptstraßen standen den Bauten in der russischen Hauptstadt in nichts nach. An der Spitze der Stadtverwaltung regierte das Stadtparlament, die „Duma“. HAUPTAMT | 19 www.karlsruhe.de Aber die Oktoberrevolution erreichte auch den Kuban. Die Regierungen wechselten. Ein neuer Stadtname wurde befohlen: Seit 1920 heißt die Stadt Krasnodar (aus dem Russischen krasnyi für rot). Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt von deutschen Truppen besetzt und im weiteren Kriegsverlauf stark zerstört. Heute prägen daher überwiegend moderne Bauten das Stadtbild. Grün und großzügig präsentiert sich die Metropole: Das angenehm mediterrane Klima und die großen Alleen im Zentrum erinnern mehr an einen Urlaubsort im Süden als an ein vom früheren Sozialismus geprägtes Stadtbild. Schon im Jahre 1979 wurden über einen Austausch des Stadtjugendausschusses Karlsruhe erste Kontakte zwischen der Fächerstadt und Krasnodar geknüpft. Seit 1992 schließlich verbindet ein offi zieller Freundschaftsvertrag die beiden Städte, seit Dezember 1997 sind sie Partner. Zahlreiche Aktivitäten und Besuche von beiden Seiten haben die Beziehung seither mit Leben erfüllt. Dabei steht neben dem kulturellen Austausch und den persönlichen Begegnungen die materielle und ideelle Hilfe beim derzeitigen Prozess der Umgestaltung im Vordergrund. Einer der ganz wesentlichen Motoren der Unterstützung ist dabei die Städtepartnerschaftsinitiative Karlsruhe – Krasnodar. Oben: Folklore im Rahmen des Stadtgeburtstags Mitte: Alexander Nevski Kirche Unten: Folklore Links: Kosake; Triumphbogen 20 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE TEMESWAR „KLEIN WIEN“ AN DER BEGA Domplatz HAUPTAMT | 21 www.karlsruhe.de Lage: Größte Stadt im Westen Rumäniens, Hauptstadt des Regierungsbezirks Timis. Fläche: 130 Quadratkilometer. Einwohner: 317.660 (2002). Wirtschaft: Wirtschaftlich ist Temeswar die zweitstärkste Stadt nach Bukarest. Tradition haben die IT&C, elektronische und elektrotechnische Industrie (Softwaredienste, Telekommunikationsausstattung, Beleuchtungsgeräte, Elektromotoren, elektrische Zähler), die Autozuliefererindustrie, Chemie-, Maschinenbauindustrie, Bauwesen, die Lebensmittel- industrie, Textilien, Lederwaren und Dienstleistungen. Bekannte Firmen wie Continental (Siemens), Kathrein, Lidl&Schwarz, Lisa Draxlemier, Hella, Contitech, Kromberg&Schubert, Wily Kreutz, Alcatel-Lucent, Flextronics, ABB-Rometrics, Kathrein, Coca-Cola, Nestl e, Procter&Gamble sowie die Niederlassungen bekannter Automobilhersteller und viele andere internationale Unternehmen sind in Temeswar vertreten. Wissenschaft und Ausbildung: Über 50.000 Studierende besuchen jährlich die vier staatlichen Hochschulen (Polytechnikum, Universität für Agrarwissenschaften, Universität West, Medizinuniversität) und die vier privaten Hochschulen. Kultur: Nationaltheater, Rumänische Oper, Deutsches Staatstheater, Ungarisches Staatstheater, Theater für Kinder und Jugendliche, Staatsphilharmonie „Banatul“, Kunstmuseum, Banater Museum, Dorfmuseum, Revolutionsmuseum, religiöse Kunstsammlungen und Kunstgalerien. Sport und Freizeit: Ein großes und mehrere kleine Fußballstadien, eine Sporthalle, zehn Bäder, Tennisanlagen. Verkehrswesen: Internationaler Flughafen „Traian Vuia“ Temeswar mit täglichen Flügen nach München, Milano, Frankfurt, Düsseldorf, Wien, Paris, Verona, Treviso, Bergamo, Chisinâu und anderen Städten. Der Bezirk Timis hat das dichteste Eisenbahnnetz Rumäniens. Zudem liegt Temeswar an der Kreuzung der Europäischen Straßen E70, E671. Partnerschaftsbüro: Head of International Cooperation Offi ce Timisoara City Hall Bd. C. D. Loga nr. 1 300030 Timisoara | Romania Telefon +40 256-408354 Fax +40 256-293605 www.timisoara.ro diana.donawell@primariatm.ro 22 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE Temeswar, im Westen Rumäniens nahe der Grenzen zu Ungarn und Serbien gelegen, ist heute mit über 300.000 Einwohnern die zweitgrößte Kommune des Landes. Seit September 1992 ist die Stadt an der Bega freundschaftlich, seit November 1997 durch einen Partnerschaftsvertrag mit Karlsruhe verbunden. Im Jahre 2012 wurden das 20-jährige Bestehen der Freundschaft und 15 Jahre offi zielle Partnerschaft gefeiert. Erste Kontakte zwischen den beiden Städten knüpften karitative Organisationen nach der rumänischen Revolution von 1989. Sie brachten Hilfsgüter für Krankenhäuser und soziale Einrichtungen. Es folgten weitere umfangreiche Transporte aus der Fächerstadt, vor allem mit technischen und medizinischen Geräten oder Medikamenten. Während all dieser Jahre nahmen Delegationen aus Temeswar und aus Karlsruhe an zahlreichen Veranstaltungen der Partnerstädte teil. Nach dem ersten Besuch einer Delegation des Karlsruher Gemeinderats waren im Herbst 1992 bereits 50 Schüler des Nikolaus-Lenau-Lyzeums in Temeswar Gäste des Rüppurrer Max-Planck-Gymnasiums. 1993 fand das erste Bundestreffen der Temeswarer in Karlsruhe statt. Studenten-, Trachten- und Volkstanzgruppen, Orchester, Ballett- und Theaterensembles kamen. Rumänische Sportler nahmen am damaligen Rot-Kreuz-Marathon teil. Universitätsrektoren tauschten ihre Erfahrungen aus. Ende 1997 öffnete auf Initiative der beiden Städte im Karlsruher Rathaus das deutsch-rumänische Wirtschaftsbüro mit dem Ziel, Kontakte zwischen Unternehmen in den beiden Ländern zu knüpfen. Es bestand bis 2010. Heute bestehen auf vielen Ebenen enge freundschaftliche Verbindungen, die nicht zuletzt durch den Freundeskreis Karlsruhe-Temeswar überaus nachhaltig gepfl egt und gefördert werden. Temeswar hat eine wechselvolle Geschichte. Die Hauptstadt des Banat wurde 1212 erstmals als „Castrum Temensiensis“ urkundlich erwähnt. Anfang des XIV. Jahrhunderts baute der ungarische König Karl Ro bert von Anjou hier ein königliches Schloss, was zu einem Sprung in der Entwicklung der Stadt führte. Im XV. und XVI. Jahrhundert gab es zahlreiche Kriege gegen die Türken. Ab 1552 besetzten die Türken Temeswar über 150 Jahre lang. Im Jahre 1716 eroberte das österreichisch-kaiserliche Heer unter der Leitung von Prinz Eugen von Savojen die Stadt. Durch die Kriege schwer beeinträchtigt, wurde sie erneut aufgebaut. Österreichischer Barock prägt seither das abwechslungsreiche Stadtbild Temes wars. „Klein Wien“ wird die Stadt deshalb auch genannt. Der römisch-katholische Dom, die Häuser und Palais aus Mitte: Bischofspalais Häuser aus dem 18. Jahrhundert Unten: Blick auf die Oper Domplatz HAUPTAMT | 23 www.karlsruhe.de den XVIII., XIX. und XX. Jahrhundert, die Denkmäler und historischen Plätze sind bis heute erhalten und vermitteln dem Besucher die typische Ausstrahlung einer Provinzhauptstadt der früheren Donaumonarchie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das historische Banat zwischen Rumänien, Ungarn und Serbien aufgeteilt, der größte Teil, zu dem auch Temeswar gehört, liegt heute in Rumänien. Nach den fl orierenden 20er-Jahren wurden die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg von der Ceausescu-Diktatur geprägt. Große wirtschaftliche und soziale Probleme waren die Folge. Sie mündeten in die Revolution von Dezember 1989, die in Temeswar begann. Nachdem die Bevölkerung das kommunistische Parteige bäude der Stadt gestürmt hatte, versammelten sich tausende Menschen am Siegesplatz. Bald schon griff die Revolution auf das ganze Land über. Nach mehreren Tagen mit Straßendemonstrationen und blutigen Konfl ikten zwischen der Bevölkerung und den Ordnungskräften stürzte das Ceausescu-Regime. Das heutige Temeswar ist eine multiethnisch geprägte Stadt, in welcher die Rumänen in guten Beziehungen mit Ungarn, Deutschen und Serben, als stärksten Minderheiten, ebenso zusammenleben wie mit Bulgaren, Kroaten, Romas und anderen Nationalitäten. Die Kultur spielt im Stadtleben eine besondere Rolle. Das Nationaltheater, die Temeswarer Rumänische Oper, das Deutsche Staatstheater und das Ungarische Staatstheater, die Philharmonie, Museen und andere Institutionen verleihen Temeswar das Flair einer starken nationalen Kulturstadt. Zugleich ist Temeswar eine Open Art City, die Kultur, Kunst und Musik sowohl in traditionellen Bahnen als auch in unkonventionellen Räumen fördert. Temeswar sieht sich zudem als Stadt vieler technischer Prämieren. Stolz ist man auf das Jahr 1884, als Temeswar die erste Kommune Europas war, die ein Straßennetz mit elektrischer Beleuchtung erhielt. Auch Bildung wird groß geschrieben: Temeswar ist mit acht staatlichen und privaten Universitäten, die jährlich von mehr als 50.000 Studierenden besucht werden, eine renommierte Universitätsstadt. In der Politik und Wirtschaft des Landes spielt Temeswar ebenfalls eine bedeutende Rolle und ist überdies mit einem internationalen Flugplatz sowie einem dichten Eisenbahn- und Straßennetz eine wichtige Drehscheibe für den internationalen Verkehr. Mitte: Mitropolitenkathedrale Katholische Kirche Unten: Siegesplatz Blumenuhr Schlossplatz 24 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE KARLSRUHE STADT VON HIGH TECH UND HIGH LIFE HAUPTAMT | 25 www.karlsruhe.de Lage: In der Oberrheinebene, 114,977 m über NHN, zwischen Rhein und Schwarzwald, in der Nachbarschaft zu Pfalz und Elsass Fläche: 173 Quadratkilometer. Einwohner: 300.850. Wirtschaft: Wirtschaftsmetropole, Oberzentrum der Region Mittlerer Oberrhein, Mittelpunkt TechnologieRegion Karlsruhe, wachsender Dienstleistungssektor, zukunftsweisende Hochtechnologien, vor allem IT, Messe- und Kongresszentrum. Wissenschaft und Ausbildung: Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft, Pädagogische Hochschule, Staatl. Hochschule für Gestaltung, Staatl. Hochschule für Musik, Staatl. Akademie der Bildenden Künste, Duale Hochschule, Karlshochschule International University (privat), Fraunhofer-Institute, Fachinformationszentrum, Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz, Max-Rubner-Institut für Ernährung, Bundesanstalt für Wasserbau. Justiz: Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichthof und weitere Instanzen. Kultur: Badisches Staatstheater, Badisches Landesmuseum, Staatliche Kunsthalle, Badischer Kunstverein, Regierungspräsidium am Rondellplatz, Staatliches Museum für Naturkunde, Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM), Museum für Neue Kunst, Städtische Galerie, Stadtmuseum, Museum für Literatur am Oberrhein. Sport und Freizeit: Wildparkstadion (33.500 Plätze), Europahalle, Zoologischer Stadtgarten, Schlossgarten, 5 Frei-, 7 Hallenbäder, ausgedehnte Grün-, Waldfl ächen. Verkehr: Verkehrsdrehscheibe in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung für Straße und Schiene, überregionale Anbindung durch Autobahnen (A5, A8, A65) und Bundesstraßen (B3, B10, B36). Flughafen Karlsruhe/Baden- Baden, Binnenhäfen am Rhein. Partnerschaftsbüro: Hauptamt der Stadt Karlsruhe Rathaus am Marktplatz 76124 Karlsruhe Telefon +49 721 133-1523 Fax +49 721 133-1517 www.karlsruhe.de staedtepartnerschaften@karlsruhe.de 26 | GEMEINSAM | KARLSRUHER PARTNERSTÄDTE Karlsruhe, am 17. Juni 1715 mitten im Wald geboren, verdankt dem diplomatischen Geschick von Stadtgründer Markgraf Karl-Wilhelm von Baden- Durlach seinen Ruf, seit der ersten Generation auch international zu sein. Mit einem Gnadenbrief für alle, „die bey und um gedachtes Carols-Ruh sich niederzulassen und mit Erbauung neuer Häuser vest zu setzen Lust haben oder bekommen“, und mit einem kosten losen Bauplatz lockte er die ersten Ansiedler in die Stadt mit dem Fächergrundriss. Sie kamen aus der Nachbarschaft, aber auch aus Tirol, Holland und Frankreich. Die Weltoffenheit, die der polyglotte Publizist Weckerlin den Bürgerinnen und Bürgern schon recht bald bescheinigte, erweist sich noch heute als gutes Fundament für die Städtepartnerschaften Karlsruhes mit Nancy in Frankreich (1955), Nottingham in Großbritannien (1969), Halle an der Saale (1987), Temeswar in Rumänien (1992) und Krasno dar in Russland (1992). Mit den drei letzteren wurde 2012 das 20-jährige beziehungsweise mit Halle das 25-jährige Bestehen der Partnerschaft gefeiert. Die einstige badische Residenz und Landeshauptstadt, in der heute 300.850 Menschen leben, ist Zentrum der Region am Oberrhein und über die Bundesrepublik hinaus bekannt als „Residenz des Rechts“. Dieses Attribut verdankt sie den höchsten deutschen Rechtsinstanzen, dem Bundesverfassungsgericht, das 2011 sein 60-jähriges Bestehen feierte, dem Bundesgerichtshof und der Bundesanwaltschaft. Karlsruhe gilt auch als eine „Stadt im Grünen“. Ein Viertel der Fläche ist von Wald bedeckt, der ebenso in den Stadtkern hi neinreicht wie der Zoologische Stadtgarten. Park- und Grünanlagen prägen die weiträumige Stadtlandschaft. Kunst und Kultur, deren Ursprünge auf ein kunstsinniges Fürs tenhaus zurückgehen, haben in der Fächer stadt bis in die Gegenwart ihren hohen Rang behalten. Diesen guten Ruf pfl egen das Badische Staatstheater mit vier Sparten, mehrere private Bühnen, die Akademie der Bildenden Künste, die Musikhochschule, die Staatliche Kunsthalle, der Badische Kunstverein, das Stadtmuseum, das Neue Ständehaus mit Stadtbibliothek sowie weitere Links oben: Botanischer Garten; Schloss Gottesaue. Mitte: Blick auf das Rathaus. Unten: Platz der Grundrechte. Rechts oben: Prinz-Max-Palais; Marktplatz. Mitte: Rheinhafen. Unten: ZKM HAUPTAMT | 27 Einrichtungen aus allen Sparten der Kultur. Dazu kommen Festivals wie die Europäischen Kulturtage, die Händel-Festspiele und „Das Fest“, eine der größten Open-Air-Veranstaltungen in Deutschland. Besonderen Stellenwert hat sich Karlsruhe in der internationalen Kunstszene mit dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie gesichert. Europas größte Produktionsstätte für Medienkunst ist in einem 312 Meter langen, denkmalgeschützten Fabrikgebäude untergebracht. Unmittelbare Nachbarn sind die Städtische Galerie mit einer Vielzahl an Kunstschätzen, die Werke von Hans Thoma bis Markus Lüpertz umfassen, das Museum für Neue Kunst sowie die Hochschule für Gestaltung. Zahlreiche Galerien haben sich in ihrem Umfeld angesiedelt. Einen Namen hat Karlsruhe als Sportstadt: Die Europahalle ist Schauplatz internationaler Veranstaltungen. Das Wildparkstadion im Hardtwald ist Heimspielstätte des KSC. Als Kongress- und Ausstellungsstadt belegt Karlsruhe einen der vorderen Plätze in Deutschland. Im Messegeschäft sind die Stadt und ihre regionalen Partner mit der Messe Karlsruhe auf dem Weg nach oben, etwa mit der renommierten Kunstmesse art Karlsruhe der Verbrauchermesse offerta oder der Learntec, Internationale Leitmesse mit Kongress für professionelle Bildung, Lernen und IT. Großes Ansehen genießt die Fächerstadt schon lange in Sachen Forschung und Wissenschaft. Das Forschungs- und Innovationspotenzial des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie weiterer Hochschulen und wissenschaftlicher Institutionen bildet die wesentliche Grundlage der wissenschaftlichen Spitzenstellung des Wirtschaftsraums Karlsruhe. Unter den deutschen Universitäten liegt das KIT in renommierten Rankings bei den Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften auf Rang 1. Mit 3.600 bedeutenden IT-Unternehmen und Technologieanwendern und rund 36.000 Beschäftigten gilt die IT-Region Karlsruhe als drittgrößter IT-Cluster Europas. Das CyberForum hat sich seit der Gründung 1997 zum größten IT- Unternehmernetzwerk in Europa entwickelt. Im EU- Standortranking 2010 zählt Karlsruhe zu den Top 100 von mehr als 1.000 Regionen in Europa. Von Karlsruhe ging auch die Initiative zur Gründung der „TechnologieRegion Karlsruhe“ aus, in der Städte und Landkreise des Raumes ihre vielfältigen Potenziale als Einheit darstellen und zum Wohle aller nutzen. Weitere Informationen: www.karlsruhe-tourismus.de Herausgegeben von: Stadt Karlsruhe Hauptamt ha@karlsruhe.de Redaktion und Layout: Presse- und Informationsamt Fotos: Stadt Karlsruhe, Partnerstädte Gedruckt in der Rathausdruckerei auf 100 Prozent Recyclingpapier Rheinbrücke Deutsch-Französischer Freundeskreis e. V. Thorsten Cramer – 1. Vorsitzender – Postfach 2153 76009 Karlsruhe info@dff-karlsruhe.de www.dff-karlsruhe.de Deutsch-Englischer Freundeskreis e. V. Joachim Klaus Postfach 41 02 48 76002 Karlsruhe Telefon/Fax: +49 721 7569503 info@def-karlsruhe.de www.def-karlsruhe.de Freundeskreis Karlsruhe-Halle (Saale) e. V. Dr. Bärbel Maliske-Velten – Vorsitzende – Ebertstraße 9 a 76135 Karlsruhe Telefon: +49 721 387950 Fax: +49 721 4705023 velten@ka-hal.de www.ka-hal.de Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe-Krasnodar e. V. Christa Köhler Carl-Hofer-Straße 26 76227 Karlsruhe Telefon: +49 721 9415067 Herbert Huber Steinweg 49 76327 Pfi nztal | Söllingen Telefon: +49 7240 4437 huber-pfi nztal@kabelbw.de Christian Friedrich Karpatenstraße 21 76227 Karlsruhe Telefon: +49 721 494938 ing-buero-friedrich@onlinehome.de www.freundschaftsgesellschaft.krasnodar.org Freundeskreis Karlsruhe-Temeswar Heinz Doll – 1. Vorsitzender – Enzianstraße 26 76228 Karlsruhe Telefon: +49 721 472486 heinz.doll@decro.de www.freundeskreis-ka-tm.de
https://www.karlsruhe.de/b4/international/staedtepartnerschaften/halle/HF_sections/rightColumn/1592547167406/ZZlpOObefYw0KR/Gemeinsam_Karlsruher%20Partnerst%C3%A4dte_deutsch.pdf
Das Seilerhäuschen. Ein Karlsruher Modellhaus von 1723 Ein KarLsruher Modellhaus von 1723 Das Seilerhäuschen Holger Reimers Gerhard Kabierske Georg Matzka INFO Verlag· Ein Karlsruher Modellhaus von 1723 . Das Seilerhäuschen Häuser- und Baugeschichte Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Herausgegeben von Susanne Asche, Ernst O tto Bräunche und Manfred Koch Ein KarLsruher ModeLLhaus von 1723 Das Seilerhäuschen Herausgegeben vom Stadtarchiv Karlsruhe und der Volkswohnung G mbH Karlsruhe durch Ernst O tto Bräunche und Holger Reimers ~~ INFO VERLAG Häuser- und Baugeschichte Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe Band 2 Herausgeber Ernst O rto Bräunche und Holger Reimers Redaktion Ernst OrtO Bräunche und Holge r Reimers Gescaltung der Reihe Herbert Kaes Thomas Lindemann TItelbild Karlsruhe, Kaiserstraße 47, Aufnahme Fritz Hugenschmidt 1946 Verlag lNFO Verlagsgese llschaft Käppelestraße 10 . Postfach 3367 . 0-76019 Karlsruhe Telefon 072 1/617888· Fax 62 1238 Satz und Gescaltung dieses Bandes Constanze Jung Micarbeit Rebecca Barth, Kurt Fay, Christopher Jung, Volker Morsch Druck Engelhardt & Bauer, Karlsruhe Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Datensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältl ich © 2001 . INFO Verlag GmbH Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, ohne Genehmigung des Verlags nicht gestattet. Für die Unterstützung des Drucks danken wir Dr. Ing. Ernst Buchholz und Dr. Ing. Dietmar Maier. ISBN 3-88190-266-x www.infoverlag.de 5 Inhalt Geleitwort Oberbürgermeister Heinz Fenrich .............................................. 7 Grußwort der Vorstandsvorsitzenden der Volkswohnung GmbH Heinke Salisch .... .... ............................ .... ...... ..... ...... 8 Grußwort des Leiters der Außenstelle Karlsruhe des Landes- denkmalamtes Baden-Württemberg Dr. Johannes Wilhelm ......... .... .......... 9 Vorwort Dr. Holger Reimers .................................................................... .... 11 Holger Reimers Grundlagenermittlung für die Karlsruher Stadtgeschichte - Das Modellhaus in der Kaiserstraße 47 als "Datenträger" ............ ........ 13 Grundlagenermittlung für den Umgang mit lIder alten Hütte" ................ 13 Karlsruhe und das Bauen nach dem Modell im 18. Jahrhundert .......... .... 17 Die Baugeschichte des Karlsruher Modellhauses Kaiserstraße 47 .... ......... 21 Zu einzelnen Entwicklungsstufen: Bauphasen im Detai l .. ......................... 25 Entwicklungss tufe I: Der Neubau im Jahre 1723 ..... ....................... 25 Entwicklungsstufe 11: Anpassung an die neue Karlsruher Bauvorschrift von 1752 ......................................... 35 Exkurs: Modellhäuser in Karlsruhe und ihre Umbauten nach 1752 ... ...... 38 Entwicklungsstufe IIl : Ein Ladengeschäft im Vorderhaus und ein neuer Anbau im Hof 1881 ................................................. . 47 Fortschreitender Wandel in kleinen Schritten: Die Ausstattung des Hauses .................................... ................ ..... .... 50 Neue Erkenntnisse zur Karlsruher Stadtbaugeschichte .............................. 57 Exkurs: Zum Seilerhandwerk und zur Seilerfamilie Schönherr ... .......... .... 64 Farbabbildungen .................... .................................................. .......... ........... 69 Gerhard Kabierske Vom "Kuriosum" zum Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. Niedergang und R ettung des Schönherrschen Hauses ..... .. 85 Dokumentation ....................... ..... ...................... ...................... ... ................. 90 Sanierung heißt Abbruch. Die Jahre 1962-1986 ....................................... 90 Ku lturdenkmal ja oder nein? Das Jahr 1986 ................................... .... ........ 94 6 Erste Planungen zur Objektsanierung. Die Jahre 1986- 1993 .................... 97 Zwei Zwangsversteigerungen . Das Jahr 1993 .......... .. .... .. ............................ 99 Die gescheiterte Sanierung. Die Jahre 1993-1997 ................................... 100 Die Rettung als Gemeinschaftsaktion . Die Jahre 1997-2000 ................. 104 Georg Matzka Die behutsame "Wiedernutzbarmachung" ............................................. 111 Erste Notsicherungsmaßnahmen 1997/1 998 ............................................ 111 Die Voruntersuchung - Vorbereitende Maßnahmen ............................... 11 2 Die Voruntersuchung - Quellstudium, Raumbuch, Bestandsanalyse ..... 11 2 Das Nutzungskonzept .. ....................... .. ..... ........................................... ...... 11 6 Das Reparaturkonzept ............ .. .................................................................. 11 7 Die Reparaturmethoden ............................................................................. 121 Material und Konstruktion .... .. .............. .. ....................................... 121 Konstruktionswechsel ohne Änderung des Baumateri als ............ 121 Überlagerung ............................. ............................................ .... ...... 122 Hinzufügungen ................................................................................ 122 Baupraktische Umsetzung ..................... .. .... ............... .. ..... .. ........ ............. .. 124 Fensterinstandsetzung ..................................................................... 124 Putzoberflächen ........................................................ ....................... 125 Die Haustechnik ............. ....................................... ........ ................. 128 Zielsetzung und Ergebnis .... .... .................................. .... .... ... ....................... 129 Nachwort Eine neue Zeitschicht - eine neue Farbfassung ........................................ 13 1 Anhang Anmerkungen ... ......................................................... ....... .......................... 133 Literaturverzeichnis .................... ........ ....................... ................................. 138 Abbildungsn achweis .......................... ................ ......................................... 140 Zu den Autoren ................ .. ....... .. ..................... .. ........................................ 142 Grundrisse zur Orientierung (bitte ausklappen) Geleitwort Das Haus Kaiserstraße 47, das nach dem Beruf der lang-jährigen Bes itzer "Seiler- häuschen" genannt wird , zählt zu den bekanntesten Bauwerken in Karlsruhe. Über Jahre hat es Ausei- nanderse tzungen darüber gegeben, ob es abgebrochen oder erhalten werden sollte. Die eine Sei te sah in dem zweigeschossigen Haus ein wichtiges Zeugnis aus der Frühze it der Stadt Karlsruhe, die andere ei- nen Anachronismus in der heutigen Stadtgestaltung. Im Laufe der letz- ten 120 Jahre war nämlich die fünf- gesch oss ige Bebauung dieses Be- reichs der Kaiserstraße zu r Regel ge- worden . Aus heut ige r Sicht ist der Erhalt des kleinen Bauwerks durch die Stadt bzw. die Volkswohnung G mbH aber ein G lücksfall , da sonst eine wichtige Quelle zur Karlsruher Stadtgeschichte verloren gegangen wäre. Mit Dr. Gerhard Kabierske und Dr. Holger Reimers konnten ver- sierte Bauhistoriker für diese Pub- likation des Stadtarchivs und der Volkswohnung gewonnen werden. Der eine hat als ehemaliger S tadt- konservator und heutiger wissen- schaftlicher Mitarbeiter des Süd- westdeutschen Archivs fü r Archi- tektur und Ingenieurbau Karlsruhe selbst die Diskussionen um das "Seilerhäuschen" begleitet , der an- 7 dere hat während se iner T ätigkeit im Sonderforschungsbereich (SFB) 315 "Erhalten historisch bedeut- samer Bauwerke" der Univers ität Karlsruhe ein Seminar zur Erfor- schung der Bau- und Umbauge- schichte der Kaiserstraße 47 gelei- tet. Ihnen gilt mein Dank ebenso wie dem A rchitekten Georg Matz- ka, der für die Volkswohnung d ie- ses stadtgeschichtlich h erausragen- de Bauprojekt betreut hat. Ich freue mich sehr, dass die Bau- geschichte des "Seilerhäuschens", die Geschichte seiner Rettung in der Ze it zwischen 1986 und 1997 sowie die vorbildlich behutsame Wiedernutzbarmachung nun nach- zu lesen ist , und bin sicher, dass auch der zweite Band der Reihe "Häuser- und Baugeschichte" des Stadtar- chivs auf ein reges Interesse stoßen wird. HEINZ FENRICH OBERBÜRGERMEISTER 8 Grußwort I\s Baubürgermeisterin der Stadt Karlsruhe war ich noch nicht einmal ein Jahr im Amt, als ich mit dem bevorste- henden Abbruch des Seilerhäus- chens konfrontiert wurde. Die se i- nerze itigen Eigentümer hatten im O ktober 1996 einen Abbruchantrag gestellt. Ich hatte die Gelegenheit, das Seilerhaus in seiner traurigsten Phase besichtigen zu können . Man wollte mir an Ort und Stelle deut- lich machen, dass sich ein Sanie- ren nicht mehr lohnen würde. Aber gerade weil ich das alte Haus gese- hen und dieses Zeugnis unserer ers- ten Karlsruher Gebäude körperlich wahrgenommen habe, war mir be- wusst, dass ich für den Erhalt so- wie die Renovierung dieses Hauses kämpfen musste. Ich war dies den Karlsruher Bürgerinnen und Bür- gern und diesem Relikt der Stadtge- schichte, eng verbunden mit einer ausgestorbenen Handwerkertrad iti - on, einfach schuldig. In unzähligen Gesprächen mit den Eigentümern wurde nach Lösungsmöglichkeiten für den Erhalt gesucht, die immer wieder bei dem Thema wirtschaftli- che Zumutbarkeit ihren " Knack- punkt" hatten . In diesem Zusam- menhang möchte ich den Herren Schwarzwälder und Schoppe für ihr großes Engagement in dieser Phase ganz herzlich danken. In einem denkwürdigen Ge- spräch am 4. November 1997 bei Frau Regierungspräsidentin Häm- merle mit der Denkmalstiftung Ba- den-Württemberg konnte erstmals ein pos itiver Ansatz für den Erhalt des Hauses gefunden werden . Die bisherigen Eigentümer hatten sich zwischenzeitlich in Anbetracht des doch mass iven Widerstandes, der sich gegen den Abbruch des Hauses formiert hatte, zu einem Verkauf be- reit erklärt. A ls Aufsichtsratsvorsit- zende der Volkswohnung GmbH konnte ich Geschäftsführung und Aufsichtsrat davon überzeugen, dass dieser Kauf und die Sanierung des Seilerhauses für die städtische Woh- nungsbaugesellschaft ein positives Signal setze n würde. Nachdem die Denkmalstiftung Baden-W ürttem- berg einer finanziellen Beteiligung bei der Kaufpreisfinanzierung zuge- stimmt hatte, ging Ende 1997 das Gebäude in das Eigentum der Volks- wohnung über, und die Sanierung konnte beginnen . Nach zahlreichen Eigentümer- und N utzungswechseln mit unterschiedlichen Umbaumaß- nahmen war das älteste Wohnhaus in Karlsruhe endgültig gerette t. Ich möchte an dieser Stelle allen herz- lich danken, die mit ihrem Enga- gement zu diesem erfreulichen Er- gebnis beigetragen haben . Unter Einbeziehung der Universität Karls- ruhe und in A bstimmung mit dem Landesdenkmalamt wurde ein Re- paratur- und Nutzungskonzept er- arbeitet. Das Seilerhäuschen wurde denkmalgerecht und handwerklich komplett saniert. Die historische Substanz konnte, soweit die Repa- raturmaßnahmen dies zuließen, wei- testgehend erhalten und , wo er- forderlich , materialgerecht ergänzt werden . Die noch vorhandenen Ausstattungste ile wurden wieder- aufgearbeitet und ebenfalls ergänzt. Am 21. Juni 1999 konnte das Richt- fest gefeiert werden , lind es war ei- ner meiner erfreulichsten Tage als Aufsichtsratsvorsitzende der Volks- wohnung und Baubürgermeisterin der Stadt Karlsruhe. HEINKE SALISCH AUFSICHTSRATSVORSITZENDE DER VOLKSWOHNUNG GMBH Grußwort Das Haus Kaiserstraße 47 in Karlsruhe, heute unter dem N amen "Se ilerhaus" be- kannt, spiegelt insbesondere durch se ine Geschichte der letzten Jahr- zehnte auch die Schwierigkeiten und Entwicklungen der Denkmal- pflege im Land Baden-Württemberg wie auch in der Stadt Karlsruhe wi- der. Die Zeugnisse, welche das Le- ben der Bürger authentisch belegen können, entsprachen oftmals nicht dem Anspruch, den die N achwelt an die Überlieferung ihrer Vorfah- ren stellte. Die Einbindung der staatlichen Denkmalpflege in die sich meist über Jahre hinweg zie- henden Planungsüberlegungen der Stadtsanierung stand zusätzlich ei- ner früh zeitigen Erkenntnis über den Wert der historischen Substanz des Gebäudes im Wege. Erst der Kenntnisstand der jünge- ren Hausforschung ermöglichte ei- nen neuen Ansatz der Bewertung des Baues, der mit seinem gesicher- ten Entstehungsjahr 1723 sich als eine der aussagekräftigsten Quellen für das frühe Karlsruher Bauwesen im bürgerlichen Bereich erwies. Das Haus, dessen gründliche Untersu- chung nun gleichsam einen Katalog über die in Karlsruhe üblichen Ent- wicklungsstufen für Umbauten der Anwesen der mittelständischen Handwerker eröffnet, muss mit vol- lem Recht eine wertvo lle Bauurkun- de für die Geschichte der jungen Stadt genannt werden . Es steht nicht nur für die G eschichte der Seilerfamilie, sondern für eine große Anzahl von Bauten , die durch die sich entwickelnde Stadt verdrängt oder bis zur Unkenntlichkeit über- formt worden sind. Der Maßstab- sprung, der zwischen dem Anwesen und se inen fünf- bis sechsgeschossi- gen Nachbarn bes teht, führt uns heute wohl am deutlichsten die Ent- wicklung von den Anfängen der Res idenzstadt bis zur Neuze it vor Augen . Die in dem vorliegenden Band aufgeze igten Erkenntnisse über die Baudetails, die durch die intensiven Forschungen einze lnen Geschichtsabschnitten eindeutig zugeordnet werden, geben Einblick in das Leben vergangener Tage und vermitteln die einzigartige Rolle ori- ginaler Baudokumente für die For- schung und Darstellung der Ge- schichte. Der Weg zur richtigen Wert- schätzung des Hauses, das ursprüng- lich durch se in schlichtes Äußeres für zu unspektakulär gehalten wur- de um als Kulturdenkmal zu gelten, führte über se ine gründliche Erfor- schung. Dass dies noch möglich war, ergab der Umstand, dass es als nicht sanierungswürdig sich sogar unsach - gemäßen auf Rendite zielenden In- 9 standsetzungen entzog. Nachdem es als Bau des ersten Jahrzehnts der Stadt ges ichert war, war es leichter, se ine Bedeutung zu vermitteln und für Mitstreiter zu seiner Erhaltung zu werben . Dass die Anstöße dafür nicht allein durch die staatliche Denkmalpflege erfolgten , zeigt ein- mal mehr die N otwendigkeit des bürgerlichen Engagements und der Artikulierung des öffentlichen Inte- resses, das den e igentlich tragenden G rund für die Erhaltung historischer Bauten gibt. Die nun durch die Volkswoh - nung durchgeführte Sanierung des Anwesens erreicht mit der behutsa- men Instandsetzung und Reparatur eine Fortschreibung des Baudoku- mentes für die kommenden Genera- tionen. Ermöglicht durch einen Zu- schuss der Denkmalstiftung Baden- Württemberg für den Erwerb und durch einen Zuschuss der Denkmal- förderung des Landes für die Maß- nahme konnte das Baud enkmal für das künftige Leben in der Stadt ge- sichert und einer denkmalverträgli- chen Nutzung zugeführt werden . Auch wenn Kritikern vielleicht die Reparatur in Teilen zu we it geht, da sich die Vielschichtigkeit des Doku- mentes nicht in allen Te ilen erhal- ten li eß, oder, weil sich die neue Nutzung auch technisch etablierte, die Geschlossenheit des histo ri- 10 schen Ensembles der Ausstattung gestört scheint, sollte man beden- ken, dass auch diese Maßnahme nur eine neue historische Schicht an dem Bauwerk darstellt, über deren Berechtigung unsere Nachkommen urteilen werden. Es bleibt zu hoffen, dass das Bei- spiel der Erhaltung des "Seilerhau- ses" anderen Baudokumenten des Alltags lebens der früheren Zeit Karlsruhes, wie zum Beispiel den Häusern der Waldstraße 5 bis 9, eine Chance eröffnen wird. Nur durch die Überlieferung solcher Do- kumente wird man den ursprüngli- chen Charakter der durch den groß- artigen Grundrissentwurf geprägten Residenzstadt für die Nachwelt dringlich gewährleisten können. DR. JOHANNES W ILHELM LANDESDENKMALAMT BA DEN-WÜRTTEM BERG LEITER DER AUSSENSTELLE KARLSRUHE Vorwort Das "Se ilerhäuschen" in der Kaiserstraße in Karlsruhe zählt zu den bekanntesten Bauwerken in Karlsruhe. Über Jah- re hat es Ause inandersetzungen darüber gegeben , ob es abgebrochen oder ob es erhalten werden so llte. Die eine Seite sah im Haus der ehe- maligen Seilerei Schönherr ein wichtiges Zeugnis der Karlsruher Stadtgeschichte, die andere eher ei- nen Anach ronismus in der heutigen Stadtgestaltung: Das zweigeschossi- ge Modellhaus bildete mit se inem N achbarhaus e ine "Lücke" in der N achbarschaft, in der im Laufe der letzten 120 Jahre e ine eher fünfge- schossige Bebauung entstanden war. Aus heutiger S icht ist das Engage- ment für den Erha lt des kleinen Bauwerks e in Glücksfall, da im an- deren Falle eine wichtige Quelle zur Stadt(bau}geschichte Karlsruhes verloren gegangen wäre. Dieses Buch so ll drei Aufgaben erfüllen : Zunächst sollen mit e iner Darstellung der fas t dreihundert jäh - rigen Bauge chichte Karlsruhes und des Modellhauses Kaiserstraße 47 die Gründe darge legt werden, die dieses G ebäude zu e inem so bedeu- tenden Bauwerk machen, dass sich der Aufwand für se ine Erhaltung als angemessen erweist . Durch die bau- geschichtliche Untersuchung konn- te ein neues und deutlicheres Bild der Planstadt Karlsruhe in den ers- ten Jahrzehnten gewonnen werden, besonders vom Erscheinungsbild der S traßenzüge in der Bürgerstadt. In der Zeit von 1715 bis 1752 waren ungefähr 280 H äuser nach den Karlsruher Modellhausvorschriften errichtet worden . Die bauliche Um- setzung dieser Vorgaben in Funktion und Form, Material und Bautechnik konnte erstmalig be i e inem der fünf noch erhaltenen frühen Bürgerhäu- ser Karlsruhes untersucht werden . Die Planstadt hatte danach ein ein- he itliches Stadtbild mit anspruchs- vollen Architekturformen , die dem Steinbau entsprachen - auch wenn sie in Fachwerk ausgeführt wurden (vgl. Abb. 20 und Farbabb. 5). Im zweiten Abschnitt so ll die jüngere Geschichte des Schönherr- schen Hauses - das Bemühen um den Erhalt ebenso wie die Bemü- hungen um den Bau eines Park- hauses an der se lben Stelle - da rge- stellt und in den zeitgeschichtlichen Zusammenhang sich wandelnder Lebensvorste llungen e ingebunden werden . Im dritten Abschnitt werden die Methoden geze igt, die es ermöglich- ten , das historisch bedeutsame Bau- werk in seinem Quellenwert für die Stadtgeschichte zu bewahren und dennoch eine neue Nutzung einzu- bringen . 11 Dass das Modellhaus von 1723 bis heute erhalten ist, verdanken wir für den größten Zeitraum seines Be- stehens der Seilerfamilie Schönherr, die das Bauwerk von 1739 bis 1986 genutzt , erhalten und kontinuier- lich gepflegt ha t . Dass das Bürger- haus aus der Gründungszeit der S tadt auch die fo lgenden elf Jahre überdauerte, ist zahlre ichen Bürger- innen und Bürgern dieser S tadt zu verdanken , die sich für die Bewah- rung dieses Stückes Stadtgeschichte eingesetzt h aben . Zu guter Letzt se i der Volkswohnung gedankt, die sich se it der Jahreswende 1997/1998 in die Rolle des Paten für di eses Bau- werk aus e iner vergangenen Zeit be- geben hat . S ie verfo lgte mit einem spez iell ausgebildeten Architekten eine so respektvolle Instandsetzu ng, dass das Bauwerk a ls G eschichts- que lle erhalten blieb, obwohl es einer neuen Nutzung zugeführt wur- de. Es wird auch zukünftigen G ene- rationen von den Ursprüngen der Planstadt Karlsruhe berichten . DR. HOLGER REIMERS Grundlagenermittlung für die Karlsruher Stadtgeschichte - Das Modellhaus in der Kaiserstraße 47 als "Datenträger" von Holger Reimers I n diesem Buch wird ein Bauwerk vorgestellt, das in Karlsruhe pro-minent geworden ist und dessen Zukunft nach langjährigen Ausei- nandersetzungen (vgl. hierzu Ger- hard Kabierske, S. 85-110) mit einer respektvollen Erhaltungsmaßnahme (vgl. hierzu Georg Matzka, S. 111- 130) gesichert sche int: das "Se iler- häuschen" in der Kaiserstraße 47 . Die Absicht dieses Beitrages ist es, die Baugeschichte des Bürger- hauses darzulegen, das heißt, se ine Errichtung kurz n ach der Stadt- gründung im Jahre 171 5 ebenso nachzuvo llziehen wie die Entwick- lung des Bauwerks in fast dreihun- dertjahren Nutzungs- und Verände- rungsgeschichte. Eine baugeschichtliche Erfassung des Bauwerks hat dabei zwei wesent- liche Facetten. Zum einen ist sie als "angewandte Bauforschung" auf die Erhaltung des Bauwerks ausgerich- tet. Die Grundlagen für eine behut- same Instandse tzung werden durch eine Beobachtung des Baubestandes und die Auswertung aller weiteren verfügbaren Informationen über das Bauwerk zusammenge tragen . Die auf Erhalt zielende angewandte Bau- forschung verbindet mit der Frage " Was ist da?" auch immer die Frage " Wie kann es erhalten werden ?". Es ist deshalb folgerichtig, dass hier ein enger Kontakt zwischen dem Bau- forscher und dem Architekten be- steht, um die erhaltenswürdigen Merkmale des Bauwerks in die Pla- nung einbeziehen zu können . Die Bauforschung zu r Ka ise r- straße 47 inden Jahren 1998/1 999 reichte jedoch über diese auf den Umgang mit dem Bauwerk ausge- richtete Grundlagenermittlung hin- aus: Als Quelle zur Stadtgeschichte war das Bauwerk, um dessen Erhal- tung sich so viele bemüht hatten , bisher noch nicht ausgewertet wor- den . Die bei der Untersuchung ge- wonnenen zahlreichen neuen Er- kenntnisse zur frühen Karlsruher Stadt[bau]geschichte - beispi els- weise, dass es sich bei Kaiserstraße 47 um ein modellgemäß errichtetes Haus handelt - machen es deshalb lohnend, das Bauwerk und se ine Geschichte einer breiteren Öffent- lichkeit zu präsentieren. Dafür sollen die Untersuchungen zur Baugeschichte zunächst im Überblick über ihre Ergebnisse vor- gestellt und anschließend einzelne Entwicklungsstufen - 1723, 1753, 1881 - in Funktion und Form, in Material und Bautechnik dargestellt werden. Darauf aufbauend sollen die Befunde erläutert we rden , die die Kaiserstraße 47 als ein Modellhaus der ersten Bürgergeneration zu e iner besonderen Quelle für die Karlsru - her Stadtgeschichte machen. 13 Erst diese baugeschichtliche Aus- wertung, die die Aussagen verschie- dener Informationsquellen - aus der schriftlichen und bild lichen Über- lieferung, aus der Baubeobachtung mit Baubeschreibung und Bauauf- nahme sowie den eingreifenden Un- tersuchungen - zueinander in Bez ie- hung setzt, ermöglicht die Klärung der historischen Bedeutung des Ein- zelbauwerks. Grundlagenermittlung für den Umgang mit "der alten Hütte" Von den Untersuchungen, die sinn- vo ll und notwendig sind, um eine angemessen behutsame Instandset- zung vorzubereiten, waren wichtige Schritte getan . Es gab ein form- getreues Aufmaß aus dem Jahr 1994, das das Architekturbü ro Crowell & Crowell aus Karlsruhe angefertigt hat (Abb. 1 und 2), und eine im Zu- sammenhang mit der Bauaufnahme vorgenommene dendrochronologi- sc he Datierung des ursprünglichen Gebäudes (nicht jedoch der jünge- ren Anbauten) , die das für Karlsru- he hohe Alter des Bauwerks das ers- te Mal belegte.' Es gab eine Scha- denskartierung des Holzgerüstes, d ie mit dem Bohrwiderstandsmessver- fahren vom Büro Rinn & Fischer aus Heidelberg durchgeführt wurde. 14 Von der Volkswohnung GmbH als neuer Eigentümerin seit der Jahres- wende 1997/1998 wurde in den ers- ten Monaten nach der Erwerbung durch den verantwortlichen Archi- tekten Georg Matzka das Bauauf- maß der Flügelbauten erstellt und eine umfassende Fotodokumenta- tion mit dem notwendigen O rien- tierungssystem angefertigt . Darüber hinaus wurden gründliche Vorüber- legungen für die Einpassung einer denkmalverträglichen Nutzung im Sinne einer Fortschreibung der Ge- schichte des Baudenkmals entwi- ckelt, deren Ansatz und Zielrich - tung dem Erhaltungsanliegen die- nen (vgl. hierzu Georg Matzka, S. 111 bis 130). Kaiserstraße 47 als Ausbildungsobjekt Il L "i r 1 --- --- --- --- ----rfi f----\ - --T "" -- - .[ -- i r: ==-= 1 1 \. 1'1. !oIJ11: cL _. 1 '=· , " " ""i I 1.2. ' 1 I, 1 1 ' ~ i 1 1 : ~J~~~r'~~~ti 1"--- I' 1 Im Wintersemester 1998/1999 er- 11 '~:=:.. 11 hielten die Studentinnen und Stu- 'i' "~~~~ ~~ denten des zweiten Jahrgangs im =11 =. ~ II~ >~: neu eingerichteten Aufbaustudien- \ ... - -:-' II-"-----""=--~- gang Altbauinstandsetzung an der 1 ~/ ""0. __ ... ~ Universität Karlsruhe (TH) einen 11 "" .... ~ :::~ ganz besonderen Einblick in die I, I "00_' ...... 1 .... "'0'" GI 00 1f01I1 .... , ..... u~f U ., • • GI 00 ' '''''''' ' 0. ....... U .I .. Ilun l .. IlU/tl IM Oll , .... . . "', .. t... u. I •• Ot IIIInl_ . ......... '.hn..'.h' IN IO n " ....... ' .... ... , • • ... 0'''''''' '001>0. •• Uli / n "" UII/I) _ .... _ "_ ... ~ lo t .1 . '11 '_'" .. ..".10 .. I. W'Mn un/u .. ,.llt t .... loedOl .. _ . 1111 1 __ H " •• uICh ......... . o. ......... t . J. ". 11JlII, .. I.""n . -WiLJ- , ..... "'~~ , 1 , ANB.W m Karlsruher Stadtgeschichte (Abb. r I:" !: :: i ,l, 3). Die Volkswohnung, die das ~u_-------~ft_~:;~~3:~~~~3~~E=~~~~b1 "Seilerhäuschen" in der Kaiserstra- _~ -"" 1:,.. 1 ~~. ße 47 durch die Übernahme zur Jah - ::;::;..,~~; J 8- reswende 1997/1998 vor dem Ab- -I 5'IEH.A. bruch bewahrte, unterstützte die Ausbildung durch die Öffnung eines der ältesten Häuser Karlsruhes für 22 Teilnehmerinnen und Teilneh- mer eines Seminars zur "Bauauf- nahme und Bestandsdokumentati- on" unter Leitung des Verfassers.2 So erhielten die Teilnehmer einen besonders intensiven Kontakt mit Bausubstanz aus der Gründungsze it ~I'H"~'I~"+"~I--+-~~--+--+I ·~--+-~~ __ ~ 1 Grundriss Erdgeschoss, formgetreues Aufrrw.ß 1994 durch das Archi tekten- büro Barbara Kollia-Crowel! und Robere Crowel! , Karlsruhe. HANIX<IERKERHAUS (SEILEREI) KAlSERSTR .47 76131 KARlSRLI!E GRUNDRISS EG H 1: 50 Aufgetragen wahrend der Messung Genauigl:e1 tsstufe tll B. KOLllA·CRIX<IEll R.CRIX<IEll FREIE ARCHITEKTEN DlPl . · lNG . KARLSRUHE MItarbeit : Dlpl .· lng . H. PI gur Stand : 5/94 Pl . ·Nr . 216 A L ... """"'. ""~. ~ o I 8-' von Karlsruhe und konnten ihren Blick schärfen für die Spuren , die eine bestimmte Nutzung hinterläss t, oder die von einem Umbau oder ei- ner Neuausstattung in den vergan- genen fas t dreihunde rt Jahren be- richten. Die Architektinnen und Architekten, die sich für eine Spezi- alisierung im A ltbaubereich ent- 2 Grundriss Obergeschoss, formgetreues Aufmaß 1994 durch das Architektenbüro Barbara Kollia-Crowell und Roben Crowell, Karlsruhe. 15 -1 1"11""1 St'lEfU. J ~ ~_ . .......... schieden haben, bekamen hier Ein- blick in die A rbeit des Bauforschers, der die Bausubstanz und ihre Ge- schichte erkundet und damit den baugeschichtlichen Teil der G rund- lagenerm ittlung bei e inem älteren Bauwerk - sei es ein Baudenkmal oder ein "einfacher" A ltbau - für den A rchitekten erarbeitet . HAN[l.JERKERHAUS KAISERSTR .47 GRUNDRISS OG (SEILEREI) 76131 KARlSRll<E H 1:50 Aufgetragen wahrend der Messung Genaul gl::eitsstufe lt I B. KOlLIA-CRClIELL R.(R[l.JELL FREIE ARCHITEKTEN DIPL .-!I*> . KARLSRLME Hit.rbeit: vellifllmlffl. H. Pigur Stang!C~J92"aßsta9fle!eph3/6 Die Analyse der Bausubstanz und ihrer geschichtlichen Entwicklung war außerordentlich aufschluss- reich , besonders zur bautechnischen Rea lisierung der Modellhausgrund- risse in der G ründungszeit der Stadt, aber auch zu den Entwicklungsstu- fen , die ein Handwerkerhaus im Laufe von über 270 Jahren seit 1723 16 3 3 Studentinnen und Studenten des Auf- baustudienganges A ltbauinstandse tzung im Wintersemester 1998/1 999 bei der Beobachtung der Bausubstanz im Haus Kaiserstraße 47 (J 998) . 4 Übersicht über die im Haus Kaiser- straße 47 vorhandenen Fensteranlagen , Ergebnis eines Seminars mit Studentinnen und Studenten des Aufbaustudienganges Altbauinstandsetzung im Wintersemester 1998/1 999. durchgemacht hat. Die stärksten Eingriffe in di e historische Bau- substanz haben erst zwischen 1990 und 1995 stattgefunden, so dass jetzt einerseits größere Teile der Ausstat- tungs- und Nutzungsspuren der jün- geren Epochen zerstört sind , ande- rerseits aber auch die weitgehend er- haltene ursprüngliche Bausubstanz "wie ein offenes Buch" daliegt. 4 ÜBERBLICK ÜBER DIE HISTORISCHEN FENSTER EG Ubtrbbc:tl.:.tdie Im Gebtuc».- I'laIIenen~F~~ und ll,lClfdnungen zu den bupMMn. ~H22I23 -88uHiI. ~ z.....o.. H..wle Jhd rz2'lZlll'Zd EI"$WIHMk!.ltJhd DZi!]I z-te ... 1 • . h ~er..H'"'- !O_..hI I:=:=J: Zweb HMfItI 20 ..hI . ...... Fo FenlwfOl>tftiehl F.., F""\efUn~ Spuren der Bau- und Nutzungsgeschichte Da ein Bauaufmaß schon vorhan- den war, bildete nicht die zeichneri- sche Erfassung der Bausubstanz den ersten Schritt für die Seminarteil- nehmer, sondern die Auseinander- setzung mit der Bausubstanz vor Ort im Rahmen einer weitre ichenden Baubeobachtung, mit der an einem Bauwerk aus einer vergangenen Zeit zahlreiche Informationen gewon- nen werden : Diese gilt es zu erken- nen , zu deuten und zu vermitteln. Ein Ergebnis der Baubeobachtung ist die Baualterskartierung (Farbabb. 10), bei der jedes Bauteil in der Fol- ge se ines Einbaus in Plänen farbig gekennzeichnet wird . Arbeitsgrup- pen sammelten und werteten litera- tur zur Stadtgeschichte aus, um die Bedeutung des Obj ektes für Karlsru - ÜBERBLICK ÜBER DIE HISTORISCHEN FENSTER OG ~ 1122123_BMlZeiI_ ~ Zweite Halft'l lS . JIlcI lZ2222'ZZ3 EraleHM/W li JhcI .I9Zi.!3IlWMe H.n'!e 19Jhd ~Enc. H6/IIe 20.Jha I===:::IZ ....... H .. e2'O.JhcI ...... Fa Feniter Ober1icH Fu F_IItf'Unt«Iid\I R ...... 1781).1Il00 Fo um 1700-1800 F" ...... 1701).111OO R um 182~ Fo umll1iO Fu .... ' 810 R umll2S FOllm l 825 FU'"1111i20 R ,,",1152' Fo .."IW Fu um 1825 R .,...,Ins Fo ,,", In, F, FI1 .1113 . ''''''' Fo 20""'" Fu 20JIIG he darzustellen . Ä ltere Akten, Plä- ne und Abbi ldungen wurden ge- sichte t und in Bezug zur vorhande- nen Bausubstanz gebracht. Die Funktionen der Räume in den verschiedenen Nutzungsphasen konnten anhand der sichtbaren Spuren dargestellt werden . Kons- truktion , Baumaterial und Bautech- nik wurden beschrieben und den einzelnen Bauphasen zugeordnet. Anhand der Spuren ließ sich auch die Grundrissentwicklung, die Raum- struktur im Wandel der Zeit, nach- vollziehen. Auch die Beschreibung des Erhaltungszustandes unter his- torischem G esichtspunkt ist eine wichtige Voraussetzung für ein In- standsetzungskonzept. Beispielhaft wurden die wichtigen historischen Fenster in Form eines "Fen ster- buchs" erfasst (Abb. 4) . Die Ergeb- nisse der Beobachtung und Analyse 5 der Bausubstanz des "Seilerhäus- chens" wurden am 26. November 1998 der Bauherrschaft und ihrem Architekten, Vertretern der Denk- malbehörden und der Bauaufsicht vorgestellt und bei einer Führung erörtert (Abb. 5) . In einer Broschü- re fassten die Studentinnen und Studenten die im November 1998 mündlich vorgetragenen Forschungs- ergebnisse (Abb. 6) im Frühj ahr 1999 zusammen .3 Im Sinne einer umfassenden interdisziplinären Zu- sammenarbeit zwischen Architek- ten , Bauforschern, Denkmalpflegern und Fachingenieuren sind auch die Ergebnisse der Untersuchung der Studentinnen und Studenten in die Instandsetzung eingeflossen. Daran anschließend wurden weitere Beob- achtungen während der Reparatur- maßnahmen im Laufe der Jahre 1999 und 2000 fortlaufend doku- mentiert, diskutiert und in die Kon- zeptfindung einbezogen. Karlsruhe und das Bauen nach dem Modell im 18. Jahrhundert Um die heutige Bedeutung des Bür- gerhauses Kaiserstraße 47 für Karls- ruhe zu verstehen, sind verschiede- ne Aspekte einzubeziehen. Das Ge- 6 bäude stammt aus der Gründungs- phase der Stadt. Es wurde im Jahre 1723 errichtet, wie se it der Bestim- mung des Fälldatums des Bauholzes (Dendrochronologie) nachgewiesen ist . Die Hölzer wurden im Winter 1722 auf 1723 gefällt, einzelne Höl- zer zur Ergänzung im Sommer 1723 geschlagen. Die Stämme wurden sofort für die Verwendung zugerich- tet (abgebunden), wie die Abbund- zeich en ze igen, die be im anschlie- ßenden Trocknen im eingebauten Zustand gerissen sind .4 Erst wenige Jahre zuvor, 1715, war - im Rahmen der Vorbereitung für die Anlage ei- ner strahlenförmigen J agdschlossan- lage - mit den Rodungen für den Wegestern im Hardtwald begonnen worden. Noch vor dem Beginn von Bauarbeiten wurde das Konzept zu einer Sommerres idenz erwe itert. Entgegen der ursprünglichen Ab- sicht verlegte Markgraf Karl Wil- helm von Baden-Durlach (1679- 1738) se ine Residenz im Jahre 17185 von Durlach nach Karlsruhe, nachdem er diese Absicht schon am 19. Juli 1717 verkündet hatte.6 Da- mit war auch die Entwicklung der kleinen, zunächst auf die Sommer- residenz ausgerichteten Siedlung zu einer Stadt vorgeze ichnet. Schon der S tadtplan Jakob Friedrich von 5 / 6 Studentinnen bei der Vorstellung der Ergebnisse des Seminars Bauauf- nahme und Bestandsdokumemation am 26. November 1998. Anwesend waren Architekt Georg Matzka als Vertreter der Bauherrschaft sowie Frau Dr. Ulrike Plate und Herr Dr. Johannes Wilhelm als Vertreter des Landesdenkmalamtes Baden-Wümemberg. 17 Batzendorfs, der in der Zeit um 1725 entstanden se in dürfte, bezog eine Bebauung an der östlich en Verlän- gerung der Langen Straße in se ine Planung für eine modellgemäße Be- bauung mit ein. Die farbliehe Mar- kierung der Straßen, die sich in der Kernstadt befindet, ist auch auf die- sen Straßenzug bis fas t an die Stelle des heutigen Durlacher Tores ausge- dehnt (Abb. 7) .7 Die Verlegung des Durlacher Tores von der Ecke zur Waldhornstraße zur heutigen Stelle im Jahre 1734 vollzog die städtische Entwicklung nach.8 Ein l agdstem als Ausgangspunkt Das Zentrum des Jagdsterns bildet der Schlossturm, von dem 32 Strah- len ausgehen. Auf der Südseite wur- de ein kleines Gebiet für die Bebau- ung mit Wohnh äusern vorgesehen: Das zukünftige Stadtgebiet wird in acht Baublöcken zwischen den süd- lichen neun S trahlen angelegt, nördlich eingefasst von einem Zir- kelschlag um den Schlossturm und südlich von der Verbindungsstraße zwischen der bisherigen Res idenz Durlach im Osten und der Stadt Mühlburg im Westen.9 Den Idealen der Zeit entspre- chend, ist die städtische Bebauung 18 7 als Abbild des Staatswesens zu wer- ten, in dem der Herrscher den Mit- telpunkt bildete. In seiner direkten N ähe, am Schlossplatz, sollten die Wohnhä user der bevorzugten Be- völkerung - Adlige , Beamte - a ls zwe igeschossige Wohnhäuser mit Mansarddach entstehen . Für die üb- rige Bevölkerung waren hingegen einstöckige Wohnhäuser mit Man - sarddach vorgesehen (vgl. Abb. 7) . Der Erwerb des Bürgerrechts war an den Kauf eines Grundstücks und die Errichtung eines H auses nach den vom Markgrafen und se inen obers- ten Baubeamten, Jakob Friedrich von Batzendorf und H ans Schwartz, entwickelten Mode llhausvorschrif- ten gebunden . iO Privilegien für die neuen Bürger Um den Zuzug in die neu gegründe- te Stadt zu fördern, wurden schon im Gnadenbrief vom 24. September 1715 den Siedlern die kostenlose 7 Stadtplan, Entwurf für Karlsruhe, Schloss, Bauquartiere und Gärten, Aufriss des Schlosses sowie Grundrisse der Kirchen und Fassadenaufrisse der Modellhäuser, um 1717. Überlassung eines Bauplatzes und der n ötigen Baumate rialien (vor- wiegend das Bauholz, aber auch Sand und Lehm) zugesichert. Das Brech en und H erbe iführen der Stei- ne musste auf eigene Kosten gesche- 8 8 Stadtplan, Entwurf für Karlsruhe, Schloss, Bauquartiere und Gärten , Aufriss des Schlosses sowie Grundrisse der Kirchen und Fassadenaufrisse der Modellhäuser, um 1717, Ausschnitt aus Abb. 7: Reihenhaus-Fassadenabwicklung. hen .11 Als G egenleistung wurde von ihnen erwartet, dass sie ein (zu die- sem Zeitpunkt in der H öhe noch nicht festgelegtes ) S tartkapital mit- bringen und auf dem ihnen zugewie- senen Grundstück e in modellgemä- ßes Haus e rri chten .12 Mit der For- mulierung des Stadtrechts im Jahre 1722 waren neue Privilegien ver- bunden , die dreißig Jahre lang gültig se in sollten : Die Bedingungen für die S iedler wurden verschärft , C hristen mussten 200 G ulden Kapi - ta l nachwe isen , Juden 500 Gulden , Ausländer ihre "ehrliche G eburt" und Le ibfre iheit nach weisen , die modellgemäßen H äuser innerhalb von zwei Jahren errichtet werden . I ) Modellhäuser in der Gründungsphase der Stadt (1 715-1752) A ls Informationsquellen über diese Modellhäuser stehen einige Schrift- quellen und nur sehr wenige histori- sche bildliche Darstellungen zur Verfügung. Die erhaltenen Aufrisse der eingeschoss igen Modellhäuser für Bürger überliefern diese nur schematisch , so dass daraus ke ine Vors te llung von den Absichten für e ine konstruktive und gestalterische Umsetzung im Deta il abgele itet werden konnte (Abb. 8 ). Eine er- haltene Zeichnung, die einen Auf- riss der Straßenfassade und e inen G rundriss des Erdgeschosses eines so lchen Modellhauses wiedergibt, ist bisher nicht mit e inem tatsäch - lich gebauten Modellhaus vergli- chen worden . Die vorgefund enen Angaben in der Ze ichnung von 171 5 (Farbabb. 2) waren bislang als Entwurf mit unbekanntem Reali - tätsbezug zu werten . Durch die bau- geschichtliche Untersuchung des Bürgerhauses Kaiserstraße 47 von 1723 bestand nun die Möglichkeit zu e inern Vergle ich zwischen dem bisher bekannten Entwurfss tadium und e inem gebauten Haus, so dass auch hieraus konkrete Aussagen zur funktionalen Verte ilung, der forma- len , materiellen und bautechni- schen Umsetzung der Modellhäuser abgeleitet werden konnten . Dies soll im Anschluss an die Vorste llung des H auses se lbst erläutert werden . Das Modellhaus Kaiserstraße 47 war zu r Zeit seiner Entstehung ein 19 Bürgerhaus unter vielen . Die Stadt- planer beabsichtigten , d ie Fassaden zu einhe itlich wirkenden Straßenzü- gen zusammenzufassen . Mit jedem bebauten G rundstück, mit jeder ge- schlossenen Lücke entwickelte sich die S tadt auf dieses Zie l hin, auch wenn es wegen der unterschied- lichen , sich aus Alter und G e- brauchsspuren ergebenden Zustände und der weiterbestehenden Lücken nie ganz erreicht wurde. N eue Bau- vorschriften führten schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts dazu, dass N eubauten in einer abweichen- den Form - die einfachsten Bürger- häuser jetzt mit zweigeschossigen Fassaden und Satteldach - errichtet und bestehende Wohnhäuser dem neuen Modell angepasst werden sollten . 14 A uch danach wuchs Karls- ruhe weiter, Generation für G enera- tion , Bauwerk für Bauwerk (Abb. 9). Nur wenige der eingeschoss igen Bürgerhäuser aus der Zeit der Stadt- gründung haben die Veränderungs-, Modernisierungs- und Zerstörungs- phasen überdauert. Auch die fünf erhaltenen Bauwerke (Kaiserst raße 45 und 47 sowie Waldstraße 5, 7 und 9 ) aus der Zeit bis etwa 1750 wurden im Laufe ihrer Existenz in unterschiedlichem Maße an neue Baugesetze und neue Bedürfnisse 20 9 der Nutzer angepasst. Baugeschicht- lich untersucht und ausgewertet wurde bisher nur Kaiserstraße 47 - das Nachbarhaus Kaiserstraße 45 , das als "Gasthaus zum Wilden Mann" schon im 18. Jahrhundert bekannt war, wurde 1989- 1990 "d urchgreifend" modernisiert und steht nicht für eine Untersuchung zur Verfügung. Die drei Bauwerke in der Waldstraße sind in ihrem Quel- lenwert für die Stadtgeschichte se it längerem bekannt und konnten als Vergleichsbeispiele für Kaiserstraße 47 gesichtet werden (vgl. S. 43- 44 ).15 Eine ausführliche Untersu- chung dieser drei Bauten, die einen schmaleren Bautyp der Modellhäu- ser repräsentieren als die beiden in der Kaiserstraße, steht jedoch noch aus. Im Laufe von fast 300 Jahren Karlsruher Stadtgeschichte sind die gebauten Zeugnisse aus der Zeit der Gründung immer weniger gewor- den . Kaiserstraße 47 weist wie Waldstraße 9 einen großen Bestand an ursprünglicher Bausubstanz auf, die eine Informationsquelle ersten Ranges ist , ein Datenträger ver- gleichbar einem besonderen Schrift- stück. Dieses Baudenkmal übermit- telt uns - in einer anderen Sprache als das Schriftstück - die bauliche Umsetzung der Bauvorschriften, da- rüber hinaus aber auch die se inerzeit 9 Karlsruhe, Kaisersrraße mit Modellhäusern Nr. 41,43,45, 47 im Mittelgrund (um 1940). ganz üblichen handwerklichen Praktiken der Mate rialwahl, Mate- ri alverwendung und Bautechnik, die so gebräuchlich waren, dass man sie in den Bauvorschriften nicht schriftlich festhalten zu müssen glaubte. Das Bauwerk selbst wird hier zur wichtigsten Quelle. In der fo lgenden Darstellung der Bauge- schichte werden alle über das Bau- werk vorhandenen Informationen vorgestellt und zueinander in Bezie- hung gesetzt. Das Bauwerk als Da- tenträger wurde als Quelle (Primär- quelle) ausgewertet und die Aussa- gen mit den übrigen Informations- quellen (Sekundärquellen) zusam- mengeführt. Dabe i wurden bei der Erforschung mit den Studentinnen und Studenten im Rahmen eines Seminars des Aufbaustudienganges Altbauinstandsetzung im Winterse- mester 1998/1999 selbstverständ- lich auch die vorbere itenden Unter- suchungen - das formgetreue Auf- maß von 1994 als besonders wich - tiges Arbe itsmittel, aber auch die dendrochronologische Untersu- chung - einbezogen und weiterver- wendet. 16 Die Baugeschichte des Karlsruher ModeIlhauses Kaiserstraße 47 In den]ahren von 1723 bis 1986 hat das Bürgerhaus eine Reihe von Ver- änderungen erfahren, die sich über- wiegend auf eine Anpassung der Ausstattung an den sich wandeln- den Zeitgeschmack beschränkten. W ährend es para llel dazu auch immer wieder kleinere bauliche Ein- griffe gab, sind größere Veränderun- gen nur selten vorgekommen. Auf diese deutlich nachvollziehbaren Bauphasen soll in gesonderten Ab- schnitten eingegangen werden. Die Ausstattungsphasen von Kai- se rstraße 47 hingegen ließen sich nur noch fragmentarisch erfassen. Eine Renovierung oder kleinere Modernisierung geschah in der Re- gel durch zusätzlich aufgebrachte Schichten (Anstriche, Putze, Vertä- felungen), durch Ergänzungen mit neuen Türblättern bei zusätzlich eingebrachten Durchgängen, aber auch durch Austausch (be ispiels- we ise bei Fußböden , Fenstern oder Türen) . Diese einzelnen Verände- rungen lassen sich im Normalfall ei- nes gewachsenen N acheinander von "Zeit-Schichten" durch ihre Schichtzugehörigkeit in der ze itli- chen Abfolge ordnen . Bis 1986 war der gewachsene historische Zustand von Familie Schönherr, der das Haus seit 1739 gehörte, kontinuier- lich gepflegt worden . Eine bauge- schichtliche Auswertung zu diesem Zeitpunkt hätte ein noch viel deut- licheres Bild der Entwicklung abge- geben als es die Untersuchungen 1998 und 1999 ermöglichten . In der Zwischenzeit hatte es sehr unter- schiedliche Konzepte für die Zukunft des Hauses (oder des Grundstücks) gegeben, bei denen die Erhaltung des Bauwerks als Geschichtszeugnis nicht im Mittelpunkt stand (vgl. den Text von Gerhard Kabierske, S. 85-110). Mit der Realisierung einiger - wenig respektvoller - Mo- dernisierungsp läne war so begonnen worden, dass man in vielen Bere i- chen Bauteile (Türen, Bekleidun- gen, Sockelleisten) und Oberflä- chen (Tapeten, Anstriche, Putze ) entfernte und in Teilbereichen sogar bis auf das Fachwerk skelettierte. Hier blieb vor allem die Rohbau- konstruktion der Entstehungsze it von 1723 erhalten . Die Ausstattun- gen der Zeit nach 1723 sind wegen dieser Eingriffe nur noch in wenigen einzelnen Spuren greifbar. Sie wer- fen jedoch Schlaglichter auf die Ge- staltung des Hauses und der Räume und damit auf die Lebensvorste llun- gen der Bewohner. Unter dem The- ma Ausstattung werden diese Ge- sichtspunkte im Ansch luss an die Bauphasen dargestellt. 21 Entwicklungsstufen eines Bauwerks: Baugeschichte in kleinen Schritten Nach dem Beginn der Bauarbeiten am Schloss und der zugehörigen Siedlung im Jahre 1715 entstanden Bürgerhäuser vorrangig am Weg von der alten Residenz Durlach zur neuen Residenz, also entlang der al- ten Straße von Durlach nach Mühl- burg bis zu ihrer Kreuzung mit dem östlichen, für die städtische Bebau- ung vorgesehenen Strahl des Wege- sterns, der Waldhornstraße. Die Verbindungsstraße zwischen den beiden älteren Städten Mühlburg und Durlach war als "Lange Straße" (später Kaiserstraße ) zugleich die südliche Begrenzung des Stadtgebie- tes. Schon sehr früh wurde die öst- liche Verlängerung der Langen Stra- ße vor dem ursprünglichen Stadttor am Ende der Waldhornstraße auf der Südse ite mit Modellhäusern be- baut, wie es auch die Abbildung des angestrebten Idealzustandes aus dem Jahre 1739 zeigt {Abb. 10).17 Das Durlacher Tor erscheint schon auf einem Stadtplan von 1721 an der Stelle, die heute noch diesen Namen trägt.18 Wirklich notwendig scheinen die Stadttore der Stadtver- waltung nicht gewesen zu se in , da sie 173 7 nicht gewillt war, einen Beitrag zur Erneuerung der teilweise verfaulten hölzernen Tore innerhalb des die Stadt einfassenden Palisa- denzaunes zu leisten.19 Ein architek- tonisch gestaltetes Stadttor " im io- nischen Stil" wurde jedoch erst 1777 durch Wilhelm ]eremias Mül- ler hier errichtet.20 A n dieser Verlängerung des Stadtgebiets nach Osten wurde im Frühj ahr und Sommer 1723 ein 22 10 Stadtplan aus der Vogelschau aus Richtung Norden, Christian Thran , 1739, mit teilweise idealisiertem Ausbauzustand, zeigt die Bebauung südlich der Lange Straße ös tlich der Waldhomstraße . HJ9 eingeschossiges Fachwerkhaus nach den Modellhausvorschriften für eine bürgerli che Bebauung errich- tet.21 Es wies neben dem Tor der Durchfahrt zu m Hof drei Fenster in der Fassade und ein funkti onal vollwertiges Mansardobergeschoss auf. Hofbebauung vor 1775 Kurz nach 1739 dürfte der erste An- bau als Verlängerung der Überda- chung der Durchfahrt errichtet wor- den sein: Mit dem Beginn der Seile- rei in diesem 1739 durch die Fami- lie Schönherr22 erworbenen Haus nutzte man die Durchfahrt auch als Arbeitsraum für die Seilerei. Der Witterungsschutz der Durchfahrt wurde durch ein an die östliche N achbarbebauung angesetztes Pult- dach verlängert.23 Der Anbau er- schien schon auf einem Stadtplan von 1775 (Farbabb. 1) , nicht hinge- gen die Außentreppe, die also erst nach 1775 hierher verlegt wurde (vg\. Farbabb. 8).24 Der Stadtplan von 1775 ist gleichfalls der älteste Nachweis für einen westlichen Flügelbau parallel zur westli chen Nachbarbebauung. Dieser "Seitenbau" bestand auch 1775 wie der heutige aus einem schmaleren Teil direkt am Vorder- haus und einem breiteren südlich anschließenden Bautei\. Der heute bestehende Neubau von 1881 über- nahm offenbar die ältere Bau flucht aus dem 18. Jahrhundert. 25 Der Plan von 1775 ze igt die südliche G rundstückshälfte hinter dem Sei- tenbau als Gartenfläche, auf der seitlich Bäume stehen . Die erste nachvollziehbare bauliche Verände- rung am Bauwerk selbst fand zwi - schen 1752 und 1769 statt. Nach der neuen Bauvorschrift von 1752 sollten Neubauten mit zweigeschos- sigen Fassaden errichtet und beste- hende Bauten dieser Gestalt ange- passt werden .26 Bei Kaise rstraße 47 ist diese Anpassung mit sehr sparsa- men Mitteln vorgenommen wor- den : Im O bergeschoss der Straßen- fassade wurde eine senkrechte Fach- werkwand vor die schräge Wand- konstruktion des Mansa rddaches gestellt und die Dachfläche mit Aufschieblingen auf den Sparren um wenige Reihen von Dachziegeln verlängert. Die Fachwerkfassaden des Erd- und O bergeschosses wur- den nun flächig verputzt (siehe Titelabbildung, vg\. S. 35-38 ).21 Anpassung an den Wandel der Bedürfnisse und an die Moden der Zeit In den folgenden 100 bis 130 Jah- ren, also in der Zeit bis 1881, waren es offenbar nur einzelne Modernisie- rungen, mit denen das Haus an die sich wandelnden Bedürfnisse der Nutzer angepasst wurde. Erhalten ist beispielsweise eine brüstungshohe Wandvertäfelung aus der Zeit um 1780 in einer Kammer (= nicht be- heizbarer Raum) im Obergeschoss (R 207) . Auch bei den Fenstern gab es in diesem Zeitraum eine Verände- rung. Die ursprünglichen hölzernen Fenster hatten zunächst eine Ver- glasung mit Bleisprossen .28 Um 1790 bis 1810 wurden einzelne Fenster durch modernere mit höl- zernen Sprossen und größeren Scheiben ersetzt, bei anderen Fens- tern blieben die Rahmen erha lten 23 IM F_-= F18 Lage Im 0./)1...,.. Vordettl_ 00, NotdHIbI R.um: 215 ,""--- UChlf'M Ob.n und MIII. oben und MIllI. ~lg l.urScMlbl, ~&UI'&::he\t)eI, 4r .... ltlgumt.ut.n6ef df.lMI6g umlli~f FaLr:aII Prof'iIItIruno, untWl FIIlI:"ProIIierung, unten teflrtg KI'ItIg wn;Iertirldin r.cta....m.n. .... ~Forrnen_~~ ... Rokoko ~R..,..u. - .... ,-'" ..... :tc:nliel mectl. nl.rnua KoopIJR ..... s.m.no..ng' s.trn. au.m.tIoII (.u&.n) fWIfMn. F.,. .... Wld ClDeftIcht _glllctwl.til(\lgIFI5) Erg.bnIt. um 1125 11 Beispiel für die Erfassung eines Fensters im Rahmen der Bauanalyse, Aufbauscudium Altbauinstandsetzung , Fensterbeschreibung F 16, Dokumentation 1999, S. 101. und nur die Flügel wurden ausge- tauscht . Die ältesten Fenster des Hauses stammen aus der Zeit der Errichtung im frühen 18. Jahrhun- dert, di e jüngsten aus der Zeit um 1946. Alle Fenster spiegeln den handwerklichen Umgang mit die- sem wichtigen Bautei\' der eine Verbindung zwischen innen und außen herstellt, im Laufe der Jahr- hunderte: Manchmal wurden Fens- ter ausgetauscht, im Regelfall je- doch repariert und alle noch brauchbaren Te ile wiederverwen- det. Zu jedem Fenster ließe sich eine eigene Geschichte erzählen (Abb. 11 , vg\. die Fensternumerierung im O rientierungsgrundriss zum Aus- klappen am Ende dieses Bandes, vg\. "Fenster" , S. 51-54) . 24 Im Zeitraum zwischen 1800 und 1840 wurde die Stube (= beheiz- barer Raum, R 102) im Erdgeschoss vollständig neu ausgestattet: mit einem gefelderten Fußboden, mit einem flächigen Wandputz, umlau- fendem Stuckgesims und einer neu- en Sockelleiste. Diese Raumausstat- tung ist bis heute fast vollständig erhalten. In der Folgezeit wurde led iglich eine Tür versetzt und bei der laufenden Instandsetzungsmaß- nahme die Straßenfassade weitge- hend ausgetauscht (vgl. "Bieder- meierzimmer", S. 56-57). In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Nebengebäude für die Sei lerei aus- getauscht und ergänzt. Das Vorder- haus war aber über 100 Jahre nicht von Bauarbeiten betroffen . Ein Ladengeschäft 188 1 Erst in den Jahren nach 1880 gab es bauliche Veränderungen im Bau- werk und auf dem Grundstück (sie- he S. 47-50), die mit einem Gene- rationenwechsel in der Führung des Seilereibetriebes in Zusammenhang gebracht werden können: Wilhelm Schönherr (1 846- 1917) übernahm kurz nach se iner Eheschließung am 30. November 1873 die Seilerei (vgl. S. 64-68) . Bemerkenswert ist jedoch , dass er erst nach dem Tod seines Vaters Ernst Schönherr im September 1879 mit Plänen für Ver- änderungen begann, die 1880 und 1881 realisiert wurden. Im Erdgeschoss entstand ein La- den mit Schaufenster und Eingang anstelle eines Fensters. Im Inneren wurde die Küche in den ehemaligen Flur und deshalb die Treppe aus dem Flur in den Hof verlegt. Aus der alten Küche und einer danebenlie- genden Kammer entstand durch das Entfernen einer Fachwerkwand ein größeres quadratisches Zimmer. Das waren die e inzigen Eingriffe in die Raumstruktur der beiden Vollge- schosse des Modellhauses zwischen 1723 und 1990. G leichzeitig ersetz- te ein größerer Neubau im Hof den Flügelbau auf der Westseite, der schon im 18. Jahrhundert bestand. Große Veränderungen kündigen sich an: Umbauplanung 1910 Im Januar 1910 stellte Kar! Schön- herr, der am 20. Februar 1882 gebo- ren worden war und am 20. Juni 1904 se inen Meisterbrief erhalten hatte, einen Bauantrag für einen größeren Umbau des gesamten Hau- ses, bei dem nur die zur Straße ge- richtete Hälfte des Grundrisses im Obergeschoss erhalten geblieben wäre (Abb. 12).29 Das Haus sollte zwar weiterhin zweigeschoss ig blei- ben, vom Modellhausgrundriss wä- ren aber nur die zur Straße liegen- den drei Räume bestehen geblieben, wobei auch die Straßenfassade mas- siv erneuert werden sollte. Im Erd- geschoss waren zwei große Laden- räume mit je einem Eingang ge- plant, die Durchfahrt so llte zu ei- nem Gang eingeengt werden. Eine Seilerei war querliegend am südli- chen Ende des Gartengrundstücks vorgesehen, während der westliche Seitenbau wesentlich verbreitert und zu einzelnen Wohnungen aus- gebaut werden sollte. Die Gründe dafür, dass diese Planung nicht rea- lisiert wurde, sind nicht überliefert. Aus heutige r Perspektive kann man aber dankbar sein, dass das Modell- haus von 1723 als stadtgeschichtli - ches Dokument erhalten blieb. Stadtgeschichte und Familiengeschichte In der 1880/1 881 entstandenen Form - sowohl in den Grundrissen und in den Funktionen als auch in der Gesta ltung und in der Ausstat- tung - blieb das Haus bis 1986 weit- gehend unverändert. Der Einbau von Wasserleitung und Kanalisa tion und der Anschluss an die Elektri- zität fi elen in diese Zeit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, worauf in diesem Zusammenhang aber nicht eingegangen wird, da die Bausubstanz nicht tiefgreifend ver- ändert wurde. Abgesehen von der jeweils fälli- gen Bauunterhaltung, von Repara- turen und Neuausstattungen mit Tapeten und Anstrichen blieb fast alles bestehen. Nur einen größe- ren Eingriff erlebte das "Sei lerhäus- ehen" in dieser Zeit: Als Spätfolge der Zerstörung einer in der N ach- barschaft niedergegangenen Bombe des Zweiten Weltkriegs wurde das Dachwerk oberhalb der Oberge- schossdecke abgetragen und durch ein wenig schwächer geneigtes Dach über einem Dachwerk ersetzt, das man als Sparkonstruktion bezeich- nen kann (Tabelle 1) . Familie Schönherr pflegte das Haus, das sich schon se it über 200 Jahren im Familienbes itz befand, in der gewohnten Weise. Alle notwen- digen Reparaturen wurden ausge- führt, alle Bauteile "unter Farbe ge- halten". Aus familiären Gründen wurde die "Seilere iwarenhandlung" 1982 aufgegeben und das Haus 1986 I ~' : • .f ~ -- I ; ': . Ji ~ l . ~I bm~A' . 12 verkauft, in dem se it 1739 das Handwerk der Seilerei mit Herstel- lung und Handel betrieben wurde. Damit fing eine bewegte Epoche für das "Seilerhäuschen" an, die mit den Aspekten "drohende Gefahr" auf den Seiten 85 bis 110 von Ger- ~iJI'a'!' . A ~ $l!dr :l- ~ hard Kabierske und "Rettung" auf den Seiten 111 bis 130 von Georg Matzka nachvollzogen wird. In der Zei t von 1986 bis 1997 schien das Fortbestehen des Hauses im Wettstreit der unterschiedlichen Interessen ernstlich in Frage ge- 25 12 KaiserstTaße 47, UmbaupIan 1910 , nicht ausgeführt. Im Falle der Realisierung wäre der hohe dokumentarische Wert für die Zeit der Gründungsphase verloren gegangen, stell t. Mit dem verantwortungsbe- wussten Handeln von Bürgerinnen und Bürgern Karlsruhes in diesen Jahren konnte die 1998 begonnene behutsame Instandsetzung ermög- licht werden . Auch wenn die Zu- kunft nicht vorhergesagt werden kann, ist eine gute Grundlage fü r ein langes Fortbestehen dieses wich- tigen Karlsruher Geschichtszeugnis- ses gegeben. Zu einzelnen Entwicklungsstufen: Bauphasen im Detail Die wichtigsten Bauphasen sollen in den für sie charakteristischen Merk- malen vorgestellt werden: zur Zeit der Errichtung 1723, bei einer Mo- dernisierung 1753 sowie bei einer Modernisierung und Erweiterung im Jahre 188 1. Entwicklungsstufe I: Der Neubau im Jahre 1723 Funktion Die Modellhausvorschriften gaben für die Schause ite zur Straße ein Er- scheinungsbild vor: Die Bauwerke so llten traufständig mit e inem Man- sarddach und einer regelmäßigen Reihung von Fenstern im Erd- und im Obergeschoss errichtet werden (vgl. Abb. 8). Die Breite blieb zu- nächst frei wählbar. Die Tiefe war 26 Zeit Vorhandene Dokumente 1715 Entwürfe für Modellhäuser, Jakob Friedrich von Batzendorf (Q: Merke11 990, S. 247) 1717 Planze ichnung für Bebauung am Schlossplatz, Wohnhaus A rnold (Q: Stadtgeschichte 1998, S. 84) 1723 1739 Erwerb durch Seiler Schönherr (Q: Der Kurier, 27. August 1993 ) 1752 Neues Karlsruher Baurecht (Q: Wagner 1998, 1753 S. 134-137 ) Seiler Schönherr verpurzt (wie die ganze Reihe seiner N achbarn) die Fassade auf A nordnung des Markgrafen (Q: Akten Generallandes- archiv, Exzerpt Fritz Hugenschmidt, N achl ass im Landesdenkmalamt Baden- Württemberg, Karlsruhe) Baubeobachtung Neubau eines modellmäßigen Bürgerhauses in der Langen Straße: Funktion: Wohne n (Stuben) , Schlafen (Kammern) , Kochen und Heizen (Küchen) , Lagern (Laube und Kam- mern) , Erschließung (Durchfahrt, Flure, Treppen) . Form: G rundrissstruktur ergibr Funktionsverteilung, äußere Erschei- nung geprägt durch Traufständigkeit, Mansarddach mir vier Gauben in der S traßen fassade, Tor und drei Fensteröffnungen mit geohrten Rahmungen. Material: Sandstein für Keller und Sockel, Eichenholz für Schwellen und einige Stürze, N adel- holz für Fachwerk der Außen- und Innenwände sowie für das Dachwerk, Lehm für die Ausfachungen von W änden und De- cken, Kalk für das Bruchsteinmauerwerk, den Putz der Aus- fachungen und die Anstriche, G las und Blei für die Fenster- verglasungen , Eisen für die Beschläge, Leinöl für die Anstri - che. Dachdeckung vermutlich mit Biberschwanzziegeln in Einfachdeckung und Holzschindeln (wie im Karlsruher Mo- deli haus Waldstraße 9 auf der Rückseite erhalten) . Bautech- nik: Bruchsteinmauerwerk mit Kalkmörte l, Fachwerkwände mit Lehmbewurf über Flechtwerk, Kalkputze, Kalkanstriche monochrom über Holz und Ausfachungen . Verlängerung der Durchfahrt, um e inen längeren überdach- ten Arbeitsraum für die Seilerei zu gewinnen , zwischen 1739 und 1775. Umgestaltung der Straßenfassade in A npassung an das neue Baurecht. Funktion: Aufstockung, die das Gebäude zweistö- ckig erscheinen lassen soll. - Verputz der Fachwerkkonstruk- tion , um das Gebäude "mass iv" erscheinen zu lassen . Form: Straßenseitig Vorblendung einer lo trechten Wand im Man- sardgeschoss. Material: Holz, Lehm, Kalk, Dachziegel. - N ä- gel, Draht, Kalk, Kälberhaar, Sand . Bautechnik: Fachwerk- wand zwischen den bestehenden Gauben, Flechtwerk , flächi - ger Kalkpurz, Verlängerung der Dachfläche mit kurzen Auf- schieblingen, Biberschwanzziegel in Einfachdeckung (Q : Foto- grafien vor 1946).j Eingreifende Materialuntersuchung Dat ierung: Über e ine Jahrringanalyse wurde der Fällze itpunkt an Bohrkernen des Bau- holzes ermittel t: 1. Zwe i Proben (Kiefer) aus dem EG und OG: W inte r 1722/1723, 2. Eine Probe (Kiefer) aus der Decke des OG: Sommer 1723 (während der Errich - tung ergänztes Holz) 1775 Stadtplan mi t exakter A ngabe der Bebauung und der Gärten (Q: Gene- ra llandesarch i v Karlsruhe H Karlsruhe 187 ) 1780 Modellhaus nach den Regeln des Baurechts von 1752 (Q : Merke! 1990, S. 253) 1819 Lange Straße 51, Se il er Schönherr (Q: Adressbuch , Stadtarchiv Karlsruhe ) 1830 7. September 1830 Heirat Ernst Schön herr (26.6. 1803- 8.9. 1879) mit Margarete Friederike S temmermann. (Q: Familienstammbaum, Nachlass Schönherr im Stadtarchiv Karlsruhe ) 1875 Neubau eines Magazins 188 1 188 1 im Hof (Q: Bauakte, Bauordnungsamt Karlsruhe) vgl. Abb. 47 . März, Antrag auf Einbau eines größeren Schaufensters in den Laden (Q: Bauakte, Bauordnungsamt Karlsruhe) September, Antrag auf Neubau eines dreigeschossi- gen "Seitenbaus" auf der Westse ite des G rundstücks (Q : Bauakte, Bauordnungs- amt Karlsruhe ) An das Vorderhaus angebaut ersche int auf der östlichen Sei- te des G rundstücks in Verlängerung der Durchfahrt ein An- bau, der mit der Seilerei nutzung in der Durchfahrt in Zusam- menhang steht. Auf der Westse ite des G rundstücks ist e in Flügelbau zu erkennen , dessen Umriss dem des Neubaus von 1881 entspricht (vgl. Farbabb. I) . Neuauss tattung des Wohnbereichs, erhalten in der Erdge- schoss-Stube, R 102. Funktion: Verbesserung des Komforts = Anpassung an die typ ische Innenausstattung ze itgenössischer Neubauten. Form: ornamentaler neuer Fußbodenbelag mit Friesen und Felde rn, flächiger Verputz von W änden und De- cken, hohe uml aufende Sockelleisten mit erhabenen Feldern in der Mitte, umlaufende S tuckprofile um den Deckenspiegel. Material: Eichenholz und Nadelholz für den Fußboden, N adel- holz für die Sockelleisten, Kalk , Sand und Kälberhaar für den flächigen Verputz, Kalk und Sand für das Stuckprofil. Bautech- nik : Fußbodenfriese und verleimte Felder auf die Ke ll erde- ckenbalken genagelt, Kalkhaarputz über Schilf als Putzträger flächig über das Fachwerk. Funktionale Umbauten im Vorderh aus aus dieser Ba uphase: Einbau eines Ladengeschäftes mit Schaufenster und Eingang (R 101), Verlegung der Küche in den ehemaligen Flur (R 104), Zusammenlegung von a lte r Küche und e iner Kamm er zu einem großen Raum (Büro ), dazu Entfernung einer Fachwerkwand (R 103 ), Verl egung der Treppe aus dem Flur in den Hof parallel zum ös tlichen Anbau von vor 1775. Neubau eines Flügelbaus im Hof auf den G rundmauern eines Vorgängerbaus, der schon 1775 bes tand . Funktion: Wohn- raum zur Vermietung (vg l. Bewohnerliste, Adressbücher) , Form: zweigeschossiger verputzter Bau mit fl ach geneigtem Pultdach , Material: Holz, Backstein , Kalk, Teerpappe, G las, Eisen, Bautechnik: Fachwerk, Ausfachung mit Backstein, Wiederverwendung älterer Fensteranlagen, N ahtste lle zu m Vorderhaus, das aufgrund früh erer Setzung zu m Hof geneigt steht, a ls dreieckiger Zwickel mit dem gleichen Backstein gefüllt. 27 Tabelle I In einer synoptischen Liste werden die Aus- sagen verschiedener Informationsquellen spaltenweise neben- einander gestellt. - Karlsruhe, Kaiserstraße 47, Handwerkerhaus von 1723, errichtet nach den Karlsruher Modellvorschriften von 1715 (Sonderfor- schungsbereich 315, Universität Karlsruhe (TH) Dokumentations- stelle, 1999, für den Druck gekürzt) 28 zwar nicht vorgegeben, ergab sich aber aus der Baukonstruktion in Zu- sammenhang mit der für die ange- strebte Einheitlichkeit notwendigen Firsthöhe. Auch eine Grundstruk- tur mit der Verteilung von Erschlie- ßungsräumen, Küchen, beheizbaren Stuben und unbeheizbaren Kam- mern ergab sich aus dem Modell. Für berufliche T ätigkeiten - in Handwerk oder Handel - kann man daraus ableiten, dass sich diese in die vorgegebene Raumstruktur ein- fügen mussten oder im Hof zusätzli- che Nebengebäude dafür errichtet wurden. 3D Der neue Bürger KarLsru- hes war zwar in der Fassadengestal- tung und der Dachform an die Mo- dellhausvorschriften gebunden , er hatte aber die Wahl einer unter- schiedlichen Breite, so dass für zu- sätzliche Funktionsräume durchaus Gestaltungsmöglichkeiten in der G rundrissanlage vorhanden waren . Eine Einschränkung gab es erst im zweiten Privileg ienbrief von 1741 mit einer vorgeschriebenen Min- destbreite von 40 Fuß.3l Die erhalte- nen Karlsruher Bauwerke der ersten Phase weisen eine grundsä tzlich ähnliche Funktionsverte ilung bei unterschiedlicher Breite auf. Der überlieferte Plan von Batzen- dorf (1715, vgl. Farbabb. 2) gibt kei- ne Funktionen für die Räume vor. Erkennbar ist lediglich ein Erschlie- ßungsraum mit einer Treppe, die Küche mit einer Feuerstelle zum Kochen und die Unterscheidung zwischen Stuben und Kammern. Die gleiche Unterscheidung in die- se vier Raumkategorien ist auch rur den ursprünglichen G rundriss von Kaiserstraße 47 mit se iner Funkti- onsverteilung feststellbar. Bei dem vier G ebäudeachsen aufweisenden Modellhaus (Farb- abb. 5)32 nimmt im Erdgeschoss die Durchfahrt eine Achse der Fassade ein, an die sich straßenseitig eine Stube mit zwei Fensterachsen und eine Kammer mit einer Fensterach- se anschließen (Farbabb. 4) . Die Kammer ist nur über die Stube zu- gänglich. Hofse itig der Längswand des Hauses gelangt man von der Durchfahrt zunächst direkt in den Flur mit Treppe. Von hier aus sind die schon erwähnte Stube und die Küche erschlossen . Hinter der Kü- che liegt wiederum eine nur über diese zugängliche Kammer. Die im G rundriss durch ihre Stärke erkenn- bare massive Herdwand mit Rauch- fang zwisch en Küche und Stube dient dem Feuerschutz. Der Grund- riss im O bergeschoss entspricht dem im Erdgeschoss. Dort, wo sich unten die Durchfahrt befindet, wurden oben zwei Kammern angeordnet. Den erkennbaren Funktionen ge- mäß gab es in Kaiserstraße 47 zwei Küchen und zwei beheizbare Räume (Stuben) . Man kann daraus ablei- ten, dass das Gebäude für zwei Wohneinheiten errichtet wurde. Es gibt aber einen Hinweis darauf, dass man den beheizbaren Raum im O bergeschoss nicht als Wohnraum im heutigen Sinne deuten muss, sondern in ihm auch einen A rbeits- raum für ein - für die Zeit direkt nach 1723 - nicht bekanntes Hand- werk sehen kann: Die Wände in der Stube und den Kammern we isen als erste Anstrichschichten weiße Kalktünchen auf - weiße Anstriche sind in der Regel nicht für Wohn- räume, sondern eh er für Erschlie- ßungs-, Wirtschafts- und A rbeits- räume verwendet worden. Diese Wertung muss aber ohne we itere Belege für das Haus Kaiserstraße 47 zunäch st als These im Raum stehen bleiben.)3 A ls Hinweis auf die Was- serversorgung kann der 1999 aufge - fundene Brunnen gewertet werden, der vermutlich schon in der ersten Bauphase angelegt wurde. Für die Entsorgung ist auch bei diesem Mo- dellhaus eine Senkgrube zu vermu- ten , die bei anderen Häusern aus den Bauakten nachgewiesen wur- den .34 Form - nach den Schrift- und Bik/quellen In der äußeren Erscheinung ent- spricht Kaiserstraße 47 den Modell- vorschriften, soweit sie bild lich überliefert sind: Es hat ein Mansard- dach mit einer annähernd regelmä- ßigen Reihung von Dachgauben. A ls Vergleich dient ein Stad tplan von 1720, auf dem am unteren Rand schematisierte A ufrisse abge- bildet sind , die eine regelmäßige Reihung von Toren aufwe isen, zwi- schen denen jeweils fünf Fenster angeordnet sind (vgl. Abb. 8). Axi- al über den Erdgeschossfenstern be- finden sich die Fensteröffnungen des Obergeschosses in Dachgauben innerhalb der unteren Mansard - dachfläche. In der Zeichnung sind über den Toren Fensterpaare ange- ordnet. Bei den bekannten Bauwer- ken dieser Periode in Karlsruhe, auch bei Kaiserstraße 47, wurde der Achse mit dem Tor hingegen im O bergeschoss eine einfache Gaube zugeordnet. Die Realisierung we icht also von der schematisierten Zeich- nung ab. Auch wurde bei fast allen bekannten Modellhäusern in einge- sch ossiger Bauweise, also auch bei Kaiserstraße 47, statt der regelmäßi- gen Reihung eine funktional be- gründete Gruppierung - die Fenster der Stuben wurden zusammenge- rückt - vorgenommen , die auch bei lediglich in einer Fotografie überlie- ferten Bauten Rückschlüsse auf die Raumstruktur erlaubt (vgl. S. 38- 47) . Auch in den Hausbreiten, die in der Zeichnung im Straßenzug mit fünf Achsen und bei dem Eckhaus - mit einer Tür statt eines Tores, weil es hier keinen Hof gibt - mit vier Achsen angegeben werden, wurden schmalere und breitere Varianten errichtet. Die erhaltenen fünf Bau- ten überliefern dre i Bauwerke mit drei und je eines mit fünf und mit vier Gebäudeachsen .35 Vergleicht man den schematisier- ten Entwurf auf dem Stadtplan, der " um 1720" datiert ist, mit dem detaillierteren Entwurf von Batzen- dorf, der 1715 datiert ist (vgl. Farbabb. 2), wird die Verknüpfung offenbar. 36 Bis auf den Verzicht auf die ArkadensteIlung, die in der Zeichnung von 171 5 gestrichen wurde, entspricht die Anordnung der Fenster und Türen der etwas jüngeren schematisierten Darstel- lung. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Ze ichnung von Batzendorf sich nicht auf eines der fortlaufend errichteten " normalen" Reihenhäu- ser wie Kaiserstraße 45 und 47 oder Waldstraße 5, 7 und 9 bezieht, son- dern die Funktionsverteilung im Grundriss bei einem an der Ecke ge- legenen Haus ze igt. Dabei waren als Schwierigkeiten zu berücksichtigen, dass es zwar von zwei Straßenseiten beleuchtet wurde, dafür aber weder ein Hof oder e in Garten noch eine rückwärtige Fassade vorhanden wa- ren. In den Detailangaben der Fassa- dengestaltung, vor allem im Dach- bereich, überliefert die Zeichnung von Batzendorf konkrete Vorstel- lungen von der Form der Dachgau- ben, vom Verhältnis zwischen Dachfläche und angeschlepptem Gaubendach . In der Wiedergabe von Baudetails ist die Zeichnung für das frühere Entwurfsstadium in der vorderen Bildebene mit der Arka- denstellung genau. Die dahinter be- findlichen Fenster- und Türöffnun- gen werden nur schematisch, ohne eine detaillierte Gestaltung für die Rahmung - wie sie im Obergeschoss angegeben ist - gezeigt. Die histori- sche ze ichnerische Darstellung eines geplanten Erscheinungsbildes be- darf jedoch der Überprüfung und Bestätigung durch eine realisierte Baumaßnahme. Form - nach den Spuren am Bauwerk Die Aussagen von Ka iserstraße 47 zum Dachwerk und zu den Gauben sind wegen der Zerstörungen von 1946 sehr beschränkt. Weder die Konstruktion der Gauben noch die Schweifung des Profilgesimses von 1723 unterhalb der oberen Traufe ist am Gebäude noch ablesbar. 37 Ein seltener Glücksfall hat bei dem dreiachsigen Modellhaus in der Waldstraße 9 dazu geführt, dass eben hier die konstruktiven und ge- stalterischen Details erhalten blie- ben, die in der Kaiserstraße 47 ver- loren sind : Hinter der nach 1752 vorgeblendeten O bergeschossfassa- de zur Straße wurde das Profilgesims } 3 Kaiserstraße 47. Fachwerk der Straßenfassade • Ständer und Sturzriegel. mit Bearbeitungsspuren ( ) 999) . 29 bis heute vor der Witterung ge- schützt. In der Rückfassade sind eine ursprünglich e Gaube und eine Dachfläche mit einer ursprüngli- chen Lattung und der Dachdeckung mit Biberschwanzziegeln erhalten. Bei dem Vergleichsbeispiel Wald- straße 9 wurden diese Details so aus- geführt , wie sie bei Kaise rstraße 47 wegen der konstruktiven und gestal- terischen Verwandtschaft der mo- delIgemäß errichteten Häuser an- zunehmen sind. F assadenges taltung In der Gesamterscheinung der gleichförmig angelegten Idealbe- bauung kommt den Dachflächen , ihren Proportionen , ihrer Farbigkeit und den Formen der Dachgauben 30 .... \ ( 0 .J 0 I I •• J 14 Fassadenkonstruktion: Aufmaß , Fassadenständer. ~ I I ~ W ~ 0 'l C: U .-S t, ~ TI ruJ - "5 (;: [ I , ,_ .• __ . , I I] ~ 1=1 ~ T'llid,fJjd 15 Fassadenkonstruktion: Aufmaß, Kopfriegel und Brüstungsriegel. [' .. / 0 ., 1. .. , 0 I _." , , 0 ; , ... J I I I , , , I i ~ 16 Fassadenkonstruktion: _ . ..1 r'" ., r'" I ! i I 1 t I ! L._ Rekonstruktion, Fassadenständer. I - ~ ~ID ~q ~7 ~ ~ ._, CI IJ - ~----------~ ~ I ,{mm" IP q rc::::::JJ flid ll11dd ~ ~ 17 Fassadenkonstruktion: Rekonstruktion, Kopfriegel und Brüstungsriegel. ..... ~ ....... . ........ ~ 18 Fassadenkonstruktion: Rekonstruktion 1723, Explosionszeichnung der Rahmen- konstruktion für die Fenstergewände. I , - r - - - - - - - - - - - - - - - - - - -1-- J r-- -----, , , f--- '--< r- I l c-----j , , >-- ----< , , -r------------------~- H.~ _______ '····=_·_~.~ -: 19 Fassadenkonstruktion : Ausschnitt aus der abgebundenen Fachwerkkonstruktion, Aufriss. 20 Fassadenkonstruktion: Rekonstruktion des Bauzustandes der Straßenfassade nach Fertigstellung des Rohbaus, 1723. eine große Bedeutung zu. Nicht un- wichtig ist daneben aber auch das Aussehen der Fassaden se lbst. Der schriftli chen Überlieferung nach sollten die Fenster in den Fassaden in einem vorgegebenen Rhythmus angeordnet we rden . Die Fachwerk- konstruktion so llte mit einem roten Anstrich versehen werden, um Er- innerungen an Holland wachzuru- fen , das zu dieser Zeit als vorbildlich in Gartenkunst, Stadtbaukunst und Sozialwesen ga lt 3B, und wo Markgraf Karl Wilhelm in den Jahren 1692 bis 1694 während se ines Studiums- nach einer Zeit in Lausanne und Genf se it 1690 - in Utrech t ge lebt hatte. 39 Der rote Anstrich so llte an die Farbe des holländ ischen Back- steinbaus erinnern .4o Für die Formen bei der Gestal- tung der Fassade eines einstöckigen Bürgerhauses gibt es keine bildliche Überlieferung. Hier ist jedoch d ie bauliche Ü berlieferung bei Kaiser- straße 47 so deutlich, dass auch die- se bisher offene Frage durch die Un- tersuchung 1999 beantwortet wer- den konnte. Die ursprüngliche Fas- sade von 1723 war im mittleren Be- reich vor der Stube in der Breite von zwei Gebäudeachsen bis 1999 erhal- ten und wurde wegen des schlechten Zustandes des Holzes ausgewechselt. Die ausgebauten Konstruktionshöl- zer konnten ausführli ch auf Spuren beobachtet , gemessen und geze ich - net werden (Abb. 13 bis 19). 3 1 D ·0: ,0 . . - , 0 111111 11 ,,1 20 Die ausgeführte straßenseitige Fachwerkfassade von Kaiserstraße 47 wies neben der Durchfahrt drei Fenster auf (A bb. 20). Auch im Be- reich der ehemaligen Kammer, in deren Fassade sich se it 188 1 ein Schaufenster mit Ladeneingang be- fa nd, ist diese Fensterstellung über die Zapflöcher im Rähm und in den die Öffnung flankierenden Ständern nachgewiesen . Die Fassadenständer neben den Ö ffnungen sind be- sonders breit. Zwischen den Stän- dern befindet sich jeweils ein weni- ger starker Ständer oder eine Schwelle-Rähm-Strebe. Horizontal gibt es zwei Riegelketten. Die Fens- gesicherter Bes tand gesicherte Ergänzung ---------- analoge Ergänzung terumrahmungen sind wegen spä- terer Veränderungen stark abgear- beitet. Dennoch lässt sich die ur- sprüngliche Gesta ltung aus dem Baubefund ablesen: Die fe nsterflan- kierenden senkrechten S tänder so- wie der Brüstungs- und der Kopfrie- ge l waren so ausgearbeitet wie ein sandsteinernes, geohrtes Fensterge- wände über einer stärker vortreten- den Sohlbank.41 Diese gestalter i- schen Merkmale, die der Fassade im Zusammenspiel mit einem mono- chromen Anstrich den Anschein einer massiven Fassade geben soll- ten , sind nicht nachträglich aufge- nagelt, sondern aus dem vollen Holz 32 "'- / J -- - - I- - I- --·1/ "" - ~ - Ja""",,' '--___ JrIL 21 Bretten, Melanchthonstraße 24: Geohrtes Fenstergewände in der Seiten- fassade des Bürgerhauses von 1709. gearbeitetY Dabei greifen sowohl das untere als auch das obere "Ge- wändeteil" außen se itlich über die senkrechten Ständer (vgl. Abb. 18). Konstruktiv und gestalterisch ver- wandt sind etwa die Fassadendetails in den Fensterrahmungen bei den Gebäuden Melanchthonstraße 24 (1709, dendrochronologisch ermit- telt, Abb. 21) und Markt 12 in Bret- ten. Darüber hinaus zeigt ein Ent- wurf von Johann Heinrich Arnold aus dem Jahre 1717 für das Haus an der Ecke Schlossplatz und Rittergas- se eine Fachwerkfassade mit ähnlich gestalteten Fensterrahmungen, bei denen unten eine Sohlbank stärker hervortritt und die oberen Ecken geohrt sind (Farbabb. 3 ).43 Eines der Modellhäuser dieses Typs ist bis 1944 erhalten geblieben und beleg- te, dass die in der Zeichnung über- lieferte Gestaltung tatsächlich rea- lisiert worden war (Abb. 22 ).44 Die bauliche Überli eferung von Kaiserstraße 47 gibt uns eine kon- krete Vorstellung davon, aus we l- chen Materialien und mit we lchen konstruktiven Mitteln die in der Zeichnung von Arnold vorgesehene Form - variantenreich spez iell bei den "sandsteinernen" Fensterge- wänden - umgesetzt wurden. Im Vergleich des gebauten Fachwerks des Wohnhauses Kaiserstraße 47, das der einfachsten Kategorie der eingeschossigen Bebauung mit Mansarddach angehörte, mit dem gezeichneten Entwurf für ein Ge- bäude am Schlossplatz wird eine Übereinstimmung in den Fassaden- details deutlich: Funktion und Form, Material und Bautechnik ent- sprachen e inander. Die Fachwerk- konstruktion war jeweils gestalte- risch am Steinbau orientiert und konnte mit Putz und Farbe diesem angeglichen werden. Nur in der Größe wird die angestrebte sozialto- pographische Differenzierung in der Stadtgestaltung offensichtlich . Wenngle ich das Schloss nur in Teilen in Fachwerkbauweise errich- tet wurde, können wir in der Fassa- de von Kaiserstraße 47 auch eine Spiegelung des Schlosses von 1715 erkennen: Wie bei dem Mittelpunkt der neuen Residenz war es auch beim Bürgerhaus der einfachsten Kategorie die gestalterische Intenti- on , einen Steinbau darstellen zu wollen .45 Der kleine Unterschied bestand darin , dass die beabsichtig- te Form mit den Mitteln des Fach- werkbaus realisiert wurde. Material Für die verschiedenen Bauteile wur- den die im traditionellen Hausbau üblichen Baumaterialien verwendet: - Sandstein als Bruchstein für den Keller unter der Stube (R 1.02) und den Sockel unter den Erdge- schosswänden, als Hauste in für die Gewände der Kellerfenster, die Stufen der Kellertreppe und den Brunnenschacht, - Holz für die Fachwerkkonstrukti- on der Wände und Decken, das Dachwerk, die Staken in den A usfachungen, die Treppen , die Fußbodendielen, Fensterrahmen, Türblätter und Türbekleidungen, - Lehm für die Gefachfü llungen der Wände und Decken , - Ton in gebrannter Form als Biber- schwanzziegel fü r die Dachde- ckung, - Stroh für die Weller in den De- ckenfeldern, - Kalk für Putze und A nstriche, - Eisen für die Tür- und Fenster- beschläge, - Blei für die Fenstersprossen, - G las als Fensterverschluss, - Leinöl als G rundstoff für Ö lfar- ben , um die hölzerne Ausstattung zu streichen , - Farbpigmente für die Anstriche auf Kalk- oder Ö lbasis. Mit der zur Zeit der Errichtung übli- chen Bautechnik wurden diese Materialien in die bauliche Form gebracht, die die Stadtplaner fü r an- gemessen hielten, den Funktionen der neuen Residenz als äußerer Rah- men zu dienen. 22 Bautechnik Die Bruchsteinwände des Keller- raumes unter der Erdgeschossstube (R 102) und des Sockels sind mit einem Mörtel aus Kalk und Sand vermauert. Auf dieser Fundamen- tierung wurde anschließend die höl- zerne Konstruktion aufgerichtet: Fachwerk und Dachwerk wurden überwiegend aus N adelholz gezim- mert, lediglich für die Schwellen wurde Eichenholz verwendet. Die Wände bes tehen aus waagerechten Hölzern, der Schwelle unten und dem Rähm oben, die durchlaufen, und den Riegeln, die zwischen den Ständern eingezapft sind. In der Regel sind die Holzve rbindungen mit Holznägeln gesichert. Zur Un- terscheidung der oberen und der unteren Riegelkette wurde bei Kai- serstraße 47 aber nur die obere Rie- ge lkette mit Holznäge ln versehen. Daneben gibt es in den Wänden die senkrechten Ständer und die diago- nalen Streben. Auch die übrige Konstruktion , die Deckenbalken und die Konstruktionshölzer im Dachwerk, wurden auf dem Ab- bundplatz mit einer Numerierung versehen, die aber nicht mehr nach- vo llziehbar ist, da das Dachwerk oberhalb der Deckenbalken des Obergeschosses hier nicht erhalten ist. Die Hölzer wurden auf dem Ab- bundplatz gesägt und maßgenau mit Zapfl öchern, Zapfen und Überblat- tungen versehen - und einmal zu- sammengesteckt: abgebunden. Um die einzelnen Wände, Decken und Sparren auf der Baustelle in gleicher Weise wieder verbinden zu können, wurden sie nach einem System aus Kerben und Fähnchen nach römi- scher - aber rein additi ver - Zäh- lung, wand weise gekennzeichnet.46 Die S tänder, Riegel und Streben wurden bei jeder Wand fortlaufend durchnumeriert. Bei Kaiserstraße 47 beginnt die Zählung jeweils auf der 22 Karlsruhe • Schlossplatz 20. Palais Meyer-Model. Das zweigeschossige Palais nach dem Modell für die Schloss- platzbebauung ist aus Fachwerk errichtet und weis t ähnliche Fenstergewände wie Kaiserstraße 47 auf. vgl. Abb. 7.8 und Farbabb. 3 (um 1900). 33 Straßenseite und vom rechten, westlichen Giebel aus. Bei der rech- ten Giebelwand sind alle Hölzer zu- sätzlich zur wandweisen Zählung mit einem (eingekerbten) Fähnchen ver- sehen (Querwand 1), die rechte, westliche Wand der Durchfahrt ze igt fünf Fähnchen (Querwand 5), so dass für den linken, östlichen Giebel sechs Fähnchen zu vermuten sind . Hier sind sie jedoch nicht zu beobachten, da die Bundseite, auf der die Kennzeichnung angebracht wurde, außen ist und hier das Nach- barhaus Kaiserstraße 45 steht. Die Straßenfassade ist die Längswand 1, hier haben alle Abbundze ichen e i- nen zusätzlichen diagonalen Bei- strich {Abb. 23 ).41 Im Obergeschoss liegt die Kons- truktion wegen der "Frei legungsar- beiten" von 1990 bis 1995 weitge- hend frei, so dass die Abbund- ze ichen hier vollständig nachvoll- ziehbar waren. Das Zählsystem ent- spricht in den Grundsätzen denen, die im Erdgeschoss beobachtet wer- den konnten, hier sind zur Unter- scheidung von den Hölzern für das Erdgeschoss jedoch alle Abbundzei- chen mit einer zusätzlichen trapez- förmigen Kerbe versehen. Erhalten sind die Querwände 2, 3, 4, 5 und 6. Die Querwand 1, der westliche Gie- bel, wurde vermutlich gleichzeitig 34 mit der Errichtung des neuen Nach- barhauses um 1890 massiv erneuert. Auch die vier Längswände sind er- halten: die leicht schräg gestellte Fachwerkwand zur Straße, die gleichze itig die Dachdeckung der unteren Mansarddachfläche trug, weist bei jedem Abbundze ichen ei- nen diagonalen Beistrich auf, die mittlere Längswand zwei diagonale Beistriche, die innere Längswand des Laubenganges drei, während d ie Hoffassade im Obergeschoss vier Beistriche zeigt. Bisweilen wurde im Zusammen- hang mit dem Modellhausbau die Vermutung geäußert, dass die Holz- gerüste für die Bauwerke im jungen Karlsruhe in großer Zahl vorgefer- tigt und auf dem Markt zum Kauf angeboten wurden. Wegen des Ver- haltens des Holzes während der Trocknung ist eher davon auszuge- nen, dass die bau willigen Bürger jeweils im Winter die Stämme von der markgräflichen Verwaltung zu- gewiesen bekamen, die dann an- schließend von den Zimmerleuten zugerichtet und abgebunden und im Frühj ahr errichtet wurden . Bei einer längeren Lagerung des abgebunde- nen Fachwerkgerüstes hätte sich das Holz geworfen, so dass man es nicht mehr in der beabsichtigten Weise hätte "zusammenstecken" können. Die Trocknung des Holzes geschah gleichzeitig mit den Lehmfüllungen von Wänden und Decken im aufge- richteten Zustand, hier im Sommer 1723. Für die Errichtung eines Mo- dellhauses ist eine Zeit von vier Wochen überliefert, wobei in diese Zeit der Einbau von wand fester höl- zerner Ausstattung wie Fußböden, Fenster und Türen sowie das Aus- 23 staken, Flechten und Bewerfen mit Lehm der Ausfachungen eingerech- tet worden se in dürfte.48 Die Dachdeckung - mit Biber- schwanzziegeln in einfacher De- ckung und mit hölzernen Schindeln - wurde umgehend aufgebracht, so dass die Lehmarbeiten, um Wände und Decken zu schließen, vor der Witterung geschützt abgewickelt werden konnten . Die Ausfachun- gen der W ände wurden zunächst mit einem Flechtwerk aus Staken und Ruten verschlossen und dann mit einem groben Stroh-Lehm-Ge- misch ausgefüllt. Die Decken erhiel- ten eine Füllung aus hölzernen Wel- lern, die mit Stroh und Lehm um- wickelt und in eine auf den Seiten der Deckenbalken mittig einge- schlagene Nut eingeschoben wur- den . Fenster und Türen wurden als Teil der hölzernen Ausstattung gleichfalls im ersten Arbeitsgang eingebaut, was unter anderem da- 23 Abbundzeichen zur Kennzeichnung der Hölzer nach der Zugrichtung (Abbinden) auf dem Abbundplatz, um sie auf der Baustelle nach dem richtigen System wieder zusammensetzen zu können (1998) . 24 In der Obergeschossstube (R 206) ist deutlich der Negativabdruck der Tür- gewände zu erkennen. Sie wurden ein- gebaut bevor die Wände getüncht wurden (J 998) . 25 Nachdem die Decke und die oberen Gefache verputzt waren, wurden die Löcher für Arbeitsbühnen mit dem Putzmörtel und Bruchstücken der Dachziegel verstopft und übergeputzt , Detail der Füllung ( 1998). ran zu beobachten ist , dass hinter den (bis auf wenige Ausnahmen jüngs t verlorenen) Türrahmungen keine Spuren eines Kalkanstrichs zu finden sind (Abb. 24) . Nach dem Austrocknen des Lehms, möglicherweise erst im Frühj ahr 1724, wurden die Gefache bündig mit der Holzkonstruktion mit einem feinen Kalkputz überzo- gen, wobei in diesem Arbeitsgang auch die Schwundrisse zwischen Holz und Lehm ausgefüllt wurden . N ach dem Verputzen der Ausfa- chungen strich man Wände und Decken fl ächig mit Kalkfarbe, so dass einheitliche Flächen ent- standen . Die Beobachtung des Baubestan- des ermöglichte auch , den Bauab- lauf nachzuvollziehen . Mit Kalk- mörtel verstrichene Löcher in den Lehmausfachungen scheinen bei oberfläch licher Betrachtung zu- nächst wie ReparatursteIlen. Erst 24 be i genauer Beobachtung fällt auf, dass sie in beiden Geschossen des Gebäudes und immer an der glei- chen Stelle, oberhalb der unteren der beiden Riegelketten , darüber hinaus in vier Achsen in Längsrich- tung durch das Haus regelmäßig wiederkehren. Wenn man sich mit dem Arbeitsprozess, den Arbeitsab- läufen bei der Errichtung des Hauses befasst, kann man daraus schließen , dass es sich nur um Spuren der Arbeitsbühnen für die Herstellung der Ausfachungen der Decken und im oberen Wandbereich handeln kann.49 Aus dem Material, mit dem die Stangenlächer für diese Arbeits- bühnen nachträglich verschlossen wurden (Kalk und Dachziegel- bruch) , kann man ableiten, dass sie nicht nach Abschluss der Lehmar- beiten mit Lehm, sondern erst wäh- rend des Verputzens mit Kalk (als also kein Lehm im Gebäude mehr zu r Verfügung stand) verschlossen wurden (Abb. 25 ). Über die Materi- alverwendung hinaus lassen sich so aus den Befunden auch die Arbeits- abläufe der Erbauer des Hauses am Beginn des 18. Jahrhunderts er- schließen , die in keinem Baustellen- bericht schriftlich überliefert wur- den, weil diese Dinge zu ihrer Zeit se lbstverständlich waren . Entwicklungsstufe 1I: Anpassung an die neue Karls- ruher Bauvorschrift von 1752 Als auffälligste Umgestaltung des äußeren Erscheinungsbildes im Lau- fe der Lebensdauer von Kaiserstraße 47 ist die "Aufstockung" der ehe- mals eingeschoss igen Fassade im Sinne der Karlsruher Bauvorschrift von 1752, nach der Bürgerhäuser zweigeschoss ig erri chtet werden sollten.50 Bis etwa 1770 bezuschuss- te das markgräfliehe Bauamt auch Anpassungen bereits bestehender 35 25 Fassaden an die neuen Modellvor- schriften, so dass der Ze itraum für diese Modernisierung mit 1752- 1770 gut umschrieben ist. Bei Kaiserstraße 47 wurde der unteren Mansarddachfläche im Sommer 1753 eine Wand vorge- blendet: Die Flächen zwischen den bestehenden Gauben schloss man mit einem Flechtwerk aus senkrech- ten Staken und waagerechten Ru- ten und bewarf sie anschließend nur von außen mit e inem Strohlehmge- misch. Das äußere Erscheinungsbild veränderte sich durch diese Bau- maßnahme erheblich , wenngleich der Eingriff in die Bausubstanz als eher gering zu bezeichnen ist. Er ist rein additiv auf Bauarbeiten an der Straßenfassade bezogen (Farbabb. 6 und 7) . Es ist nicht unwahrschein- lich , dass die Nutzung der Wohn- und Arbeitsräume während der Realisierung dieser Maßnahme nur geringfügig eingeschränkt wurde, 36 da auch die Verlängerung der Dach- fläche zwischen den G auben - mit Aufschieblingen auf den Sparren , e inigen neuen Dachlatten und Bi- berschwanzziegeln - von außen vor- genommen werden konnte. Die Datierung dieser Aufsto- ckung auf das Jahr 1753 wird durch eine Schriftquelle sehr wahrschein- lich, die berichtet , dass auf Anwei- sung des Markgrafen in jenem Jahr alle Bauwerke der "Neuen Durla- cher Straße" verputzt und einheit- lich gelb angestrichen wurden . Es ist sicher anzunehmen, dass die Flecht- wände im Gaubenband mit dieser Verputzung der Fassade von Kaiser- straße 47 - ein Jahr nach Erlass der n euen Karlsruher Bauvorschrift - gleichzeitig ausgeführt wurden. Die Akten: "Baudirektion. Carls- ruhe, Bausache. Die veranstaltete Anstreichung der Häuser in dem sog. Pfannenstiel in hies iger Resi- denz, sowie am Marktplatz. betr. 1753 , 1774, 1832." sind in vieler Hinsicht sehr aufschlussreich und verdienen eine weit umfassende- re Auswertung als sie im Rahmen dieser, auf die Baugeschichte eines H auses ausgerichteten, Publikation möglich ist. 51 Würde man die exak- ten , auf das Grundstück und die Be- wohner bezogenen Angaben aus der Schriftquelle mit dem detaillierten Stadtplan von 1775 (vgl. Farbabb. 1) in Verbindung bringen , wären wei- tergehende Aussagen zur Bewohner- schaft und ihren baulichen Bedürf- nissen zu erwarten . Überliefert sind die Angaben zu den verwendeten Materialien und den Kosten nur deshalb, weil die Bewohner der Häuser die vom Markgrafen "ange- ordnete Renovation" nicht selbst zahlen wollten : "dass 1753 a[nnlo diese Arbeit durch das Fürstl. Baudi- rektorium veranstaltet, von Fürstl. Bauverwaltung die Materialien dazu abgegeben und der ganz Kostenauf- wand mit 722 Gulden 23 3/8 x [Kreuzer] von Fürstl. Landschreibe- rei bestritten worden, auch dass die Hausbesitzer in der Meinung gestan- den, es werde dieser zu der Stadt Zierde gesch ehene Aufwand, ihnen nicht zu Last kommen ... "52. In den Akten sind jeweils die Be- richte des Bauamtes an den Mark- grafen erhalten geblieben: "Carlsru- he 23 . 8br 1753 Das Bauamt über- gibt Sem . eine Berchn. was das An- streichen der sämtl. Häuser von des Weissen Ochsenwirt Löfflers Haus an bis an das Durlacher Tor mit Materialien u. Anstreicher Lohn gekostet haben und erwartet dero gnädigste Dispos ition . Abgeg. 14. Nov. 1753." In der Liste ist in den meisten Fällen neben dem N amen auch der Beruf des H auseigentümers und die Bre ite des Hauses in "Schu" angegeben . Die Hauszäh lung be- ginnt beim Wirt des "Weißen Och- sen" an der Kreuzung der Langen Straße mit der Waldhornstraße und endet am schon vor 1753 nach Osten verlegten Durlacher Tor. Die Berufsbezeichnungen betreffen über- wiegend Handwerke, Witwen wer- den mit der Berufsangabe ihres Mannes erwähnt. In der südlichen Bebauung dieses östlichen Teils der Langen Straße finden sich die G ast- häuser "Zum wilden Mann" (Nr. 13), "Zum fröhlichen Mann" (Nr. 21) , "Zum Löwen" (Nr. 27) und "Zum blauen Ende" (Nr. 30) (Ta- belle 2: Liste der Bewohner der Bür- gerhäuser auf der Südseite der östli- chen Langen Straße zwischen Wald- hom straße und Durlacher Tor im Jahre 1753. Se iler Schönherr wohn- te nach der Liste im Haus Nr. 12, das heute unter der Adresse Kaiser- straße 47 geführt wird) .53 In einem Bericht vom 30. Januar 1771 h eißt es: "Seiler Schönherr protestiert ebenfalls gegen die Bezahlung seiner schuldigen 20 G ulden 46 1/2 x [Kreuzer] mit der Beschwerung, dass ihm nichts davon gesagt worden sei, dass die gnaedigste Herrschaft den Ersatz der Kos ten mit der Zeit ver- langten , indem er wann solches ge- scheh en wäre, er seine Materia lien se lbst angesch afft , darauf gesehen und auf die Arbeiter A chtung ge- geben h aben würde. Mit ein paar G ulden wäre er im Stande gewesen, alles nach dem Verlangen der gnae- digster Herrschaft herzustellen. "54 Funktion und Form Mit der Baumaßnahme sollte dem Wunsch des Markgrafen entspro- chen werden , der Stadt ein reprä- sentativeres Stadtbild mit zweige- schoss igen Bürgerhausfassaden zu geben . Das Bürgerhaus Kaiserstraße 47 erscheint seit der Baumaßnahme nicht mehr als eingeschossiges Haus mit hohem Dach , in dessen Dach - fläche sich vier Gauben befinden , sondern als zweigeschossiges H aus mit e iner durch gehenden Traufe ei- nes Satteldaches oberhalb des zwei- ten Stocks (Farbabb. 7) . Die unter- halb der Brüstung weiterhin sicht- bare Dachfläche erinnert an schma- le, vorgehängte Dachflächen , die die Fassaden vor der Witterung schützen sollten. Die kurze Dachflä- che erscheint wie die "Klebdächer" der regional üblichen Bauweise, wie sie im heutigen Karlsruher Stadtbild noch an Durlacher oder an Daxlan- der Fachwerkhäusern zu sehen sind (vgl. Abb. 66). Material und Bautechnik Bautechnisch W\lrde die Maßnahme hier - wie auch bei Waidstraße 9 - mit geringem Aufwand realisiert: Statt der vier Gauben in der unte- ren, steileren Dachfläche des Man- sarddaches wurde auf der Brüstungs- höhe der Fenster ein durchgehendes senkrechtes Fachwerk aufgesetzt. Die Fenster konnten belassen wer- den, die Gefache dazwischen wur- den mit Flechtwerk und Lehm ver- schlossen (Abb. 26). In den Akten über die Anstreichung der Fassaden im Sommer 1753, in deren Zusam- menhang auch die Obergeschoss- fassade vorgeblendet wurde, ist die Materialzusammenstellung über- liefert: "Seyler Schönherrs Haus ad 36 Schu 3 x Ring Drahts a 16 Kreuzer 2000 St. Halbe Schloss Nägel a 1 fI. 12 x Leinöhl a 9 Kreuzer 2 x Leim a 19 Kreuzer 4 x Kälberhaar a 4 Kreuzer 3 Ohm Kalk a 20 Kreuzer 19 x Bleyweiss a 7 1/2 Kreuzer 4 x Gelbe Kreiden a 6 Kreuzer 1 x Englischroth Vors Gerüsten Weissbinder Lohn 11 fI. 6 Kreuzer in summa 20 fI. 46 1/2 Kreuzer"55 Nr. Bewohner und ihre Berufe 1 Ochsen wirt Löffler 2 Schneider W. Schuster 3 Messerschmied Martin 4 Barbier Scheidler 5 Hutmacher Thomas Thiene 6 Weber Michael Büchelen 7 Hafner Winters Erben 8 Portier Wenzel 9 Schreiner Ritter 10 Clemens Prinzen 11 Geschirr Meister Würfel 12 Seyler Schönherr (Kaiserstraße 47) 13 Wildenmannwirth Krauten (Kaiserstraße 45) 14 Koch Fröhlich 15 Fallit Erler 16 Bohrschmid Bölitz 17 Kürschner Freudenmann 18 Strumpfweber Jacob Fort 19 Bronnenmeister Schumachers Wittib 20 See gräber Rüber 21 Fröhlichmannwirth Kröhner 22 H. Raths Verwander Stargard 23 Kübler Lichtenfelsen 24 Färber Steinmetz 25 Amensieder Wittib 26 Schneider Spöcken 27 Löwenwirth Dollmetsehen 28 Schneider Philipp Schuster 29 Ringlens Schmied alt Michael Neesens Haus 30 BlauEndenwirth Offenhäuser 31 Tabacc Spinner Schwarzenauer 32 Oelschläger Andreas Dietrich 33 Beck Driehsler 34 Jud Wolf Lazarus 35 Maurer Rudolph 36 Maurer Wohrlen Tabelle 2 Breite 128 Schu 32 Schu 17 Schu 26 Schu 29 Schu 29 Schu 38 Schu 38 Schu 38 Schu 38 Schu 30 Schu 36 Schu 33 Schu 33 Schu 29 Schu 33 Schu 38 Schu 37 Schu 25 Schu 17 Schu 37 Schu 24 Schu 29 Schu 35 Schu 35 Schu 35 Schu 41 Schu 40 Schu 31 Schu 30 Schu 40 Schu 30 Schu 29 Schu 37 Schu 30 Schu 73 Schu Überb lick über die Bewohner der Häuser und die Hausbreiten auf der Südseite des Straßenzuges zwischen altem und neuem Durlacher Tor, 1753. 37 38 26 Draht und N ägel sind notwendig, um auf den Fachwerkhölzern einen Putzträger zu erstellen . Kälberhaar ist dem Kalkputz als Armierung bei- gegeben worden . Leinöl ist die Basis für den Anstrich der h ölzernen Fenstergewände, der Gesimse und Fenster. Dieser Anstrich wurde mit dem Bleiweiß pigmentiert. Offen bleibt die Frage, ob hier für die Sandstein darstellenden Bauteile ebenfalls ein Hellgrau verwendet wurde, das man mit Ruß als günsti- gem und nicht erwähnenswertem Pigment herstellen konnte, oder ob man dem anderen Vorschlag von Kesslaus folgte und hierfür einen ro- ten Anstrich wählte (vgl. S. 61). Als Farbton des Kalkanstrichs für die Wandflächen ist Gelb durch die Materialangaben für die Seilerei von Familie Schönherr im Jahre 1753 nachgewiesen . 27 Exkurs: Modellhäuser in Karlsruhe und ihre Umbauten nach 1752 Fünf erhaltene Karlsruher Modellhäuser aus der ersten Bauperiode (1715-1752) im Jahr 2000 In der 1715 gegründeten Stadt wur- den im Laufe der Jahre immer mehr G rundstücke bebaut. Die Reihen wurden langsam geschlossen . Um 1740 waren die für eine bürgerliche Bebauung mit eingeschossigen Mo- dellhäusern vorgesehenen Berei- che, die Radialstraßen südlich des Schlossplatzes sowie die Lange Stra- ße zwischen dem Durlacher und dem Mühlburger Tor, we itgehend bebaut (vgl. Abb. 27) . Von den zu diesem Zeitpunkt stehenden Ge- bäuden steh en heute noch fünf. Das 26 Im Obergeschoss wurde zwischen die Dachgauben eine Wand aus Fach- werkrahmen , Flechtwerk und Lehm- bewurf gestellt, um das Haus zwei- geschossig erscheinen zu lassen . Detailaufnahme des Zwischenraums zwischen Mansarddachwand und Vorblendung (1998) . 27 Karlsruhe, Stand der Bebauung im jahre 1740 . Die modellgemäße Bebauung der für die Bürger vorge- sehenen Bereiche einschließlich der ös tlichen Verlängerung der Langen (heute Kaiser-) Straße war fast abgeschlossen. Fünf Bürgerhäuser dieser Zeit sind erhalten: Kaiserstraße 45 und 47 sowie Waldstraße 5 , 7 und 9. - D=Durlacher Tor, R=Rüppurrer Tor, P=Prinzentor, M=Mühlburger Tor, L=Linkenheimer Tor, j=jägen or, Z=Zirkeltor. (Rekons truktion der Bauentwicklung durch Gottfried Leiber, 1996 , S. 66). 28 Karlsruhe , Waldstraße 5 , 7, 9, 11 (um 1973). Schloss aus der G ründungszeit der Stadt Karlsruhe wurde in der zwei- ten H älfte des 18. Jahrhunderts ab- gebrochen und neu errichtet, dieser N eubau brannte im Zweiten Welt- krieg vollständig aus. Die an- spruchsvolle Bebauung am Schloss- platz nach dem zweigesch oss igen Modell (vgl. Abb. 7, Farbabb. 3 und Abb. 22 ), die in der Zeit direkt nach 1715 errichtet wurde, war bis zum Zweiten Weltkrieg in einigen Bei- spielen erhalten, die ausgebrannten Reste wurden bese itigt . Die fünf er- haltenen H äuser aus der Zeit vor 1752 sind die ältesten baulichen Zeugnisse des Bauens und Wohnens der Gründergeneration in Karlsru- he: Kaiserstraße 45 und 47 sowie Waldstraße 5, 7 und 9. A ufgrund der ausführli chen Er- forschung von Kaiserstraße 47 be- steht heute ein relativ genauer Maß- stab für die baugeschichtliche Beur- te ilung und Einordnung der beste- henden Bausubstanz vergle ichbarer Häuser wie der G ruppe von drei G ebäuden in der Waldstraße (Abb. 28). Im Rahmen der baugeschichtli- chen Untersuchung der G ebäude der Seilerei Schönherr in der Kaiser- straße 47 in Karlsruhe wurde es möglich, die dre iachsigen Modell - häuser in der Waidstraße 5 bis 9 in einer längeren Begehung als Ver- gle ichsobjekte zu erkunden. Grundsätzlich war die Zuordnung der fünf Bauwerke Waidstraße 5, 7 und 9 sowie Kaiserstraße 45 und 47 zur ersten Bürgerhausgeneration Karlsruhes, also der Zeit von 1715 bis 1752, bekannt. Zu Recht hat Ursula Merke! diese fünf letzten Bauwerke der ersten Bauphase Karls- ruhes als "einmalige Dokumente 28 der Stadtgeschichte" beze ichnet , die "ursprünglich den Modellvorschrif- ten gemäß aus Fachwerk errichtet und bald nach 1752 in der damals üblichen Art, d. h. durch Umwand- lung des Mansarddaches in e in Voll- geschoss mit Satteldach, verändert wurden . ... Allerdings wurde der Umbau, wie sich an der Bausubstanz dieser fünf Wohnhäuser unschwer erkennen läss t, nicht einhe itlich verwirklicht. Ein markgräflicher Er- lass hatte zwar die bisher gängigen Reparaturen aus Holz als 'das Anse- hen der Stadt wenig verbesserndes Flickwerk' untersagt und statt des- sen a ls Konsequenz aus den unlängst neu erlassenen Bauvorschriften ge- fordert, bei Ausbesserungen an be- stehenden Fachwerkhäusern we- nigstens die S traßenfassade mass iv zu erneuern, doch konnten viele Einwohner so lchen Ansprüchen 39 nicht nachkommen . Aus Zwang zur Sparsamkeit behalf man sich mit- unter auf e ine Art und Weise, wel- che die Häuser Kaiserstraße 47 und Waldstraße 9 demonstrieren: Dem unteren Teil des Mansarddaches wurde e infach e ine lotrechte Wand vorgeblendet, um die Fassade den zweistöckigen Häusern anzuglei- chen, während die originale Dach- konstruktion fast völlig erhalten blieb."56 Aus stadtgeschichtlicher Sicht kommt den als Folge der Bauvor- schriften nach 1752 stä rker verän- derten Bauwerken Waldstraße 5 und 7 sowie Kaiserstraße 45 e in ebenso großer Zeugniswert zu wie Waldstraße 9 und Kaiserstraße 47 . Alle fünf Gebäude wurden nach den Modellvorschriften errichtet und ste llen Varianten in Breite und G rundrissanordnung dar. 40 Die im zweiten Privilegienbrief von 1741 festgelegte Mindestbreite von 40 Schuh erreichen die fünf Häuser in der Kaiserstraße und in der Waldstraße nicht. 57 Das Bau- werk mit vier Gebäudeachsen, Kai- serstraße 47, hat nach der Schrift- quelle von 1753 eine Breite von 36 Schuh, woraus sich bei einer realen Breite von elf Metern für den Karls- ruher "Schuh" von 1723 eine Län- ge von gut dreißig Zentimetern ab- leiten lässt. Die Modellhäuser in der Waldstraße mit drei Gebäudeachsen haben 24,5 bis 27,5 Fuß Fassaden- länge. Ergänzend zu den übrigen Be- obachtungen mag aus den Hausbrei- ten die Arbeitsthese abgeleitet wer- den, dass auch die Häuser in der Waldstraße - wie das dendrochro- no logisch auf 1722/1723 datierte Modellhaus in der Kaiserstraße 47 - vor 1741 entstanden sind. Eine umfassende bauhistorische Bestandsanalyse der Bauwerke in der Waldstraße 5, 7 und 9 als stadt- geschichtliche Zeugnisse ist drin- gend notwendig (vgl. Abb. 28).58 Gleichermaßen bleibt zu wünschen, dass der jetzige Eigentümer - die Ba- dische Beamtenbank - seinen Besitz ebenso behutsam instandsetzt und respektvoll einer neuen Nutzung zuführt, wie es die Volkswohnung mit dem 1997 erworbenen Modell- haus Kaiserstraße 47 zeigt.59 In Abbildungen überlieferte Modellhäuser aus der Gründungs- zeit der Stadt (1715-1752) Bürgerhäuser nach dem eingeschos- sigen Modell mit Mansarddach (vgl. Abb. 8) aus dieser frühen Periode haben im ganzen damaligen Stadt- gebiet gestanden, das sich zwischen der Waldhornstraße im Osten und der Waldstraße im Westen, der Lan- gen Straße (seit 1879 Kaiserstraße) im Süden und dem Schlossplatz im Norden erstreckte. Die Straßenzüge der Kronen-, Adler-, Kreuz-, Karl- Friedrich-, Lamm-, Ritter- und Her- renstraße, soweit sie nördlich der Langen Straße und südlich des Zir- kel lagen, sind also in ähnlicher Weise einheitlich mit Modellhäu- sern bebaut gewesen. Auch die öst- liche Verlängerung der Langen Stra- ße bis zum heutigen Durlacher Tor war - wie durch die Untersuchung von Kaiserstraße 47 belegt - schon seit den frühen 20-er Jahren des 18. Jahrhunderts mit Modellhäusern be- baut. Diese südliche Seite der heuti- gen Kaiserstraße unterlag wie das Kemgebiet der Stadt als markgräfli- cher Besitz der Bauordnung. Das 29 Herrenstraße 7,9 , 11 , und 13 , abgebrochen (1909//910). Gebiet des Dörfle, in dem die Mo- dellhausvorschriften nicht gal ten, war eng umrissen in einem Bereich, der sich südlich der Gartengrund- stücke der Langen Straße erstreckte (vgl. Abb. 7 und Farbabb. 1) .60 Neben den fünf erhaltenen Bau- werken aus dieser frühen Periode der Stadt sind eine Reihe von Karls- ruher Gebäuden in älteren Abbil- dungen überliefert, die in einer klei- nen Auswahl hier vorgeste llt wer- den sollen.61 Sie geben einen Ein- druck von der Vielfalt der unter- schiedlichen Veränderungen, denen die Modellhäuser der ersten Bau- phase nach den neuen Bauvorschrif- ten von 1752, aber auch in den fol- genden Jahren und Jahrzehnten bis 30 Herrenstmße 11 , während des Abbruchs ( 1909/1 910) . zu ihrem Abbruch unterzogen wur- den. Das 1715 mit den Vorschriften angestrebte Ideal, wie es beispiels- we ise ein Stich von 1739 ze igt (vgl. Abb. 10) , ist in dieser Einheitlich - keit sicher nie erreicht worden . W ährend des 18. Jahrhunderts können wir uns Karlsruhe aber im Stadtgebiet weitgehend zweige- schossig vorstellen , aus einer Mi- schung von Modellhäusern der ers- ten und der zweiten "Generation"- und allen bautechnischen und ge- stalterischen Varianten , die denkbar waren , um ein "altes" Modellhaus mit Mansarddach wie ein "neues" mit zweigeschoss iger massiver Stra- ßenfassade erscheinen zu lassen: Kategorie I: Schaffung einer durchgehenden Traufe bei unveränderter Belassung der unteren Mansarddachfläche. Herrenstraße 7, 9 und 11 - errichtet zwischen 1715 und 1752, abgebrochen 1909/1 910 Die Fassaden der beiden Modell- häuser Herrenstraße Nr. 7 und Nr. 11 entsprechen der Kategorie I, 31 Herrenstraße 7, Hoffassade, vor dem Abbruch ( 1909/1 9 10) . während Herrenstraße 9 stärker der neuen Modellhausvorschrift von 1752 angepasst wurde (Abb. 29 ).62 Die Erdgeschossfassaden aller drei Gebäude wurden für Ladeneinbau- ten des späten 18. (NI. 7) und frü - hen 19. Jahrhunderts (Nr. 9 und Nr. 11) und nachträgliche Hausein- gänge verändert . Der Anordnung der O bergeschossgauben von NI. 11 zufo lge sind hier zur Straße links eine Stube mit zwei Fenstern und zwei Kammern rechts mit je einem Fenster angeordnet (Abb. 30).63 Der G rundriss von Herrenstraße 11 könnte - der erkennbaren A nord- nung von Funktionen , wie sie aus der Anordnung von Türen und Fenstern abgeleitet werden können, zufolge - dem des von Batzendorf gezeichneten Eckhauses (vgl. Farb- abb. 2) we itestgehend entsprochen haben . Die Hoffassade von Herrenstraße 7 zeigt die ursprüngliche Dach- und Gaubenform. Dies ist der einzige photographische Beleg für die - aus den Proportionen erschließbare - ursprüngliche Fensterteilung der Modellhäuser: Die beiden linken Gauben im Obergeschoss we isen 41 32 Karlsruhe, Kronenstmße 20 und 18 , errichtet zwischen 17 15 und 1752, zu ver- schiedenen Zeiten modernisiert (Aufnahme von Thomas Schuhrnann, um 1910). Holzsprossen auf, während das mitt- lere Fenster im Erdgeschoss in den beiden Oberlichtflügeln noch die ursprünglichen Bleisprossen besitzt (Abb.3 1) .64 Kronenstraße 20 und Kronenstraße 18 - errichtet zwischen 1715 und 1752, abgebrochen 1928 Die beiden Modellhäuser in der Kronenstraße entsprechen unter- schiedlichen U mbaustadien nach 1752 (Abb. 32 )65 : Bei Kronenstraße 20 wurde lediglich die Traufe der Dachfläche bis zur Vorderse ite der Gauben vorgezogen . Besonders wichtig ist diese Fotografie deshalb, we il hier belegt wird, dass auch d ie hölzernen Rahmen der Gaubenfens- ter wie die "steinernen" Gewände in den Erdgeschossfassaden (vgl. Farbabb. 4 und 5, Abb. 13 bis 19) ebenfalls profilierte Sohlbänke, seit- liche O hrungen und ein stark profi- liertes Kopfstück aufweisen. Eine andere historische A ufnahme zeigt das Haus Kronenstraße 20 kurz vor dem Abbruch 1928. Alle vier Dach- gauben weisen deutlich die obere Ohrung auf. 66 42 Kronenstraße 18 wurde nach der Kategorie III umgebaut, mit einer vorgeblendeten Obergeschosswand auf dem Fußpunkt der schrägge- stell ten unteren Mansarddachflä- ehe, die hinter der neuen Fassade er- halten blieb. Die Dachfläche wurde mit Aufschieblingen bis zur Traufe - der Ebene der Dachgaubenfenster - vorgezogen. Die Konstruktion der schräggestellten Wand als Mansard- dachfläche und die als Negativ- abdruck auf der Giebelwand von Kronenstraße 20 erkennbare Vor- blendung sind auf einer Fotografie während des Abbruchs ebenso deut- lich zu erkennen wie die Tatsache, dass während der Anpassung an die neuen Bauvorschriften das vorkra- gende Gesims des Erdgeschosses so- wie die Aufschieblinge des Daches entfernt worden sindY Beide Häu- ser nebeneinander zeigen eindrucks- voll die Varianten, die im Verlauf der Folgejahre nach 1752 aus den Modellhäusern gebildet werden konnten.68 Kronenstraße 14 - errichtet zwischen 1715 und 1741 , abgebrochen 1888 Das Bürgerhaus mit drei Achsen - nach der Beschriftung an der Haus- wand ein "Sauerkrautgeschäft" - weist im Erdgeschoss straßenseitig links eine Stube auf, während die rechte Achse von einem Gang an- ste lle einer Durchfahrt eingenom- men wird (Abb. 33).69 Im Ober- geschoss spricht die Gruppierung der Gauben für eine Stube mit zwei Fenstern links und einer Kammer rechts, die ein Fenster aufweist. In der Entsprechung von Erd- und Obergeschossgrundriss spiegelt auch dieser schmalere Grundriss die in Kaiserstraße 47 belegten Prinzipien der Nutzungsverteilung der Karlsru- her Modellhäuser wider. Auch die Fensterproportionen entsprechen denen von Kaiserstraße 47 im Ober- geschoss, den nachtäglich mit neu- en Flügeln und anderen Scheiben- formaten versehenen ursprünglichen Fenstern (vgl. Titelbild, Farbabb. 5 und 7, Abb. 55) . Das rechts dane- ben befindliche Haus Kronenstraße 12 des Bäckermeisters Friedrich Zöl- ler weist nur zwei Achsen und eine Fachwerkfassade auf, deren Ober- geschoss die gleiche Höhe besitzt wie Nr. 14 (der Kniestock darüber gehört zu dem wiederum jüngeren Dachwerk). Es wirft die Frage auf, ob an dieser Stelle einst ein zwei- achsiges Modellhaus stand oder ob das jetzt dreiachsig erscheinende Modellhaus Nr. 14 ehemals vier Achsen und eine rechts liegende Durchfahrt besaß. Gegen diese The- se spricht die in beiden Geschossen an der linken Seite angeordnete Stube von zwei Achsen Breite. Kategorie II: Vorblendung einer lotrechten Wand in der Flucht der ehema- ligen Gaubenfenster unter Bei- behaltung der schräggestellten Fachwerkkonstruktion der unteren MansarcUlachfläche. Kaiserstraße 47 - errichtet 1723, erhalten Das "Seilerhäuschen" ist das einzige der fünf Bauwerke, das bisher einer ausführlichen baugeschichtlichen 33 Kronenstraße 14 und 12, kurz vor dem Abbruch ( 1888). Bestandsanalyse unterzogen und im Hinblick auf die Stadt(bau)geschich- te ausgewertet wurde. Kaiserstraße 47 weist vier Gebäudeachsen (aus Fenstern und Tor) auf. Raumstruk- tur und Nutzungsverteilung der Mo- dellhäuser dieser ersten Generation waren bisher ebensowenig bekannt wie die konstruktiven und gestalte- rischen Elemente der Modellhaus- fassaden. Das Bürgerhaus Kaiserstra- ße 47, das dendrochronologisch auf 1722/1723 datiert wurde, ist in den beiden Hauptgeschossen in seiner wesentlichen Bausubstanz mit zahl- losen Informationen zum Bauen und Wohnen in Karlsruhe zur Zeit der Stadtgründung erhalten (vgl. S. 25- 35, Farbabb. 5 und 7, Abb. 13 bis 22). Die Auswertung war für die Karlsruher Stadtgeschichte von gro- ßer Bedeutung. Allerdings gibt es im oberen Bereich des Bauwerks einige Lücken in der Überlieferung: Das Satteldach oberhalb des noch ur- sprünglichen Mansardgeschosses wurde 1945/1946 beschädigt und ersetzt. 34 Kartsruhe. Waldstraße 9. Straßen- fassade. Aufnahme von Fritz Hugen- schmidt. 1938. - Die Aufnahme zeigt im Obergeschoss die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so beliebten gebusten Scheiben und in der rechten Gebäudeachse einen Ladeneinbau mit Klappläden vor den beiden Schaufenstern . die den Ladeneingang flankieren. WaldstTaße 9 - errichtet zwischen 1715 und 1 741 • erhalten Das Bürge rhaus hat nur 3/4 der Bre ite von Kaiserstraße 47 . Es ist - so wie die beiden N achbarhäuser Waldstraße 5 und Waldstraße 7 - eine Modellhausvariante mit drei Gebäudeachsen (Abb. 34) .70 Die Hoffassade wies noch 1938 e ine of- fene Treppe zu m Obergeschoss auf (A bb. 35 ), wie sie in ähnlicher Form nicht nur bei Kaiserstraße 47 vor- handen war, sondern wie sie auch bei einer ganzen Reihe anderer Bau- werke in Karlsruhe beobachtet wer- den konnte. 71 35 Karlsruhe. Waldsrraße 9. Hoffassade. Aufnahme von Fritz Hugenschmidt. 1938. - Die Aufnahme zeigt den wohl ursprünglichen Zugang zum Obergeschoss mit einer gedeckten. aber seitl ich nicht verkleideten Treppe. Bei Waldstraße 9 sind die Eingrif- fe in die historisch aussagefähige Substanz im Dachwerk geringer als bei Kaiserstraße 47. Hier ist das Mansarddach mit den schräg ge- stellten Dachflächen über Fach - werkwänden im ersten O berge- schoss ebenso erhalten wie das darüber befindliche Satteldach . Da die Veränderungen im Oberge- schoss und im Dachwerk so gering sind, überrascht es nicht, hier das einzige in Karlsruhe überlieferte profili erte Traufgesims eines Man- sarddaches aus der Zeit von 171 5 bis 1750 (hinter der "Aufstockung" von nach 1752 ) zu finden . Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich hinter der jüngeren Aufmaue- rung der Hoffassade eine ursprüngli- che Gaube in der Mansarddach- 43 36 Karlsruhe. Waldsrraße 9: Innenaufnahme der Dachgaube ( 1999). fläche erhalten hat. Daneben fin- det sich eine als ebenso ursprüng- lich anzusehende Dachdeckung aus handgestrichenen Biberschwanz- dachziegeln und den zugehörigen Latten (Abb. 36 ).72 Diese Befunde sind singulär für diese frühe Zeit Karlsruhes und ergänzen mit zahllo- sen anderen Details die baulich e Überli eferung, die aus Kaiserstraße 47 bekannt ist, um wesentliche In- formationen . Von einer gründlichen bauge- schichtlichen Untersuchung sowie einer stadtgeschichtlichen Auswer- tung der Bauwerke Waldstraße 5, 7 und 9 werden zahlreiche we itere Hinweise zur bautechnischen Rea- lisierung der Modellhäuser in der Pionierphase Karlsruhes erwartet: Ebenso werden die Raumstruktur und die Funktionsverteilung in die- sen frühen Reihenhäusern mit drei Gebäudeachsen noch zu ermitteln 44 37 Kaiserstraße 17, Straßenfassade (vor 1889). sein. Erkennbar ist eine grundsätz- liche Ähnlichkeit in der Rauman- ordnung. Wegen der schmaleren Ausführung der Bauwerke in der Waldstraße bleibt allerdings zum jetzigen Zeitpunkt etwa die Frage nach ursprünglichen Zugängen zum Hof sowie die Frage nach der Er- schließung der Obergeschosse offen . Fassadengestaltung und Innenaus- stattung werden sich an geringfügig erscheinenden Hinweisen ermitteln lassen. Kaiserstraße 17 - errichtet zwischen 1720 und 1752, abgebrochen 1889 In der Grundrissanlage und in der Fassade ist Kaiserstraße 17 eine spie- gelsymmetrische Entsprechung zu Kaiserstraße 47 (Abb. 37) .73 So- wohl in der Nutzungsverteilung als auch im ursprünglichen Aussehen haben sich die beiden Gebäude nur dadurch unterschieden, dass das eine die Durchfahrt östlich, das an- dere westlich hatte. Auch in der Aufführung einer lotrechten Fach- werkwand als Vorblendung vor der 38 Kaisers traße 29, Straßenfassade (um 1930). erhaltenen Holzkonstruktion der unteren Mansarddachfläche ent- spricht Kaiserstraße 17 dem weiter westlich liegenden N achbarhaus Nr. 47 und der Waldstraße 9, nur dass hier abweichend von den beiden erhaltenen Modellhäusern dieser Entwicklungsstufe (Kategorie II) das noch sichtbare untere Drittel der ehemaligen Mansarddachfläche nicht mehr als Dach mit Lattung und Biberschwanzziegeln gedeckt sichtbar blieb, sondern als verputzte Fläche in die Fassade einbezogen wurde. Kaiserstraße 29 - errichtet zwischen 1720 und 1752, zerstört um 1944 In der Grundrissanlage und in der Fassade ist Kaiserstraße 35 dreiach- sig mit einem rechts liegenden Gang wie Waldstraße 5 und 7, Her- renstraße 7, Kronenstraße 14 und 39 Kaisers traße 35, Straßenfassade (um 1930). Kaiserstraße 35 angelegt (Abb. 38).74 Der Rücksprung der lotrechten Fachwerkwand und die kurze Dach- fläche des unteren Drittels der ehe- maligen Mansarddachfläche wurden hier mit einem Werbeschild wie bei Kaiserstraße 47 abgedeckt (vgl. Ti- telabb.). Kaiserstraße 35 - errichtet zwischen 1720 und 1752, zerstört um 1944 In der Grundrissanlage und in der Fassade ist auch Kaiserstraße 35 dreiachsig mit einem rechts liegen- den Gang angelegt (Abb. 39).75 In der A ufführung einer lotrechten Fachwerkwand oberhalb des Brüs- tungsriegels entspricht Kaiserstraße 35 der Waldstraße 9 und Kaiserstra- ße 47 . In der Verputzung des unte- ren Drittels der ehemaligen Man- sarddachfläche ähnelt es eher Kai- serstraße 17. 40 Kaiserstraße 39, Straßenfassade am 25. Januar 1973. Kaiserstraße 39 - errichtet zwischen 1720 und 1752, zerstört nach 1973 Anhand der Fotografi e ist zu er- schließen, dass auch Kaiserstraße 39 ursprünglich ein Mansarddach hat- te und aufgrund der Markgräflichen Anordnung 1753 wie Waldstraße 9, Kaiserstraße 47 , 17,29 und 35 mit einer Vorblendung im Obergeschoss an die neuen Bauvorschriften ange- passt wurde. Das Obergeschoss hat ein einzelnes Fenster und ein Fens- terpaar, woraus sich links die Kam- mer und rechts die Stube erschlie- ßen lässt. Das Erdgeschoss zeigt La- deneinbauten des 19. Jahrhunderts, die Brandwand des linken Nach- barn trägt den Abdruck des ur- sprünglichen Daches: Auch Kaiser- straße 39 wurde wie 47 in der Folge von Kriegsschäden mit einem fla- cher geneigten Notdach oberhalb des Obergeschosses versehen (Abb. 40) . 41 Kronenstraße 9, Straßenfassade (vor 1905). Kategorie III: Vorblendung der Obergeschoss- wand mit einer senkrechten Wand am Fußpunkt der unteren Mansarddachfläche. Dabei blieb die obere Wand zurückversetzt, die ehemaligen Gaubenfenster wurden in die lotrechte Wand einbezogen, der bei Kategorie II noch sichtbare untere Teil der Dachfläche wurde entfernt (Gesims und Aufschieblinge), der Rücksprung in der Fassade mit einem profilierten Gesims kaschiert. 76 Kronenstraße 9 - errichtet zwischen 1715 und 1752, abgebrochen 1905 Das Bürgerhaus von fünf Achsen entsprach zur Zeit seiner Errichtung mit der rege lmäßigen Reihung der Fenster sehr weitgehend der sche- matisierten Fassadenzeichnung für die Modellhausbebauung (Abb. 41, vgl. Abb. 8).77 Nach 1752 wurde die Obergeschossfassade lotrecht unter- halb der Balkenköpfe der Ober- 42 Kronensrraße 9, Hoffassade (vor 1905). 45 geschossdecke erneuert. Daraus er- gab sich ein Rücksprung der neuen Fassade gegenüber der urprüngli- chen im Erdgeschoss, der besonders am rechten Rand zum Nachbarhaus am verspringenden Verlauf der Re- genrinne erkennbar wird. Doch auch hier wurden die älteren Fens- ter wiederverwendet und mit neuen Flügeln versehen (vgl. Kronenstraße 14, Abb. 33; Kaiserstraße 47, Titel- abb. und Farbabb. 5 und 7, A bb. 55) . Der Korbbogen des abgeb il- deten Tores der Durchfa hrt bildete gemeinsam mit den erhaltenen Zapflöchern der Kopfbänder die Grundlage für die zeichnerische Re- konstruktion der Durchfahrt von Kaise rstraße 47 im Jahre 1723 (vgl. Farbabb.5 und Abb. 20). Die Hoffassade (Abb. 42)18 über- liefert in der linken Hälfte (fast) die ursprüngliche Dachform. Die untere Dachfläche des Mansarddaches ist vollständig, einschließlich zweier Gauben, erhalten, lediglich die obe- re Dachfläche wurde in jüngerer Zeit einheitlich bis zur Traufe der Gaubendächer vorgezogen (vgl. Ka- tegorie 0. 46 43 Waldstraße 5,7 und 9 (um 1973). Kategorie N: Erneuerung der Obergeschosswand mit einer senkrechten Wand anstelle der unteren Mansarddachfläche. Im Gegensatz zur Kategorie III wurde die neue Wand allerdings außen bündig mit der unteren Fassade errichtet, was eine Verlängerung der Deckenbalken oder einen Austausch des Dachwerks notwendig machte. Waldstraße 5 und 7 - errichtet zwischen 1715 und 1741 , erhalten Ursprünglich waren die Bürgerhäu- ser Waldstraße 5, 7 und 9 in Kons- truktion und G estaltung gleiche Ausführungen einer drei Gebäude- achsen umfassenden Variante des in der Kaiserstraße 47 realisierten Modellhauses. Da hier nach 1752 offenbar bessere finanzi elle Mög- lichkeiten bestanden, wurden die Fassaden - inschriftlich im geohrten Türgewände auf 1754 datiert - im Obergeschoss außen bündig er- neuert (Abb. 43) .79 Die Eingriffe in das Raumgefüge der Obergeschosse scheinen weniger stark als im Erd- geschoss mit Ladeneinbauten des 19. und 20. Jahrhunderts. Eine ur- 44 Kaiserstraße 45 (1 903-} 904) . sprüngliche Grundrissstruktur wird sich aber im Laufe einer bauhistori- schen Untersuchung aus dem De- ckenspiegel und den Spuren auf der Innenseite der Außenwände ermit- teln lassen . Kaiserstraße 45 - errichtet zwischen 1720 und 1737, erhalten Das Modellhaus weist nach den Fo- tografien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts und in den Um- bauplänen von 1908 fünf A chsen auf. Es soll 1737 errichtet worden sein und erscheint in den Listen von 1753 als "Gasthaus zum Wilden Mann" (vgl. S. 37, Tabelle 2). Seiler Schönherrs Haus (Kaiser- straße 47) hatte eine Breite von 36 Schuh bei vier Achsen, während für das Gasthaus zum Wilden Mann (Kaiserstraße 45) wie für das des Kochs Erler (Kaiserstraße 43) eine Breite von 33 Schuh angegeben wurde. Kaiserstraße 41, das Haus des Fallits Erler, besaß eine Breite von 29 Schuh.80 Bei unterschiedlicher Breite kann man für alle vier Bau- werke je vier Gebäudeachsen an- nehmen. In jener Liste von 1753 werden die Gebäude Kaiserstraße 45 und Kaiserstraße 43 mit einer Brei- te von jeweils 33 Schuh angegeben, auf dem Stadtplan von 1775 (vgl. Farbabb. 1) haben sie schon die un- terschiedlichen Breiten , die auch auf historischen Fotografien aus der Zeit um 1930 zu erkennen sind (vgl. Abb. 9 und Abb. 68). Mit der Än- derung der Gebäudebreite muss die Anpassung an die Modellvorschrif- ten von 1752, also zwischen 1753 und 1775, vorgenommen worden sein. Damit ist der Zeitpunkt für die Verschiebung der Grundstücksgren- ze zugunsten des Gasthauses "Zum Wilden Mann", das jetzt fünf, und Kaise rstraße 43, die nur noch drei Gebäudeachsen aufweist, relativ gut eingegrenzt. In Anlehnung an die Überliefe- rung und an die Bauprinzipien von Kaise rstraße 47 ist es möglich , aus den A chsabständen der Fenster im Erdgeschoss abzuleiten , dass die Stu- be auch hier ursprünglich zwei Ach- sen aufwies und vor 1753/1775 von einer Durchfahrt und einer Kammer mit einer Fensterachse flankiert war (Abb. 44) .81 Die ehemalige Durch- fahrt wurde wohl schon zu diesem Zeitpunkt der Stube zugeschlagen, um den Gastraum zu vergrößern. In die Kammer, die wie bei Kaiserstraße 47 nur die rechte Gebäudeachse ein- nahm, wurde 1908 ein Schaufenster und ein eigener Eingang eingebaut.8z Wie bei Waldstraße 5 und 7 war auch bei diesem Bauwerk nach 1752 offenbar ausreichend Kapital für eine massive zweigeschossige Fassa- denerneuerung und die damit ver- bundenen Veränderungen im Dach- werk vorhanden . Bei der Erneue- rung der Obergeschossfassade wurde die ältere Verteilung der Fenster aus 45 Ritterstraße 6 (vor 1905). dem Erdgeschoss nicht übernom- men, sondern eine regelmäßige Rei- hung umgesetzt. Auch baukonstruk- tive Merkmale - wie etwa eine zum östlichen Giebel von Kaiserstraße 47 identische Fachwerkkonstruk- tion im westlichen Giebel von Kai- serstraße 45 - be legen eine ur- sprünglich mit dem N achbarhaus vergleichbare Bauweise und Er- scheinung nach den Modellhaus- vorschriften . 83 Ritterstraße 6 - errichtet zwischen 1715 und 1752, abgebrochen 1905 Die Obergeschossfassade wurde nach den Vorschriften senkrecht erneuert, springt aber geringfü gig gegenüber der Erdgeschossfassade zurück und weist anders als diese in der Putzgestaltung auch die Schmuckformen der zweiten Hälfte 47 46 Kaiserstraße 47, Blick vom Garten in den Hof, links der Flügelbau von 1881 (1 978). des 18. Jahrhunderts auf (A bb. 45).84 Die Fenstergruppierung im O bergeschoss des vierachsigen Mo- dellhauses deutet auf eine zur Kai- serstraße 47 gelegene entsprechende mittlere Stube hin , di e von zwei Kammern flankiert wird . Im Erdge- schoss ist die Kammer links erhal- ten, während die Stube durch e inen Ladeneinbau ausgefüllt wird. In die ehemalige Durchfahrt rechts wur- den zu einem späteren Zeitpunkt ein Gang mit einer einflügeligen H aus- tür und eine schmale Kammer ein- gebaut . Entwicklungsstufe III: Ein Ladengeschäft im Vorderhaus und ein neuer Anbau im Hof 1881. N ach fas t 160 Jahren einer regelmä- ßigen Bauunterhaltung und Anpas- sung an die jeweiligen Bedürfnisse der Nutzer und Bewohner durch eine Überarbeitung der Ausstattung (Türen , Fenster, Vertäfelungen, Put- ze und A nstriche) gab es 188 1 auch bauli che Eingriffe in das Modellhaus von 1723. Nach dem Tode se ines Vaters Ernst Schönherr im Jahre 1879 begann Wilhelm Schönherr (1 846-1917) mit der Planung für eine Reihe von Veränderungen, die 1880 und 1881 verwirklicht wurden (vgl. S. 24-25) . Gleichzeitig wurde im Hof der Flüge lbau auf der West- se ite, der schon im 18. Jahrhundert bestand , durch einen größeren N eu- bau ersetzt (vgl. Farbabb. 1) . Im Bauantrag von 1881 waren für den Anbau im Hof drei Stockwerke vor- gesehen , verwirkli cht wurden nur zwei (Abb. 46) .85 Bei der Errichtung des Seitenflügels nahm man eine Planänderung vor: Statt eines drit- ten Stockwerks verlängerte man die 48 47 KaiserstTaße 47, Neubau eines Magazins um /875, Baueingabeplan. beiden ersten Stockwerke nach Süden. Formal und baukonstruktiv ist der zweite Bauabschnitt mit dem ersten identisch , außerdem wurde der letzte Fassadenständer des ersten Abschnitts nicht mit den (westli- chen) Zapflöchern für eine Quer- wand als Gebäudeabschluss verse- hen , sondern wohl noch während des Abbindens die Planänderung vollzogen (vgl. Abb. 53 ). Auf dem Grundstück wurden in diesem Zeitraum auch verschiedene mit der Seilerei zusammenhängende Nebengebäude wie ein Magazin an der Westseite (Abb. 47) und ein Werkstattgebäude in der südöstli- chen Ecke errichtet (Abb. 48 und 49) .86 Funktion und Form Im Erdgeschoss des Vorderhauses wurden im Zuge dieser Maßnahme einige Funktionen verlagert. An- stelle der Kammer (R 101) zur Stra- 48 KaiserstTaße 47, Seilerbahn , BauantTag von 1880. ßenfassade enstand ein Verkaufs- raum mit Schaufenster und Eingang an Stelle eines Fensters (Farbabb. 9, vg l. Farbabb. 5 und 7) . Im Inneren wurde die Küche in den ehemaligen Flur (R 104) und deshalb die Trep- pe aus dem Flur in den Hof verlegt, so dass man jetzt das Obergeschoss unabhängig vom Erdgeschoss be- nutzen konnte (Farbabb. 8, vgl. Farbabb. 4) .87 Aus der alten Küche und einer danebenliegenden Kam- mer wurde durch das Entfernen ei- ner Fachwerkwand ein größeres quadratisches Zimmer (R 103) ge- schaffen. Dies ist der einzige Eingriff in die Raumstruktur der beiden Vollgeschosse des Modellhauses zwi- schen 1723 und 1986, der neben einzelnen zusätzlich eingebauten oder zugesetzten Türen vorgenom- men wurde. Zu den funktionalen Verände- rungen auf dem Grundstück gehö- ren auch die zusä tzlichen Wohn- funktionen, die im Flügelbau unter- 49 Kaiserstraße 47, Seilerbahn in der süd- östlichen Hofecke (vor /993) . gebracht sind, und vor allem die Verlagerung der Erschließung: Mit der neuen , im Hof befindlichen Treppe wurde nicht nur das O ber- geschoss des A ltbaus separat er- schlossen , sondern über den Lau- bengang auch das Obergeschoss des Flügels an der Westse ite des Grund- stücks. In den Formen entsprechen die er- gänzten Bauteile - beispielsweise die zusätzlichen Türblätter und Beklei- dungen, die brüstungshohen Ver- täfelungen (R 103), die Fliesen in der neu geschaffenen Küche oder die Rückwand des Schaufensters - dem in dieser Zeit Üblichen. Material und Bautechnik Die verwendeten Materialien we i- chen nur wenig gegenüber den vorher üblichen ab. In der Bautech- nik gibt es einige für die Zeit typi- sche Abweichungen gegenüber dem Ursprungsbau von 1723 und den Reparaturen des 18. oderfrühen 19. Jahrhunderts. Bei den Fachwerk- wänden des Anbaus wurden die Ge- fache nicht mit Flechtwerk und 50 Lehmbewurf geschlossen, sondern mit Backste inen in Kalkmörtel aus- gemauert. Bei der Kellerdecke unter dem Raum 113 wurden nicht höl- zerne Deckenbalken und stroh- lehmumwickelte Wellerhölzer in den Füllungen dazwischen verwen- det wie be im alten Keller unter Raum 102, sondern eiserne Träger, zwischen denen flach geneigte Back- steingewölbe eingefügt wurden. Baufuge zwischen Alt und Neu Baugeschichtlich von großem Inte- resse ist der Übergang vom Vorder- haus zum neuen Flüge lbau von 188l. In dem Bereich, in dem der Neubau an den Altbau ansetzt, stößt ein lotrecht stehender N eubau auf ein "etwas schiefes" Modellhaus mit Setzungen. Der dadurch ent- standene Zwickel ist mit den glei- chen Backsteinen und dem gleichen 51 Mörtel ausgefacht wie die neuen Fachwerkwände des Flüge lbaus - eine Tatsache, die auch im Hinblick auf die anstehenden Instandset- zungsarbeiten von Bedeutung ist. Aus dieser Beobachtung der se it 188 1 unverändert bestehenden Fu- ge kann man schließen, dass die Set- zung des Vorderhauses bereits spä- testens zu diesem Zeitpunkt abge- schlossen war und hier kein akuter Handlungsbedarf bestand (Abb. 50) . Die Setzung wurde in den frühen 1990er-Jahren anders gewertet - wohl auch, weil man den Befund nicht genau aufgenommen hatte. Sinnvollerweise hätte sich an eine solche Beobachtung eine (verhält- nismäßig günstige) Untersuchung des Baugrundes und der Gründung angeschlossen, um die Schlussfo lge- rung aus der 110 Jahre alten unge- schädigten Baufuge zu überprüfen. Wäre die Setzung wider Erwarten 49 50 Als 188 1 ein neuer Seitenbau an das Modellhaus angebaut wurde, errichtete man den Neubau lotrecht , während der Altbau sich gese tzt hatte. Im Zwickel zwi- schen A ltbau und Neubau war die Ausfa- chung von 188 1 auch 1998 noch unver- sehrt , woraus man schließen könnte, dass die Se tzung schon um 1880 abgeschlossen war (1 998). 51 Blick in das 1995 teilweise entkernte Obergeschoss von Kaiserstraße 47, Blick vom Raum 202 nach Raum 203 und Raum 204 (1 998). nicht abgeschlossen gewesen, hätte man eine gee ignete Reparaturmaß- nahme einleiten können. Anstelle von Untersuchungen und Bewer- tungen folgte man der Fehleinschät- zung, die Setzung des Vorderhauses se i noch nicht abgeschlossen. Man reagierte mit baulichen Eingriffen , mit einer "Entlastung" des Altbaus, einer weitgehenden Entkernung, der zahllose wertvolle Bau- und Ausstattungsteile des Modellhauses zum Opfer fielen (Abb. 51). Bauge- schichtliche Beobachtungen und gez ielt auf den Baubestand abge- stimmte technische Untersuchun- gen vor dem Beginn von Baumaß- nahmen hätten die Zerstörungen wertvoller Befunde und die sich daraus ergebenden erheblichen Fol- ge kosten verhindern können. Wiederverwendung vorhandener Bauteile : Recycling Auch bei Kaiserstraße 47 ist der Wiedere inbau älterer Bauteile zu beobachten. An dieser Stelle soll nur beispielhaft auf ein wiederver- wendetes Fenster hingewiesen wer- 50 52 den, das die Gleichzeitigkeit des Ladeneinbaus im Vorderhaus und die Errichtung des Flüge lbaus be- kräftigt: Das beim Einbau des La- dens entfernte Fenster aus der ehe- maligen Kammer wurde im Ober- geschoss des An baus wieder einge- baut (F 19, Abb. 52 ). Das Fenster von etwa 1800 wurde nicht zerstört, sondern in dem bautechnisch und gestalterisch mit dem ersten Bauab- schnitt von 1881 identischen , auf einer Planänderung basierenden Anbau (Abb. 53 ) an den Flügelbau wieder eingebaut. Anhand seiner Maße und Proportionen ließ es sich mit den anderen Fenstern der Stra- ßenfassade (F 1 und F 2) verglei- chen und zuordnen.BB Ein neues Werkstattgebäude für die Seilerei Durch die Bauanträge belegt ist für diesen Zeitraum um 1880/1881 auch 53 )( VIII! \Im die Errichtung der Seilerbahn in der südöstlichen Hofecke. Reste dieses bis in die 90er-Jahre des 20. Jahr- hunderts weitgehend und mit ur- sprünglicher A usstattung erhalte- nen Gebäudes wurden bei einer Neuverzimmerung um 1995 wieder- verwendet (vgl. Abb. 48, 49 und 71). Fortschreitender Wandel in kleinen Schritten: Die Ausstattung des Hauses Wegen der großen Verluste bei der historischen Ausstattung und den Oberflächen zwischen 1990 und 1995 kann die bauliche und gestal- terische Entwicklung der inneren Ausstattung von Kaiserstraße 47 nur schlaglichtartig beleuchtet wer- den. Wie schon im Überblick über die Bauentwicklung (vgl. S. 21-25 ) erwähnt, wurden in vielen Berei- chen des Vorderhauses Bauteile VIII '" Vl' VI VI 111 1/ I I I I ' 1111 (w) Ansicht Ost/assade Anbau mitAbbund- zeichen. Skizze 52 Ein Fenster aus der Zeit um 1800, das zunächst in der Straßenfassade eingebaut war und 188 1 in den Flügelbau versetzt wurde, als zur Straße ein Laden eingebaut wurde , Innenseite des Fensters F 19 (J 998) . 53 Seitenbau von 188 1, Skizze der Ost- fassade, entstanden während des Seminars mit den Studentinnen und Studenten des Aufbaus tudienganges A ltbausanierung im Wintersemester 1998/1 999 . (Türen , Bekleidungen , Sockelleis- ten) und Oberflächen (Tapeten, Anstriche, Putze ) entfernt, so dass die zum Teil erhaltenen Bauteile nur schwer ihrem ursprünglichen Ein- bauort und ihrer zugehörigen "Zeit- Schicht" zugeordnet werden kön- nen. Trotzdem soll die Ausstattung des Hauses in wesentlichen erhalte- nen Teilen kurz dargestellt werden. Fenster und Türen sind wichtige Bauteile. Sie schaffen Verbindungen zwischen innen und außen und zwi- schen den Räumen mi t verschie- denen Funktionen. Während die W ände fes t und unverrückbar sind, bilden sie einen beweglichen , einen veränderbaren Raumabschluss. Sie ermöglichen Aus- und Einblicke. Darüber hinaus unterliegen ihre Konstruktion wie ihre Gestaltung einem Wandel, der viele Gründe haben kann. Als wichtigen Teilen der wandfesten Ausstattung eines Hauses gelten die ersten beiden Ab- schnitte den Türen und den Fens- tern von Kaiserstraße 47. Ein Über- blick über den Wandel der bevor- zugten WandoberfLächen zwischen dem frühen 18. und dem späten 20. Jahrhundert schließt sich an , wobei eine brüstungshohe Wandvertäfe- lung des späten 18. Jahrhunderts und eine fast vollständig erhalte- ne Raumgestaltung des frühen 19. Jahrhunderts besondere Erwähnung finden. T üren Zur Zeit der Errichtung des ModeLl- hauses in Karlsruhe am Anfang des 18. Jahrhunderts gab es eine ganze Reihe von Möglichkeiten für den Einbau und die Gestaltung von Tür- blättern und Türrahmungen . Im ze itgenössischen Wohnhausbau gab es beispielsweise die Differenzierung zwischen bevorzugten und unterge- ordneten Räumen.89 Bei den "bes- seren" Räumen wurden die Türblät- ter mit einem Futter im Fachwerk angeschlagen und die Durchgänge mit einer zusätzlichen hölzernen Bekleidung gerahmt. Bei den "ein- facheren" Räumen hingegen wurde - wie in früherer Zeit üblich und im ländlichen Hausbau noch lange ge- bräuchlich - das Türblatt direkt im Fachwerk angeschlagen , das einen Falz erhielt. Vor diesem Hintergrund muss man die Erstausstattung des Modell- hauses in der Kaiserstraße als "ge- hoben" bezeichnen, denn hier wa- ren alle Türen von A nfang an mit Futter und Bekleidung eingebaut, was unter anderem daran zu beob- achten ist , dass hinter den - heute fas t vollständig verlorenen - Tür- rahmungen keine Spuren eines Kalkanstrichs zu finden sind (vgl. Abb.24) . Zu den Türblättern der Erstaus- stattung lassen sich wegen des zer- störten Gesamtzusammenhangs kei- ne endgültigen Aussagen machen . In der zeichnerischen Bauaufnahme des Jahres 1994 ist ein Türblatt im Längsschnitt erfasst, das zu den äl- testen im Hause gehört und zu die- sem Zeitpunkt noch eindeutig in den Bauzusammenhang einzufügen war: Es besteht aus einer Rahmen- konstruktion mit vier Füllungen. Diese sind paarweise senkrecht an- geordnet und horizontal durch ein breiteres Konstruktionsholz ge- trennt. Die eisernen Blatthespen für die Aufhängung und der Handgriff in der Mitte des Türblatts gehören ursprünglich dazu, während das vor- handene Kastenschloss einer Mo- dernisierung des 19. Jahrhunderts entspricht (Abb. 54) . Die Zuordnung der noch vorhan- denen Türblätter zu den O rten ihres Einbaus vor 1986 ist noch grob nach den Maßen möglich. Eine eindeuti- ge Aussage über die Zugehörigkeit zu einer "Zeit-Schicht" in der Ent- wicklung des Hauses wäre aber nur 51 über einen ungestörten Zusammen- hang der Farbschichten von Tür- blatt und Türbekleidung zu den umgebenden Wandanstrichen und Putzschichten möglich gewesen . Eine ergänzend denkbare stilistische Zuordnung zu den Bauphasen hat aber zwei mögliche Verhaltenswei- sen der Nutzer zu bedenken: Bei ei- ner Nutzungsänderung oder Moder- nisierung ist es einerse its üblich ge- wesen, die vorhandenen Türen am angestammten Ort zu belassen und die neu eingefügten Durchgänge mit Türblättern und Bekleidungen der dann gängigen Bauweise zu verse- hen: Die 1881 im Vorderhaus neu eingebauten Durchgänge hätten danach die gleichen Türblätter er- halten wie das 1881 neu errichtete Hinterhaus (bei dem die Türen im Erdgeschoss noch am ursprüngli- chen O rt vorhanden sind) . Ande- rerse its ist es aber auch denkbar, dass im Rahmen einer N euausstat- tung in bevorzugten Bereichen auch ältere Türblätter ausgetauscht wur- den , die danach aus Gründen der Sparsamkeit an untergeordneten Stellen wieder eingebaut wurden. Hier ist also nicht unbedingt von einer Übereinstimmung des Alters der Türöffnung mit dem des Tür- blatts auszugehen . Fens ter: mit Bleiverglasung Von der A usstattung des "Seiler- häuschens" waren nach den Ein- griffen der Zeit zwischen 1990 und 1995 nur die Fenster noch vollstän- dig erhalten. Sie sind zum einen ein Spiegel der Bau- und Nutzungsge- schichte , zum anderen ein Spiegel für den Umgang einer Handwerker- 52 Bf--] 1 I ..j 0 " " 11 ~ 11 I ~ i I· ~ ~ ~ .. ~ 1---1 " " 1 ~~ r""""'i I" . . ~ r= ,~ . _ .. .•. ~ === In , ~, ~ - ~. - '" ~ Ihrl' ~ UI 11 i ~ f I I ~ . --- I ! 1111 11 JL 11 1111 l 11 ~- • -. . r===:=;' 11 fU 1-. . -,,- :[]l] ~ 1- == fl-- .. ... --- 'I 11 I ., " il U ,: 11 11 0 M~_~ ~ ~ . ~ :2 I p.. :" ~ I -' .! .. - ~ lL....,.. ~ < 54 Längsschnitt A-A (nach Süden), formgetreues Aufmaß 1994 durch das Archi- tekturbüro Barbara Kollia-Crowell und Robere Crowell , Karlsruhe . «. .l. .. .sU/CIC'IlIU WI ~ r t 0 00 .SL.. 11 11 11 ' .. " " ..... -- ---.. """--- ... E -~. . I I , • . 1 . 1 .. _-- " ~T i I _111 'Y' 1",-"- ..' .. -~ .q KU ~ 1 f-~'~ r---!--= . ~- HAHIIoIERKERHAUS (SEILEREI) KAiSERSTR.47 76131 KARlSRLHE .. -- " --- lÄNGSSCHNITT A-A H 1:50 C::J-- 1 -1 0 1'''1i "I ~ _._. -,..--- Bt' 1 familie mit den vorhandenen Bau- teilen im Laufe von fast 260 Jahren, Während der Untersuchung des Modellhauses im Wintersemester 1998/1999 wurden die Fenster bei- spielhaft für alle anderen regelmäßig wiederkehrenden Bauteile in Form eines "Fensterbuchs" systematisch erfasst.9o Eine Datierung war nur aufgrund von Form und Konstrukti- on der e inzelnen Fenster über Ver- gleichsbeispiele möglich, da die An- schlüsse zu den umgebenden Putz- und Farbschichten zerstört waren und deshalb eine Einbindung der I '~ ...: 51'U!IU jeweiligen Fensteranlagen in die "Zeit-Schichten" des Bauwerks nicht mehr möglich war. Bemerkenswert war die Anzahl verschiedener Fensterkonstruktio- nen, die im Laufe der Zeiten bei die- sem Gebäude eingebaut wurden, wenn ein ganzer Bauteil ausge- tauscht wurde oder ein Fenster schadhaft war. Neben einzelnen Fenstern aus dem 18. Jahrhundert, möglicherweise aus der Bauzeit um 1723, aber auch aus der zweiten Phase von 1750- 1770, aus der Zeit um 1790 gibt es eine ganze Reihe Aufgetragen wahrend der Messung Genau1gke1tsstufe JII B. KOLLIA-CRO./ELL R. CRa/ELL FREIE ARCHITEKTEN DIPL. - ING . KAAlSRWE MItarbeIt : verkleinert J .Stolch St • ..ti~n4maßsta~e~IIFh!;/6 von Fenstern, die aufgrund ihrer Konstruktion am ehesten auf um 1810-1820 datiert werden müssen. Die Fensteranlagen aus der Zeit zwischen 1723 und 1946 und ihre Reparaturen lassen an diesem Teil der historischen Ausstattung eine "Karlsruher Handwerksgeschichte des Fensterbaus" an einem Bauwerk nachvollziehbar werden.91 Zum Thema Fenster seien bei- spielhaft einige Beobachtungen et- was genauer ausgeführt: Eines der Obergeschossfenster in der Straßen- fassade (F 14 im R 207, Abb. 55)92 ~ R ~ .1 ~ .. '------' III v - - - " 111 . ~ I I ,,,. gehört einer ganz frühen Bauphase an: Den Proportionen der vier Flü- gel nach könnte es ursprünglich sein oder aber der Phase der "Aufsto- ckung" nach 1752 angehören. Beo- bachtungen während der Instand- setzung ergaben, dass Rahmen und Kämpfer aus Eiche sind, die Flügel aus Nadelholz, also einmal ausge- tauscht wurden.93 Bei diesem Fenster handelt es sich den Proportionen nach um ein ehemals bleiverglastes Fenster der Phase I (1723) . Die hölzernen Fens- ter waren mit vier Drehflügeln aus- 1>? ??Ü22?ä?222! K f--' ---., " gestattet und hatten eine Vergla- sung mit Bleisprossen (zeichnerisch rekonstruiert, vgl. Farbabb. 4) . Bei der Modernisierung um 1790 bis 1810 wurden die Fenster im Erdge- schoss offenbar ganz erneuert, die älteren Fenster des Obergeschosses (wie jenes in R 207 ) im Rahmen ei- ner Modernisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter Wiederverwendung der geschweif- ten Winkelzierbänder mit neuen Flügeln mit Holzsprossen und grö- ßeren Scheiben versehen. Kämpfer und Pfosten wurden unverändert 55 Zeichnerische Dokumentation eines der älteren erhaltenen Fenster im Haus Kaiserstraße 47: Raum 207, Fenster F 14 , Aufmaß und Zeichnung, Igor Schiltsky (1998) . 53 beibehalten, wodurch die eigenwil- lig unterschiedlichen Proportionen zwischen den Scheiben in den obe- ren und den unteren Flügeln ent- standen (vgl. Titelabb.). Die Abwei- chungen von den jüngeren Ideal- proportionen klassizistischer Fenster des späten 18. oder frühen 19. Jahr- hunderts lassen sich durch die Wei- terverwendung der ursprünglichen Fenster erklären . Fenster: mit Holzsprossen Ein neu gebautes Fenster dieser Mo- dernisierung zwischen 1790 und 1810 wurde in der südlichsten Fens- teröffnung des Oberschosses (R 210, F 19, vgl. Abb. 52) im Flügelbau wiederverwendet. Da dieses Fenster umlaufende barocke Profile auf- weist, aber die gleichen Proport io- nen zwischen oberen und unteren Flügeln wie das Fenster F 14 in Raum 207, kann es sich nur um das ehemalige Erdgeschossfenster im Raum 101 handeln , das 1881 durch den Ladeneinbau an dieser Stelle überflüssig und in die zeitgleich vor- genommene Verlängerung des Flü- ge lbaus eingebaut wurde. Ein Ver- gleich mit den Maßen der Fenster F 2 und F 3 konnte diese Beobach- tung bestätigen. Auch das bislang lediglich aus den ablesbaren Raum- nutzungen erschlossene Fenster an dieser Stelle der Straßenfassade - für einen beheizbaren Raum war eine 54 ""'~-" ':~'~~~: ... •.. ;J.~.r " ~-. , 56 Ein aus dem älteren Flügelbau wiederverwendetes Fenster (F 16) im Obergeschoss des Seitenbaus (1999). Außentür kaum vorstellbar - im Raum 101 an Ste lle des Ladenein- baus von 1881 (F 1) konnte nach Freilegung des Fachwerks anhand der Zapflöcher im Rähm und den flankierenden Ständern belegt wer- den (vgl. Abb. 20) . Im Flügelbau befand sich eine Reihe von Fenstern, die älter waren als der Flügelbau selbst (F 5, F 16, F 17 und F 18). Ihren Proportionen nach entsprechen sie dem klassizis- tischen Ideal (Abb. 56), ihrer Kon- struktion und ihren Profilen nach sind sie Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden. Auf der Innenseite weisen sie oben und an den Seiten rechtwink- lig zur Scheibe stehende Lichtfasen auf, die umlaufende Profilierung besteht hier aus einem runfMillime- ter breiten Falz. Nur die untere Lichtfase ist zur Ableitung des Kon- denswassers abgeschrägt. Die nach innen öffnenden Flügel haben darüber hinaus an ihrem äußeren Rand umlaufend eine viertelkreis- förmige Kehle. Bemerkenswert ist auch , dass die eisernen Beschläge - Winkelzierbänder, Stützkloben und Vorreiber - denen des ursprüngli- chen Fensters entsprechen, also mit höchster Wahrscheinlichkeit von älteren Fenstern (der Zeit um 1723 ) für die neuen (der Zeit um 1810/20) wiederverwendet wurden. Diese vier Fenster wurden im Laufe ihrer Nut- zungsdauer mehrfach repariert: Während F 16 vollständig im kons- truktiven Zustand von um 1820 er- halten ist (vgl. Abb. 11), wurde bei F 5 am Ende des 19. Jahrhunderts ein Getriebegestänge an Stelle der Vorreiber als Verschluss der unteren Flügel eingefü gt. Bei F 17 wurden die unteren Flügel einschließlich der Mechanik um 1920 ausge- tauscht, bei F 18 die unteren und die oberen Flügel unter Wiederverwen- dung der e isernen Beschläge der Zeit um 1723 und unter Beibehal- tung des Rahmens von 1810/20 er- neuert. Ähnliche kleinere und grö- ßere Reparaturen lassen sich für die vergangenen 260 Jahre an allen Fenstern wie an anderen Bauteilen beobachten . Auch die jetzt begon- nene behutsame Instandsetzung wird mit neuen Reparaturen dem Bauwerk eine weitere Zeitschicht hinzufügen. Innenraumgestaltung : hölzerne Ausstattung und Oberflächen Der Oberflächengestaltung in den Innenräumen, an Wänden und De- cken, kommt ein entscheidender Einfluss auf die Raumgestaltung zu. Im Haus Kaiserstraße 47 sind die üblichen Entwicklungsstufen an den erhaltenen Spuren nachvollziehbar. Die aus Fachwerk mit Lehmausfa- chung errichteten Wände und die Decken waren - wie zur Bauze it üb- lich - nicht fläch ig überputzt, son- dern einfarbig mit Kalktünche über Holz und Ausfachung hinweg gestri- chen (Abb. 57) . Da die Ausfachun- gen mit den Holzoberflächen in den Wänden und Decken eine ebene Fläche bildeten, zeichnete sich die Konstruktion nach dem Anstrich nur wenig ab (Farbabb. 15). Wegen der starken Zerstörungen an den Oberflächen konnten zwar die ur- sprünglichen Farbtöne beobachtet werden, bei der Frage nach gemal- ten Trennlinien zwischen Decken- und Wandfarbe oder nach gemalten Sockelleisten , die aus anderen Bau- ten dieser Zeit bekannt sind, stieß die restauratorische Untersuchung an die Grenzen , die durch die zerstö- renden Eingriffe der Zeit zwischen 1986 und 1996 entstanden sind. Erkennbar war, dass die Küchen im Erd- und im O bergeschoss (R 103 und 203) ursprünglich hellrot, die Stube im Erdgeschoss (R 102) hell- grün und die Stube (R 206) und die Kammern im O bergeschoss (R 205 und 207) ursprünglich weiß gest- richen waren (zu r Funktion vgl. S. 25-28). In der Folge wurden die Räume nutzungsbedingt in unterschied li - chen Abständen neu getüncht, was an verschieden starken T ünchepa- ckungen zu erkennen ist. Einige Räume erhielten in jüngerer Zeit ei- nen flächigen Putz über Fachwerk 57 und Deckenbalken hinweg, so die Stube im Erdgeschoss (R 102) um 1810/20 und die Räume 103 und 104 während des Umbaus von 188 l. Die neue Küche im Raum 104 be- kam an der Ost- und an der Süd- wand etwa bis zur halben Wand- höhe einen Fliesenbelag. Die Wän- de der ehemaligen Kammer, die in dieser Zeit in einen Laden (R 101) umgestaltet wurde, bekamen eine senkrechte Verbretterung mit Deck- leisten über den Fugen.94 An spärlichen Resten ist er- kennbar, dass die übrigen Räume se it der Mitte des 19. Jahrhunderts mit den nun üblich werdenden Tapeten mit Rapportmustern be- klebt wurden (Abb. 58). Auf ei- nigen Ständern und Riegeln der Fachwerkwände im Obergeschoss sind zahllose Schichten mit unter- schiedlichen Mustern sichtbar. 58 Vom Arbeitsraum zum Wohnraum: Ein Lambris um 1780 In die östliche, straßense itige Kam- mer im O bergeschoss, den Raum 207, wurde im Laufe des späteren 18. Jahrhunderts eine brüstungsho- he Wandvertäfelung aus N adelholz mit Rahmen und waagerechten Fül- lungen eingebaut (Abb. 59) . Dass dieser Lambris nicht zur Erstausstat- tung gehört, ist daran zu erkennen, dass die Wandgefache dahinter ver- putzt und die Fläche mehrfach ge- strichen waren (vgl. Abb. 57). Hät- te die hölzerne Wandverkleidung zum Ausbau von 1723 gehört, wäre sie vor den Feinputz- und Anstrich- arbeiten eingebaut gewesen , da Put- ze und Kalkanstriche durch den Ein- bau hölzerner Bauteile wiederum gefährdet gewesen wären. Der Ein- bau eines Lambris als einer wohnli- 55 57 Im Raum 207 haben sich hinter einer brüstungshohen Wandvertäfelung (Lambris) Befunde zur ursprünglichen Ausstattung der Räume erhalten: Die Ge- fache waren bündig mit dem Holz mit Kalk- putz versehen und die Wände einheitlich mit einem Kalkanstrich übertüncht (1998). 58 In der Stube im Erdgeschoss (Raum 102) wurde um 1820/1 830 die Ausstat- tung modernisiert: links sieht man die Fußleisten von 1820/1 830, rechts eine von 1881, als man eine Tür zusetzte und die Fußleisten nicht lang genug waren . Die Tapete entstammt einer jüngeren Nutzungs- und Ausstattungsphase um 1975 (1 998). chen Ausstattung kann als Hinweis auf einen Wandel der Funktion ge- wertet werden. Die Kalkanstriche, die vor dem Einbau aufgebracht wurden , waren jeweils weiß gewe- sen , was eher a ls Hinweis auf eine 56 ~c~_ _ I .. <)70 -1 0 59 Nutzung als Arbeitsraum gewertet werden muss. Mit dem Einbau der Vertäfelung, oberhalb derer man far- bige Anstriche oder eine Tapete an- nehmen kann, ist der Beginn einer Wohnnutzung aus den baulichen Spuren abzuleiten. Die stilistisch begründete ze itliche Einordnung - "Ende 18. Jahrhundert" - findet im Allgemeinen Intelligenz- und Wo- chenblatt, Karlsruhe, vom 15. Juni 1797 eine mögliche Bestätigung, in dem das Obergeschoss zur Vermie- tung angeboten wird: "Carlsruhe. Beym Seilermeister Schönherr in / der Friedrichstraß ist der obere Stock zu verlehnen, / besteht aus ei- 5f'1f. ffA. ner Stub, Stubenkammer, Kuch und / Kuchekammer und kann auf den 23. J uly oder so- / gleich bezogen werden. Das Nähere ist bey ihm selbst / zu erfragen."95 Biedermeierzimmer um 1820 Die große Stube im Erdgeschoss (R 102) wurde zu Beginn des 19. Jahr- hunderts - möglicherweise im Zu- sammenhang mit der Eheschließung von Ernst Schönherr und Margare- te Stemmermann am 7. September 1830 - vollständig neu ausgestat- tet. 96 Der Fußboden wurde ausge- tauscht, die Wände und Decken , I I I I I I I ~T'lWK"Ot-lI;lC~­ u:.t1a..~u."[I"~p . Ro'I01. ~~~~&el~uttP ~~iJ6a.~~_ Cwl.Hea ~,. ~ \iCI~TE HIt'" Uc!.Q. ~ M~&\"""'t-tp 1.(EO'eN~F!~ ~"'" .--.. _-_. __ .- \10F HAHMRJ:ERHAUS (SEILEREI) KAISERSTR.4) 76131 KARlSRlIlE QUERSCHNITT B·B H 1:50 Aufgetragen wahrend der Messung GenaufgKe l tsstufe III B. KOLLiA-CR()IELL R. CR()IELL FREIE ARCHITEKTEN OIPl. -IHG . KARLSRtME Hitarbeit : verkleinert J .sr<l.OI nicht maßstabgerecht Stand: 5/94 Pl. -Nr . 6/6 59 Querschnitt B-B (nach Osten), fonngetreues Aufmaß 1994 durch das Architekturbüro Barbara Kollia-Crowell und Roben Crowell, Karlsruhe. erhielten eine zusätzliche Schicht. Der neue Bodenbelag war regel- mäßig gefeldert mit eichenen Frie- sen und quadratischen verleimten Flächen aus Nadelholz. Die Stube erhielt eine umlaufende hohe Fuß- leiste mit einer erhabenen Mittelflä- che und einer profilierten oberen Abschlussleiste sowie neue Fül- lungstüren mit profilierten Beklei- dungen. Die bis dahin lediglich über- strichenen Fachwerkwände wurden über Rohrgewebe mit Kalkputz überputzt, die Decke wurde von einem profilierten Stuckgesims ge rahmt. Fast unverändert ist dieser Raum bis heute erhalten . Nur als die Küche um 1881 verlegt wurde, versetzte man die Tür dorthin, wo sich vorher der Hinterladerofen an der Herdwand befand (vgl. Farbabb. 4 und 8). Die alte Türöffnung vom ursprünglichen Flur (R 104) zur Stube (R 102) wurde vermauert, was bis heute noch an der O ber- fläche durch einen unterschied- lichen Putzmörtel auf der S tuben- se ite ablesbar ist . Zudem erhielt diese südliche Wand eine neue Fuß- leiste ohne mittleres erhabenes Feld (vgl. Abb. 58). Neue Erkenntnisse zur Karlsruher Stadtbaugeschichte Zunächst war die Untersuchung der Bausubstanz, die mit den Studentin- nen und Studenten des Aufbaustu - dienganges Altbauinstandsetzung unternommen wurde, darauf ausge- richtet , die notwendigen bauge- schichtlichen G rundlagen für eine respektvolle denkmalverträgliche Instandse tzung zu erarbeiten. Im Laufe der Beobachtungen, die auch nach Abschluss des Seminars im O ktober und November 1998 fort- gesetzt wurden, ergaben sich immer mehr Feststellungen, die den beson- deren Q uellenwert des Bauwerks für die Karlruher Stadtgeschichte un- termauerten . Mit der Vorstellung einze lner A spekte, die in den Be- reich der G rundlagenforschung zur Karlsruher Stadtgeschichte und Stadtentwicklung hereinreichen , so llen die aus der baugeschichtli- chen Untersuchung des Modellhau- ses Kaiserstraße 47 gewonnenen Er- kenntnisse der Öffentlichkeit zu- gänglich gemacht we rden und in weitere Forschungen e ingehen , wie sie be ispielsweise fü r die Modellhäu- ser Waldstraße 5, 7 und 9 dringend geboten sind. Grundrisse der Modellhäuser Die ausführliche baugeschichtliche Bestandsanalyse des Modellhauses von 1723 hat eine Reihe von neuen Erkenntnissen erbrach t (vgl. S. 25- 35 ). Diese betreffen zunächst das Bauwerk se lbst, aber zugleich auch ganz allgemein die Modellhäuser der ersten Generation nach der G ründung Karlsruhes. Deren funk- tionales Gefü ge und die formale Durchbildung wurden ebenso deut- lich wie deren materielle und bau- technische Realisierung. Mit der Untersuchung wurde der bislang nicht bekannte ursprüngli- che Grundriss mit der Verteilung der Nutzungen in einem Modell- haus von vier Achsen ermittelt (vgl. Farbabb. 4) . Darauf aufbauend wur- de es auch möglich, di e bisher nur mit e iner schematischen Fassaden- darstellung bekannten eingeschossi- gen Modellhäuser mit Mansarddach (vgl. Abb. 8) mit G rundrissen in Verbindung zu bringen : einerse its mit dem Entwurf Batzendorfs von 1715, der als G rundriss für eine Eck- bebauung zu werten ist, und ande- rerse its mit den G rund rissprinz i- pien, die aus Kaiserstraße 47 abge- leitet und mit einer Reihe von an- deren , nur photographisch überlie- 57 ferten, Modellhäusern zu belegen sind (A bb. 60, vgl. Abb. 10, Tabelle 3, vgl. S. 38-47) . Durch die Baube- obachtung und die ze ichnerische Dokumentation wurden auch bisher unbekannte formale Einzelheiten der Fassadenausbildung und ihre materielle und bautechnische U m- setzu ng ermittelt (vgl. S. 28-32 und Abb. 18 ). Für die äußere Erschei- nung der einfachsten Kategorie der Wohnhausbebauung Karlsruhes lie- ßen sich die gestalterischen Absich- ten der Bauze it ableiten , woraus sich wiederum ein neues und deutliche- res Bild des Karlsruher Stadtb ildes in der G ründungsphase gewinnen ließ (vgl. Farbabb. 5). Diese Ver- öffentli chung, die die Spuren am Bauwerk und deren A ussage im Überbli ck vorstellt, stellt somit eine Q uellenedition zur Karlsruher Stadt- (bau)geschichte dar. Modellhäuser der 1 . und der 2. Generation: Kontinuität und Weiterentwicklung Die Bedeutung des O bjekts für Karlsruhe geht aber noch weiter. A ls Ergebnis der G rundrissanalyse kann die ursprüngliche Raum- und Nut- zungsstruktur eines Modellhauses des frühen 18. Jahrhunderts mit der- jenigen des Modellhauses der zwei- ten Hälfte des 18. Jahrhunderts - nach de r neuen Bauverordnung von 1752 - verglichen werden (Abb. 61) . Der überlieferte G rund riss97 der Zeit um 1780 entspricht in wesent- lichen Teilen der Raumstruktur und der Funktionsverteilung dem ur- sprüngli chen G rundriss von Kaiser- straße 47 (vgl. Farbabb. 4 und 5 ). Gegenü ber dem Haus von 1722/ 58 >< Koch· und _olle 181 HiI1teMderofon E3I T_ ••• Durchfahrt 2·1 3-1 2·5 3·2 1-2 60 Nr. Adresse Gebäudeachsen Durchfahrt Gang Abb. 1-1 Eckgebäude, Entwurf, Farbe J. F. von Batzendorf 1715 vier x Nr.2 1-2 Kronenstraße 20 fünf x x 32 1-3 Herrenstraße 11 vier x 30 2-1 Kaiserstraße 47, erhalten vier x 79 2-2 Ka iserstraße 41 vier x 9 2-3 Kaiserstraße 29 vier x 38 2-4 Kaiserstraße 17 vier x 37 2-5 Ritterstraße 6 vier x 45 3-1 Kaiserstraße 45, erhalten fünf x 44 3-2 Kronenstraße 9 fünf x 41 4-1 Waldstraße 9, erhalten drei x 34 5-1 Waldstraße 7, erhalten drei x 43 5-2 Waldstraße 5, erhalten drei x 43 5-3 Herrenstraße 7 drei x 29 5-4 Kaiserstraße 35 drei x 39 5-5 Kaiserstraße 43 drei x 9 5-6 Kronenstraße 14 drei x 33 1723 ze igt der jüngere Modellent- Gemach" befindet sich in beiden wurf geringfügige A bweichungen : Geschossen jeweils direkt unter der Die Außenwände sind massiv ge- Treppe. Im jüngeren Entwurf wird mauert, die Rückwand we ist einen auf die hofseitige G alerie im Ober- Versprung auf und das "geheime geschoss verzichtet, und in der stra- ßense itigen Raumverte ilung im O bergeschoss gibt es eine A bwei- chung vom über dreißig Jahre zuvor gebauten Haus: In der Zeichnung finden wir zur Straße zwei geheizte Räume annäh ernd gleicher G röße, die aber von der Bleistiftvorze ich- nung abweichen und als Planände- rung zu werten sind. In der Vor- ze ichnung scheinen auch die vorde- ren Räume im Obergeschoss denen in der Kaiserstraße 47 entsprochen zu haben, wo analog zum Erdge- schoss eine quadratische Stube in der Mitte der Fassade angeordnet ist, die von zwei ungeheizten Kam- mern flankiert wird. Die Analogien zwischen den Grundrissen sind dafür um so augen- fälliger: Im Erdgeschoss n immt die Durchfahrt eine Achse der Fassade ein , an die sich straßenseitig eine zweiachsige Stube (beheizbar ) und eine (nicht beheizbare) Kammer anschließen . Die Kammer ist nu r über die Stube zugänglich. Hofseitig der Längswand des Hauses ge langt man von der Durchfahrt zunächst direkt in den Flur mit Treppe. Von hier aus sind Stube und Küche er- schlossen . Hinter der Küche liegt wiederum eine nur über diese zu- gängliche Kammer. Die in der Zeichnung durch ihre Stärke er- kennbare massive Herdwand mit Rauchfang zwischen Küche und Stube entspricht in der Anordnung we itgehend dem über dreißig Jahre zuvor errichteten Gebäude. Im O bergeschoss beziehen sich die A nalogien auf die Räume hofseitig der Längswand: Ü ber der Durch- fahrt gibt es eine (ungeheizte) Kam- mer, während sich auf der anderen Seite des Obergeschossflures, ent- ä '" t --~'--"~-'=" ... " j I~' G. ,. I I ~~ ..... ..tC.. ,. ~ 61 60 Grundrissskizze , bei der der Batzen- dorf-Entwurf (Farbabb. 2) an der Ecke kombiniert wird mit verschiedenen Modell- hausgrundrissen von zwei, drei, vier und fünf Achsen, soweit sie aus den Quellen rekonstruierbar sind (Tabelle 3) . Tabelle 3 Überblick über die erhaltenen und einzelne aus Schrift- und Biklquellen bekannte Karlsruher Modellhäuser aus der Zeit zwischen 1715 und 1752. 61 Grund- und Aufriss eines Modellhauses nach dem Modell von 1752, um 1780 (vgl. Farbabb. 4 und 5). 62 Rathaus Grötzingen , errichtet 1668 , mit Fenstererkem, deren vorkragende Partien in einem Stück aus den selben Stämmen gearbeitet wurden wie die Wandkonstruk- tionen des Fachwerkhauses (um 1910) . 63 Rathaus Schriesheim , errichtet 1685, Rekonstruktionszeichnung. Architekturbüro Barbara Kollia-Crowell und Roben Crowell , Karlsruhe (1998). 62 sprechend der Küche und der Kam- mer im Erdgeschoss, eine Küche und eine Kammer befinden. Mit den deutlichen Übereinstim- mungen der Grundrisse zwischen dem 1723 errichteten Handwerker- haus in der Ka ise rstraße 47 und dem Modellhaus des späten 18. Jahrhun- derts wird auch nachgewiesen, dass das funktionale Gefüge dieses Grundrisses eine bestehende Trad i- tion aufgriff und lediglich in der (vorgeschriebenen) mass iven Aus- führung der Außenwände und in der durchgehend zweigeschoss igen Fas- sade vom Modellhausgrundriss der ersten Phase und von den in Kaiser- straße 47 überlieferten örtlichen Gepflogenheiten abwich. Fassai1engeswltung und bautechnische Umsetzung Mit der Feststellung, dass das Karls- ruher Handwerkerhaus von 1723 in Fachwerkbauweise errichtet wurde, aber gestalterische Elemente aus dem Steinbau - besonders die ge- 59 63 ohnen Gewände - die Fassade präg- ten, ist die Frage verbunden, ob die konstruktiven Merkmale wie das Herausarbeiten formaler Elemente (Fenstergewände) aus dem selben Holz wie die konstruktiven (Fach- werkständer und -riegel) als regional ze ittypisch zu werten sind oder ob es sich um Karlsruher Besonderheiten handelt. Nach einer groben Sichtung des Baubestandes in der Region kann man feststellen, dass die Karlsruher Bauweise als ze ittypisch angesehen werden kann: Schon bei Fachwerk- bauten aus der Zeit vor den Zerstö- rungen von 1689 sind beispielsweise die senkrechten und waagerechten Elemente von Fenstererkern aus dem gleichen Stamm gearbeitet wie die tragenden Teile in der Fach- werkwand dahinter (Rathaus Gröt- zingen 1668, Abb. 62; Rathaus Schriesheim 1685, Abb. 63; Wohn- haus Malvenstraße 13 in Daxlan- den; Wohnhäuser in Colmar; u.v. m.). Geohrte Fenstergewände, die formal dem Steinbau naheste- 60 ttllll.~ 64 hen , sind in der Zeit um 1700 in vielen Fällen in Fachwerkbauweise baulich realisiert worden: Dabei werden die vorstehenden Teile der waagerechten Gewände"steine" über die senkrechten Ständer ge- schoben . Besonders interessant, aber auch wenig verwunderlich ist in diesem Zusammenhang, dass die- se geohrten Fenstergewände auch in Durlach im Steinbau98 wie im Fach- werkbau häufig anzutreffen sind.99 Aber auch in Daxlanden (Pfa rrstra- ße 53, A bb. 64) 100 und Bretten (vgl. Abb. 21) 101 wurde diese Bauweise beobachtet, die wegen eines späte- ren flächigen Verputzes auf den Wandflächen in vielen Fällen nicht mehr erkannt wird und fälschlicher- weise für ein aufgenageltes Brettge- wände gehalten wird, das im späten 18. Jahrhundert häufiger und im 19. Jahrhundert üblich wurde. Die his- torische Fotografie des 1749 errich - teten Rathauses in Rintheim (Abb. 65 ) 102 überli efert nicht nur die aus dem massiven Holz der Ständer und Riegel gearbeiteten "sandsteiner- nen" Rahmen der Obergeschoss- fenster, sondern auch den traditio- nellen Anstrich, mit dem die archi- tektonisch-bildhauerisch hervorge- hobenen Bauteile wie Fensterge- wände und profilierte Gesimse zur Geschosstrennung und am O rtgang farblieh hervorgehoben wurden , während das konstruktive Fachwerk in den Flächen ursprünglich ein- heitlich mit Kalkfarbe übertüncht war, von der nur noch der hellere Schimmer des Holzes eine Ahnung vermittelt. Auch das Rathaus Rint- heim sollte wie ein Steinbau er- scheinen. Die Fassaden der Karlsruher Mo- dellhäuser erschienen der G enera- tion ihrer Erbauer durch die Form- gebung und durch die fa rbige O ber- flächenbehandlung nicht wie "ein- stöckige Hütten" oder als "dürftige Modellhäuschen", wie sie in der Folgeze it nach Alterung und Um- bauten sowie im Vergleich mit prächtigeren, jüngeren Nachbar- häusern den späteren Karlsruher Be- wohnern erschienen, sondern als anspruchsvolle "steinerne" Archi- tektur. IOJ 64 Daxlanden, Pfarrs traße 53, Fassadenaufriss, Bestandszeich- nung, 1919. Rechts daneben: Detail. "Zeitge ist" - Zur Darstellung von A rchitekturoberfl ächen Hinter der Verwendung charakteris- tischer Formelemente des Steinbaus bei einem Fachwerkgebäude steht nachvollziehbar die A bsicht, das Bauwerk repräsentativ wie einen Steinbau erscheinen zu lassen . Für die O berflächenbeschaffenheit am Bürgerhaus Kaiserstraße 47 gibt es an der Außenseite der Fassade nur einen kleinen Hinweis: Eine Fläche von wenigen Q uadratzentimetern weist noch eine stark sandhaltige graue Schlämme auf. S ie ist im Falz unterhalb der Fensterbank von F 2 erhalten und belegt zumindest eine über die gesamte Fassade gezogene Grundierung. 104 Wegen der starken Schädigung e inerseits und der star- ken Eingriffe andererseits war eine weitergehende restauratorische Be- funderhebung an der Fassade n icht mehr möglich . Die Schriftquelle von 1753 belegt aber, dass die Fas- saden dieser Häuserze ile zu diesem Zeitpunkt das erste Mal flächig verputzt wurden (vgl. S. 35-38). 65 Die Wandoberflächen im Inneren des Hauses sind ein weiterer Hin- weis auf gängige Oberflächengestal- tungen. Der fl ächige Anstrich über Holz und Ausfachung hinweg, der im Inneren durchgehend zu be- obachten ist , kann aber auch für die Fassade angenommen werden. Das historische Aquarell des Gasthauses "Zum Bären", ehemals Ecke Lange- und Karl-Friedrich-Straße, ze igt die äußere Erscheinung eines Fach- werkhauses mit hervorgehobenen Fenstergewänden , die "Sandste in" darstellen sollen und einen entspre- chenden Anstrich ze igen (Farbabb. 14). Die Wandflächen sind einheit- lich hell getüncht, die Abbildung 6 1 65 Rintheim Rathaus , erbaut 1749 (vor 1900). ze igt aber deutlich, dass der Kalkan- stri ch auf dem Holz weniger gut haf- tet und in Teilen abgefallen ist . Ähnlich dürften viele der in glei- cher Weise wie Kaiserstraße 47 er- richteten Bauwerke in Fachwerk- konstruktion ausgesehen haben. Als fotografischen Beleg für die farb- liehe Hervorhebung der "Sand- stein" darstellenden Bauteile kann man auch eine Aufnahme des Rat- hauses Rintheim von 1907 werten (vgl. Abb. 65) . Aber auch Schrift- quellen können als Hinweis dafür herangezogen werden, dass die In- terpretation des Baubefundes an der Kaiserstraße 47 , man wolle einen Steinbau darstellen, dem ze itgenös- sischen Architekturverständnis ent- spricht: Bei der Vorbereitung eines neuen Modelltypus im Jahre 1750 schlägt Friedrich von Kesslau vor, um die höheren Kosten für Fenster- und Türgewände aus Stein einzu- sparen und "die Facc iata dennoch res idenzmäßig ausfallen" zu lassen, diese aus Holz zu bauen und so zu behandeln, dass es wie Stein wirken würde: " ... ob die Steine grau, und die Wand ganz blaßgelb, oder die Steine roth, und die Wand gelb an- gestri chen oder ganz we iß ge lassen werden so llte".1 05 Mit diesem Vor- schlag schließt er offenbar an die in Karlsruhe übliche Bauweise an, wo- bei für die Jahrzehnte direkt nach 1715 die Stadt mit einem roten An - strich der Fassadenflächen - gegen - über dem grau gestrichenen "Sand- stein" - vorzustellen ist.106 62 66 Fachwerk- oder Steinbau? Die ganze Stadt - vom Schloss in großen Teilen über die zweigeschos- sige Bebauung am Schlossplatz (vgl. Farbabb. 3 ) bis zu den eingeschossi- gen Bürgerhäusern wie Kaiserstraße 47 - war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach einem einheitli- chen architektonischen Konzept er- richtet.107 Unabhängig von der ma- teriellen und bautechnischen U m- setzung waren die Formgebung und die O berflächen am Steinbau ori- entiert. Dem Urteil , das Karlsruher Bauwesen dieser Zeit sei anspruchs- los gewesen, mag man sich nicht anschließen. lOB Vielmehr ist der An- spruch, eine moderne Residenz in einer angestrebten Form zu errich - ten , offenbar nur beim Schloss mit den Materialien und der Bautechnik aus dem Steinbau verwirklicht wor- den . Bei den übrigen Bauwerken - sowohl bei der zweigeschossigen Be- .~ .--- ""'\"'l..9. .', I 10 I I I I I ~ I .2l!rI1!. ~ - - 1 I i ~ I ..a ... I ,. 11 I - r- 11 I ~I--11 c-- ===-===:_jj-~::: = = ~ - f-~ = ~-1= - f- 1 I 67 bauung am Zirkel als auch bei den eingeschossigen Bürgerbauten - wur- den die architektonischen Ideale hingegen mit den Materialien und der Bautechnik des Fachwerkbaus realisiert. Dass hierbei großer Wert auf anspruchsvolle Fassadengestal- tung ge legt wurde, wird durch die jüngste Entdeckung der aufwändi- gen "sandsteinernen" Fensterge- wände bei einem Modellhaus der einfachsten Kategorie, Kaiserstraße 4 7, eindrucksvoll belegt (vgl. Farb- abb. 4 und 5, Abb. 13 bis 20) .109 Durch die Schriftquelle von 1753 ist belegt, dass die Fachwerkwände außen nicht von Anfang an verputzt waren, wie es in der Literatur mehr- fach berichtet wird, 110 sondern nur überschlämmt waren, wie es die Be- funde auf den Innenwänden von Kaiserstraße 47 ze igen, es die histo- rische Abbildung des Gasthauses zum Bären überliefert (vgl. Farbabb. 14) und es auch bei anspruchsvollen ~ I- I t: ::3 I 66 In der Stadt DurIach , die für Karls- ruhe die "Mutterstadt" darstellt , wurden nach 1 689 viele Bauwerke mit einem massiven Erdgeschoss und einem Ober- geschoss in Fachwerk errichtet, wobei es keinen Unterschied in der Form gibt: Am Zwinger 1 , um 1700 ( 1966). 67 Daxlanden, Pfarrstraße 53, Grundriss, Bauaufmaß 19 /9. Bauwerken der Zeit keine Selten- heit war. IIZ Die Karlsruher Bauten belegen anschaulich, dass man für die Reali- sierung einer angestrebten Formge- bung gleichermaßen die bautechni- schen Mittel des Steinbaus wie die des Fachwerkbaus verwendet hat. In der Mutterstadt Durlach gibt es eine Reihe von Beipielen, die diese Mög- lichkeiten an einem Bauwerk ze i- gen: Das Erdgeschoss wurde dort oft massiv errichtet, während das O ber- geschoss in Fachwerkbauweise auf- gesetzt und am Steinbau orientiert mit aus dem massiven Holzwerk ge- arbeiteten Fenstergewänden verse- hen wurde (Abb. 66) . Weitere Fragen an die Forschung Zu den offenen Fragen an eine zu- künftige Forschung gehört es, die Karlsruher Modellhausgrundrisse in Bezug zu den übrigen Modellhaus- entwürfen für die Region, aber auch darüber hinaus, zu bringen . Nicht nur die Modellhäuser für Durlach l 13 , Ettlingen, Rastatt, Mannheim 114 und Freudenstadt l lS - um nur eine Auswahl von Städten mit solchen Vorschriften zu nennen - , sondern die in der Region üblichen Wohn- häuser von Bürgern, Bauern und Handwerkern im späten 17. und frü - hen 18. Jahrhundert wären in einer ausgedehnten Untersuchung in Be- ziehung zu setzen. Hierzu wären die überlieferten Schrift- und Bildquel- len ebenso zusammenzutragen wie umfassende Bestandsanalysen von erhaltenen Bauwerken . Bei den Grundrissen, die den Funktionen des Wohnens und Wirt- schaftens eine räumliche Struktur bie ten, steht auch die Frage zu be- antworten, ob die Modellhausvor- schriften für die traufständigen Karlsruher Häuser einen grundsätz- lich anderen Grundriss vorgeben, als er der regionalen Bauweise des spä- ten 17. und frühen 18. Jahrhunderts entspricht, oder ob hier eine Konti- nuität zu beobachten ist . Als These se i hier abschließend formuliert, dass Batzendorf die funktional not- wendigen Räume - Erschließung, Küche, beheizbare Stuben und nicht beheizbare Kammern - in Anleh- nung an die regionale Tradition bei- behielt und die Raumstruktur in se in angestrebtes äußeres Erschei- nungsbild einfügte. Der 1711 in- schriftlich datierte N eubau eines zweigeschossigen , giebelständigen Hauses in Dax landen, Pfarrstraße 53 , ähnelt den Karlsruher Modell- häusern formal nur in den Details der Fenstereinfassungen . Er weist aber den gleichen Grundri ss (Abb. 67) auf wie der Entwurf Batzendorfs von 1715 (vgl. Farbabb. 2) und wie Herrenstraße 11 in Karlsruhe (vgl. Abb. 30 und 60) und stellt damit re- gionale Bezüge zur üblichen ländli- chen Bauweise her. Hier stärker den regionalen und überregionalen Zu- sammenhängen der Grundriss- und Nutzungsstrukturen nachzugehen, erscheint als lohnende zukünftige Forschungsaufgabe. Hinweise für den zukünftigen Umgang mit dem Bauwerk: Behutsamkeit Aus e iner baugeschichtlichen Ana- lyse des Baubestandes ergeben sich Hinweise für den zukünftigen Um- gang mit einem Bauwerk. Da so- wohl der Verfasser als Bauhistoriker wie auch der Architekt Georg Matz- ka durch den Sonderforschungsbe- reich 3 15 "Erhalten historisch be- deutsamer Bauwerke" an der Uni- versität Karlsruhe im Umgang mit historischer Bausubstanz geprägt wurden, bestand sehr weitgehendes Einvernehmen darüber, welche Zie- le mit einer behutsamen Instandset- zung des Baubestandes und einer re- spektvo llen Modernisierung in den notwendigen Bereichen angestrebt werden so llten .116 63 Die Informationen, die uns ein historisches Bauwerk über se ine Entstehung und Entwicklung in lan- ge vergangenen Zeiten überliefert , sind an die originale Bausubstanz gebunden. Über die A uswertung, die zum Verständnis auch andere In- formationsquellen hinzuzieht, wer- den sie entschlüsselt und für die heutige Welt verständlich gemacht. Dies wiederum ist die Voraussetzung dafür, die wesentlichen Merkmale des Bauwerks zu benennen, um sie im Rahmen der Erhaltungsmaßnah- me besonders schonend behandeln zu können . Das zentrale Ziel denkmalpflege- rischen Handeins ist die Bewahrung der O riginalsubstanz, um die Infor- mationen, die untrennbar an sie ge- bunden sind, auch für zukünftige Generationen zu bewahren, die die Quelle unter neuen Fragestellungen und mit möglich erweise verbesser- ten Untersuchungsmethoden erfor- schen möchten : "Grundlage des Denkmalbegriffs ist jedoch die Defi- nition des Kulturdenkmals als Ge- schichtszeugnis. Von jeher liegt sein G rundwert darin, dass es als materi - eller Beleg Informationen über die Zeit se iner Entstehung und gege- benenfalls derj enigen Perioden, die es durchlaufen hat, vermitteln kann und in se iner o riginalen Substanz selbst Geschichte ist . Die zentrale Eigensch aft eines Kulturdenkmals ist daher se ine Fähigkeit, die Ver- bindung zur Vergangenheit verläss- lich und glaubwürdig herzustellen. Seine Echtheit wird somit zum ent- scheidenden Kriterium für die Denkmaleigenschaft . Dieses zentra- le Merkmal des Kulturdenkmals, d. h . se ine geschichtliche Zeugen - 64 schaft, macht aber gleichzeitig deut- lich , dass die Botschaft, die der Ge- genstand aus der Geschichte in die Gegenwart trägt, an die historische Substanz gebunden ist. Die Materie ist damit unmittelbar Geschichts- quelle. Jeder Substanzaustausch - und se i er dem historischen Bestand noch so genau nachgebildet - macht das Baudenkmal insgesamt oder in Teilen zum Erinnerungsbild an Vergangenes oder, wie Eberhard Grunsky formuliert hat, ,zum Zeug- nis vom bloßen Hörensagen' . Mit der Beseitigung der historischen Substanz ist die authentische Ge- schichtsquelle erloschen."" 7 Die Erhaltung der nach Moderni- sierungsversuchen zwischen 1990 und 1995 noch vorhandenen Bau- substanz von Kaiserstraße 47 wurde we itgehend dadurch erreicht, dass für die Planung der Nutzung wie bei den einzelnen Reparaturen der Bau- bestand respektiert wurde und den Ausgangspunkt für alle Überlegun- gen , Maßnahmen und Eingriffe bil- dete. Der Auswahl der Nutzung kam dabei eine zentrale Rolle zu: Sie soll- te nicht nur auf die Gegebenheiten des Bauwerks eingehen, sondern aus seinen Fähigkeiten und Möglichkei- ten abgeleitet se in.118 Exkurs: Zum Seilerhandwerk und zur Seilerfamilie Schönherr Die Seilerei als altes Handwerk wür- de es verdienen, in einem eigenen großen Abschnitt dargestellt zu wer- den - schon deshalb, we il wir einem renommierten Seilereibetrieb Karls- ruhes die Bewahrung und Pflege ei- nes wichtigen Zeugnisses der Karls- ruher Baugeschichte verdanken. Hier soll nur kurz auf das Seiler- handwerk eingegangen werden, um die Funktionszusammenhänge, die be ispielsweise eine Verlängerung der Durchfahrt mit einer Überda- chung in der Mitte des 18. Jahrhun- derts und die Errichtung eines neu- en Werkstattgebäudes für die Seile- re i in der gleichen A chse am südli- chen Ende des Grundstücks erfor- derlich gemacht hatte, nachvoll- ziehbar zu machen." 9 Die Karlsruher Seilerfamilie Schönherr nutzte über einen langen Zeitraum das "Seilerhäuschen". Bis zum vorläufigen Ende der Nutzu ng des Gebäudes 1982 wurden in dem kleinen , von der Straße aus zugäng- lichen Laden Bürsten, Seile, Stricke und ähnliche Produkte verkauft, die damals allerdings schon seit länge- rem nicht mehr selbst hergestellt wurden . Der Handel mit diesen Pro- dukten bedeutete jedoch eine Fort- führung einer Tradi t ion, denn schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts waren viele Seiler gezwungen, sich neben der Herstellung und dem Ver- kauf eigener Waren dem Handel mit großindustriell gefertigten Produk- ten zu widmen. Das Seilerhandwerk Das Handwerk der Seilerei umfass te im Wesentlichen fo lgende A rbeits- gänge: Das Hecheln des Flachses oder Hanfes (die Fasern mittels der Hechel, einem kammartigen Gerät, in eine Richtung legen) ; das Ver- spinnen der nach Längen sortierten Fasern zu Fäden; das Verdrehen der Fäden zu Schnüren oder Litzen; das Verdrehen der Schnüre (bestehend aus mindestens zwei Fäden) zu Sei- len (bestehend aus mindestens zwei Schnüren) oder Stricken (kurzen Seilen von ca. zwei Metern Länge) . Sowohl das Verspinnen der Pflanzenfasern zu Fäden als auch die Herste llung der Schnüre und Seile erfolgte unter Zuhilfenahme des Seilerrades, welches das wichtigste Hand werkszeug des Seilers wa r. Es stand unter dem Dach der Seiler- bahn, der eigentlichen Produktions- stätte des Handwerkers. Die Länge der fertigen Seilerwaren wurde be- stimmt durch die Länge der Seiler- bahn. Nach Mielke waren d ie Sei- lerbahnen außerhalb der Küsten- städte in der Regel nicht länger als fünfzig Meter; in dem hier unter- suchten Haus mag die Hausdurch- fahrt als Verlängerung der in dersel- ben A chse befindlichen Seilerbahn gedient haben .'zo Für die Familie Schönherr ist im 19. Jahrhundert darüber hinaus eine zusätzliche, län- gere Seilerbahn hinter dem "Alten Friedhof ' nachgewiesen .'z, Das Seilerrad musste lange Zeit von einer zweiten Person, meist dem Lehrling, von Hand gedreht wer- den . Erst nach 1860 erfolgte eine Verbesserung mit der Bergsehen Spinnmaschine, die durch eine am Bein des Seilers befestigte Leine in dauernde Bewegung versetzt wurde. Maschinen hielten zunächst nu r in den Küstenstädten Einzug in dieses Handwerk, wo die Reepschläger viel längere und dickere Taue in viel grö- ßeren Mengen für die Seefahrt und den Export fertigten. In den letzten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts wurde auch im Binnenland innerhalb weniger Jah- 68 re die handwerkliche Herstellung von Seilerwaren durch die industri- elle Produktion abgelöst . Domäne des Handwerks blieb schließlich nur noch die Verfertigung kurzer Wa- ren , bei denen Maschinenarbeit un- rentabel war. Als weitere G ründe für das Aussterben des Seilerhandwerks können genannt werden: der Ersatz von Seilen aus Naturfasern durch Ketten, Drahtse ile, später Kunst- faserprodukte sowi e der ge ringer werdende Bedarf vor allem in der Landwirtschaft , einem der Hauptab- satzmärkte für die Seilerwaren bis in das frühe 20. Jahrhundert. Der Niedergang des Se ilerhand- werks schon im 19. Jahrhundert lässt sich mit e inigen wenigen Da- ten aus Baden-Baden beispie lhaft umreißen. lZ2 Der dortigen Zunft der Seiler gehörten im Jahre 1804 allein in der Stadt se lbst 25 Meister an. Um 1830 waren es 56, auswärtige Meister mitgezählt. In den folgen- den dreißig Jahren sind nur 16 Meis- ter hinzugekommen, während die Abgänge nicht nur durch Todesfäl- le, sondern immer häufige r duch Überwechseln in andere Berufe ver- ursacht wurden . Dies führte schließ- lich dazu, dass bereits im Jahre 1873 nur noch ein einziger Seilerme ister in Baden-Baden tätig war. Im Zu- sammenhang mit dem geschilderten Ausklang des Seilerhandwerks ist es bemerkenswert, dass sich in der Karlsruher Ka iserstraße die Se iler- 65 68 Kaiserstraße mit der "Hanf- und Drahtseilerei Schönherr" (um 1930). tradition zumindest in der Form ei- nes Spez ialgeschäfts bis viele Jahr- zehnte nach dem Zweiten Weltkrieg gehalten hat. Es wäre deshalb er- freulich gewesen , wenn die Reste der Überdachung der Seilerbahn im Hof des G rundstücks als letztes Zeugnis dieses alten Handwerks in e in Erha ltungskonzept hätten ein- bezogen werden können (vgl. Abb. 46 und 84) . Zur Bedeutung für die Stadtgeschicbte, insbesondere der Bebauungsgeschicbte von Karlsruhe, kommt der Aspekt des Erinnerungs- 66 69 wertes an die Seilerei als altes Handwerk zum Denkmalwert des Gebäudes hinzu (Abb. 68 ). Familie Schönherr - Seiler von 1739 bis 1986 in der Kaiserstraße 47 Der familiären Ü berlieferung nach erwarb der aus Schriesheim stam- mende Seiler Johann Peter Schön - herr das 16 Jahre zuvor errichtete Modellhaus kurz nach seiner Ehe- schließung mit Anna Margareta Lindin am 19. Mai 1739. 123 In der 1753 angelegten Liste anlässlich der Anstreichung der Hausfassaden zwi- schen der Waldhornstraße und dem Durlacher Tor ersche int "Seyler Schönherr" mit seinem Haus. 124 In einem 1763 verfassten Schreiben des Bauamtes an den Markgrafen, in dem es noch immer um die Bezah- lung der Anstricharbeiten von 1753 D)ci~rt- ~ti ef. !hcIAIft<J .. ~,) ~ 4d /-1'''' tU_ di,;,..1 ...... .-.- ... .11" /h7~./~ 11 rzfr", .. t,,,,,,.t-,, ""' .... _ .... _ .. .,.w..tno"""".,,..,.,...~ .. .... f.tl'~ ·n.IId-m ........ 6t~"-H ... IVoIII:,....".... .. """"' ..... .. .,._ ....... ... - 70 geht, heißt es: "Seiler Schönherr, 20 G ulden , 46 1/2 x [Kreuze r], ist nicht unter den ganz unbemittelten. zu zahlen ."1 25 In e inem Familien- stammbaum wird auch die Ehe- schließung von Johann Peter Schönherr mit se iner zweiten Frau Maria Barbara Küblerin, am 2. März 1773, erwähnt.126 Im Sommer 1769 kam es zu Streitigkeiten über die Zunftzuge- hörigkeit unter den Seilern. Seiler Schönherr war Stockse iler - seine Seile hatten breite Enden . Seiler Kölitz sollte die A ufnahme in die Zunft verweigert werden , we il er Spitzse iler - se ine Seile hatten spit- ze Enden - wa r. Die markgräfliche Verwaltung entschied am 19. Juli 1769, "den noch unzünftigen Spitz- seiler Kölitz zur Stockseilerzunft des Amtes Carlsruhe anzuweisen, ma- chen die A rtikel dieser Zunft in ge- ne re für die Seiler lauten , ohne dass 69 W ilhelm SchönheIT (22 .11 .1846 - 22.4 1917) heiratete am 22 . November 1873 seine Frau Wilhelmine Dorothea, geb. Betz (um 1898). 70 Meisterbrief von Wilhelm SchönheIT aus dem Jahre 1904. des Unterschieds der Stock- und Spitzse iler nur mit einem Wort da- rin gedacht wäre."127 Johann Jakob Friedrich Schönherr (1 7.4.1774 - 16.6. 1840) heiratete am 23. Juni 1797 Margarete Barba- ra Höfer (29.7 .1 770 - 16.9. 1828 ). Zum Zeitpunkt des Todes se iner Frau 1828 war Friedrich Schönherr 54 Jahre alt. Er übergab die Seilerei seinem Sohn Ernst Heinrich Schön- herr im Jahre 1829 und heiratete am 29. September 183 1 Katharina Bar- bara Villa in zweiter Ehe. 128 In den Adressbüchern, die von den Bewoh- nern jeweils den Familienvorstand nennen, erscheint er von 1818 bis 183 1 als "Hofseiler", 1832 und 1833 als "Friedrich Schönherr sen ."1 29 Ernst Schönherr (26.6. 1803 - 8.9. 1879 ) heiratete am 7. September 1830 Margarete Friederike Stem- mermann. In den Adressbüchern wird er von 1838 bis 1880 mit wech- selnden Namenszusätzen geführt, die den Lebenslauf widerspiegeln: 1838 "Ernst Schönherr jun., Seiler", 1840 "Seiler", 1841 bis 1874 "Hofse iler". Er führte die Seilerei bis zur Über- gabe an seinen Sohn W ilhelm im Jahre 1873, was sich erst im Adress- buch 1875 (und bis 1880) mit dem Zusatz "sen ., Partikulier" n ieder- 71 schlägt, während der Sohn von die- sem Jahr an eigens und mit dem Zu- satz "Hofse iler" genannt wird . Wilhelm Friedrich Karl Ernst Schön- herr (22.11.1 846 - 22.4.1917) heira- tete am 22. November 1873, se inem 27. Geburtstag, Wilhelmine Doro- thea Betz (Abb. 69) und übernahm acht Tage später, am 30. November 1873, formell die "Seilerei und Roß- haarspinnerei" von seinem Vater.lJD Mit Wilhelm Schönherr kennen wir den Initiator der Umbauten von 188 1. Er hatte nicht nur 1876 ein neues Magazin errichten lassen (vgl. Abb. 47), sondern stellte ein Jahr nach dem Tod se ines Vaters (8.9. 1879 ) am 13. September 1880 den Antrag auf Errichtung einer Seiler- bahn im Hof (vgl. Abb. 48). Der Umbau im Inneren des Vorderhau- ses und die Erneuerung des westli- chen Seitenflüge ls im Jahre 1881 geht auch auf se ine Initiative zurück (vgl. S. 47- 50). Wilhelm Schönherr führte wie sein Vater und Großvater nach der Verleihung durch den 71 Wilhelm Schönherr und sein Sohn Karl mit Seilrollen und zwei Gesellen im Hof der Kaiserstraße 47, links das Werksrattgebäude von 1880, rechts der Seitenflügel von 188 1, im Anschluss daran das Magazin von 1876 ( 1908). 67 Großherzog den Titel "Hofse i- ler",lJI mit dem er von 1875 bis 1898 in den Adressbüchern geführt wird, 1899 bis 1912 ist er "Hofse i- lermeister" . Von 1913 bis 1920 wird se in N ame mit "Hofse ilermeister, 68 Eigentümer" ergänzt. In den Adress- büchern wird se it 1913 der Eigen - tümer eines Hauses in der Kopfzeile der Erwähnung hervorgehoben, dem jeweiligen Familienvorstand einer Wohnung ist eine Zahl für das jeweils bewohnte Geschoss voran- gestellt. Da Wi lhelm Schönherr von 1913 bis 1920 nur in dieser Kopfzei- le, aber nicht in den folgenden Zei- len erwähnt ist, kann man die Ver- mutung hegen, dass er zwar noch Ei- gentümer war, aber nicht mehr im Hause wohnte. Vom Adressbuch 1913 an - tatsächlich wohl se it der Eheschließung 1912 - wohnte Ernst Schön herr mit se iner Familie im Erdgeschoss von Kaiserstraße 47 . Im Jahr 1920 scheint Wilhelms Witwe wieder zu ihrem Sohn gezogen zu sein, da sie im Adressbuch des Jah - res 1921 als im 2. Stock (= 1. Ober- geschoss) wohnend geführt wird. Sie hat dort mindestens bis zum Re- daktionsschluss des Adressbuches 1924 gelebt, in dem sie noch er- wähnt wird: ,,2. Wilhelm Schön- herr, Wwe." Der Sohn, Karl Gustav Adam Schönherr (geb. 20.2. 1882 - gest. 1957), erhielt am 20. Juni 1904 se inen Meisterbrief (Abb. 70) \32 und führte den Betrieb mit seinem Vater weiter. Mit Stolz präsentieren sich Vater Wilhelm und Sohn Karl Schönherr mit ihren Produkten auf Fotografi en aus den Jahren 1908 und 1909 (Abb. 71). Karl Schönherr beantragt im Jahre 1910 einen grö- ßeren Umbau des gesamten Hauses, bei dem nur die zur Straße gerich- tete Hälfte des Grundrisses im Obergeschoss erhalten geblieben wäre. \33 Aus heutige r Perspektive sind wir dankbar, dass er - aus wel- chen Gründen auch immer - se ine Pläne nicht realisiert hat (vg l. S. 25, Abb. 12) und das Modellhaus von 1723 erhalten blieb. Am 13. Febru- ar 1912 heiratet er Rosa Philipp. 72 Karlsruhe, Kaiserstraße 45 und 47: " Häuser aus der Gründerzeit von Karls- ruhe. Kaiserstraße. " Tusche über Bleistift , Matthias Hess, 20. Dezember 1958. - Bemerkenswert ist, dass der Zeichner auch die steilere Dachneigung des ursprünglichen Dachwerkes überliefert, die sich in der Brandwand von Kaiserstraße 49 zwölf Jahre nach der Erneuerung des Daches noch deutlich abzeichnet. Aus der Ehe gehen die beiden Töch- ter Gertrud Minna Rosa (geb. 7.4.1917) und Lise lotte Else (geb. 15.2. 1920) hervor. In den Adress- büchern erscheint Karl Schönherr se it 1913 mit e inem eigenen H aus- halt (nach se iner Heirat 191 2), von 1913 bis 1946 als "Karl Schönherr, Seilermeister" , von 1947 bis 1958 als "earl Schönherr" , bis 1953 mit dem Zusa tz "Sei lermeister", danach mit "Sei lerwarenhandlung" . Die ältere Tochter Gertrud Schönherr führt nach dem Tod des Vaters im Jahre 1957 die Seilereiwarenhandlung ge- meinsam mit der Mutter bis 197 1 und nach deren Tod allein bis 1982 fort (Abb. 72)\34. In den Adress- büchern ist überliefert: 1959 bis 1971 : "Rosa Schönherr, Wwe., Sei- lerwarenhand lung", 1972 bis 1983: "G e rtrud Schönherr, Se ilerwaren- handlung". Aus der zeitlichen Verzö- gerung, die sich zwischen der Infor- mationssammlung und dem Erschei- nen der Adressbücher erg ibt, wird ve rständlich, dass im Adressbuch 1983 noch der Ein trag "Gertrud Schönherr, Seilerwarenhandlung" erscheint, obwohl das Geschäft im Jahr zuvor geschlossen wurde und Gertrud Schönherr zu ihrer jüngeren Schwester gezogen war. Farbabbildung 1 Der Grundriss der Stadt Karlsruhe aus dem Jahr 1775 bildet die Bebauung der Straßen, Höfe und Gärten detailliert ab. In 69 der östlichen Verlängerung der Langen Straße in Richtung Durlach steht die Seilerei Schönherr (mit einem Pfeil gekennzeichnet). 70 :- ;;', .•. . 'V ...... ___ .. :it .. ... .... _~ J'!} __ __ ... / o Farbabbildung 2 Der Entwurf für eingeschossige Modellhäuser von Friedrich von Batzendorf aus dem Jahr 1715 zeigt ein Reihenhaus- Eckgebäude, bei dem die Raum- funktionen anders angeordnet sind als bei dem "regu- lären" Reihenhaus Kaiserstraße 47. Farbabbildung 3 Karlsruhe , Entwurf von Johann Heinrich Amold aus dem Jahr 1717 für das Haus an der Ecke Schlossplatz und Rittergasse . 71 72 Farbabbildung 4 Karlsruhe, Kaiser- straße 47, Grund- risse 1723 "Neubau" Kammer (rot): Die ursprüng- lichen Grundrisse des Erd- und Oberge- L~ __ ._ schosses von Kaiser- straße 47 waren weit- t:: gehend unverändert .c .l!! erhalten. Wenige feh- .c ~ ArbeitsrAume lende Bereiche ließen ::J 0 sich aus den Spuren Stube am Bauwerk ein- deutig nachweisen. ., I - gesicherter Bestand --- gesicherte Ergänzung analoge Ergänzung i --"'--l -------_ ... - -- - _ .. _- .-.---' __ I --- -I -1 1 ) 5 +.+" ,t-·-! -~ +--+-+-+-1 -+--f--t+ Farbabbildung 5 ! i I \ Karlsruhe, Kajserstraße 47 Straßen;msicht 1723, 1. Bauphase Wirkung im Straßenbild August 1999 U"''lVl;RSlTATY...AJ.l.!WJHi: SoNOE.~315 I:RHALTf.NHlSi'OIUSCHiJIoOf.\fI'SMIf..k nAU\ooElOQi Dotct~"liNTATl()r.tj5O:.Llf.: RFJ~I~/a~.Nf* .. Karlsruhe, Kaiserstraße 47 , Straßenfassade im Jahre 1723/1724: Die Rekonstruktionszeichnung als Darstellung des Zustandes nach Abschluss der Farbfassung besteht in der Formgebung auf eindeutigen Spuren am Bauwerk (vgl. Abb. 19) , die Gauben im Obergeschoss entsprechen denen des Modellhauses Kronenstraße 20 (vgl. S. 41 , Abb. 32), die Fensterteilung von Pfosten und Kämpfer beruht auf dem Original-Fenster F 14 in Raum 207 (vgl. Abb. 55), die Sprossen sind aus den Proportionen errechnet , die Annahme einer Bleiverglasung hat viele zeitgenöss ische Beispiele wie das Oberlicht im Bauwerk sowie beispielsweise in einer überlieferten Fotografie des Modellhauses Herrenstraße 7 (vgl. S. 41, Abb. 31) , der Korbbogen des Tores basiert auf dem Vorbild des Modellhauses Kronenstraße 9 (vgl. S. 45, Abb. 41). 73 74 Farbabbildung 6 Karlsruhe , Kaiserstraße 47, Grundrisse nach 1753, um 1775 Be- stand (dunkelgrau) , Neubau (rot) : "Auf- stockung" von 1753 im Obergeschoss und die Flügelbauten im Hof, die auf dem Stadtplan von 1775 (vgl. Farb- abb . 1) schon verzeich- net sind , jedoch auch wesentlich älter sein können. Im Fall des westlichen Seitenbaus gibt es geringe Hinweise darauf, dass der Vor- gänger des jetzigen Seitenflügels von An- fang an bestanden hat , da das fragmentarisch erhaltene Abbundsys- tem der Hoffassade (Längswand mit dem Abbundzeichen 1111) schon auf einen Anbau an dieser Stelle Bezug nimmt. Anbau _1 0 5,..,. +1~1-1~-+--4-~~~~-+1 Werkstatt (?) (vor 1775) r--------------l I I I I I I I I I I I I I I I I , i I I : 1 i i I I I I I I I I I I L_ I I I I I I I I I I I I I I I I I I - gesicherter Bestand © --- gesicherte Ergänzung H ---- analoge Ergänzung · 1 0 1 L J f .J -j-,-..,."o++l'-'+" ,+-! -i--i! -+-+-+-i---~-+-~ Farbabbildung 7 - I /§§lL_! i --==:j Karlsruhe, Kaiserstra ße 47 Straßenansicht, nach 1752, 2. Bauphase Wirl,:ung im Straßenbild August 1999 Vr,'T\'r..RSl7AT K;,.;ttSRU1 11: r>tll'I>IORrOI!SCHlJ~RElCl IJ15 EKHAJ.11::N IIISTONSCH UEO!:.'U I"SAMI'lI 8 ., ,"W I)(XE o.)t.1J;.IF.NT~TIQ:>.SSTEl.I .E: Rl1M r.I:S/ Bc;0E1I. Karlsruhe, Kaiserstraße 47, Straßenfassade nach 1753, um 1790: Darges tellt ist die Straßen- fassade nach der "Aufs tockung" 1753 und in der für diesen Zeitpunkt aus den Quellen ab- geleiteten Farbgebung. Zugleich zeigt die Darstellung die im Erdgeschoss um 1790 erneuerten und im O bergeschoss die modernisierten Fenster, die neue Flügel mit Holzsprossen erhalten haben , 75 76 Farbabbildung 8 Karlsruhe , Kaiser- straße 47, Grund- risse nach 1881, einschließlich aller "Anbauten und Umbauten" zwischen 1775 und 1881, Be- stand (dunkelgrau) , Abbruch (gelb) , Neubau (rot): Mit der Verlagerung der Küche in den ehe- maligen Flur und der Zusammenlegung von alter Küche und be- nachbarter Kammer zu einem Büro findet der erste und einzige Eingriff in die Raum- struktur des Modell- hauses von I 723 statt. Die Treppe wird in den Hof verlegt, so dass das Obergeschoss vor Vorderhaus und Seitenbau unabhängig vom Erdgeschoss zugänglich wurde. Garten Seilerbahn o Hof Wohnstube Magazin Küche Wohnraum , --, " - Laden .1 5 ...... +I~' ~--~-+~+-~~-tl Kammer =======jj' 0 11 o -======0 ===~il 11 11 11 u fI 1\ 11 -====::::.=~! 'I U - gesicherter Bestand ___ gesicherte Ergänzung -·- analoge Ergänzung n J d::t..J~ ~ \-...-!- ~ ;:::: F ~ I- I- ~ '- I- f- '-- L...- I..- !lI.- L.- I-. IT -I 1 I J E!IH~ !!I~ §§liöl! nl 11 . iln D~"- ,lj 1 I UI LJ e=- • - - ; 0 J ~~4 .. ~r'~I~--~~~~--~i ~ __ L-~-L Farbabbildung 9 != ;=: I- f- !-.". '= ro il l LJ ~~ Karlsruhe, Kaiserstraße 47 Straßenansicht nach 1880, 3. Bauphase Wirkung im Straßenbild August 1999 U:':IVOlSITÄT KAHI.$RUH( SONDI'RfOR.<;CHUNCC:BFRF.ICH 315 EII.HALIEN Hb'1"()l(/SCH 1*.Df.t.nSAMEIt BAUWEPKE Dot.;UIt.tENTAr.vr-."5rnLE: R~:tM~ocS/i)ENOI!JI. Karlsruhe, Kaiserstraße 47 , Straßenfassade nach 188 1; Mit dem Einbau eines Schaufensters wurde das Handwerkerhaus der Familie Schönherr an die im späten 19. Jahrhundert üblichen Läden angepasst. 77 78 Farbabbildung 10 Baualterspläne , KG, EG , OG, Ergebnis eines Seminars mit Stw:lentinnen und Studenten des Aufbaustudienganges Altbauinstandsetzung im Wintersemester 1998/1 999, Sonderforschungsbereich 315, Universität Karlsruhe (TH), Dokumentationsstelle . Baualtersplan KeIlergeschoß Seilerhäuschen Kaiserstraße 47, Karlsruhe Bearbeitet von; S. Heppner, M. PrOmm, S. seil Legende Phase I 13 Phase 11 0 Phase 111 11 Phase IV 0 Phase V • Phase Vi 0 Ursprungsbau 172211723 2. Halfte 18. Jh. 1. Halfte 19. Jh. 2. HAlfte 19. Jh. 1. Halfte 20. Jh. 2. HAlfte 20. Jh. L _ __ -, 1 1 1 1 I I I L _~ I I' l---l_-l I -J .. I I I I I I I I ( I I I I I I I ->-IKMI"JtU 'T"~ I ... ......J ~ I ) 100SI l.r-------:,.;:;...r;;-a--------- - -L _ I J Baualtersplan Erdgeschoß Seilerhäuschen Kaiserstreße 47 , Karlsruhe Bearbeitet von; S. r, M. PIfImm, S. Gel Legende Phase I Ursprungsbau 172211 723 Phase 11 0 2. Hälfte 18. Jh. Phase 111 • 1. Haltte 19. Jh. Phase IV 0 2. Hatfte 19. Jh. Phase V 11 1. Hälfte 20. Jh. Phase VI 0 2. Hälfte 20. Jh. ---. I I I 1;;;;1 I --, I 1 0J -1~ p ~ I, , I l 01 ----, / 1 I 1 Baualtersplan Obergeschoß Seilerhäuschen Kaiserstraße 47, Karlsruhe Bearbeilet von: S. HeoPnef, M. Priimm, S. SeIl Legende Phase I 0 Phase 11 0 Phase 111 Phase IV D Phase V Phase VI 0 Ursprungsbau 172211723 2. Hälfte 18. Jh 1. Hälfte 19. Jh. 2. Hartte 19. Jh. 1. Half te 20. Jh. 2. Hälfte 20. Jh. ------, I . I-~ ... 117T/1 1 ,rl7">1 1 1 II/v':-:f-II 11 E:t-=-11 1 1=+-:J1 1 I r-+-~'I I '1--11 L.~~~I~ll~-~~.,-____ ~ IZW r- -- \ \ ,~ \~ 79 - ----I I I • --------------------~,~".~ 80 NORDEN FRSSADE HOFElNFRHRT Er; VON RUSSE N GE SEHE N RCHSE X1111-YtllO-l1 VON 'WESTEN GESEHEN -1 0 2 3 ~ 5METEJ<. ~1'H! :~II~"~II~I --~1--r~I~I--+I--~41--+-~ SCHNITI l-Z "'1\~ER Ellfmln SODEN l . ~~~--~----~'-~~~~---''---IT----IT-rn ,ACf\IJERK- WRND NEU Y4 Y3 Y7. Y1 FASSRDE HOFEINFRHRT Er; VON l1USSEN GESEHEN ACHSE XSfY1-Y4/l0-l 1 VON OSTEN GESEHEN Farbabbildung 11 Schadensgutachten von 1995: Kartierung des Holzzustandes im Bereich der Wände der Durchfahrt. Legende: Gelbe Färbung bedeutet guter Zustand; rote Färbung bedeutet geringe Schäden von unter 30% Substanzverlust - hier ist eine Reparatur in Erwägung zu ziehen; violette Färbung bedeutet einen hohen Substanzverlust von über 30% - hier ist eine Reparatur unbedingt zu empfehlen. SCHNITT 3-3 l1 '13 TRENNWIlND E6 '1l NORD[N l1 lO LEGENDE ZUR HANDWeftIWCHEN, INGEHIEURTECHtnCHEN UND wt89fHSCHAFTUCHEN 8AlJWERKSUNTERSUCHUNG. IESTAHDaPlAH MIT ZUSTNIlSKARTIERlIKJ ~T~UNOlOfRRICHT\JN(J(RESISTOOMPH"l.ftOTOS @ NI.UIEfl DefIt WDSUNO 0 FOTtN.MIVI. @ ISCHAmEflTEFtME8SPUNKT.tlTtfJlZ.QUERSCHrmTtWISTB..UJNQ <:; AUSlElCHfNElENEHERAUS 0 "lD:MENU!I«~H -~ I ttORIZOHTAl/lf'l!Rnw. ~ CMOOfW...NIAUB ""'"'~ VERf'ORMUNG/OIJETaCtUKi ~ EISERNE VEAIfNDlJIrrIGSYn'El 0E8ICHof.otoTERftCIl.ZNAOEl.. ~8RUCI1.R1S6 fE.HL..lWf1"lOKf'AJ ~ HCH:As'rotm fASERIrE'OUNGII<"UfI,US(;HA"!OKEIT, DftEHWUCMS) M HCI..VJn: acHE(El.~DEU.OUCMf).K9IEAHGA8E' NAOElHOlZ 11 -------.lIICI8I--..-..vw ::.:::a~. ... C ...... )tD •• JMc ..... ".",t INGENIEUR11:CHNISCHE TEILUNreRSUCHUNG: BESTAHDSPLAN MIT FARBIGER ZUSTAHDSKARTlERUNG HAHDWERKERHAUS ALTE SEI.BU:I KAlSERSTRI\SSE 117 76131 KARLSRUtIE DE2BI8ER, ... n 'G""'fQf' Fm ptAre 81 82 Farbabbildung 12 Karlsruhe , Kaiser- straße 47, Grund- risse des Jahres 2000 mit Angabe der entfernten Bau- teile (gelb) , der we- gen Reparatur oder Ergänzung erneuer- ten Bauteile (rot) und des unverändert belassenen Baube- standes (grau). Behutsame Instand- setzung und Moder- nisierung durch Georg Matzka für die Volks wohnung GmbH , 1998 bis 200 1. !::! ' Ci) .~ u. .... 2 .c 0 co -e Q) .Cl ,=> Brunnen 0 Terrasse Kühlen 1I I' 11 Küche J Anrichte! Ausgabe - geSicherter Bestand --- ges icherte Ergänzung .. -- analoge Ergänzung .c 0 co 0 lJl ~ co .Cl .c Q) Cl ~ I I I I ~ I I I I I @ N Farbabbildung 13 Fassade während der behutsamen Wiedemutzbarmachung (Ins tandsetzung und Modemisierung) im Jahr 2000. Bei der Wiederherstellung der Fassade diente der Zustand der jüngsten einheitlichen künstlerischen Umgestaltung im Jahre 188 1 der Orientierung. Die Farbgebung ist an Befunde aus dem Haus angelehnt und entspricht sowohl der Zeitstellung um 1880 als auch der denkmalpflegerischen Zielstellung einer Fortschreibung in die Zukunft (vgl. Titelabb. - 1946 - und Abb. 79 - 1976 - ). 83 84 Farbabbildung 14 Karlsruhe, Gasthaus zum Bären, I . Hälfte 18. Jahrhundert, an der Ecke der Langen Straße zur heutigen Karl-Friedrich- Straße. In Fachwerkbauweise errichtet und zeittypisch monochrom übertüncht, die hölzernen Fenstergewände sandstein- farben ges trichen , um 1800, mit den Spuren der zügigeren Verwitterung von Anstrichen auf dem Holz als auf den Ausfachungen. Farbabbildung 15 Alfeld an der Leine, Holzer Straße 1, um 1720: Monochromer Anstrich der Fachwerkfassaden nach Befund. Die gestalterische Absicht der Erbauer war, einen Backsteinbau mit Werk- steingliederung darzustellen. 85 Vom "Kuriosum" zum Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. Niedergang und Rettung des Schönherrschen H auses. von Gerhard Kabierske Wer vor knapp zwanzig Jahren eine Wurzelbürs-te, ein Hanfse il oder einen Birkenbesen suchte und angesichts des beschränkten Angebots in Kauf- häuse rn und Supermärkten schon glaubte, se inen Wunsch nie erfüllt zu bekommen, dem konnte der Tipp, es doch einmal in der Seilere i Schönherr zu versuchen, zu einem nicht alltäglichen Erlebnis verhe l- fen, das in der Erinnerung haften blieb. So ist es damals dem Autor ergangen, als er den Laden in der Kaiserstraße 47 betrat. Nicht nur, dass hier das Gewünschte wie se lbst- verständlich vorrätig war und man kompetent beraten wurde, es war das ganze Ambiente, das e inen in Erstaunen versetzte (Abb. 73 ). Auf engstem Raum, eher Stube als Ge- schäft, stapelten sich auf roh gezim- merten Regalbrette rn Knäuel von Bindfaden und Schnur aller Art ne- ben einfachen Kartons, randvo ll be- packt mit den unterschied lichsten Bürstenwaren; Stricke hingen an Fle ischerhaken von Stangen unter der Decke herab. Hinter der hölzer- nen Theke mit einer mächtigen me- chan ischen Registrierkasse stand die Inhaberin Gertrud Schönherr, die von hinten aus einem dunklen Raum gekommen war, als das Klin- ge lze ichen der Ladentür ertönte. Die charakteristische Szenerie, di e sich glücklicherweise auch fotogra- fisch überl iefert hat, besaß - das spürte man sofort - in ihrer Ein- drücklichkeit etwas Anach ronisti- sches, nicht nur hinsichtlich des Ladens mit se iner Einrichtung und se inem Angebot, di es betraf auch das kleine Haus insgesamt sowie sei- nen ähnlichen Nachbarn zur lin- ken mit der Hausnummer 45 . In ihrer geduckten Zweigeschossigkeit mit Putzfassade und Biberschwanz- dach konnten sich beide Anwesen nur schwer zwischen den hohen fünf- bis sechsstöckigen Miets- häusern viel jünge ren Datums auf der Südseite der ös tlichen Kaiser- straße behaupten . Es war eine damals recht herunte rgekommene N achbarschaft , die - geprägt von N achtlokalen und Sexkinos - den trotz hohen A lters und einfachster Bauweise noch durchaus intakten, bürgerlich -gepflegten Eindruck des Seilerhauses umso deutlicher hervor- treten ließ (vgl. Abb. 74 und 79). Der erste Besuch sollte der letzte bleiben, denn die Ära der Se ilere i Schönherr war schon bald danach, 1982 , endgültig abgelaufen . Gertrud Schönherr musste das Geschäft aus Altersgründen aufgeben , und sie verließ auch das Haus, das sie zuletzt alleine bewohnt hatte, um zu ihrer jüngeren Schwester zu ziehen . Dass damit im nur wenig älteren Karlsru- he e ine mit di esem Gebäude ver- bundene 243-jährige Familien- und H andwerkstradition ihr Ende ge- funden hatte , wurde von kaum je- mandem zur Kenntnis genommen . Das Schicksa l des Hauses se lbst schien zu diesem Zeitpunkt besie- gelt, war doch se in Ende eigentlich schon se it zwei Jahrzehnten be- schlossene Sache. Bereits in den sechziger Jahren ging die öffentliche H and von ei- nem Abbruch aus, da das Anwesen zum Gebiet der A ltstadtsanierung gehörte, in dem se it 1962 die flächi- ge Beseitigung a ller überkommenen Bauten vorgesehen war. Auch die Ze ile an der Kaiserstraße mit sämtli- chen Gebäuden sollte davon betrof- fen sein. Kein Wunder, dass von nun an in d iesem Bereich kein Eigentü- mer mehr in di e Bauunterhaltung investie rte, mit schwerwiegenden Folgen für di e S ubstanz. Erste Pla- nungen se it 1965 sowie der große internationale Wettbewerb von 1970/7 1 sahen hier - typ isch für jene Phase ungebrochener Fort- schrittsgläubigke it - gigantische Neubaulösungen vor, die bewusst und radikal mit den traditionellen Vorstellungen der gewachsenen Stadt brachen (vgl. Abb. 75 und 76). Die siebziger Jahre brachten ei- nen allmählichen Wandel der städ- tebaulichen Leitbilder, menschliche 86 und historische Dimensionen waren in der modernen Architekturszene jener Zeit wieder di skutierte und akzeptierte Themen , was sich auch auf die Karlsruher Altstadtsanierung auswirken sollte. Für den Bereich östlich der Waldhornstraße wurde nach einem längeren Entschei- dungsprozess schließlich vom flä- chenhaften Abriss aller Gebäude abgerückt. Das Konzept des bald zu internationalem Ruf ge langten Münchner Architekturbüros Hil- mer & Sattler, 1977 in einer größe- ren Publikation veröffentlicht, ging jetzt von einer Objektsanierung aus, die im Sinne einer Stadtreparatur den Charakter des Viertels erhalten und die Bausubstanz gleichze itig modernen Wohnbedürfnissen an- passen sollte. Für die Gebäude Kaiserstraße 45 und 47 hätte dieses Konzept dennoch weiterhin das Aus bedeutet. Ausgerechnet diese Par- zellen , die man schlichtweg als untergenutzt bezeichnete, waren für eine Hochgarage mit einem vorge- blendeten sechsgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus vorgesehen - ein Projekt, mit dem die Parkierungs- probleme des Quartiers gelöst wer- den sollten (vgl. Abb. 77 und 78). In ihrem bescheidenen Erschei- nungsbild boten die Fassaden zu we- nig, als dass sie für erhaltenswerte Elemente des Stadtbilds erachtet worden wären, denn um repräsenta- tive Palaisbauten handelte es sich tatsächlich nicht. Ihre historische, über den formalen Aspekt hinaus- gehende Bedeutung jedoch , die Tatsache, dass es sich hier um zwei der fünf letzten Modellhäuser aus der frühesten Besiedlungsphase der Planstadt Karlsruhe handelte, wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht er- kannt, zumindest nicht für bemer- kenswert gehalten. Diese Einstel- lung hatte in Karlsruhe Tradition, denn so leicht man sich in der "Fä- 73 Gertrud Schönherr in ihrem Seilerwarenladen (vor 1982). cherstadt" mit dem berühmten ba- rocken Stadtgrundriss und se inem auf das Schloss bezogenen Radial- systern identifizierte, die zugehörige Wohnbebauung des 18. Jahrhun- derts war nie geschätzt worden . Im Gegenteil: Ob in Klass izismus, His- torismus, Jugendstil, den Zwanziger Jahren oder der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg, in al- len späteren Bauperioden der Stadt hatte man die niedrigen Bürger- häuser der Gründergeneration als armse lige, in ihrer Fachwerkbauwei- se technisch unzulängliche Buden empfunden , als "Zahnlücken" zwi- schen den aufragenden Brandmau- ern der viel höheren Nachfolger. Sie bildeten für die Enkel und Urenkel nichts weiter als eher peinliche Zeugnisse für die bescheidenen bis ärmlichen, weitgehend vom Hof ab- hängigen Verhältnisse nach der Gründung der Residenz. Ihr allmäh- liches Verschwinden aus dem Stadt- bild wurde immer als optimistisches Zeichen des Fortschritts begrüßt, eine Meinung, die bis heute generell das in Karlsruhe im Vergleich mit anderen Städten nicht sehr enge Verhä ltnis zu Bauwerken der Ver- gangenheit geprägt haben dürfte. Auch das Landesdenkmalamt, dem freilich erst mit dem 1972 in Kraft getretenen Denkmalschutzge- setz ein rechtlich relevantes Instru- mentarium in die Hand gegeben wurde, hatte sich nie für die frühen Modellhäuser stark gemacht. Das Schönherrsche Haus und se in Nachbar Kaiserstraße 45, das ehe- malige Gasthaus "Zum Wilden Mann", wurden zwar 1978 in eine vorläufige Liste der Kulturdenkmale aufgenommen, in der Prax is hatte dies jedoch keine Auswirkungen, ging man doch, was die Einschät- zung der Häuserze ile an der Kaiser- straße anging, von einem früheren Begehungsprotokoll aus, das die Kulturdenkmale im Sanierungs- bereich festlegte. Angesichts der Wünsche der Stadt und ihrem als unabdingbar hingestellten Garagen- projekt sparte man die Häuser Nr. 45 und 47 aus. Es gab zu dieser Zeit im Sanierungsbere ich genug Inte- ressenkonflikte mit der kommuna- len "Koordinierungsstelle Stadtsa- nierung" und der von der Kommune mit der Sanierung beauftragten "Neuen Heimat", die man nicht zu- sätzlich anheizen wollte, zumal erst später an eine Verwirkli chung der Neubauplanung auf beiden Grund- stücken gedacht werden konnte. War der ehemalige "Wilde Mann" schon bald in städtisches Ei- gentum übergegangen, stieß die of- fensive Erwerbungspolitik der Stad t, Voraussetzung für jedes Neubauvor- haben an dieser Stelle, bei den Ge- schwistern Schönherr auf taube Ohren. Angebote, so lukrativ sie auch waren, konnten sie über viele Jahre hinweg nicht zum Verkauf ih- res trad itionsreichen Elternhauses bewegen. Schon 1962 hatte Gertrud Schönherr einem Journalisten ge- genüber die Hoffnung geäußert, zu Ihren Lebzeiten den Abbruch nicht erl eben zu müssen. Dass die" Neue Heimat" Ende der siebziger Jahre ausgerechnet an der Brandwand un- mittelbar über dem Dach ihres Hau- ses e in demonstratives Bauschild zum Umbau des Nachbarhauses zur Rechten anbringen ließ und dabei entstandene Schäden erst nach är- gerlichen Ve rzögerungen repariert wurden oder einem interessierten Investor für das Hochgaragenpro- jekt 1983 sogar die Abbruchgeneh- migung für das Anwesen erteilt wur- de, obwohl es diesem gar nicht ge- hörte, ließ die alte Frau nicht ohne Sorge und Aufregung (vgl. Abb. 80). Das Jahr 1986 so llte einen Ein- schnitt markieren. Es war die Presse in Gestalt einer freischaffenden, an historischen und denkmalpflegeri- schen Fragen besonders interessier- ten Journalistin, die eine öffentliche Diskussion über die Häuser Kaiser- straße 45 und 47 in Gang setzte. Obwohl se lbst keineswegs vom Fach, erkannte sie nach umfangrei- chen Recherchen deren stad tge- schichtliche Bedeutung, schrieb Zeitungsartikel, in denen engagiert die Erhaltung gefordert wurde, und brachte damit - bei den betroffenen Ämtern verständlicherweise nicht nur auf Zustimmung stoßend - einen Stein ins Rollen: Der Vorsit- zende einer Gemeinderatsfraktion nahm sich des Themas an, das Lan- desdenkmalamt überprüfte se ine bisherige Haltung und legte auf Grundlage der neuen Erkenntnisse eine umfangreiche Begründung zur Denkmaleigenschaft vor, schließ- lich beschäftigte sich auch der Ge- meinderat zwe imal mit der Angele- genheit. Das Stadtplanungsamt, das in se iner Stellungnahme die städte- bau liche Situation als "kurios" be- ze ichnete und deshalb weiterhin für Abbruch und sechsgeschossigen Neubau plädierte, konnte ebenso 87 wie die Koordinierungss telle Stadt- sanierung die bisherige Zielsetzung nicht mehr aufrechterhalten. Die Stad t akzeptierte die Denkmalei- genschaft schließ lich, das alte Über- bauungsprojekt wurde zu den Akten gelegt und die Abbruchgenehmi- gung für beide Häuser zurückgezo- gen. Der "Wilde Mann" fand in der Folge e inen Interessenten in Form eines Bauträgers, der eine Objektsa- nierung anstrebte, und auch die Ge- schwister Schönherr trennten sich in der Meinung, ein Abbruch sei endlich abgewendet, nun von ihrem bereits se it vier Jahren leerstehen- den Familienerbe. Wer nun glaubte, die Geschichte der Häuser Kaiserstraße 45 und 47 habe 1986 endlich eine glückliche Wendung genommen, musste sich bald eines Besseren belehren lassen: Die Erhaltung der Kulturdenkmale entwickelte sich zur unendlichen Geschichte. Beim unbewohnten "Wilden Mann" stürzte in einer Nacht des Jahres 1988 der lange ver- nachlässigte Sei tenflügel im Hof ein. Der bald darauf von privater Seite tatsächlich in Angriff genom- mene Umbau, der das äußere Bild respektierte, wurde bei Fertigstel- lung 1991 in der Presse als eines der ersten positiven Beispiele des Um- gangs mit der gebauten Karlsruher Frühgeschichte gepriesen (vgl. Abb. 82 ). Dagegen sah es beim weitge- hend leerstehenden ehemaligen Schönherrschen Anwesen, das bis- her baulich in deutlich besserem Zustand gewesen war, immer düste- rer aus. Der neue Eigentümer erwies sich als finanziell überfordert und konnte die Sanierung trotz mancher Ansätze, denen se it 1990 erste Bau- 88 substanz zum Opfer fiel, nicht in die Wege leiten. Sieben Jahre nachdem die Schönherrs ve rkauft hatten, stand im Februar 1993 die Zwangs- versteigerung an. Starker finanziel- ler Druck lastete von jetzt an auf dem Anwesen. Tatsächlich wurde das Haus weit über Einschätzung versteigert, wobei nur dem Grund- stück in lukrativer Innenstadtlage wirtschaftlich relevanter Wert zu- kam, der alten Bausubstanz nicht. Unter rein kaufmännischen Ge- sichtspunkten schien allein ein Ab- bruch und ein sechsgeschoss iger N eubau in Höhe des westlichen Nachbarn sinnvoll. Kleine Studen- tenappartements versprachen hier vis-a-v is der Universität eine lukra- tive Rendite, gerade zu jener Zeit spürbaren Wohnraummangels. Das Landesdenkmalamt und die Untere Denkmalschutzbehörde wurden vor diesem Hintergrund mehr als einmal zum Nachgeben gedrängt, war die Denkmaleigenschaft doch auch jetzt noch keineswegs einfach zu vermitteln . "Lächerliche Bara- cke" oder "altes G eraffei" waren Ausdrücke, die d ie Denkmalpfleger zu hören bekamen . "Muss sich ein Baudenkmal wirtschaftlich rech - nen ?" , mit dieser Überschrift brach- te die Presse die Problematik auf den Punkt. Zu allem Ungemach sollte die Zwangsversteigerung nicht die einzige bleiben . Der Käu- fer, der versicherte, mit dem Haus denkmalpflegerisch sensibel umzu- gehen, erwies sich wegen Spekulati- onen in den neuen Bundesländern schon nach wenigen Wochen als insolvent, sodass das "Seilerhäus- chen" - unter dieser Bezeichnung wurde es nun in der Presse zu einem festen Begriff - im August 1993 er- neut unter den Hammer kam. Es so llte sich bald als Tragik erweisen, dass der Kaufpreis weiter in die Höhe getrieben wurde. Die Volks- wohnung, die Wohnbaugese llschaft der Stadt Karlsruhe, die mitbot, kam nur knapp nicht zum Zuge. Die dritten Eigentümer seit 1986, ein Karlsruher Geschäftsmann und seine Frau, waren bester Absicht, als sie sich auf die Sanierung des Hau- ses einließen. Rasch ging die Pla- nung vonstatten mit einem Archi - tekten, dem man auch von Seiten des Denkmalamts e iniges zutraute. Erstmals hielt nun ein genaues und formgetreues Bauaufrnaß eines re- nommierten Fachbüros die vorhan- dene Bausubstanz vo llständig auf dem Papier fest . Eine dendrochro- nologische Untersuchung der Höl- zer brachte ein Ergebnis, das als klei- ne Sensation gewertet werden muss- te: Ging man aufgrund der Schön- herrschen Familienüberlieferung immer von einer Errichtung in den späteren 1730er-Jahren aus, so konnte nun mit S icherheit festge- stellt werden , dass das Haus bereits 1723 gebaut worden war und damit heute das nachgewiesen älteste Wohnhaus des historischen Kerns der 1715 gegründeten Residenzstadt Karlsruhe ist, sieht man von den noch nicht genauer untersuchten Modellhäusern Waldstraße 5, 7 und 9 ab. Über das Konzept von Sanie- rung, Um- und teilweisem N eubau im Hofbereich - vorgesehen waren insgesamt elf Studentenapparte- ments - wurden sich die Beteiligten 1994 rasch einig, sodass die Bauge- nehmigung im Herbst des Jahres er- teilt wurde. Die Bauarbeiten began- nen im Januar 1995 mit dem Ab- bruch von Teilen der Bausubstanz. Das Landesdenkmalamt hatte sich in dieser Hinsicht wie fünf Jahre zuvor beim N achbarhaus Nr. 45 durchaus großzügig geze igt, um dem Haus überhaupt eine Zukunftspers- pektive zu eröffnen . Innerhalb kur- zer Zeit zeigte sich das Seilerh äus- chen mit abgeschlagenem Putz, he- rausgerissenen Böden , Türen und Holzverkleidungen in beunruhigend ruinösem Zustand , wozu auch ein gewaltiges Loch für eine nachträg- liche Unterkellerung im Bereich des Vordergebäudes beitrug. Die Arbei- ten kamen jedoch bald ins Stocken, wofür mehrere G ründe verantwort- lich waren. Der Fund von Pilzen an einer Stelle des tragenden Holz- werks ließ die Eigentümer, die sich kurz zuvor an e inem anderen denk- malgeschützten Obj ekt mit einer äußerst teuren Hausschwammbe- kämpfung hatten herumschlagen müssen, das Schlimmste befürchten. Ein e ingeholtes G utachten e ines Biologen , der eine Fülle von Pilz- sporen entdeckte, wurde von ihnen in ganz anderer Weise interpretiert als vom Landesdenkmalamt. Ü ber den ungenehmigten A bbruch der Seilerbahn im Hof wie auch wegen der Ablehnung eines N achtragge- suchs, in dem die Bauherren eine massive N achverdichtung mit einer viergeschoss igen Hofbebauung er- reichen wollten, kam es zu Verstim- mungen mit den Behörden . Da der bisherige Kostenvoranschlag des Architekten nicht mehr zu halten war, sahen sich die Eigentümer schließlich zur Einstellung aller Bau- arbeiten gezwungen . Drei lange Jahre, bis 1997, so llte das Schicksa l des Schönherrschen Hauses auf Messers Schne ide ste- hen . Von der Kaise rstraße war für jeden Passanten die rasch fortschrei- tende Verwahrlosung zu erkennen - trotz der angeblich schützenden Fo- lien, die immer wieder vom Wind zerissen wurden und hinter denen sich im Gehwegbereich weggewor- fener Müll sammelte (vgl. Abb. 84 und 85 ). Hinter den Kulissen sah es noch schlimmer aus: Hüfthoch wucherte im Hof bald das Unkraut auf dem Bauschutt, der den Boden bedeckte. Im Hausinneren nisteten Tauben , ihr Kot überzog die weni- gen Flächen , die noch betreten wer- den konnten. Der Tiefpunkt war sicherli ch im Oktober 1996 er- re icht, als di e Eigentümer den An- trag zum Abbruch e inre ichten. Selbst Optimisten wollten nun nicht mehr an e ine Zukunft für das Ge- bäude glauben. Dennoch sollte sich die Angele- genheit nochmals zum Besseren wenden. Ein Wunder war di es nicht, sondern das Ergebnis einer Gemein- schaftsaktion aller Bete iligten , nachdem sich die Einsicht verbrei- tet hatte, dass es hier eine besonde- re Verantwortung gab. N ach mona- telangem Warten bestätigte die ge- naue Schadenskartierung an der Fachwerkkonstruktion die Auffas- sung des Landesdenkmalamts, dass nur maximal 20% der Hölzer ausge- tauscht werden mussten. Eine zu - nehmend größere Ö ffentlichkeit ar- tiku lierte ihr Unverständnis über das Siechtum des "Seilerhäus- chens". Aus den Reihen des Bürger- vereins Altstadt, der sich schon in den achtziger Jahren für das Gebäu- de e ingesetzt hatte, wurde e in Ver- ein gegründet , der sich laufend mah- nend zu Wort meldete und im Badi- schen Landesmuseum sogar mit ei- ner kle inen Ausste llung auf das Schönherrsche Haus hinwies. Ent- scheidend wurde schließlich das En- gagement auf po litischer Ebene. Anfragen verschiedener Parte ien des Gemeinderats forderten die Stadtverwaltung auf, einen Ab- bruch abzulehnen. Die Baubürger- meisterin, für den Denkmalschutz bei der Stadt e igentli ch gar nicht zuständ ig, nahm die Sache persön- lich in die Hand und lud alle betei- ligten Ämter bei S tadt und Land zusammen mit den Eigentümern zu mehreren gemeinsamen Gesprächs- runden e in, auf denen sich dann ein Lösungsweg abzuze ichnen begann. Die Eigentümer ze igten sich zum Verkauf bereit, und in der Volks- wohnung, die in der le tzten Verste i- gerung den Zuschlag nur knapp ver- passt hatte, fand sich ein poten- tieller Käufer, der vor dem Hinter- grund des Engagements ihrer Auf- sichtsratsvorsitzenden in Person der Baubürgermeisterin bereit war, das in der Zwischenze it zum Sorgenkind gewordene H aus zu re tten . Bei der zunächst unlösbar scheinenden Finanzierungsfrage - die Eigentümer erwarteten, dass ihre nicht unerheb- lichen Auslagen für die gescheiterte Sanierung wenigstens te ilweise wieder hereinkommen so ll ten - fand sich schließlich auch e in Aus- weg. Die Denkmalstiftung des Lan- des Baden-Württembe rg ste llte e i- nen namhaften Zuschuss zum Kauf- preis in Aussicht, sodass das Gebäu- de oder das, was nach elf Jahren Leerstand und e inem abgebroche- 89 nen Umbau davon übriggeblieben war, zu Weihnachten 1997 in H än- de kam, di e in der Lage und willens waren, sich der komplexen Heraus- forderung zu ste llen. Der e inmalige Fund eines Brunnenschachts mit er- haltener Pumpvorri chtung im H of, vor allem aber die Fülle von histori- schen Erkenntnissen über das Leben und die bauliche Entwicklung im Karlsruhe des 18. und 19. Jahrhun- derts, die die genaue wissenschaft- liche Beschäftigung mit der Bausub- stanz durch die S tudenten des Auf- baustudiums A ltbauinstandsetzung der Universität Karlsruhe 1998 zu Tage brachte, demonstrieren , dass sich der Aufwand lohnte. Die Ein- tragung des Gebäudes a ls Kultur- denkmal von besonderer Bedeutung ins Denkmalbuch des Landes Ba- den-Württemberg bildete im März 1999 die Konsequenz aus diesen Forschungen. Das Schönherrsche Haus hat G lück gehabt - oder vie lmehr die Einwohner und Besucher von Karls- ruhe, di e auch in Zukunft an e inem äußerst raren authentischen Beispiel etwas über die Geschichte der Stadt von ihren Anfängen bis zur Gegen- wart erfahren können. Selbstver- ständlich war diese Fügung nicht. Das ze igen die C hronologie der Er- eign isse se it 1962 und nicht zule tzt andere Beispiele in Karlsruhe, be i denen der Wille zur Erhaltung n icht vorhanden war und es zu keiner konzertierten Aktion kam. In Erin- nerung ge rufen werden so llen nur jene dre i stattlichen klassizistischen Bürgerhäuser in der Blumenstraße, die 1998 nach langem Ringen und keineswegs mit nachvo llziehbarer Notwendigkeit der Erweiterung des 90 Bundesgerichtshofs geopfert wur- den. Und auch heute noch fristen wie seit Jahrzehnten die drei der Ba- dischen Beamtenbank gehörenden Modellhäuser aus der Gründungs- ze it von Karlsruhe in der Waldstra- ße ein nur als Platzreserve für einen Neubau geduldetes Dasein. Dokumentation Die Chronologie zur Hausgeschich- te zwischen 1962 und 1999 wurde zusammengestellt auf Grund lage folgender Quellen: Akten (Bauord- nungsamt Karlsruhe, Landesdenk- malamt Baden-Württemberg, Au- ßenstelle Karlsruhe, Bürgervere in Altstadt), Zeitungsausschnitte (Pri- vatbes itz Karlsruhe, Stadtarchiv Karlsruhe, Untere Denkmalschutz- behörde Karlsruhe, Landesdenkmal- amt Baden-Württemberg, Außen- stelle Karlsruhe, Bürgerverein Alt- stadt) , Adressbücher (Stadtarchiv Karlsruhe). Sanierung heißt Abbruch. Die Jahre 1962-1986 26. Juli 1962 Zeitungsartikel von "hae" in "All- gemeine Zeitung": "Stammhaus ei- nes alten Geschlechts. Geschichte und Tradition am Rande der Kaiser- straße". Geschildert wird die Ge- schichte der Seilerfamilie Schön- herr, in deren Besitz sich das Haus Kaiserstraße 47 seit 1739 befindet. Der Autor schreibt: "Die Annah- me, daß derartige alte Häuser unter Denkmalschutz ständen, trifft nicht zu, wenigstens ist der derzeitigen Be- 74 sitzerin nichts davon bekannt. Sie hofft nur, daß das Haus be i ihren Lebzeiten nicht auch der Moderni- sierung der Stadt zum Opfer fä llt." (Abb. 74, vgl. Abb. 73) 1962 Die Stadt erweitert den Planungsbe- reich der A ltstad tsanierung, die se it den fünfziger Jahren betrieben wur- de und zunächst nur den Durch- bruch der späteren Fritz-Erler-Stra- ße von der Kaiserstraße zur Rüppur- rer Straße zum Ziel hatte. Nun ist für die nächsten Jahre der großflä- chige Abbruch aller Bausubstanz im dicht bewohnten G ebiet zwischen Kaiserstraße, Kape llenstraße und Adlerstraße geplant. Damit ist zu- sammen mit der gesamten Zei le an der östlichen Kaiserstraße zwischen Waldhornstraße und Durlacher Tor auch die Beseitigung der beiden 74 Kaiserstraße 45 und 47 ( 1973). Häuser Kaiserstraße 45 und 47 vor- gesehen. Die Eigentümer der Ge- bäude verzichten von nun an auf jede Investition zur Hauserhaltung oder -renovierung. /965 Der Braunschweiger Architektur- professor Friedrich Wilhelm Krae- mer erhält von der Stadt den Auf- trag, einen Bebauungsplan für den Sanierungsbereich zu erstellen. Ent- lang der Kaiserstraße sieht se in Pro- jekt einzelne Wohn- und Bürohoch- häuser vor. Sie erheben sich auf ei- ner palettenartigen Überbauung des gesamten Bereichs, unter der ausrei- chend Abstellflächen für Autos ge- schaffen werden sollen . (Abb. 75). 1970/71 Nachdem vor allem aus A rchitek- tenkreisen Kritik gegen eine Direkt- vergabe an Kraemer laut geworden ist , veranstaltet die Stadt einen in- ternationalen Wettbewerb zur N eu- bebauung. Das Programm der Aus- schreibung geht weiterhin vom flä- chigen Abbruch aller G ebäude bis zum Durlacher Tor aus. Das Mün- chener Architekturbüro Hilmer & Sattler erhält einen der ersten Prei- se. Vorgesehen ist in seinem Projekt eine neue, hohe Blockrandbebau- ung entl ang der Kaiserstraße. Im Blockinneren sollen inselartig eini - ge alte Häuser des "Dörfle" um Zäh- ringer- und Durlacher Straße erhal- ten bleiben (Abb. 76). Das Haus Kaiserstraße 45 wird im Hinblick 75 auf einen Abbruch von der S tadt er- worben . Gertrud Schönherr, zusam- men mit ihrer Schwester Eigentü- merin von Nr. 47, weige rt sich be- harrlich , das Anwesen zu verkaufen . S ie bewohnt das Haus und betreibt den Seilerwarenladen , dessen Ein- nahmen ihre Existenz sichern . 1971 Die Stadt überträgt die weitere Pla- nung der Altstadtsanierung der N euen Heimat Baden-Württem- berg. Fünf Preisträgergruppen des Architektenwettbewerbs e rhalten den Auftrag, ihre Einsendungen zu überarbeiten. 1972 Die Stadt legt das überarbeitete Konzept des Büros Hilmer & Sattler der we iteren Planung der Altstadt- sanierung zugrunde. Das Proj ekt geht im Gegensatz zu den bisherigen Überlegungen nun auch im östli- chen Sanierungsbereich entlang der Kaiserstraße von einer Objektsanie- rung aus (Abb. 77) . 1977 Hilmer & Sattler publizieren ihre Dokumentation zur Untersuchung an historischen Gebäuden im östli- chen Bere ich der Altstadtsanierung. Die H äuser Kaiserstraße 45 und 47 werden nicht erfass t , da sie im Un- terschied zu den hauptsächlich his- toristischen N achbarbauten an der Kaise rstraße weiterhin zum Ab- bruch vorgesehen sind, um hier eine Quartiershochgarage mit Gewerbe- flächen und einigen W ohnungen zu realisieren . Im Text der Veröffentli- chung he ißt es zu diesen be iden G rundstücken : "Die östliche Kai- serstraße ist als breiter Straßenraum geprägt von e iner Randbebauung der Gründerze it. Der Bebauungs- 91 75 Projekt der Neubebauung der Altstadt von Friedrich Wi lhelm Kraemer ( 1965). plan sieht in diesem Bereich e in Parkhaus zur Versorgung des gesam- ten Blocks B2 vor. Die Zufahrt er- folgt von der Kaiserstraße. Die Form der mehrgeschoss igen Hochgarage auf zwe i z. Z. nur ge ring bebauten G rundstücksparze llen wurde ge- wählt, um den Eingriff in die vor- handene Parze llenstruktur zu ver- meiden , den e ine Tiefgarage im In- nenhof bewirkt hätte. Damit wird dem Sanierungsz iel einer objektwe i- sen Modernisierung in ze itlich un- abhängige r Folge entsprochen . U m die Kontinuität von Nutzu ng und Gestalt in der Kaiserstraße nicht zu stören , ist dem Parkhaus e in Wohn- und Geschäftsh aus vorgelagert." (A bb. 78 ) 92 76 Wettbewerbsentwurf zur Bebauung der Altstadt von Hilrner & Sattler ( 1971) . 77 Bebauungsplan für die Altstadt von Hilrner & Sattler (1974) . [][] [][] 78 Es regt sich keinerle i Wider- spruch gegen dieses Konzept, auch nicht vom Landesdenkmalamt, das nach Inkrafttreten des Denkmal- schutzgesetzes 1972 die beiden Häu- ser im Rahmen der denkmalpflegeri- schen Begleitung des Sani erungs- projekts ni cht als Kulturdenkmale benennt. 1978 In der von der Unteren Denkmal- schutzbehörde erste llten und mit dem Landesdenkmalamt abge- stimmten vorläufigen Denkmalliste sind die Häuser Kaiserstraße 45 und 47 als Kulturdenkmale gemäß § 2 Denkmalschutzgese tz erfasst . Dies hat jedoch auf die weitere Planungs- praxis keinen Einfluss. (Abb. 79,80) Ende 1982 Gertrud Schönherr gibt den Seiler- warenladen aus Altersgründen auf. Sie zieht zu ihrer jüngeren Schwes- ter. Seit diesem Zeitpunkt steht das Haus Kaiserstraße 47 lee r, e in der Familie bekannter Handwerker sieht jedoch regelmäßig nach dem Rechten und kümmert sich um die notwendigsten Reparaturen . Kaiser- straße 45 , seit dem 18. Jahrhundert "Gasthaus zum Wilden Mann" und in der Nachkriegszeit zunächst a ls "Cafe Traut", se it den sechziger Jah- ren a ls "Weinstube Bacchus" be- kannt, wird von der Stadt als Eigen- tümerin ebenfalls geräumt. 21. Januar 1983 Zeitungsa rtike l von Gerhard Aug- ste in in den "Badische Neueste Nachrichten": "Das Tauziehen um ein Seilerwaren-Gesch äft . Gertrud SchönheIT schloß für immer die Tür zu ihrem kleinen Laden" . 1983 Kaiserstraße 45 wird von der Stadt auf Abbruch an e inen Bauträger verkauft, der gemäß dem Sanie- rungskonzept von Hilmer & Sattler 78 Projekt einer Hochgarage mit Wohn- und Geschäftshaus anstelle der Modellhäuser Kaiserstraße 45 und 47 von Hilmer & Sattler (1975). 93 auf den G rundstücken Nr. 45 und 47 eine Hochgarage mit zur Kaiser- straße o rientierten Studentenwoh- nungen, Läden und Büros realisie- ren möchte. Für Kaiserstraße 47 be- sitzt er eine Kaufoption . Der Bauan- trag wird geste llt. Anlieger an der Zähringer Straße erheben vergeb- lich Einspruch gegen die Hochgara- ge und das Fällen von fünf Bäumen auf den beiden Grundstücken. 26. November 1983 Der Bauträger erhält von der Stadt die Abbruchgenehmigung für Kai- serstraße 45 und 47, wobei sich Nr. 47 noch im Eigentum der Geschwis- ter Schö nherr befindet. Februar 1984 Das Bauordnungsamt erteilt dem Antrag die Genehmigung. Das Pro- jekt zerschlägt sich jedoch aufgrund des Zögerns der Geschwister Schön- herr zu verkaufen, aber auch aus wirtschaftlichen G ründen . Das gro- ße Parkhaus an der Fritz-Erler-Stra- ße erweist sich a ls ausre ichend in- nerhalb des Quartiers. Die Stadt kauft Kaiserstraße 45 vom Bauträger zurück und sucht nun e inen neuen Investor für e ine fünfgeschossige Neubebauung mit Büros und Woh- nungen. Verschiedene Interessen- ten melden sich bei der Koordinie- rungsstelle Stadtsan ierung. 94 79 Kulturdenkmal ja oder nein? Das Jahr 1986 April 1986 Die Baugenehmigung für die Hoch- garage mit Wohn- und Geschäfts- haus anste lle der Häuser Kaiserstra- ße 45 und 47 wird vom Bauord- nungsamt verlängert. Eine zunächst interessierte Bauherrengemeinschaft zieht sich jedoch wieder von dem Projekt zurück. Die freischaffende Journalistin Traudl Schucker recherchiert für ihre stark beachtete A rtikelserie "Sterbende Häuser in unserer Stadt" im Karlsruher Wochenblatt "Der Kurier" über die Geschichte des Hauses der Seilerei Schönherr. Sie besichtigt das leerstehende Haus zusammen mit Dipl. -Ing. Hanno Brockhoff, einem Mitarbeiter des Instituts für Baugeschichte der Uni- versität. Der Baugeschichtler er- kennt das Haus als einmaliges Do- kument aus der Gründungsphase der Stadt. Die Journalistin findet in Prof. Dr. Rolf Funck, dem Vorsitzen- den der FDP-Gemeinderatsfraktion, einen Politiker, der sich ebenfalls für die Erhaltung der beiden Gebäude einsetzen will. 22 . April 1986 Stadtrat Prof. Dr. RolfFunck (FDP) sowie die FDP-Gemeinderatsfrakti- on stellen der Stadtverwaltung ei- nen Antrag zu m "Erhalt der Häuser Kaiserstraße 45 und 47" : Die Stadt möge das G rundstück Kaiserstraße 47 erwerben, die Abbruchgenehmi- gungen zurückziehen, die beiden Gebäude zur Aufnahme in die Denkmalliste melden und ein Sa- nierungs- und Nu tzungskonzept er- arbeiten . 25. April 1986 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Der Kurier": "Sterbende Häuser in unserer Stadt. Kaiserstraße 45 und 47". (Abb. 80) 79 Kaiserstraße 47 (I 975) . 26 . April 1986 Zeitungsart ikel von "knp" in den "Badische Neueste N achrichten": "Kaiserstraße 45 und 47 : FDP will Häuser erhalten". 13 . Mai 1986 Der Antrag von Prof. Dr. Ra lf Funck und der FDP-Gemeinderats- fraktion wird in der 20. Plenarsit- zung des Gemeinderats behandelt. In der Stellungnahme der Verwal- tung heißt es: "Das Stadtplanungs- amt ist der Auffassung, daß die bei- den angesprochenen H äuser durch Neubauten ersetzt we rden so ll ten . Die H äuser sind eingezwängt in eine fünfgeschossige G ründerze itbebau- ung im Westen und eine sechsge- schossige Bebauung der Nachkriegs- zeit im Osten. Der äußerliche Ein- druck der Bausubstanz ist schlecht; das Erscheinungsbild der Häuser selbst ist im Kontext der Kaise r- straßen-Bebauung in diesem Be- reich kurios. Wie die AntragssteIler schreiben , sind beide Anwesen nicht denkmalgeschützt." Der An- trag wird in den Hauptaus chuss verwiesen . 15. Mai 1986 Das Regierungspräsid ium als Höhe- re Denkmalschutzbehörde wendet sich in einem Schreiben an das Lan- desdenkmalamt mit der Bitte um Stellungnahme zum Pressebericht und dem Gemeinderatsantrag. 19. Mai 1986 Eine Gesprächsrunde zwischen der Koordinierungsste lle Stadtsanie- 80 81 rung, dem Stadtplanungsamt, der Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesdenkmalamt be- handelt die Frage e iner möglichen Denkmaleigenschaft der Gebäude Kaiserstraße 45 und 47 . 23 . Mai 1986 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Der Kurier" : "Kuriositäten" . Der Bericht setzt sich ironisch mit der Behand lung des Themas in der Gemeinderatss itzung, vor allem mit 80 Kaiserstraße 45 und 47 ( 1980) . 81 Hof des Hauses Kaiserstraße 47 (J 986). 95 der Stellungnahme des Stadtpla- nungsamts, auseinander. "Wie wir vom zuständigen Landesoberkonser- va tor [ ... ] erfuhren , wurde damals se itens der Stadt das Proj ekt Park- haus so unabdingbar dargestellt, daß die Behörde - wenn auch schweren Herzens - auf eine Unterschutzs teI- lung verzichtete und dem Abriss zu- stimmte - eine Entscheidung, die sich heute nur schwer nachvo llzie- hen läßt." 4. Juni 1986 Die Koordinierungsste lle Stadt- sanierung äußert sich in einem Schreiben an das Landesdenkmal- amt: Die Besprechung vom 15. Mai habe unterschiedliche Standpunkte ergeben . Die S tadtverwaltung se i einheitlich mit Architekt Sattler der Auffassung, das bisherige Kon- zept we iterzuverfolgen, die Häuser abzubrechen und die Grundstücke neu zu bebauen. "Die Zustimmung zum Wunsch des Landesdenkmal- amts, di e geänderte Einschätzung der Häuser in einem gemeinderätli- chen Ausschuß vortragen zu dürfen, kann aller Voraussicht nach nicht gegeben werden." Die Auffassung des Landesdenkmalamts solle schriftlich vorgelegt werden. 3. Juli 1986 Das Landesdenkmalamt nimmt ge- genüber der Unteren Denkma l- schutzbehörde sowie dem Regie- rungspräsidium a ls Höherer Denk- 96 malschutzbehörde ausführlich zu r Denkmaleigenschaft Stellung: "Zur Haltung des Landesdenkmalamts in Bezug auf diese beiden Häuser muss auf das Jahr 1970 zurückgegriffen werden . Der Wettbewerb zur Neu- ordnung des Dörflebereiches wurde zu einer Zeit veranstaltet, als Baden- Württemberg noch kein Denkmal- schutzgesetz besaß. Das seinerze it tätige Staatliche Amt für Denkmal- pflege als Vorgänger des Landes- denkmalamtes hatte im Rahmen des Wettbewerbs nur allgemeine Hinweise zur städtebaulichen Situa- tion und punktuell zu bestimmten Gebäuden geben können. Ein rechtlich abges icherter Denkmal- schutz war seinerseits nicht gege- ben. Im Rahmen der Bearbeitung des schließlich verfolgten Entwurfes wurden abges ichert durch das Denkmalschutzgesetz vom Landes- denkmalamt weitergehende Forde- rungen erhoben , die in Anbetracht der auch von ihm mitgetragenen Sanierung sich vor allem auf die Be- reiche konzentrierten, für die von hier aus eine denkmalpflegerisch angemessene Sanierung in Aussicht stand. Dies waren in erster Linie die Brunnenstraße mit Teilen der Wald- hornstraße. Für den Bereich Kaiser- straße 45/47 war ein Parkhaus vor- gesehen, an dessen Notwendigkeit als Voraussetzung für eine sinnvolle Ordnung des Stadtteils nicht ge- zweifelt werden konnte. Da die bei- den Häuser des städtebaulichen Zu- sammenhangs entbehrten und nicht mit künstlerisch gestalteten Fassa- den versehen waren, hat das Lan- desdenkmalamt wegen der grund- sätzlichen und sicherlich in Teilbe- reichen auch einengenden Schärfe seiner se inerze it erhobenen Forde- rungen im Vorfeld zu erwartender Lösungen auf die Benennung der beiden Gebäude als Kulturdenkmal verzichtet. [ ... ] Vor die em Hinter- grund hat das Landesdenkmalamt sicherlich versäumt, früher auf die Bedeutung der Gebäude Kaiserstr. 45/47 für die Geschichte der Stadt hinzuweisen . Dies auch mangels Kenntnis des Alters der Objekte. Offensichtlich handelt es sich eben doch um zwei für die frühe Stadtge- schichte bedeutsame Anwesen, die in ihrem inneren Aufbau, ihrer Konstruktion und ihrem Erschei- nungsbild Zeugnis für die frühe Bebauung der Langen Straße zwi- schen Durlach und dem neugegrün- deten Karlsruhe noch außerhalb der eigentlichen Stadt ablegen . Der wissenschaftliche und he imatge- schichtliche Wert der Häuser ist hoch anzusetzen . Sie sind aus vor- wiegend heimatgeschichtlichen Gründen als Kulturdenkmale im Sinne des Denkmalschutzgese tzes anzusprechen. Nachdem das ur- sprüngliche Vorhaben, anstelle der Häuser ein Parkhaus zu errichten, aus mehreren Gründen nicht mehr verfolgt wird, sieht das Landesdenk- malamt keine Notwendigkeit zum Abbruch der Gebäude. Die Vorbe- lastung der Grundstücke mit Pla- nungskosten allein kann nicht Grund dafür sein, wider besseren Wissens und neuer Erkenntnis weiterhin vom Abbruch der Gebäu- de auszugehen. Da beide Gebäude bis vor kurzem genutzt waren, ist anzunehmen , daß der konstruktive Bestand der Häuser ihre weitere Er- haltung nach Objektsanierung zu- läßt. Das Landesdenkmalamt fordert die Stadtverwaltung deshalb auf, al- les zu unternehmen, was die weitere Erhaltung der beiden Gebäude im öffentlichen Interesse für die Zu- kunft gewährleistet." 4. September 1986 Stadtrat Prof. Dr. Rolf Funck (FDP) und die FDP-Gemeinderatsfraktion stellen einen Antrag zur Behand- lung des Themas Denkmalschutz in der nächsten öffentlichen Gemein- deratssitzung: Angesichts eines als gebrochen bezeichneten Verhältnis- ses der Stadt zu ihrer eigenen Bau- geschichte werden verschiedene denkmalpflegerische Problemfälle angesprochen: Rappenstraße 23-25, Blumentorstraße 10, Zehntscheuer Durlach, ehemalige Durlacher Fa- yence in der Pfinzstraße, Badener Straße 9a-b, Stephanienstraße 38/ 40 und Kaiserstraße 45/47 . Neben dem Antrag, die Stadt so lle ihre Kulturdenkmäler se lbst inventari- sieren, wird nochmals die Forderung erhoben, die Modellhäuser in der Kaiserstraße zu erhalten . 5. September 1986 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Der Kurier": "Sterbende H äuser in unserer Stadt. Nochmals: Kaiser- straße 45 und 47". 7. Oktober 1986 Der Antrag von Prof. Dr. Rolf Funck und der FDP-Gemeinderats- fraktion wird in der 25. Plenarsit- zung des Gemeinderats behandelt: In der Stellungnahme von Oberbür- germeister Prof. Gerhard Seiler wird der Vorwurf, die Stadt Karlsruhe habe ein gebrochenes Verhältnis zu ihrer eigenen Baugeschichte, zu- rückgewiesen. Die neue Meinung des Landesdenkmalamts zu den Häusern Kaiserstraße 45-47 fließe selbstverständ lich in die weiteren Überlegungen mit ein. "Auch dem Landesdenkmalamt ist es nicht ver- wehrt, bei se iner Beurteilung zu neuen Erkenntnissen zu ge langen. Sofern die Stadt als untere Denk- malschutzbehörde oder der Gebäu- deeigentümer diese Entscheidung nicht hinnehmen wollen oder kön- nen, ist eine Entscheidung des Re- gierungspräsidiums als höherer Denkmalschutzbehörde oder letzt- lich eine verwaltungsgerichtliche Klärung herbeizuführen." Herbst 1986 Der Bürgerverein Altstadt weist in einem Schreiben an die Stadt Karls- ruhe auf den bau- und stadtge- schichtlichen Wert der Häuser Kai- serstraße 45 und 47 hin und schlägt die Sanierung durch die Stadt und die Einrichtung eines Altstadtmuse- ums vor. Erste Planungen zur Objekt- sanierung. Die Jahre 1986-1993 Herbst 1986 Das Bauordnungsamt zieht seine 1983 erteilte und noch im Frühjahr verlängerte Abbruchgenehmigung für beide Häuser zurück. Die Ge- schwister Schönherr verkaufen nun Nr. 47 an einen Bekannten der Fa- milie, einen Geschäftsmann, der das Haus sanieren will. G eldmangel ver- hindert jedoch einen sofortigen Pla- nungs- oder Baubeginn. Im ehema- ligen Seilerwarenladen eröffnet vor- läufig ein Copy-Shop, ansonsten steht das Haus weiterhin leer, eben- so wie se in N achbar, Kaiserstraße 45, welches sich in einem deutlich schlechteren Zustand befindet. 4. August 1988 Das Landesdenkmalamt gibt eine positive Stellungnahme für ein Pro- jekt zum Umbau des Hauses Kaiser- straße 45 . Antragsteller ist eine Karlsruher Treuhand- und Unter- nehmensberatungs G mbH, die fi - nanzkräftige Investoren sucht, die nach dem Bauherrenmodell Steuern sparen möchten . Sie will das H aus sanieren, um Eigentumswohnun- gen, vornehmlich Studentenappar- tements, zu verwirklichen. Mit der Planung ist ein Karlsruher Archi - tekt beauftragt. 1. September 1988 Der Bauantrag für Ka ise rstraße 45 wird beim Bauordnungsamt gestellt. Das Haus ist zu diesem Zeitpunkt noch Eigentum der Stadt und wird wie alle Wohnhäuser in Kommu- nalbesitz von der Volkswohnung, der Wohnbaugesellschaft der S tadt Karlsruhe, verwaltet. 25. September 1988 In der Nacht stürzt der rückwärtige Seitenbau des unbewohnten Hauses Nr. 45 ein, auch Teile der Brand- mauer zu Nr. 47 sind betroffen . Im Auftrag der Stadt erfolgen Siche- rungsmaßnahmen am Vorderhaus. Bald danach verkauft die Stadt an die interess ierte Treuhand- und Unternehmensberatung, nachdem rechtliche Fragen der Bezuschus- sung des Sanierungsvorhabens im Rahmen der Altstadtsanierung ge- klärt sind. 97 5. Oktober 1988 Eine Besprechung zwischen dem Eigentümer des Hauses Kaiserstraße 47, dessen Architekt und dem Lan- desdenkmalamt soll Klarheit über Sanierungsmöglichkeiten am Kul- turdenkmal schaffen. 15. Februar 1989 Das Bauordnungsamt erteilt die Ge- nehmigung für den Umbau des Hau- ses Nr. 45. Das Landesdenkmalamt hat größeren Eingriffen in die histo- rische Substanz des Modellhauses zugestimmt. Eine genauere Baudo- kumentation wird nicht gefordert. 30. Mai 1989 Zeitungsartikel von Matthias Kuld in "Badische N eueste Nachrich- ten": "Kaum mehr Gebäude aus der Gründerzeit Karlsruhes. Viele alte Häuser wurden Opfer der Stadtent- wicklung. Ende des 18. Jahrhun- derts begann die 'Stadtplanung'''. 5. Januar 1990 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Der Kurier": "Aus Karlsruhes Sandelkastenzeit. Kaiserstraße 45, 47 (Teil 1)". 12. Januar 1990 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Der Kurier" : "Aus Karlsruhes Sandelkastenzeit. Waldstraße 5 bis 9, Kaiserstraße 45 und 47 (Teil 2)". Frühjahr 1990 Der Umbau des Hauses Kaiserstraße 45 beginnt. Im Laufe der Arbeiten zeigen sich starke Schäden am Fach- werkgefüge der Straßenfassade. Die verfaulten Teile werden entfernt und die Erdgeschossfront in massi- 98 82 vem Mauerwerk neu aufgeführt. Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte östliche Gebäudeachse über der Durchfahrt in den Hof wird wieder- errichtet. Der 1988 eingestürzte Sei- tenflügel wird mit einer außen lie- genden Wendeltreppe in neuen For- men, aber in angepassten Proportio- nen und Materialien aufgebaut. 11 . Juli 1990 Der Eigentümer von Kaiserstraße 47 stellt eine Bauvoranfrage. Geplant ist der Abbruch des gesamten Sei- tenflügels und die Errichtung eines separat stehenden , quergelagerten Einfamilienhauses in modemen For- men im hinteren Grundstücksbe- reich. Ü ber die Zukunft des Vorder- hauses wird keine Aussage gemacht. 11 . Oktober 1990 Die Sparkasse Karlsruhe teilt dem Bauordnungsamt mit, dass der Ei- gentümer bei ihr Zahlungsverpflich- tungen habe und eine Zwangsver- steigerung des Hauses Nr. 47 vorge- sehen sei. 23. Oktober 1990 Das Landesdenkmalamt äußert ge- genüber der Unteren Denkmal- schutzbehörde Bedenken gegen den Antrag für einen isolierten Neubau hinter Kaiserstraße 47 und fordert eine weitere Abstimmung vor allem im Hinblick auf die künftige Verwendung des Vorderhauses. Zu- gestanden wird grundsätzlich der Abbruch der Remise in der Verlän- gerung des Seitenflüge ls sowie die Beseitigung der Seilerbahn. Das Projekt wird wegen der Zahlungs- schwierigkeiten des Eigentümers nicht weiterverfolgt, an Maßnah- men erfolgt nur der Abbruch der Remise, die Entfernung des Außen- putzes an den Hoffassaden sowie das 82 Kaisers traße 45 und 47 nach der Sanierung von Nr. 45 (J 99 1). Fällen von zwei großen Bäumen im hinteren Hofbereich . Mai 1991 Die Sanierung von Kaiserstraße 45 ist abgeschlossen und das Haus wird bezogen. (Abb. 82 ) 28. Mai 1991 Artikel von Annette Borchardt- Wenzel in " Badische Neueste Nach- richten": "Noch vor fünf Jahren zum Abbruch vorgesehen. 'Kuriosum' strahlt in modernisierter Pracht. Das 1737 errichtete Haus Kaiserstraße 45 saniert". Kommentar der glei- chen Autorin: "Lernprozeß". 7. Juni 1991 Zeitungsartikel von Helga Riedel in " Amtsblatt der Stadt Karlsruhe": "Abrissbagger vermieden. Zeuge der Geschichte in alter Frische. Kaiser- straße 45 für Studenten". 14 . Juni 1991 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Der Kurier": "Kaiserstraße 45: 'Ende gut - alles gut' . Baudenkmal erlebt 'Wiedergeburt''' . 20. August 1991 Zeitungsartikel von Cornelia To- maschko in "Badische Neueste Nachrichten": " Häuser in der Fä- cherstadt seit 1715. Einst lagen die kleinen Häuser auf dem Lande. Ge- bäude Kaiserstraße 45 und 47 stam- men aus den 30er-Jahren des 18. Jahrhunderts" . 83 Hof des Hauses Kaiserscraße 47 (1993) . Herbst 1992 Zeitungsartikel ohne Autorenan- gabe in "Altstadt aktue ll" 3/1992: "Ein trauriger Anblick". Zwei Zwangsversteigerungen. Das Jahr 1993 12. Januar 1993 Im Vorfeld der geplanten Zwangs- verste igerung findet im Haus Kaiser- straße 47 e ine Ortsbegehung statt, an der der Eigentümer, die Sparkas- se Karlsruhe, ein Kaufinteressent, das Bauordnungsamt und die Unte- re Denkmalschutzbehörde teilneh- men. Der potentielle Käufer macht deutlich, dass für ihn nur eine wirt- schaftliche Nutzung interessant sei. Die Sparkasse befürchtet, dass kein Käufer gefunden werden könne, wenn die denkmalrechtlichen Auf- lagen zur Erhaltung des Hauses bei- behalten würden. Der Eigentümer behauptet, es habe eine rechtskräfti- ge Abbruchgenehmigung vorgele- gen, als er das Haus 1986 kaufte, was von den städtischen Vertretern zu- rückgewiesen wird. (Abb. 83) 27. Januar 1993 Vertreter des Stadtplanungsamts und der Sparkasse sprechen über mögliche bauliche Eingriffe. 5. Februar 1993 Artikel von Traudl Schucker in "Der Kurier": "Muss sich ein Baudenkmal wirtSchaftlich rechnen? Seilereige- bäude droht Zwangsversteigerung". 83 8. Februar 1993 Stadtrat Prof. Dr. Rolf Funck, FDP, schreibt an Oberbürgermeister Prof. Gerhard Seiler und bittet das Stadt- oberhaupt in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Sparkasse, sich mit Nachdruck für den Erhalt des Gebäudes einzu- setzen . 12. Februar 1993 Artikel von Cornelia Tomaschko in "Badische Neueste Nachrichten": " Versteigerung des H auses Kaiser- straße 47 angesetzt. Eines der ältes- ten Gebäude Karlsruhes unter dem Hammer. Zuversicht, daß sich am 25. Februar ein Käufer findet" . 16 . Februar 1993 Oberbürgermeister Prof. Gerhard Seiler antwortet auf den Brief von Stadtrat Prof. Dr. Rolf Funck: Es werde alles getan, das Haus zu erhal- 99 ten. Eine Intervention im Vorstand der Sparkasse sei nicht notwendig. "Außerdem ist das eine Angelegen- heit des Vorstands, in die ich mich als Verwaltungsratsvorsitzender - strikt - nicht einmische. Aber die städtischen Ämter haben ja alles Mögliche im vorauseilenden Gehor- sam bereits getan." (Bauordnungs- amt: Bauakte). 25. Februar 1993 Das Haus Kaiserstraße 47 wird zwangsverste igert, wobei mehrere Bieter interessiert sind. Ersteigert wird das Anwesen, dessen Verkaufs- wert auf 400.000 DM geschätzt ist, durch eine in Kuppenheim ansässi- ge Grundstücks GmbH zu einem Preis von 610.000 Mark. 26. Februar 1993 Zeitungsartikel ohne Autorenangabe in "Badische Neueste Nachrichten": 100 "Studentenwohnungen in ehemali- ger Seilerei?" 26. Februar 1993 Zeitungsartikel von Helga Riedel in "Amtsblatt der Stadt Karlsruhe": "Erwerber können auf Hilfe der Stadt bauen". 18. März 1993 In einem Gespräch zwischen Lan- desdenkmalamt, Bauordnungsamt sowie dem neuen Eigentümer und einem von diesem herangezogenen Architekturbüro wird wiederum der denkmalpflegerische Rahmen für eine Sanierungsmaßnahme abge- steckt. Ziel des Landesdenkmalamts ist nun auch die Erhaltung des westlichen Seitenbaus. Zugestanden wird das Aufbringen eines ausge- bauten Pultdaches sowie eine zu- sätzliche Neubebauung gegen die Brandmauer zur Zähringer Straße. 2. August 1993 Erstmals ist die augenscheinlich zu- nehmende Verwahrlosung des leer- stehenden Hauses Thema der Be- hörden. Nach Feststellung der Un- teren Denkmalschutzbehörde sind einzelne Scheiben an den Fenstern zur Kaiserstraße eingeworfen, Tau- ben haben sich im Innern eingenis- tet. Das Bauordnungsamt versucht deshalb in den folgenden Tagen, Kontakt zum neuen Eigentümer auf- zunehmen. Dieser hat zu dieser Zeit jedoch kein Interesse mehr an die- sem Objekt, da er wegen Bauspeku- lation in den neuen Bundesländern zahlungsunfähig geworden ist. Den Kaufpreis hat er zudem noch nicht entrichtet. Die Sparkasse plant eine erneute Zwangsversteigerung. 25 . August 1993 Zeitungsartikel von Michael Nückel in "Badische Neueste Nachrichten": " Das Gründerhaus zum zweiten Mal unterm Hammer". 27. August 1993 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in " Der Kurier": "Kaiserstraße 47 . Chronologie zum Niedergang eines Baudenkmals" . 10. September 1993 Leserbrief von Dr. Erhard Hlou- schek in "Der Kurier" : "Ein Herz für die Vergangenheit". 30. September 1993 Die Sparkasse lässt das Haus erneut zwangsversteigern, wobei noch mehr Bieter auftreten als bei der Auktion im Februar. Der erzielte Kaufpreis steigt jetzt auf ca. 670.000 DM. Die Volkswohnung bietet als gemeinnützige Wohnbaugesellschaft der Stadt bis zum selbstgesetzten Limit von 660.000 DM mit. Der Zuschlag geht an einen Karlsruher Geschäftsmann bzw. an dessen Ehe- frau. Sie sichern die Erhaltung und denkmalgerechte Sanierung des An- wesens zu. Die gescheiterte Sanierung. Die Jahre 1993-1997 29. Oktober 1993 Bereits einen Monat nach Erwerb stellt der vom neuen Eigentümer- paar hinzugezogene Architekt, der dem Denkmalamt für seine pos itive Tätigkeit an Altbauten bekannt ist, eine Bauvoranfrage. Vorgesehen ist die Aufstockung des bestehenden Seitenbaus um eine volle Etage auf drei Geschosse. Das Vordergebäude soll wie die Seilerbahn im Hof sa- niert werden , wobei fü r Grundriss- änderungen starke Eingriffe in die historische Bausubstanz notwendig werden. Zusätzlich ist die Errich- tung eines neuen Bauteils als Q uer- bau an der Brandmauer gegen die Häuser an der Zähringer Straße ge- plant. Insgesamt soll das alte Seiler- haus elfStudentenappartements mit zusammen 26 Räumen aufnehmen. 22 . November 1993 Die Bauvoranfrage wird in denkmal- pflegerischer Hinsicht vom Landes- denkmalamt positiv beurteilt. 9. Mai 1994 Der Bauantrag wird gestellt, das Projekt entspricht der Voranfrage. Mai 1994 Ein auf historische Bauten speziali- siertes, weit über die Region hinaus bekanntes Karlsruher Architektur- büro erstellt im Auftrag der Bau- herren eine maßgerechte Bauauf- nahme des gesamten Baubestandes. Darüberhinaus werden dendrochro- nologische Untersuchungen ange- stellt. Sie führen zum überraschen- den Ergebnis, dass das Bauholz größtenteils im Jahr 1722 geschla- gen wurde und das Haus damit bereits im Jahr 1723 errichtet wor- den ist. Die ehemalige Seilerei , die bisher aufgrund einer Überlieferung in der Familie Schönherr als Bau der 1730er-J ahre datiert wurde, ist da- mit nachgewiesenermaßen älter als bisher angenommen und neben den noch nicht exakt datierbaren Ge- bäuden Waldstraße 5, 7 und 9 das älteste erhaltene Modellhaus der Residenzstadt Karlsruhe. 16 . August 1994 Das Landesdenkmalamt gibt seine Zustimmung zum Bauantrag unter zehn Auflagen. Sie sollen die weite- re Abstimmung bei den G rundriss- veränderungen, die geforderte Bau- dokumenta tion sowie Deta ilfragen wie Putzart , Fensterkonstruktion, Farbigkeit der Flächen im Inneren und Äußeren sowie das Material der Dachdeckung regeln. 13. Oktober 1994 Das Bauordnungsamt erte ilt die Baugenehmigung. 22 . Dezember 1994 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in " Badische Neueste N achrichten": " H offnung für ältestes Haus. Um- bau und Sanierung des 'Seilerhäus- chens' sind geplant". Januar 1995 Die Bauarbeiten beginnen. 11 . Januar 1995 Bei einer Besprechung zwischen Architekt und dem zuständigen Oberkonservator des Landesdenk- malamts werden , den Auflagen der denkmalrechtlichen G enehmigung entsprechend , auf der Bauste lle De- tailfragen zur Beseitigung alter Bau- substanz besprochen , wobei Einver- nehmen erzielt wird. Anfang Februar 1995 Die Betonarbeiten beginnen . Im Hof wird e ine Fundamentplatte für die Neubauteile gegossen . Im Erdge- schoss des Vorderhauses wird der Boden aufgegraben und e in Keller ausgeschachtet, der als Verbindung des alten Kellerraums zum Seiten- bau für unerläss lich erachtet wird . Da sich der Zustand der Seilerbahn viel schlechter erwe ist als angenom- men, wird der kle ine Bau im Hof ab- gebrochen , e ine Maßnahme, di e nicht mit dem Denkmalamt abge- sprochen ist . Es wird ein Neubau der Fach werkkonstruktion unter Ve r- wendung weniger a lter Hölzer er- stellt. 15. Februar 1995 Eine bereits se it Juli 1994 von den Bauherren angedachte Erhöhung des Seitenflügels auf vier Vollge- schosse, die eine größere Rendite des O bj ekts gewährle isten könnte, wird bei e iner Besprechung zwi- schen Bauordnungsamt und Landes- denkmalamt als dem Kulturdenk- mal unangemessen abgelehnt. 29 . März 1995 Das Landesdenkmalamt lehnt die in einem N achtragsantrag im Februar vorgelegte Erweiterung des Neubau- volumens ab. März / April 1995 Die Bauarbeiten gre ifen immer stär- ker in das historische G efü ge ein: Der Putz an der S traßenfassade wird abgeschlagen , im Inneren entfernt man Ausbaute ile wie Türen , Tür- rahmen , Fußböden und Lambris. Dabe i werden bislang unbekannte Schäden an der Fachwerkkonstruk- tion festgeste llt. Für we itere Scha- densuntersuchungen wird Bausub- stanz, die laut genehmigtem Bauan- trag sowieso weitgehend entfernt werden soll, an vielen S tellen aufge- 101 rissen . N achdem an einer Stelle e in Fruchtkörper am Holzwerk ent- deckt wird , beauftragen die Eigen- tümer einen Pi lzsachverständigen vom Botanischen Institut der U ni - versität Karlsruhe mit e inem G ut- achten . Es soll Klarheit über mögli- chen weiteren Pilzbefall geben. Das U ntersuchungsergebnis verzeichnet akribisch eine Vielzahl von Pilzspo- ren , die an den unterschiedlichen Probestellen nachgewiesen werden konnten. Was dies über den Zustand der Bausubstanz und die Auswir- kungen auf die Sanierung bedeutet, darüber gibt die A usarbeitung des Biologen keine eindeut ige A us- kunft. Das G utachten wird von den Beteiligten ganz unterschiedlich in- terpretiert: Der Bauherr reagiert mit Entsetzen , er hält 80% der gesamten Hölzer für erneuerungsbedürftig und damit einen we itgehenden Abbruch der statisch notwendigen Konstruk- tion für unerläss li ch . Diese Ein- schätzung wird von eigens von ihm eingeho lten S te llungnahmen e ines Tragwerkp laners und eines Prüfs ta- tikers bestätigt , d ie beide die Stand- fest igkeit des H auses in Frage stel- len . Das Landesdenkmalamt, aber auch der A rchitekt halten dagegen , dass die gefundenen Sporen grund- sätzlich in allen Fachwerkbauten dieses A lters zu finden seien und keineswegs A nlass zu Besorgnis ge- ben , wenn ein Gebäude bewohnt, beheizt und gegen Feuchtigkeit von außen gesichert sei. Nur etwa 15- 20% der Hölzer, vor allem im Erdge- schossbereich an der S traßenfassa- de, se ien erneuerungsdürftig. Die Eigentümer, d ie sich gleichze itig be i einem anderen denkmalgeschützten A nwesen mi t einem komplizierten 102 und teuren Hausschwammschaden konfrontiert sehen, können sich dieser Einschätzung nicht anschlie- ßen. Sie befürchten erheblich höhe- re Sanierungskosten, die durch den vom Landesdenkmalamt in Aus- sicht gestellten Zuschuss für die denkmalbedingten Mehrausgaben nicht ausgeglichen werden können. Das Ehepaar sieht sich zu einer "Denkpause" gezwungen. Alle Bau- arbeiten werden eingestellt. 6. April 1995 Das Fachbüro, das im Vorj ahr für die Bauaufnahme des Gebäudes zustän- dig war, schlägt eine genauere Un- tersuchung des Holzwerks vor, nur so sei das strittige Thema zu "ent- dramatisieren" . 13 . Juni 1995 Die Straßenfassade wird durch Folie gesichert. 5./6. August 1995 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in" Badische Neueste Nachrichten": " Letzter original erhaltener Zeitzeu- ge der Stadtgründung. Droht ältes- tem Haus Karlsruhes der Abriss? Sanierungsarbeiten an der ehema- ligen Seilerei Schönherr sind seit Monaten eingestellt". 9./10 . September 1995 Leserbrief von Wolfgang Nowotny in" Badische Neueste Nachrichten": "Für das älteste Haus einen neuen Standort suchen". Vorgeschlagen wird, das Haus abzutragen und auf der gegenüberliegenden Seite der Kaiserstraße wieder aufzubauen. Auf dem Universitätscampus könne der Bau dort vom Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Inge- nieurbau genutzt werden, das im nahegelegenen Zeughaus unterge- bracht ist. 18. September 1995 Bei einem Gesprächstermin zwi- schen den Eigentümern, dem Lan- desdenkmalamt und der Unteren Denkmalschutzbehörde über das weitere Vorgehen wird angesichts der verfahrenen Situation vorge- schlagen, einen in Sanierungen er- fahrenen Fachmann mit einer de- taillierten Schadenskartierung zu beauftragen, zumal das Vertrauen des Bauherren in se inen Architek- ten erschüttert erscheint. 21. September 1995 In der Routinesitzung von Unterer Denkmalschutzbehörde, Stadtpla- nungsamt und Landesdenkmalamt wird wieder auf die offen stehenden Fenster hingewiesen und die Ver- wahrlosung des Anwesens beklagt. September 1995 Die Eigentümer legen eine Stellung- nahme eines ihrer Meinung nach im Denkmalschutz erfahrenen Archi- tekten aus Weinheim vor: Darin wird konstatiert, dass der Zustand des Hauses sehr schlecht sei, die Sa- nierungskosten die Neubaukosten überstiegen und die weitere Erhal- tung deshalb wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Das Landesdenkmal- amt hält das Gutachten für fachlich ungenügend, der Architekt se i im Haus keineswegs als Fachmann be- kannt. Die zum Schutz der Straßen- fassade angebrachte Folie ist zu die- sem Zeitpunkt zerrissen und flattert im Wind. November 1995 Die Eigentümer geben die vom Lan- desdenkmalamt angemahnte Scha- denskartierung bei einem Fachbüro in Heidelberg in Auftrag. 22. November 1995 Zeitungsartikel von Traudl Schu- cker in "Badische Neueste Nach- richten": "Dem ältesten Haus der Stadt droht der Abriss wegen Bau- fä lligkeit. Überlebenschance für das Seilerhäuschen ? Schadenskartie- rung soll zeigen, ob Gebäude in der Kaiserstraße saniert werden kann". 5. Februar 1996 Das Landesdenkmalamt konstatiert in einem Schreiben an die Untere Denkmalschutzbehörde, dass "sich immer mehr die Anzeichen dafür [verdichten], daß der Eigentümer auf Zeit arbeitet und im Grunde nur den Abbruch im Auge hat. Gegen diesen muss sich das Landesdenk- malamt aber stellen, da wir über- zeugt sind, daß die Substanz des Hauses seine Erhaltung auch weiter rechtfertigt. " 6. Februar 1996 Zeitungsartikel von "dia" in den "Badische Neueste Nachrichten": " Schicksal des Seilerhäuschens noch ungewiß. Seit Monaten ruhen Bauarbeiten. Ergebnis der Scha- denskartierung bis Ende des Mo- nats?". 12 . Februar 1996 Das Bauordnungsamt inspiziert nach dem vorausgegangenen Schreiben des Landesdenkmalamts die sti llge- legte Baustelle. Die Folie an der Fas- sade ist immer noch zerrissen und muss ersetzt werden. Ebenso wird festgeste llt, dass die Hoffassaden, deren Putz schon se it sechs j ahren entfernt ist , bislang nicht mit Folien gesichert sind. Die Eigentümer wer- den von der Behörde aufgefordert, dem abzuhelfen. Februar 1996 Die Schadenskartierung, die bereits im Dezember hätte vorliegen sollen, ist noch nicht fertiggestellt. Das Ei - gentümerpaar betont wiederholt se inen Willen zur Sanierung, jedoch se ien zuerst die Kosten zu ermitteln. 9./10. März 1996 Leserbrief von jürgen Scherte in "Bad ische Neueste Nachrichten": "Denkmalamt steht auf verlorenem Posten" . 20. Mai 1996 Das Landesdenkmalamt macht in einem Schreiben an die Untere Denkmalschutzbehörde wiederum auf den zusehends schlechteren Bauzustand aufmerksam, der ein Einschreiten des Bauordnungsamts notwendig mache. Das Haus sei keineswegs ausreichend gegen Wit- terungseinflüsse gesichert. Fenster stünden offen, Scheiben se ien ein- geschlagen. Juni 1996 Ein Ettlinger Büro erstellt im Auf- trag des Bauherrn eine neue Schät- zung der Sanierungskosten. 4. August 1996 Die Eigentümer wenden sich in einem Schreiben an die Untere Denkmalschutzbehörde: Die zu er- wartenden Mehrkosten, die nun er- mittelt worden se ien, könnten nicht mehr alleine getragen werden, ge- rade vor dem Hintergrund der an ei- nem anderen Denkmal gemachten negativen Erfahrungen. Man hoffe auf e ine Lösung und erwarte "daß von Seiten des Denkmalamtes oder aus einem anderen Topf des Landes das Restrisiko übernommen werden kann". 10. Oktober 1996 Die Untere Denkmalschutzbehörde mahnt beim Landesdenkmalamt die noch ausstehende Stellungnahme zur Kostenschätzung an, die bereits se it juni vorli egt. Wenn die Äuße- rung nicht innerhalb von zwei Wo- chen erfolge, müsse die Untere Denkmalschutzbehörde davon aus- gehen, dass die Zumutbarkeit der Er- haltung des Hauses nicht mehr ge- geben sei. 15. Oktober 1996 Das Landesdenkmalamt gibt eine ausführliche Stellungnahme seiner Einschätzung der S ituation und zur Kostenschätzung. 23. Oktober 1996 Bei einer Besprechung zwischen Unterer Denkmalschutzbehörde, Landesdenkmalamt, Stadtplanungs- amt und Eigentümer werden Mög- lichkeiten des weiteren Vorgehens erörtert, auch ein Abbruchantrag, der zur Klärung der Rechtslage bei- tragen könne. 27. Oktober 1996 Die Eigentümer stellen den Antrag zum Abbruch des Hauses. Zur Be- gründung führen sie an , dass die im Laufe der Bauarbeiten vorgefundene 103 Bausubstanz wesentlich schlechter se i als ursprünglich angenommen. Die Einschätzung des Landesdenk- malamts gehe nicht überein mit den eingeholten Stellungnahmen von Fachleuten, die die Erhaltungsfähig- keit bestreiten. Man versuche wei- terhin, das Haus zu erhalten, wenn die Sanierungskosten die Grenze des Zumutbaren nicht überschreiten, oder sei auch bereit, es an eine In- stitution zu verkaufen, die finanziell zur Erhaltung des Gebäudes fähig sei. 6. November 1996 Ein Miteigentümer des sanierten Modellhauses Kaiserstraße 45 wen- det sich in einem Brief an die Stadt- verwaltung: Er beklagt darin den immer schlechteren Erhaltungszu- stand des Nachbarhauses und macht auf die beschäd igten Folien und den vor dem Gebäude sich ansammeln- den Abfall aufmerksam. Außerdem weist er auf die Brennbarkeit der Folie hin, die leicht zu einer Brand- katastrophe führen könne. Ein Foto und ein Folienstück sind als Beweis- mittel beige legt . Vor dem Hinter- grund der Brandstiftung am Kultur- denkmal Markgrafenstraße 41, die nicht lange zuvor mehrere Todes- opfer gefordert hat, könne die ge- fährliche S ituation nicht geduldet werden. 14 . November 1996 Die Untere Denkmalschutzbehörde meldet an das Bauordnungsamt, dass die Stellungnahme des Landes- denkmalamts zum Abbruchantrag erst möglich se i, wenn die seit Sep- tember 1995 geforderte Schadens- kartierung vorliege. 104 27. November 1996 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in" Badische Neueste Nachrichten": " Ältestes Haus Karlsruhes steht schon seit Jahren leer. Tage für Bau- denkmal gezählt? Abbruchantrag für Gebäude in Kaiserstraße 47 ge- stellt" . 28. November 1996 Einspruch der Wohnungse igentü- mergemeinschaft Kaiserstraße 45 gegen einen Abbruch des Nachbar- hauses. Bei einem Abbruch werde die Standsicherheit ihres Anwesens gefährdet, da die gemeinsame Trenn- wand der beiden Häuser nur aus Fachwerk bestehe. Dezember 1996 Nach mehr als einem Jahr Wartezeit wird die neun Seiten umfassende Plankartierung der Schäden an den Holzbauteilen durch das beauftragte Heidelberger Fachbüro vorge legt. Demnach sind 80% der Hölzer grundsätzlich in Ordnung, nur ca. 20% der Fachwerkteile müssten aus- gewechselt werden. Der Oberkon- servator des Landesdenkmalamts kann sich in seiner Einschätzung des Zustandes bestätigt fühlen. 13. Dezember 1996 Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Heintich Maul und die Stadträtin Lucia Hug (SPD) richten an Ober- bürgermeister Prof. Gerhard Seiler die Anfrage, was die Stadt unter- nehme, um das Haus zu retten. Sie wollen wissen, ob das Gerücht wahr se i, dass daran gedacht sei, eine Ab- rissgenehmigung für das sich in höchst desolatem Zustand befindli - che Haus zu erte ilen. 16. Dezember 1996 Zeitungsartikel von "inla" in "Badi - sche Neueste Nachrichten": ,, 'Es ist fast eine Schande'. Initiative zum Erhalt historischer G ebäude in der Stadt". 20. Dezember 1996 Zeitungsartikel von Michael Nückel in "Badische Neueste Nachrichten": "A rchitektenkammer rät: Verän- derungssperre für Seilerhaus". 24. Dezember 1996 Zeitungsartikel ohne Autorenan- gabe in " Badische Neueste N ach- richten": "Was wird aus dem Haus in der Kaiserstraße ?". Januar 1997 Der Stadtrat Joachim Unser-Nad (Die Grünen) fragt bei Oberbürger- meister Prof. Gerhard Seiler an , ob die Stadt gedenke, eine Abbruchge- nehmigung zu erteilen. Die Rettung als Gemeinschaftsaktion. Die Jahre 1997-2000 29. Januar 1997 Die Gründungsversammlung und erste konstituierende Mitgliederver- sammlung des "Vereins für das Alt- stadtmuseum Karlsruhe im G ebäude Kaiserstraße 47" (ehemalige Seile- rei) findet statt. Initiatoren sind der Vorsitzende des Bürgervereins Alt- stadt Knut Jacob und dessen Schrift- führer Ulrich Gothe. Sie gewinnen als Mitunterzeichner für das Grün- dungsstatut Vertreter aus der Karls- ruher Architektenschaft, aber auch aus Politik und Verwaltung: Dip!. - Ing. Wolfram Baltin, Architektin Maria Dilanas, Prof. Dr. Rolf Funck, Dip!. -Ing. Mathias Irmscher, Dr. Gerhard Kabierske , Goldschmiede- meister Johann Kölmel, Requisiten- meister Horst F. Pampel, Dip!. -Ing. Hilmar Reuter, Prof. Dr. Lothar Rie- kert, Architektin Gerhild Rother, Stadtsyndikus a.D. Kuno Schmitt, Bürgermeister Norbert Vöhringer. Januar 1997 Die Bürgermeisterin Heinke Sa- lisch, zuständig für das Baudezernat der Stadt und Kandidatin um die Nachfolge von O berbürgermeister Gerhard Seiler, macht sich persön- lich für die Erhaltung des Hauses Kaiserstraße 47 stark. Auf ihre Ein- ladung hin findet eine erste Ge- sprächsrunde der zuständigen städti- schen und staatlichen Ämter statt, bei der nach e inem A usweg aus der verfahrenen Situation gesucht wird. 4. Februar 1997 In der 34. Plenarsitzung des Ge- meinderats gibt Oberbürgermeister Gerhard Seiler eine ausführliche Antwort auf die eingegangenen Anfragen: An eine Abbruchgeneh- migung sei nicht gedacht. Das Pro- tokoll dokumentiert folgenden Wortwechsel: "Stadträtin Hug (SPD) : Darf ich die Antwort der Verwaltung so verstehen , daß das Haus Kaiserstraße 47 noch zu retten ist ? Oberbürgermeister Seiler: Es ist saumäßig schwer! Wenn nachgewie- sen wird , daß das Haus trotz Millio- nenaufwand nicht zu retten ist, dann kann auch der Denkmalschutz den Abbruch nicht versagen. Wir werden solange, wie es möglich ist, darauf bestehen, aber es gibt im Denkmalschutzgesetz auch eine Grenze, über die wir nicht gehen können. Vielleicht darf ich noch anmerken : Wir haben eine ganz weiße Weste bei diesem Seiler- Häuschen - einfach deshalb , weil wir wirklich versucht haben , es zu ersteigern, es aber nicht bekommen haben. Einruf Bürgermeisterin Sa- lisch : Wir wollen es auch erhalten . Oberbürgermeister Seiler: Ich weiß es nicht, Frau Salisch, ich weiß es nicht, ob es zu halten ist. Die Leute wollen in der Tat ihre Millionen, die sie hineingesteckt haben, nicht ver- lieren - und die können wir nicht bezahlen. Wir werden dranbleiben , wer macht es bei uns? - Rechtlich zuständig ist Herr Bühler. Der kann Sie gerne e inmal unterrichten. Für ihn ist es ein persönliches Anliegen. Zurufe: G ibt es einen Verein? Stadt- rat Funck (FDP) : Ja! Oberbürger- meister Seiler: Einen Verein gibt es? Ich schicke ihn zum Eigentümer. Zuruf Salisch: Der Eigentümer ist willens, aber er hat kein Ge ld." 6. Februar 1997 Zeitungsartikel ohne Autorenan- gabe in " Badische Neueste Nach- richten": "Alte Hofseilerei bleibt vorerst noch stehen". 11 . Februar 1997 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Badische Neueste Nachrichten": " Museum in das Seilerhaus? Neuer Verein will Abbruch des ältesten Hauses verhindern". Frühjahr 1997 Zeitungsartikel ohne Autorenanga- be in "Altstadt aktue ll" 1/1997: "Die Seilerei muss leben! ". Aufsatz von Traudl Schucker in "Badische Heimat" 1/1997 : "Karlsruhes ältes- tes Haus - heute eine Bauruine". 5. März 1997 Die zweite Gesprächsrunde unter zuständigen Behörden findet bei Baubürgermeisterin Heinke Salisch statt: Es habe seit der letzten Bespre- chung zahlreiche Kontakte gegeben, um mögliche Finanzhilfen zu er- schließen. Über die hinzugezogene Handwerkskammer se ien spontane Hilfsangebote von H andwerkern eingegangen, die unentge ltlich an der Sanierung mitarbeiten würden . Angeschrieben worden seien die Denkmalstiftungen des Bundes und des Landes. Ein Architekt mit Büros in Karlsruhe und Ludwigshafen , der auf die Baubügermeisterin zugegan- gen war, erläutert se in Konzept. Es sieht zur Rettung des Hauses eine mass ive dreigeschoss ige Überbau- ung des Grundstücks mit insgesamt 45 Wohnungen vor, aufgeständert auf Pfeilern über dem alten Haus. Diese Idee wird vom Landesdenk- malamt abgelehnt. Gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt sollen wei- tere Lösungsansätze entwickelt wer- den. 15. März 1997 In einem Schreiben der Vorsitzen- den der Bürgervereine A ltstadt und Stadtmitte, Knut Jacob und Horst Pampe!, an alle Karlsruher Bürger- vereine wird zur Mitwirkung an der Rettung des Hauses aufgerufen und um Spenden gebeten. 19. März 1997 Oberbürgermeister Gerhard Seiler unterschreibt einen Brief an die 105 Deutsch e Stiftung Denkmalschutz in Bonn mit der Bitte um finanzie l- le Unterstützung der Erhaltung des Hauses. Erster Bürgermeister Elmar Kolb wendet sich mit dem gleichen Anliegen an die Denk-malstiftung Baden-Württemberg. 1. April 1997 Auf Vermittlung der Baubürger- meisterin, die gleichze itig Auf- sichtsratsvorsitzende der Volkswoh- nung ist, findet ein erstes direktes Gespräch zwischen der Wohnbau- gese llschaft der Stadt Karlsruhe und dem Eigentümer des Seilerhäus- chens statt, um mögliche Verkaufs- modalitäten zu besprechen. 8. April 1997 Zeitungsartikel von Michael Nückel in " Badische Neueste Nachrichten": "Sanieren Karlsruher H andwerker Seilerhäuschen unentgeltlich? Lehr- werkstatt oder Altstadtmuseum: Verein zur Erhaltung der Kaiserstra- ße 47 hat viele Ideen für das älteste Haus der Stadt". 15. April 1997 Die Volkswohnung signalisiert dem Eigentümer in einem Schreiben das grundsätzliche Kaufinteresse. Die Preisvorstellung müsste dabei zweck- mäßigerweise vom Verkaufswert ausgehen. Vorgesch lagen wird eine Einschätzung durch die städtisch e G rundstücksbewertungsstelle. 16. April 1997 Eine dritte Gesprächsrunde zwi- schen dem Regierungspräs idium als Höherer Denkmalschutzbehörde, der Unteren Denkmalschutzbehör- de, dem Bauordnungsamt, dem Bau- 106 dezernat der Stadt, dem Landes- denkmalamt und dem Eigentümer findet auf Einladung von Bürger- meisterin Heinke Salisch statt. Die vorgestellte Planung des Architek- ten, der auf eigene Initiative eine Überbauung vorschlägt, wird in der gegenwärtigen Form wiederum ab- ge lehnt. 17. April 1997 Zeitungsartikel von Michael Nückel in " Badische Neueste Nachrichten": " Erfolg bei Gespräch über das Sei- lerhaus?" 22 . April 1997 Das Landesdenkmalamt lehnt ge- genüber der Unteren Denkmal- schutzbehörde anges ichts des Ergeb- nisses der Schadenskartierung den Abbruchantrag ab. Das Haus sei noch sanierbar. Nach drei Ge- sprächsrunden mit der Bürgermeis- terin bestehe die Hoffnung, das Haus doch noch für die Nachwe lt erhalten zu können. 23. April 1997 Leserbrief von Joachim Krauße in " Bad ische Neueste Nachrichten": "Ein Gerhard -Seiler-Haus?" In iro- nischer Form wird vom Einsender anknüpfend an die Namensgleich - heit vorgeschlagen, das Interesse von Oberbürgermeister Seiler an ei- ner Erhaltung des Seilerhäuschens zu wecken . 30. April! 1. Mai 1997 Zeitungsartikel von Michael Nückel in " Badische Neueste Nachrichten": " Altstadtze ichnungen von Werner Kornhas im Liberalen Zentrum. Vom " Kreml" im Dörfle und buckli- gen Gassen . Ve rein will mit der Ausstellung auch die Rettung des Seilerhäuschens befördern". 10./11 . Mai 1997 Leserbrief von Rudolf Langner, Kehl, in " Badische Neueste Nach- richten": " Baden-Airpark könnte die Kosten übernehmen". Frühsommer 1997 Zeitungsartikel ohne A utorenan- gabe in "Altstadt aktuell" 2/1 997: "Seilerei Schönherr" . Juni 1997 Der " Verein zur Erhaltung der ehe- maligen Seilerei" ze igt in einer Vitrine und auf einer Stellwand im Badischen Landesmuseum Schloss Karlsruhe unter dem Motto " Die Seilerei darf nicht sterben" Doku- mente zur Geschichte des Hauses aus dem Bes itz der Familie Schön- herr. 13. Juni 1997 Zeitungsartikel von Michael Nückel in " Badische Neueste Nachrichten": " Vere in wirbt weiter für das Seiler- haus". 11. Juli 1997 Das Bauordnungsamt fordert den Eigentümer in einem Schreiben auf, die wiederum beschädigten Schutz- fo lien zu erneuern. (Abb. 84, 85 ) 7. August 1997 Der Überbauungsvorschlag ist bau- rechtlich geprüft. Denkbar wäre allenfalls eine fünfgeschossige Rück- bebauung entlang der westlichen Brandmauer anstelle des bisherigen Seitenflüge ls. 14 . A ugust 1997 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in " Badische N eueste Nachrichten": "Abbruchantrag für das Se iler- häuschen in der Kaiserstraße 47. Eigentümer verweisen auf Sanie- rungskosten . Mass ive Bebauung im rückwärtigen Bereich nicht vom Tisch. Angebot der Volkswoh- nung". 30 ./31. August 1997 Leserbrief von Ulrich Gothe für den "Verein für die Erhaltung des Ge- bäudes Kaiserstraße 47 - ehemals Seilerei Schönherr" in " Badische Neueste Nachrichten": "Das Mär- chen von dem 'Faß ohne Boden'''. 23. September 1997 Das Bauordnungsamt gibt dem Ei-gentümer die Auskunft, dass eine eventuelle Neubebauung des G rundstücks nach einem Abbruch zur Kaiserstraße hin max imal drei- geschossig erfolgen könne. 25. September 1997 Regierungspräs identin Gerlinde Hämmerle (SPD) wendet sich in ihrer Eigenschaft als Leiterin der Höheren Denkmalschutzbehörde mit der Bitte um eine finanzielle Zuwendung an den Vorsitzenden der Denkmalstiftung Baden-Würt- temberg: Erforderlich seien 280.000 DM aus der Denkmalstiftung, um den Erhalt des Hauses zu sichern. In einer ausführlichen Begründung wird der Denkmalwert herausge- stellt. Die Volkswohnung sei zu m Kauf bereit für max imal 720.000 DM. Der Eigentümer fordere ange- sichts seiner bisherigen hohen A uf- wendungen für die abgebrochene 84 Kaisers traße 47 (J 997). 85 Hof des Hauses Kaiserstraße 47 ( J 998). Sanierung e ine Million . Die Diffe- renz könne nicht a ufgebracht wer- den, auch nicht vom jüngst gegrün- deten Verein. Zusicherung von un- entgeltlicher Arbeit für e ine Erhal- tung durch Karlsruher Firmen lägen vo r. Unter gleichem Datum schre ibt die Regierungspräsidentin auch an den Präsidenten des Landesdenk- malamts mit der Bitte um Unter- stützung, auch mit unkonventionel- len Lösungsmöglichkeiten. 19. Oktober 1997 Auch der" Verein für die Erhaltung des Gebäudes Kaiserstraße 4 7 - ehe- 84 malige Seilerei" wendet sich an den Präs identen des Landesdenkmal- amts und wirbt für den Erhalt des Baudenkma ls. Herbst 1997 Zeitungsartikel ohne Autorenan- gabe in "Altstadt aktuell" 5/1997 : "Sei lerei Schönherr" . 12 . Dezember 1997 Zeitungsartikel von Michael Nückel in" Badisch e N eueste Nachrichten": " Das Seilerhäusch en kann jetzt saniert werden" . 15. Dezember 1997 Die Baubürgermeisterin dankt in einem Schreiben an die Vo lks- wohnung für das Engagement. Die Denkmalstiftung hat zu diesem Zeit- punkt dem Zuschuss zur Finanz ie- 85 107 108 86 rung zugestimmt, sodass der Kauf möglich wird. 16 . Dezember 1997 Die Gesellschafterversammlung der Volkswohnung stimmt dem Kauf des Hauses zu. 15. Dezember 1997 Stadtrat Bernhard Weick (CDU) schreibt als Vorsitzender der " Haus & Grund Karlsruhe", des Vereins der Haus- und Grundbes itzer, an die Regierungspräsidentin: Es bleibe ein schaler Beigeschmack be i der Ret- tungsaktion: "Es ist [ ... ] für den Nor- malbürger nicht mehr zu verstehen , wenn auf der einen Seite für den Er- halt eines Baudenkmals von zweifel- hafter Qualität Geldmittel ausgege- ben werden, auf der anderen Seite aber der einzelne Eigentümer eines Baudenkmals überhaupt keine oder nur geringe Zuschüsse für seine Mehraufwendungen bekommen kann." (Zeitungsartikel ohne Auto- renangabe in "Aktuelle Informatio- nen der Haus & Grund-Vereine" (o.D., Frühjahr 1998): " Denkmal- schutz" . 18. Dezember 1997 Zeitungsartikel von Michael Nückel in " Badische Neueste Nachrichten": ,, 'Dörfle-Museum' mit einem klei- nen Biergarten. Für die Rettung des Seilerhauses setzt die Volkswoh- nung auf kräftige Unterstützung", "Weick kritisiert Prax is der Denk- malförderung" . 19 . Dezember 1997 Zeitungsartikel von Helga Riedel in "Stadtze itung, Amtsblatt der Stadt Karlsruhe": "Bessere Zeiten sind jetzt in Sicht. Volkswohnung rettet Seilereihäuschen in der Kaiserstraße 4 7 vor dem Abriss". 86 Präsentation der Forschungsergebnisse der Studenten des Aufbaustudienganges A ltbausanierung (J 998). 20./21. Dezember 1997 Kommentar von Jürgen Gottmann in " Badische Neueste N pchrichten": "Rettung für ein altes Haus". 23. Dezember 1997 Die Volkswohnung erwirbt mit dem bewilligten Zuschuss der Denkmal- stiftung Baden-Württemberg das Haus. 7. Januar 1998 Die Regierungspräs identin antwor- tet dem Vorsitzenden von " Haus & Grund Karlsruhe" auf dessen Brief mit einer ausführlichen Begründung für das Engagement in diesem be- sonderen Fall (Zeitungsartikel ohne Autorenangabe in "Aktuelle Infor- mationen der Haus & G rund-Verei- ne" (0. D., Frühjahr 1998 ): " Denk- malschutz") . 7./8. Mai 1998 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in " Badische N eueste Nachrichten": " Weinstube oder Hotelzimmer ? Plä- ne, aber nichts Konkretes für das Seilerhäuschen" . 30. Juli 1998 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in " Badische Neueste Nachrichten": "Weinstube oder Hotel. Kehrt bald Leben ein ins Seilerhäuschen ?". Herbst 1998 Artikel ohne Autorenangabe in "da- heim, Journal der Volkswohnung 87 G mbH Karlsruhe" 3/98: " Rettung für das älteste Haus in Karlsruhe. Dornröschenschlaf beendet". Artikel ohne Autorenangabe in "Altstadt aktuell" 5/98: " Seilerei Schönherr. Neue Nutzung rettet Bau". Oktober - Dezember 1998 Eine Studentengruppe des " Auf- baustudiums Altbau instandsetzung" der Universität Karlsruhe (TH) be- schäfti gt sich unter der Leitung von Dr. Holger Reimers intensiv mit der noch vorhandenen Bausubstanz des Gebäudes und den erhaltenen schriftlichen und fotografischen Quellen. Viele bislang nicht beach- tete Befunde bringen neue Erkennt- nisse zur Baugeschichte, die in einer Dokumentation zusammengetragen werden . (Abb. 86) 28. Dezember 1998 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Badische Neueste Nachrichten": " Das Seilerhäuschen erzählt. A n dem Denkmal läßt sich Stadtge- schichte ablesen". 8. Januar 1999 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in "Der Kurier": " Ein lebendiges 87 Vorstellung der Sanierungsarbeiten vor einer "hochrangigen Delegation" (1999) . 109 Stück Stadtgeschichte. Das alte Sei- lerhaus erzählt von ve rgangenen Zeiten". 22. März 1999 Angesichts der neuen Erkenntnisse aufgrund der Forschungen des A uf- baustudienganges Altbauinstand- se tzu ng wird das Haus auf Antrag 110 des Landesdenkmalamts als Kultur- denkmal von besonderer Bedeutung gemäß § 12 Denkmalschutzgesetz in das bei der Höheren Denkmal- schlItzbehörde geführte Denkmal- buch des Landes Baden-Württem- berg eingetragen. 26. März 1999 Beitrag von Dr. Holger Reimers in " Blick in die Geschichte" Nr. 42: " Einblicke in die Karlsruher Ball - geschich te. Ergebnisse der bauhis- torischen Analyse des 'Se ilerhäus- chens'''. Frühjahr 1999 Veröffentlichung der " Dokumenta- tion Universität Karlsruhe (TH) , Aufbaustudium Altbauinstandset- zung. Bauaufnahme und Bestands- dokumentation Heft 8: Karlsruhe, Kaiserstraße 47 . Ergebnisse der A r- beitsgruppen Wintersemester 1998/ 99. Betreuung Dr. Holger Reimers". Beginn der Sanierungsarbeiten der Volkswohnung. Im Hof wird un- ter einer Abdeckllng ein Brunnen- schacht aus der Bauze it des Hauses entdeckt, in dem sich noch die alte hölzerne Pumpenvorrichtllng erhal- ten hat. 18. Mai 1999 Zeitungsartikel von Tralldl Schucker in " Badische Neueste Nachrich- ten": " Kleine Sensation im Hof des alten Seilerhäuschens. Intak- ter Brunnenschacht von 1725 ent- deckt". Frühjahr 1999 Artikel ohne Autorenangabe in "Altstadt aktuell" 1/99: "Seilerei: Baustelle ohne Kran, aber: Sanie- rungsbeginn mit Paukenschlag". 21. juni 1999 In Anwesenheit von Oberbürger- meister Heinz Fenrich, Bürgermeis- terin Heinke Salisch, dem früheren Oberbürgermeister Prof. G erhard Seiler und anderer Vertreter aus Po- litik und Ve rwaltung stellt die Volkswohnllng der Öffentlichkeit bei einem O rts termin ihr Konzept zur Sanierung des Hauses und die ersten Bauarbeiten vor. (Abb. 87) 22. juni 1999 Zeitungsartikel von Traudl Schucker in" Badische Neueste Nachrichten": "Sanierungskonzept steht. Großer Bahnhof für das kleine Seilerhäus- chen". 25. juni 1999 Zeitungsartikel von Helga Riedel in "Stadtzeitung, Amtsblatt der S tadt Karlsruhe": " Bald ein G las Wein im Sei lerhäuschen". Herbst 1999 Zeitungsartikel von Dr. Holger Rei- mers in "A ltstadt aktuell" 5/99: " Einblicke in die Karlsruher Bau- geschichte. Ergebnisse der balihisto- rischen Analyse des 'Seilerhäus- chens'''. 11 ./ 1 2. Dezember 1999 Zeitungsartikel von Michael Nückel in " Badische Neueste Nachrich- ten": " Zweites Richtfest im alten Seilerhäuschen. Architekt und Handwerker verwenden große Sorg- falt auf die Erhaltung des Denk- mals" . D ie behutsame "Wiedernutzbarmachung" von Georg Matzka Nach jahrelanger Odyssee durch die bewegte Stadtge-schichte Karlsruhes, durch die flächendeckende Stadtsanierung der 60er- und 70er-Jahre und durch die Spekulationswogen des vergan- genen Jahrzehnts war der tatsäch- liche Wert des "Se ilerhäuschen" erst sehr spät erkannt worden - kurz vor se inem endgültigen Untergang (Abb. 88).1 Dank einer Umbesin- nung innerhalb der Denkmalpflege, dank des deutlich geäußerten Bür- gerwillens und dank einzelner Per- sönlichkeiten, die sich als Fürspre- cher vehement für die "alte Hütte" einsetzten, konnte nun an eine Sa- nierung des Anwesens Kaiserstraße 47 gedacht werden. Erste Notsicherungsmaßnah men 1997/1 998 Nach Übernahme des Anwesens Kaiserstraße 47 durch die Volks- wohnung wurde als erste Maßnah- me die bestehende N otsicherung er- gänzt. Hierzu war es erforderlich, die komplette Straßenfassade von in- nen zu hinterfangen . Eine vom Kel- lergeschoss bis unter das Dach vor- genommene Absprießung verhin- derte einen Gesamtverlust des Vor- derhauses durch einen möglichen Einsturz der stark geschädigten Nordfassade. Neben anderen kons- 88 truktiven S icherungsmaßnahmen musste gleich zu Beginn das Regen- wasser abgeleitet werden, um weite- res Eindringen von Feuchtigke it in das G ebäudeinnere zu vermeiden. In einem Teilbereich der Überbau- ung der Durchfahrt hatte ein Haus- schwamm bere its einen Fruchtkör- per gebildet , da durch eine Kehle Feuchtigkeit e ingedrungen war. Der Schwamm wurde mechanisch ent- fernt, ein weiteres Wachstum che- misch unterbunden, um nach der Klärung der weiteren Nutzungsmög- lichkeit dieses Bauteils die geeigne- te Sanierungsmethode anzuwenden. Dann erst war Zeit, sich gründlich 88 Hofansicht im Zustand vor der Sanierung (J 997) . 111 mit der Substanz des Gebäudes zu beschäfti gen und ein Konzept für weitere Maßnahmen zu erstellen. In Anlehnung an das vom Sonderfor- schungsbereich 3 15 der Universität Karlsruhe (TH) entwickelte 3-Pha- sen-Modell 1) wurde dann ein A b- laufplan für die Instandsetzung ent- wickelt. 2 Am Anfang stand eine gründli - che Voruntersuchung des Gebäudes, zu der ein Tragwerkplaner hinzuge- 11 2 zogen und die Außenstelle des Lan- desdenkmalamtes Baden-Württem- berg in Karlsruhe eingeschaltet wur- de. Später arbeitete auch ein Res- taurator mit. Es folgten Untersuchungen über eine angemessene Nutzung und eine erste Einschätzung vom Bestand und Zustand des Gebäudes. Unter Leitung von Dr. Holger Reimers er- stellte eine Gruppe von Studenten des Aufbaustudienganges Altbauin- standsetzung der Universität Karls- ruhe (TH) eine umfassende Studi- enarbeit über die Baugeschichte, die Baubefunde und die noch vorhan - dene Ausstattung des Gebäudes. Anschließend erfolgte der Versuch einer Nutzungseinpassung mit meh- reren Vorentwürfen, die auf ihre Denkmalverträglichkeit und auch auf ihre Umsetzbarkeit hin über- prüft wurden. Mit dem schließlich bevorzugten Nutzungskonzept ge- lang es, frühzeitig eine Pächterin zu finden und zu diesem frühen Zeit- punkt vertraglich zu binden. Auf- bauend auf dieser Nutzung wurde gemeinsam mit dem Tragwerkspla- ner ein Reparaturkonzept entwi- ckelt, das wiederum mit dem Lan- desdenkmalamt vor Ort abgestimmt wurde. Danach fo lgte die schwierige Suche nach gee igneten Bauhand- werkern, die mit den erforderlichen Kenntnissen und dem nötigen Fein- gefühl die Planungen umsetzen konnten . Im Laufe der Sanierungs- maßnahme wurde das Konzept im- mer wieder auf seine Umsetzbarke it hin überprüft und, falls erforderlich, den neuen Gegebenheiten ange- passt, ohne es aufzugeben. Dieser Ablauf wird im Folgenden beispiel- haft dargestellt. Die Voruntersuchung - Vorbereitende Maßnahmen In einer ersten Phase wurden ganz allgemeine Arbeitsgrundlagen ge- schaffen: Nachdem die Notsiche- rungsmaßnahmen durchgeführt wor- den waren, begannen allgemeine Aufräum- und Entrümpelungsarbei- ten . Aufgrund des langen Leerste- hens hatte sich ein Großtei l der Karlsruher Taubenpopulation - so sah es zumindest aus - hier einquar- tiert, was zu einer homogenen, meh- rere Zentimeter hohen Kotschicht auf sämtlichen Grundflächen ge- führt hatte, die eine Fachfirma me- chanisch entfernte . Anschließend wurde das komplette Gebäude des- infiziert. Im Hof hatte sich auf den hier abgelagerten Haufen von Stroh- lehm, Kalk und Holz, die von den herausgebrochenen Ausfachungen stammten , eine starke Humus- schicht gebildet, die sich durch im Taubenkot eingetragene Samen be- reits artenreich begrünt darstellte (vgl. Abb. 85 ). Diese wurde bis auf eine bestehende Asphaltschicht im Hofbereich abgearbeitet. In der Verlängerung der Durchfahrt kam, unmittelbar vor der Seilerbahn und unter einer Abdeckscheibe aus Stahlbeton , ein ca. fünf Meter tie- fer Brunnenschacht zum Vorschein. Dieser enthielt noch die komplette Technik zur Wasserförderung, ein dreiteiliges hölzernes Saugrohr mit Messingmuffenverbindungen und eine Abdeckplatte aus rotem Sand- stein. Nach der Bergung der hölzer- nen Einbauteile wurde der Schacht zeichnerisch erfasst und konstruktiv abgesichert. Da sich der Zustand des straßen- seitigen Gaubenbandes im Oberge- schoss als äußerst instabil erwies, musste ein Schutzgerüst auf dem Gehweg errichtet werden, um Pas- santen nicht zu gefährden . Dieses wurde präventiv als Arbeitsgerüst ausge legt, um spätere Reparaturar- beiten nicht zu behindern. Informa- tionstafeln und Durchblicke im Bauzaun ste llten Transparenz her mit dem Ziel, in der Nachbarschaft Akzeptanz zu erreichen durch die Möglichkeit, die Sanierungsmaß- nahme zu verfolgen. Die Voruntersuchung - Quellenstudium, Raumbuch und Bestandsanalyse In einer zweiten Phase wurden die Grundlagen für eine weiterführende Planung zusammengetragen: ein be- stehendes, formgetreues Bauaufrnaß des Vorderhauses, welches bereits 1994 vom renommierten Karlsruher Büro Crowell & Crowell erstellt worden war, konnte ausfindig ge- macht werden. Dieses musste, da sich in der Zwischenzeit Verände- rungen durch Umbau maßnahmen eingestellt hatten, auf den aktuellen Stand gebracht und um die nicht erfassten Bauteile ergänzt werden. So entstand ein erster Plansatz, der Bestandsplan . Ein umfassendes Schadensgut- achten, das von den anerkannten Heidelberger Bauphysikern Fischer & Rinn auf der Grundlage der Bau- aufnahmepläne für das Vorderhaus erstellt worden war, lieferte wertvol- le Hinweise über den Zustand des hölzernen Tragwerks. Sämtliche zu- ra",,1l<Jd1 .::~!.I~r..~~_~~~.~_e_~.::!. .. k.~~~_~.~~~~!'.3!_~?_._ ... _ oOjekt _'!~~!I!!1~_':!! ______ ._. __ . __ . __ ._. __ . __ ._. __ . __ . bau ... abb. 1 EG 1.06 a: rllumliche aufnahme der durchfahrt von der hofse~e gesehen abb. 2 EG 1.06 b: delailpunkl lagerholz hinter lorflügel l haustrennwand legende I 8 richtung hof slar!< abfallende lagerhOlzer erklArung : hausse~ig ' guck"fenslerchen und zugemauerter eingang aufgehendes fachwer!< gut erhanen (vgl. schadenskartierung) b slar!<e feuchte Im lagerholz I Z.t. überlormt mH breU (253/254) gemauerter fundament sockel star!< durchfeuchtet aufsteigendes fachwerk in gu1em zustand '"'" t ~'10011r.i! W·l·liWC':lil:'i,:mmtldWh; dalum: .... __ .. _Q.1.2§.:~~_ EG1, 08 ab raum .._-_._-_._; gänglichen Holzbauteile waren auf ihre Tragfähigkeit hin untersucht worden. Die bauphysikalisch inte- ressantesten Stellen des Fachwerks waren mittels sehr empfindlicher Geräte angebohrt worden, wobei die Leistungsaufnahme des Bohrge- räts in Diagrammen festgehalten 113 89 Auszug aus dem Raumbuch zur Dokumentation des Bauzustandes . 1998 worden war. Aufgrund des Bohrwi- derstands des Materi als konnten auf diesem zerstörungsarmen Weg A us- sagen zum Zustand der einzelnen Hölzer getroffen werden. Die Resul- tate der Bohrungen und weiterer bauphysikalischer Befunde wurden in farbigen Kartierungen festgehal- ten (Farbabb. 11) . Einem denkmalerfahrenen Trag- werkplaner, der für das Projekt ge- wonnen werden konnte, dienten die Bestandspläne und das Schadens- gutachten als wichtige Grundlage bei der Untersuchung der Resttrag- fähigkeit der Fachwerkkonstrukti- on . Der Zustand der Hölzer erwies sich als viel besser, als bislang ange- nommen worden war. Quellenstudium In dieser zweiten Phase wurden wei- tere Planunterlagen ges ichtet, die Bauakte nach Informationen zum Bauablauf und zur Baugeschichte durchgesehen. Von verschiedensten Stellen erhielt die Volkswohnung Informationen über Pläne zu den bereits durchgeführten, aber abge- brochenen Baurnaßnahmen - nicht zuletzt fand sich ein kompletter Satz Werkpläne auf der Baustelle, der Einblicke in vorangegangene Pla- nungsabsichten erlaubte . Mehrere Mitarbe iter des Instituts für Bauge- schichte der Universität Karlsruhe gaben weitere, hilfreiche Hinweise zur Baugeschichte des Gebäudes und zu dessen Einordnung in die Stadtgeschichte. Von Beginn der 114 Sanierung an wurde der Kontakt zu den zuständigen städtischen Stellen und zum Landesdenkmalamt Ba- den-Württemberg gesucht, ange- sichts der sehr hohen Wertigkeit des Hauses für die Stadtgeschichte Karlsruhes mit dem Landesdenk- malamt ein ständiger Informations- austausch vereinbart. In der Folge fanden regelmäßige Ortstermine statt, um einen möglichst großen Anteil der Substanz dieses wich- tigen Dokuments in all se inen Schichten und Hinweisen zu erken- nen und zu erhalten. Raumbuch Sofort nach den Notsicherungsmaß- nahmen und der fü r die weiteren Arbeiten vor Ort unerlässlichen Desinfektion des Gebäudes wurde eine Photodokumentation angefer- tigt, die als Grundlage für ein Raum- buch diente. In diesem ist jedem Raum eine Raumnummer zugewie- sen und der Ist-Zustand sämtlicher Wandabwicklungen dokumentiert. Ergänzende Erkenntnisse sind darin schriftlich vermerkt. Dieses Raum- buch diente den hinzugezogenen Fachplanem , insbesondere dem Tragwerksplaner, aber auch dem Restaurator, als wichtige Arbeitsun- terlage bei den später ausgeführten Reparaturarbeiten. Anhand dieser Dokumentation konnten notwendi- ge Maßnahmen erörtert und die Zu- ordnung von aufgefundenen Einzel- bauteilen vorgenommen werden. Nicht zuletzt diente dieses Raum- buch bei den späteren Beauftragun- gen von Bauleistungen als Ange- botsgrundlage. Bestandsanalyse Die ohnehin stark geschädigte Stra- ßenfassade des Vorderhauses hatte man, um sie gegen den Regen zu schützen, in eine Kunststofffolie eingepackt, was zu einer Beschleu- nigung des Verrottungsprozesses ge- führt hatte . Das Innere des Vorder- hauses war bei der Übernahme teil- entkernt. Von der Ausstattung wa- ren nur Reste vorhanden oder nur noch Spuren zu erkennen. Sämtli- che Türen waren zum Abtransport im Freien aufgestapelt. Die Fenster waren nur noch deshalb an ihrem Platz, weil sie ihre Funktion für die Bauze it noch erfüllen sollten. Der Putz war innen wie außen gründlich abgeschlagen, und man hatte bereits begonnen, die Lehmfüllungen des Fachwerks herauszubrechen. Das Hinterhaus war im Oberge- schoss bis auf die Außenhülle ent- kernt. Im Erdgeschoss hatte man ei- nige Innenwände stehen lassen und mit Steinwolle von innen gedämmt, da hier ein Baubüro eingerichtet werden so llte. Die Seilerbahn, die bis in die 1990er-Jahre noch voll- ständig erhalten war, hatte man bereits komplett demontiert und unter Verwendung einiger Ständer und Riegel zu einem überdachten Unterstand umfunktioniert. Diese gravierenden Verluste und Schäden waren überwiegend zwischen 1990 und 1995 entstanden. Alters- und Gebrauchsspuren Aufgrund des Alters des Gebäudes waren deutliche Abnutzungsspuren zu erkennen. Wie die dendrochro- no logische Untersuchung von 1994 ergeben hatte, war das Bauholz für das Vorderhaus im Winter 1722/23 geschlagen worden. Das Haus hat also heute, im Jahr 2001, ein Alter von 278 Jahren erreicht. Beim Bau- holz handelt es sich um Nadelholz, das vermutlich im nahen Hardtwald geschlagen worden war. Nur an we- nigen , konstruktiv stärker bean- spruchten , Stellen war das harte und teurere Eichenholz verbaut worden und zwar im Bereich der hoch belasteten Unterzüge in der Durchfahrt, vereinzelt als Türsturz, aber auch im Bereich der Schwel- len. Und selbst hier, wo das Eichen- holz aufgrund seiner hohen Bestän- digkeit gegen aufsteigende Feuch- tigkeit konstruktiv richtig eingesetzt war, waren die üblichen , starken Schädigungen erkennbar. Die feh- lende Feuchtesperre sowie die nur in Teilbereichen vorhandene Mög- li chkeit zur Austrocknung der Bau- substanz durch Belüftung hatten zu einem schleichenden Verfaulen die- ser Schwellenhölzer geführt . Des Weiteren waren auch die aufgehen- den Holzbauteile wie Ständer oder Streben der Außenwände teilweise komplett funktionsuntüchtig, hier insbesondere die der Straßenfassade des Erdgeschosses. Ein erhebliches Problem ließ die Schrägstellung des Gebäudes erwar- ten: Vermutlich aufgrund der guten Fundamente entlang der Straße, wo die N ordwand durch Einbau des Kellerraumes bis auf eine Tiefe von ca. 3 m gegründet worden war, und der minimalen Fundamente der Zwischenwände und der Südwand des Vorderhauses, hatte sich eine Schräglage von bis zu 40 Zentime- tern eingestellt. Dass diese Schief- stellung bereits zum Stillstand ge- kommen war, konnte aufgrund von eigens für diesen Zweck angebrach- ten G ipsmarken an einer Querwand im Keller nachgewiesen werden. Im Beobachtungsze itraum von annä- hernd einem Jahr zeigten sich hier keinerlei Abrisse oder Brüche. Auch anhand einer bereits 1881 zugesetzten Anschlussfuge des Vor- derhauses an das Hinterhaus im Obergeschoss ist ablesbar, dass sich seitdem keine wesentlichen Setzun- gen oder Schrägstellungen mehr er- geben hatten. Erschließung und Raumstruktur Die Erschließung des Gebäudes er- fo lgte in der letzten Nutzungsphase über die Ladentüre an der Kaiser- straße. Zum Hinterhof und der hier ge legenen Nebeneingangstür des Vorderhauses kam man durch die Durchfahrt. Von hier war über ein außenliegendes hölzernes Treppen- haus der Laubengang des O berge- schosses zu erreichen . Unter dem Holzverschlag der A ußentreppe ge- langte man über eine ebenfa lls außenliegende Sandsteintreppe in den ursprünglich einzigen Keller- raum (R 001) , der sich unter dem Hauptraum (R 102) des Erdgeschos- ses befindet. In der Erbauungszeit war das gesamte Gebäude von der Durchfahrt aus erschlossen: Unmit- telbar nach der Firstwand führte eine Tür in den Flurraum des Erdge- schosses. Diese Tür zur Durchfa hrt ist deutlich ablesbar: Der hochlie- gende Sturzriegel ist noch zu erken- nen , ebenso sind Nutzungsspuren an der Schwelle vorhanden. Den deut- lichsten Hinweis auf spätere Um- baurnaßnahmen liefern die Füllun- gen aus Bruchstein und Ziegelstein. Für einen direkten Zugang zum ein- zigen Kellerraum (R 001) von der Durchfahrt gibt es keine Befunde. Der heutige Kellerzugang (R 002 ) ist allerdings als deutlich spätere Zutat konstruktiv ablesbar: Die der Durchfahrt zugewand te Kellerwand gründete nur ca. 60 Zentimeter tief, was fü r einen re inen Fundament- streifen spricht. Die übrige Wand bestand aus einer dünnen Vorsatz- schale, die lediglich O berfläche dar- stellte. Da die Kelleraußenwand kei- nerlei Spuren für einen Ausgang aufweist, muss sich der ursprüng- liche Zugang also in unmittelbarer Nähe der Firstwand befunden ha- ben , wo durch ältere Umbaumaß- nahmen mögliche Befunde verloren gegangen sind. Vermutlich war der Kellerabgang im Flurraum (R 104) unterhalb der ursprünglich innen- liegenden Treppe zum Obergeschoss angeordnet. Gebäudestruktur Das funktional zweigeschossige Vor- derhaus wirkt wegen des Mansard- daches wie eingeschoss ig. Es ist durch vier Fensterachsen gegliedert. Der Grundriss des Vorderhauses wird durch die durchgehende Mit- tellängs- oder Firstwand in zwei sehr unterschiedlich genutzte Hälften unterteilt. In der straßenseitigen Haushälfte befinden sich die Wohn- räume. Hier entsteht durch Zusam- menlegung der be iden mittleren Fensterachsen ein größerer Haupt- raum. Dieser ist in allen drei Ebenen anzutreffen und bildet das jeweilige Zentrum des Geschosses. In der hof- 115 se itigen Hälfte befinden sich die kleineren , untergeordneten Räume: Hier liegen neben dem Flurbereich, der auch als Erschließungsdiele fun- gierte, d ie Küche mit der Feuerstel- le und Kammern. A nnähernd ein Viertel der Mittelwand ist in einem übereinanderliegenden Abschnitt in beiden Geschossen massiv ausge- führt. Hier war jeweils die Herd- wand angeordnet. A us dem Raum der rückwärtigen Haushälfte wurde ein Ofen befeuert, der, durch die gemauerte Wandscheibe "gesteckt", die Strahlungswärme an die Wohn- räume abgab. Im Erdgeschoss ist die ursprüngliche Herdwand erhalten, allerdings wurde sie zwischenzeitlich durch das Herausschlagen eines Türdurchbruchs verändert. Beide Stockwerke sind gleich or- gan isiert, jedoch weist das Oberge- schoss schrägstehende W ände an der Straßenseite und einen einge- zogenen Laubengang auf der Hofsei- te auf (vgl. Farbabb. 4) . Diese Struk- tur ist nahezu unverändert bis zum heutigen Tag erhalten geblieben. Lediglich im Erdgeschoss wurde eine Querwand im hofseitigen Bereich entnommen, um einen größeren Raum zu erzeugen (vgl. Farbabb. 8 ). Beim Bombardement Karlsruhes während des letzten Kriegsjahres hatte die G iebelwand des sechsge- schossigen Nachbargebäudes Kai- serstraße 49 einen Treffer erlitten. Herabstürzende Wand teile des sechs- geschossigen Gebäudes drückten den oberen, flachen Dachbereich des Vorderhauses in der Kaiserstraße 47 ein, sodass dieser ersetzt werden musste. Da aufgrund fehlender Bau- materialien an eine ordentliche Re- paratur nicht zu denken war, wurde 116 behelfsmäßig aus zweitverwendeten Hölzern ein Notdach zusammenge- zimmert. Nach Berichten von Frau Lise lotte Schönherr bemühte sich die Familie energisch um tönerne Dachziegel, da ihnen Betonsteine als Dachdeckung als eine Verschan- delung ihres Hauses erschienen. Dieses Notdach erwies sich im Zuge unserer Tragwerksuntersuchungen als statisch völlig unzureichend, da es auf kurzen Stempeln auf der De- ckenlage des Obergeschosses auf- geständert worden war und über kei- nerlei Queraussteifung verfügte. Konstruktion und Ausführung wa- ren nicht zu erhalten, sodass das neue Dach der ursprünglichen Pro- portion des Daches angenähert wer- den und vor allem auch konstrukti- ve und nutzungs bedingte Ansprü- che besser erfüllen konnte. Das Nutzungskonzept In der dritten Phase wurden die gewonnenen Erkenntnisse in ein Nutzungskonzept eingearbeitet. Ge- meinsam mit dem Tragwerksplaner konnte ein abgestimmtes Reparatur- konzept erstellt werden. Durch die günstige Gelegenheit der nicht exakt vorgegebenen Funk- tion für das Seilerhaus konnte der Gebäudekomplex auf seine Eignung für verschiedene Nutzungen hin un- tersucht werden - um anschließend ein Nutzungskonzept zu erarbeiten (Abb. 90). Eine Nutzungseinpas- sung bietet die Möglichkeit größt- möglicher Rücksichtnahme auf den Bestand bei entsprechend geringem Kostenaufwand der Baumaßnahme. Diese Vorgehensweise ist bei der ge- wünschten "behutsamen Wieder- nutzbarmachung" unbedingt erfor- derlich und Voraussetzung für einen schonenden Umgang mit dem Bau- denkmal. Nutzungsverteilung In dem mittlerweile im Volksmund mit dem Begriff "Seilerhäuschen" betitelten Gebäudeensemble wurde in Abstimmung mit dem Landes- denkmalamt versucht , sämtliche neuen Nutzungen in den unter- schiedlichen Gebäudetei len unter- zubringen: Das als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung einge- stufte Vorderhaus wird in se iner überlieferten Bausubstanz erhalten und denkmalgerecht saniert. Wo er- forderlich, werden defekte Bauteile repariert und fehlende Bauteile er- gänzt. Hier ist eine nur wenig inten- sive Nutzung vorstellbar. Insbeson- dere das Baugefü ge aus Holz und Lehm sollte von Wasser und Was- serdampf möglichst freigehalten werden, hauptsächlich um die Konstruktion trocken zu halten und so einem Schädlingsbefall durch Insekten, aber auch dem Haus- schwamm vorzubeugen. Die Grund- rissstrukturen, das Baugefü ge, die Oberflächen und die wenigen Reste an Bauschmuck sollten möglichst erhalten und in einer angemessenen Nutzung wirkungsvoll eingebunden werden. Der bereits betoniert vorge- fundene Kellerraum (R 004) bot sich für die erforderliche Toiletten- an lage des gesamten Gebäudekom- plexes an. Der Kellerraum unter der Stube (R 102) sollte seine Funktion als Klimapuffer beibehalten und wurde mit nur ge ringer Nutzung bedacht: Hier soll Leergut ge lagert werden - über den Winter dient der Raum als Stuhllager. Das Erdge- schoss wird aufgrund seiner ebener- digen Lage, se iner höherwertigen Ausstattung und se iher günstigen Erschließung als Gaststätte genutzt. Da die Grundfläche nicht sehr groß bemessen ist, wird hier an ein geho- benes Weinlokal gedacht. Das sehr sparsam ausgestattete Obergeschoss mit seinen zahlreichen schrägste- henden Wänden und deren weiß gekalkte Oberflächen eignet sich in idealer Weise als Galerie- oder Ausstellungsfläche. So können auch die wenigen alten Oberflächen, die Böden und einige Wand- und Deckenputze in ihrem abgenutzten Zustand verbleiben und ihre "Al- tersqualitäten" gut zur Wirkung bringen. Beim Ausbau des oberen Dach- werks konnte, da es sich hier um ei- nen kompletten "Neubau" hande lt, eine intensivere Nutzung, beispiels- weise als kleines Büro für die Gale- rie, vorgesehen werden. Für den " Verbinder", das eingezogene An- schlussstück des Hinterhauses an das Vorderhaus kamen zwei Lösun- gen infrage: Entweder horizontal als Bindeglied der Nutzungen von Vor- derhaus und Hinterhaus - oder ver- tikal als neue Erschließung der Ge- schosse untere inander. Da die Ver- tikalerschließung das dringlichste Problem des Gebäudekomplexes darstellte, wurde hier eine Treppen- anlage über drei Geschosse vorgese- hen. In Zusammenspiel mit einem vorgelagerten abschließbaren Flur trennt dieses Treppenhaus die ein- ze lnen Funktionse inheiten vonei- nander oder schließt diese zusam- men. Der im Erdgeschoss vorgesehe- ne direkte Zugang vom Hof zum neuen Treppenhaus könnte sich in Zeiten der GartenbewirtSchaftung zum Haupteingang entwickeln. Das Hinterhaus war in se iner Baugeschichte immer wieder den sich ändernden Verhältnissen ange- passt worden . Durch diese Flexibili- tät im Hinterhausbereich wurde der ungestörte Fortbestand des Vorder- hauses gesichert. Dementsprechend ist hier auch heute eine Mischnut- zung vorgesehen : Hierher kann die Nutzung vom Vorderhaus ausgewei- tet werden, beispielsweise durch die Unterbringung eines ergänzenden Gastraums (R 112) zur Vergröße- rung der knapp bemessenen Grund- fläche der Gaststätte. So kann die vorgefundene Ausstattung dieses Raumes vo llständig erhalten und zweckmäßig eingesetzt werden. Auf der bereits bestehenden , fun- damentierten Betonbodenplatte im Anschluss an das Hinterhaus ist der N eubau einer abgeschlossenen Kü- cheneinheit vorgesehen. Hierbei werden sämtliche mit hohem Ins tal- lationsaufwand verbundenen Kü- ch enfunktionen in einer "Box" un- tergebracht, die als zusätzlicher N eubaukörper auf der Bodenplatte plaziert wird . Die dort bereits vor- handenen Bodenkanäle können ge- nutzt, ein bestehendes, neuzeitliches Abwassersystem kann zumindest in Teilen mitgenutzt werden . Der ur- sprüngliche Versuch , die Küchen- funktion innerhalb des G ebäudes anzuordnen , war aufgrund des ho- hen Installationsaufwandes und der hohen Ansprüche an die Oberflä- chen und den damit einhergehen- den starken Substanzverlusten bei gleichze itigen Nutzungse inschrän- kungen wieder verworfen worden . Die um 1995 skelettierte Seiler- bahn wird im derze itigen Zustand belassen und soll als offener Freisitz dienen. Hierbei wird das ursprüngli- che Mauerwerk der geschlossenen Wandfelder mittels einer neuen Lat- tung ang~deutet . Die Hoffläche wird gepflas tert , und bere its betonierte Plattenfundamentstreifen werden mit Sandsteinplatten belegt, um in der warmen Jahresze it eine Außen- raumbewirtschaftung mit direktem Zugang über die Durchfahrt aus der Kaiserstraße zu ermöglichen . Diese sehr stark an der bestehenden Ge- bäudestruktur, dem Erschließungs- schema, der Ausstattung und auch dem Bauzustand orientierten Nut- zungsüberlegungen wurden in meh- reren Varianten skizzenhaft zeichne- risch überprüft, um schließlich in ein Nutzungskonzept einzufließen. Da zur Realisierung dieser Vor- stellungen diese von einem Nutzer mitgetragen werden müssen, begann bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Suche nach einem Pächter. Eine Auswahl von Interessenten wurde aufgefordert, auf dieser Grundlage ihre eigenen, wirtschaftlich tragfä- higen Nutzungskonzepte auszuar- beiten und vorzustellen . Aus diesem Spektrum entstand in intensiven Einzelgesprächen mit den Bewer- bern das geeignete Konzept. Dieses Nutzungskonzept be- stimmte anschließend die Suche nach geeigneten Reparaturmöglich- keiten der geschädigten Bauteile. Dieses Reparaturkonzept wurde im konstruktiven Bereich in enger Zu- sammenarbeit mit dem Tragwerks- planer erarbeitet. 117 Das Reparaturkonzept G rundlage für das Reparaturkonzept war die Erkenntnis, dass das Gebäu- de die lange Standzeit von 277 Jah- ren respekteinflößend gut überdau- ert hatte - trotz einfachster Bauwei- se, trotz intensiver Nutzung und bei nur sparsamen Instandhaltungsmaß- nahmen . Aus diesem Grund und um den Quellenwert des Bauwerks zu erhalten , sollten der Bestand im ein- gebauten Zustand belassen und nur die geschädigten Bauteile sparsam repariert werden . O ptische Mängel wurden nur in Ausnahmefällen be- hoben, Gebrauchsspuren wurden belassen . Zuerst wurden grundsätz- liche Parameter festgelegt. Wichtig war be ispielsweise die Entschei- dung, die Schräg lage des Gebäudes beizubehalten. Bei vorangegange- nen Umbaumaßnahmen war mit großem Aufwand versucht worden , die Schräglage auszugleichen. Hier- zu war das Gebäude "geleich tert" worden , indem die Gefache auf der Südseite im Obergeschoss planmä- ßig entnommen worden waren, was zu einem hohen Substanzverlust und erhöhten Folgekosten für die Wiederherstellung geführt hatte. Eine zweite Entscheidung betraf die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Sanierung der Schwellen- hölzer und der Sockel. Hier waren mehrere Vorgehensweisen diskutiert worden, um möglichst wenig Sub- stanz zu verlieren . Da auch die Trag- fähigkeit der einfach aufgeschichte- ten Bruchsteinsockel nicht aus- reichte, entschied man sich, d iese abzubauen und die Schwellen in Abschnitten nach unten zu ent- nehmen . 118 -;- 90 Übersicht über das Nutzungskonzept . I I 1 1 1 : I I ( I I I 11 A 1: L +i I: 1- - '"' ---. -t- I }--' 11 i I I -----+==-,-------_._+- - + GRUNDRISS KELLERGESCHOSS Keller2ugang Lagerraum J kOhl - feucht Treppenraum I Zwischenflur Gäste- I Personal-WC bestehender BelonkeUer Leergutkeller I Trockenlager Holz-/Lehmdecke - Bruchstein- Mauerwerk Hausanschluß I Hebeanlage -,- - - .0- - --- - - + ~ F----- --- -- GRUNDRISS ERDGESCHOSS I I I I I I I I Lagerfläche I KUhlboxen Neubau KOchennutzung I intensive Nutzung Neubau Zwischenflur I KeUerzugang kleine Lagerräume I Tagsslager Aufen hItsraum I Gesellschaftsraum beste n e Ausstattung Treppenraum I Zwischenflur zentraler Zugang Theke b reich mit Wasserversorgung (Ober WC) Aufen hitsräume mit Intensiver Nutzung Stahlb t nboden ~~_J -+ EIngangsbereich I Wartezone bestehender Steinboden strassenseitiger Zugang -,- = +- --- --- ~----- I I I I I I If---- I I I I I +-- -----"'ll I I r--'--~ I I I I I I I 119 GRUNDRISS OBERGESCHOSS Nassbereich I Anrichte Andienung aber KOche ~~~th,.It"~I"tr mit intensiver Nutzung (z.8 . Cafe) Treppenraum I Zwischenßur Laubengang I Erschließung OG Aufenthaltsräume mit wenig intensiver Nutzung (z.B. Galerie) -t 120 Nach den Hinweisen aus dem Schadensgutachten war zu erwar- ten, dass Fußpunkte und sogar die Zapfen der aufgehenden Ständer und der Streben in großen Teilen noch intakt waren. Wegen der schlecht zugänglichen Fundamente ermöglichte diese Vorgehensweise zudem den Einblick in die Grün- dungsart des Gebäudes. Wie be- fürchtet, stellte sich heraus, dass die Fundamente wenig tief gründeten und zudem auf nur schlecht tragfä- hige Böden aufbauten. Hieraus re- sultierte die Entscheidung, die Schwelle in zwei Hälften auszutau- schen und mittels möglichst tiefer- gründendem Stahlbetonfundament eine höhere Standfestigkeit zu errei- chen. Zuvor mussten jedoch auf- wendige Sicherungsmaßnahmen ge- plant und umgesetzt werden. Ge- meinsam mit dem Tragwerksplaner und dem Zimmermann entstand eine Trag- und Hängekonstruktion (Abb. 91). Das G ebäude wurde im Bereich der Durchfahrt vollflächig aufgeständert. Durch das Eigenge- wicht der Fachwerkkonstruktion wurde die Gebäudetrennwand rück- verankert, um nicht die Giebelwand des östlichen Nachbarn auf Druck (Kaiserstraße 45) zu beanspruchen, da man hier eine ähnlich schlechte Gründung erwarten musste. Die nach der Entnahme der Schwelle in der Luft hängenden Gefachfüllungen waren zuvor mit- tels einer querverlaufenden Brett- schalung und daran befestigter lan- ger Nadeln in ihrer Position gehal- ten. Nach der exakten Kopie der ersten Schwellenhälfte mit ihren Zapfenlöchern auf der Oberseite wurde auf die Unterseite ein zäher 9 1 Kaltbitumenanstrich aufgebracht und eine durchlaufende starke Dachpappe als Sperrschicht aufge- klebt. Abschließend wurde die Schwelle in die Zapfen der Ständer und Streben eingefädelt und unter- mauert. Mehrere Handpressen, die im Fundamentgraben auf tragfähi- gem Grund eingerichtet worden waren , stellten die Wandhälfte wieder unter Druck , sodass sämt- liche Holzbverbindungen wieder Kraftschluss erhielten und sich die Wandscheibe stabilisierte. Für die Fundamente und Sockel entwickelte man eigens Einbauplä- ne. An den O berseiten des Sockel- streifens wurden Kontrollöffnungen ausgebildet, durch die im Schadens- fall in die Trennwandfuge eindrin- gendes Wasser schnell erkannt wer- den kann. Zusätzlich ermöglichen diese Öffnungen eine Hinterlüftung 91 Aufständerung und Absicherung der Ostwand (Haustrennwand) der Durch- fahrt zum Austausch der Schwellenhälzer und der defekten Ständer. 1m unteren Bereich ist die Sicherung der Füllungen erkennbar ( 1998) . des Hohlraumes zwischen den bei- den Trennwänden . Eine dritte prinzipielle Entschei- dung musste bei der großflächigen Reparatur der Straßenfassade getrof- fen werden. Hier kamen sehr spät und überraschend unter Blendbret- tern einer späteren Überformung einz igartige Hinweise auf den ur- sprünglichen Schmuck der Fassade in Form von geohrten Fensterge- wänden zum Vorschein (vgl. hierzu S. 29- 32). Diese waren allerdings beim Anbringen der oberen Blend- bretter bei einer früheren Fassaden- umgestaltung weitgehend abgebe ilt worden. Da bei der Sanierung aber nicht die ältesten Befunde, sondern die zuletzt vorhandene Schicht als Bezug diente, war hier eine ange- messene Reaktion sehr schwierig. Um diese se ltenen Spuren nicht vollständig zu verlieren, wurde hier wenigstens die obere Hälfte eines ausgearbeiteten Ständers trotz se i- nes hohen Schädigungsgrades im Tragwerk belassen. Die übrigen stellte man bei der Kopie der Stän- der und Riegel in ihrem abgebeilten vorgefundenen Zustand wieder her. Auf Grundlage einer ze ichnerischen Dokumentation der Spuren durch Holger Re imers konnte eine sehr präzise zeichnerische Rekonstrukti - on dieser Fassadendetails angefertigt und ausführlich beschrieben werden (vgl. hierzu Abb. 13-19). Aus den Schriftquellen des Jah- res 1753 ist zu entnehmen , dass sämtliche Gebäude in dieser Haus- zeile auf Anordnung in diesem Jahr ve rputzt wurden (vgl. den Beitrag von Holger Reimers, S. 35 ). Ver- mutlich war die fachwerksichtige und überschlämmte Wandkonstruk- tion bis dahin monochrom ge- strichen . Die Überlieferung, dass die fachwerksichtige Straßenfassade "ochsenblutrot" ges trichen gewesen sein so ll, konnte, wegen der Entfer- nung der Putzschicht zwischen 1990 und 1995, durch Befunde allerdings weder bestätigt noch widerlegt wer- den. Zum Aufbringen des Verputzes wurden 1753 kurze und lange Näge l, sowie Draht als Putzträger in exak- ten Materiallisten aufgeführt, wofür ausreichend Befunde vorh anden sind. Aufgrund dieser Befundlage und nach heutigem Kenntnisstand über Schlagregenbelastung von Fachwerkfassaden, war die Ent- scheidung eindeutig, die Strassen- fassade auch heute wieder zu verput- zen. Auch diese Entscheidung wur- de mit dem Landesdenkmalamt bei einem Ortstermin abgestimmt. Die Reparaturmethoden In Bereichen mit umfangreichem Bestand und wichtigen Befunden sollte sich die Reparatur in Materi- al und Fügung an der historischen Konstruktion orientieren. Bei groß- flächigen Fehlstellen erachteten wir es als richtig, mit zeitgemäßen Tech- niken und unter Beibehalt des Ma- terials zu reagieren . Bei Schäden , die eindeutig auf ungünstigen Mate- rialeinsa tz zurückzuführen waren, wurde im Einzelfa ll auch ein Ma- terialwechsel vorgenommen. Bei komplett feh lenden Bauteilen ohne eindeutige Befund lage oder bei nachträglich notwendig geworde- nen Maßnahmen zur Aufrechterhal- tung der Standsicherheit kommen bewusst neue Materialien und Kon- struktionen zum Einsatz, die dem Bestehenden additiv hinzugefügt sind. Um die Vorgehensweise des "Hinzufügens" ablesbar zu machen, werden erforderliche N eubauteile reversibel ausgebildet, nicht zuletzt um sie im Fa lle einer zukünftigen verbesserten Reparaturmethode er- setzen zu können. Dieses Hinzufü- gen weiterer Schichten setzt eine Tradition fort, die eng mit der Bau- geschichte des Hauses verbunden ist. Aus Sparsamkeitsgründen wurde auch hier nur im Ausnahmefall ab- gebrochen oder entfernt - stattdes- sen pflegten die Eigentümer die 121 Bausubstanz und legten Schicht um Schicht neue Oberflächen auf. Ex- emplarisch sollen hier einige Repa- raturmaßnahmen beschrieben wer- den, um diese Vorgehensweise zu verdeutlichen. Material und Konstruktion Für jeden häufiger auftre tenden Re- paraturfall entwickelten wir in en- ger Zusammenarbeit mit dem Trag- werksplaner einheitliche Lösungen. So wurde beispielsweise für das An- schuhen der Deckenbalken, die im Auflagerbereich an die Außenwand durch in die Stirnseite eindringende Feuchtigkeit mannigfaltig geschä- digt waren , das "stehende Blatt" als Standard festge legt. Je nach Bean- spruchung wurde dieses in der Län- ge und in der Anzahl der Befesti- gungspunkte angepasst. Diese Stan- dards nehmen immer Bezug auf die bestehende Konstruktion , sie be- rücksichtigen die zukünftige Belas- tung der ReparatursteIle - aber auch die Umsetzbarkeit an den unter- schiedlichen Einbaustellen durch den ausführenden Handwerker. Letztendlich dürfen sie die spätere Nutzbarkeit nicht oder nur wenig behindern . Zwar waren diese Maß- nahmen nicht immer e inheitlich umzusetzen, doch diente jede kon- zeptionell erstellte Lösung zur Fort- schreibung der Reparaturmethode - auch für den Ausnahmefall. Konstruktionswechsel ohne Änderung des Baumaterials Ein Problem ste llten die zwischen 1990 und 1995 systematisch und großflächig entnommenen Füllun- 122 gen der Fachwerkwände dar: Die historische Konstruktion bestand aus Eichenstaken, welche an den Enden angespitzt in die Nuten der Fachwerkkonstruktion eingeschla- gen waren. In diese in regelmäßigen Abständen gesetzten Tragstäbe wa- ren biegsame Weiden- oder Hasel- nussruten eingewoben worden. Auf dieses Flechttragwerk war von be i- den Seiten eine Mischung aus ma- gerem Lehm und Strohschnitzeln aufgebracht worden, sodass sich ein kompakter, hohlraumfreier Wand- aufbau ergab. Der Aufwand, sämtli- che Gefache in dieser historischen Bauweise wieder herzustellen, wäre sehr hoch gewesen, da diese Techni- ken se lbst im modernen Lehmbau nicht mehr routinemäßig ange- wandt werden. Um sich auch formal gegen diese historische Technik ab- zusetzen , wurde für neue Ausfa- chungen eine zeitgemäße Konstruk- tionsart gewählt . Lehmsteine, wie sie heute wieder industriell günstig gefertigt werden, erfüllen, da von gleichem Material, diese lben guten kapillaren Transporteigenschaften . Zudem werden durch deren Einsatz die systemspezifischen Bedingungen der Bauphys ik erfüllt. Dies ist bei der Umnutzung des bislang sparsam geheizten Wohnhauses umso wich- tiger, da mit der zu erwartenden hö- heren Temperaturdifferenz die bau- physikalische Beanspruchung der Wandbaustoffe deutlich zunimmt. Um diesen höheren Anforderungen an den Wärmehaushalt gerecht zu werden, wurden im Bereich der Au- ßenwände Lehmleichtsteine mit ge- ringer Rohdichte eingesetzt, die über deutlich bessere Wärmedämm- eigenschaften verfügen als der histo- rische Wandaufbau. Für die Haus- trennwände kamen aus Brand- schutz- und Schallschutzgründen die schweren Lehmlochsteine zum Einsatz. Im Bereich der schrägste- henden straßenseitigen Wandschei- be des Obergeschosses hingegen hatte sich die Reparaturtechnik des Aufmauerns nicht bewährt - diese Füllungsfelder waren bere its nach kurzer Standzeit aus der Konstrukti- on gefallen . Hier griff man auf die traditionelle und sinnvolle Technik der konstruktiv eingebundenen Eichenstaken zurück. Ähnlich ging die Reparatur der Decken vonstatten . Großflächig fehlende Lehmwickel im Bereich der notwendigen Decken wurden durch tragfähige Lehmbauplatten gefüllt . Waren die ReparatursteIlen jedoch nur von kle inerem Format, hätte das beidse itige Anarbeiten der Lehmplatten an die bestehende Lehmwickelkonstruktion einen zu hohen Aufwand bedeutet - hier wurde in der traditionellen Lehmwi- ckeltechnik repariert. In beiden Fäl- len wird die neuze itliche Reparatur- steIle durch ihre glatte Oberfläche nachvollziehbar. Überlagerung Eine völlig andere Reparaturmetho- de wurde für die Decke über dem Obergeschoss entwickelt. Da diese Deckenbalkenlage durchgängig in schlechtem Zustand war, erhielt das neue Dach eine eigene Balkenlage mit steifer Bodenplatte. Diese wurde so ausgebildet, dass sie von unten sichtbar als zweite Schicht über der bestehenden Deckenkonstruktion liegt und so den neuen Raumab- schluss bildet. Mittels unterschied- lich starker Ausgleichspfetten, die auf den Außenwänden und der Mit- telwand aufliegen, erreichte man ei- nen Ausgleich der Schräglage des Gebäudes - und die Möglichkeit, das neue Dach ohne weitere Anpas- sungsmaßnahmen auf einen exakt horizontalen Rost aufzuse tzen . Im Zwischenraum, beidseitig der Mit- telpfette, wurde die fehlende Ho- rizontalverteilung fü r die erfor- derliche Haustechnik eingebracht (Abb.92) . Durch diese Überlagerung von zwei sehr unterschiedlichen Kons- truktionen wird die Reparaturme- thode deutlich: So verläuft über der halben Grundfläche des Oberge- schosses die alte Decke in der tradi- tionellen Lehmwickeltechnik und gibt hier den ursprünglichen Raum- eindruck wieder. In der Abbruch- kante ist die historische Decken- konstruktion ablesbar. Die zweite Hälfte der Grundfläche erhält mit der neuen Bodenscheibe des Dach- geschosses einen hochliegenden Raumabschluss, der exakt horizon- tal verläuft. Hier wird die Schrägla- ge des Gebäudes nachvollziehbar - die zuvor nicht vorhandene Haus- technik stellt sich als neu hinzuge- fügtes Element dar. Hinzufügungen So wie durch das Nutzungskonzept ergänzende Neubauten notwendig werden, müssen auch einzelne Bau- teile zusätzlich eingefügt werden. Diese Ergänzungen betreffen not- wendige Hilfskonstruktionen, die die bestehenden historischen Kons- truktionen unterstützen. Diese sind zumeist dann erforderlich, wenn es aufgrund der Umnutzung zu höhe- ren Beanspruchungen bestehender Systeme kommt. Aber auch im Fall geschädigter Bauteile, die aufgrund ihrer Einbausituation nicht umfas- send repari ert werden können, wer- den Substruktionen erforderlich. So verfügt das Vorderhaus über eine ausreichende Aussteifung in der Querrichtung. Aufgrund der Zeilenbauweise hatte man es zur Erbauungsze it jedoch nicht für not- wendig erachtet, jedes einzelne Gebäude mit einer eigenständigen Längsaussteifung auszustatten. So wurde nach einer Konstruktion gesucht, die diese neuzeitliche stati- sche Anforderung erfüllt. Nach der Sanierung der bestehenden Kons- 92 truktion übernehmen eingebaute Stahlrahmen im Bereich der Au- ßenwände im Obergeschoss diese aussteifende Funktion in Längsrich- tung des Gebäudes. Diese mittels nachjustierbaren Stahlseilen vorge- spannten und dad urch in sich sehr steifen Rahmen werden nach Fer- tigstellung der Putzoberflächen auf die Fachwerkkonstruktion aufge- schraubt. Die kraftschlüss ig ausge- spannten Brustriegel der ursprüng- lichen Holzkonstruktion überneh- men die Zusatzfunktion als Druck- stäbe. Diese Elemente sind reversi- bel angebracht und für den Betrach- ter als neuzeitliche Zutat versteh bar. Im Erdgeschoss war durch die Entnahme einer Querwand ein Pro- blem in der Lastabtragung entstan- den . Diese Querwand, die ursprüng- lich unterhalb der Trennwand der Räume 203 und 204 des Oberge- schosses ihre statische Funktion als tragende Wand erfüllte, war nut- zungsbedingt in einer früheren Mo- dernisierung entnommen worden, um auch in der hofseitigen Haus- hälfte einen größeren Raum zu schaffen. Die so geschwächte Kons- truktion stellte bereits bei der Wohnnutzung ein statisches Pro- blem dar, da die innere Laubengang- wand im Obergeschoss nun ohne ausre ichende Unterstützung über dem Erdgeschoss "schwebte". Durch die Umnutzung des Ober- geschosses hin zu einer öffentlichen Nutzung machen nun zusätzlich er- höhte Verkehrslasten eine Hilfskons- truktion zwingend erforderlich. Um die geplante Nutzung des Erdge- schosses nicht unnöt ig durch die Rekonstruktion der ursprünglichen Querwand einzuschränken, suchte man nach einer neuen Lösung. Die- se fand sich im Ansa tz in einer bere its historischen Ergänzung aus 123 92 Detailpunkt in der Decke über dem Obergeschoss, Überlagerung der historischen Deckenkonstruktion mittels neuer Bodenplane und Einbau zeitgemäßer Installation (2000). demselben Grund. Im Bereich der Durchfahrt war dieses Problem nämlich ebenfalls aufgetreten und durch den nachträglichen Einbau eines Unterzuges aus Eichenholz be- hoben worden. In der Flucht dieses Eichenbalkens werden nun durch den Einbau von Stahlrahmen die Lasten der restlichen über den Räu- men 103 und 104 stehenden Quer- wandscheiben im Obergeschoss ab- gefangen . Dieser Stahlrahmen wird ohne sei tliche Anbindungen in die Räume des Erdgeschosses einge- stellt. Durch sein e präzise Ausrich- tung in Horizontal- und Vertikal- 124 richtung bildet er einen markanten Bezug, an dem die Verformungen der historischen Konstruktion of- fensichtlich werden (Abb. 93). Der horizontale Träger des Rahmens erhält in der Höhe justierbare Auf- lagescheiben , die jeden einzelnen Deckenbalken noch zusätzlich un- terstü tzen. Baupraktische Umsetzung Neben diesen stark konzeptionell orientierten Reparaturmethoden mussten auch im Detail und für die handwerklichen Durcharbeitung prinzipielle Lösungen gefunden wer- den, insbesondere in den Bereichen, wo die Schnittstellen zwischen bestehenden Konstruktionen und Oberflächen mit den modernen Er- gänzungen zu kollidieren drohen. Fensterinswndsetzung Der Reparatur der Fenster wurde größte Aufmerksamkeit geschenkt, da sie das letzte durchgängig vor- handene Ausstattungselement sind. Sie ze igen den sparsamen Umgang der Eigentümer mit der Bausub- stanz, den wir heute in ähnlicher Weise weiterverfolgen . Trotz augen - scheinlicher Ähnlichkeit unterein- ander machen sie durch ihre spezifi- schen produktionszeitbestimmten Ausformungen den Verlauf der Bau- geschichte ablesbar. Für das älteste Fenster F14 in Raum 207 des Ober- geschosses (aus dem 18. Jahrhun- dert) wurde von Igor Schiltzky, ei- nem Architekturstudenten der Uni- versität Karlsruhe (TH), im Rah- men eines Denkmalpflegeseminars 93 eine Bauaufnahme erstellt (vgl. Abb. 55) und ein Sanierungskon- zept ausgearbeitet. Auch die Stu- denten des Aufbaustudienganges Altbauinstandsetzung hatten sich in ihren Arbeiten intensiv mit jedem einzelnen Fenster beschäftigt (vgl. Beitrag Holger Reimers, S. 16,5 1). Nicht zuletzt dank dieser zahlrei- chen Studienarbeiten über die Bau- geschichte, die Baubefunde und die noch vorhandenen Ausstattungstei- le wurde das "Seilerhäuschen" 1999 in das Denkmalbuch der Stadt Karlsruhe aufgenommen. Für Türen und Fenster wurde eine eigene Pho- todokumentation (Abb. 94) ange- fertigt. Diese diente als Grundlage für das differenzierte Reparatur- konzept der Fenster. Grundsätzlich wollte man sämtliche Fenster in ihrer Gesamtheit erhalten . Vor dem Ausbau wurden die einzelnen Be- standteile der Fenster beze ichnet, so dass diese nach der Reparatur wie- 93 Hilfskonstruktion in den Räumen 103 und 104 im Erdgeschoss : Neben die bestehende hölzerne Fachwerkkonstruktion wurde zur Abfangung der durch Verkehrs- lasten höher beanspruchten Räume im Obergeschoss ein Stahlrahmen einges tellt (2000). der an ihrem angestammten Platz ihre Funktion übernehmen konn- ten. Nur in Ausnahmefällen, wenn sich e inzelne Beschlagteile als un- brauchbar oder schadhaft heraus- stellten, wurden diese durch neue ersetzt. Anschlagrahmen, Flüge lrah- men und Beschlagte ile erwiesen sich als äußerst haltbar. So konnte auch das Fenster FlO nach nur ge- ringen Reparaturen und unter Er- halt von Gebrauchsspuren wieder funktionstüchtig gemacht werden (Abb. 95). W ährend der nicht mehr ze itge- mäße Wärmeverlust durch die ein- fache Verglasung allein noch hin- 94 .,..".... "Sellerhäu8chen" I Kalsor5traßo 47 objelil Vorderhaus baüteul n .. : IiII'IIt (2004 ,M) VOLKSWQHNUNG Karlsruhe GmbH nehmbar gewesen wäre, zumal im Zuge der Reparaturmaßnahmen eine relative Winddichtheit herge- stellt wird, muss im Bereich des Schallschutzes "nachgebessert" wer- den. Da die Kaiserstraße mit ihrem Kfz- und Straßen bahn ve rkehr in- TX t01..,r. In ,.um I posltlön 111 um 1880 Datum: 03.05.99 Bearbeiter: _---'H"'o"'ffma=n:.:..n zwischen eine enorme Lärmquelle darste llt, werden die hierhin gerich- teten Fenster mittels eines größeren, e infachen hölzernen Innenfensters zu einem Kastenfenster ergänzt. Für das Obergeschoss wird eine ergän- zende gläserne Konstruktion das 125 95 94 Auszug aus der Türendokumentation: Dargestellt ist die barocke Tür in der First- wand des Obergeschosses - vgl. hierzu den Längsschnitt Abb. 54 (I 999) . 95 Reparaturmaßnahmen am Fenster F 10 / Barockfenster aus Raum 1 10 (Erdgeschoss) (2000). Motiv der ehemaligen Einzelgauben aufgreifen , um den Zwischenraum des Gaubenbandes zum Wohnraum abzuschließen . Putzoberflächen Eine eher am Handwerklichen ori- entierte Vorgehensweise mussten wir bei der Ausführung der Putz- oberfläch en wählen : Hier bestand die erste Aufgabe darin, gee ignete Kalkputze zu finden. Diese woll te dann die ausführende Firma nicht in 126 96 der gewünschten minimalen Putz- stärke und wegen der zu erwarten- den Rissbildung auch nicht ohne Gewebeeinlage und nicht in der ge- wünschten Oberflächenglätte auf- bringen. Diese Hinweise ernstneh- mend, ließen wir Probefelder an- legen und überprüften anhand die- ser unsere weitere Vorgehensweise (Abb. 96). Ziel war es, eine annä- 96 Musterfelder für Putzoberf/ächen: Der Einsatz unterschiedlicher Putze auf den unterschiedlichen Untergründen (Lehm / Mauerwerk / Bruchstein) wurde vor dem vollf/ächigen Verputzen auf Haftung, Rissefreiheit und Oberflächen- ausbildung untersucht (2000). hemd gleiche Art der Oberflächen- behandlung zu erreichen, wie wir an einigen wenigen geschützten Stellen im Bestand feststellen konnten: Ur- sprünglich waren die Lehmfüllun- gen des Fachwerks nur minimal ge- genüber der Holzkonstruktion zu- rückgesetzt. Die Oberflächen der Lehmfüllungen waren im feuchten Einbauzustand auf unterschiedlichs- te Weise in "Diagonalmustern" ein- geritzt worden, um einen besseren Verbund mit der Putzschicht zu er- reichen. Die Anschlussfugen waren aus gleichem Grund nachträglich ausgekratzt worden, sodass der Putz an diesen Stellen mehr Halt fand. Die Kalkputzflächen waren schließ- lich bündig an die Holzbauteile an- geputzt worden, wodurch die Kon- struktion sichtbar blieb. Die Ober- fläche der Felder war durch die dün- ne Schicht aus Kalkputz sauber ge- glättet. Im Laufe der Jahre wurden die gesamten Wandflächen mehr- fach überzogen: Immer, wenn ein Raum "renoviert" wurde, brachte man einfach eine zusätzliche Kalk- schicht auf, sodass die zahlreichen Tüncheschichten in einigen Berei- chen annähernd Putzstärke erreich- ten. Für uns stellte sich das Problem, dass sich die Lehmfüllungen auf- grund der Schrägstellung der Fach- werkkonstruktion teilweise aus ih- rer Einspannung gelöst hatten. Um- 97 Innenraumaufnahme der Kammer im Obergeschoss (R 207) : Der Boden , die Außen- und Seitenwände und der Großteil der Decke konnten repariert und erhalten werden. Der Verputz wurde in Anlehnung an bestehende Restjlächen neu aufgebracht , die Decke ergänzt. Das Fenster wurde aus Schallschutzgründen zu einem Kasten - fenster ergänzt. Es ist das älteste Fenster des Hauses aus der Bauzeit. Der Rahmen besteht aus Eichenholz, die Flügel aus Nadelholz wurden am Ende des IB. Jahrhunderts ausgetauscht (200 I) . somehr musste man sich des Pro- blems der Rissbildung annehmen . N ach vollständiger Austrocknung der Musterputzfläch en konnte ein relativ einfacher Aufbau festge legt werden. Verzinkte, in gleichmäßi- gem Abstand im A nschluss bereich eingeschlagene Drahtstifte fi xieren die Füllungen . Danach wurde der Grundbewurf aus einer dünnen Lage Haftputz aufgebracht, auf den nass- in-nass der eigentliche O berputz als Kalkputz aufgetragen wurde. Die fei- ne Rissbildung, die im Bereich der Felder durch Schwinden zu erwar- ten ist , und das Entstehen von Schwundrissen im Bereich der An- schlussfugen wird in Kauf genom- men und beim späteren Anstrich weitestgehend übertüncht. Im Bere ich der "historischen" Reparaturstellen - so beispielsweise im Bereich der zugesetzten ehemali- gen Tür in der Durchfahrt - brach- te Nassbürsten der fri schen Putz- oberfläche die Oberflächenstruktur nach außen und machte sie sichtbar. Ebenfalls e ine differenzierte Be- handlung erfuhren die mit Lehm- steinen ausgemauerten Füllungen der ReparatursteIlen, di e wir erzeugt 97 hatten. Hier wurde auf die ebene O berfläche des neuen Mauerwerks der Putz aufgebracht und glatt auf der begrenzenden Holzkonstruktion abgezogen . Diese feinen A usarbei- tungen sind jedoch nicht vorder- gründig präsent. Durch das flächige Übertünchen entsteht eine mono- chrome weiße Wandfläche (Abb. 97 ). Erst auf den zweiten Blick so l- len die Reparaturen erkennbar se in (vgl. Abb. 96) . Die neu aufgemauer- ten , bündig an die Außenkante der Holzkonstruktion gesetzten Außen- wände vermeiden Staunässe in den Innenecken. Die Straßenfassade ist wie 1753 flächig überputzt. Dies hatte damals vordergründig reprä- sentative Gründe, da der Markgraf, von Durlach kommend, die wichti- ge Häuserze ile zwischen Waldhorn- straße und Durlacher Tor zweige- schossig und massiv erscheinen las- sen wollte (vgl. den Beitrag von 127 Holger Reimers, S. 35) . Vermutlich waren aber bereits damals auch bau- phys ikalische Gründe die Ursach e der neuerlichen Auflagen . In die of- fenen Anschlussfugen drang Regen- wasser ein und konnte nicht wieder vertrocknen, da die Nordfassade nur se lten von der Sonne gestreift wur- de - was vermutli ch innerhalb der Standzeit der ersten dreißig Jahre zu einem unschönen Erscheinungsbild geführt hatte. Das Überputzen der gesamten Konstruktion schützte das Fachwerk se it 1753 vor übermäßiger Durchnässung. Heute werden beide Aspekte in der Reparatur berück- sichtigt, wie bereits weiter oben be- schrieben. Die Reparatur der Putzfelder an der schmalen Südseite wurde in der Unterschiedlichkeit ausgeführt, wie der Untergrund vorgefunden wor- den war: Bestehende Felder mit un- terschiedlichen Füllungen wurden 128 98 flächig gegen die Holzkonstruktion geputzt. Die neu zugesetzten und außen bündig aufgemauerten Felder erhielten eine präz ise Kissenbil- dung. Die Haustechnik Das Gebäude war selbst in der letz- ten Nutzungsphase nur sehr sparsam installiert. Im Küchenraum diente ein steinernes Becken als Wasser- stelle. Ein Schornstein, der ebenfalls in der Küche stand, diente dem Rauchabzug über der Feuerstelle. Später wurden hier auch Einzelöfen angeschlossen. Sparsam und auf Putz installiert waren Elektroleitun- gen und Gasrohre. Von dieser historischen Haus- technik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist nichts mehr vorhanden - bis auf die Decken- haken zur Aufnahme von Leuchten im Erdgeschoss. Obwohl das ge- samte Vorderhaus von intensiver Installation weitestgehend freige- halten werden sollte, muss diese doch den heutigen Mindestansprü- chen genügen . Die Neuinstallation kann im Vorderhaus in großen Teilbereichen nur auf Putz erfolgen . In wenigen Fällen können ReparatursteIlen ge- nutzt werden , um Leitungen und Geräte einzubauen - aber nur dann, wenn dies schlüssig nachvollziehbar bleibt. Die Vertikalstränge werden durch ein bestehendes Kaminloch in den Decken geführt und mit einem schlanken Schacht verkleidet. In diesen sind sämtliche technischen Gerätschaften integriert. Der Ein- bau einer Heizungsanlage ist im Dachgesch oss geplant. In beiden Vollgeschossen werden die Umfas- sungswände im Fußbereich beheizt (Abb. 98), sodass die aufsteigende W ärme die Konstruktion trocknet 98 lnnenraumaufnahme des Hauptraumes im Erdgeschoss (R 102): Der Boden , die Seitenwände, die Decke, Wand- und Deckenputz und die Fenster konnten repariert und erhalten werden. Auch das Stuckprofil an der Decke konnte in Teilbereichen erhalten werden . Deutlich ablesbar ist der neue nachgezogene Mittel- teil. Die Fenster wurden aus Schallschutz- gründen zu Kas tenfenstern ergänzt (200 1). und die Wand als Strahlungskörper dient. Die Heizkörper werden mög- lichst filigran ausgebildet, um räum- lich nicht oder nur untergeordnet in Erscheinung zu treten. Da sich Wasser mit den einge- setzten Rohbaumaterialien Holz und Lehm nicht verträgt, wurde bereits durch das Nutzungskonzept eine Wasserversorgung für den his- torischen Teil des Vorderhauses aus- geschlossen, da Schäden an den Wasserleitungen nicht mit letzter Sicherheit auszuschl ießen sind und weil, insbesondere bei Verwendung von heißem Wasse r, Wasserdampf entsteht. Lehm und Holz sind orga- nische Baustoffe mit vielen bauphy- sikalischen Vorteilen. Diese sollte man jedoch nicht mu twillig ungüns- tigen klimatischen Bedingungen ausse tzen, um so das Risiko der Fäul- nis- und Schimmelbildung zu pro- vozieren . Der einzige Raum, de r sich auf- grund seiner Hüllflächen aus Stahl- beton für eine Nassraumnutzung eignet, ist der bereits vorgefundene neue Kellerraum (R 004) unter dem Raum 103 des Erdgeschosses. Auf- grund seiner neuze itlichen Beton- qualitäten und seiner günstigen An- bindung an das Treppenhaus wird 99 Das "Seilerhäuschen" während der Bauarbeiten am neuen Dachwerk (2000). hier die zentrale Toilettenanlage für das gesamte Anwesen unterge- bracht. Eine zweite neue Funktion mit hohem Installationsaufwand und einer notwendigen Wasserver- sorgung ist die Küche, die entspre- ch end dem Nutzungskonzept in einen Neubau ausgelagert wird . Hierdurch können einerse its starke Eingriffe in die bestehenden Bau- körper und somit in die historische Bausubstanz vermieden werden. Andererse its können durch den kompletten Neubau der Küchenbox die sehr komplexen Abläufe in einer Vollküche ohne eine Nutzungsein- schränkungen umgesetzt werden . Zielsetzung und Ergebnis Ziel der behutsamen Wiedernutz- barmachung war es, einen möglichst großen Anteil der vorgefundenen Bausubstanz zu erhalten und einer gee igneten Nutzung zuzuführen. Dieses Ziel konnte im Bere ich des "Kulturdenkmal" Vorderhaus weit- gehend umgesetzt werden (vgl. Farbabb. 12). Obwohl konzeptionell erhaltens- würdig, gab es für den Abtrag der Durchfahrtsüberbauung mehrere G ründe: Zunächst war die Fügung der Konstruktion aus zweitve rwen- deten Hölzern sehr grob. Durch den Dachanschluss in Form einer Kehle war in den Zeiten des Leerstandes verstärkt Wasser eingedrungen, was zu einem erheblichen Schaden am 99 Holztragwerk geführt hatte, der die Standsicherhei t in Frage stellte. Aufgrund der günstigen kleinklima- tischen Verhältnisse hatte der Haus- schwamm in diesem Bereich einen gee igneten "Nährboden" gefunden . Durch die Komplettentnahme des Anbaus wurde dieses Problem kons- 129 truktiv behoben. Das Freistellen der Rückansicht des Vorderhauses war aus Sich twe ise des Denkmalamtes kein Nachteil. Mit der Entnahme dieses A nbaus entstand auch die Frage nach der U nterbringung eines Treppenhauses (Abb. 99 ). Dieses wurde an der verkehrs technisch 130 günstigen Nahtstelle zwischen Vor- derhaus und Hinterhaus gelegt, wo zwei Deckendurchbrüche sowie die Entnahme einer Fensterbrüstung zum Einbau der neuen Zugangstü re erforderlich wurden. Außer diesen planmäßigen Veränderungen des bestehenden Gefüges gab es keine nennenswerten Verluste an der his- torischen Konstruktion. Diese wird in ihrer ursprünglichen Ausprägung behutsam repariert und ergänzt. An einigen gewollten "Bruchstellen" im Gebäude werden die konstrukti- ven Elemente des Gebäudes sicht- bar gemacht und dadurch nachvoll- ziehbar. Das erklärte Ziel der Umnutzung der ehemaligen Seilerei Schönhert zu einem Weinlokal mit Galerie war die auf Dauer ange legte wirt- schaftliche Nutzung. Denn nur eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung dieses Kulturdenkmals sichert sei- nen Fortbestand langfristig. Rein museal genutzt wäre es stark abhän- gig von Subventionen. Dies ist un- günstig in einer Zeit, in der in neu aufkeimenden öffentlichen Denk- malpflege-Diskussionen über den Sinn von Baudenkmalen spekuliert wird . Die getätigten Investitionen werden sich rein wirtschaftlich ge- sehen für die Volkswohnung zwar nicht "rentieren". Als Träger von wichtigen baugeschichtlichen In- formationen - und zur Wahrung eines Stücks an Identität für die Bürger der Stadt Karlsruhe wird das Gebäude jedoch von unschätzba- rem Wert se in. Eine neue Zeitschicht - eine neue Farbfassung EIN NACHWORT VON HOLGER REIMERS As denkmalpflegerisches Ziel war formuliert worden , den gewachsenen Bestand der Bau- und Ausstattungphasen aller Zeitschichten von 1723 bis 1986 zu sichern und zu erhalten . Mi t den Reparaturen von 1998 bis 2000 am erhaltenen Baubestand und den notwendigen Ergänzungen für die neue Nutzung wird die Geschichte des Hauses fortgeschrieben. Die Farbgebung des Jahres 2000 ist ein Teil davon , bildet den Abschluss. Bauliche Veränderungen Von der Zielformulierung einer um- fassenden Erhaltung gab es während der Umsetzung nur wenige Ausnah- men: Aus konstruktiven G ründen wurde auf das Notdach von 1946 oberhalb der ursprünglichen Dach- balkenlage über dem O bergeschoss ve rzichtet und durch ein neues Dach mit der ursprünglichen Nei- gung ersetzt. Auch aus konstrukti- ven Gründen wurde darauf verzich- tet , die baugeschichtlich außeror- dentlich wichtige Nordfassade (zur Kaiserstraße ) im Erdgeschoss restau- ratarisch zu konservieren und durch addi t ive Maßnahmen zu entlasten . Das konstruktiv notwendige Fach - werk dieser Wand rekonstruierte man zimmermannsmäßig. Der Zeug- niswert der ursprünglichen Wand wurde ze ichnerisch dokumentiert. Ein Ständer, ein Kopf- und ein Brüs- tungsriegel wurden in die Sammlung des Stadtgeschichtlichen Museums Karlsruhe im PrinzMaxPalais über- nommen. Gleichfalls wurde auf die Verlängerung der Durchfahrt (zwi- schen 1739 und 1775) und die außenliegende Treppe zum O ber- geschoss (zwischen 1797 und 1881) verzichtet. Zeitschichten und Zeitschnitte? Für die einzelnen Reparaturen war der jüngste bauliche Zustand der Ausgangspunkt. Ältere, nicht erhal- tene Zustände sollten nicht rekons- truiert werden . Den zweiten O rien- tierungspunkt für die Konzeptfin- dung - baulich wie für die Farbge- bung - bildete der Zeitpunkt der letzten größeren baulichen Umge- staltung im Jahre 188 1. Auch eine Farbgebung aus der Zeit vor 1881 kam für die zu diesem Zeitpunkt mit einem Ladenfenster und einem neu- en Tor versehene Straßenfassade nicht in Frage, um den baulichen Zustand und die Farbgebung nicht auseinanderfallen zu lassen. Farbkonzepte Den letzten Schritt nach einer behutsamen Instandsetzung und 131 Modemisierung (Wiedemutzbarma- chung) stellt die Farbgebung dar, die - wie bei jeder Bau- und Ausstat- tungsphase zuvor - Alt und Neu zu- sammenbindet, harmonisiert und so dazu beiträgt, das historische Bau- werk in die Gegenwart einzubinden. Für zukünftige Bauuntersuchungen stellt d ie Farbschicht des Jahres 2000 eine Leitschicht dar, die alles Ä ltere schützend abdeckte. Für die Zeitschicht 2000 des Karlsruher Modellhauses von 1723 wurde gemeinsam zwischen Archi- tekt, Denkmalpfleger und Baufor- scher ein Farbkonzept abgestimmt, das die geschichtlichen Bezüge des Bauwerks aufnimmt und zugleich " zeitgemäß" ist. Verschiedene Über- legungen haben dafür als Eckpunk- te gedient. Dieses modem e Konzept soll mit seinen historischen Bezügen kurz erläutet werden . Farbbefunde Da die Farbbefunde an der Fassade mit dem Abschlagen des Putzes um 1990 verloren waren, konnte auf di- rekte Farbangaben weder für frühe- re Zeiten noch für die Zeit nach 1881 zurückgegriffen werden . Zu Rate gezogen wurden die älteren Fotografien, die aber nicht vor 1930 zurückre ichten. Auch die Farbge- bungen im Inneren wurden als An- 132 regung einbezogen: Hier war durch Sondagen ein graugrün für Türen und Vertäfelungen durch den Res- taurator Thomas Jungwirt ermittelt worden. Dieser erste Anstrich be- fand sich auf Bauteilen, die der Zeit um 1830 bis 1850 zuzuordnen sind . Im Laden (Wandvertäfelung) wie im Obergeschoss (Türen und Be- kleidungen in deh Fluren) , aber auch bei den Hoffassaden (Fenster- bekleidungen und Fensterläden) war die hölzerne Ausstattung in der Zeit zwischen 1910 und 1930 mit einem hellen Lindgrün versehen worden. Historistische Farbgebung Einen weiteren Bezugspunkt bilde- ten die benachbarten Gebäude für eine bei Kaiserstraße 47 nach 1881 vorstellbare Farbfassung. Bei den Fassaden der Zeit zwischen 1860 und 1890 in der direkten Nach - barschaft gibt es keine intensiven Kontraste. Die Materialien der Wände (Sandstein und Backstein) besitzen ähnliche Grauwerke, Fens- ter und Türen waren ursprünglich in dunkleren Grün- oder Brauntönen gegen die Fassaden abgesetzt. Nur von einem Karlsruhet Modellhaus gibt es eine Fotografie vom Anfang des 20. Jahrhunderts mit einer Farb- gebung, die dieser Zeitstufe des His- torismus entspricht (Kronenstraße 20, Bildarchiv des Landesdenkmal- amtes Baden-Württemberg, Außen- stelle Karlsruhe). Auch für die Sei- lerfamilie Schönherr kann man davon ausgehen , dass sie nach der Anpassung des Ladenfensters und des Tores an die um 1880 üblichen Formen auch in der Farbgebung ih- rer Zeit folgten. Eine neue Farbschicht für Kaiserstraße 47 Für die Putzflächen wurde ein helles, mattes Grün ausgewählt, das im Grauwert mit einem Sandsteinton korrespondiert, der für den Sockel, den Torrahmen, das Ladenfenster, die Fenstergewände und die Gesim- se ausgewählt wurde (vgl. Farbabb. 13). Dem Zeitgeschmack um 1880 entsprechend wurde ein etwas dunk- leres Graugrün für die Fenster und die Türflügel ausgewählt. Für die Hoffassaden soll das Konzept ana- log übernommen werden. Für die Oberflächengestaltung im Inneren ist die Bestandssicherung die Maxi- me. Für die Farbgebung bedeutet dies, das die jüngste erhaltene Putz- schicht mit all ihren Farbschichten erhalten werden und sichtbar blei- ben soll. Dort, wo die Putze wegen früherer Zerstörungen neu aufge- bracht werden müssen, werden sie als Vermittlung der Materialbe- schaffenheit und der Zeitstellung (Bestand oder heutige Reparatur) in der Oberfläche differenziert (vgl. S. 125). Die Wände im O berge- schoss werden den Befunden des 18. Jahrhunderts gemäß we iß über- tüncht. Im Erdgeschoss werden die Oberflächen der jüngeren Ausstat- tungen des ehemaligen Ladens und der Biedermeierstube (vgl. Abb. 98 ) lediglich gereinigt und teilweise re- stauratorisch behutsam ergänzt. In den übrigen Räumen wird unter Er- haltung der Oberflächen eine neue Verschleißschicht nach einem neu- en Farbkonzept aufgebrach t, das sich an der Farbgebung für die Fas- saden orientiert. Anmerkungen Holger Reime rs Grundlagenermittlung für die Karlsruher Stadtgeschichte. Das Modellhaus in der Kaiser- straße 47 als "Datenträger" S. 13 - 68 1 G rundrisse KG, EG, OG, DG, Aufriss Nord - fassade, Längsschnitt A- A (nach Süden), Q uerschni tt B-B (nach Osten) . 2 A ufbaustudium Altbaui nstandsetzung, Uni - versität Karlsruhe (TH) , Fakultät für Architek- tur. Beg inn des Lehrbetriebs im Wintersemes- ter 1997, Studienl eiter Prof. Dr. - lng. Fritz Wenze l. J Vgl. Dokumentation 1999. Karlsruhe, Kaiser- straße 47. Bauaufnahme und Bestandsdoku - mentation . Broschüre, nicht veröffentlicht (=Aufbaustud iengang A ltbauinstandsetzung, Heft 8). Sonderforschungsbereich 3 15, Uni - versität Karlsruhe (TH), DokumentationssteI- le. Inhaltsverze ichnis: Holger Reimers: Zur Bau- und Umbaugeschichte von Ka iserstraße 47 - Dokument der Stad tgeschichte. - Einbli- cke in den Forschungsstand - Erge bnisse der sieben studentischen Arbeitsgruppen : G ruppe 1: G isela Krämer, Regina Mathiszig, C laud ia We inlich - Zur Bedeutung des O bjekts für die Stadtgeschichte; Längsschnitt und Querschnitt B-B/Baualtersplan und Materialangaben Quer- schnitt B-B. - G ruppe 2: Sabine Froehlich, Vi- ola Lindner - Sichtung vorhandener Doku - mente, Pläne, Ansichten; Historische Fotogra- fi en ; Kopien von Planunterl agen; Synoptische Liste zur Bebauungsgesch ichte und den Bau- phasen. - G ruppe 3: Axe l Stefek, G ünter Rü - diger, Volker G raf - Funktionen der Räume in verschiedenen Nutzungsphasen; Ü berblick übe r di e Nutzungsspuren ; Gegenüberstellung der Raumnutzungen 1723 und 1985. - G ruppe 4: Katrin Biss inger, Bea trice Bölderl , Christine Engert - Konstruktion , Baumaterial und Bau- technik ; Bestandsbeschreibung für das Hinter- haus; G rundrisse EG und OG des Hinterhau- ses. - G ruppe 5: Stefan Heppner, Schirina Se il , Martin Prümm - G rundrissentwicklung, raum- weise beschrieben ; Baualterspläne: G rundrisse; Baualterspläne: Detailschnitte; Gebäudeent- wicklung; Bauphasen in G rundrissskizzen. - G ruppe 6: Heide Heckmann , Axe l Vornehm, Ursula Rösner - Katalogisierung des Erhal- tungsgrades; Baua lterspläne: Detailschnitte. - Gruppe 7: Susanne Weinteuter, Ute Kalten- häuser, Markus Binz - Erfassen des historischen Fensterbestandes. - Anhang: Bestandserfas- sung und Bestandsanalyse ; A ufrnaßze ichnun- gen von Crowell & C rowell , Karlsruhe; Litera- turhinweise; Übersicht über di e Vorträge der Gastreferenten im Wintersemester 1998/1999. 4 Ermittelt im Jahre 1994 durch das Architek- tenehepaar Barbara Kollia-Crowell und Robert Crowell, die mit ihrem Büro in d iesem Jahr ein formgetreues Aufmaß von Kaiserstraße 47 an- fertigten . 5 Vgl. Chri stina Wagner: Von der Stadtgrün - dung zur großherzoglieh badischen Haupt- und Residenzstadt 1715- 1806, in : Karlsruh e. Die Stadtgeschichte, hrsg. vom Stadtarchi v Karls- ruhe, Karlsruhe 1998, S. 65-189. - Gottfri ed Leiber: Friedrich Weinbrenners Städtebauli - ches Schaffen für Karl sruhe. Teil 1: Die baro- cke Stadtplanung und die ersten klass izisti- schen Entwürfe Weinbrenners, Karlsruhe 1996, S. 47 (= Friedrich Weinbrenner und die Weinbrenner-Schule Bd. 2). 6 Vgl. Manfred Koch: Karlsruher C hronik 1992. S tadtgeschichte in Daten, Bi ldern , Ana- lysen, Karlsruhe 1992, S. 19 (= Veröffentli- chungen des Karlsruher Stadtarchi vs Bd. 14) . 7 Vgl. Genera ll andesarchiv Karlsruhe (G l A ) G Karlsruhe 489. 8 Freundlicher Hinweis von Gerhard Kabierske. 9 Vgl. Fritz Hirsch: 100 Jahre Bauen und Schauen, Karlsruhe 1928, bes. S. 98 ff. zur G ründungsgeschichte der Stadt Karlsruh e. 133 \0 Die l ebensdaten der be iden BaiJbeamten wa- ren nicht zu ermitteln . In der gängigen Karlsru - he-Literatur werden sie nicht angegeben. 11 Vgl. Kurt Ehrenberg: Baugesch ichte von Karlsruhe 171 5-1870. Bau- und Bodenpolitik. Eine Studie zur Geschichte des Städtebaus, Karlsruhe 1909, S. 4. 12 Vgl. Ursula Merke I: "Zu mehrer Zierde und G leichheit des O rths." Der Modellhausbau des 18. Jahrhunderts in Karlsruhe, in: "Klar und lichtvoll wie eine Rege l. " Planstäd te der Neu- ze it vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. A usstel- lung des Landes Baden-Württemberg im Bad i- schen Landesmuseum Ka rlsruhe, Karlsruhe 1990, S. 243-258, S. 244, und Koch (wie Anm . 6 ), S. 47 . 13 Vgl. Koch (wie Anm. 6 )' S. 47-48. 14 Vgl. Merkel (wie A nm. 12), S . 249. 15 Vgl. ebenda, S. 25 1. 16 Im Rahmen des formgetreuen Aufmaßes durch die Architekten Barbara Kollia-Crowell und Robert Crowe ll wurde auch d ie dendro- chronologische Untersuchung durchgeführt, die für die meisten Hölzer eine Winterfällung 1722/23 ergab. N ur für einen Deckenba lken in der Decke über dem O bergeschoss wurde der Sommer 1723 als Fällzeitpunkt ermittelt, wo- raus abzuleiten ist, dass einzelne Hölzer, d ie während der Errichtung im Sommer 1723 fehl - ten , gezielt nachgeschlagen wurden. 17 Die dendrochronologisch belegte Errichtung von Kaiserstraße 47 im Sommer 1723 ist der älteste eindeutig nachgewiesene bauliche Be- leg. Vgl. Karlsruhe. Die Stadtgeschichte (wie Anm. 5 ) A bb. S. 129 (Stadtarchi v Karlsruhe (StadtAK) 8/Dias lg. XVI 113) . - Klaus Mer- ten : Res idenzstädte in Baden -Württemberg im 17. und 18. Jahrhundert , in: "Klar und licht- voll wie eine Regel. " (wie Anm. 12), S. 22 1- 230, Abb. 7 (Württembergisches l andesmuse- um Stu ttgart) . 18 Vgl. Koch (wie A nm. 6), S. 49, Plan der Stadr Ka rlsruhe aus dem Jahr 172 1 (StadtAK 8/Diaslg. IV 57 ). 134 19 Vgl. ebenda, S. 5 1. zo Paul Bialek: Wilhelm Jeremias Müller. Der Baumeister des Louis XV\. in Karlsruhe. Diss. Karlsruhe 1955: Müller habe das neue Durla- cher Tor schon im Jahre 1760 entworfen, aber n icht ausgeführt, im Jahre 1777 sei er erneut damit beauftragt worden (S. 61), der Kosten- voranschl ag von 7.000 Gulden se i am 14. No- vember 1777 bewilligt worden (S. 63; GLA KA Fasz. 206/157). 21 Der Begriff "Pfannensti l" wurde im Laufe der Karlsruher Stadtgeschichte offenbar vielfältig verwendet. In den Quellen des Jahres 1753 (vgl. Anm. 27) wird die Bezeichnung "Pfan - nenstil" für die Häuserzeile zwischen dem alten und dem neuen Durlacher Tor, der östlichen Verlängerung der Langen Straße verwendet. - Dieser Verwendung schließt sich auch Wagner (wie Anm. 5), S. 128, 139, 147, an . - Hirsch (wie Anm. 9), S. 11 5, bezieht die Bezeichnung auf die Waldhornstraße, der zu nächst einz igen über die Lange Straße nach Süden hinaus ver- längerten Straße, die den "Pfannenstil" für das Baugebiet des Dörfle bildete. - Gerhard Kabi- erske (mündliche Auskunft) berichtet von ei- ner weiteren Deutung: Danach ist der "Pfan- nenstieI" Tei l des "Dörfle". Die heutige Straße Am Künstlerhaus", früher "Du rlacher(tor) - ~traße" bildete als Straßendorf wie e in "Stiel" die östliche Fortsetzung des eigentlichen "Kle in-Karlsruhe", das a ls eine Art "Haufen- dorf" zwischen (der südlichen Verlängerung) von Kronen- und Waldhornstraße die "Pfan- ne" bildete. 22 Zeitungsbericht in "Der Kurier", 27. August 1993. - Die Jahreszahl 1739 als Datum für den Erwerb des Hauses Kaiserstraße 47 durch die Familie Schönherr entstammt der familiären Überlieferung, vgl. S . 66-68. Diese Angabe kann aus den Archivalien zwar nicht direkt belegt werden, in den Schriftquellen von 1753 erscheint der "Seiler Schönherr" jedoch ver- bunden mit dem G rundstück. 2J Zu Beginn der aktue llen Baurnaßnahmen waren von der Konstruktion noch die Decke mit Deckenbalken, Wellerfüllung und Putz so- wie die Sparren mit Dachlatten und Deckung erhalten . Die westliche Längswand war im Lau- fe der Sanierungsversuche durch Ständer und Rähm aus neuem Holz ersetzt worden. Im Zuge der jüngsten Baumaßnahme wurde die Ent- scheidung für die Entfernung der östl ichen Anbauten getroffen (Seilerbahn-Überdachung von vor 1775 und äußerer Treppenaufgang aus der Zeit zwischen 1797 und 1881). Die Hofsi- tuation von Kaiserstraße 47 ist dam it nach über 225 Jahren wesentlich verändert worden. Für Karlsruher Hinterhöfe wäre die Beibehaltung der "architektonisch unklaren" Situation mit Winkeln und Pultdächern charakteristisch ge- wesen. Darüber hinaus war der Anbau mit Pultdach und Biberschwanzdeckung, den die Seilerfami lie Schönherr zwischen 1739 und 1982 für ihr Handwerk nutzte, ein Hinweis auf dieses inzwischen fast ausgestorbene Handwerk. 14 GLA, Signatur: H Karlsruhe 187. Freundli- cher Hinweis von Gerhard Kabierske. 25 Vgl. Bauordnungsamt Karlsruhe: Bauantrag vom 28. Mai 1881 "auf Errichtung e ines drei- stöckigen Seitenbaus". Die Baukommission ge- nehmigte den Bau am 30. Mai 1881 mit dem Hinweis, dass d ie Dachkonstruktion stärker auszuführen sei. 26 Vgl. Merkel (wie Anm. 12) , S . 25 1-252. 27 Akten aus dem Generallandesarchi v Karlsru- he, Exzerpte Fritz Hugenschmidt o. J. (um 1925 bis um 1940) . Nachlass Fritz Hugenschmidt im Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Au- ßenstelle Karlsruhe. Freundlicher Hinweis von Andreas Vorbach am 11. November 1999. 18 Erhalten ist aus dieser Phase, in der das Haus Fenster mit Bleiverglasung hatte, nur noch das Oberl icht über der Tür zwischen der Laube (R 20 1) und dem Flur (R 202) im Obergeschoss. 19 Vgl. StadtAK Nach lass Schön herr: Farb- kop ie der G rundrisse des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses, Januar 191 0. 30 Außerordentlich aufschlussreich für die tat- sächliche Entwicklung de r Bebauung mit Sei- tenflügeln und Hofgebäuden ist der stadt- und baugeschichtlich noch nicht ausgewertete Stadtplan von 1775 G LA, Markgräflieher Nachlass 1995, vgl. Ausschnitt Farbabb. 1 und Anm.24) . JJ Vgl. Merkel (wie An m. 12), S. 249. J1 Die Rekonstruktionszeichnung als Darstellung des Zustandes nach Abschluss der Farbfassung im Sommer 1724 besteht in der Formgebung auf eindeutigen Spuren am Bauwerk (vgJ. Abb. 19), die Fensterteilung ist aus den Proportionen er- rechnet, hat in der Annahme e iner Bleivergla- sung viele zeitgenössische Beispiele wie das Oberlicht im Bauwerk sowie beispielsweise in einer überlieferten Fotografie des Modellhauses Herrenstraße 7 (vgJ. A bb. 3 1), der Korbbogen des Tores basiert auf dem Vorbild des Modell- hauses Kronenstraße 9 (vgJ. Abb. 41) . JJ Vom Baubefund ausgehend konnte für die Stube im Reihenhaus Mühlenstraße 5 1 eine Nutzung als Arbeitsraum für einen Tuchma- eher nachgewiesen werden. Das 180 I errichte- te Gebäude wurde in der Stube bis um 1895 nur mit we ißen Anstrichen versehen. Erst danach, im Zusammenhang mit e iner reinen Wohnnutzung, kamen andere Farbtöne und Tapeten als Schichten hinzu . - vgJ. Holger Rei- mers: Ein kleines Haus als Spiege l der Orts- und Sozialgeschichte. Mühlenstraße 51 in Mal- chow/Mecklenburg, in: Jah rbuch 1996 des Sonderforschungsbereiches 315 "Erhalten his- torisch bedeutsamer Bauwerke", hrsg. von Fritz Wenzel, Berlin 1999. S. 45-76. J4 VgJ. Ehrenberg (wie Anm. 11) , S. 10: Bau- akkord 171 6. J5 WaIdstraße 5,7,9 haben dre i, Ka iserstraße 47 vier und Kaiserstraße 45 fünf Gebäudeachsen. 36 VgJ. Gottfried Leiber: Vom Jagdsitz zur Stadt- an lage. Die städtebauliche Entwick lung Karls- ruhes bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: "Klar und lichtvoll wie eine Rege l." (wie Anm. 12) S. 297-312, S. 302, Abb. 6. Zur Bebauung der Ostseite des Pfannenstil auch S. 304, Abb. 8 (1737) und S. 310, Abb. 14 (1779) . J7 Das während der Untersuchung 1998/1999 vorhandene profilierte Traufges ims bestand aus zwe i Hölzern und wurde bei der Vorblendung im Jahre 1753 hinzugefügt. Es war im Rahmen der Dachveränderung von 1946 stark abgear- beitet worden und in keinem guten Zustand. Im Rahmen der Instandse tzung 1999/2000 wurde es unter Übernahme der Profilierung von 1753 erneuert. 38 Merten (wie Anm. 17) , S. 225. 39 Karl G ustav Fecht: Gesch ichte der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe, Karlsruhe 1887, S. 17- 18. 40 Merke! (wie Anm. 12), S. 247. - Anhur Val- denaire : Karlsruhe, Augsburg o. J. [um 1929] (= Deutsche Kunstführer Bd. 25). 41 Als Beispiel se i das nach 1689 errichtete Amthaus in Durlach genannt. VgJ. etwa Mar- tin Bachmann: Das Amthaus in Durlach. Bau- geschichtliche Forschung als Beitrag zum Ver- ständnis der konstruktiven Eigenarten, in: Jahrbuch 1995 des SFB 315, Berlin 1997, S. 21- 49,Abb.1, 13, 14, 15, 17 . 41 Farbuntersuchungen durch einen Restaura- tor waren nur noch in wenigen Bereichen sinn- voll, weil in der Mitte der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts stark in den Baubestand einge- griffen wurde. 4J VgJ. Wagner (wie Anm. 5), Abb. S. 84. " Vgl. StadtAK, 7 NL Meyer-Model 38. - Ernst Otto Bräunche: Die Famili e Meyer-Mo- dei, in : Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsoz ialistischen Machtergreifung. Hrsg. von Heinz Schmidt un- ter Mitwirkung von Ernst O tto Bräunche und Manfred Koch , Karlsruhe 1988, S. 45 1- 464, S. 452 (=Veröffentli chungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd . 8). Sa lomon Meyer ließ sich 1724 in Karlsruhe nieder und erwarb das Haus 1630, Eckansicht vom Schlossplatz, A bb. S. 453 . 45 Vgl. Arthur Valdena ire: Das Karlsruher Schloß, Karlsruhe 1931 (= Heimatblätter " Vom Bodensee zum Ma in" NT. 39) und Wag- ner (wie Anm. 5) , S. 87. 46 Das Zählsystem der Abbundze ichen wurde im Rahmen der Lehrveranstaltung mit den Studentinnen und Studenten des Aufbaustudi- enganges Altbauinstandsetzung einmal nach- vo llzogen, um die ursprüngliche Bausubstanz (bei der die Zählung im System bleibt) von späteren Ergä nzungen (bei denen die Zählung nicht hineinpasst) zu unterscheiden . Gemein- sam mit Stefan Hoffman wurde das System im September 2000 noch einmal überprüft und für die Abschlussdokumentation der baulichen In- standse tzung dokumenti ert. 41 Die Abbundze ichen der Straßen fassade wa- ren nur noch aus dem Fassadenaufrnaß des Ar- chitekturbüros C rowell und Crowe ll aus dem Jahre 1994 ablesbar, da die Fassadenkonsrruk- tion 1999 ausgetauscht wurde. 48 Vgl. Ehrenberg (wie Anm . 11) , S. 10. 49 Freundlicher Hinwe is von Herrn C lemens Fritz, Karlsruhe, im Gespräch vor den Befun- den im Wohnhaus Kaiserstraße 47 in Karlsru- he im November 1998. 50 Vgl. Wagner (wie Anm. 5), S. 134- 137. " Vgl. Nachlass Hugenschmidt (vg l. Anm. 27) , Exzerpt 1753 " Vgl. ebenda, Exzerpt 1753, Bericht vom 27. Mai 1754. 53 Vgl. ebenda (vgl. Anm. 27) , Exzerpt 1753. 54 Ebenda, Exzerpt 1753 , S. 18. 15 Ebenda, Exzerpt 1753, S. 4. 56 Merkel (wie Anm. 12), S. 25 1. 5) Vgl. ebenda, S. 249. 58 Um 1973, SradtAK 8/PBS oX IVe 77 5. 59 Wünschenswert wäre hi er beispielsweise, dass sich die Badische Beamtenbank die Erfah- rungen der Volkswohnung G mbH bei der Er- haltungsmaßnahme in der Kaiserstraße 47 zu- nutze macht und den Architekten Georg Matz- ka für eine behutsame Instandsetzun g der drei Modellhäuser zu Rate zieht. 60 Auch abgebildet bei Leiber (wie Anm . 5), S. 49, A bb. 22. 61 Weitere historische Abbildungen ze igen Mo- dellhäuser des 18. Jahrhunderts zwischen den höheren Neubauten des 19. Jahrhunderts: (wie Anm . 9), S. 311 , Abb. 120 (Kaiserstraße 11 8 ), S. 309, A bb. 119 (Kaiserstraße 183 ). 61 Herrenstraße 7 , 9, 11 , und 13, abgebrochen 1909/1910; StadtAK 8/PBS XIVe 62. 6J Herrensrraße 11 , während des Abbruchs 1909/1910; StadtAK 8/PBS XIVe 66. 64 Herrenstraße 7, Hoffassade, vor dem Ab- bruch 1909/1910; StadtAK 8/PBS XI Ve 63 65 Vgl. Landesdenkmalamt Baden-Württem- berg, Außenstelle Karlsruhe, Thomas Schuh- mann, Karlsruhe , um 19 10, Bildarchiv Nr. 00224. 66 Merkel 1990 (wie Anm. 12), S. 249, Abb. 8. 61 Ebenda. 68 We itere historische Aufnahmen vo n Kro- nenstraße 20 und 18 sind publiziert bei: Hirsch (wie Anm. 9), S. 18, Abb. 3. - Valdenaire (wie Anm . 40), A bb. 13 . 69 1888; SradtAK 8/PBS XIVe 187. 70 Kar/sruhe, Waidstraße 9, Straßenfassade, Aufnahme von Fritz Hugenschmidt , 1938. - Die Aufnahme ze igt im O bergeschoss die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so beliebten gebusten Scheiben und in der rechten G ebäu- deachse einen Ladeneinbau mit Klappl äden vor den beiden Schaufenstern , die den Laden- eingang flankieren ; Landesdenkmalamt Baden- Württemberg, Außenstelle Karlsruhe, Bildar- chiv N T. 10077 . - Zur baugeschichtlichen Be- deutung von Waldsrraße 9 vgl. Merkei. (wie Anm. 12) , S. 25 1, Anm. 50. 71 Karlsruhe, Wa idstraße 9, Hoffassade, Auf- nahme von Fritz Hugenschmidt, 1938. - Die Aufnahme ze igt den wohl ursprünglichen Zu- gang zum O bergeschoss mit e iner gedeckten, aber seitlich nicht verkleideten Treppe, Lan- desdenkmalamt Baden-WÜTttemberg, Außen- ste lle Karlsruhe, Bildarchi v NT. 10080. 71 Karlsruhe, Waidstraße 9: Innenaufnahme der Dachgaube (Aufnahme 1999, HR) . 73 Kaiserstraße 17, Straßen fassade vor 1889; StadtA K 8/PBS XIVe 78. 135 74 Kaiserstraße 35, S traßenfassade um 1930; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Au- ßenste ll e Karlsruhe, Bildarchiv NT. 10146. 75 Kaiserstraße 35, Straßenfassade um 1930; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Au- ßenste lle Karlsruhe, Bildarchiv K 3873. 76 Vgl. Kronenstraße 20, S. 41 , Abb. 32. - Mer- kel (wie A nm. 12), S. 249, Abb. 8. 77 Kronenstraße 9, Straßen fassade vor 1905, Stad tAK 8IPBS XIVe 180-186. 78 Kronenstraße 9, Hoffassade vor 1905, Stadt- AK 8/PBS XIVe 180- 186. 79 Waidstraße 5, 7 und 9, um 1973 , StadtAK 8/PBS oXIVe 776. 80 Die Be rufsbeze ichnung "Fallit" ist im Ex- zerpt Hugenschmidts eindeutig so geschrieben, konnte doch weder in der O riginalquelle über- prüft noch in der Bedeutung ge kl ärt werden. 81 Karlsruhe, Kaiserstraße 45, 1903-1904, Stadt- AK XIVe 121. 81 Vg l. Bauordnungsa mt Karlsruhe, Kaiserstra- ße 45 , Bauantrag vom April 1908. 83 Landesdenkmalamt Baden -Württemberg, Außenste ll e Karlsruhe, Bildarchiv, N T. 4387/23 und N r. 4387/24. B4 Karlsruhe, Ritterstraße 6, vor 1905, StadtAK XIVe 33 7. 85 Vgl. Bauordnungsamt Karlsruhe, Kaiserstra- ße 47 , Bauantrag vom 23. März 188 1. 86 Karlsruhe, Bauordnungsamt: Antrag auf Er- bauung einer Se ilerbahn vom 13. 9. 1880. Der Standort der neuen Se il erbahn ist im Antrag etwa in der Mitte der östlichen Längswand des G rundstücks angegeben . Die N ebengebäude - Verl ängerung der Durchfahrt und der Se iten- bau, vgl. A bb. 48 - sind auf dem schemati- schen Plan nicht eingeze ichnet. Verze ichnet sind jedoch die Maßangaben für den hier zwei- geschoss ig geplanten Neubau: Breite 2,23 m, Länge 11 ,3 m, Höhe (EG) 2,40 m, Höhe (OG) 2,50 m. Zur Lange S traße ist, wie in dem ein- geschossig und in der südöstlichen G rund- stücksecke ausgeführten Bau, e ine breite Ö ff- nung vorgesehen , di e für längere Seile verwen- det wird als sie in dem Gebäude hergestellt werden können . 87 Die während der U ntersuchung bestehende Treppe ist im Zuge der Bauarbeiten 1881 ent- standen . Eine Trennung von Erd- und O ber- geschoss des Vorderhauses kann aber auch schon früher stattgefunden haben. A ls ein mög licher Anlass kann die (separate) Vermie- 136 tung der oberen Wohnung im Jahre 1797 ge- nannt werden (Quellenexzerpt von Fritz Hu- genschmidt, Karlsruhe; frdl. Hinweis von An- dreas Vorbach, Landesdenkmalamt Baden- Würrtemberg, AußensteIle Karlsruhe). Danach wäre das Treppenloch zwischen Erd- und Ober- geschoss in diesem Zusammenhang geschlossen und der Kellerflur bis zum Hof angelegt wor- den. Die Außentreppe parallel zur verlängerten Durchfahrt hätte damit schon zum Baubestand gehört, als die Bauarbeiten 1881 begannen. Als weiteren Hinweis auf diese frühere Entstehung der beiden Außentreppen kann man die zwe i- flüge lige Tür vor der Kellertreppe werten, die stilistisch und konstruktiv eher um 1800 als um 1880 zu dat ieren ist. Da nur die Türblätter, aber nicht mehr der hölzerne Anbau über der Kel- lertreppe erhalten ist, kann nicht mehr über- prüft werden, ob d iese Türblätter an dieser Stelle zweitverwendet waren. 88 Dokumentation 1999 (wie Anm. 3 ), Gruppe 7, Fenster F 2, F 3 und F 1. 89 Melanchthonstr. 24 in Bretten, Schweitzer Hof, errichtet 1706 (d). Gutachten, maschi - nenschriftlich, Holger Reimers für den Sonder- forschungsbereich 315, Karlsruhe 1997. 90 Vgl. Dokumentation (wie Anm. 3 ), S. 75- 107. 91 Fenster für Fenster in einem Aufmaß in Auf- rissen und Schnitten zu dokumentieren, ist der nächste Schritt, um die Reparaturen konz ipie- ren und in e ine detaillierte Ausschreibung ein- fli eßen lassen zu können. Im Sommer 2000 be- fanden sich die Fenster zur Aufarbeitung in ei- ner Tischlerwerkstatt. 92 Die vorbildliche Fensterdokumentation des Fensters F 14 in der östlichen straßenseitigen Kammer (R 207) wurde von Igor Schiltsky im Rahmen der Lehrveranstaltung Denkmalpflege [[ vom Joachim Kleinmanns im Sommersemes- ter 1997 an der Universität Karlsruhe (TH) erstellt. 93 Zur Fensterinstandsetzung vgl. Martim Saar: Zur Erhaltung historischer Fenster, in : Konzep- tionen. Möglichkeiten und Grenzen denkmal- pflegerischer Maßnahmen, Kar1sruhe 1989 (=Arbeitshefte des SFB 3 L5, 9). 94 Aus der Formulierung im Bauantrag für den Einbau eines größeren Ladenfensters könnte auch abgeleitet werden, dass die Kammer schon zuvor als Laden genutzt wurde, zu diesem Zeitpunkt jedoch mit e inem modernen Schau- fenster versehen werden sollte. Vgl. Bauord- nungsamt Karlsruhe, Bauakte, Bauantrag von Wilhelm Schönherr vom 23. März 1881 auf "Einbau einer größeren Scheibe in se inen La- den Kaiserstraße N. 47" . 95 Nach lass Hugenschmidt (wie Anm. 27 ). - Freundlicher Hinweis von Andreas Vorbach. 96 Generationenwechsel bieten zumindest ei- nen groben Anhaltspunkt für die zeitliche Ein- ordnung einer konstruktiv und forma l diesem Zeitraum zuzuordnende bauliche Maßnahme. - Zur Familiengeschichte siehe S. 66 bis 68. 97 Wagner (wie Anm. 5) , S. 134-137, Abb. S. L35. 98 PubLiziert wurde beisp ielsweise das nach L689 errichtete Bauwerk in Bruchstein: Bach - mann (wie Anm. 41) . - Weitere Beisp iele in Durlach: Stadtkirche Durlach, 1713. Rathaus Durlach, 171 5, erhalten an der noch ursprüng- lichen Ostfassade, überliefert für den im L9 . Jahrhundert überformten Nordgiebel, vgl. Sus- an ne Asche: Die Bürgerstadt, in : Olivia Hoch- strasser: Durlach. Staufergründung, Fürsten- residenz, Bürgerstadt. Karlsruhe 1996 S. 148 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stad tar- chivs Bd. 17) (Entwurf zum Durlacher Rathaus, Fassadenze ichnung von Jean C harIes Hemeling 1716) . 99 Einige Du rlacher Beispiele se ien hier aufge- führt: Badergasse 8 (Obergeschoss), Bienlein- torstraße 25 (Obergeschoss), Marktpl atz: Ecke Amthaus-/Pfinzta lstraße (I. und 2. O berge- schoss), Am Zwinger 1 (Obergeschoss), Am Zwinger 3 (Obergeschoss), Zunftstraße 12, "Üxküll sches Palais", 1 714 (Hoffassade, 1. und 2. Obergeschoss, stark abgearbeitet), U. V.ffi . 100 Beispiele: Malvenstraße 13 (um 1690) . - Pfarrstraße 53 (inschriftlich datiert 1711, Obergeschoss und G iebel) ; StadtAK 8/PBS XIVe 202 : Bauaufrnaß 1919; StadtAK 8/PBS oXIVe 307: Fotografie 1938. 101 Vgl. Reimers (wie Anm. 89): Bretten , Schweizer Hof, Meianchthonstraße 24, dend- rochronologisch datiert 1709, auf der östlichen Seitenfassade sind originale geohrte Fensterge- wände in den beiden südlichen Fensterachsen erhalten . - Bretten, Markt 12, enstpricht in der Grundriss- wie in der Fassadenanlage dem Schweizer Hof und ist als zeitgleich anzusehen. Hier sind geohrte Fenstergewände in Holz in der östlichen Trauffassade erhalten. 102 Vgl. Abbildungsverzeichnis. 103 Vgl. Hirsch (wie Anm. 9), S. 19 und S. 118. 104 Zwei Originalständer und jewe ils e in Kopf- und ein Brüstungsriegel mit den Spuren der ursprünglichen Fenstergewände befinden sich se it November 1999 in der Sammlung des Stadtmuseums Karlsruhe, während im Bauwerk aus Gründen eines schlechten Holzzustandes eine neue Fachwerkwand mit dem rein kon- struktiv notwendigen Fachwerk eingebaut wurde. 105 Merkel (wie Anm. 12), S. 252. 106 "Roter Fassadenanstri ch", vgl. Va ldenaire (wie Anm. 40) , S. 13. 107 Das erste Karlsruher Schloss wurde en tgegen ersten Planungen für einen Fachwerkbau doch in mass ivem Stein errichtet_ Ganz deutlich wird die Fachwerkkonstruktion bei dem Ent- wurf Friedrich von Batzendorfs für ein Lust- haus, um 171 5: In den Grundrissen deuten schmale Wände darauf hin , in den Querschnit- ten sind die Verstrebungen mit Kopfbändern zw ischen den Deckenbalken und den Außen- sowie mit den inneren Längswänden eindeuti - ge Hinweise auf eine Fachwerkbauweise . Rose- marie Stratman-Döhler: Zur Baugeschichte des Karlsruh er Schlosses , in: "Klar und lichtvoll wie eine Rege l. " (wie Anm. 12) S. 279-296, S. 280, Abb. 1. Die überlieferten G rundriss- skizzen des realisierten Baus, Abb. 3, bestätigen di e mass ive Ausführung. Vgl. Merkel (wie Anm. 12), S. 25 1. 108 Vgl. Merkel (wie Anm. 12) , S. 25 1. 109 Zu den Mansarddachgauben mit O hrungen vgl. Kronenstraße 20, Abb. 32. 110 Gängig ist die Auffassung, die Fassaden se i- en von Anfang "in ... überputztem Fachwerk" errichte t worden. Vgl. Merkel (wie Anm. 12), S.25 1. 111 StadtAK 8/PBS oXIVc 87. 11 2 Beispielsweise: Alfeld an der Leine, Holzer Straße 33, um 1720, zwe igeschossiges Bürger- haus mit roter und grauer Fassung in A nleh- nung an den Ste inbau nach Befund wieder her- gestellt, freundli che Auskunft des Niedersäch- sischen Landesamtes für Denkmalpflege, Tho- mas Kellmann, vgl. Farbabbildung L5 . 113 Vgl. MichaeL Borrmann: Barocke Stadt- und Modellhausprojekte in der Markgrafschaft Ba- den-Durlach vor der Gründung von Karlsruhe, in : "Klar und lichtvoll wie e ine Regel." (wie Anm. 12), S. 23 L-242. 114 Vgl. Merkel (wie Anm. L2), S. 243-244. 11 5 Vgl. Merten (wie Anm. 17) . 11 6 "Um rea listische Bewertungsmethoden und schonende Erhaltungs- und Instandsetzungs- verfahren zu entwickeln, wurde 1985 an der Universität Karlsruhe, finanziert durch d ie Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Sonder- forschungsbereich 315 "Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke - Baugefüge, Konstruk- tionen, Werkstoffe" eingerichtet. In interdisz i- plinärer Zusammenarbeit von Architekten, In - genieuren, Naturwissenschaftlern, Vertretern der Denkmalpflege und Baugeschichte werden Bestand und Zustand hi storisch bedeutsamer Bauwerke untersucht. Der Verfall der Bausub- stanz und seine Ursachen werden mit dem Zie l erfo rscht, behutsame und kostengü nstige Me- thoden bzw. Verfahren der Substanzerhaltung und , wo notwendig, Substanzverbesserung zu entwickeln. Im Vordergrund stehen an wen- dungsbezogene Forschungen zur Entwicklung ingen ieurtechnischer Untersuchungs- und Si- cherungsmaßnahmen, die Rücksicht nehmen auf die geschichtliche Bedeutung der Bauwer- ke. Das Ziel ist, Eingriffe in die Bausubstanz und die Hinzufügung technischer Hilfen auf das wirklich Notwendige und Verträgliche zu beschränken und die Se lbsthi lfemechanismen der Bauwerke in die Erhaltungs- und Repara- turkonzepte einzubeziehen. Der Weg dahin führt auch über die Ermittlung von Nutzungs- varianten, di e für Raumstruktur, Baukonstruk- tion und Bausubsranz verträglich sind. Als Er- gebnis kann die G rundlagenermittlung für Pla- nung und Entwurf im Baubestand durch die Anwendung der Forschungsergebnisse auf eine sichere Basis gestel lt werden." (SFB 3 15) - Zum beruflichen Werdegang der drei Autoren dieses Bandes siehe S. 142. 11 7 Klaus Könner: Einführung in Ausstell ung und Katalog, in : "Steh fes t mein Haus im Welrgebraus". Denkmalpflege - Konzep tion und Umsetzung, hrsg. von Klaus Könner und Joachim Wagen blast für das Landesdenkmal - amt Baden-Württemberg, Stuttgart 1998, S. 19-23, S. 20. 11 8 Vgl. Birgit Franz : Wiedernutzbarmachung von historisch bedeutsamen Bürgerhäusern . Zum behutsamen Umgang mit Baudenkmalen in den neuen Bundes ländern . Karlsruhe 1997 (=Arbeitshefte des SFB 3 15, Sonderheft 1997 ). - Birgit Franz und Holger Reimers: Wie denkmalverträglich kann e ine "Sanierung" sein ? Anspruch, Konzept und UmsetZllng bei e inem einfachen Wohnhaus in Brandenburg an der Havel, in : Jahrbuch für Hausforschung, Band 47 , Marburg 200 1 (in Druckvorberei- tung) . 11 9 Die Darste ll ung zum Se ilerhandwerk bas iert im Wesentlichen auf den Arbeiten von Axe l Stefek , Günter Rüd iger und Volker Graf, d ie im Rahmen des Aufbaustudiums Altbauin- standsetzung an der Untersuchung im Winter- semes ter 1998/1999 beteil igt waren und sich als Gruppe 3 neben den "Funktionen der ver- schiedenen Nutzungsphasen", dem "Überblick über die Nutzungsspuren", und der "Gegen- überste ll ung der Raumnutzungen 1723 und 1985" auch dem Se ilerhandwerk gewidmet haben (vgl. Anm. 3), Literatur: A[lbertJ R[ein- hardt]: Vom Seilerhandwerk , in : Der Lichtgang 14 (1964), S. 77-78. - Heinz Ellenberg: Bau- ernhaus und Landschaft . S tuttgart 1990. - Heinz-Peter Mielke: Se iler und Reepsch läger, in: Reinhold Reith: Lex ikon des alten Hand- werks München 199 1. 120 Vgl. Mielke (wie Anm. 11 8), S. 193- 199. 121 Vgl. Traudl Schucker: Karlsruhes ä ltestes Haus - heute eine Bauruine, in : Badische Hei- mat 77 ( 1997), Heft I , S. 117-123, S. 119. 122 Vgl. Margot Fuss: Die Seilerzunft in MitteIba- den, in : Badische Heimat 49 (1969), S. 68-73. 121 Vgl. Sch ucker (wie Anm. 121) . 124 Vgl. Nach lass Hugenschmidt (vgl. Anm. 27). 125 Meydeker, 1763. Nachlass Hugenschmidt (wie Anm. 27). 126 StadtAK Nachlass Schönherr: dekorativ ge- stalteter Stammbaum, der aus Anlass der silber- nen Hochze it von Karl G ustav Schön herr (geb. am 20.2. 1882, gest. 1957) und se iner Frau Rosa, geb. Phi lipp , am 13. Februar 1937 entstand . Soweit ni cht anderes belegt, bezie- hen sich die familiengeschichtlichen Angaben auf diesen Stammbaum. 121 Nach lass Hugenschmidt (wie Anm. 27)' Ex- zerpt "Karlsruher Se iler" , S. 10-11. 128 Vgl. StadtAK Nachlass Schönherr: Karlsru - her Nachrichten, 30. 11. 1873: "nach 44 Jah - ren" übergab Ernst Schönherr die Se il ere i. 129 Vgl. SradtAK Adressbücher (Exzerpt Ger- hard Kabierske, 2000), auch a ll e fo lgenden Hinweise auf die Familie Schönherr und die Bewohner des Hauses, soweit sie sich nicht auf andere Quellen beziehen. 110 Vgl. Stad tAK Nachlass Schön herr: Karlsru- her Nachrichten, 30. 11. 1873: "nach 44 Jah- ren" übergab Ernst Schönherr die Seilere i ... 111 Vgl. Schucker (wie Anm . 120), S. 11 8, Ab- bildung einer "Dienstnachri cht" . Der Titel musste von jeder Generation neu erworben werden, wie einem Quittungsbuch der Fami lie Schönherr entnommen werden kann: Stadta r- chiv Karlsruhe Nachlass Schön herr (frd\. Hin- weis von Gerhard Kabierske) . 137 I II Vgl. Abbildungsverzeichnis 1]] Vgl. StadtAK Nachlass Schönherr: Farb- kopie der G rundrisse des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses, Januar 19 10, vgl. Abb. 12. 134 StadtAK 8PBS XIVe 350. Georg Matzka Die behutsame " Wiedernutzbarmachung" S. 111 - 130 1 Auf ausführliche Anmerkungen wurde in die- sem aktuellen Beitrag verzichtet. Wenn auf his- torische Sachverhalte Bezug genommen wird, erfo lgt im Tex t ein Hinweis auf die Beiträge von Holge r Reimers und Gerhard Kab ierske. 2 Birgit Franz: Wiedernutzbarmachung von hi storisch bedeutsamen Bürgerhäusern. Zum behutsamen Umgang mit Baudenkmalen in den neuen Bundes lä ndern, Karlsruhe 1997 (= Arbe itshefte des SFB 315 , Sonderh eft 1997) . 138 Literaturverzeichnis Susanne Asche: Residenzstadt - Bürgerstadt - Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zu m Industrie- und Verwa ltungszentrum 1806- 19 14, in: Karlsruhe. Die Stadtgeschichte. Hrsg. von der Stadt Karlsruhe - Stad tarchi v, Karls- ruhe 1998, S. 191-353 . Ernst O tto Bräunehe: Res idenzstadt, Landes- hauptstad t, Gauhauptstadt. Zwischen Demo- kratie und Diktatur, in : Karlsruhe. Die Stad t- geschichte . Hrsg. von der Stadt Karlsruhe - Stadtarchi v, Karlsruhe 1998, S. 357-5 17. Konrad Bedal: Historische Hausforschung, 2. Aufl. Bad Windsheim 1993 . Martin Bachmann: Das Amthaus in Durl ach . 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Freilichtmuseum am Kiekeberg. Kreismu- seum des Landkreises Harburg. Ausste llungska- talog 1999. Hrsg. von Geerd Dahms. G iesela Wiese. Rolf Wiese. Rosengarten-Ehestorf 1999 (= Arbeiten und Leben auf dem Land Bd. 6). Managementinstrument Raumbuch. in: Die ter J. Martin . Carsten Bielfe ld t. Jan Nikolaus Vieb- rock: Denkmalschutz - Denkmalpflege - Bo- dendenkmalpflege. Link-Loseblattsammlung. Kronach . München. Bann 1997.46.23. S. 1-7. Heinz Schmitt: Der Raum Karlsruhe vor der Stadtgründung. in: Karlsruhe. Die Stadtge- 139 schichte. Hrsg. von der Stadt Karlsruhe - Stadtarchi v. Karlsruhe 1998. S. 15-63. Rosemarie Stratmann-Döhler: Zur Baugeschich- te des Karlsruher Schlosses. in: "Klar und lich t- voll wie eine Regel." Planstädte der Neuze it vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Ausstellung des Landes Baden-Württemberg im Badischen Lan- desmuseum Karlsruhe. Karlsruhe 1990. Traudl Schucker: Karlsruhes ältestes Haus - heute eine Bauruine. in : Badische Heimat 77 (1997) . Heft 1. S. 117- 123. Wolf Schmidt: Das Raumbuch als Instrument denkmal pflegerischer Bestandsaufnahme und Sanierungsplanung. 1. Aufl. München 1989. 2. Aufl. München 1993 (= Arbeitshefte des Bayer- ischen Landesamtes für Denkmalpflege Bd. 44) . Wulf Schirmer: Bauforschung an den Instituten für Baugeschichte der Technischen Hochschu- len. in: Bauforschung und Denkmalpflege. Hrsg. von Johannes Cramer. Stuttgart 1987. S. 25-29. Wulf Schirmer: Baugeschichtsfo rschung heute - Auftrag. Wirkung. Berufsbild. in : Bauge- schichte und europäische Kultur I. Berlin 1985. S. 140- 147. Untersuchungen an Material und Konstruktion histori scher Bauwerke. In ternationale Tagung 1989 des Sonderforschungsbereiches 315. Karlsruhe 199 1 (= Arbeitshefe des Sonderfor- schungsbereiches 315. 10). Arthur Valdenaire: Das Karlsruher Schloß. Karlsruhe 193 1 (= Heimatblätter "Vom Ba- densee zum Main" Nr. 39). Arthur Va ldenaire: Karlsruhe. Augsburg o. J. [um 1929] (Deutsche Kunstführer Bd. 25). C hristina Wagner: Von der Stadtgründung zur großherzog lich badischen Haupt- und Res i- denzstadt 1715- 1806. in: Karlsruhe. Die Stadt- geschichte. Hrsg. von der Stadt Karlsruhe - Stad tarchiv. Karlsruh e 1998. S. 65-189. Gerda Wangerin : Bauaufnahme. Grund lagen . Methoden. Darstellung. Braunschweig 1986. 140 Abbildungsnachweis Ti te lbild: Landesdenkmalamt Baden-Würt- temberg, A ußensteIle Karlsruhe, Bildarchiv, Nr. 16624 (Fritz Hugenschmidt 1946) 1, 2 Architekturbüro Barbara Kollia-Crowe ll und Roben C rowell , Karlsruhe, 1994 2 Grundriss Obergeschoss, fo rmgetreues Auf- maß 1994, Crowell & Crowell , Karlsruhe 3 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 4 Sonderforschungsbereich 3 15, Universität Karlsruhe (TH) , Dokumentationsstelle, Doku- mentation 1999 (vgl. Anm. 3), S. 78 und 79 5 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 6 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 7 Generall andesarchi v (G LA ) Karlsruhe, G Karlsruhe 489 8 Ausschnitt aus: GLA Karlsruhe, G Karlsruhe 489 9 Landesdenkmalamt Baden-Wümemberg, Außenste Ile Karlsruhe (LDA KA ), Bildarchiv Nr. 388 1 10 Stadt AK 8/PBS XVI 45 II Sonderforschungsbereich 3 15, Universität Karlsruhe (TH) , Dokumentationsstelle Doku- mentation 1999, S. 101 , F 16 12 Stadtarchi v Karlsruhe (StadtA K) Nachlass Schönherr: Kaiserstraße 47, Umbauplanung 1910 13 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 1999 14 bis 19 Aufmaß Holger Reimers 1999, Rein- ze ichnungen Thomas Bender 1999, Sonderfor- schungsbereich 315, Universität Karlsruhe (TH) , Dokumentationsstelle 20 Bauanalyse Holger Reimers 1999, Rekonst- ruktion der Straßenfassade 1723: Ze ichnung Matthias Kustermann und Gundula Quetz 2000, Sonderforschungsbereich 315 , Universi- tät Karlsruhe (TH), Dokumentationsstelle 21 Bauanalyse und Aufmaß Holger Reimers 1997 , Reinze ichnung Thomas Bender 1999, Sonderforschungsbereich 3 15 , Universität Karlsruhe (TH) , Dokumentationsstell e 22 S tadtAK Nacblass Meyer-Model Nr. 38 23 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnabme 1998 24 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnabme 1998 25 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 26 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 27 Gottfried Leiber: Friedrich Weinbrenners Städtebauliches Scbaffen für Karlsruhe. Teil 1: Die barocke Stadtplanung und die ersten klas- sizistischen Entwürfe Weinbrenners. Karlsruhe 1996 (Friedrich Weinbrenner und die Wein- brenner-Schu le Bd. 2), S. 66 28 StadtAK 8/PBS oXIVe 775 . (Reproduktion Georg Henweck, 2000) 29 StadtAK 8/PBS XIVe 62. (Reproduktion Georg Hertweck, 2000) 30 StadtAK 8/PBS 8/PBS XIVe 66. (Reproduk- tion Georg Hertweck, 2000) 3 1 StadtA K 8IPBS XIVe 63 . (Reproduktion Georg Hertweck, 2000) 32 Landesdenkmalamt Baden-Wümemberg, AußensteIle Karlsruhe, Bildarchiv N r. 00224 33 StadtAK 8/PBS XIVe 187. (Reproduktion Georg Hertweck, 2000) 34 Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, AußensteIle Karlsruhe, Bildarchiv Nr. 10077 35 Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, AußensteIle Karlsruhe, Bildarchiv Nr. 10080 36 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1999 37 StadtAK 8/PBS XIVe 78. (Reproduktion Georg Hertweck, 2000) 38 Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, AußensteIle Karlsruhe, Bildarchiv Nr. 10 146 39 Landesdenkmalamt Baden-Wüntemberg, AußensteIle Karlsruhe, Bildarchiv K 3873 40 Hilmar Reuter, Karlsruhe, Aufnahme 1973 41 StadtAK 8/PBS XIVe 180- 186. (Reproduk- tion Georg Hertweck, 2000) 42 StadtAK 8/PBS XIVe 180-186. (Reproduk- tion Georg Hertweck, 2000) 43 StadtAK 8IPBS oX IVe 776. (Reproduktion Georg Hertweck, 2000) 44 StadtAK 8IPBS XIVe 121. (Reproduktion Georg Hertweck, 2000) 45 StadtAK 8/PBS XIVe 33 7. (Reproduk tion Georg Hertweck, 2000) 46 Hilmar Reuter, Karlsruhe, Aufnahme vom 21. Januar 1978 47 Bauordnungsam t Karlsruhe, Aufnahme 2000, Joachim Kleinmanns, Karlsruhe 48 Bauordnungsamt Karlsrube, Aufnahme 2000, Joachim Kle inmanns, Karlsruhe 49 Untere Denkmalschutzbebörde, Karlsruhe 50 Holger Reimers, Karlsruhe, A ufnahme 1998 51 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 52 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 53 Sonderforschungsbereich 3 15 , Uni versität Karlsruhe (TH) , Dokumentationsstelle, Doku- mentation 1999 (vgl. Anm. 3 ), S. 50 54 Architekturbüro Barba ra Kollia-Crowe ll und Roben C rowe ll , Karlsruhe, 1994 55 Aufmaß und Ze ichnung 19or Schiltsky, 1998 56 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 57 Holger Reimers, Karlsruhe, Aufnahme 1998 58 Holger Reimers, Karl ruhe, Aufnahme 1998 59 Architekturbüro Barbara Koll ia-Crowell und Robert C rowell , Karlsruhe, 1994 60 Quellenanalyse Holger Reimers, Skizze Christian Schön wetter, 2000 61 GLA G Karlsruhe 30 62 Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, AußensteIl e Karlsruhe, Bildarchiv, Nr. 999/80 - 01427} 63 Architekturbüro Barbara Kolli a-Crowe ll und Robert Crowell , Karlsruhe, 1995 64 StadtAK 8/PBS XIVe 202: Bauaufmaß 19 19 65 StadtAK 8/Ausst. Rintheim, Fotografie vor 1900 (Reproduktion: Georg Hertweck, 2000) 66 Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, AußensteIle Karlsruhe, Bildarchiv 67 StadtAK 8/PBS XIVe 202 (Reproduktion Georg Hertweck, 2000) 68 Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, AußensteIle Karlsruhe, Bildarchiv, K. 388 1, oben rechts 69 Stad tAK NL Schön herr (Fotografie um 1898) 70 Stad tAK, NL Schönherr (Meisterbrief von Wilhelm Schön herr) 71 StadtAK, NL Schönherr 72 StadtAK, NL Schönherr (Zeichnung, Tu- sche über Bleistift, Matthias Hess, 20. Dezem- ber 1958) 73 Aufnahme vor 1982, Badische Heimat 11 1997, S. 119 74 Aufnahme Helmut Bohtz 1973, Stadt Karls- ruhe, Untere Denkmalschutzbehörde 75 Stadt Karlsruhe, Bildstelle 76, 77 Altstadtsan ierung Karlsruhe. Untersu- chungen an historischen Gebäuden. Eine Do- kumentation von Heinz Hilmer und Christoph Sa ttl er. Im Auftrag und unter Mi ta rbeit der Stadt Karlsruhe und der Neue Heimat Baden- Württemberg als Sanierungsträger, Karlsruhe 1977, S. 15 78 Ebenda, S. 59 79 Aufnahme Gerhard Kabierske 1975, Archiv Kabierske 80 Aufnahme Horst Schles iger 1980, StadtAK 81 Aufnahme Horst Schles iger 1986, Stad tAK 82 Aufnahme Dieter Holzmann 1991, Stadt Karlsruhe, Bildstelle 83 Aufnahme Gerhard Kabierske 1993, Stadt Karlsruhe, Untere Denkmalschutzbehörde 84 Aufnahme Günrer Heiberger 1997, Archiv Heiberger 85 Aufnahme Georg Matzka 1998,Volkswoh- nung Karlsruhe 86 Aufnahme Georg Matzka 1998, Volkswoh- nung Karlsruhe 87 Aufnahme Ro lf Donecker 1999, Archiv Donecker 88 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 1997 89 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 1998 90 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 2000 91 Vo lkswohnung Karlsruhe , Georg Matzka, Aufnabme 1998 92 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 2000 93 Vo lkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 2000 94 Volkswohnung Karlsrube, Georg Matzka, Aufnahme 1999 95 Schreinerei Dietrieb, Baden-Baden, Rainer Dietrich, Aufnahme 2000 96 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 2000 97 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 2000 98 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 2000 99 Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, Aufnahme 2000 Extra: Schemagrundrisse zum Ausklappen (Raumstruktur, Bestand 1998; Raumnummern; Fensternummern). Thomas Bender 1999, Son- derforschungsbereich 3 15, Universität Karlsru- he (TH), Dokumentationss tell e, Überarbei- tung C hristi an Schönwe tter 2000 141 Farbabbildungen Farbabbildung 1: Genera llandesarchiv Karlsru- he (GLA), H Karlsruhe 187 . Farbabbildung 2: GLA, G Karlsruhe 107 Farbabbildung 3: GLA, G Karlsruhe !O8 Farbabbildung 4: Bauanalyse Holger Reimers, Reinzeichnung Cbristian Schönwetter 2000. Farbabb ildung 5: Bauanalyse Holger Reimers, Reinzeichnung Thomas Bender 1999, Sonder- forscbungsbereich 3 15, Uni versität Karlsruhe (TH) , Dokumentationsstelle. - Überarbeitung: C hristian Schön wetter, Aquare ll Tbomas Ben- der 2000. Farbabbildung 6: Bauanalyse Ho lger Reimers, Reinzeichnung Cbristian Schön wetter 2000. Farbabb ildung 7: Bauanalyse Holger Reimers, Reinzeichnung Thomas Bender 1999, Sonder- forscbungsbereicb 3 15, Uni versität Karlsruhe (TH), Dokumenrationsstelle. - Überarbeitung: C hristian Schönwetter, Aquarell Tbomas Ben- der 2000. Farbabbi ldung 8: Bauanalyse Ho lger Reimers, Reinzeicbnung Christ ian Schön wetter 2000. Farbabbildung 9: Bauanalyse Holger Reimers, Reinzeicbnung Thomas Bender 1999, Sonder- forschungsbere ich 3 15 , Universität Karlsruhe (TH), Dokumentationsstelle. - Überarbeitung: C hristian Schön wetter, Aquarell Thomas Ben- der, Karlsruhe 2000. Farbabbildung 10: Baualterspläne, KG, EG, OG, Ergebnis eines Sem inars mit Student in- nen und Studenten des Aufbaustudienganges Altbauinstandsetzung im Wintersemester 19981 1999, Sonderforschungsbereich 3 15, Universi- tät Karlsruhe (TH), Dokumentationsstelle. Farbabbildung 11 : Schadensgutachten von 1995 (Rinn&Fischer, Heidelberg). Farbabbildung 12: Reinzeichnung C hristian Schön wetter, Karlsruhe 2000, Angaben für die Farbkartierung Georg Matzka, Volkswohnung, Karlsrube 2000. Farbabbildung 13: Volkswohnung Karlsruhe, Georg Matzka, 2000 Farbabb ildung 14: StadtAKA 8/PBS oXIVc 87. Farbabb ildung 15 : Thomas Kellmann, A lfeld , Aufnahme 200 1. 142 Zu den Autoren Gerhard Kabierske (Jg. 1955) Studium der Kunstgeschichte in Freiburg i. Br. und München, Pro- motion 1993, 1988 bis 1993 Stadt- konservator bei der unteren Denk- malschutzbehörde der Stadt Karls- ruhe, seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Inge- nieurbau an der Universität Karls- ruhe (TH) . Georg Matzka (Jg. 1962) Studium der Architektur in Karlsru- he, Diplom 1996, 1990 Werkstu- dent bei Karlsjosef Schattner in Eichstätt, 1993 bis 1994 wissen- schaftliche Hilfskraft am Institut für Baugeschichte an der Universität Karsruhe und 1991 bis 1993 im For- schungsprojekt "Erfassen, untersu- chen und bewerten der Bausubstanz alter Stadtquartiere, insbesondere in der ehemaligen DDR" in Pirna bei Dresden, seit 1997 als Architekt angestellt bei der Volkswohnung GmbH Karlsruhe. Holger Reimers (Jg. 1957) Studium der Kunstgeschichte, Klas- sischen Archäologie und Pädagogik in Hamburg, Promotion 1988, 1989 bis 1995 Bauhistoriker am Weser- renaissance-Museum Schloss Brake, seit 1995 wissenschaftlicher Mitar- beiter in der Dokumentationsstelle des SFB 315 an der Universität Karlsruhe (TH), seit 1997 Lehrtä- tigkeit im Aufbaustudiengang Alt- bauinstandsetzung an der Universi- tät Karsruhe (TH) . - - - -- - - - - - --~ ------------ -- - - --- - - - -- I I I I , ' 1 I' I' _ J .J _ .'. __ L I.. _ F4 I 1I I I LI I 11 t I I' 11 I I I F10 F8 113 F7 Fe 114 104 103 102 101 ____ ______ L...-..::J!!!!!=:::==~~~ F3 F2 EG F1 Kaiserstraße 47 Bestand 1994 (Auf der Grundlage des Aufmaßes vom Haupthaus F19 I 210 durch Crowell & Crowell und des Aufmaßes vom 0 Seitenflügel durch Georg Matzka) 211 O rientierungspläne 1998 212 Thomas Bender SFB 315 F 18 I 2 13 I F17 I 214 0 215 201 F15 208 !~" n ' , , , ' -.I . ,' i;f 202 ~,~~ 203 -", 204 207 206 205 OG www.infoverlag.de Das "Seilerhäuschen" in Jer Kaiser- straße in Karlsruhe zählt zu den be- kanntesten Bauwerken in Karlsruhe. Über Jahre hat es Auseinanderset- zungen darüber gegeben, ob es abge- brochen oder erhalten werden soll- te. Die eine Seite sah im Haus der ehemaligen Seilerei Schönherr ein wichtiges Zeugnis der Karlsruher Stadtgeschichte, die andere eher einen Anachronismus in der Stach- gestaltung. Aus heutiger Sicht ist die Erhaltung des Modellhauses ein Glücksfall, da im anderen Falle ein wichtiges Dokument der Planstadt Karlsruhe verloren gegangen wäre. Dieses Buch stellt in drei Abschnit- ten die fast dreihundertj ährige Ge- schichte des Modellhauses Kaiser- straße 47, die Bemühungen um den Erhalt in der Zeit von 1986 bis 2001 und die Methoden dar, die es ermög- lichten, das Baudenkmal in seinem Quellenwert für die Stadtgeschich- te zu bewahren und dennoch eine neue Nutzung einzubringen.
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/literatur/stadtarchiv/HF_sections/content/ZZmpldS7qZLHXl/Seilerh%C3%A4uschen.pdf
Pfinzgaumuseum Karlsruhe-Durlach Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Band 3 Herausgegeben von der Stadt Karlsruhe Das Pfinzgaumuseum in Karlsruhe-Durlach Akzente seiner Neugestaltung Karlsruhc 1976 Inhalt Dr. Ludwin Langenfeld : Geschichte des Pfinzgaumuseums . 7 Dr. Helga Walter-Dressler: Der Durlacher Maler und Zeichner Karl Weysser 19 Prof. Dr. Ernst Petrasch: Durlacher Fayencen 1723-1840 . 30 Dr. Walther Franzius: Zu r Technik der Fayeneeherstellung . 40 Dr. Ludwin Langenfeld: D ie Straßburg-Durlacher Bibel von 1529/30 und ih re Drueker Wo lf Köpfl und Velt in Kobian . 42 Dr. Eva Zimmerman n: Zwei spätgotische Bildwerke aus Wössingen 69 Ernst Schneider: Du rlach im Wandel der Jahrhunderte . 77 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibl iothek Das Pfinzgaumuseum in Ka rl sruhe-Durlach - Akzente seiner Neugestaltung Karlsruhe: C. F. Mü ller, 1976 ISBN 3-7880-9565-2 Redaktion: Archivdirektor Dr. Ludwin Langenfe ld Umschlagbild (Pfinzgaumuseum): Manfred Schaeffer, Karlsruhe Gesamtherstellung : C. F. Müller, Großd ruekerei und Verlag GmbH, Karlsruhe 5 Zugleich mit dem Erscheinen dieser Dokumentation öffnet das Pnnzgaumuseum im Prinzessinnen- bau des Durlacher Schlosses nach langw ieriger Restaurierung und Neugesta ltung wieder seine engen und doch so weit gewordenen Pforten. Eng, weil die al tehrwürdige Wendeltreppe wenig- stens zum Teil in den Zugang zu den einzelnen Stockwerken miteinbezogen bleibt. Weit, weil die Neugestaltung, indem sie große Akzente setz t, nämlich die Durlacher Fayencen, die Bi lder des Durlacher Malers Karl Weysser, die a lten Durlacher Buchdruckerzeugnisse und sd,ließlich die um die Schlacht bei Durlach kreisenden Revolu tionsdokumente von 1848/49, ei ne schöpferische und vita le Vielfalt offenbart, die der Mutterstadt Karlsruhes zur Ehre gereicht und der überörtliche Bedeutung und Ausstrahlung zukommt. Die Stadt Karlsruhe freut sich, das so erneuerte Museum, das der Initiative eines ei nzeln en seine Entstehung verdankt, der Offentlichkeit als Zeichen ihrer kulturellen Bemühungen übergeben zu können. Mögen alle sich mitverantwortlich fü hlen für die Erhaltung und Pflege der unersetzlichen Werte, die hier zusammengetragen wurden. E ine künfl:ige Restaurierung des gesamten Schloßkomplexes wi rd dem Museum weitere Räume ersch li eßen. Dann werden - über die heute gesetzten Akzente hinaus - all die vielfältigen Zeugnisse der Heimat- liebe gezeigt werden können, die den ei nzelnen Bürger mit der Gesamtheit der Gemeinde ver- binden . Ostern 1976 Otto Dullenkopf Oberbürgermeister Ludwin Langenfeld Geschichte des Pfinzgaumuseums Das Pfinzgaumuseum in Karlsruhe-Durlach verdankt seine Gründung und sei nen Aufbau der Privatinitiative einer einzigen Persönlichkeit, nämlich dem am 29. Juli 1877 in Durlach geborenen Friedrich Eberle. Er war das jüngste Kind der a lten Durlacher Bürgerfamilie des Werkmeisters Eustachius Eberle. Der Vater Eberle war, wie später sein Sohn, ein begabter Mann, Erfinder einer für seine Firma sehr brauchbaren Zündholz maschine. Schon als Kind interessierte sich der Sohn Fried rich für die Geschichte seiner Heimatstadt. 1909 fing er an, a lte heimatliche Gegen- stände zu sammeln . Inzwischen war er in den Dienst der damaligen Reichspost getreten, bei der er eine einundfünfzigjährige Dienstzeit (Postinspektor) verbrachte. Der Sechsunddreißigjährige trat im Jahre 1913 mit dem Anerbieten an den Durlacher Gemeinderat heran, daß er Altertümer sammeln und ein Museum entstehen lassen wo ll e. Am 16. September 1913 übertrug ihm dcr Gemeinderat Durlach das Ehrenamt ci nes "Städtisdlcn Konservators". Friedrich Eberle hat die- ses Datum mit Recht späterhin immer als den Gründungstag des Pfinzgaumuseums bezeichnet. Bereits am 24. September 1913 erschien der erste einer langen Reihe seiner Artikel und Aufrufe im "Durlacher Wochenblatt (Tageblatt)", in dem es heißt: "Einem langen und vielsei tigen Wunsch entsprechend, hat nun unsere Stadtverwaltung der Anlegung einer städtischen Sammlun g zuge- stimmt und für die Sammlungsobjekte einen Raum im Rathaus zu r Verfügung gestellt. Es ist jetzt Gelegenheit, Gaben, wie Durlacher Fayence, Zinnsachen, a lte Schlösser und Beschläge, Urkunden, Durlacher Abbi ldungen und Bücher, Du rlacher Produkte der letzten Jahrzehnte u.s.w., die da und dort noch herumliegen, an den richtigen Ort zu bringen und damit se inen Namen zu verewigen. Möge jedes dazu beitragen, daß alte, interessante Gegenstände nicht mehr zu Durlach hinauswandern. Es tut ei nem ordentlich wehe, wen n man fremde Sammlungen durch- geht und sieht, daß Durlacher Sachen, vielfach als Geschenk, dort aufgestellt sind ." Der Auf- ruf war .. Durlacher Altertümersammlung" überschrieben. Bereits fü nf Wochen später, am 30. Oktober 1913, konnte Eberle im "Durlacher Wochenbla!!" melden, daß der Sammlung in- zw ischen gegen dreihundert Objekte, darunter 27 Durlacher Fayencen, zugefüh rt worden seien. Zum gleichen Zeitpunkt zog die Sammlung in ei nen großen Kellerraum der Gewerbeschule um. In der Ausgabe des "Durlacher Wochenblatts" vom 5. Jun i 1914 taucht zum ersten Male der Name "Pfinzgaumuseum" fü r die .. Durlacher Altertümersammlung" auf. Diese Benennung ist eine glückliche Erfindung Friedrich Eberles, der damit schon damals - unter Beibehaltung der Zentralfunktion Durlachs - seine Sammelkonzeption auf die umgebende Landschaft, insbeson- dere den östlich angrenzenden Pfinzgau ausdehnte. Bereits in der Ausgabe des "Durlacher Wochenblatts" vom 25. Juli 1914 erscheint nur noch die Benennung "Pfinzgaumuseum", die wohl 7 auch durch die zu gleicher Zeit laufenden Landtagsverhandlungen initiiert wurde, in denen zur Sprame kam, die einzelnen Bezirke mödlten ihre Altertümer sammeln und der Staat solle ihnen hierbei mit Rat und Tat zu r Seite stehen. Einige Tage später unterbrach der Ausbruch des Welt- krieges die heimatpflegerischen Bemühungen. Die Sammlung wurde in ein großes Zimmer des Gymnasiums verbracht. Hier wäre sie, schreibt Eberle in seinen Aufzeichnungen, den Krieg über verblieben, .. wenn nicht ein so vergeßlicher Professor im StOckwerk obenan den Wasserhahnen Wappen tafel des Durlacher Schlosses von 1565 hätte offen stehen lassen, wod urch die Nacht das Wasser durch die Decke in das Sammelzimmer drang und die Gegenstände durchnäßte und beschmutzte". Nun wurde die Sammlung in ein Zim- mer im 3. Stock werk verlagert und kam von hier aus 1918 zunächst in die Privatwohnung Eberles. Im Juli 1922 gelang es Eberle, die 1905-1907 durch den Landeskonservator der Offentlichen Baudenkmale instandgesetz ten Räume des sogenannten Prinzessi nnen baues, der südwestlichen 8 Ecke des Durlacher Markgrafenschlosses, zu erhal ten. Die Sammlung war inzwischen bedeutend angewachsen, nicht zuletzt durch den Ankauf der umfangreichen Fayencensammlung der Familie Walz durch die Stadt Durlach (ein Ankauf, der 1963 eine Parallele durch den Ankauf eines 15teiligen Services durch die Stadt Karlsruhe fand) und durch weitere Spenden aus der Bevölke- rung. Hier muß insbesondere des Freiherrn Schilling von Canstatt zu Hohenwettersbach als eines hochherzigen Förderers des Museums gedacht werden. Anfang März 1924 wurde das Museum eröffnet. In einem Schreiben vom 6. März 1924 sprach der Oberbürgermeister der Stadt Durlach, Zöller, Friedrich Eberle den Dank des Stadtrates "fü r das Gelingen des großen Werkes" aus. Einige Tage später besichtigte der Stadtrat das Museum und in der Stadtratssitzung vom 19. März 1924 wurde Eberle nochmals der Dank der Stadtverwaltung ausgesprochen. Vom April bis Oktober 1924 war das Museum nunmehr den Besuchern sonntags von 11 - 13 Uhr zugänglich, die überwachung und das Kassieren des Eintrittsgeldes (30 Pfg.) waren Ehrensache des Konser- vators und seiner Frau. (übrigens wurde erst ab 1. April 1955 der Museumsbesuch entgeltfrei ge- macht.) Während des Winters blieb das Museum geschlossen, da es nur unzulänglich beleuchtet war und vor allem über keinerlei Beheizung verfügte (die Luftfeuchtigkeit betrug bis zum Beginn der Restaurierungsarbeiten 1972 im Mittel70 Ofo). Diese winterliche Schließung des Museums ist seither alljährlich durchgeführt worden, erst mit der völligen architektonischen und museums- technischen Neugestaltung des Museums, zu dessen Eröffnung im Frühjahr 1976 die vorliegende Dokumentation erscheint, wird - dank der modernen Heizungs- und Beleuchtungsanlagen - eine ganzjährige Offnung möglich. Da wir einen historischen Abriß schreiben, wollen wir um der Wahrheit wi llen nicht verschwei- gen, daß es 1925 zu einer Kontroverse zwischen dem Durlacher Oberbürgermeister und Konser- vator Eberle kam, in deren Verlauf Eberle sein Amt niederlegte. Der Stadtrat Resch wurde zum- ehrenamtlichen Verwalter des Museums bestellt ("Du rlacher Tageblatt" vom 19. 3. 1925; Proto- koll der Stadtratssitzung vom 18. 3. 1925; persönl. Aufzeichnungen Eberles). Im Anzeigenteil des "Durlacher Tageblatts" vom 21. 3. 1925 veröffentlichte Eberle eine persönliche "Erklärung", die zeigt, wie sehr er sich getroffen fühlte. Allzu lange scheint jedoch dieser Interimszustand nicht gewährt zu haben. Spätestens 1929 hat Eberle wohl seine Tätigkeit wieder aufgenommen, wie sein Artikel "Unser Pfinzgaumuseum" zeigt, den er in der Jubiläumsausgabe zum 100jährigen Bestehen des "Durlacher Tageblatts" am 1. 7. 1929 veröffentlichte. Aber schon im April 1934 kam es wieder zu Spannungen und einem Rücktritt Eherles von seinem Amt, weil das Museum wertvolle Durlacher Stücke an das Armee-Museum in Rastatt abgeben soll te. Die Verwaltung des Museums ging in die Hände der Durlacher Lehrerschaft über. Als im März 193 7 der damalige Rektor Edel infolge Arbeitsüberhäufung um Enthebung von seinem Amt als Konservator bat, erklärte sich Eberle zum zweiten Male bereit, das Amt mit Wirkung vom 1. 3. 1937 wieder zu übernehmen. Während des Zweiten Weltkrieges blieb das Museum geschlossen, die wertvollsten Stücke (insbesondere Fayencen) wurden zur Aufbewahrung an Durlacher Bürger verteilt. Um die übrige Sammlung bei einem eventuellen Luftangriff zu schützen, schlief Friedrich Eberle wäh- 9 rend der Dauer von sechs Monaten nachts im Museum. Im Mai 1945 wurde das Museum von den Friedrich Eberle Franzosen, im Juli von den Amerikanern als "Off limits") als unbetretbar für die Alliierten, erklärt. Die meisten Waffen der Sammlu ng (Geweh re, Pistolen, Säbel, Munition ) mußten den französischen Behörden abgeliefert werden, ein Verlust, den das Museum wohl am leichtesten ver- schmerzen konnte. Friedrich Eberle konnte die zweite Nachkriegszeit sein es Museums, das im Juni 1948 wiedereröffnet wurde, nicht mehr erleben. Im April 1948 zwang ihn sein Gesu ndheitszu- stand, sein Ehrenamt endgiiltig abzugeben . Am 16.6 . 1948 fan d im Amtszimmer des Leite rs des Stadtamtes Durlach durch Oberbürgermeister Töpper, Karls ruhe (die Stadt Ka rlsruhe war seit der 1938 erfolgten Eingemei ndung Durlachs rechtmäßiger Hausherr des Museums) , ein e Ehrun g Fricdrich Eberles statt, anschließend wurde das Museum besichtigt. Am 30. 11. 194 8 verstirbt Friedrich Eberle und wi rd am 2. 12. auf dem Durlacher Bergfriedhof beigesetzt . Am 7. 6. 1948 war der damalige Stadtoberrechnungsrat H ein rich Li ede vom Karlsruher Oberbürgermeister mit der ehrenamtlichen Betreuung des Museums beauftragt worden. Die Lehrerin Mathilde Sauder un d der Lehrer Hans Wolf aus Durlach erkl ärten sich zur Unterstützung Liedes bereit. Mit H einrich Liede war eine Persönlichkeit gefunden, die mit dersel ben Hingabe wie sei n Vorgänger Eberle die angesammelten Schätze rund 25 Jahre, bis z um Beginn der Restaurierungsarbeiten 1972, betreute. Seine Aufgabe war naturgemäß weniger das Sammel n als das Bewahren und Betreuen. Sein steti- ger Kampf galt der Verbesseru ng der Unzulänglichkeit der Räume, vo r a llem der (leider von ihm nicht mehr erreichten) Hinzugew innung wei terer Räume (vo r all em des erst mit der jetzigen Neueröffnung in Benutzung genommenen Raum es der frü heren Wanderherberge). Auch H einri ch Li edes Lei stung kann nicht hoch gen ug eingeschätzt werden. Unter seiner Leitun g haben von 194 8 bis 1972 rund 35000 Besucher das Museum besichtigt. W ie sein großer Vorgä nger war H einrich Liede Sonntag für Sonntag an der Spitze seiner ehrenamtlichen Aufsichtskräfhe im Museum anwesend, deren Namen hi er dankbar genannt werden soll en: neben der unermüd- lichen Witwe Fried rich Eberles, Fra u Walburga Eberle, di e am 29 . 3. 1960 versta rb, und der sdlOn genannten Lehrerin Mathilde Sauder waren dies die Damen: Gabrie le Stürzenacker und Em ma Mayer, die H erren: Heinz H entschel, Werner Krieger, Max Lenzi nger, OttO Meyer, Karl Pfatteicher, Siegfried Riemann, Wolfgang Rösch , Friedrich Schaaf, Helmut Voss und Max Zeiss. Zusammenfassend ist es unsere Pflicht, der Persönlidtkeit Eberl es gerecht zu werden. Dies ist ebenso leicht wie schwer. Leicht: den n seine Verdienste liegen klar zu Tage. E r hat aus tiefer Heimatliebe und echtem Heimatstol z heraus d ie An fänge des Museums gelegt und die Sa mmlun- gen fünfunddreißi g Jahre hindurch angereichert und betreut. Seine A ufgabe wa r mit Fug un d Recht das Sammeln, nicht das Sichten . Erst mußte ein Grundstock gescha ffen werden, der es uns H euti gen ermöglicht, auszuwähl en un d Akzente zu setzen. Für diese Sammlun g hat Eberl e auch seinen persönlichen Besitz und seine persö nlichen Mittel rückhaltlos hingegeben, unter- stützt von seiner dieser Aufgabe ebenso tief verbundenen Gattin. Gefördert wurde diese Gene- rosi tät Eberles durch seine menschliche Kommunikationsfreudi gkeit (er wa r Mi tg lied all er mög- lichen Vereine) und durch den feinen, still en Humor, der ihm zu eigen war und der sich an 11 Geburtstagen der Freunde in sinnigen Geburtstagsgedichten äußerte. Schwer: denn über den wahrhaft polyhistorischen Charakter seines Geistes wissen heute nur noch die wenigsten Bescheid. Eberle wa r ein exzellenter Kenner der Geschichte seiner Vaterstadt Durlach und des Pfinzgaus. In ungezählten Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften hat er sein Wissen ausge- breitet, in vielen Vorträgen seine Zuhörer belehrt, als Orga nisator vieler Festzüge die Zuschauer begeistert. Seine handschriftlichen Aufzeichnungen, darunter zahlreiche Manuskripte, bebilderte Mappenwerke (u. a.: "Die Pfinz von der Quelle bis Zl\r Mündung", "Der Turmberg") füll en ganze Regale. Eine einzigartige Schlagwort-Kartothek über die Geschichte Durlachs enttäuscht den Sud,enden selten . Eberle war aber auch ein gewandter Zeichner und Aquarellist. Mit fein em Strich hielt er jeden geschichtlich oder künstlerisch bedeutenden Gegenstand an Durlachs Gebäuden (Wappen , Türstürze, Fensterumrahmungen) fest. Die Flora des Turmbergs hat er in Einzeldarstellungen aquarelliert. Nic!1t zul etzt ließ er seine H eimatliebe in vielen Gedichten ausströmen. Eberles größte und nachwirkendste Tat aber war die In itiative, den sogenannten Prinzessinnenbau des Durlacher Schlosses als Museumsgebäude einzu richten. D enn wenn auch die zwa r schöne, aber auch enge und - besonders für ältere Besucher - unbequeme ehrwürdige Wendeltreppe mit ih ren neun verschiedenen Steinmetzzeichen, die im Prinzessi nnenhau die drei Stockwerke miteinander verbindet, einer Museumsplanung nicht gerade günstig war, so han- delte es sich hier doch, abgesehen von der Ruine des Gottesauer Schlosses, um die ä lteste und eine der schönsten Raumanlagen in Karlsruhe überhaupt. Das Karlsruher Schloß ist immerhin 150 Jahre jünger. Di e "Altertümersammlungen" konnten nirgendwo adäquater untergebracht sein als in diesen historischen Räumen VOn wahrhaft: einmali gem Wert. Bei all diesen Verdien- sten Eberles war es eine Ehrenpflicht für den Karlsruher Gemei nderat, 1960 eine Straße in Durlach nach ihm zu benennen. Der Prinzessinnenbau, in dessen volkstümlirnem Namen sich die Erinnerung an die Prinzes- si nnen des baden-durlachischen Hauses erhalten hat, ist - neben zwei Treppentürmen im Bereich des Baden-Werkes und einem Balkonstück im H ofdes sog. Wasserwerkes - der einzige erha ltene Bestandtteil der alten Karlsburg, die Markgraf Karl H. (Regentschaft 1553-1577) bei der Ver- legung seiner Residenz von Pforzheim nach Durlach 1563/65 erbauen ließ . Ober die Grü nde der plötzlichen E ntsch ließung des Markgrafen, sei ne Residenz von Pforzheim nach Durlach zu ver- legen, ist (ebenso wie über die G ründe des Markgrafen Karl Wi lhelm, seine Residenz 1715 von Durlach nach dem dadurch neu gegründeten Ka rlsruhe zu verlegen) wenig Greifbares beka nnt. Die Vermutungen reichen von der Behauptung des markgräflich baden-durlachischen Hi storikers Johann Christian Sachs (1770), es seien im Falle Pforzhei m Unstimmigkeiten zw ischen den Bürgern Pforzheims und dem Markgrafen bestimmend gewesen bis zu der, im Falle Karlsruhe, von modernen Historikern konstruierten geopolitischen Bewußtheit eines Markgrafen, der aus der topog raphischen E nge der durch die sumpfige Kinzig-Murg-Niederung gehemmten Residenz Durlach in das sandige Gebiet der Niederterrasse (und damit zum Rhein hin!) hinausstrebte. Ober das Durlacher Schloß schreibt Johann Christ ian Sachs: "Es wurde mit großen Kosten in kurzer Zeit zu Stande gebracht und erhielt nach dem durchlauchtigsten Erbauer den Namen Karlsburg. E r selbst hatte den Riß dazu entworfen und das ga nze Bauwesen ging unter sei ner 12 besonderen Aufsicht vor sich; er zahlte auch die Arbeitsleute mit eigener Hand aus und bekam daher den Namen : Karl mit der Tasche." Mag es sich hinsichtlich der Funktion der Tasche auch um eine liebenswürdige Fabel handeln (sie enthielt wohl eher das Schreibzeug des Fürsten), so hat dieses Anhängsel dem Markgrafen doch seinen volkstümlichen Namen eingetragen. Die eben zur Residenz erhobene dankbare Stadt Durlach ließ 1567 ihrem Markgrafen ein lebensgroßes Standbild aus gelbem weichem Sandstein errichten. Sein Schöpfer war der Tübinger Bildhauer Leonhart Baumhauer. Es war von 1567 bis 1862 a ls Krone des Durlacher Marktbrunnens vor dem Durlacher Rathaus aufgestellt, wurde 1862 auf den Schloßplatz, an die vordere Ecke des Platzes vor der Karlsburg, versetzt und mußte dort 1911 dem zunehmend en Verkehr weichen. Die starke Verwitterungserscheinungen aufweisende Statue wurde anschließend von dem Karlsruher Bild- hauer Heinrich Bauser zur ferneren Aufbewahrung in einern nicht den Wetterunbilden aus- gesetzten Raume restauriert. Zugleich fertigte Bauser eine naturgetreue Kopie des Standbildes, die seither den Balkon des Durlacher Rathauses schmückt. Die Originalstatue wurde erst ins Rathaus, dann in die Torhalle des Prinzessinnenbaues verbracht, wo sie jahrzehntelang der Jugend als willkommene Zielscheibe diente. Im Zuge der Neugestaltung des Museums wurde sie auf Veranlassung des Schreibers dieser Zeilen 1974 in den Steinsaal des Pfinzgaumuseums gebracht und in aufwendiger Arbeit durch den Karlsruher Restaurator Anton Rommel zum zweiten Male restauriert. Der Kunsthistoriker Hans Rott hatte zwar 191 7 in seinem bekannten Werk über "Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur G ründung Karlsruhes" noch die Ansicht vertreten : "Die Statue hat in Zuk unft, gleich einer wurmzerfressenen Altartafel etwa, als Museumsstück zu gelten, an der als einer monumentalen historischen Urkunde keine Restauration oder Erneuerung vorgenommen werden darf", aber die der Statue mutwillig und geda nkenlos zugefügten Schäden rechtfertigten die vorgenommene Restaurierung. Heute bildet sie, im zeitgenössischen Steinsaal des Museums aufgestellt, für die Besucher das treffendste Eingangssymbol. Im sei ben Steinsaal ist der Sockeltorso der Statue mit der Jahreszahl 1567 und ein künstlerisch wertvoller Grabstein (Frau in kniender Gebetshaltung) aus der Mitte des 16. Jahrhundert aufgestellt. Besondere Achtung verdient der hier ebenfalls aufgestellte Grab- stein des Baumeisters Demetrius Dangel von Zwiefalten (gestorben 1570), des Erbauers der Karls- burg (Bauperiode von 1563-65). Das von den Nachfolgern Karls 11. (den Markgrafen Ernst Friedrich - 15 77/ 1604 -, Georg Friedrich - 1604/ 1622 -, Friedrich V. - 1622/ 1659 -, Friedrich VI. - 1659/ 1677 - und Friedrich Magnus - 1677/ 1709, von letzterem zeigt das Museum Originaldokumente) erwei- terte Schloß wurde am 16. 8. 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch die Franzosen nieder- brannt. Reste der Ruinen standen mindestens noch bis zum Jahre 1834 , wie ein kleinesOlgemälde von L. Steinbach zeigt, das im Museum aufbewah rt wird und den Zustand nach der Natur festgehalten hat. Nach der Zerstörung begannen 1698 der Auf- und Neubau, der 1702 durch den inzwischen ausgebrochenen Spanischen Erbfolgek rieg, der alle Einkünfte auf Jahre hinaus wegnahm, wieder zum Erliegen kam. Dieser kurzen Bauperiode verdanken wir das heute an 13 den Prinzessinnenbau anschließende neue Schloß (Westwand des Haupthofes) mit barocker Fassade von Domenico Egidio Rossi. In der Torhalle des Prin zessinnenbaus, deren südliche Aus- fahrt jetzt zugemauert ist (bausthützeristhe Überlegungen zwangen dazu; in der Südmauer sind noth die Gleitri nnen des ehemaligen Fallgatters sichtbar, womit der Durthgang versth lossen werden kon nte), ist seit 1905/07 in die west lithe Wand die große Wappentafel von 1565 aus grauem Sandstein eingelassen, die einst über dem Portal der a lten Karlsburg prangte und die wohl das künstleristh wertvollste und ehrwü rdigste Monument des alten Durlath darstellt. Sie ist in drei Felder ein getei lt, bekrönt von einem Schmuck fries, umrahmt von Pilastern und Säul- chen mit reichem Renaissanceornament. Im mittleren Feld trägt sie das Wappen Karls 11., auf der linken Seite das Wappen seiner ersten Gemahlin Kunigunda, geborene Markgräfin zu Brandenburg, auf der rethten Seite das Wappen seiner zweiten Gemahl in Anna, geborene Pfalz- gräfin zu Veldenz . Besonders charakteristisch ist die Figur eines liegenden, die Geige spielenden Mannes, die der Meister der Tafel im Segmentbogen feld über dem Gesims, umrahmt von Engel- figürthe n angebratht hat. Reste der typisthen Bemal ung des Kreuzrippengewö lbes sind in der Torhalle noth sithtbar, mit ähnlithen Gewölben waren in der Karlsburg sämtlithe Räume des Erd- und des ersten Obergeschosses ei ngedeckt. Im ersten Obergesthoß des Museums geben die beiden Südzimmer mit ihrem dicken Mauerwerk, den tiefen Fensternischen und den ni edrigen Tü ren mit profiliertem Gewände noch einen Begriff von der Pracht der Räume der alten Karls- burg. Thre Bemalung wurde 1905/07 naturgetreu erneuert und 1975 verständnisvoll au fge- frischt. Der erste, kleinere Raum ist von einem Kreuzrippengewölbe überdeckt, der zweite von einem Netzgewölbe, dessen Rippen auf Konsolen in halber Wandhöhe ansetzen. Sie waren unverständlitherweise durth eine später angebrachte häßl ithe hölzerne Wandverkleidung ver- deckt, di e den Raumeindruck verdarb. Diese wurde bei der Restaurierung 1974 wieder ent- fern t, so daß der Raum jetzt wieder sein e ursprüngliche kompositorische Feinheit ausstrahlt , di e wir auch bew ußt durth ei n Minimum an Einrithtungsgegenständen (Vi tr inen, Möbel) erhal- ten wollten. So kann man diese beiden ältesten auch als die schönsten Räume in Karlsruhe bezeichnen. Der Fußboden bei der Räume wurde mit Bodenfliesen ausgelegt, die eigens nach dem Muster auf dem Turmberg gefundener Bodenfliesen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts von der Karls ruher Majolika gegossen wurden. Tn den bei den "Karl-Weysser-Sälen" und dem dazugehörigen Flu r des ersten Obergesthosses wurden 1974 die Flathdecken entfernt, so daß die ursprünglithen gewölbten Decken des Baumeisters Domenico Egi dio Rossi wieder zur Geltung kommen. Im zwei ten Obergesthoß wu rden die Gewölbe des großen Saales bei der Erneuerung 1905/07 d urth eine Stuckdecke ersetzt, di e 1974 in lithten Tönen bemalt wu rde. D ie hier an der Nord(Balkon)-Seite unter der Decke vorhandenen, mit Renaissanceornamenten verzierten Konsolen trugen das Gesims der al ten Süd wand des Sthlosses. Alle diese Maßnah- men wurden von dem Architekten Rolf Siemons in Durlath mit hohem stil ististhem Feingefühl getroffen. Wenn wir nun über die Nachkriegszeit des Pfinzgaumuseums zu berichten haben, so tun wi r dies, unserer Chronistenpflicht entsprechend, mit der gebotenen Genauigkeit. Wir können aber einleitend nicht verschweigen, daß diese Jahre (von der Wiedereröffnung 1948) bis zum Beginn 14 der Restaurierungs- und museumtechnischen Neueinrichtungsarbeitcn (1972) elOcn 1m Hin- blick auf das Museum selbst (beileibe nicht in Hinblick auf die aufopfernde Betreuung durch seinen ehrenamtlichen Leiter, Heinrich Liede, und sei ne schon genannten Mitarbeiter) unfrucht- ba ren Zeitraum darstellen, weil man in dieser Zeit weder in der Hinzugewinnung zusätz licher Räume noch (folgeri chtig) in der - immer wieder erkannten und geforde rten - Sichtung und Lichtung der Bestände weiterkam. Bis zum Ableben der verdienten Gattin Friedrich Eberles, Frau Walburga Eberle, im Frühjahr 1960, bestand allseits die pi etätvoll e Meinung, daß zu Lebzeiten der Witwe des Begrü nders des Museums an den Beständen und deren A ufstellung nichts geändert werden sollte. Späterhin scheiterte das Vorhaben immer wieder am Fehlen der benötigten Magazin- bzw. Abstellräume. SdlOl1 sei t 1956 hatten sich in PresseveröfFentlichungen immer mehr kritische Stimmen erhoben, die eine Neugestaltung des Museums forderten. Der Verfasser dieses Überblicks hat versucht, durch ei ne 1965 eingerichtete Ausstellung der Werke Karl Weyssers (Olbilder, Studien, Zeich nungen) im Rathaus-Saal in Durlad, und durch eine 1973 ebendort eingerichtete Ausstellung "Die Badische Revolution 1848-1849", welch letztere sich zum größten Teil auf die (i nzwischen im letzten Augenblick vor der endgültigen Zerstö- rung durch Nässe und Fäulnis restauriert,en) Bestände des Pfinzgaumuseums stützte, die Auf- merksamkeit einer größeren OfFentlichkeit auf die Gesamtrestaurierung des Phnzgaumuseums hinzulenken. In diesem Zusammenhang verdient festgehal ten zu werden, daß die durd1 die Restauration bedingte Schließung des Museums noch einen erfre ulichen NebenefFekt hatte. Das Badische Landesmuseum im Karl sruher Schl oß veranstaltete im Sommer und Herbst 1975 eine Ausstellung "Durlacher Fayencen - 1723-1847", die für al le Zukun ft vorbi ldlich und einmalig bleiben wi rd. Eine umfangreiche Katalog-Dokumentation aus diesem Anlaß wird als nidu mehr wegzudenk endes Standardwerk über diesen Gegenstand bestehen bleiben. Da das Phllzgaumuseum neben dem Badischen Landesmuseum die zweitgrößte Sammlung Durlacher Fayencen überhaupt besitzt, kam uns das Ane rbi eten des Badisd1en Landesmuseums, aus Anlaß der Ausstellung den gesamten Bestand des Phnzgaumuseurns wissenschaftlich zu bearbeiten und die fünfz ig schönsten Stücke daraus in der Ausstellung im Schloß zu zeigen, überaus gelegen. Für die so erstmals erfolgte, überaus ergebnisreiche und in vielen Details interessante wissen- schaft liche Bearbeitung der Bestände des Pfin zgaumuseums sind wi r dem Direktor des Badischen Landesmuseums, Prof. Dr. Ernst Petrasch, insbesondere dem w issenschaft lichen Sachbearbeiter Dr. Walther Franzius zu bleibendem Dank verpflichtet . Anfang der fünfz iger J ahre setzte sich verstärkt die Einsicht d urch, daß im Aufbau des Museums der tragende Gedanke, gewissermaßen der rote Faden, der den Besucher sinnvoll durch di e Aus- stellung geleiten könne, fehl e. Imm er dri ngender wurde ein e Umgestaltung gefordert. In einem Artikel der "Badischen Volkszeitung" vom 24 . 8. 1956 hieß es: Die Räumlichkeiten seien weder ausreichend noch zweck mäßig. In einem kleinen Raum seien wertvolle Antiquitäten unter- gebracht, die jedoch nicht zur vollen Geltun g kämen, weil sie wie in einem Trödlerladen angehäuft seien . Kostbare Urkunden und Drucke seien in vorsi ntflutlichen Vitrin en gelagert. 15 Ein kritischer Leserbrief mit der für sich sp rechenden Überschrift "Pfinzgau-Museum : Ein Besuch im Reich der Spinnen", erschien am 26. 5. 1959 in den "Badischen Neuesten Nachrichten". Unter dem 3. 10. 1959 berichtete das "Durlacher Tagblatt" unter der überschrift "Bestände des Pfinz- gau-Museums sollen gesichtet werden", daß der städtische Kulturauschuß eine Kommission zur Sichtung der Bestände gebildet habe, so daß nur das Wesentliche, für die eigentliche Durlacher Geschichte Wertvolle übrigbleibe und entsprechend besser zur Schau gestellt werden könne. In einem Expose legte am 12. 4. 1960 ein Kommissionsmitglied dar, die Bezeichnung Pfinzgau- Musum sei nicht der richtige Name, denn es gleiche eher einem Depot oder Magazin. Dies liege hauptsächlich an der Unterbringung. Die Sammlungen müßten zu einer chronologisch geordneten Schau zusammengestellt, die Spreu vom Weizen getrennt werden. In einem großen Artikel der "Badischen Neuesten Nachrichten" vom 10. 5. 1961 wird unter dem Titel "Das Pfinzgau-Museum braucht einen neuen Stil" festgestellt, daß die genannte Kommission "nur allgemeine Urteile zum Problem der Auslichtung dieses Urwaldes historischer Gewächse abgab, aber nicht für jedes einzelne der weit über 1000 Stücke eine endgültige Entscheidung fällte . Nur das hätte weiterhelfen können." Auch in diesem Artikel wird wieder festgestellt, daß diejenigen Stücke, deren Qualität den Wert des Museums ausmachen, durch die Masse zweitrangiger oder den Pfinzgau nicht betreffender Gegenstände erdrückt würden. Man dürfe sich daher nicht scheuen, einiges gänzlich zu beseitigen. Bei dieser "Herkules-Arbeit" gehe es nicht so sehr primär um eine Erweiterung des Museums, sondern um eine zeitgemäße Form. Ein Museum sei heute näm- lich nur wirksam, wenn es nicht auf Vollständigkeit Wert lege, sondern auf sorgfältig ausge- wählte wenige Beispiele. Da die Kommission über allgemeine Erwägungen nicht hinaus gekom- men war, wurde nun das Stadtarchiv mit einer Durchsicht der Bestände beauftragt. Der damalige Archivdirektor teilte aber zum Jahresende 1960 mit, daß mit einer Aussortierung nidtt begonnen werden könne, da die Museumsräume nicht beheizbar seien und keine ausreichenden Magazin- räume zur Verfügung stünden . In einem Artikel vom 23 . 9. 1961 berichtete das "Durlacher Tagblatt" von einer erneuten Sitzung des Kulturausschusses . Man sei sich darüber einig gewesen, daß das Museum durch unnötigen und wesensfremden Ballast beeinträchtigt sei. Die weniger guten Bestände müßten ausgeschieden werden; eine gründliche Durchsicht durch Fachleute sei nicht zu umgehen. Diese Forderung wurde wiederum in einer Sitzung des Gemeinderates vom 31. 12. 1961 aufgestellt. Am 24 . 3. 1962 berichtet das "Durlacher Tagblatt" über die bekannten Unzulänglichkeiten. Der Artikel räumt ein, daß das Museum einmal von einem Kunstkenner "der größte Ramschladen in Karlsruhe und Umgebung" genannt worden sei. Immer wieder wird auch in allen Veröffentlichungen auf die Feuchtigkeit der Räume und die Problematik der engen Wendeltreppe, insbesondere für ältere Besucher, hingewiesen . Inzwischen hatte die Stadt in ihrer Gemeinderatssitzung vom 12. 5. 1964 einen Vertrag zwischen Stadt und Land Baden- Württemberg gebilligt, der die überlassung der Karlsburg an die Stadt zum Preis von 1,6 Mil- lionen Deutsche Mark vorsah. Am 4. 1. 1965 machen die "Badischen Neuesten Nachrichten" wieder auf die unzulänglichen Zustände im Museum aufmerksam. Am 27 . 7. 1971 berichtet dieselbe Zeitung von einem Einbruch ins Pflnzgaumuseum, wobei insgesamt 21 Pistolen gestohlen wurden. 16 Inzwischen waren die Überlegungen hi nsichtlich einer Gesamtrestauration des Prinzessinnen- baues endgültig in Gang gekommen. In ei ner Sitzung von Vertretern der Durlacher Bürger- gemeinschaft, der Stadtverwaltung und des Staatlichen Denkmalamtes vom 8. 12. 1971 wurde der einzuschlagende Weg in Form ei nes Stufenplanes festge legt. Von der Idee der Restauration der jetz igen Museumsräume kam man bald zur größeren Idee des Ausbaus des gesamten Schloß- komp lexes als Kulturzentrum. Dies war fü r das Pfinzgaumuseum insofern schon von Bedeutung, als man a ls erste Etappe die Bereitstellung f reier Räum e im angrenzenden Sdlloßflügel für die Auslagerung der Museumsbestände beschloß. Das widltigste Ergebnis betraf die E ntlastun g der so vielfach kri tisierten alten Wendeltreppe. Durdl eine Verwendung des direkt an den alten Teil des Prinzessinnenbaues angrenzenden Treppenhauses im neueren Teil des Rossiflügels konnte, wie die Architekten nun feststellten, ein normaler Treppenzugang zum ersten und - auf dem ßesuchcrrückweg - vom zweiten zum ersten Stockwerk geschaffen werden ; der Zugang zum dritten Stockwerk würde allerdings immer über die Wendeltreppe erfolgen müssen. Immerhi n ergab diese Treppenkombination eine wesen tliche Verbesserung der Zugänglichkeit. Die Artikel in den "Badischen Neuesten Nach richten" vom 15 . 11., 19. 11. und 30. 11. 1971 berichteten über die erwähnten Aktivitäten der Bürgergel1Jeinschaft Durlach und A ue bzw. des Freundesk reises Pfinzgau-Museum innerhalb dieser Bürgergemeinschaft im Hinbl ick auf die Bestrebungen, das Museum unbedingt im Prinzessinn enbau zu belassen. Unter dem letzterwähnten Datum hielt der A rchitekt Dipl.-In g. Prosper Collin g in Form eines altertüml ichen Briefes an den Erbauer des Prinzessinnenbaues Demetrius Dangel ein Plädoyer für das Pfinzgaumuscum und ein im Sch loßflü gel zu erstellendes Durlaeher Kulturzentrum. Es fol gte am 15. 12. 1971 eine Gesamt- vorstandssitzung der Bürgergemeinschalt Durlach und Aue mit dem als Vertreter der Stadt ent- sandten Kulturreferenten; am 4. 2. 1972 eine Sitzung des Bezirksbeirats Durlaeh im Sitzu ngs- saa l des Durlacher Rathauses; am 8. 5. 1972 eine Sitzung bei dem Baudezernenten; am 23. 6. 1972 ei ne Ku lturausschußsitzung im Karlsruher Rathaus und am 29 . 3. 1973 ei ne weitere Sitzun g des Bezirksbeirats Durlach im Sitzu ngssaal des Durlacher Rathauses, die sich sämtlich eingehend auch mit den Maßnahmen für das Pfinzgaumuseum befaßten. Gleichzeitig eröffnete die Bürger- gemeinschaft Durlach und Aue unter ihrem Vorsitzenden Dr. Karl-Wilhelm Maurer ein e Bürger- spendenaktion für das P finzgaumuseu m, die überaus erfreulichen Anklang bei der Bevölkerung fa nd . Im Spätsommer 1972 wurden die Bestände des Museums in die angrenzenden Räume des Schloßflügeis ausgelagert und die bauliche Restaurierung konnte beginnen . Dazu erschien im August 1973 eine reich bebilderte Dokumentation über den Prinzessin nenbau (Mitteilungen des Baudezernates, N r. 20). Das neu erstandene Museum öffnet seine Pforten zu Ostern 1976. Seine Akzente liegen - neben der Sicherstellun g der erwähnten Steindokumente - bei der Repräsentation der Durlacher Fayencen, der Werke des in Du rl adl geborenen Malers Karl Weysser, der Dokumente der Revo- "ltion 1848/49 (in der Durlach d urch die Schlacht bei Durlach am 25. Juni 1849 eine besondere Rolle spielte) und der alten Durlacher Druckerzeugnisse (in ihrem Mittelpunkt die sogenannte 17 Durladler Bibel von 1529). Eine künftige Erwei terung der Raumverhältnisse im Zuge der Restaurierungsarbeiten am gesamten Schloß flügel birgt die Möglichkeiten, dieses Grundsatzpro- gramm durch die Vielfalt heimatkundlicher Exponate zu erwei tern. Bei unseren Akzentsetzungen gingen wir von der Wichtigkeit und dem Wert der zusammenhängenden Bestände aus; im Sin ne der Thesen, die der Geschäftsführer des Verbandes der Rheinischen Heimatmuseen, Professor Dr. Rudolf Stampfuß 1968 für die Heimatmuseen von heute aufgestellt hat und in denen es heißt: "Wi r wollen keine romantischen Heimatstuben mehr, wir wollen den Dingen den Moder nehmen. Das Museum ist eine Halle, in der man diskutieren darf; die Zeit der Filzpantoffel ist vorbei. Ei n Museum soll auch keine Schauerkammer sein . Die Heimatmuseen sind echte For- schungsstätten, die das Material für die Zukunft erhalten müssen." Möge sid1 das nun erneuerte Pfinzgau-Museum schon in seiner jetzigen Gestalt würd ig in den Kreis der baden-württembergischen Heimatmuseen einordnen. Möge die Bewahrung seiner alt- ehrwürdigen Räume und die Pflege seiner wertvollen Bestände ein Anliegen aller Bürger sein! 18 Helga Walter-Dressler Der Durlacher Maler und Zeichner Karl Weysser Karl Weysser wurde am 7. September 1833 in Durlach geboren '. Er war das zehnte und letzte Kind des damaligen Durlacher Bürgermeisters Friedrich Wilhelm Weysser und seiner Frau Karoline geb. Musculus . Der französische H ei ratskontrakt der Eltern aus dem Jah re 1815 in kunstvoll verschnörkel ter Kanzleischrift ist noch vorhanden. Aus ihm geht hervor, daß die elsässische Braut, eine Apothekerstochter aus Sulz am Wald, 5068 Franken, der Bräutigam 8571 Franken mit in die Ehe brachten. Offensichtlich stammten beide aus wohlhabenden Ver- hältnissen . Karl Weyssers Vater war ursprünglich Kaufmann. Mi t den Jahren hatte er auch im öffent- lichen Leben Erfol g. Er wurde Stadtrat und Mitglied des evangel ischen Kirchengemeinderats, sch ließlich von 1830 bis 1836 Bürgermeister von Durlach. Von 1832 bis 1838 wa r er außerdem Mi tglied der von der Bevölkerung gewählten 2. Kammer der badischen Landstände ' . Die Familie wohnte bis 1860 am Durlacher Marktplatz im Eckhaus Hauptstraßel Kronenstraße (heute Pfinztalstraße 56). Von Kar! Weyssers zahlreichen Geschwistern lebten bei seiner Geburt nur noch zwei Brüder und eine Schwester " ein bei der damaligen hohen Säuglin gssterblichkeit leider übliches Familienschicksal. Die Schulzeit absolvierte Weysser an der Durlacher Höheren Bürgerschule, dem sog. "Pädagogium", wo er 184 1 eintrat ' . Dann schickte ihn der praktisch denkende Vater, der vom fin anziell unsicheren Künstlerberuf offenbar nicht viel wissen wollte, auf das Polytechnikum nach Karlsruhe, die spätere Technische H ochschule und heutigen Uni- versität . Dort hat sich in dem noch erhaltenen "Einschreibbuch für die Eleven" für das Studien- jahr 1852/ 53 Karl Weysser eigenhändig eingetragen. Vorher hatte er schon den ,, 1. In genieur- cours" besucht und wollte nun in die "Mechanisch-technische Schule" überwechseln, mit dem Berufsziel "Leh rfach" '. Die über Karlsruhe hinaus berühmte Po lytechnische Schule bestand damals aus drei allgemeinen mathematischen Klassen und darauf aufbauend sieben "Fachschul en". In den dreijähri gen mathematischen Grundkursen wurden neben den Kenntnissen für die technischen Fächer auch Sprachen, Religion und Geschichte sowie Freihandzeichnen, Kalligraphie und Modellieren geleh rt. Die Spezialisierung fand dann in den Fachschulen statt, zu denen die obengenannte Ingeni eur- schule und die Mechanisch-technische Schule gehörten ' . Obwohl Kar! Weyssers eigentliche Neigung dem Nebenfach Zeichnen gal t, scheint er sei n Mathe- matik- und Maschinenbaustudium 7 mit Ernst und Interesse betrieben zu haben. Denn viele Jahrzehnte später schreibt er: "Während ich mich aber noch heute meinen li ebsten, nun längst verstorbenen Lehrern der rei nen und an gewandten Mathematik: Karl Buzengeiger, Guido 19 Schreiber, Wilhelm Eiseniohr, Jakob Ferdinand Redtenbacher, Peter Gustav Lejeune-Dirichlet, Jakob Steiner und Johann Franz Encke und auch dem Geographen Karl Ritter zu großem Dank verpflichtet fühle, war ich leider im Bezug auf meine ästhetische Bildung meist nur auf eigene Erfahrungen angewiesen 8 ," Es ist zu verm uten, daß unter Weyssers obengenannten Lehrern, von denen die meisten noch heute als Kapazitäten ihres Fachs in der Literatur bekannt si nd, vor allem Redtenbacher einen prägenden Einfluß auf den jungen Studenten ausübte. Redtenbacher leitete damals die Mecha- nisch-technische Schule und wurde später Direktor des Pol ytechnikums. Er verstand nicht nur sein Fach, den Maschinenbau, außerordentlich lebendig und mit umfassender Kenntnis darzu- stell en, sondern er hatte auch darüber hinausgehende Interessen, die sich mit denen seines Schülers Weyssers unmittelbar berührten: .Seine liebste Mußebeschäftigung war das Skizzieren in der Landschaft und das Aquarellieren, das er in späteren Jahren durch das Malen in 01 ablöste'." Wie lan ge Weysser am Karlsruher Polytechnikum studiert hat, ließ sich bis jetzt nicht feststellen, ehensowenig wann er an die Berliner Bauakademie gegangen und wie lange er dort gebliehen ist 10. Inzwischen war in Karlsruhe im Juli 1854 die Großherzogliche Kunstschule gegründet und als Direktor der Düsseldorfer Landschaftsmaler Johann Wilhelm Schirmer berufen worden. Im ersten Schuljahr war Karl Weysser noch nicht dort, aber im zweiten Schuljahr 1855/56 finden wir ihn eingeschrieben 11, Die Ausbildung dauerte damals insgesamt 7 Jahre. Großer Wert wurde auf die Schulung des Formensinns durch Zeichnen gelegt. Einem Spezialgebiet (Historien-, Porträt-, Landschafts- und Genremalerei) durfte sich erst zuwenden, wer den "Antikensaal" durchgemacht hatte, wo nach Gipsabgüssen antiker und moderner Statuen gezeichnet wurde. Für die Landschaftsmaler, die in Karlsruhe als Schüler Schirmers die größte und bedeutendste Gruppe bildeten, folgte dann der Besuch der vorbereitenden Landschaftsklasse. Dort kopierten sie vor allem Naturstudien ihres Lehrers in 0 1 und lernten nach der Natur zeichnen und kleinformatige Bilder malen. In die Künstlerklasse schließl ich wurde nur aufgenommen, wer in der Vorbereitungsklasse genügend Talent gezeigt hatte. "Schi rmer regierte in Karlsruhe ganz im Sinne der Akademiedirektoren des 19. Jahrhunderts als unumschränkte Autoritätsperson. Seinen Anweisungen hatten die Schüler Gehorsam zu leisten ... Auch außerhalb der offiziellen Unterrichtsstunden sollten die Schüler im Geiste ihres Lehrers erzogen werden " ." Zu Weyssers Studienkollegen in der Landschafts- klasse gehörten u. a. earl Ludwig Fahrbach, Emil Lugo, Gusta v Osterrot und ab 1859/60 auch Hans Thoma. Nach vierjährigem Studium verließ Weysser die Karlsruher Kunstschule und siedelte im Herbst 1860 zur weiteren Ausbildung nach München über, wo er bis zum Juni 1861 blieb ". Ob er dort an der Akademie ein geschrieben war oder, was naheliegender erscheint, dem Kreis der Maler um Eduard Schleich d. 1\. und Kar! Spitzweg angehörte, ließ sich bis jetzt noch nicht feststellen. Für den Wechsel des Studienortes zu diesem Zeitpunkt sind verschiedene Gründe denkbar: 1859 wa r Weyssers Vater gestorben und 1860 das Elternhaus am Durlacher Marktplatz von den vier Geschwistern verkauft worden 14. Möglicherweise hat der Maler seine günstige Finanz- 20 lage benutzt, um einen Studienaufenthalt in München zu fi nanzieren . Vielleicht gehörte Weysser auch zu denjenigen Kunstschülern, die in den Jahren 1859-61 aus Protest die Karlsruher Schule verließen, weil sie sich durch ungerechtfert igte bürokratische Eingriffe der Obrigkeit in ihrer Ausbildung behindert fühlten ". Nicht zuletzt mag der Wunsch, ein intensiveres Studium der Architekturmalerei zu absolv ieren, für einen Wechsel nach München bestimmend gewesen sein. Im Schuljahr 1861 /62 kehrte Karl Weysser wieder an die Karlsruher Akademie zurück ". Nach dem Tod seines Lehrers Schirmer im September 1863 ging er im November 1863 ei n zweites Mal nach München und blieb dort bis zum März 1864 ". Offenbar hat er dann noch das restl iche Studienjahr bis zum Sommer 1864 in Karlsruhe verbracht 18. Damit war seine Ausbildung abgesch lossen. Schon während der Studienzeit war Weysser in den Sommerferien zeichnend und malend in Süddeutschland unterwegs. So hat er, wie man den datierten Zeichnungen im Karlsruher Denk- malamt und den Olskizzen der Städtischen Kunstsammlungen entn ehmen kann , im Jahre 1862 den Bodensee bereist. Im Sommer 1863 war er u. a. am Hochrhei n in Laufenburg, Säckingen und Basel, 1864 am Neckar, in Schwäbisch-Gmünd und Marburg an der Lahn . Wo Weysser nach dem Verkauf des elterlichen Hauses 1860 wohnte, ist unbekannt. Jedenfalls war er von 1865 bis 1869/ 70 in Karlsruhe ansässig ". In diesen Jahren reiste er u. a. ins Tauber- tal, in den Schwarzwald und an die Mosel. 1869 unternahm er eine Fahrt nad, Südtirol, was durch Zeichnungen und O lskizzen aus Klausen und Brixen belegt wird. Für die Zeit zwischen 1870 und 1881 fehlt jeg licher Hinweis fü r einen festen Wohnort. Weysser war offenbar ein unruhiger Geist, den es nie lang am seI ben Pla tz hielt. So ist überliefert, daß er am liebsten einen Zigeunerwagen besessen hätte, um damit unabhängig in der Gegend herum- zukutschieren 20 Vielleicht hat er also in den 70e r Jahren, der Zeit seiner größten Produktivität, überhaupt keinen festen Wohnsitz gehabt und immer nur ein paar Wochen an ei nem O rt zuge- bracht. 1872 war der Künstler offensichtlich längere Zeit im Elsaß (das seit 187 1 zum deutschen Reichsgebiet gehörte), denn über 100 Zeichnungen elsässischer Denkmäler und Bauten von seiner Hand aus diesem Jahr befinden sich im Straßburger Denkmalarchiv ". Seine Tätigkeit dort beschränkte sich jedoch nicht nur aufs Zeichnen, sondern bezog auch das Malen mit ein, denn im Oktober 1875 waren Bilder aus dem Elsaß von Karl Weysser im "Kunstverein der Groß- herzoglichen Kunsthalle" in Karlsruhe ausgestellt". 1880 zeichnete Weysser viel am Mannheimer Hafen, 1881-1884 wohnte er in Heidelberg". In Heidelberg gab er 1883 unter dem Pseudonym "K. W. H eisster" (Karl Weysser heißt er) auch seine erste kleine Veröffentlichung heraus. Si e trug den Titel "An di e Mitglieder des Kunst- vereins in Hutzelwaldberg" und richtete sich in sati rischer Form gegen Vorstand und Jury des Heidelberger Kunstvereins. Von 1885 bis 1888 lebte Karl Weysser in Baden-Baden " . Auch hier hat er sich publ izistisch betätigt und im Jahre 1887 ein satirisches Bän dchen unter dem Titel "Durch Dick und Dünn - Asthetische und auch andere Betrachtungen" herausgebracht. Von 1890 bis 1894 wohnte er noch- 21 mals in Karlsruhe ", von 1895 bis zu seinem Tod am 28 . 3. 1904 war er wieder in Heidclberg ansässig ~t1 . Dort erschien 1898 sei ne dritte und letzte Veröffentlichung .,Der Darwinismus und die moderne Malerei im Spiegel einer möglichst richtigen Weltanschauung". Seinem unsteten Leben nach zu schließen, hätte man an nehmen können, daß Kar! Weysser nie verheiratet war. Mit ann ähernd 52 Jahren hat er aber doch noch geheiratet, und zwa r am 7. Februar 1885 in Baden-Baden ". Seine Frau, Auguste Luise Sickinger, stammte aus Durlach und war 21 J ah re jünger als er " . Viell eicht faßt e der Künstler den Entschluß zur Ehe unter dem E indruck seiner drohenden E rblindung. Das früheste bekannte Gemälde Karl Weyssers ist ei n Brustbild seines Vaters. Es ist weder datiert noch vom K ünstl er signiert; aber auf der Rücksei te w urde vermerkt, daß es den Bürger- meister Weysser 1840 darstelle, von seinem Sohn Karl gemalt und von Frau Weysser 1936 erworben worden sei ". 1840 kann nicht das J ahr sein, in dem das Bild gemalt wurde, der Künstler wäre damals erst ein Kind von 7 Jahren gewesen. Vielleicht soll es ,, 1849" heißen, da wurde nämlich der Vater 60 Jahre alt . Es wäre denkbar, daß ihn der dann immerhin 16jährige angehende Maler aus diesem Anlaß porträtiert hat. Als Zeichen der Verehrung und auch als Beweis für sein Talent. Mit liebevoll beobachtendem Blick hat sich der junge Mann in die Gesichtszüge des Vaters vertieft. Daß er den 60jährigen - abgesehen vom grauen H aar - etwas zu jugendlich ideal isiert da rgestell t hat, wäre von sei nem eigenen Alter her durchaus begreiflich. D ie feine fa rbliche Differenzierung verrät aber dod, schon eine gewisse Schulung. Vielleicht hat er das Bildnis auch in seiner Karlsruher Akademiezeit noch einmal übermalt 30. Manche von Weyssers landschaftlichen Olskizzen aus den frühen 60er Jahren zeigen noch deut- lich den Einfl uß der Schirmerschen Olskizzen. E r bevorzugt eine dunkle, au f tiefgrünen und rostroten Tönen basierende Palette, die Einzelheiten w ie z . B. Blätter und Aste sind sehr genau mit spitzem Pinsel hingetupft. Der Maler kämpft gelegentlich noch mit Komposit ionsschwierig- keiten wie z . B. auf dem Blatt von Schwäbisch-Gmünd, wo er zur Belebung des Vordergrundes ein kleines Mädchen zu absichts voll in die Mitte plaziert. Ahnlich genau durchgearbeitet sind auch Weyssers Zeichnungen aus den frühen 60er Jahren, die vor a llem Stadtansichten am Bodensee und Hochrhein darstellen. Eine ganze Reihe dieser Zeichnungen wurde fünfundzwanzig Jahre später (1887) im 1. Band der "Kunstdenk mäler des Großherzogturns Baden - Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz" veröffentlicht. Der Künstl er ha t damals sei ne Motive bis in die Einzelheiten mit der Feder durchgezeichnet. Beson- deren Wert legt er auf die Beleuchtung und schaflt so Atmosphäre. E r kontrastiert geschickt helle, weiß gelassene Partien mit beschatteten, die er mit einem dichtmaschigen Netz von Schraffuren überzieht. Dabei fällt auf, daß auch komplizierte perspektivische Verkürzungen ihm sichtlid, keinerlei Mühe machen, ja, daß er sie sogar sucht. Figü rliche Darstellungen si nd dagegen nur Neben- sache und selten überzeugend in den Gesamtzusam menhang eingebu nden. Sie wi rk en oft im Maßstab falsch und in der anatomischen Durchbildung unsicher. Ei ne Erk lärung fü r di esen Unterschied der zeichnerischen Fähigkeiten gibt Weysser sel bst in einer seiner Schriften. Er meint dort, daß . der Maler, je nach dem Gebiet, das er sich erwähl t, eine gründl ichere Kennt- 22 Marktplatz in Dur!ach. Gemälde von Kar! Weysser I1lS In manchen Hülfswissenschaften, z . B. der Landschafter in der Anatomie, gar nicht not- wend ig hat ... " 31. In den Zeichnungen der 70er Jahre verzichtet Weysser meist auf eingehende Schilderung der Einzelheiten und hebt von einem ganzen Komplex - Ortsansicht oder Straßenbild - nur besonders markante Partien wie geschnitzte oder bildhauerisch gestaltete Erker, Brunnen, Kirch- türme, Tore usw. durch genaue Zeichnung hervor, während er das übrige mit raschen Strichen a ndeutet. Die Technik ist raffinierter, er verwendet jetzt neben Lavierungen auch Weiß- höhungen als Beleuchtungseffekte und zeichnet gelegentlich auf farbigem, meist grau-blauem Papier. In diesem J ahrzeh nt zwischen 1870 und 1880 entstehen seine freiesten und ei ndrucks- vollsten Zeichnungen . Mit sparsamen, gezielt eingesetzten Mitteln zeichnet er Blätter vol ler Atmosphä re. Eine entspredlende E ntwicklung zur Großzügigkeit zeigt sich auch in den Olstudien der 70er Jahre. Die Pinselschrift ist jetzt freier und verzettelt sich nicht mehr in allzu genauer Schilderung der Einzelheiten. Dort, wo der Maler auf jede effektvolle Komposition verzichtet, nah an sein Motiv herangeht und sich ganz in das nuancenreiche Spiel der Farben vertieft, sind sie am über- zeugendsten. Mit Vorl iebe sieht er in verwinkelte Gassen, a lte Höfe, zerfallene Schuppen und Hintereingänge, schl ichte Motive ohne jeden "höheren" Anspruch. Diese Bildehen sind auch eine Augenschule für den Betrachter, der zuerst v ielleicht achtlos an ihnen vorübergega ngen ist. Beim näheren Hinsehen erkennt er den Reichtum der verschiedenen Grau-Braun-Grün- und Ockertöne und ihr fein abgestuftes Zusammenspiel. Darüber hinaus versteht Weysser es meisterhaft, die unterschiedliche Stofflichkeit von Holz, Ziegel, Sandstein, Verputz usw. zu charakterisieren. Immer wieder sind es Struktur und Farbe von sonnen beschienenem altem Gemäuer, meist in Verbindung mit Pflanzen, die ihn zum Malen locken. So hat er z. B. den Hof der alten Zehntscheuer in Durlach aus den verschiedensten Blickwinkeln festgehalte~ . Karl Weyssers Einstellun g zu solchen schlichten Motiven kommt in seinen "Ästhetischen Betrach- tungen" von 1887 deutlich zum Ausdruck: " ... überlassen wir das unschönste lind nüchternste Bauwerk sich selbst und damit allen Einflüssen und Zufällen der Witterung und pflanzlichen Entwickelung, so wird es endlich, und wenn auch erst als Ruine mit Moos und Epheu, Gesträuch und Bäumen bewachsen, ein e Schönheit erreichen, die wenig zu wünschen übrig läßt. Dieser in ästhetischer Beziehung wohltäti ge Einfluß der Natur und nicht immer die a ltertümlidle Bauart ist es auch, welche den Architekturmaler veranlaßt, vorzugsweise in alten Ortschaften Studien zu machen 3:! . " In der freien Natur wird Karl Weysser besonders vom Wasser angezogen. Am Bodensee, am Neckar, am Rhein, an der Pflnz, der Murg und der Mosel ist er den verschiedensten Stimmun- gen nachgegangen, hat das stille dunkle Gewässer um die Hungersteine am Necka r, die wind- gekräuselte Oberfläche des Bodensees und den zwischen Steinen dahinplätsdlernden Sd,warz- waldbach in nuancierten Farben festgehalten. Seine Liebe gil t der "unverfä lschten Gottesnatur" . Allem Menschenwerk steht er skeptisch gegen über, das äußert er immer wieder: "Während z. B. jede natürliche Felspartie zu ihrer ebenso natürlichen U mgebung in allen Jahreszeiten gleich gut 24 stimmt, steht z. B. bei Bauwerken der rote S:lndstein im Sommcr nicht seltcn grcll in dcr Land- schaft, während er mit dem Schnee wieder besser harmoniert. Umgekehrt wirkt ein gelb licher Stein neben dem Schnee leicht süßl ich, während seine Farbe im Sommer nichts zu wünschen übrig läßt. Aus diesen Beispielen erkennen wir aber auch wieder die ästhetischen Vo rzüge, welche die reine Natur allen menschlidlen Werken voraus hat :3:3." Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre zeichnet Kar! Weysser kaum noch mit der Feder, sondern meistens mit dem P insel. Dabei fällt a uf, daß die bisher außerordentlich sichere Art der Erfassung und Darstellung deutlid, nachläßt. Außer mit dem zuneh menden Alter - er ist jetzt Ende SO - hängt das wohl mit seiner Augenkrankheit zusammen. Bei den farbigen Studien macht sich diese Schwäche weniger bemerkbar. Hier hilft vielleicht die langjährige Erfah rung im Umgang mit Farben, die verminderte Fähigkeit zu genauer Beobachtung zu überbrücken. Ge rade die etwas diffuse, mehr a uf den zartfarbigen Zusammenklang als das deutliche Detail cingehcnde Malweisc verleiht den Bildern dieser Zeit einen besonderen Zauber. Möglicherweise hat sich Weyssers Sehkraft aud, durch eine Operation noch ein mal vorüber- gehend gebessert. Eine Stelle in seiner Schrift über den Darwinismus und die moderne Malerei von 1898 scheint von persönlicher Erfa hrung diktiert. Es heißt dort: "Nun werden al lerdings in unserer Zeit sehr bedeutende Operationen zur Heilung krankhafter oder verletzter Organe gemacht. Wenn es aber der Arzt mit seinem Wissen und Können auch fcrt igbringt, einen ver- schlimmerten Zustand des Auges, z . B. die Blindheit wieder a ufzu heben oder zu mildern, so ist dcch die An näherun g an den gcsu ndcn und normalen Zustand nod1 lange nid1t mit einer dem normalen Zustand vorausgehenden Selbsterfindung oder Selbstbildung des Auges zu ver- gleichen 34." Man hat Karl Weysser oft den "badisd1en Spitz weg" genannt und dabei wohl vor a llem a n ver- gleimbare Stadtansichten mit winkligen alten Gassen gedacht. Die Münchener Schule um Schleich d. Ä. und Spitzweg mit ihrer Vorliebe für die intime Darstellung im kleinen Format scheint tatsächlich nachhaltiger auf ihn gewirkt zu haben als Schirmers Karlsruher Sd1Ule, der in seinen offiziellen Gemälden die heroische großformatige Landschaft pflegte. Trotzdem trifft die Bezeichnung "badischer Spitz weg" auf Weysser nicht zu. Denn bei Spitzweg ist die Archi- tektur Bühnenkulisse für seine psychologisierenden Bildererzählungen, für Weysser dagegen sind Architektur und Landschaft in ihrer natürlid1Cn Erschein ung das Hauptthema und das F igür- liche nur malerisches Beiwerk. Obwohl Weysser soviel herumgereist ist, waren es immer wieder ä hnliche Winkel und Ecken, die ihn interessierten. Es ist also nicht das cha rakterist isch andere einer besti mm ten Gegend, was ihn anzieht, sondern er sucht und fi nd et das ihm Gemäße, eng Umgrenzte, Schlichte, Bescheidene. Das aber verzaubert er mit der Subti lität se iner Malerei . In klarer Einsrnätzung seiner Begabung hat Weysser damit glückl ich verm ieden, was er an anderen Malerkollegen auszusetzen fand: " ... mand1es Talent, das bei einer richtigen Erkcnntni s seiner Leistungsfähigkeit als Bäch lein fri sch und klar hätte dahin fließen können, wurdc nun, wei l es sidl nach allen Seiten ausbreiten wollte, zu einem stehenden Sumpf, a n dem höd1stens die 25 Kritiker als quakende Frösd,e ihre besondere Freude hatten "." Daß es sich bei Weyssers tllskizzen nicht nur um künstlerische Nebenprodukte gehandel t hat, scheint mir sowohl durch die ziemlich konsequente Signierung wie vor all em durch seine sch rift- lichen Außerungen bekräftigt zu werden. In seiner schlichten, unprätcntiäsen Schilderung von Natur und A rchitektur war Weysscr durch- aus fortschrittlich im Sinne der zuerst von den Mündmcr Malern Leibl und Lier vertretenen Auffassung, daß nicht wie bisher ein effekvolles Motiv die H auptsache sei, sondern die male- rische Verklärung eines anspruchslosen Stücks Natur. Der Anstoß zu dieser Auffassung, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der deutschen Landschaftsmalerei immer mehr durch- zusetzen begann, war von Frank reich ausgegangen. Dort hatten schon in den 1850er Jahren die Münchner Maler Spitz weg und Schleich d. i'i.., vor a ll em aber ein Jahrzehnt später Li er die Werke der Maler von Barbizon - einem D orf südöstlich von Paris - kennen- und schätzen gelernt. "übera ll wo ich ging und stand , gingen mir die Meisterwerke der großen Land- schaftsma ler D upre, Daubigny, Corot und Rousseau nach ... es wurde mir klar, daß die wi rkl iche Poesie der Landschaftsmalerei in der einfachen, schönen Natur selber liegt und nie durch künstliche Mittel herbeigezaubert werden kann " ." Dieses Bekenntnis Liers könnte auch sein 7 Jahre jüngerer Generationsgenosse Karl Weysser abgelegt haben. An der Karlsruher Kunstakademie verfolgte die jüngere Generation, die unter dem bei Lier geschulten Schön leber die Landschaft um ih rer selbst will en zu malen begann, ähnliche Ziele. Es war ein kü nstlerische Bewegung, die Wcyssers zurückhaltend-versponnenem Naturell, dem alles Pathos zuw ider war, wohl im Inn ersten entsprodlen hat. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß Weysser in den 1880er Jahren auch andere Bilder gemal t hat - offensichtlich im Atelier komponiert-, die im absichtsvollen Arrangement verschiedener Archi tektur- und Landschaftselemente einen altertümlicheren Eind ruck machen. Wie weit dies etwa mit Rücksicht auf Auftraggeber geschah oder ob man darin nicht doch eine gewisse Zweigleisigkeit seiner künstlerischen Außenll1gen sehen muß, bedarf noch der Klärung. Die Käufer von Karl Weyssers kleinformatigcn, unprätentiösen Bildern waren und sind wohl heute noch vor a llem Privatleute. Museen scheinen sich zu Weyssers Lebzeiten kaum für seine dem Repräsentativen abholde Kunst interessiert zu haben. Das heißt aber nicht, daß er im offiziellen Kunstbetrieb ein völlig Unbekannter wa r. So erwa rb z. B. der "Ku nstverein für das Großherzogtum Baden" 1863 neben Bildern anderer bad ischer Maler Weyssers "Der al te Marktbrunnen in Durlach" und stellte, wie schon erwähnt, 1875 mehrere Wochen lang seine Bilder aus dem Elsaß in der Karlsruher Kunstha ll e aus. Die dok umentarische Bedeutung von Weyssers Architekturzeichnungen, in denen sich sach liche Genau igkeit mit künstlerischer Qualität verband, wu rde dagegen schon damals von den für die nAl tertumssammlungen" zuständigen Stellen erkannt. So erwarb beispielsweise die "Großher- zogliche Badische Altertumshalle" eine ganze Reihe sein er badischen Stadtansichten. Wie eben- fa lls schon erwähnt, erschi enen sie ab 1887 zum Teil als Illustrationen in den Kunstinventar- bänden . Die über 100 Zeichnungen elsässischer Motive, die sich im Straßburger Denkmalamt befinden, werden vermutlich auch wäh rend Weyssers Aufenthalt dort angekauft worden sein . 26 Die im Pfinzgau-Museum ausgestellten Bilder lind Zeichnungen Karl Weyssers sind zu m Teil als Geschenke an das Museum gekommen. Der weitaus überwiegende Teil stammt aus dem Nachlaß des Malers in Pforzheimer Privatbes :tz, von dem die Stadt Karlsruhe 1942 zahlreiche Stücke erwerben konnte. Auch für Durlach haben Weyssers Bilder und Zeichnungen neben der künstlerischen eine histo- rische Bedeutung. Denn zum Teil zeigen sie Ansichten, die heute in dieser Form gar nicht meh r ex istieren. So gibt zum Beispiel das schöne Bild des Durlacher Marktbrunnens 37 eine Ansicht wieder, die schon zu Weyssers Lebzeiten histo:-isch geworden war : Der Brunnen ist hi er noch mit der bekrönenden Figur des "Karle mit der Tasch" dargestellt. Sie wurde 1862 entfernt und auf den Durlacher Schloßplatz versetzt 38 . Dasselbe gilt für den Gebäudekomplex mit der alten Zehntscheuer, den Karl Weysser in den 1870er Jahren verschiedentlid, gema lt hat. A ls man das Gelände für den Bau der Friedrichschule zw ischen Lamm- und Zehntstraße benötigte, wurde der ganze Komplex vor 1878 abgerissen. Es ist anzunehmen, daß der Durlacher Maler und Zeich ner Karl Weysser ni e ernsthafte finanzielle Sorgen hatte, denn er lebte immer in Wohn - gegenden , in denen wohlhabende Bürger ansässig waren. Sicher hing das auch mit seinem Eltern- haus und den sich daraus ergebenden per~önlichen Beziehun gen zu einer entspred1enden Käufer- schicht zusammen. Trotzdem darf man sich den Lebensweg des Künstlers nicht sorgenfrei vor- stellen. Denn ein Augenleiden hat ihn in den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens stark beeinträchtigt. Und was könnte einem Maler, der vor allem :1uf seine Augen angewiesen ist, Sd,lim meres widerfahren. Anmerkungen 1 Taufbuch der Durlacher Evangelischen Kirchengemeinde 1828-1838, S. 242. 2 Nachruf v. 29. Mai 1859 im Durlacher Tagblatt und Durlacher Stadtrechnungen (Stadt- a rd,iv Karlsruhe). 3 Friedrich Ludwig (geb. 1822), Emil Ludwi g (geb. 1826) und Marie (geb. 1828) . Nach Taufbüchern der Ev. Kirchengemeinde Durlach. 4 Stadtarchiv Karlsruhe, Bestand Durlach 2824. 5 Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 448 / 2606. 6 Anzeige der Vorlesungen an der Großherzoglich Badischen Polyted111ischell Schule zu Carls- ruhe für das Jahr 1853/ 54. Carlsruhe o. J. 7 In Thieme-Beckers Künstlerlexikon Bd. XXXV, S. 486 irr tümlich "Stud. zuerst Archi - tektur . .. " 8 K. Weysser, Der Darwinismus und die moderne Malerei im Spi egel ei ner mögl ichst richtigen Weltanschauung. Heidelberg 1898, S. 5. 9 O . Kraemer, Ferdinand Redtenbacher. In: Die Tech ni sche Hochschule Fridericiana Karl s- ruhe. Festschrift zur 125-Jahr-Feier 1950. Karlsruhe 1950, S. 81. 10 Leider sind keinerlei Archi valien über Weysser bei in Frage kommenden Berliner Nachfolge- 27 behö rden der Bauakademie vorhanden (brief!. Mitt. von Dipl.-Ing. Ute Büchs, Plansamm- lung Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, v. 6.10.1975) . 11 R. Theil mann, Johann Wilhelm Schirmers Karlsruher Schule. Diss. Heidelberg 1971, S. 371 . 12 ders. a. a. O . S. 127. 13 Brief]. Mitt. des Stadtarchivs München v. 14.10. 1975 über einen Eintrag im poli zei lid1en Fremdenkartenregister (Serie 6, N r. 26135), aus dem hervorgeht, daß Weysser vom 15 . 11. 1860 bis 10. 6. 1861 zur Ausbildung in München war, am Sendlinger-Tor-Platz 1/ 2 wohnte und am 10. 6. 1861 wieder nach Durlach abreiste. 14 Grundbuch Bd. 17, S. 52. 15 Die Ei ngriffe betrafen die Aktmodelle. Da die Behörden Aktmodellstehen als sittenwidriges Verhalten ansahen, wurden mehrmals weibliche Modelle von der Sittenpolizei gewaltsam abgeführt. Erst eine Verordnung des Innenministeriums von 1860 stellte klar, daß Studien "a uch nach dem Nackten zur Ausbildu ng der Kunstschüler nothwendig und durd, nichts anderes zu ersetzen sind", verpflichtete aber die Direktion, darüber zu wachen, daß dabei "nichts vorgeht, was die Zwecke der Kunstanstalt irgend wie überschreitct'j (Theil mann a. a. 0 ., S. 84 ff. ). 16 Theilmann a. a. 0 ., S. 374 . 17 Brief]. Mitt. des Stadtarchivs München v. 4. 10.1975 über ei nen Eintrag im polizei lichen Frem- denkartenregister (Serie 6, Nr. 26 135), aus dem hervorgeht, daß Weysser vom 23.11. 1863 bis 1864 zu r Ausbildung in München war und in ·der Schwanthalerstraße 2311 wohnte. Be- merkung vom 15 . 3. 1864: "z. Z. im Irrenhaus, am 26. 3.1864 abgereist nach Hause." 181m Schuljahr 1863/64 ist Weysser noch ei nmal an der Karlsruher Kunstschule eingeschrie- ben (Theilmann a. a. 0., S. 375). 19 Er woh nte in der Kriegsstr. 11 , damals ein e Wohngegend wohlhabender Bürger, H aus- besitzer war der Architekt und Bauinspektor Serger, außer Weysser wohnten dort der Maler G leichauf, der Hofmusikus Braun und der Zeichner Gladbach. Nach Weyssers Wegzug über- nahm der Maler Anton von Werner die Wohpung (nach Karlsruher Adreßkalender 1865- 1870). 20 G. Kird1er, Der Maler Karl Weysser, ein Nachfah r der Romantik: In: Das Bild. Karls- ruhe, Jg. 6 (1936), S. 83. 21 Thieme-Beckers Künstlerlexikon Bd. XXXV, S. 486 und brief]. Mitt. der Di rection Regio- nale des Affaires C ultllrelles, Strasbourg v. 4. 11. 1975. 22 Karlsruher Nachrichten v. 31. Oktober 1875, S. 1022. 23 Brief]. Mitt. des Heidelberger Stadtarchivs v. 29. 10. 1975. 24 Brief]. M itt. der Stadtgeschichtlichen Sammlungen in Baden-Baden v. 7. 10. 1975, daß Weysser 1885 im Haus Scheibenstr. 4 wohnte (außer ihm noch ein Maler August Schott, Prof. Eduard Eisen und der Musiker-Maler Vitus Staudacher). 1888 woh nte er im Haus Rettigstr. 4. 25 ]n einem neu erbauten Haus in der Lcopoldstr. 7. Mi tbewoh ner waren Lieutenant Frh. v. Beaulieu-Marconnay, Prof. Ludwig Levy, Architekt, und Johan n Schroth, Architekt. Das Haus gehörte dem Major a. D. Hoffmann (nach Karlsruher Adreßkalender 1890-1894). 28 29 26 Briefl. Mitt. des Stadtarchi vs Heidelberg v. 29.10.1975. 27 Standesamt N r. 8/1885 (bri efl. Mitt. des Standesamtes Baden-Baden v. 16. 12 . 1975). 28 Sie starb am 23 . Januar 1912 in Heidelber;; im Alter von 58 Jahren. Ih r Vater war der Postschaffn er Wilhelm Sickinger und sta mmte aus Spöck . Ihre Mutter hieß Magdalene geb. Beck und lebte zuletzt in Waghäusel (briefl. Mitt. des Stadtarchi vs H ei delberg v. 29. 10. 1975). 29 Frau Anna Weysser war ei ne angeheiratete N ichte des Malers, wahrschcinlid1 di e Frau seines 1855 geborenen Neffen ea rl Fri ed rich Weysser. Sie lebte später in Mün chen und hat dem Pfin zgaumuseum u. a. den H eiratskontrakt der Eltern Weysser geschenkt. Sie starb 1965 fast 99jährig in München. 30 Auf diese Möglichkeit hat mich der Restaurator der StaatI. Kunsthalle Karl sruh e, Herr Brammer, hingewiesen. 3 1 Weysser, Darwinismus, 5 . 54. 32 Weysser, Durch Dick und Dünn. Baden-Baden 1887, 5.35. 33 Weysscr, D arwinismus, S. 86. 34 ders., a. a. 0., S. 7. 35 ders., a. a. 0., S. 9 1 f. 36 Zi ti ert nach Theilmann, Die Grötzinger Ma lerkolonie, Ausstellu ngskatalog der Staa tI . Kunst- halle Karlsruhe. Karlsruhe 1975, S. 11 . 37 Das Bild (Inv. Nr. 60/1690, siehe Abb.) ist n icht identisch mit dem oben erwähnten Gemäld e aus den 1860er Jahren, da es weder datiert noch signiert ist und auch di e Schlußiiberm alun g fehlt. Auch sti listisch läßt es sich nicht mit Weyssers Früh werken vereinbaren. Offensichtlich handelt es sich um die in einem Briefwechsel erwähnte Kopie, di e er Ende 1903 in Arbeit hatte, aber nicht mehr vollenden konnte, wei l er nach längerer Krankheit im März 1904 starb . Das Bild war ein Geschenk des Kü nstlers a n seine Vaterstadt Durlach, die zuvo r verschiedene Skizzen des Brunnens angekauft hatte, da man an die Wiederaufstellung der Brunnenfigu r dadlte (nach Akten im Stadtarchiv Karls ruhe, Bestand Durlach A 3156). Die Skizzen si nd vielleicht identisch mit denjenigen, die sich heu te unter der In v.-Nr. W 98-100 im Karlsruher Denkmalamt befinden. 38 s. S. 13. Ernst Pet rasch Durlacher Fayencen 1723-1840 Auf die Frage, welche unter den deutschen Fayence-Fabriken die älteste ist, gi bt uns der "Badensche gemeinnützige Hof- und Staatskalender für das Jahr 1786" die Auskunft, "daß wahrscheinlich die zu Durlach" allen anderen deutschen Manufakturen "ebenso an Alter wie an Güte und Schönheit der Waare vorgehe". Dieses zweifellos lokalpatriotisch gefärbte Urteil der ältesten gedruckten Chronik über die Durlacher Fayence-Manufaktur läßt sich heute - soweit es die Entstehungszeit betriffi - freilich nicht mehr aufrecht erhalten. Denn bekanntlich wurden die ersten deutschen Fayence-Fabriken bereits um di e Mitte des 17. Jahrhunderts in Hanau, Frankfurt und Berlin gegründet. In künstlerischer Hinsicht jedoch erweisen sich vor allem die nod, vor 1800 in Durlach ent- standenen Fayencen den Erzeugnissen anderer führender Fabrikationsstätten mindestens eben- bürtig und haben ihren hervorragenden Rang in der deutschen Fayencekunst bis heute behalten. Auf eindrucksvolle Weise hat dies die große, 1975 vom Badischen Landesmuseum im Karls- ruher Schloß veranstaltete Ausstellung bestätigt, die zum ersten Male einen umfassenden über- blick über die Gesamtproduktion der berühmtesten badischen Fayence-Fabrik vermittelte und ihre künstlerische Leistung in einem gänzlich neuen Licht erscheinen ließ . Die noch vor wenigen Jahrzehnten geäußerte Meinung läßt sich heute jedenfalls nicht mehr aufrechterhalten, daß nämlich "Durlach in dem gewaltigen deutschen Fayence-Orchester nur ein bescheidenes Instru- ment gespielt hat" . Gewiß nicht die Sologeige - so dürfen wir dieses gleichnishafte, aber unzureichende Urteil jetzt mit gutem Grund zurechtrücken - aber ein dominierendes Instru- ment von durchaus eigenem und beglückendem Wohlklang unter den rund hundert Fayence- Manufakturen, die im 18. Jahrhundert in Deutschland existierten. In der heiteren Anmut ihrer manni gfaltigen Dekore, mit ihrer meist strahlend weißen Glasur von porzellanartiger Brillanz und in ihrer oftmals delikaten Farbgebung lassen Durlacher Erzeugnisse einen Wesenszug erkennen, der bei deutschen Fayencen im allgemeinen nicht allzu häufig in Erscheinung tritt. Mit ihren Geburtswehen, ihrem mehrmaligen Besitzerwechsel, den durchzustehenden Konkur- renzkämpfen und ständigen Geldnöten unterscheidet sich die Durladler Manufaktur jedoch kaum von der C hronik äh nl icher Betriebe jener Zei t. 1723 - acht Jahre nach der Grü ndun g von Karlsruhe - erteilte Markgraf Kar! Wi lhelm von Baden-Durlach "Johann Heinrich Wachenfeldt dem Porcellain-Fabrikanten, von Wolfshaagen auß dem Hessen Casselischen gebürtig" das Privil eg, "allda eine Porcellain und Tabac Pfeifenfabrique aufzurichten" . Wie wir aus dem Privileg vom 3. März 1723 weiter erfahren, überließ der Markgraf Wachenfeld zu diesem Zweck "Unsern bißhero eigenthümlidl zuständig geweßten Bauhof-Platz zur Durladl in der Vorstatt außer dem Pfinzthor, sambt denen darauf stehenden Gebäudten und Hofraithung . .. 30 neben dem Roßschwemme weg liegendt, vornen auf die Landstraß und hinten auf die Pfinz- bach stoßend .. . um Ein Tausend Gulden Reichswährung . .. " . Die Gründung der Fabrik entsprach durchaus der merkantilistischen Wirtschaftspolitik im Zeit- alter des Absolutismus, der badische Regent folgte als Protektor einer "Porcellainfabrique" dem Beispiel manch anderer Landesfürsten. Denn mit den neueingeführten exotischen Getränken Tee, Kaffee und Schokolade hatte auch das aus Ostasien importi erte Porzellan sei nen Sieges- zug durch ganz Europa angetreten, das für jene mod ischen Tafelgenüsse wie gesdlaffen war. Als dann 1709 dem Alchimisten Friedrich Böttger in Meißen die Nacherfindung des China- porzellans gelungen war, da wollte bald selbst der kleinste unter den rund dreihundert deut- schen Duodezfürsten seine eigene Porzellanfabrik. Freilich war das, was die meisten dieser Betriebe zu produzieren imstande waren, bestenfalls Fayence, die dem Porzellan nur äußerlich ähnlich ist. Man nahm es abcr mit dcr Bezeichnung nicht so genau und verlieh auch der weniger kostspieligen Fayence den Namen Porzellan, das damals von aller Welt begehrt war. Aber nichts wäre falscher, als die Fayence deshalb geri nger einzuschätzen. Ist doch die Tonmasse, die zu ihrer Herstellung verwendet wird, gleichermaßen plastisch gut bildsam, und ihre glänzend weiße, undurchsichtige Glasur bietet denselben idea len Malgrund für jederlei bunte Ausstattung. SdlOn im alten Babyion und Agypten bekannt, war die Fayence auf ihrem weltweiten Weg über die Perser, Araber und Mauren im Mittelalter nach Spanien gelangt. Mallorca (Majorca), von wo aus dieses farbenprächtige Irdengut nach Italien exportiert wurde, gab der hier bald selbst crzeugten Majolika den Namen . Faenza hinwiederum, das widltigstc Zentrum der italienischen Kunsttöpferei im 16. Jahrhundert, wurde zur Lehrmeisterin und Namensgeberin für die Fayencekunst nördlich der Alpen. Ober Frankreich und die Niederlande, wo Delft sich bald eine führende Rolle eroberte, wurde die Fayence schließlich auch in Deutschland bekannt. Doch kam es wegen des Dreißigjährigen Krieges hier erst nach der Mitte des 17. Jahrhunderts zur fabrikmäßigen Produktion von Fayence. Die meisten deutschen Fayence-Manufakturen wuchsen jedodl erst seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wie Pilze aus dem Boden. Um diese Zeit wurdc - wie bereits erwähnt - auch die Durlacher nPorccllain-Fabrique" gegründet. Hinter dem vielversprechenden Firmentitel verbarg sich allerdings auch hier nichts anderes als eine Fayence-Manufaktur. Johann H einrich Wachenfeld, ihr Grü nder, hatte erst wenige Jahre zuvor gemeinsam mit Karl Franz Hannong die nachmals berühmte Straßburger Fayence-Fabrik ins Leben gerufen . Ungeachtet mancherlei wirtschaftlicher und technischer Schwierigkeiten ist es Wachen feld auch in Durlach gelungen, die Produktion bald in Gang zu bringcn. Fabrikation und Warenverkauf erfreuten sidl anscheinend gerade ihres erstcn Auf- schwungs, als Wachen feld - kaum 32 Jahre alt - 1726 plötzlich starb. Obgleidl seine Frau Anna Maria, eine Tochter des Durlacher Hufschmieds Peter Geibel, das Geschäft unverzagt weiterführte, wollte sich der anfängliche Erfolg nicht wieder einstellen . Auch dann nicht, als sie 1728 den "Porzellaner" Johann Ludwig Wagner geheiratet hatte, wohl aud, in der Hoffnung, 31 dem Betrieb damit wieder zu einem sachverständigen Prinzipal zu verhelfen. Die Schulden- last der Manufaktur, die damals kaum mehr als zehn Arbeiter beschäftigt haben dürfte, wurde von Tag zu Tag drückender, während der Absatz immer mehr zurückging. Als 1733 der Polnische Erbfolgekrieg auch Durlach in Mitleidenschaft zog, scheint die Fabrik überhaupt stillgelegt worden zu sein. 1739 übernahm Joseph Vincent das Unternehmen, ver- strickte sich jedoch bald in immer größere Schulden und entfloh 1744 "bei Nacht und Nebel" kurzerhand wieder nach Frankreich. 1749 ersteigerte der Herrenalber Klosterwirt und Handelsmann Johann Adam Benckiser das verwaiste Fabrikgebäude und richtete darin mit seinem Schwager) dem Durlacher Posthalter Georg Adam Herzog, eine .. Cotton- und Fayencen-Fabriqucn CompagnieU ein. Dieser Neu- beginn hat nach jahrelang stagnierender Produktion zugleich jene Blütezeit der Manufaktur eingeleitet, die den eigentlichen Ruhm der Durlacher Fayencen begründete. Ein wesentlicher Anteil an diesem schwunghaften Auftrieb ist zweifellos Dominikus Cuny zuzuschreiben, dem neubestellten technischen Direktor des Unternehmens. Cuny oder "König aus Nancy in Lothringen gebürtig" - wie der erfahrene Fachmann in Durlach benannt wurde -, sammelte bald einen ständig wachsenden Stab geschickter Formdreher, tüchtiger Maler und erfahrener Brenner um sich. 1750 heiratete er Christina Frankin, eine Tochter des Durlacher Scharfrichters, übersiedelte aber einige Jahre später nach Hollitsch in Mähren, um die dortige Fayence-Manu- faktur zu übernehmen. In den ersten Jahrzehnten nach dem Neubeginn erreichte die Fabrik mit nahezu hundert Arbeitern ihren wirtschaftlichen und künstlerischen Höhepunkt. Durlacher Fayencen müssen schon damals weithin bekannt und beliebt gewesen sein . Schenken wir zeitgenössischen Berichten Glauben, so muß sich der rege Absatz zu jener Zeit nicht nur nach Schwaben, Bayern und Tirol erstreckt haben, sondern auch die Schweiz und Holland wurden beliefert. Abnehmer der Ware waren zunächst bürgerliche Kreise, ebenso der Adel und die markgräfliche Hofhaltung, wie uns aus mehreren Akten bekannt ist. In späterer Zeit fanden die Erzeugnisse der Manufaktur vor- wiegend unter den "kleinen Leuten" ihre Käufer, bei Handwerkern und bei der ländlichen Bevölkerung. Die Konkurrenz neuentstandener Unternehmen in den Nachbarländern, die bislang zum festen Durlacher Absatzgebiet gehörten, begann sich bald nachteilig auszuwirken. Es waren dies vor allem die 1771 errichtete Porzellanfabrik Baden-Baden und die im gleichen Jahr gegründete kurpfälzische Fayence-Manufaktur in Mosbach. Inzwischen hatten Christian Friedrich Benckiser und Georg Friedrich Gerhard Herzog, die Söhne der Gründer, die Leitung des Unternehmens übernommen. Nach wie vor waren in der Fabrik - wie es noch 1768 heißt - "Jahraus, Jahr- ein, gegen 60 Personen, worunter 20 Maler, 12 Dreher und Poussirer, 6 Brenner ete." tätig. Obgleich der Betrieb weiterhin florierte, machte sich gegen Ende des Jahrhunderts ein gewisser künstlerischer Rückgang bemerkbar. Die Geschichte der Manufaktur ist rasch zu Ende erzählt. 1806 war Johann Adam Benckiser, ein Enkel des Gründers, neuer Fabrikinhaber geworden. Unter dem allgemeinen Einfluß der neuen 33 gesellschaftlichen Verhältnisse und der zunehmenden Industrialisierung ging man jetzt auch in Durladl dazu über, zur H ebun g der Rentabilität anspruchslosere Massenware zu produzieren. So wurde 1813 mit der Fabrikation von Stein gut begonnen, jenem billigeren und widerstands- fähigen keramischen Produkt, das seit dem Ende des 18. Jahrhunderts von England aus Fayence und Porzellan mehr und mehr vom Markt verdrängte. Aber wie andernorts, ließ sich auch in Durl ach der weitere Verfall der Produktion nicht mehr aufhalten; die Tage der Manufaktur waren gezählt. H eißt es doch in ei nem Bericht des Durlacher Oberamts von 1831: "Kaum und mühselig erhält sich die Porcellain-Fab rik, die ein en Waaren Vorrath von 20 000 Gulden hat und nicht verkaufen kann. " Nachdem sie im gleichen J ahr noch- mals den Besi tzer gewechselt hatte, wurde die Manufaktur ein Jahrzehnt später von den Lahrer Kaufleuten Friedrich Lichtenberger und Friedrich Engler im Zeichen des fortsch reitenden lndu- striezeital ters in eine "Cichorien-Caffee und Kartoffel-Mehl-Fabrik" umgewandelt und ihre Brennöfen wurden für immer gelöscht. So fand schließlich auch die einz ige und erfolgreid1Ste von allen a lten Fabriken der ehemaligen Residen zstadt Durlach, die sich ins 19. Jahrhundert hinüberretten konnten, ihr Ende. Einige der brotlos gewordenen Arbeiter haben dann nod, etliche Jahre in dem benachbarten "Kutsd,er Schenkelschen Hause" Birnkrüge und an~eres Geschirr nach alter Manier in eigener Regie bemalt und gebrannt. Vom einstigen Fabrikgebäude, dessen Ansicht uns eine beschei dene Tuschzeichnung von 1795 überliefert, ist im Geviert der jetzigen Pfinz-, Hub- und Kleinbachstraße nur noch ein un an- sehn lid,er Rest stehengeblieben. * Im Prinzessinnenbau des Durlacher Schlosses - nur wenige hundert Meter von der einstigen Manu fa ktur entfernt - hat man zwischen den beiden Weltkriegen neben vielen anderen Kunstwerken, Dokumenten und Erinnerungsstücken zur Stadtgeschichte auch eine ansehnliche Sammlung von Durlacher Fayencen zusammengtragen; nach jahrelanger Magazinierung ist sie nun im gänzlich neugestalteten Pfinzgaumuseum der Offentlichkeit w ieder zugänglich. Mit ihren über 200 Einzelstücken bildet sie nicht nur ein e der wichtigsten Abteilungen des jetzigen Museums, sondern sie ist nach Art und Umfang di e zweitgrößte Sammlung neben den nodl wesentlich umfangreicheren Beständen im Bad isdlen Landesmuseum . Rund 50 Fayencen dieser Kollektion haben die 1975 im Karlsruher Schloß präsentierte A usstellung a ls wichtige Leih- gaben bereichert und sind im Ausstellungskatalog ausführlich beschrieben und abgebildet. Wenn- gleich in der Sammlung des Pfinzgau museums die Blütezeit der Manufaktur (1749-1800) mit einer Reihe seltener und interessanter Stücke vertreten ist, so übcrwie~en der Zahl nadl die Erzeugnisse der Spätzeit nad, 1800. Aus der Frühzeit der Durlacher Fabrik (1723-49) hingegen, deren Produktion bis vor wen igen Jahren noch gänzlich unbekannt war, haben sich überhaupt nur einige Beispiele im Sd,Ioß Favorite bei Rastatt erhal ten. Ihre kürzliche Entdeckung und Darbietung a ls Durladler Fabrikate wa r eine der ü berraschungen der Karlsruher A usstellung. Es handelt sid, dabei um 35 etliche T ell er, Platten, Schalen, Krüge und Wandleuchter, die mit ein em kräftigen Randborten- dekor in Blaumalerei ("Style rayonnant") geschmückt sind und außer dem Wappen von Baden- Durlach noch das Spiegelmonogramm des Mark grafen Karl Wilhelm zeigen. Wahrscheinlich haben w ir es dabei mit Resten eines Services zu tun, das die Manufaktur in den ersten Jahren ihres Bestehens als wohlgelungene Probe ihres Könnens für die markgräfliche H of tafel gelie- fert hat. Was in den wirtschaft lich und künstler isch ergiebigsten Jahrzehnten des Unternehmens nach 1750 erzeugt wurde, gehört zu den besten Leistungen Durlachs und bildet zugleich den Fundus, aus dem alle fo lgenden Maler- und Formergenerationen bis zur Schließung der Manufaktur immer wieder Anregungen geschöpft haben. Merkwürdigerweise scheint man beim Neubeginn 1749 zunächst auf Formen und D ekore der Frühzeit zu rückgegriffen zu haben. Jedenfa lls zeigen die um 1750 entstandenen Stücke in modifizierter Form jenen charakteristischen blauen Behang- dekor, der das vorhin erwähnte Service im Schloß Fa vo rite ziert. Dem gewandelten Zeit- geschmack entsprechend, sind die Formen der Teller, Platten und Terrinen jetzt aber vielfach geschweift und fassoniert, der zarte Randdekor ist in feines Blatt- und Bandelwerk aufge- lockert. Bald aber kam eine Fülle neuer Formen und Dekore hinzu. Allein im "Preis-Courant" von 1786 sind an die zweihundert der verschiedenartigsten Geschirrformen verzeichnet, die einzeln aufz uzählen hier zu weit führen wü rde. Begnügten sich d ie Maler zunächst mit Kobaltblau - der keramischen Kardinalfarbe schlecht- hin, die mit dem chinesischen Porzellan nach Europa gelangt war - so fand en alsbald weitere Malfa rben reichliche Verwendung: Gelb, G rün und Manganviolett, später dann noch Eisenrot. Mi tunter wurden die Dekore auch nur in einer Fa rbe gemalt, dem sogenannten "cn cama'ieu", und damit äußerst delikate Wirkungen erzielt. Verwendet wurden in den Durlacher Malerstuben aussch ließlich Scharffeuerfa rben. Daneben blieben viele Stücke auch unbemalt, um sie bi ll iger in den H andel bringen zu können; außer den obligaten weißglasierten Fayencen - die in mehre- ren Exemplaren im Pfinzgaumuseum vorhanden sind - haben sich auch einige Gesdli rre mit lindgrüner und kaffeebrauner G lasur erhalten. Der Modelaun e der Zeit entsprechend, fo lgten dem vorhin erwähnten Behangdekor die "india- nischen" Blumen, w ie man die stilisierende Blumenmalerei nach ostasiat ischen Vorbildern da- mals nan nte. Diese großflächig und flott gemalten Blumensträuße mit eigenartig aufbrechenden Blütendolden und "geknickten" G räsern finden sich auf zahlreichen Geschi rren . Zunächst nur in Blau gemalt, kamen dann bald noch Gelb und Grün dazu; in Verbindung mit der schwarzen Um- ri ßzeichnung erbrachten sie jenen harmonischen und wa rmen Farbd rei klang, der für diese Periode Durladls besonders charakteristisch ist. Wohl angeregt von anderen Manufak turen treten um 1760 auch in Durlach die ersten . deutschen" Blumen auf den P lan. Anfangs noch mit ostasiatischen Motiven gemischt und als bescheidene Nebenmotive verwendet, füllen die aus Nelken, großen Tulpen und Rosen locker gebildeten bunten Sträuße bald die Schauseiten der Gefäße und sind bis ans Ende der Produktion der bevor- zugte Dekor geblieben. Solch ein Rosenzweig in gestufter Blaumalerei schmückt auch eine um 1770 entstandene Kachel in der Sammlung des Pfi nzgaumuseums, der ein besonderer Seltenheits- 36 wert zukommt: Als einziges bisher bekanntes Exemplar dieser Gattung liefert uns dieses quadra- tische Pl ättchen den sichtbaren Beweis für die aktenkundige ü berlieferung, daß in der Durlacher Manufaktur auch Kachelöfen und Fliesen hergestellt wurden. Im Gefolge der Chinamode in der europäischen Kunst des 18. Jahrhunderts erscheinen um 1765 auch auf Durlacher Erzeugnissen figürliche Chinoiserien. Diese bezaubernden Darstellungen gehören nicht nur zum besten, was Durlach an malerischer Ausstattung geschaffen hat, sondern dürfen überhaupt zu den reizvoll sten Schöpfungen der gesamten deutschen Fayencemalerei ge- zählt werden. Inmitten exotisch anmutender Gärten oder bizarrer A rchitekturen, einzeln oder in Gruppen placiert und in phantasievol le Kostüme gekleidet, agieren di ese mu nteren Chin esen- fi gü rchen in verschiedenen Beschäftigungen und a llerl ei Vergnügungen. Meist von fli egenden Vögeln und überlebensgroßen Insekten umschwirrt, bevölkern diese europäisierten Miniatur- Ch inesen nun die Durlacher Platten, Teller, Tee- und Wärmegeschirre, Leuchter und Schreibzeuge. Zun ächst nur ein farbi g in Blau, Schwarz oder in modi schem Seladon grün gehalten, werden die C hinoiserien später auch mehrfarb ig gemalt. Wie der Verfasser kürzlich an anderer Stelle nach- weisen konnte, dienten den Durlacher Malern für ihre Chinoiserien vornehmlich Stiche von El ias Baeck a ls graphische Vorlagen, die ein Augsburger Verlag bereits um 1724 herausgegeben hatte. Reizvollen Exemplaren dieser Durlacher Ch inesendekore begegnet der Besucher des Pfi nzgau- museums außer auf einigen Kaffee- und Milchkännchen vor allem in dem großen Tablett mi t durchbrochenem Rocaille-Rand, auf dem ein Angler inmitten einer üppigen Flußlandschaft w ieder- gegeben ist. Auch das Zeitalter der Romantik hat auf Durlacher Erzeugnissen seinen Niederschlag gefunden, als man um 1780 dazu überging, die Gesch irre mit zum Tei l miniaturartig kleinen "romanti- schen" See- und Ruinen landschaften zu schmücken, wobei jetzt als neueingeführte Farbe ein leuch- tendes Eisenrot vorherrscht. Ein mehrtei liges Service, bestehend aus einem rechteck igen Tablett, mehreren Kannen und Tassen, das 1963 von der Stadtverwaltung für das Pfinzgaumuseum er- worben werden konnte, sei hier a ls besonders geglücktes Beispiel dieser in li ebevoller Klein arbeit gema lten Landschaftsdekore hervorgehoben. Diese Landschaftsmalerei ist bekanntlich in Mosbach so getreulich nachgeahmt worden, daß die Erzeugnisse der bei den Ma nufak turen oft kaum zu unterscheiden si nd, wenn sie nicht - w ie dies bei Mosbacher Fayencen häufig der Fa ll ist - mit einer Marke versehen sin d. Durlach hingegen hat niemals ein Fab rikzeichen geführt. (Nur das sei t 1813 fabrizie rte Steingut mu ßte auf amtliche Ano rdnung ab 1818 den mit Blindstempel eingepreßten H erstellungsort "Durlach" aufweisen.) Aktenstücke wurden gelegentlich mit einem Petschaft gesiegelt, dessen Buchstaben FFD (Fayence Fabrik Durlach) auch auf ei ner sei denen Jubiläumsfah ne von 1828 wiederkehren, die jetzt im Pfinzgaumuseum verwahrt wird. Ledi glich ein er größeren Zahl von Malermarken begegnen wi r auf zahlreichen Durlacher Stücken; gelegentlich haben einige der etwa fünfzig in den Fabrik- akten aufgeführten Maler ihre A rbeiten auch mit vo llem Namen signiert. Es gibt indessen ein E rzeugnis der Manufaktur, das nachhaltiger als jede Marke ihren Namen 37 weithin so vertraut gemacht hat, daß es heute gewissermaßen als das eigentliche Wahrzeichen .. der Fabrik angesehen w ird. Es sind jene schmucken Birnkrüge, die vorwiegend zu Gesmenk- zwecken auf Bestellun g in verschiedenen G rößen einzeln angeferti gt wurden. Neben figürlichen Szenen un d Zu nftem blemen - die meist von ei ner Rocaille-Kartusche und Blumenzweigen um- rahmt sind -, überliefern sie uns in ihren Aufsch riften oftmals auch den Namen, Beruf und Wohnort des Auftraggebers sow ie das H erstellu ngsjahr. Da sie nachweislich von 1754 bis zum endgült igen Verlösd,en der Brennöfen - also fast ein J ahrhundert hindurch - prod uziert wurden, hat ihre weite Verbreitun g freilich andererseits die übri gen Du rl acher Erzeugnisse etwas überschattet. Zugleich läßt sid, an diesen buntbemalten und meist recht volkstümlichen Birnkrügen - gleichsam wie in ein er Musterkoll ektion - di e gesamte künstlerische Entwicklung der Manu- faktur ablesen, wie dies beisp ielsweise auch an den fund fü nfzig Birnkrügen des Pnnzgaumuseums möglich ist, deren ältester 1757 entstanden und deren spätester 1843 datiert ist. Verwendu ng fa nden sie vorwiegend als Schenkkrü ge, mit welchen der H austrunk aus dem Keller geho lt und bei Tisdl kreden zt wurde. H andelt es sich aud, nicht um Werke "hoher Kunst", so si nd diese schlichten , in der Spätzeit zuweilen mit unbeholfenem Pinsel bemalten Wein krüge vor a llem für di e Familienforschung und H eimatgeschichte, fü r die Kostüm- und Volkskunde ei ne wahre Fundgrube. Diese nach Hund erten zählenden und in vielen Sammlungen verwah rten Birn- krüge bilden mit ihren mannigfalt igen Darstellungen einen bunten Bilderreigen, gleichsam einen ein zigarti gen Kultur- un d Zei tsp iegel vom täglichen Leben in Stadt und Land, der uns von der hei teren Welt des graziösen Rokoko über die Drangs"ale und Kriegsnöte der napoleon ischen Ara bis an die Schwe lle unseres Industri ezeitalters führt. Als weitere Du rl acher Spez iali tät seien hier noch jene reizvollen Anbietplatten in Kleeblattform genannt, di e sonst keine deutsche Manufaktur auf den Markt gebracht hat. Besonderer Beliebheit dürften sidl auch di e zierlichen Schreibzeuge erfreut haben, die in Nieren- und Herzform aus- geformt, oder aud, geschweiften Rokoko-Kommoden en mi ni ature nachgebildet und origi nalge- treu bemalt wurden. Ein namentlich in D urlach gepflegtes Formstück wa ren auch jene kegel- stumpfförmi gen Warmhaltegefäße mit abnehmbarem Napf, sogenan nte Rechauds, die zugleich als Nachtl icht gerne Verwendung gefu nden haben. Al s bescheidene Besonderheit seien noch die kleinen runden Schälchen erwähnt, die aufs Spinnrad aufgestülpt werden konnten und zum Benetzen der Finger dienten. Figü rl iche Plastik hingegen, wie sie bei anderen Manufakturen zu finden ist, wurde in Durlach so gut wie überhaupt nicht hergestellt. Belege fü r beschei dene Versuche auf diesem Gebiet liefern uns unter anderem einige Gipsformen für kleine Fa yencetiere sowie ein liegendes Löwenfigü rchen aus Du rladler Stein gut, die zu den Raritäten der Sammlung des Pfinzgaumuseums zählen, jedoch eher als interessant denn als künstlerisch bedeutsam bezeichnet werden können. Alles in allem spricht es für die Gediegenheit der in Durlach entwickelten Formtypen und für ih re Beliebtheit bei den Käufern, daß so ma nd,es Modell der Blütezeit in nur geringfügiger Abwandlung selbst noch in der Spätperiode der Manufaktur ausgefo rmt wurde. Das wichtigste Schmuckelement in der Produktion nach 1800 bi lden neben figürlichen Darstellun- gen die verschiedensten Blumenmoti ve, die jetzt frei lich !lidlt mehr die künstlerische Feinheit der 38 39 Blütezeit aufweisen, sondern meist summarisch mit flüchtigem Pinsel hingesetzt sind . An die Stelle der lockeren Rokokosträuße treten in zunehmendem Maße nun didltgeflodltene G irlanden und Kränzchen, bei welchen vor allem zu r Zeit des Biedermeier das modische Vergißmeinnicht und das Stiefmütterchen die Hauptrolle übernehmen. Auf vielen Geschirren, vor allem auf Platten und Tellern, nehmen außer den verschiedenen Blumendekoren jetzt kurze und längere Inschrif- tcn,Widmungen und Sprüche den beherrschenden Platz ein. Obgleich sie niemals über den Rang sogenan nter Gelegenheitsdichtung hinausgeh en, spricht aus diesen meist unbeholfenen, zuwcilcn aber humorvoll gewürzten Versen stets der nai ve Ton urwüchsigen Volksempfindens. Sie künden von den Freuden und Leiden eines bestimmten Berufsstandes, preisen die Liebe, Treue und Freundschaft und huldigen emphatisch - wie könnte es im Weinland Baden anders sein - dem edlen Rebensaft. Proben dieser schlichten "Dichtkunst" findet der lesefreudige Bctradlter auch auf zahlreichen Stücken im Pfinzgaumuseum. Kommen wir abschließend noch auf eine besondere Gruppe d1arakteristisd1er Formstücke und Dekore zu sprechen, die in Durlach von etwa 1825 bis ans Ende der Produktion gebräud1 1ich waren. In auffälliger Weise gleichen diese Stücke bis ins unscheinbarste Detail hinein manchen Erzeugnissen einiger Schweizer Manufaktllren, namentl ich jenen der Zürcher Fabrik im Schooren und der in Matzendorf im Kanton Solothurn. Schon seit einiger Zeit beschäftigt die Keramik- fo rschung dieses Problem, ohne daß es bisher gelungen ist, eine schlüssige Begründung für diese merkwürdige Duplizität zu finden . Die Ausstellung im Badischen Landesmuseum, in der erstmals ges icherte Schweizer mit DurIacher Fabrikaten direkt konfronti ert wurden, konnte zur weiteren Klärung dieser umstrittenen Frage wesentl iche Argumente beisteuern . Dabei hat sich unter ande- rem herausgestellt, daß so manches bislang Durlach zugesch riebene Stück jetzt eindeutig als Schweizer Erzeugnis anerkannt werden muß; neben etlichen Terrinen, Kannen, Tassen und Tellern, die als vermeintliche Durlacher Fabrikate ins Pfinzgaumuseum gelangt si nd , triffi dies beispielsweise auch für das hübsche Barbierbecken von Johannes Brunner zu, das erst 1849 - a lso fast ein J ahrzehnt nach Stillegung der Durlacher Manufaktur - entstanden ist. Walther Franzius Zur Technik der Fayenceherstellung Für die Fayenceproduktion bedient man sich ei nes gut bildsamen und möglichst kalkhaltigen Tones. Die Vasen, Kannen und sonstigen Ge fäße werden vorwiegend auf der Töpferscheibe gedreht. Beim Abschneiden des Gegenstandes von der Scheibe mit Hilfe einer Drahtschlinge ent- stehen auf dem Boden bogenförmige Parallel rillen. Sie sind für die Böden von Durlacher Birn- krügen cha rakteristisch und verschwinden erst um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als man zur Glättung der Böden übergeht. Die von der Scheibe abgenommenen Objekte läßt man zunächst an der Luft etwa lederhart trock- nen . D an n werden die meist in besonderen Formen hergestellten Henkel und Ausgußtüllen "an- garn iert". Mi t Tonbrei werden sie an genau festgelegten Stell en auf die Gefäße gek lebt. Da der trockene Ton von Henkel bzw. Ausgußtülle und Gefäß der Kittmasse die Feuchtigkeit entzieht, entsteht eine feste Verbindung. Darauf kommen die Stücke in den Ofen zum sogenannten "Schrühbrand" mit Temperaturen von etwa 8000 Celsi us. Durch die Hitze wird ihnen weitere Feuchtigkeit entzogen und damit eine größere Festigkeit verliehen. In einem neuen Arbeitsgang werden sie glasiert, d. h. mit einer besonderen Schicht überzogen. Grundbestandteil der Glasur ist Quarzsand, dem vor allem Zinnoxyd zugefügt wird. Das Gemenge wi rd fein gemahlen und mit Wasser zu ein em verhältnismäßig dünnflüssigen Brei angerührt. In diesen weißgrauen Glasur- brei werden die gesch rühten Stücke nur kurz eingetaucht. Die Glasurmasse sch lägt sich als mehli- ger überzug auf der Oberfläche des Gefä ßes nieder, weil der poröse Ton die in ihr enthaltene Feuchtigkeit rasch aufsaugt. Ein zweiter Brand bei etwa 10000 Celsius bringt den überzug zum Schmelzen, so daß er mit dem Scherben ei ne feste Verbindung eingeht. Die gebrannte Glasur ist wasserundurchlässig und hat eine glasartige Konsistenz. Ihr porzellanähnl iches Weiß ist für die Durlacher Fayencen besonders charakteristisch. Neben der "Weißware" wurde auch ein- oder mehrfarbig bemalte Fayence hergestellt. Für die Dekoration bediente man sich in Durlach ausschließlich der sogenannten Scharffeuerfarben. D iese werden in vorwiegend grauer Lösung auf die noch ungebrannte Glasur aufgetragen. Erst im "scharfen Feuer", a lso im Glasurbrand bei etwa 1 0000 Celsius, erha lten sie die Leuchtkraft ihrer Farben. Sie sink en in die schmelzende Glasur ein und ergeben besonders zarte, manchmal leicht verschwommene Umrißlinien. N ur weni ge der aus Metalloxyden bestehenden Farben halten die hohC' Temperatur des Glasu rbrandes aus, ohne zu verbrennen : Blau, Gelb, Grün , Manganviolett und Schwarz. Erst um 1780 kam in Durlach auch das Eisenrot a ls Scharffeuerfarbe auf. Man verzichtete bewußt au f die reichere Farbskala der sogenannten "Muffelfarben" , die bei geringerer Temperatur in einem dritten Brand auf die bereits fertige Glasur aufgeschmolzen 40 41 werden . Mit den Scharffeuerfarben hatte man einen unempfindlichen, homogen mit der Glasur verschmolzenen Dekor. Die nur auf der Oberfläche der Glasur haftenden Mulfelfarben dagegen waren viel eher Beschädigungen ausgesetzt. N ur das Scharffeuer-Schwarz, das man in Durlach gewöhnlich in ausgezeichneter Qualität herstellte, ist gelegentl ich ausgebrochen und hat dann ei ne spürbare Vertiefung in der Glasur hinterlassen . Der Scherben - so nennt man die gebrannte Tonmasse - ist bei den Du rlacher Erzeugnissen meist geblich, doch kommt er bisweilen auch in rötlicher Tönung vor. Das wegen seiner Porzellan- ähnlichkei t bekannte glänzende Weiß der Glasur ist sahniger und nicht so kalt wie bei der Por- zell anglasur. Außerdem hat die Du rlacher G lasur, besonders an dünn aufgetragenen Stell en, häufig einen rötl ichen Schimmer. Ludwin Langenfeld Die Straßburg-Durlacher Bibel von 1529-30 und ihre Drucker Wolf Köpfl und Veltin Kobian Ober das im fo lgenden kurz "Durlacher Bibel" genannte Druckerzeugnis von 1529/30 ist in der Populärlitcratur soviel Ungereimtes zusammengeschrieben worden, daß wir uns hier eingehen- der damit beschäftigen wo ll en. Dieser Bibeldruck und sein Durlacher Buchdrucker haben den Namen Durlachs seit jetzt 445 Jahren anfangs in die religiöse, dann in die wissenschaftlich inter- essierte Welt hinausgetragen. Johann Daniel Schöpflin, übrigens Schüler des markgräflichen Gymnasi ums zu Durladl, hat in seiner "Historia Zaringo Badensis" 1764 den Vermerk: "A. 1529 & 30. D urlac i imp rcssa est Gcrma ni ca versio parti s Bib liorum Lutheri 1, " D er mark gräflieh Baden-Durlachische wirkliche Kirchenrat und Rektor des Gymnasi ums JIlustre, Johann Christian Sachs, berichtet 1769 in seiner Geschichte der Markgrafschaft Baden " daß "im Jahr 1529 und 30 ein Teil der Heiligen Schrift, wie sie von DoktOr Luthcrn in die deutsche Sprache übersetzt worden, gedruckt wurde". Julius Lampadius (d. i. Julius Leichtlen) berichtet 181 1 in seinem Büchlein "Bei- träge zur Vaterlandsgeschichte", daß der Markgraf (er gibt irrtümlich M. Ernst statt M. Phi lipp an) die Bibel 1529/30 Zl1 Durladl drucken ließ. Siegmund Friedrich Gehres berichtet in seiner Kleinen Chronik von Durladl 1824 ebenfa lls, daß 1529/30 ein Teil der Bibel, wie sie von Doktor Luther ehemals ins Deutsche übersetzt ward, in der "Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei" in Durlach im Druck erschien '. Schließlich berichtet auch Kar! Gustav Fecht in sei ner Geschichte der Stadt Dur!ach 1869 über den Dur!acher Bibeldruck und fügt kursorisch hinzu: "Anfang und Schluß erschienen aber in Straßburg, auch ist nicht Alles nach Luther's Obersetzung, weldlc erst einige Jahre später fertig wurde '." Mit Fechts Feststellu ng sind di e bei den widltigsten Themenkreise angeschlagen, die wir nachfolgend präzisieren wollen. Die »Durlacher Bibel" eine sog. »kombinierte" Bibel Luthers gesamte Bibelübersetzung wurde erst 1534 abgeschlossen, die erste Wittenberger Voll bibel ersdlien im September 1534. Seither beherrschte Wittenberg im ganzen weiteren 16. Jahrhundert hinsichtlidl des Druckes von Voll-Bibeln das Feld. Aber schon vorher wu rde Luthers Bibel-über- setzu ng durch den Nad1druck der schon fertiggestellten Teil e weit verbreitet. Hi er standen seit 1523 in Norddeutschland Erfurt, in Süddeutschland Augsburg, Straßburg und Nürnberg und bis 1527 aud, Basel im Vordergrund. Man stellte dabei seit 1529 sogenannte kombinierte Voll-Bibeln in der Weise her, daß man die von anderer Hand bereits übersetzten Propheten (der Züricher "Prädikanten" oder der Wormser Wiedertäufer Hetzer und Denck) und die Apokryphen (des Zü rid,er Theologen Leo Jud) dem Luthertext hinzufügte. So erschienen 1527/ 29 und 1530 in Zü rich bei C hristoph F roschauer 2 kombinierte Bibeln, 1529 die sogenan nte "Wiedertäuferbibel " bei Peter Schöffer in Worms, ei ne 1534 in Frankfurt bei Ch ristian Egenolph , ei ne 1534 in Augs- 42 bu rg bei H einrich Stay ner und eben unsere Straßburg-Duriacher Bibel bei Wolf Köpfl und Veltin Kobian 1529/30 (Nachdruck bei Wolf Köpfl, Straßburg 1530/32). Sie benutzt neben der Luther- übersetzun g für die Apokryphen Juds übersetzun g, fü r die Propheten (außer den bereits von Luther übersetzten Jesaja, Jona, H abakuk und Sacharia) Hetzer-Dencks Wormser Prophetenver- deutschung ' . Die "Durlacher Bibel" teils in Straßburg, teils in Durlach gedruckt Das zweite Kennzeichen des uns beschäftigenden Bibcldrucks ist, daß er zum Teil in Durlach, zum Teil in Straßburg gedruckt ist. Dabei ist von vorn herein festzuhalten, daß die Arbeitsteil ung zwi- schen Straßburg und Durlach nicht identisch is t mit der eben geschilderten Auftei lung zwisd,en Texten Luthers und Texten anderer übersetzer. Wir wissen nicht) wie diese Arbeitsauftcilung zustande kam. In Durlach wurden ged ruckt: der Dritte Teil des Alten Testamentes, di e "Lehr- bücher": Das Buch Hiob, Der Psal ter, Die Sprüche Salomos, Der Prediger Salomo, Das H ohelied Salomos, ferner sämtliche Propheten. Der in Durlach gedruckte Teil nimmt a lso, wie Fecht richtig bemerkt, den Mittelteil der Bibel ein. Auf dem Titelb latt zum "Dritten Teil des Alten Testamen- tes " ist Durlach angegeben (1529) und - wie wir noch zeigen werden - das Kennzeidlen , um nicht zu sagen di e Druckermarke Veltin Kobians angebracht. Die links davon befindlid,e Seite (Schluß des "anderen", Zweiten Teils des Alten Testamentes) schli eßt mit der markanten Drucker- marke Wolf Köpfls Zl1 Straßburg ab (Abb. I ). Das Titelblatt der Propheten, ein großartiger Renaissanceentwurf, trägt zwa r den Vermerk: "Straßbu rg bey Wolff Köpfl " (1530) (Abb. Ir), aber am Ende der Propheten steht - wie übrigens auch am Ende des Dritten Teils des Alten Testamentes (vgl. Abb. III, linke Seite) der Vermerk: "Gedruckt zu Durladl durch Vel tin Kobian / auß verlegung Wolff Köpffels / burgcrs zu Straßburg I" (Abb. IV). Das Renaissance- titelblatt zu den Propheten ist also unzweifelhaft in Straßburg ged ruckt, wohl weil Vel tin Kobian ei nen so aufwend igen und teuren Druckstock in Durlach nicht zur Verfügu ng ha tte. (Übri gens soll nach einer Mitteilung Engelbert Strobels' der Stuttga rter Wasserzeichenforsdler Gerhart Piccard festgestellt haben, daß auch der in Durlach herausgebrachte Teil der Bibel auf Straßburger Papier gedruckt ist.) Und Veltin Kobian in Durlach hat "auß verl egung Wolff Köpffcls, burgers zu Straßburg" gedruckt, d. h. im Auftrag Wolff Köpffels. Damit kommen wi r zu der Frage nach den bei den Druckern und ihrem gegenseiti gen Arbeits verhältnis. Die Drucker Wo lf Köp{l in Straßburg und Veltin Kobian in Hagenau' Als Luther sich 1519 öffentlich vom Papsttum lossagte, stellte er die Geister sei ner Zeit vor die offene Entscheidung. Das Elsaß, insbesondere Straßburg, empfing die Reformation mit offenen Armen. Seit 1519 wurden die Schriften Luthers in Straßburg gedruckt. Durdl den Reformator Martin Butzer erhiel t die Reform einen spezifisch straßburgischen Charakter. 1524 hatte sie schon die Mehrheit der Bevölkerung erfaßt. Zum großen Teil ist dies dem Einfl uß der Buchdrucker zuzusdlrei ben. Neben den D ruckereien von Crato, Myl ius und Wendel in Rihel gehörte Wolf Köpfl (in der "Durlacher Bibel" stehen die beid en Schreibweisen Wollff Köpffl und Wolff Köphl 43 nebeneinander; auch nannte er sich Wolfius Cephalus; in der Sekundärliteratur heißt er Wolfgang - Köpfel) zu den drei großen Druckern in Straßburg zur Reformationszeit. Wolf Köpfl wa r der Neffe des berühmten Reformators Wolfgang Capiton (einer latinisierten Form des Familien- namens Köpfel ). O hne Zweifel ha t nicht nur der Ei nfluß, sondern auch die finan ziell e Unter- stützung seines Onkels Wolf Köpfl zur Verbreitung der reformatorischen Schriften angeregt. Sie stell en mehr als die H älfte seiner Produktion dar. Er druckt die Schriften Luthers (35 Ofo seiner Druckerproduktion), die Capitons und der anderen straßburgischen Reformatoren Matthias Zell und Martin Butzer. Se in erster Mitarbeiter ist Petcr Braubach (aus Braubach am Rhein), der in der Folgezei t dann eine Druckerei in H agenau gründete (wo 1532 auch Veltin Kobian auftaucht!). 1522 ersdleint das erste Druckwerk KöpfIs, ein Brief Luthers an Hartrnut von Kronberg. Der Druckvermerk weiSt aus: "gedruckt zum Steinbruck". Steinbruck, auch Roßmarktbruck, gelegen am Roßmarkt, heute Place Broglie, wa r wahrscheinlich die Steinbrücke, die über den Graben der Lohgerber fü hrte, wenn man von der Domstraße kam, denn die anderen vier Brücken in der Nähe wa ren aus Holz. Köpfl kümmerte sich nicht um das Edikt von Worms von 152 1, das verbot, häretische Schriften zu d rucken . Der Bischof selbSt intervenierte beim MagiStrat gegen KöpfIs Geschäftigkeit. 1524 erließ der MagiStrat bindende Vorschriften für die Buchdrucker: sie mußten ihre Werke vorh er der Zensur vorlegen, mußten ihren Namen auf ihre Publikationen drucken und durften nichts anonym drucken. Im a llgemeinen wurden die Vorschriften beachtet, um 1525 trugen 80 % a ller in Straßburg veröffentlichten Werke den Druckernamen. Trotzdem veröffent- lichte Köpfl 1526 anonym ein Colloquium, das der. Reformato r Oeco lampade (H ausschein), Mittler zw ischen Luther und Zwingli , gegen sei ne katholi schen Gegner gehal ten hatte. Köpfl wu rde ins Gefängnis gesteckt, aber als sei ne Frau ein Kind erwartete, wu rde er kurze Zeit später gegen ein e Buße von 5 Florins wieder f re igelassen. Köpfl wa r stolz darauf, seinen Namen auf die Titelblätter seiner Bücher zu seezen, stolz darauf, durrn sein Engagement die neuen Ideen zu pro- klamieren. Er druckte aus reformatorischer überzeugung, erst in zweiter Linie als Kaufmann. 1524 veröffentlicht er die erste Ausgabe einer deutschen Messe, im seI ben Jahr wurde die erste Messe in DeutSch in der Kapelle St. Johannes der Kathedra le gehalten. Köpfl hat außerdem lateinische und besonders griechische Werke ged ruckt, auch eine griechische Bibel 1526, er selbst konnte Griechisch. Um sein e dreibändige Bibelausgabe von Luther, 1524125, zu ill ust rieren, wandte er sich an den großen Illustrator Joha nn Weiditz (den Alteren). Von ihm bezog Köpfl auch ornamentale Umrahmungen ("encadrementS"), die in der Mitte Platz für den Titel frei- ließen und nicht weni ger a ls 15 verschiedene Druckermarken. Im Neuen Testament a llerdings begnügte sich Weiditz damit, die Apokalypse mit Kopien nach H olbein (1523) zu schmücken ' . Auch Hans Baldu ng Grien (1476-1545) hat für Wolf Köpfl gearbeitet. Köpfl hatte neben der Druckerei auch eine der blühendsten Papiermühlen in Deutschland. 154 7 verhei ratete sich Köpfl zum zweiten Mal mit Margrethe Einhart, Witwe von Ulrich Würtemberger, Pastor von Schiltig- heim. Köpfl starb 1554. Aus der ersten Ehe hatte er zwei Söhne: Paul und Philipp, die erst das väterl iche U nternehmen fo rtführten, dann, 15 57, nach Worms übersiedelten, wo sie bis 1563 druckten. Das Bürgerbuch erwähnt eine Tochter Köpfls, die sich 1551 mit Danicl Günter aus Worms verheiratete. 44 Die Druckerzeichen Köpfls sind fast ausschließlich charakterisiert durd1 einen Eckstein, der in den verschiedensten Variationen auftaucht. Nur einige Marken reduzieren sidt auf Engel- oder Tierköpfe, in Schilder oder in Bordüren plaziert und machen Anspielungen auf den Namen des Druckers. Das Sinnbild des Ecksteins ist aus der Heiligen Schrift genommen: "Christus ist der Eckstein / Und ein Schildt der Wahrheit / Wer auff disen steyn feilt der wirt zurschellen" heißt cs auf der wohl schönsten Druckermarke (1525), die Köpfl verwandt hat (Abb. V). Dieser Eckstein wird tei ls durch Engel gehalten, teils von zwei Schlangen umschlungen (wie in dcr "Durlacher Bibel"), die, umgeben von einer Strahlenkrone, eine Taube übersteigt (vg l. Abb. I). Von diesem Eckstein-Schlangen-Signet gibt es noch eine einfachere Variante (in der "Durlacher Bibel " als Abschluß des 1. Teils des Alten Testaments). Wir zeigen sie in Abb. VI (allerdings mit dem in der DB nicht ausgedruckten Namenshinweis Ce-phal = Cephalus) '. Nach Straßburg nimmt Hagenau den zweiten Platz in der Geschichte des elsässischen Buchdrucks cin ". Gegen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts rivalisieren zwei große Drucker in Hagenau, Heinrich Gran und Thomas Anshelm, mit Straßburg. Von 1523 bis 1532 führt Johann Setzer, dann, bis 1536, dessen Schwiegersohn Peter Braubach. Von 1532 bis 1542 machte Veltin (Valentin) Kobian ihm Konkurrenz, der -:- wie Köpfl in Straßburg - der eifrigstc Propagan- dist der Reformation in Hagenau war. Er druckte vorwiegend Wiedertäufer-Sd1rifttum . Kobian stammte, nach Angabe Ritters 11, aus Durlach. Bevor er eine eigene Druckerei hatte, arbeitete er während mehrerer Jahre (mindestens seit 1520) in Hagenau als Druckereigeselle. Hier heißt er 1524 "Veltin Durlach buchtrucker" oder" Veltin Kobie buchtrucker" . Zwischen 1525 und 1530 ist man ohne Nachrichten von ihm. 1529/ 30 lindet man ihn als selbständigen Drucker zu Durlach. Aber schon 1530 siedelt er nach Ettlingen über, wo er, unter dem Impressum "Ettelingae apud Va- lentinum Kobian" fünf Drucke erscheinen läßt. Warum Kobian von Durlach nach Ettlingen über- siedelte, ist unbekannt, man nimmt an, daß ihn die um die Mitte des 15. Jahrhunderts dort errich- tete erste Papiermühle Badens dazu verlockte ". Im September 1532 gründete er seine Druckerei in Hagenau, in der er, anschließend an seine Durlacher und Ettlinger Publikationstendenz, drei weitere medizinische Werke veröffentlichte. Der Erfolg dieser medizinischen Abhandlungen beim Publikum scheint nicht sehr groß gewesen zu sein. Kobian verzichtet auf dieses Genre und ver- öffentlicht ab 1534 vorzüglich religiöse Werke der sektiererischen Wiedertäufer-Richtung (Mel- chior Hofmann, Johann Eisenburg, Kaspar Beck, Michel Wächter). Der Hagenauer Magistrat überwachte - wie in Straßburg - seine Produktion (etwa 30 Werke), indessen scheinen die Stadtväter der katholischen Stadt doch ziemlich tolerant gewesen zu sein, weil sie 1536 eine Verdeutschung einer Kampfschrift gegen den kirchlichen Zölibat des Venezianers Franziskus Barbarus durchgehen ließen. 1537 wird er a ls "Feltin in der Rosengasse" genannt. Am 16. August 1543 (nach Ritter, a. a. 0., Anm. 7) oder nach einer anderen Quelle am 17. August 1542 (nach Heitz-Barack, a. a. 0., Anm. 9) stirbt Kobian im Hospital, dem er die bescheidene Summe von 10 Batzen hinterläßt. Wennig vor 1550 verschwindet die Kobian-Druckerei in Hagenau. Ober die Hagenauer Druckermarken Kobians besteht offensichtlich Ungewißheit. Er besaß wohl 45 in Hagenau keine eigene Druckermarke, sondern nur ornamentale Titeleinfassungen. Das schöne - Signet mit dem sein Gefieder spreizenden Pfau, der einen Fuß auf e inen H ahn, den anderen auf einen Löwen setz t, wobei der Pfau, dem österreichisd1en Wappen entlehnt, a ls Anspielung auf die kaiserliche Stadt H agenau zu gelten hätte, schreibt Hanauer dem persönlichen Wappen Jerome Gebweilers zu, des Direktors der Lateinschule in Hagenau, der bei verschiedenen Druckern drucken ließ ". Auch die Druckermarke Kobians mit zwei Schilden, deren eines die Rose von H agenau, das andere ein Hufeisen mit zwei Sternen und einem Kreuz zeigt 14, ordnet Hanauer dem Hagenauer Hufsd1mied und Verleger Hans Griesbach zu. Tatsächlich tri tt in den übrigen H agcnaucr Druckermarken kein Hufeisen au f, nur die der Stadt zugeord nete Rose. Die srnriA:- künstl erische Qualität eines Hagenauer Kobian-Druckes von 1536 möge unsere Abb. VII zeigen. Die Druckertätigkeit Veltin Kobians in Dur/ach 1529130 Vel tin Kobian hat in den woh l knapp zwei Jahren sei ner Durlacher Tätigkeit außer sei nem Bibeldruek "auß verlegung Wolff Köpffls, burge rs zu Straßburg", noch drei kleinere Schriften gedruckt. Bleiben wi r zu nächst bei der uns zen tral interessierenden Bibel: Wir w issen nicht, w ie di e Geschäftsverbindung mit Köpfl in Straßburg zustande kam, können nur vermuten, daß die Sdla ltstation dieser Verbindung Hagenau war. Weder das städtische noch das staatliche Archiv in Straßburg besitzen Unterlagen, die sich auf die Verbindung Köpfl - Kobian beziehen ". Selt- samerweise erwähnen auch weder Ri tter noch Hanauer (vgl. Anm. 7) das gemeinsame Bibel- U nternehmen zwischen Köpfl und Kobian . Auch feh ren uns verbindliche Fakten darüber, wie Velti n Kobian aus Hagenau nach Durlach kam, wenn man hier nicht seine von Ritter 16 behaup- tete Durlacher H erkunft a ls ausschlaggebend werten wi ll. 17 Jahre vor Kobians Durlacher Bibel- druck hatte a ll erdings Du rlach (auch Turrclaci, Thurrelacum) bereits eine kl eine Druckerei zu verzeich nen, der man bisher drei Drucke zuschreiben konnte 17. Als Drucker bezeichnet sich der Durlacher Pfarrer N ikol aus Keibs, Mitglied des Johanniterordens. Er stand offenbar in näheren Beziehungen zu dem bekannten Künstler Hans Schäuffelin, da drei H olzschnitte desselben a ls Einblattdrucke den Keibschen Druckvermerk tragen . Keibs bedeutendster Druck wa r di e "Passio C hristi" von Ulrich Vannius, 1512, dessen Titelblatt wir zeigen (Abb. VIII) . Vermutlich kam Veltin Kobian nach Durlach (oder nach Durlach zurück), weil die damals schon sich in Durlach bei Hof und Bevölkerung zeigenden lutherischen Neigungen sein em Bibelunternehmen günstiß waren . Zwar wurde die Reformation in Durlach, wie überhaupt in der ganzen Markgrafschaft Baden-D urlad1 erst 1556 durch Markgraf Kar! II. (eben unseren "Karl mit der Tasche", Regie- rungszeit 1553 - 1577) offi zie ll eingeführt. Der Rcformationsbefehl gin g am 1. Juni 1556 ins Land hinaus >s. Aber schon der Vo rgänger Karls 11. , Markgraf Ernst (Regierungszeit 1527 bis 1553), nahm zwar keine offizielle Reformation in seinen Landen vor, bekannte sich auch nicht öffentlich zur "Augsburgischen Konfession" (1530), der maßgeblichen Bekenntnisschrift der luthe- rischen Kird1e, arbeitete aber auf den Reichstagen an der Vereinigung der Gemüter, nahm sich der Evangelisd1en zu Kenzingen und Waldshut an und hi elt sich selbst einen evangelischen H ofpredi- ger. D ie Durlacher Bibel war noch unter Markgraf Philipp (t 1533) gedruckt worden und Vier- ordt behauptet, wohl in Anlehnung an Leichtlen (vgl. Anm. 3), der Markgraf selbst habe Auftrag 46 gegeben, sie zu drucken ". Adolf Wolfhard drückt den Sad1Verhalt so aus: "Die Markgrafen hatten cvangelisd1c Neigungen, wollten es aber doch mit dem Kaiser nicht verderben ." Wolf- hard weist auch auf die Tatsache hi n, daß der aus Du rl ach stammende Jakob Si mmler Luthers ständiger Begleiter während dessen H ei delberger Aufenthalts im Frühjahr 1518, a lso ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung der 95 Thesen, war . "Er dürfte also der erste Durlacher gewesen sein, der mit Luther in persönl iche, freundsrnafHiche Beziehungen trat :!O ." Vor dem Hintergrund dieser günstigen geistesgesch ichtlichen Posi tionen muß man Veltin Kobians Durlacher Bibeldruck-Unternehmen sehen, von dem man annehmen kan n, daß es woh lwollende Förderung durch den Markgrafen Phil ipp erfuhr. überhaupt waren ja die Markgrafen in religiö- sen Fragen stark engagiert, w ie auch das sogenannte "Stafforter Buch" beweist, das der Nach- folge r Karls 11. , Markgraf Ernst Friedrich (Reg ierungszei t 1577 - 1604), der sich seit 1599 öffentl id, zu r Leh re Ca lvi ns bekannte, auf Anraten sei ner Berater Georg Hanfeid, Johann Pisto- ri us und Joha nn von Münster im Jah re 1599 in dem Fürstlid1en Schlosse zu Staffort drucken ließ. Dieses Bud1 ist ei ne Abhandlung über die Grü nde, die den Markgrafen veranlaßten, zur Calvi- nischen Glaubenslehre überzutreten . Das Buch rief heftige Gegenschriften württembergischer und säd1sischer Theo logen hervor, ein Exempl~r dieses sehr seltenen D ruckes befi ndet sich im Pfinz- gaumuseum " . Schließlich sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, daß die Gemahlin von Friedrich Magnus, Markgräfin Augusta Maria, während ihres durch die französischen Kriege (1689 völlige Zerstörung Durlachs) erzwungenen zehnjährigen Aufenthalts im BaseIer Domizil, ein e vierbändige Bibelausgabe veranstaltete, d ie vor allem für die vielen markg räflichen Pfarrer bestimmt war, deren Bücher in dem unseli gen Kri ege verbrannt wa ren . Es ist ein sorgfältiger, von Augusta Maria seit 1696 begonnener, stets überwachter und 1698 zu Ende gebrachter Druck des Basler Druckers Joh. Jak . Battier ". Veltin Kobia n druckte, wie bereits erwähnt, außer der Bibel in Du rlach noch drei k leinere Sch ri f- ten, und zwar 1529 eine fünfzehnseitige naiv-medizin ische Abha ndlu ng "Eyn Regiment Wie man sich vor der Neüwen P lage / Der Englische Schweis gena nt / bewaren . Unnd so man da mit ergrif- fen wi rt / darinn halten soll / Durch Euricium Lord um / Der Artzney Doctorem und Professo- rem zu Margpurg". Das Büchlein ist im Pfinzgaumuseum vorhanden (Abb. IX). Auf dem letz ten Blatt steht der Drllckervermerk: "Gedruckt zu Durlach durch Velt in Kobian / Anno 1529", aber auch die Zierleiste auf dem Titelblatt weist das Büchlein, wie wir noch zeigen werden, als Kobian-Druck aus. - Der zweite Druck von 1530 ist eine Art Gesch ichtskalender von Christi Geburt bis 1529 auf achtundzwanzig Seiten unter dem Titel: "Annotatio seu Breviarium Rcrum Memorabilium ac magis insign ium a nato Ch risto usq ue ad nostra tempora gesta rum . Ex pro batissimis historiographis Industrie se lectar." Der D ruckervermerk steht auf dem Titelbl att : "Turrelaci per Valentinum Kobian, An : 1530." Auf der letzten Seite ist nur noch" Turrelacum" genan nt (Abb. X). Die Zierleiste ist dieselbe, aber auch das typische Druckerzeid1en Kobians (wie wi r noch zeigen werden) t ritt auf dem Titelblatt auf. - Der dritte DlIriacher Druck hat den Titel: "Xpovos sive Cronichon ins in gn iorum gestarum 1530" und hat uns nid1t vorgelegen. Er 47 ist lateinisch gehalten ". Die buchtechnisch-künstlerische Gestalt der "Durlacher Bibel" Neben un vollständigen beziehungsweise aus erstem und zweitem Druck zusammengesetzten wenigen sogenannten nMischexemplaren" und w enigen "Tei lexemplaren" der "Durlacher Bibel" gibt es - neben dem Exemplar des Pfinzgaumuseums - nur noch drei vollständige Exemplare der ganzen Bibel. Wir hatten das Glück, zwei davon mit dem Durlacher Exemplar durch Augen- schein vergleichen zu können " . Wolf Köpfl hat seine Bibel mit reichem Buchschmuck ausgestattet, der zu einem erheblichen Teil gewiß besonders für sie hergestellt worden is t. Wen n wi r Ritter glauben können " , ist der Illustrator H einrich Vogtherr, 1490 in Dillingcn (Donau) geboren, 1556 in Wi en gestorben. Textbilder finden sich an 332 Stellen der Bibel, doch ist dasselbe Bild oft zwei mal und mehrmal gebraucht, so daß die Zahl der vorhandenen verschiedenen Bilder erheb- lich nied ri ger ist " . Köpfl selbst gibt auf dem Eingangs- bzw. Gesamttitelblatt an: ,, !tem auch mitt zweyhundert Figuren mehr dann vo r hien nie / im Truck auß gangen seind ." Die Charakteri- stik der Personen auf den Tex tbildern ist gut. Die Bilder sind sämtl ich durch Zierleisten an der einen Seite auf di e Breite des D rucksatzes gebracht und des öfteren auch durch soldlC oben oder un- ten, bzw. oben und unten höher gemacht. Besonders schön ist das schon erwähnte Renaissance-Titel- bl att der Propheten, im Mittelpunkt unten eine weibliche H albfigur, deren Körper in zwei Schlan- genleiber ausgeht, ein Motiv, das in ähnlichen Varianten im 16. Jahrhundert immerwieder auftaucht (Abb . ll) ". Das Ein gangs- bzw. Gesamtti telbl att selbst is t in der Einfassung ident isch mit dem Teiltitelblatt zum "Ander they l des Alten Testaments", wie wi r durch Vergleichung mit dem Wolfenbüt teler Exemplar feststellen konnten. Da das Gesamtti telblatt im Exempl ar des P fin z- gaumuseums und im Stu ttga rter Exempl ar fehl t , im Wolfenbütteler Exempl ar im Druck ver- schmi ert ist, zeigen wi r statt dessen ein en guten Abdruck des, wie gesagt, identischen Teiltitel- blatts des "andern Teils des Alten Testaments" (Abb. X I). Das Blatt zeigt den Kampf Josuas mit den Amalekitern . In der Mitte unten das Druckerzeichen Köpfls in einer gegenüber den Abbil- dungen I und VI va riierten, reicheren Form. A uf der linken Seite ist auf einem Fahnentuch die Jahreszahl 1528 sichtba r (die auch einmal auf einem Textbild im "Buch der Richter" auftaucht). Der Bildersd,mllck des Neuen Testaments ist unabhängig von dem des Alten Testaments, künst- lerisch wen iger wertvoll und, wie es scheint, in den Anfängen steckengeblieben. D as Titelblat t zum Neuen Testament zeigt in sei ner Einfassung Gegenstände der Rüstung und Ausrüstung eines Kriegers. Unter den vier Bildern der Evange listen, Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, taucht dasjenige des Johannes zweima l auf, mit einem Gesicht von mädchenhafter Weichheit. Es fo lgen fünf Apostelbilder von immer demselben H olzstock, dem auf besonderem H olzstock jedesmal das Attribut mit der haltenden H and zugefü gt is t. Sie trägt bei Pau lus (oft wiederholt) das Schwert, bei Petrus den Schlüssel, bei Joha nnes den Kelch mit der Schlange, bei Jakobus d ie TlId1 wa lkerstange, bei Judas die Keul e ". Zum T ext der Offenbarung find en wir die 21 H olbein- schen Bilder in schl echten Abdrücken (in allen verglichenen Bibelexemplaren), d ie eine starke Abnutzung der Stöcke erkennen lassen. Zierleisten sind in den in Straßburg ged ruckten Teilen durchgehend verwendet, um den zu schmalen Bildern die Breite der Kolumne zu geben; zuwei- 48 len ist außerdem oben oder unten oder aum an beiden Stellen eine Zierleiste an das Bild ange- fügt. Die Initialen sind von verschiedener Größe und Gestalt (teils Pflanzen-, tei ls Körperorna- mentik), künstlerisch besonders herausragend sind zwei N- und I-Initialen (42/3 x 42/3 mm) im zweiten Teil des Alten Testamentes (Straßburger Teil) und zwei schöne Zierbuchstaben (E und D), die mit den besten europäischen Leistungen der Zeit konkurrieren :!II. Der in Durlach gedruckte Teil weist - neben z. T. schönen Initialen - kaum Bildschmuck auf. Kobian ver- fügte in Durlach offensichtl ich nicht über die entsprechenden Druckstöcke (was wir sd10n beim Titelblatt zu den Propheten feststellten). So bleibt aud, das in Durlach gedruckte Titelblatt zum Dritten Teil des Alten Testaments ohne Zierrahmen (Abb. I). Lediglich bei den Propheten finden wir links von der kleineren Initiale zwei verschiedene leistenartige Bilder (insgesamt 16mal) mit einem bärtigen Mann mit Spruchband neben einer tragenden Säu le, einmal von vorn, einmal von der Seite dargestellt. Besondere Erwähnung verdienen aber im Durlacher Teil (Dritter Tei l des Alten Testaments) zu Beginn des Buchs Hiob und des Psalters zwei große bildliche Darstellungen Hiobs und Davids (letzterer von der B-Initiale eingefaßt; 11,5 x 7,2 cm und 10 x 8 cm, s. Abb. XII u. XIII) . Kobians Bemühen um die Schönheit des Satzbildes soll Abb. XIV demonstr ieren. Das Druckerzeichen Köpfls findet sid1, wie scho n erwähnt, öfters (vgl. Abb. I, I V, X I). Auf den von Kobian in Durlach gedruckten Teilen fehlt das Druckerzeichen, es sei denn, man macht sid, unsere folgende Theorie zu eigen : Kobian verwendet, gewissermaßen als Ersatz für ein eigenes Druckerzeichen (das er, weil er im Auftrag Köpfls druckte, nicht bringen konnte) 30 ei ne ihm spez ifisch eigene Zierleiste. Es handelt sich um ein e vertikal angelegte, aber stets horizontal gedruckte Komposition mit Schild- und Körperornamentik, insbesondere mit einem spitzbärtigen nackten Mann und einer nackten Frauengestalt. Diese .,Zwei Körper-Leiste" taucht in dem in Durlach gedruckte Teil (Kobian) insgesamt sieben mal auf, insbesondere auch auf dem absolut sicher in Durlach ged ruckten Titel zum Dritten Teil des Alten Testaments (Abb. J), aber auch z. B. unter dem benannten König-David-Bild (Abb. XIII). Diese Zierleiste hat Kobian aber auch bei seinen dem Durlacher Bibeldruck vorangehenden kleinen Durlacher Drucken verwandt (Abb. IX u. X) . Sie scheint also wirklich eine Art Ersatz-Druckermarke zu sein ' 1. Der kleine, sozusagen verspielte Zierschnörkel aus einer herz- oder blattförmigen Figur mit versch nörkeltem Stiel (Abb . I) taucht außer auf dem Durlacher Titelblatt am Ende des Buches Hiob (ebenfa lls Durlacher Teil) noch einmal auf. Das Zeichen ist auf einem der Bibel vorangehenden Durlacher Druck eindrucksvoll variiert (Abb. X) und ist auch auf einem Hagenauer Druck Kobians aus dem Jahre 1536 zu sehen (Abb. VII) . Obwohl dieser Zierschnörkel in mannigfach variierter Form von vielen deutschen und europäischen Druckern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhu nderts benutzt wird 3:!, scheint Kobian eine besondere Vorliebe für seine dekorative Verwendung gehabt zu haben. Die spezifische Gestalt des Bibelexemplars im Pfinzgaumusettm Der Vergleich unseres Bibelexemplars mit den Exempl aren von Stuttgart und Wolfenbüttel 49 ermöglicht erstmals eine genaue Zustandsschi lderu ng des Exemplars im Pfinzgaumuseurn. Sein - Zustand ist im allgemeinen als gut zu bezeichnen. Gebunden ist es in einen einfachen Kalbs- ledereinband aus den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts. Es fehlen insgesamt 85 Seiten, die sich wie folgt au fteilen: Gesamttitelblatt und Rückseite (" Register der gantzen Bibel ") Vorrede D. Martin Luthers und leere Rückseite Das erste Buch Mose Der in Durlach gedruckte "Dritte Teil des Alten Testamentes" ist voll- ständig vorhanden . 2 Seiten 9 Seiten Seite 62 Seiten (Renaissance)-Titelblatt der Propheten (Abb. 11 ) 1 Seite und Rückseite (erste Seite der Vorrede) Seite Im Durlacher Exemplar statt dessen ein leeres Blatt (2 leere Seiten); der Druckstock für das Titelblatt der Propheten befand sich augenscheinlich in Straßbu rg; sonst ist auch dieser in Durlach gedruckte Teil vollständig vo rhanden. Titelb latt: "Dye bücher dye bey den alten ... " (Abb. IV) Seite (nach "End des Propheten Maleachi") und Rückseite ("G nad und frid dem Chris tlichen Leser") Seite Rückseite von "Bel. cvij", vor Titelblatt "das gantz New Testament" Seite (enthält Köpfls Druckermarke und den Text: "Getruckt zu Straßburg by Wolff Köpphel uff den neünden tag des H erbstmons im ja r M.D.XXIX." D ie Seite ist im Durlacher Exemplar unlösbar überklebt. Offenbarung 4 Seiten (zwischen - rechts unten - "Das xvi . Capi tel" und - rechts mitte - "Das xx. Capitel") Vorletzte Seite: .. Hie volgt das Register . .. " und Rückseite (letzte Seite): "Errata" Seite Seite 85 Seiten Handschriftliche Ei ntragungen aus der Zei t zeuge n von frühem eifrigem Studium der Bibel, augen- schein lich durch einen Theologen. Das in Durlach ged ruckte Titelblatt zum D ritten Teil des Alten Testaments weist in roter Tinte die Jahreszahl 1533 aus. Besonders der "Psalter" ist mit Unterstreichungen und Anmerkungen versehen, an seinem Schluß finden wir einen Sdmörkel mit der Jahreszahl 1540. übri gens zeigt ein Schriftvergleich der Eintragungen im Durlacher und Straßburger Bibelteil (um 1533/40), daß beide Teile sd10n von Anfang an zusammengebunden waren . Am Schluß des Buches "Esther" find et sid, ein Eintrag: "Anno 1667 hab ich die Bibell ... kauft kost Ein Reichsdaler ... " Das statt des Renaissance-Titelblatts der Propheten gesetzte leere Blatt ist vor- und rückseitig mit einer der üblichen fam il iä ren Eintragun gen (Tauf-Vermerk 1670) und Hinweisen auf Bibelstel len beschrieben. 50 Wie wir sahen, stellt uns dieser gemeinsame Straßburg-Durlacher Bibeldruck noch vor manche ungelöste Probleme. Als Zeugnis der religiösen Entwicklungen, der frühen drucktechnischen Mög- lichkeiten wie als Dokument der hei matlichen Geschichte ist er uns gleicherweise wichtig und ehrwürdig. Anmerkungen 1 Johann Daniel Schöpflin, Hi storia Zaringo Badensis. Carlsruhe 1763-1766, Bd. I!, 1764, 5.333. 2 Johann Christian Sachs, Ei nlei tung in die Geschichte der Marggravschafl und des marggräv- lichen altfürstlichen H auses Baden. Carlsruh e. II! . Teil, 1769, S. 190; IX. Teil, 1770, S. 58. 3 Julius Lampadius (d . i. Julius Leichtlen), Beiträge zur Vaterlandsgeschichte. Heidelberg 1811 , 5.50. - Siegmund Friedrich Gehres, Kleine Chronik von Durlach. Ein Beitrag zur Kunde deutscher Städte und Sitten. Karlsruhe 1824, I. Teil, S. 70 . - Woher Gehres die Bezeichnung "Hof- und Kanzlei-Buchdruckerei " hat, ist uns unbekannt. 4 Karl Gustav Fecht, Geschichte der Stadt Durlach. Heidelberg 1869. S. 243. 5 Vgl. M. Luther, Die gantze Heilige Schriffi Deudsch. Wittenberg 1545 . Nad1druck Mün- chen (Rogner & Bernhard) 1972, I. Bd., S. 77. Weitere Nachd rucke bei Köpfl 1535/ 36 und 1537/38. Letzterer bringt schon ganz Luthers übersetzung. 6 Engelbert Strobel, Ein Streifzug durch die Geschichte von Alt-Durl ach. Tei l 11. In : Badische Neueste Nachrichten . Karlsruhe. Vom 3. 11. 1961. 7 Sämtliche Inhalte dieses Abschnitts verdanke ich der grundlegenden Arbeit von Fran,ois Ritter, Histoire de )'imprimerie alsacienne aux XVc er XVIc siecles. Strasbourg-Paris 1955 (eingehend besprochen von Jean Rott, Note sur I' imprimerie Alsacienne aux XVc et XVIc siecl es. In: Revue d'Alsace. Bd. 95 (1956), S. 63 ff .) und der Arbeit von A. H anauer, Les imprimeurs de Hagenau. Straßburg 1904. - Die Arbeit von Ca rl Schmidt, Zur Geschichte der ältesten Bibliotheken und der ersten Buchdrucker zu Straßburg, Straßburg 1882 (unver- änderter Nachdruck Graz 1971 ) ist für unsere Untersuchung unergiebig, da sie mit dem Jahre 1520, das "den übergang aus dem Mittelalter und dem elsässischen streng katholischen Humanismus zur Periode der Reformation" bezeichnet, absch ließt. 8 Seltsamerweise erwähnt die grundlegende Arbeit von Ritter - Anm. 7 - KöpfIs Gesamt- bibelausagbe von 1530 nur am Rande, nämlich an läßlich ihres Illustrators Heinrich Vogtherr (a. a. 0., S. 283 ). D iese Erwähnung geschieht ohne jeden Bezug auf Kobian. 9 Vgl. Pau l Heitz und K. A. Barack, Elsässische Büchermarken . Straßburg 1892, S. XIX, XV I-XX. (Ein Exem plar im Lesesaal der Württembergischen Landesbibliothck Stuttgart.) 10 Ritter - Anm . 7 - hat augenschein lich Hanauers Forschungen mitverarheitet. In unseren Darlegungen sind die Ergebnisse beider Forscher zusammengefaßt. 11 Ritter, a. a. 0., S. 402: "Valentin Kobian etait originaire dc Durlach." Woher Ritter (der sich auch hier auf Hanauer stützt) dies wissen will , ist unbekannt. Wahrscheinlich schließt er dies 51 aus Kobians H agenauer Druckervermerk von 1524 "Veltin Durlach buchtrucker" . Sicher ist • nur, daß Kobian als selbständiger Drucker zum ersten Mal in Durlach auftaucht. Die Durla- cher Kirchenbücher, die allein Auskunft geben könnten, si nd 1689 sämtlich verbrannt. 12 Vgl. Karl Springer, Ettlinger Wasserzeichen. Ein Beitrag zur Geschichte der Papiermacherei . In: Badische H eimat, 15 Jg. (1928), S. 232 ff . Ferner: Strobel - s. Anm. 6 - und den Artikel "Medizinbücher aus Ettl ingcr Druckereien" in: Badisme Neuestc Naduichten, Karlsruhe, vom 7. 9. 1968. Die Ettlinger Drucke sollen danach auf Ettlinger Papier ged ruckt sein; Strobel behauptet dies teilweise auch für den im nächsten Kapitel näher behandelten Durlacher Druck "Annotatio" von 1530. Die Ettlinger Drucke waren: Jak. Schenk, Gerichtsordnung, 1530; Kaspar Gretter, Drey schön Psalmen .. . 23 . 8.1531; Joh. Virdung, Novus medicinae metho- dus, 1532 ; Joh. Brenz, Tractatus casuum ... matrimonialium, 1532 ; Avicenna, Quarta fen, primi de universali ratione medendi, 1531. (Quel le: Josef Benzing, Buchdruckerlexikon des 16. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1952, S. 50).- Das Albgaumuseum in Ettlingen war im Besitz einiger Ettl inger Kobian-Drucke, sie sind, wie der Leiter des Museums mitteilt, vor einigen Jah ren entwendet worden . 13 Vgl. Heitz - Barack, a. a. 0., Anm. 9, S. LXVIII, Nr. I, und Ritter, a. a. 0., Anm. S. 407. 14 Vgl. H eitz - Barack, a. a. 0 ., Anm. 9, S. LXVIII, Nr. 2, und ei ne Notiz S. XXXII. Es scheint so zu sein, daß di e Komposition mit zwei Schilden, von denen eines obl igatori sch die Hagenauer Rose trug, das andere das jeweilige Drucker- (oder Verleger) zeid1en, die übliche Form der Hagenauer Signete darstellt . So finden wir diese Komposition z. B. auf ei ner Titel- einfassung aus Heinrich Grans Druckerei um 1510, wo das rechte Schild ein X-förmiges Zeichen, darüber das Monogramm H. G. trägt (vgl. A. F. Butsch, Die Bücher-Ornamentik der Renaissance. Leipzig 1878, Tafel 74). Siehe ferner Anm. 30. 15 An dieser Stelle sei dem Direktor des Städtisd1en Ard,ivs in Straßburg, Monsieur F. J. Fuchs, und dem Direktor des Archives Departementales in Straßburg, Monsieur F. J. Himl y, für freund liche Auskünfte gedankt. 16 VgI.Anm.11. 17 Vgl. Josef Rest, Die Entwicklung des Buchd rucks in Baden. In: Klimschs Druckerei-Anzeiger, Frankfurt a. M., 57 Jg. N r. 26 v. 1. 4. 1930 und Engelbert Strobel, Von alten Durlacher Druckern. In: Soweit der Turmberg grüßt, Karlsruhe, 2. Jg. Nr. 5 v. 1. 7. 1950. - Der im folgenden erwähnte Druck "Passio Christi " war 1924 im Buchhandel angeboten . 18 Sachs, a. a. O. - Anm. 2 -, IV Teil, Carlsruhe 1770, S. 95 ff. - In diesem Zusammen- hang ist interessant, was Sachs über die Beziehungen der badischen Markgrafen zu Straßburg berichtet: "Die Freundschaft, welche die Herren Markgrafen zu Baden seit langen Jahren gegen die Stadt Straßburg gezeigt hatten, veru rsachte, daß Markgraf Karl an demjenigen Anteil nahm, was zwischen derselben und ihrem Bischof vorgi ng. Der Stadtrat hatte Anno 1529 das Meßwesen in den Hauptkirchen eingestellt." Sachs berichtet dann von den jahre- langen Verhandlungen der Stadt Straßburg mit dem katholischen Bischof E rasmus und fährt fort: "Bei diesem ganzen Geschäfte wurde von den Straßburgern nichts ohne unsers Mark- grafen Rat und Gutbefi nden vorgenommen." (Sachs, a. a. 0., S. 132 f.) 52 19 a. a. O. - Anm. 18 -, S. 10,17,22 f., 56. Ferner: J. Chr. Sachs, Auszug aus der Geschichte der Markgrafschaft und des markg räflichen altfürstlichen H auses Baden, Carlsruhe 1776, S. 85. - Durlach kam erst nach dem Ableben Markgraf Philipps (Baden-Badische Linie) 1533 zur Pforzheimischen oder Durlachischen Linie. - Vgl. Karl Fried rich Vierordt, Ge- schichte der evangelischen Kirche in dem Groß herzogturn Baden, Karlsruhe 1847, Bd. I, S. 243. 20 Adolf Wolfhard, Aus Durlachs Vergangenheit. In: Evangelischer Bundesbote. Karlsruhe, Jg. 1928, Nr. 8/9, S. 4. - Den Gesamtzusammenhang der badischen Reformationsgeschichte beleuchtet Ernst Walter Zeeden, Klein e Rcformationsgeschichte von Baden-Durlach und Kur- pfalz. Karlsruhe 1956 (hier insbesondere S. 20 ff.). 2 1 Titel: "Christi ichs Bedencken und erheb liche wolfund irte Moti ven deß Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten und Herrn / Herrn Ernst Friderichen Markgraven zu Baden und Hochberg / ... Welche ihre Fürst. Gn. biß dahero von der Subscription der Formulae Con- cordiae abgehalten / auch nachmaln / dieselbige zu underschreiben / bedencken haben. Samt ihre F. G. Confession und Bekandrnuß über etliche von den Evangelischen Theologen erweckte strittige Artickel. An den Durchleuchtigen Hochgebornen Fü rsten und Herrn / Sei ner F. G. geliebten Herrn Brödern und Gevattern / Herrn Georg Friderichen / Markgrafen zu Baden und Hochberg / . .. Ausser den / in Ihrer F. G. vorhero gesetzem schreiben / oder Epistel / an statt der Pracfation / ei ngewendten Ursachen / getreuer Brüderlicher wohlmeinung / selbsten verfast / und in Truck verfertigt. Getruckt in Ihrer F. G. Schloß Staffort Durch Bernhardt Albin M.D.XCIX." - Im selben Jahr erschien in Staffort ei ne kleinere Ausgabe dieses Buches zum Gebrauch in der Schullehre, deren Satz, abgesehen vom Titel, vorangestelltem Edikt und Paginierung sich buchstäblich mit S. 359-555 der größeren Ausgabe deckt (vgl. Lautenschla- ger, Bibliographie der badischen Geschichte. Bd. H , 1, Karlsruhe 1933, S. 37, Nr. 9572 . Und: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 18. Bd., Leipzig 1906, S. 744 f.). - Der Markgraf hatte den Speyerer Drucker Bernhardt Albin, Calvinist und bedeutendster Speyerer Drucker im 16. Jahrhundert, eigens nach Staffort kommen lassen. - Staffort liegt nörd lich von Karlsruhe, gehört jetzt zur Großgemeinde Stutenscc. Das Schloß wurde 1689 völlig zerstört und nicht wieder aufgebaut. Markgraf Ernst Friedridl weilte häufig zu länge- rem oder kürzerem Aufenha lt dort. - Literatur: Sachs, a. a. 0., Anm. 18, S. 252 ff.; Sachs, Auszug, a. a. 0., Anm. 19, S. 99; Gehres, a. a. 0 ., Anm. 3, 2. Teil, S. 95; Karl Friedrich Vierordt, a. a. 0., Anm. 19, Tr. Bd. Karlsruhe 1856, S. 32 ff.; Fecht, a. a. 0., Anm. 4, S. 251 (Titel des "Stafforter Buches" ist fa lsch wiedergegeben); Die Kunstdenkmäler Badens, IX. Bd., 5. Abteil.: Karlsruhe Land (bearb. v. Lacroix, Hirschfeld, Paeseler), Karlsruhe 1937, S. 197. Emi l Strauß hat den Widerstand der Pforzheimer Bürger gegen das kalvinistische Engage- ment Ernst Friedrichs in seinem 1912 erschienenen Roman "Der nackte Mann" behandelt. 22 Titel: "Bi blia ... Teutsch Doct. Mart. Luther. Auff gnädigste Vero rdnung und Vorschub der durchlauchtigsten Fürstin Frauen Augustae Mariae Marggräfin zu Baden und Hochberg. Basel 1698 bei Joh. Jak. Battier." Literatur: Hans Rott, Kunst und Künstler am Baden-Durlacher 53 Hof bis zur Gründung Karlsruhes. Karlsruhe 1917, S. 141. F 23 Der Druck soll in der Vatikan-Bibliothek in Rom vorhanden sem. Vgl. Benzing, a. a. 0 ., Anm. 12, S. 43 u. 5 . 7. - Der zweitgenan nte Druck .,Annotatio" stand uns in einem seltenen Exempla r der Stadtbibliothek Trier zur Verfügung, wofür wir H errn Bibliotheksdirektor Dr. Laufner, Trier, zu Dank verpflidltct sind. (Ein Exemplar war 1927 im Antiquariat an- geboten.) - In dieser Geschichtschronik heißt es unter der Jahreszahl 1222: "Conradus Fridcrici primi Cesaris frater occisus in Du rlach oppidu lo, prope Lueshardum si luam, ob adu lterium, dum proficiscitur contra Zeringeses." Unter 1230: "Rudolphus Habspurgen . Alsatiae dominus Durlachum, Mulbergum ac Baden cepit, turrim Durlacensem destruxit." Unter 1519 : "Pestis admodum sevit, ur a Pasce festo uscß Martini in Durlarn mille ceorum, & apud Ettlingen Sesquimille emigrarent." Der Verfasser (oder Kobian) hat also in weltge- schichtlichem Zusammenhang der Druckerstadt Durlach gebührende Reverenz erwiesen. Unter 1524 vermerkt er auch die von uns schon berichtete Intervention des Markgrafen Ernst zugu nsten der Kenzingcr Lutheraner. - Im ganzen handelt es sich um ein Kompositum aus weltgeschichtlichen und provinziellen Daten. 24 Die "Durlacher Bibel" ist in Stuttgart (Württembergische Landesbibliothek), Wolfenbüttel (Herzog-August-B ibliothek) und Wernigerode als Gesamtexemplar vorhanden . Die Bayerische Staatsbibliothek München hat ihr Exemplar durch Kriegseinwirkung verloren, die Schloß- bibliothek Maihingen (FürstI. Bibliothek Harburg) hat ihr Exemplar 1934 verkauft. Für die freu ndl iche Vermittlun g in die Einsichtnahme des Stuttgarter und Wolfenbütteler Exemplars sowie des in Stuttgart vorhandenen Nachdrucks von 1530/32, sind wir dem Leiter der Badi- schen Landesbibliothek Karlsruhe, Bibliotheksdirektor Dr. Elmar Mittler, zu Dank verbun- den . 25 Ritter, a. a. 0., Anm. 7, S. 283. 26 Diese wie die folgenden Angaben sind - nach Überprüfung - folgender maßgeblichen Quelle entnommen: P. Pietsch, Bibliographie der deutschen Bibel Luthers. Nr. 146. In: M. Luther, Deutsche Bibel. Bd. 2, 1909, S. 472 u. S.490/500. Wir ergänzen diese Angaben später durch spezielle Hinweise auf die Druckermarken Kobians und auf das Bibelexemplar des Pfinzgaumuseums. 27 Erinnert sei auch an die bei den Schlangenleiber in der Druckermarke Wolf KöpfIs. 28 Derselbe Druckstock ist auf einem Corvinus-Druck KöpfIs aus dem Jahre 1540 für Sankt Andreas wiederverwendet, das Attribut ist hier das Kreuz mit schräggestelltem Balken (vgl. Ritter, a. a. 0 ., Anm. 7, S. 241). 29 z. B. mit den Arbeiten von Geoffroy Tory in Paris um 1536 (vgl. A. F. Butsch, Die Bücher- Ornamentik der Renaissance. Leipzig 1878, Tafel 97). 30 Es war üblich, daß ein Drucker, der im Auftrag ("auß Verlegung") druckte, keine eigene J!1ruekermarke benutzte, sondern dem betreffenden Werk das Signet des Auftraggebers mit- g~b. So zeigte z. B. der Straßburger Drucker Matthias Schürer, der für die Brüder Atlantsee in Wien druckte, in diesen Büchern nur das schöne Atlantsee-Wappen) nicht das Schürersmc Wappen mit der Garbe (vgl. auch Anm. 14). 54 55 31 Im ganzen in Straßburg ged ruckten Bibelteil taucht diese Zierleiste nur dreimal auf (Neues Testament, Episteln St. Pauli u. St. Johannis). Es ist zu vermuten, daß dieser Teil auch in Durlach ged ruckt wurde. Unsere These wi rd gestützt durch die Einsicht in den Straßburger Nachdruck von 1530/ 32, der ohne Kobians Mitwirkung bei Wolf Köpfl erschien. In dieser Neuauflage, die im übrigen im ganzen nicht mehr so reich illustriert ist wie die Erstausgabe (es fehlen Holbeins Holzschnitte zur Offenbarung; dafür ist als Titelblatt für das Neue Testa- ment die Renaissance-Umrahmung der Erstausgabe - Abb. II - übernommen) taucht weder di e spezielle Zierleiste noch der besagte Zierschnörkel auch nur einmal auf. 32 z. B. bei dem Straßburger Drucker Christian Egenolph, dem Mainzer Peter Schöffer oder dem Franzosen Jean de Tournes. - Das Exemplar des Pfinzgaumuseums wurde wohl beim späte- ren Einband beschnitten, ebenso wie die Exemplare in Stuttgart und Wolfenbüttel. Einer Seiten höhe von 25,5 cm (Exempla r Pfinzgaumuseum) steht eine Seitenhöhe von 28 cm (Exemplar Stuttgart der Neuauflage 1530/32) gegenüber. Dagegen erwähnt Schöpflin 1764 (a. a. 0., Anm. 1) ein Durlacher Exempla r in Quartformat aus der nach Basel geretteten Baden-Durlachischen Bibliothek. ... .' : , , ; ... I . ' .. ; : ". J)lop~(tdl ~lUc groß 6nb fkitt. J.Ja~u Urcr~tQ Gar fU! <tnitrdil. ~ ~IOi~lr blr I})!Op~tltn. f<) ' "'f (JI(aia Jncmla 11111 • LJr~totitl ~anlll f<)it IlI>öltf flrplI/n I})lop~tlCn f. J.Jorta. ~il. O1~~um. ij. Jo~d. \)iij J)abafuf iJj. :2Ionoe. ir. @<vI/ania 'ili; .o6.1bia. r. J)aßoai. ]"olla. rj. 6rdlaiia rolidia. ril. ~aladii. , .. -)./ # .', ' 1"'".1. 1 ' '., I • • ' .,', . ,,' jJ '" l( il 'I,t 'O lpll(il l!J..U'~J U 9 "JJ °tlU O C ·'I'OOttcr 'J ' t I ~ "!1J1IiJd>e 'J, .... ,1.'; Jnl"q.C ( I". 'p~oC . _ ~ . _ 'wngotcl '1.1' " ')0 (( 'I 1~ ;C1I'~ W I,qclo'({, ",uam M I!"" 1)(3' ;t~ \ : ?'W " , ~ P)J"9 '(1 '1111 lI'" """,uC .).j'C J ... . '" "'''ljdo:\t> 1lQ 1l~)O'lG liO 'IlJIJ'PIX tUl ,.0 # l''')n nv.Ci 'U Pij ~U9 ~O.l!3 lJl).cs !P"AdOt{f ,p)I<I,"O ) IJlQ ung ~l"" UIllI~lj UlQ "9 0 IJU l)"!)) 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XXX, • XI .. ~a6~n~g;icb. _ ii . rnadill fldi DtemOlgme fra aufT~.l OvfT« It b.dOovffcrtnadi i~!a(ftr ;.'/~tii.f,Jio~ Q) gtOadilt/ m,ine fÖnt m~dilfllge("nDietl! 1In0 Dfn~mn gt('Ontt ~abtn inl~ltm ~q: qen.~Wo I~rt J)iob aUt taßt • .E~6eßa&fldi a6er anfT t~nCtag/Da Dt~ finDe r Q!Otlt, tamm MnD für Dm RERRf!! I",um/tam D,r6atd and) ~nDerflt.~q: HERRa&cr (p'adi.u Dem 6alan/ll'0 tüp~ bu ~cr'6atan anltl>OllU Dem HERREN bR fp,at!ilJdi ~ab im fanO bm6~er .ogrn ~R 6~n ~erDlIrlf1 jogrnn. ~er HERR (p"'di;~ 6atan/.f,Jafr Ou nidit adil 9~61 auff llIti nm fnedit .f,Jio&, ~rnn reifr ('in gftidie nidil im fanD'/(dif'dir ~nDrcdif/90ttf~'di tiß ~nD m,tDu Oaß 60(e. 6arall anrWOlfte Dem HERREN ~nnD (pI4di/ ro?t~nfr Du Daß .f,Jio6 bm6 fUnfr <!loft (o'ditrt' .f,Jafr 01. bodi i~n/ fein flallv~nnD affte wae ,r ~al/ rin9hm6~"~ml>art/ ou ~fr Dem ",erd fein.fl ~rnOt9'f'9nef/\,"Dfrin 06r ~.I ndi aa~!tVfltl im fanO,/<lI&crml"brin, ~dO auv ~nnb rafr' an olfe~ wae er ~afl "'a5 gifbfO/rr wirt bidi ine ongrfldil fe9f·~,r HERRE f",odi!IA 6at.n/ 6i~e/ allt&wae -.! tr ~.f/f'v in Deintr ~,lbf/ on aUevn an ;~II ftfbe fege Oein, ~,lbt nidit.~a 9irnO 6!V lan auv \'on btln HERREN. . ~ae raoeea6cr Da ftint (ont ~nD radi' malTen ~nnD rrunden Ivrill in i~,e6 &:Ö' . Dr.re~au(t btHlflfl farn tvn 601r;1i J,Jio6 man lm ~IID fp,adil ~it rinDrrp/l'ugtftn NIIID Die fanOt<:lOIJ.Dtr&i,& tfdvnnen oi,"gtnne6mi~n an berwIV> . ,. gOUfoUig .~I/ Dalldrn bit auv ffidi 21r06io ~mvnl \,"nb namtll flt ~nnD fdifügtfl Diefna6tll mir.DII fdicrpfTt Dte fdin'erDIP/\'nb id! bIll 'amldl f'Önfrbil alftvn tnrrunen/bae icf) Dite anfagtt/~4 Dtrnv.di rtDtf/fam tvn anDcrbnnb fp:adjt al? baeftf\!! ~rtte fit! bom ~piitd/MnDwf' . b:.nDI (diaff~nbfna6m ~nD wrltlet fltt madi .~nD icf)6vlI affr~n tnlrUnntnl bae idj biro auff allfa9tl .. ~a Du nodi "betl fam rvnirl1~ .!D .N ..... "· '" jpladil ~(c .!:~afDttrrnadilmC:tp Wi~fJ r,~;~~~i~~i!~i~t;;::!~:~ ~b G6ufitfm bi,'amttl~nb fdjfltgtn Oie 'na6en mil ber fclitrpfli Dff fdi"'trDe lbtl~ 1>4 ijfi5vn ,,"tPII II\tfIInnmlbae idi birean(q <lI~'; .. .{ XII i :](rum6 t06m bit .(Jtvbtn / bnb :]( g bie ledu rc~f(o btrge6lidi. ~ie g(d)id). tünige i", IdOl II~ntn fidi duff/ 4.b \)110 biera~tQmn ratQ(dilagm mil IVtlallDer t<;llliOer o,n.(J ~\X \X 01 \)110 (<inm o,(ollictm. ÜPI bns ItlrtifTcn t~" 60nO<l MIIO \lon bnne 11>""'10 tQ!t rlvl'. :<I6tr Dir im QuollI 1I>0nlt lI>irt ;~!laditnl bnnO Ocr J)~\X\X lI>irN ;Ql!pomn. ~a f.!) "'irN er mit iQ" rcOlO in (tint'" lomlMO nlit rein,,,, grvtu roirOt er fi t (di:rcfcn. ~6er icfl 1/06' mlillen rwnig 'v"~,(e~ C/ auff\l1einen Ilcvlig," 6crg;;l ton. Jd) lI>il \lonOC\l1 ßfat! p"Oi9,"/~"SOer .(J~\X<;)( ~,b". ;u \I1irgcfaot Qat/ ~16 iflm'illfoll l [!rntll •. b~ ~g6 iW DicfWitÜQet • . J)ev/fcf1' IJon mirl ~ fo !uill ilt)bir b" J) evom ;um erDe ge6wI ~!.,td;' \)110 Der "'c((t cnOqtim tligtlulj ll mo • .€lu (olt fie mit b,m eife," i'pt., j('(d/laoml wie eVll6 topffm ocf'('\ foftu fie jii(dim'i(' ("'. S o fdll1" fl ngil/! fun ' \i e/ \lnblagl eucf) ; tiO)II9W ill! ricf)ter il\l lallO" .€lit' CD fftn. 1IC1 bellt J) o!:\XOX'V ' mil fo: cf)I/MI fmu't b~ . , . ~. rlld} mir 5iucrn· .iüffcn btttllt' b4& (r tln,19' ( . "icf)t lür.c l\li! j1i! brn II>tg\llrlirret. ~C!i (beln bcr ItIC~t fcin jO:1I ",irt 6al0 an6!rnnrn/a6t1wol al' r.tQ btrGou' fm bie aufft~ trawCll. tritt a"ff bm ~ iii I"ccf) fir.1 ~ GoI '" . ~ b Oill'ootl'rr/iqm ec~. ~",pn').'!l" m ",-,a~" I o,r ~'IIIfLuu.SCji\!b~.b:~ tlodi für (rinen (on ;:Y6(,tl011 • ~~fcinau.ß'l'~ 1119 »llb natfi' 11.{:l HERR/tIlicifl meiner f"mbt ro :]( ~I\lItDlrtillll>i"vn 6aum g'pt!ant,1 \lid / \lnO f,~rn fi di (0 .itlll>iOtr ~f~r 6ccfitnn I ~I reine fulll" ._ mief). <:Vi!1 fa gm ~on m,illrr 2!. r. . 1ll;tI1l / (Ul1I\b (Iint 6lttt.o" ftll/ -ir ~.I f,v"e Quljf, b~v G~tI, 6da. ~'~n~ "!"'rn "I~trmdcf!lll\l~ waHr fdiafft ~r ~u HERR 6i~ ~ fdi llt fur midi I bil'er • .r,. ~',~m glhnO"'. ~6tr (0 II>trOf6 ~'" midi IUIQIC f"!tI\l!i mciE f},ti614ufliidil. • i>: Iieren Illdit oeQtn/ec.n~'rt1 wir Ocr Jdi lI>illmit /II,intr flvm btn HERRN an' ~"' DitOrrl~lI\or Utr/lrIUtl. ~arum6 tllff,n /So noirt rrmief) trf}a:t" bo (,i "tm ... ~n ~It GoUlo(tn Im gtrid/lnidil fit' ~tVlig," ['erg,.SlIa. Jdi "'gM fdilielfl .. "illlitn/nodibif {RnOn in OtrgtlllfP' uii 6in ,rwatlil/~il~HER.R /l1I!}1I1 mief1. c .E.{. iiit .. ' XIII . f~U ~5~i~~f;::~~i!: IW'Mig/l,n tag Cfe /ftlßlfftrn mona"/~as .EntlIDIrrobildjbtr'tinig ~on <;!lo&rr I (.11 /or .'6rr tDnig warbl ba6 ~aupl JOi •• tim bt6 "ni96 in JUbiI rr~ti6 /.nnb (tU' !Xrilf 4ulfbtm trQblltpn, n,unqisor" granafaffet! I~n au§b,r 9'fdncfnti6 au§ fi" ~nn~ rlb" im fl',untlidj ;tl/~nnb r.q, (,in'R • 1~lon ~6,r oll, 1~16n~rr 'IV nig,n bi'6,pim/a <;!la6rlftlar'n/I>nb rr ~,rdnbrrt im bit '('V~~ g'fdncfnti6b.l trn~6 alllltgfrtnlt6,n lan9 ~I im b.l (tin vfrilO """biIllC<l91i<fl ~on ot fünlg aUf <;!la6t! ge 6~rtallt lag (0 M tr btOolfft ftin Itbt 'al1g. !Cltltbc beG Pl(\P~Cf tcn~ct'c mia. tl il • • XIV Eva Zinunermann Zwei spätgotische Bildwerke aus Wössingen Im Gegensatz zu den immer noch reichen Beständen des Breisgaus an spätgotischer Plast ik haben sich in unserer Gegend nur wen ige Skulpturen aus dieser Zeit erhalten. Um so größer wa r die Überraschung, als an läßlich der Neuein ridltung des Pfinzgaumuseums zwei aus Wössingen stam- mende Figuren dieser Epoche, eine Madonna und ein männlicher Heiliger, ans Licht kamen, die mit besonderer Sorgfalt geschnitzt sind '. Leider tragen die Bildwerke schwere Schäden: beiden si nd die Hände sowie die Nase bzw. Nasenspitze abgeschlagen; mit den Händen hat der Heilige seine Attribute, hat die Maria ihr Kind verloren. Dies si nd typische Wunden, w ie sie ein Bi lder- stürmer den ihm verhaßten Idol en zuzufügen pflegte. Fragen wir, wann das geschah, stellt sich ganz a llgemein die Frage nach der Geschichte der Bildwerke. Ehe sie im April 1893 in die dama- lige Großherzogliche Sammlung vaterländischer Altertümer kamen, befanden sich die Figuren im Rathaus von Wössingen. Ein hl. Sebastian und eine weibliche Heilige, die heute verschollen si nd, gehörten noch dazu:!. Es hieß damals, daß die vier Bildwerke aus einer der zwei früheren Kirchen von Wöss ingen sta mmten 3. Diese Angabe läßt sich heute genauer fassen: die Figuren müssen vom Hochaltarsch rein der Kirche zu Unterwössingen herrühren, für den sie am Ausgang des 15. Jahrhunderts, also noch vor der Reformation, geschaffen wurden. Der Ort, der ursprüng- lich in Unter- und Oberwössingen getrennt war, gehörte zur Markgrafschaft Baden; nach den im 16. Jahrhundert erfolgten Erbteil ungen kam er zur Linie Baden-Durlach. Das bedeutet, daß spätestens mit der Kirchenordnung von 1556 U nter- und Oberwössingen evangelisch geworden si nd . Welche Patrozinien die Kirchen in den beiden Ortsteilen zur katholischen Zeit besaßen, ist nicht bekannt; doch wissen wi r, daß zu Unterwössingen eine Kaplanei St. Katharina und eine Kapla nei St. Wendelin gehörten '. Wendel in ist nun auch die Benennung, die w ir aufgr und der ikonographischen Untersuchung unserer männlichen Figur geben müssen. Trotz der Verstümmelung lassen sich die Attribute dieses Heiligen erkennen : der jetzt kopflose Schäferhund, der auf der rechten Seite des Man- nes hockt, vo rne am Sockel der Ansatzpunkt der Hirtenkeule, die der Heilige in der Linken gehalten hat, und schließlich auf der linken Seite ein ebenfalls als Attribut gedachtes, min iatur- haft klein es Felsengebi rge mit buschigen Bäumen und zwei kopflosen Tieren, die wohl Schaf und Schwein darstellten. Wendel in war ei n iroschottischer Königssoh n, der auf den Thron verzichtet hatte und nach einer Rom-Wallfahrt bei Trier ein Einsiedlerleben führte. Er hütete die Tiere eines Edelmannes und pflegte die Herde zu einem weit entfernten Berg, dem heutigen St. Wendel, zu treiben, wo er betete. Darüber geriet der Edelmann in Zorn, weil er glaubte, daß die Tiere nicht mehr rechtzeitig heimkehren würden, was aber wunderbarerweise doch geschah. Wendclin wurde 69 später Abt des Klosters Tholey. Sein Grab fand er auf jenem Berg, zu dem er so oft zum Beten .. HI. Wendelin aus Wössingen, vermutlich Straßburger Arbeit, Ende 15. Jhdt. gezogen war. Vielleicht soll das kleine Felsmassiv zu Füßen unserer Figur eben diesen Berg andeu- ten. Die besondere Kleidung des Heiligen: über violettem Gewand trägt er eine rote Pelerine mit Kapuze und einen breitkrempigen roten Hut (kann sowohl Pilger- wie Hirtentracht sein); nur wenn sich auf der jetzt abgeschlagenen vorderen Hutkrempe eine Muschel, das typische mittel- alterliche Pilgerabzeichen, befand, war eindeutig das Pilgergewand gemeint. Als Schutzpatron des Viehs war Wendelin im späten Mittelalter ei n viel verehrter, volkstümlicher Heiliger, der in der spätgotischen Kunst oft dargestellt wurde, so z. B. nicht weit von Wössingen in dem 1523 datierten Beiertheimer Altar 5. Dadurch, daß glücklicherweise St. Wendelin als Patron der einen Kaplanei in Unterwössingen überliefert ist, läßt sich die Kirche dieses Ortsteiles als ursprünglicher Standort unserer Figuren bestimmen. Die Größe der Bildwerke - die Muttergottes ist immerhin 114,5 cm hoch - legt es nahe, in ihnen die Reste des Hochaltarretabels zu sehen. Wenn die beiden verschollenen Figuren, Sebastian und eine weibliche Heilige, auch dazu gehörten - wofür die übereinstimmenden Maße sprechen -, müßten wir aus Gründen der Symmetrie sogar einen stattlichen, mit fü nf Bildwerken gefüllten Altarschrein annehmen: ZU Seiten der Madonna standen dann je zwei Figuren. Die Ver- stümmelung der Skulpturen geht wahrscheinlich auf die Reformationszeit zurück. Danach mögen die Figuren auf dem Kirchenspeicher verschwunden sein . Vielleicht hat man sie erst wiederent- deckt, a ls nach dem Neubau einer Kirche für ganz Wössingen, die 1821-1822 nach dem Entwurf Weinbrenners entstand, die beiden alten Gotteshäuser abgerissen wurden. Reste einer steingrauen Bemalung, die über den jetzt freigelegten Spuren original er Fassung lag, sprechen dafür, daß man die Figuren im 19. Jahrhundert "aufgefrischt" hat. Trotz aller Beschädigungen, trotz des weitgehenden Verlustes der ursprünglichen Fassung, die den Bildwerken etwas Leuchtendes gegeben hatte - während wir heute den stumpfen dunklen Holzton sehen -, ist noch so viel künstlerische Substanz vorhanden, daß wir die Leistung des Schnitzers zu erkennen vermögen. Beide Skulpturen stehen auf hohen mitgeschnitzten Architektursockeln, wobei derjenige der Maria durch reichere Profilierung ausgezeichnet ist. Auch die Körperhaltung entspricht sich hi er und dort : mit leichtem Tritt ist das unbelastete rechte Bein, das "Spiel"bein, vorgeste ll t, auf der Gegenseite schwingt die Hüfte aus, die Schulter folgt dieser Schrägstellung, d. h. die rechte Schulter hängt herab, doch der Kopf ist wieder aufgerichtet, beim Wendelin sogar der erhöhten Schulter zugeneigt. Dadurch ergibt sich ein Aufbau in schwingender gotischer S-Linie, der alle gewichtigen ruhenden Horizontalen meidet. Bei der Madonna als der Hauptfigur ist die Schwin- gung stärker ausgeprägt; durch die Neigung des Oberkörpers nach rückwärts - a ls Gegenbewe- gung zu dem ehemals vorne auf dem link en Arm sitzenden Kind - gew innt sie auch noch an räumlicher Tiefe. Das ruhige Antlitz der Maria mit dem nur eben angedeuteten Lächeln in den Mundwinkeln war ursprünglich wohl als stilles Gegenbild zum Christkind gedacht, das die Spätgotik quirlig-bewegt - wie ein richtiges Kind - darzustellen pflegte. Der H eilige dagegen zeigt die Vorliebe der Zeit 71 für ed le Charakterköpfe von schmerzlich-bewegtem Ausdruck . Scheinbar bildnisgetreu in der • Madonna aus Wössingen, vermutlich Straßburger Arbeit, Ende 15. Jhdt. genauen Wiedergabe der Einzelheiten, jeder Runzel, jeder Locke, ordnen sich die Formen doch nach dem Gesetz künstlerischer Ebenmäßigkeit ; auch der Ausdruck bleibt verhalten im Sinne spätmi ttelalterlicher Frömmigkeit. Die Gewänder sind auffallend knittrig. Dies gilt wieder für die Marienfigur in besonderem Maße: nach dem weitgehenden Verlust der Fassung mit ihren sondernden Farben ist es oft schwer zu unterscheiden, was Kleid, was Kopftueh, was Mantelfutter, was Außenseite des Mantels ist . Der Blick schräg von der Seite zeigt, wie auch hier die Gewandgebung nicht abgerundet, sondern die Tiefe räumlich zu staffeln versucht. Maria trägt ein eng tailliertes blaues Kleid mit Pelzbesatz am Hals, wie es zu Ende des 15. Jahrhunderts Mode war, darüber einen goldenen, rotgefütter- ten Mantel, d. h. eigentlich ei n loses Tuch, das unter den Ellenbogen hochgenommen ist und dessen ei ne Bahn quer über den Leib gezogen ist, so daß sie vorn e den Unterkörper deckt. Offen herabfallendes Haar, Schleier und Kronreif kennzeichnen die Gestalt a ls die jungfräuliche Him- melskönigin; der Mond zu ihren Füßen ist das Attribut des apokalyptischen Weibes (Offenba- rung 12, 1), das von der mittelalterlichen Theologie seit dem 12. Jahrhundert oft mit Maria gleichgesetzt wurde. Gerade bei diesen Motiven zeigt sich die Lust des Künstlers an ein er kompli- zierten Verknüpfung der Formen: der Schleier deckt nicht nur das Haupt der Mutter, sondern diente mit sei nem Ende auch als Unterlage für das - sicher nackt dargestellte - Kind; und die Mond- sichel muß sich gleich in zwei Kleidungsstücken - Rocksaum und Mantelsaum - verfangen. Auch der Schäferhund des Wendel in ist halb vom Mantel des Heiligen verdeckt. Beide Figuren tragen spitze Schuhe, wie sie nach dem Jahr 1500 nidn mehr Mode waren. Die nächstverwandten Skulpturen - auch sie heute Eigentum des Badischen Landesmuseums - stammen aus der Kirche von Knielingen, ebenfalls einem altbadischen Ort, welcher zum Gebiet der protestantischen Durlacher Linie zählte ' . Die ursprüngliche Aufstellung der Knielinger Figu- ren läßt sid, nicht mehr mit Sicherheit bestimmen. Vielleicht stand das große Vesperbi ld in der Mitte des Hochaltarschreins und die Anna Selbdritt ebenda als Seitenfigur, während die kniende Maria Magdalena zur Kreuzigung im Gesprenge gehörte. Oder es handelte sich um einen Kreuzaltar mit der Kreuzigungsgruppe im Schrein; in diesem Fall wäre zumindest das Vesper- bild a ls isoliert aufgestelltes Andachtsbild zu denken . Obwohl durch den Holzwurm hier viel von der Oberfläche zerstört wurde, lassen sich Gemeinsamkeiten mit den Wöss inger Figuren er- kennen: die Gesichter mit den tiefliegenden Augäpfeln, den scharf umrissenen, schweren Ober- lidern, die Bildung des Halses bei der Wössinger Madonna und der Maria des Vesperbildes, die fei ne knittrige Behandlung der Binnenfalten, überhaupt die genaue Ausarbeitung der Einzel- fo rmen, und schl ießlich die Bändigung dieser kleinteiligen Unruhe durch den geschlossenen Umriß . Wir sehen uns hier der Spätform eines Stiles gegenüber, der den großen, oft versch lun genen, aber immer räumlich aufgelockerten Faltenwurf schätzte, der Gestalt und Gewand gerne vonein- ander zu lösen versuchte, um dadurch ein reiches Gegenspiel ihrer Formen zu erzeugen (Da ngols- heimer Maria im Museum Berlin-Dahlem, Hochaltar der Nördlinger Georgskirche). Doch jetzt sind aus der ehemals großzügigen Faltenfülle kleine scharfkantige Splitterformen, aus den 73 Raumtiefen zwischen Mantel lind Körper schmale Schluchten geworden. Neu ist, daß nun der Kopf des hl. Wendclin Vesperbild aus Knielingen, vermutlich Straßburger Werkstatt, um 1500 • Umriß die räumliche Bewegung zusammen faßt, wodurch die bildhaft-flächige Ansicht der Skulp- tur betont wird. Bei den Knielinger Figuren - vor allem bei der Anna Se1bdritt - ist darüber hinaus auch ein Flacherwerden der einzelnen Motive festzustellen . Sie dürften deshalb etwas später als die Wössinger - schon um die Jahrhundertwende - entstanden sein. Doch sonst ist vom Neuen der Renaissance-Zeit noch nichts zu spüren. Seinem Ursprung nach ist dieser Stil straßburgisch. Das spricht dafür, daß die Wössinger und Knielinger Bildwerke aus einer bisher nicht mit Meisternamen belegbaren Straßburger Werkstatt stammen; auch andernorts in der Markgrafsdtaft, in Baden-Baden, Oos und Beiertheirn, hat man sich damals Altäre in diesem Hauptort spätgotischer Schnitzerkunst bestellt. Anmerkungen 1 Bei diesen Figuren handelt es sich um Dauerleihgaben des Badischen Landesmuseums, die sich seit 1924 im Pfinzgaumuseum befinden . - Maria, Höhe mit Sockel 114,5 em, Inv.-Nr. C 6704; hl. Wendelin, Höhe mit Sockel 104,5 em, Inv.-Nr. C 6706; beide aus Lindenholz, dreiviertelrund, rückseitig ausgehöhlt. Herr Restaurator Anton Rommel hat die Figuren im Sommer 1975 von übermalungen befreit und gereinigt. 2 Hl. Sebastian, Höhe 110 em, Inv.-Nr. C 6703; weibliche Heilige, Höhe 111 em, Inv.-Nr. C 6705 . 3 Die Kunstdenkmäler des Großherzogturns Baden, -Bd. IX, 1, Kreis Karlsruhe, Amtsbezirk Bretten, Tübingen 1913, S. 162 ff. erwähnt die Figuren nicht. Für Auskünfte und Hi lfe bin ich Herrn OttO Bickel, Herrn Dr. Hans Huth, Herrn Dr. Hermann Rückleben, Herrn und Frau Pfarrer Hans-Ulrich Schulz und Herrn Dr. Hans Martin Schwarzmaier zu Dank ver- pflichtet. 4 Wössingen im Wandel der Zeit, 1971, S. 69. 5 Ausstellungskatalog Spätgotik am Oberrhein, Meisterwerke der Plastik und des Kunsthand- werks 1450-1530, Badisches Landesmuseum, Karlsruhe 1970, Nr. 147-152, Abb. 130. 6 Alle drei Figuren aus Lindenholz, Fassung abgelaugt. Vesperbi ld Höhe 106,5 em, untere Breite 53 em, Inv.-Nr. C 1993; Anna Selbdritt, Höhe 112 em, Inv.-Nr. C 1996; Maria Mag- dalena, Höhe 70,5 em, Inv.-Nr. C 1992. Nähere Angaben bei A. v. Schneider, Die plastischen Bi ldwerke, Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseum, Karlsruhe 1938, Nr. 90-92, Taf. 44-46, und bei Spätgotik am Oberrhein (Anm. 5), Nr. 112-113, Abb. 104. Aus Knie- lingen stammten außerdem die heute verschollenen Figuren: Christus am Olberg, Holz, Höhe 68 em, Inv.-Nr. C 1994, und ein Holzrelief mit männlicher Figur, Höhe 70 em, Inv.-Nr. C 1995; der Zusammenhang dieser bei den mit den drei hier behandelten Figuren ist unklar. Laut Inschrift am Westturm wurde der spät gotische Bau der Knielinger Kirche 1480 begonnen (siehe: Die Kunstdenkmäler Badens, Bd. IX, 5, Karlsruhe-Land. Karlsruhe 1937, S. 157). 76 Ernst Schneider Durlach im Wandel der Jahrhunderte Im Uf- und Pfinzgau lassen sich sei t der Mitte des 12. Jahrhu nd ertS die Sta ufer nachweisen. Sie konnten in diesem Raum vor allem als Inhaber der Vogtei über klösterlichen Besitz, in erster Li nie des Klosters Weißenburg, Fuß fassen. Im Pfinzgau kam dem heutigen Turmberg bei Du rl ach eine wichtige Stellung der staufischen Macht zu. Zwischen 1187 und 1196 sind di e Staufer in den Besitz der Burg Grötzingen (auf dem Tu rmberg) gelangt, haben die G rafschaft im Pfinzgau und die weißenburgischen Lehen an sich gezogen. Als ihr bedeutendstes Werk im Pfinzgau gilt die Gründung der Stadt Du rlach, die in den Jahren 1191/92 wohl gleichzeitig mit Etdingen durch Kaiser H ein rich VI. erfolgt sein dürfte. D ieser Kaiser hielt sich vom Dezember 11 91 bis Mai 1192 - eine ungewöhnlich lange Zeit - in Weißenburg, H agenau und Speyer auf. Im Jahre 11 96 weilte H einrich VI. in Durlach und hat hier zwei Urkunden ausgestellt. Und aus dem Jahre 11 96 stammt die erste urkundliche Erwähnung von Du rlach als "oppidum" . Diese Fak ten bewei- sen, daß Du rlach im Jahre 11 96 als Stadt bestanden hat. Vorher ist der Name nicht nachzuweisen. Wie andere frühe Stauferstädte liegt Du rl ach an der Grenze zwischen Altsiedel- und Rodun gs- land , zwischen Ebene und Hügelland. Von Bedeutung ist auch die Lage an der alten Straße von Frankfurt nach Basel. Die Stauferstad t Durlach, woh l a ls Festungsstadt gedacht und im Bereich der Gemarkung Grötz ingen angelegt, wurde durch ein 5traßenkreuz bestimmt, dem sich im Laufe der Jahrhunderte vier Stadttore anschlossen. Vo n dieser Stauferstadt ist nichts mehr erhalten. Durlach zählt aber auch zu den Städten, die durch Anlehnung an ei ne berei ts vorhandene Burg entstanden sind. Diese Burg erhob sich auf dem heutigen Turmberg und ist, entgegen Angaben im Durlacher Schrifttum, ä lter a ls die Stadt. Zu Ende des 11 . Jahrhunderts haben auf diesem Berg die Grafen von Hohenberg ihre Burg err ichtet. Das Gebiet gehörte seit dem 8. Jahrhundert dem Kloster Weißenburg, die Burg stand vo r der Gründ ung von Durlach auf Grötzi nger Ge- markung und heißt deshalb auch "castrum Grecingen". Von hi er aus kolonisierten die H ohen- berger den H ardtwa ld und gründeten das Kloster Gottesaue. Im 12. Jahrhundert war diese Burg Sitz der G rafen von Grötzingcn, die in engen Beziehungen zu den Staufern standen. Auch die Grabungsergebnisse lassen den Sch luß zu, daß diese Burganlage vor 1100 entsta nden ist. Nu r weni ge Jahre verblieb Du rlach in staufischem Besitz. Markgraf H ermann V. von Baden (11 90-1243) hatte sich mit Irmingard, der Tochter des welfischen Pfal zgrafen Heinrich des Jüngeren, verheiratet. Dadurch wa r er in den Besi tz der Stadt Pforzheim und ei nes Teils der braunschweigischen Güter gelangt. Im Jahre 1219 tauschte H ermann V. von Kaiser Friedrich 11. die Reichs- und Stauferstädte Lauffen, Eppingen und Sinsheim als P fa ndschaften, Etdingen als Lehen und Du rlach a ls Eigentum gegen die bra unschweigischen Güter. In einer späteren U rkunde vom November 1234 wurde dieser Tausch durch Kaiser Fried rich II . nochmals bestäti gt . Mit Durlach war sicher die Burg Grötzingen an die badischen Markgrafen gekommen, auch die Vogtei über das Kloster Gottesaue, aber nicht der gesamte Stauferbesitz. Für die markgräfliche Städtepolitik bedeutete diese Erwerbung, daß dad urch eine Verbindung vom oberrhei nischen Gebiet zu den a lten markgräflichen Besitzungen am mittleren Neckar geschaffen werden konnte. Die Markgrafen förderten die Stadt und bauten sie aus. Die überlieferung ist zu dürftig, um den Ausbau Durlachs vom 13. bis 15. J ahrhundert genauer verfolgen zu können. Selbst über ein so hervorstechendes Merkmal der mittelalterlichen Stadt, nämlich die Stadtummauerung mit den Stadttoren und -türmen, lassen sich zur Entstehung keine genauen Angaben mad1en. Die Stadtmauer erscheint urkundli ch als Lagebenennung seit dem 14. J ahrhundert und umschloß ursprünglich das von der (heutigen) Bienleinstor-, Zunft-, Amt- haus- und Kclterstraße gebi ldete Oval. Im 15. Jahrhundert wurde die Stadtmauer nach Nord- osten hinausgerückt, 1468 wurde das Blumentor errichtet. Früh belegt si nd die Kirche (ecclesia Durlach 1255) und die mittela lterl iche Ticfburg, auf deren Stelle die spätere Karlsburg mit dem heutigen Prinzessinnen bau errichtet wurde. Für den Rang Durlachs als Stadt ist auch die Verleihung des Marktrechts von Bedeutung. Am 10. August 1418 verlieh König Sigismund der Stadt das Recht, jährlich zwei Jahrmärkte, auf St.-Jakobs- und St.-Gallen-Tag, abzuhalten. Dies ist die friiheste Nachricht über die Abhaltung von Jahrmärkten in Durlach. Das Marktwesen wurde .wie überhaupt das öffentlid,e Leben durch Ord nungen geregelt, die 1536 im Durlacher Rechtsbuch zusammengefaßt wurden, aber sicherlich schon lange vo rher bestanden. Sowohl die Königsurkunde von 1418 als auch das Rechtsbud1 von 1536 befinden sich im Stadtarchiv Karlsruhe. Als im Jahre 15 35 die Markgrafen Ernst und Bernhard den Vertrag über die Teilung der Mark- grafsd1aft schlossen, erhi elt Ernst neben seinen bisherigen Besitzungen u. a. die Städte, Schlösser, Amter pforzheim, Durlach, Mühlburg. Er wählte Pforzheim als Residenz, die sein Nachfolger, Markgraf Karl 11. , im Jahre 1565 nach Durlach verlegte. Durlach - Residenz der Markgrafen von Baden-Durlach. Dies wirkte sich zunächst im Stadt- bild aus. Im Vordergrund stand der Bau des Residenzschlosses, der Karlsburg, aber auch Stadt- mauer und Stadttore wurden erneuert, Straßen und Plätze wurden gepflastert. Die Durlad1cr wurden von manchen Abgaben befreit. Das Verhältnis des Landesherrn zu den Einwohnern sciner Residenz wird in besonderer Weise durch den Inhalt einer am 17. Mai 1567 ausgestellten Urkunde gekennzeichnet. Karl I I. sprach in dieser Urkunde die Befreiung der "E inwohner und gantzen Gemeindt unser Statt Durlach" von der Leibeigensd1aft gegen Bezahlung einer bestimmten Summe aus. In diesem "Servitut" sah der Landesherr ein großes Hindernis für die Entwick lung seiner Residenzstadt. Auch diese Urkunde wird im Stadtarchiv Karlsruhe verwahrt. Als selbstbew ußter Landesherr hat Karl TI. die Errichtung einer Münzstätte ins Auge gefaßt (Ende 1571). Von 1572 bis 1575 wurden unter Karl 11. Münzen geprägt : Taler, Halbbatzen, Dreier und Pfennige. Die Talerprägungen von 1575 waren nur von kurzer Dauer und gehören heute zu den Seltenheiten. Unter Karls Sohn, Markgraf Ernst Friedrich, wurd e 1586 das Dur- 78 lacher Gymnasium vollendet und eingeweiht. Zahlreiche bedeutende Gelehrte haben an diesem Gymnasium gewirkt. Diese Entwicklung der Residenzstadt auf den verschiedensten Gebieten fiihrte im 17. Jahrhundert zu schweren Rückschlägen. Der 30jährige Krieg lastete schwer auf den Oberrheinlanden, aud, auf Durlach und sei ner Bevölkerung. Nur langsam gelan g es, normale Verhältnisse zu schaffen, als das Land vom Pfälzischen Erbfolgek ri eg heimgesucht wurde. Schicksalstag für die Stadt und ihre Bewohner wurde der 16. August 1689 : an diesem Tag ging Durlad1 in Flammen auf. Das Schloß brannte bis auf den Prinzessinnenbau ab. Nur wenige Häuser blieben verschont. Unter den zahl reichen Maßnahmen, die nach diesen schw eren Kriegsjahren zur Förderung der Stadt ergriffen wurden, ist der von Markgraf Fried rid1 Magnus seiner Residenzstadt am 3. April 1699 erteilte "Freiheitsbrief" zu nen nen . Die bisherigen Privilegien blicben bestehen, also auch die Befreiung von der Leibeigenschaft. Wer ein modellmäßiges Haus baute, war 20 Jahre lang von gewöhnlichen und außergewöhnl ichen Abgaben und Lasten befreit, auch von Frondiensten. Die Sorge um das Wohl der E inwoh ner geht aus folge nder Stelle dieser Urku nde hervor: "Uns wi rd auch übrigens immerfort gelegen sein, die jetzige sowohl als künftige Bürger und Inwohner dieser unser lieben Statt Durlach nicht all~in bey guter auskömm licher Nahrung zu conserviren und zu schützen, sondern auch darin von Tag zu Tag nach Möglichkeit zu verbessern ... " Auch dieser "Freiheitsbricf" zähl t zum Bestand des Karlsruher Stadtarchivs. Mitten in den nur langsam vorankommenden Wiederaufbau der zerStörten Stadt trat ein Ereig- nis, durch das die weitere Entwicklung von Durlach einen empfindlichen Stoß erlitt: 1715 ver- legte Markgraf Karl Wilhelm seine Residenz von Durlach nach Karlsruhe. Man darf diesen Vor- gang nicht isoliert, nur auf Durlach bezogen sehen. Durlach zählt zu der Städtcgruppe an der Bergstraße und am Gebirgsrand, die als planmäßige Gründung ebenso wie andere Randstädte längere Zeit landesherrliche Residenz war und im 18. Jahrhundert diese Funktion an die Neu- gründungen in der Ebene abtreten mußte. Die Stadt DurIach war sich der Folgen, di e sich aus diesem Verlu st ergaben, durchaus bewußt. Wohl versuchten die Markgrafen Ka rl Wilhe1m und vor allem Karl Friedrich, die Wirtschafts- kraft der Stadt zu fördern. Es entstanden im 18. Jahrhundert Fabriken oder Manufakturen, die auf landesherrliches Privileg hin gegründet und mit zahlreichen, immer wieder erneuerten Frei- heiten von Abgaben, Steuern und Zöllen ausgestattet wurden. Diese industriellen Versuche sind als Ausdruck des merkantilistischen Wirtschaftssystems zu sehen. Sie haben sich für die Stadt öfters nachteilig ausgewirkt: wiederholt waren ihre Besitzer unter Hinterlassung von Schulden "echap- piert". N ur eine dieser Gründungen hat das 18. Jahrhundert überdauert: die Fayencefabrik . Im Jahre 1779 befaßte sich der Durlacher Rat mit der Frage über die Errichtung einer Univer- sität. Aus zwei Gründen sei dieses Vorhaben genannt: zum einen zeigt es das Bemühen der städti- schen Organe um Mittel und Wege für die Entwicklung der Stadt, zum andern aber gibt dieses Vorhaben Aufschluß über allgemeine Durlacher Verhältnisse des 18 . Jahrhunderts. Wegen des Universitätsprojektes hat sich der Durlacher Rat am 30. April 1779 in einer ausführlichen Bitt- schrift an den Landesherrn gewandt. Darin wird die wirtschaftliche Lage, die Armut und der • Zerfa ll der Stadt in bewegten Worten geschildert. "Hätte Durlach das unschätzbare Gl ück eines solchen Instituts, so würden die Brandstätten und Lücken der Stad t, welche bisher traurige Zeugen der Un vermögenheit der Inwohner sind, bald in modellmäßige Gebäude verwandelt seyn, schlechte Lotterfall en niedergerissen, zu tauglichen Häusern gemacht, an dere um ei n Stockwerk erhöhet und die ganze Stadt nach und nach verschönert werden.« Nach diesem Zeugnis hatte Durlach im ausgehenden 18. Jahrhundert die Folgen langer Kriegs- jahre noch nicht überwunden. Erst die im 19 . Jahrhundert eingetretenen territorialen, politischen und wirtschaft lichen Veränderungen schufen auch für Durlach ein en Wandel. Vor a llem war es die zunehmende Industrialisierun g, die nicht nur neue StädtetypeIl SdlUf, sondern auch die älteren Städte veränderte. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist in D urlach ein wi rtschaftlicher Auf- schwung zu verzeichnen. Als im Jahre 1903 die Durlacher Gewerbe- und Indust rie-Ausstellu ng veranstaltet wurde, befanden sich unter den 230 Ausstellern 132 Durlacher Firmen. Eine wichtige Voraussetzung für diese Entwicklung bildete der Ausbau der Verkehrsverbindun- gen, vo r a ll em der Bahnbau (Lini en H ei delberg - Karlsruhe, Durlach - Mühl acker, Kraichgau- bahn). Aber auch städtische Einrichtun gen wurden geschaffen wie das Gaswerk (1861) und das Wasserwerk (1896/97). Um die Jah rhundertwende wuchs die Stadt weit in das Umland hinein . Eine wesentliche Strukuränderung brachte der aufs trebenden Stadt das Jahr 1938, in dem sie in die Großstadt Karlsruh e eingegliedert wurde . . Die Geschichte einer Stadt und ihrer Bewohner is t Spiegelbild der Landes- und Reichsgesch ichte. Durlach, von den Staufern gegründet, seit dem 13. Jahrhu ndert Markgrafenstadt, 150 Jahre lang Residenz der Markgrafen von Baden-Durlach, ha t in dieser jahrhundertelangen territoria- len Zugehöri gkeit Zeiten friedliche r Entwicklung und Entfaltung, aber auch schwere, von K rieg, Not und Armut geprägte Jahre erlebt. Alle diese Schicksalssch läge hat die Durlacher Bevölke- rung gemeistert. Der Gegenwa rt obliegt die verpfli chtende Aufgabe, sich dieser Tradition bewußt zu sein und das überlieferte Kultu rgut zu bewah ren. Dieser Aufgabe dient auch das neugestaltete Pfin zgaumuseum . Hinsichtlich der Revolutionsdokumente 1848/49 des Pfinzgaumuseums verweisen wir auf "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs" Band 2 Die Badische Revolution 1848/49 im Pfinzgaumuseum erhältlich (DM 2,-) Vorankündigung: Als Band 4 der "Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs" wird erscheinen: Ernst Schneider Durlacher Volksleben 1500 - 1800 Volkskundliches aus archivalischen Quellen
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/literatur/stadtarchiv/HF_sections/content/ZZmpZbwlSRBoIy/Pfinzgaumuseum.pdf
untitled Sanierung Karlsruhe Alter Schlachthof Stadtumbau West 2007 – 2021 Stadt Karlsruhe Stadtplanungsamt 2 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Impressum Herausgegeben von: Stadt Karlsruhe | Stadtplanungsamt Leiterin: Prof. Dr.-Ing. Anke Karmann-Woessner Bereichsleiterin: Generalplanung und Stadtsanierung, Heike Dederer Redaktion: Karlsruher Fächer GmbH, Ariane Dony, Nathalie Henn, Lina Hoscislawski, Isabel Schüler Text, Konzeption: Karlsruher Fächer GmbH Layout: Karlsruher Fächer GmbH, Angelina Amann, Iris Dietrich; Presse- und Informationsamt, Zimmermann Titelbild: Liegenschaftsamt Quellen: Bieringer, Liane: Die Geschichte des Schlacht- und Viehhofes der Stadt Karlsruhe von 1928 bis in das Jahr 1988. Hannover 1991. Hofschulte, Bernhard: Die Geschichte des Schlacht- und Viehhofes der Stadt Karlsruhe bis zum Jahre 1927. Hannover 1983. Druck: Rathausdruckerei, Recyclingpapier Stand: Mai 2021 Stadtplanungsamt | 3 Sanierung Karlsruhe Alter Schlachthof Stadtumbau West 2007 – 2021 FetFetFetFetFetFF tsctsctscctschmehmehmehmehmehmehmehmelzelzezelzlz , F, F, FF, otootooto : F: F: FFFFFiideideideiid lislisilis FuFuFuchschshhhhhchshhs 4 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof IIIIIInnnnnnnhhhhhhhaaaaaallllllt Vorwort 6 Einleitung 8 HiHiststororrieieieieeeee 10 KoKoKKoKoKoKoKonvnvnvnvnvnvnvnvnvn ererereereeeee sisionon 222222200 PlPllllPllanananannnnanananananununununununununungsgsgsgsgsgsggsgsg rerererererererechchchchchchchchc tltltltltltltltliciciciciciciccchehehehehehehehehe uuuundndndnnd gggesese tatat ltltererisisssschchcccc e e GrGrununununununnnddddldlddddllagagagaaageneeeeeeeen 28 BBBeBeBBB teililiggunungg unnnunnnnnddddddd QuQuQuQuQQuQuuararaaaaaa titiererseseininbibindn ung 34 GeGebäbäududee (A(A(A(A(A(A(A(AA( usususuuuuu wawawawawawawaahlhlhhh )) 40  Fleischchcchchc markthalle undddddddddddd AAAAAAAtettt lililieereeeeeeeee haaaus ((((((AAlAlAllAA teteteteeteer SccScScccScSccchlhhhhhhhhh achthof 13 und 13 a) 42  Schweinestall (((Alter Schllllachttttthohohohhhh f ff 15) ) ))))) ) 46  Pferdeschhhlachhthhhhauaua s (AAltereeee Schhhhlalallllachchchthoofofofofoffofo 2222227)7)7))77)7))7) 48  UU U Umbmmbmbauaua - unundd Neubbaua maßnahmemeeeennnnnn auauauauaua ßeßeßeßßßßßeß rhalb des Stadtumbaugebieteseesssss 52 KoKoststenen-- unund Finan nznzieierurungngsüsübbersicht 60 ReReR sümem e e 64 Stadtplanungsamt | 5 PföPföPföPföPfPföPföPföfPföPföPffföff rtnrtnrtnrtnrtnrtnrtnrtnrtnrtnrtnr erherherherherherherherhereerheee äusäusäusäusäusäusäusäusäusäuäussäuuuä chechechechechechechechechechechecchen, n, n, n, n, n, n,nn,n, nnn FotFotFotFotFotFotFotFotFottotFotFotFoo oo:o:o:o::o:oo:o MatMatMatMatMatMatMatMaMatMatMMatMMatMatMMaMatttMattM thithithithithithithththhitththiihthh asas as as as asassassssaass KapKapKKapKapapKapKapKapKapKapapKapKapKapppicaicaicaicaicaicaicaicaicacicacaicaicacaccicca 6 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Stadtumbau – so ist das Bund-Länder-Förderprogramm überschrieben, mit dessen Unterstützung aus dem Schlacht- und Viehhof Karlsruhe das Kreativareal Alter Schlachthof werden konnte. Der Alte Schlachthof ist ein Beispiel dafür, dass sich hinter diesem Wort mehr verbirgt als das auf den ersten Blick Offensichtliche: Kräne und Bagger, Baustellen, Sperrungen, Hinweisschilder und Umwege. Stadtumbau beginnt, dies hat die Konversion des Alten Schlachthofs gezeigt, im Kopf – mit Gedanken und Ideen zu der Frage, wie eine Stadt sein soll, was eine Stadt braucht, in der wir als Menschen unserer Zeit leben wollen. Stadtumbau beginnt, wenn sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen verändern und einzelne Gebäude oder ganze Areale Zeuge dieser Veränderungen werden: Weil ihre Nutzung nicht länger besteht, weil ihre Beschaffenheit nicht länger zeitgemäß ist, weil sich, was einmal für den Fortschritt stand, in ein Abbild der Vergangenheit wandelt. Geschieht dies, braucht es Mut mitunter auch zu fundamentalem Wandel und den Willen, mit dem Bestand umzugehen und diesen aus neuen Perspektiven zu betrachten. Wer hätte vor wenigen Jahrzehnten, als der Schlachtbetrieb noch in vollem Gange war, als die Stadtgesellschaft vor und die Arbeit hinter den geschlossenen Mauern war, gedacht, dass aus diesem Ort einmal ein Zentrum für Kunst, Kultur und kreatives Arbeiten werden würde? Dass man sich in der ehemaligen Fettschmelze zum Mittagessen trifft, Besprechungen im ehemaligen Kühlhaus stattfi nden, man später sein Büro in einem Seefrachtcontainer in der ehemaligen Schweinemarkthalle zuschließt, um den Abend in der einstigen Hackerei ausklingen zu lassen? Stadtumbau – in einem zweiten Schritt braucht es dann sicherlich die Ausdauer und den langen Atem, die Phase des tatsächlichen Umbaus zu überstehen – mit allen Baustellen und Umwegen, Einschränkungen und gelegentlichen Hindernissen. Die Konversion des Alten Schlachthofs dauert bis heute an und hat in den vergangenen 15 Jahren einiges von den Nutzerinnen und Nutzern, die sich nach und nach auf dem Gelände ansiedelten, abverlangt. Stadtumbau bedeutet auf dem Alten Schlachthof auch, sich immer wieder die Frage nach dem weiteren Weg zu stellen. Bei jedem Gebäude, das nun in der zweiten Phase der Konversion auf dem ehemaligen Viehhof entsteht, wird – gemeinsam mit den aktuellen und zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern, mit der Politik, der Verwaltung, mit Expertinnen und Experten verschiedener Fachbereiche – baulich und inhaltlich Konzeptarbeit geleistet. Welche Nutzungen ergänzen das Bestehende? Wovon profi tiert das Areal? Wie steht das Gebäude zu den Herausforderungen der Gegenwart, zu Nachverdichtung, zu Klimaschutz, zu Nachhaltigkeit? All diese Themen machen deutlich, dass der Stadtumbau auf dem Alten Schlachthof mit Ende des Förderprogramms bei Weitem nicht abgeschlossen ist. Vielmehr war es ein entscheidender Baustein eines Transformationsprozesses, in dem es immer wieder auf neue Fragestellungen zu reagieren gilt. Ich freue mich darauf, die Entwicklung dieses außergewöhnlichen Areals auch weiterhin zu begleiten. Vorwort Dr. Frank Mentrup Oberbürgermeister Stadtplanungsamt | 7 PerPerfekfekt Futur, Foto: Fidelis Fuchs 8 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Wandel als Chance Die Konversion des Alten Schlachthofs Karlsruhe ist weitestgehend abgeschlossen. Wo früher geschlachtet und Fleisch verarbeitet wurde, sind Ateliers und Büros, Werkstätten, Galerien und Gastronomien entstanden. In ehemaligen Stallgebäuden, in Verwaltungs- und Wohngebäuden, in Verarbeitungshallen, in Maschinenräumen und Kühlhäusern. Das Programm Stadtumbau West, das die Konversion des Alten Schlachthofs in bedeutendem Maß gefördert hat, wurde etabliert, um Städte dabei zu unterstützen, Prozesse des wirtschaftsstrukturellen Wandels zu bewältigen und städtebaulich auf Umbrüche zu reagieren. 2006, mit dem endgültigen Ende des Schlachtbetriebs an der Durlacher Allee, stand der Schlacht- und Viehhof Karlsruhe, seit 1887 in Betrieb, ohne Zweifel vor einem bedeutenden Umbruch. Die repräsentativen und anspruchsvollen Funktionsbauten des Stadtbaumeisters Wilhelm Strieder, geplant als verbergende Hülle für die innere, wenig ansehnliche Nutzung, haben die Zeit überdauert und nichts an Schönheit und Qualität verloren. Ihre Nutzung jedoch wurde unter anderem aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen aufgegeben. Man begriff das Ende des Alten Schlachthofes als Chance auf etwas Neues, füllte Häuser, Hallen und Höfe mit neuem kulturellem, kreativem und wirtschaftlichem Leben. Diese Broschüre blickt zurück auf die Geschichte des Schlacht- und Viehhofs Karlsruhe und auf seinen Wandel hin zum Kreativareal. Sie erläutert beispielhaft das Vorgehen bei der Umnutzung des überwiegend denkmalgeschützten Gebäudebestands und bei der Errichtung nutzungsergänzender Neubauten. Sie beleuchtet außerdem die Themen Erschließung und Finanzierung und thematisiert abschließend die Beteiligung der Öffentlichkeit am Konversionsprozess und die Integration des Areals in das Quartier und die Gesamtstadt. Einleitung Stadtplanungsamt | 9 GasGasGasGasGasGasGaGasGasGasGaGasGGGaG thathathathathathathathththathahthtthhth us,us,uus,s,s StStStStStStStS raßraßraßraßraßraßraßraßraßßenpenpenpenpenpenpeee perserserserseerseereerspekpekpekpekpekpekpekekekekekpeekpekektivtivtivtivtivtivivivtivtivtivttivtivitivve ve ve ve ve ve ve ve veee ve ve ve vee vee vvononon nonnoonononn derderdderderderderdd DuDuDuDuDuDDuDDDuDuDuDuDuuDDDDD rlarlarlarlrlarlarllarlarlrrrr chechechechechechehechehehcheeeeeeeer Arr Ar Ar Ar Ar Ar Ar Ar Ar AAr AAAAAAllellllellellellellellellelellellll e Ee Ee Ee Ee Ee Ee Ee Eeee Ee Ee ndendendendendendedendendeddedededdddended dededededededededddededddeddes 1s 1s 1s 1s 1s 1s 1s 1s 1s 19.99. 9. 9.9.99.999. . 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Teil des Rathauskomplexes war ein Schlachthaus mit zwei Fleischbänken. Da der Landgraben um 1729 noch die südliche Grenze der Stadt bildete, lagen Rat- und Schlachthaus zunächst außerhalb des Wohngebietes. Doch nur wenige Jahrzehnte nach der Errichtung hatte sich die junge Stadt in einem solchen Maß vergrößert, dass sich das einst abgelegene Gebäude inmitten einer bewohnten Gegend befand. Dieser Umstand wurde von den ansässigen Nachbarn besonders im Sommer viel beklagt. Aus diesem Grund wurde 1794 das zweite Schlachthaus Karlsruhes errichtet, wieder am Rande der Stadt, am heutigen Ludwigsplatz gelegen. Doch nur wenige Jahre nach seiner Errichtung wurde das Gebäude am Ludwigsplatz für baufällig erklärt, überdies weitete sich die Stadt weiterhin kontinuierlich aus und man benötigte Platz für den Bau der Karlstraße. So wurde schon im Jahre 1819 in der heutigen Leopoldstraße das dritte Schlachthaus Karlsruhes in Betrieb genommen. Das beständige Wachstum der Stadt sowie der aus gesundheitlichen und hygienischen Gründen obligatorisch gewordene Schlachthausbenutzungszwang erforderten um 1880 einen weiteren Umzug beziehungsweise Neubau der städtischen Schlachteinrichtung. Man plante die Installation eines weitläufi gen Areals, eines kombinierten Schlacht- und Viehhofgeländes im östlichen Randbezirk Karlsruhes. Ein Gutachten des Veterinärs August Lydtin, erstellt im März 1883, beschreibt die grundsätzlichen Anforderungen an den neuen Schlacht- und Viehhof. Zu seinen Forderungen zählten unter anderem eine Geräumigkeit der Anlage sowie die strikte Trennung von Schlachthof- und Viehhoffl ügel aus Gründen der „Sittlichkeit“ – und um die Seuchengefahr gering zu halten. Außerdem, so verlangte Lydtin abschließend und formulierte damit sein zentrales Anliegen, müsse eine „Gefälligkeit der Anlage im Ganzen und in ihren Teilen, im Äußeren und Inneren“ gegeben sein: „Das Widerliche, welches aus dem Zwecke der Anstalt [...] hervortritt, muß durch die Kunst des Architekten gewissermaßen verhüllt oder mindestens abgeschwächt werden. [...] Die Forderung eines gefälligen Äußeren kann noch damit begründet werden, daß [...] es überhaupt der Würde der rasch aufblühenden Residenz entspricht, nicht allein zweckmäßige, sondern auch für das Auge gefällige Baulichkeiten aufzuweisen“. Wilhelm Strieder, der damalige Stadtbaumeister, der mit der Umsetzung des Bauvorhabens Schlacht- und Viehhof Karlsruhe betraut war, machte diese letzte Forderung Lydtins zur Maxime für die Gestaltung des Areals. Im Juni 1883 beschloss der Karlsruher Bürgerausschuss die Errichtung des neuen Schlacht- und Viehhofs entlang der Durlacher Allee gemäß den von Lydtin vorgegebenen Kriterien. Stadtplanungsamt | 13 SchSchSchS hSchweiweiweiweiwe nesnesnesnenesn chlchlchlhlachachaccccachccc thathathahaaususuusus undundundun KeKeKeKessessessesselhalhalhahahalh us,us,us,s,us,us,sss,ss, FoFoFoFoFoFoFoFoFF to:to:to:to:toto:to:tt StStStStStStStStadtadtadtadtadtadtadtadtd arcarcarcarcarcarcarcrchivhivhivhivhivhivhivhi KaKaKaKaKKaKaKaKaarlsrlsrlsrlsrlsrrrls hhruhhruhruhruhe (e (e (8/P8/P8/PPBSBSBSBSS oXIoXIoXIoXIVVVa Va V 100001008)88) 14 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Eine „gefällige Anlage im Inneren und Äußeren“ (1885 – 1887) Der Baubeginn für die neue Schlacht- und Viehhofanlage war im März 1885. Nicht einmal zwei Jahre später, im Dezember 1886, konnte die erste Probeschlachtung auf dem Areal stattfi nden. Strieder hatte eine zweifl ügelige Anlage errichtet, geteilt durch die bis heute vorhandene Schlachthausstraße und somit Lydtins Forderung nach einer strikten Trennung der beiden Höfe erfüllt. Schlacht- und Viehhof waren und sind noch immer jeweils von einer Mauer umschlossen, die nur an wenigen Stellen zum Viehübertrieb geöffnet werden konnte. Während auf dem Schlachthof geschlachtet und das Fleisch verarbeitet wurde, wurden auf dem Viehhof Viehmärkte abgehalten. Bei Inbetriebnahme des Schlacht- und Viehhofs gab es auf dem Areal unter anderem drei Schlachthallen, die Kaldaunenwäsche, ein Remisengebäude, mehrere Stallgebäude und Markthallen, zwei Verwaltungs- bzw. Wohngebäude sowie ein Gasthaus, in dem auch die Viehbörse stattfand. Die neu errichtete Anlage war bewusst nur rudimentär ausgestattet. Strieder hatte darauf gesetzt, dass sich mit Beginn des Betriebes schnell herausstellen würde, um welche Gebäude der Schlacht- und Viehhof zu ergänzen war, um einen reibungslosen Arbeitsablauf zu ermöglichen. Am 28. März 1887 schließlich wurde der Schlacht- und Viehhof feierlich eröffnet. Die Karlsruher Bevölkerung versammelte sich entlang der Kaiserstraße, um den Festzug beobachten zu können, der vom Mühlburger Tor bis zum neuen Schlacht- und Viehhofgelände an der Durlacher Allee zog. Neue Gebäude, technischer Fortschritt und der erste Weltkrieg (1887 – 1919) Um die Jahrhundertwende hielten einige technische Neuerungen auf dem Schlachthof Einzug. 1899 wurde beispielsweise der erste Fernsprechapparat im Schlachthof installiert, ein Jahr später wurde das ganze Gelände von elektrischem Licht beleuchtet. Es gab immer wieder Besuche in- und ausländischer Delegationen, die sich ein Bild von dem äußerst modernen Betriebsablauf auf dem Schlacht- und Viehhof Karlsruhe machten. Wie Strieder es vorausgesehen hatte, zeichnete sich bereits kurze Zeit nach der Eröffnung der Bedarf an weiteren Gebäuden auf dem Schlachthofgelände ab. 1905 wurde neben dem Verwaltungsbau ein Wohnhaus für den Direktor des Schlacht- und Viehhofs errichtet. Ein äußerst umfangreiches Modernisierungs- und Ergänzungsprogramm wurde 1910 beschlossen und in den Jahren 1912 – 1916 durchgeführt. Hierbei entstanden auf dem Areal unter anderem ein neues Schweineschlachthaus, ein Kessel- und Maschinenhaus, eine Vorkühlhalle mit Eisfabrik, eine Talgschmelze, ein Pferdeschlachthaus und ein Seuchenschlachthaus. Das erste Kriegsjahr 1914 hatte zunächst keinen negativen Effekt auf den Schlacht- und Viehhof Karlsruhe – im Gegenteil. Im Jahresbericht ist sogar von „außerordentlich günstigen“ Auswirkungen des Kriegsbeginns auf das Geschäft die Rede, vermutlich bedingt durch die Fleischlieferungen an das Heer und die Verminderung der Viehbestände durch die Landwirte, denen es aufgrund der eingezogenen Männer an Arbeitskräften zur Versorgung der Tiere mangelte. Stadtplanungsamt | 15 Schchweiwe nemnemarkrkthahallele, FFoto: Stadadtartarchichiv Kv Karlar srusruhe he (8/(8/AlbAlben4en41 31 376 6 a)a) 16 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Der zweite Weltkrieg, Wiederaufbau und wirtschaftlicher Aufschwung (1919 – 1963) Das Ende des Ersten Weltkriegs brachte zunächst keine wirtschaftliche Erholung. Die zu Beginn der 1920er Jahre einsetzende Infl ation hatte auch für den Schlacht- und Viehhof verheerende Folgen. Erst nach Überwindung der Infl ation 1924 normalisierte sich der Betrieb auf dem Areal, allerdings nur für einige wenige Jahre. 1927 begann man ein zweites umfangreiches Modernisierungsprogramm umzusetzen. An einigen Gebäuden wurden Verbesserungen vorgenommen, man passte sich erneut den Entwicklungen der Zeit an. Auf dem Viehhof entstand die neue Schweinemarkthalle, die bis heute erhalten ist. Bereits in den frühen 1930er Jahren etablierte sich der Nationalsozialismus auch in Karlsruhe. Die jüdische Bevölkerung wurde systematisch und beständig aus dem Handel mit Tieren und Fleisch gedrängt. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte zu einem enormen Lebensmittelmangel, besonders in den Städten. Die Freibank des Karlsruher Schlacht- und Viehhofs, wo zweitklassiges Fleisch zu günstigen Preisen an die Bevölkerung verkauft wurde, wurde nach Kriegsausbruch verstaatlicht. Es bestand die Anweisung, das Fleisch nur noch an Bedürftige zu verkaufen, die sich anhand einer Bescheinigung des Wohlfahrtsamts ausweisen mussten. Nach Kriegsende, im November 1945 nahm sich die amerikanische Militärregierung des Schlacht- und Viehhofs an. Alle Gebäude hatten durch die Fliegerangriffe mehr oder minder schwere Schäden davongetragen, Wenngleich nur zwei Gebäude vollständig zerstört waren - das Maschinenhaus und die Großviehmarkthalle auf dem Viehhof - traf doch der Verlust des Maschinenhauses den Betriebsablauf auf dem Areal empfi ndlich, da die Kühlung des Fleisches gänzlich unmöglich geworden war. In den 1950er und 1960er Jahren stieg das durchschnittliche Einkommen der Verbraucher in Deutschland bedeutend an - und mit ihm der Fleischkonsum, auch, weil sich die Preise für Fleisch seit den unmittelbaren Nachkriegsjahren kaum erhöht hatten. 1963 arbeiteten auf dem Schlacht- und Viehhof 96 Vollzeitkräfte und 16 Teilzeitkräfte - im Betrieb waren in diesem Jahr mehr Beschäftigte angestellt als jemals zuvor oder jemals danach. Dass der Schlacht- und Viehhof schon bald bedeutend weniger Personal beschäftigte, war unter anderem der Vollautomatisierung einiger Arbeitsabläufe wie der Kühlung in den späten 1960er Jahren und der Viehhofverpachtung in den frühen 1970er Jahren geschuldet. KKalKalaKaKaKaaa daudauauudaa nennennennennwäswäswäswäswwässässww chechechechechecheche, F, F, F, Fotootootootot : S: Stadtadadddtartartartaa chchichichhh v Kv Kv arlarlar srusrusruhe he he (8/(8/8///PBSPBSPBSPBS XXXIXIIIX VaVaVaVaVaVaVaVaVaVaVVaVa 4344314434343114 ))))) Stadtplanungsamt | 17 AbbAbbrucruch dh der er hishistortoriscischenhen ScSchlahlachtchthalha lenen 1919971,71, FoFoto:to: StStadtadtarcarchivhivh KaaKarlsrlsruhruhe (e (e 8/B8/BA SA A Schlhlh esiesigergerg A2A2A22 12 16 76 76 7 25525))) 18 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Der letzte Neubau, Fremdnutzungen und erste Zukunftsvisionen (1970 – 1990) 1971 wurde der Viehhof privatisiert. Hintergrund war das beträchtliche wirtschaftliche Defi zit, das der Viehhof regelmäßig verzeichnete und das den städtischen Haushalt stark zu beeinträchtigen begann. Da der Viehhof auch in den folgenden Jahren stark bezuschusst werden musste, vermietete man zahlreiche Bestandsgebäude an externe Firmen. So siedelten sich mit der Zeit unter anderem Automobilfi rmen, Werkstätten, ein Braugeschäft, ein Pizzabäcker, ein Gewürzhändler und eine Spedition an. Resultierend aus den veränderten Anforderungen an einen zeitgemäßen Schlachtbetrieb wandelte sich in den Nachkriegsjahrzehnten auch das bauliche Erscheinungsbild. Die Schlachthallen der ersten Bauphase waren noch in Betrieb, angesichts der fortgeschrittenen Technik stellten sich die hygienischen und verfahrenstechnischen Vorgänge jedoch zunehmend als nicht länger tragbar dar. Dies hatte unter anderem den Abbruch zweier der vier historischen Schlachthallen zwischen 1971 und 1973 zur Folge. An ihrer Stelle entstand bis 1975 eine neue kombinierte Großschlachthalle mit zeitgemäßer Ausstattung. Doch auch solche Modernisierungsmaßnahmen konnten mit den sich immer weiter verändernden Entwicklungen und immer neuen Anforderungen langfristig nicht mithalten. Viele Gebäude wurden durch betriebsnotwendige Anbauten neuerer Art ergänzt. Gleichwohl blieb auf der Westseite des Areals, dem Schlachthof, die ursprüngliche Bebauungsstruktur und der Großteil historischer Bestandsgebäude weitgehend erhalten. Anders gestaltete sich die Lage auf dem Viehhof, dort gibt es außer den erhaltenen Randbauten und der ehemaligen Schweinemarkthalle keine ursprüngliche Bausubstanz mehr. Nicht nur der Viehhof, sondern auch der Schlachthof geriet zunehmend in wirtschaftliche Bedrängnis. Bedingt durch die sinkenden Schlachtzahlen hatte man schon seit den 1980er Jahren immer wieder über eine Aufgabe des Karlsruher Schlachthofs nachgedacht und Überlegungen über alternative Nutzungen des Areals angestellt. Bis zur endgültigen Schließung sollte es noch zwei Jahrzehnte dauern, doch mit dem Nebeneinander aus Fleischbetrieben und immer vielfältigeren branchenfremden, auch kulturellen Nutzungen begannen sich ab Mitte der 1990er Jahre die Ideen für eine kulturelle Ausrichtung des Gebiets zu konkretisieren. BliBliBliiliBliBBB ck kck ckkc aufaufufufufaauaauauaauuuf dididid ee ke kee ombombbbiniinininn erterterterttte GGGe Ge Gee Ge roßroßroßroßßschschhschschschschschchschchchs hlacacacacaclaclacaaaclaclaclaclaacccccaccchhthhthhththhhhthhthhthhththththhthhthhhhtthhthhhhhhhthh allallllalallalalaalalalaaaaaaaaaal e ie ie ie iee ie iee n dn dn ddn dddn ddddn denenenneneeeneeee 191119919971971971991971119191971979991 7197797199999 0er0er0er0eererererererer0ere0erereeeeee0e JJJJJJaJaJaJaJaJ hrehrehhrehrehrehren,nnn,nn,n FotFFototFotFotFototottFFo ooooo:o:o:o:o unununbnbnbunuuunbu bbbekaekaekaekaekakakakaekaekakakaekakkkkeke nntnntntnntnntnnttnnnnnntntnntnnnnnnnnnnnn Stadtplanungsamt | 19 SchSchchchchhchchhlaclaclacachthhthhhthooof,of, DeDeDD taaaaaiaiataaa l, l FotF o: karkarlsrs uhuhhhhhhehuhuhhhh rrfärfärfärfär äächechec r 20 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Konversion Stadtplanungsamt | 21 Lageplan, Darstellung: ASTOC Archititectsctst ananananand Pd Pd Pd Pd Pd Pdd Pd Planlanlanlananlanannernernernernernernne ss 22 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Vom Schlacht- und Viehhof zum Areal für die Kultur- und Kreativwirtschaft 1992 zog mit dem Tollhaus der erste Kulturbetrieb auf den Viehhof und bereitete als Pionier aus der Kulturbranche – wenn auch zunächst sicher ungeplant – den Weg für die Zukunft des gesamten Areals. Schon in den folgenden Jahren, unmittelbar nach dem Einzug des Tollhauses auf das Gelände, wurden erste Ideen zur Umnutzung des Schlacht- und Viehhofes zu einem Standort der Kultur in Karlsruhe entwickelt. Bewerbung als Kulturhauptstadt 2010 Im Zuge der Bewerbung Karlsruhes als Kulturhauptstadt 2010 wurde die Idee einer städtebaulichen Erneuerung über den Gedanken eines „Kreativparks Ostaue“ gezielt weiterentwickelt und als eines von vier Leitprojekten für die Bewerbung festgelegt. Die Idee war, Karlsruhe als Standort zu profi lieren, an dem sich Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur verbinden. Absolventen der Karlsruher Hochschulen sollten vor Ort attraktive Bedingungen und Perspektiven geboten werden, um ihr kreatives und wirtschaftliches Potenzial für Karlsruhe zu erhalten. Obwohl die Bewerbung der Stadt Karlsruhe als Kulturhauptstadt letztlich nicht berücksichtigt wurde, hielt die Stadt an den Plänen der Gebietskonversion fest. Die Ergebnisse eines in diesem Kontext durchgeführten Ideenwettbewerbs wurden im städtebaulichen Rahmenplan Karlsruhe-Südost konkretisiert und galten im Folgenden als Leitlinie für die Planungen zur Neuordnung der Situation um das Schloss Gottesaue und den Bereich des Schlacht- und Viehhofes. Im Alten Schlachthof mit seinem qualitätvollen historischen Baubestand sah man die geeigneten Voraussetzungen, Räume für innovative künstlerische und kulturaffi ne Nutzungen zu schaffen. 2003 formierte sich die Arbeitsgemeinschaft KreativParkOst, die Ideen und ein Programm für das Areal entwickelte und festschrieb. Städtebaulicher Ideenwettbewerb und Bebauungsplanverfahren Im Juli 2004 beschloss man die Aufstellung eines Bebauungsplanes für den Schlacht- und Viehhof. Als Ziele wurden die Neuordnung und Aufwertung des Areals für gewerbliche und kulturelle Nutzungen formuliert. Es sollte ein Gebiet entstehen, das Unternehmen mit medialem, kulturbezogenem und innovativem Hintergrund sowie Kultureinrichtungen optimale Bedingungen und damit zukunftsorientierte Arbeitsplätze bietet. Im Januar 2005 traf sich ein Gremium von Experten aus verschiedenen Fachbereichen in einem Expertenworkshop des Stadtplanungsamtes. Unter Beteiligung der AG KreativParkOst, städtischer Verantwortlicher, Vertreterinnen und Vertreter der politischen Parteien und der Kulturszene, darunter Jazzclub, Tollhaus und Substage und anderer bürgerschaftlich organisierter Interessengruppen wie dem Bürgerverein Oststadt erarbeitet die Runde Ideen, Programmvorstellungen und Richtlinien für eine erfolgreiche Umnutzung des Schlacht- und Viehhofs. Man beschäftigte sich unter anderem mit den Themenfeldern „Leitbild, Image, Nutzung“, und „Prozess“ und „Betreiber“. Im selben Jahr wurde die Karlsruher Schlachthof Betriebsgesellschaft mit der Karlsruher Fächer GmbH (KFG) verschmolzen; die Verantwortung für das Konversionsprojekt ging über an die Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs-KG (KFE), die zugleich auch das Eigentum an den Grundstücken und Gebäuden des Schlacht- und Viehhofs übertragen bekam. Die Anregungen des Expertenworkshops mündeten schließlich in einer Planungswerkstatt mit anschließender Architekturbeauftragung, die im Frühjahr 2006 stattfand. Aufgabe des konkurrierenden Entwurfsverfahrens war es, das Areal des Schlachthofes städtebaulich zu überarbeiten und ein Nutzungskonzept zu erstellen. Es sollte eine Bündelung von bereits bestehenden Kultureinrichtungen im Gebiet erfolgen. Auch sollte der zu erstellende Rahmenplan eine sukzessive Konversion berücksichtigen und unterstützen sowie eine Grundlage für den aufzustellenden Bebauungsplan darstellen. Als Gewinner des Wettbewerbes ging die Arbeitsgemeinschaft ASTOC (Köln)/Feigenbutz Architekten (Karlsruhe) hervor. Diese wurden im Spätjahr 2006 mit dem Bebauungsplanvorentwurf, den Beratungsleistungen und der Erstellung eines Gestaltungshandbuches beauftragt. Die von ASTOC/ Feigenbutz erarbeitete Konzeption für das Areal legt den zentralen Fokus auf die Identität des Geländes und auf die zum Großteil unter Denkmalschutz stehenden Gebäude. In einem Gestaltungshandbuch werden die städtebaulichen Grundgedanken für die Konversion festgehalten und wesentliche Anliegen formuliert. Die dargestellten Grundgedanken fi nden sich auch im Bebauungsplan „Schlachthof/Viehhof“ wieder, der die planungsrechtliche Grundlage für die Umsetzung der Gebietskonversion bildet. Stadtplanungsamt | 23 Umbau der Großschlachthah llel F, Foto kk: kk lllarlsrurururuherherherherhheeh fäcffäcffäccfäcächerherherher 24 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Projektfahrplan und Beginn der Konversion Der Projektfahrplan für die Konversion sah eine sukzessive Umnutzung des Schlacht- und Viehhofs bis 2015 vor. Vor Beginn der Maßnahmen galt es, sich einen Überblick über Strukturen, Bauzustand und Eigentumsverhältnisse auf dem Areal zu verschaffen. Am 27. Dezember 2006 fand auf dem Areal in einer feierlichen Zeremonie die letzte Schlachtung statt. Am 31. Dezember 2006 schließlich wurde der Betrieb auf dem Schlacht- und Viehhof Karlsruhe, nach 119 Jahren, offi ziell eingestellt. Der letzte fl eischverarbeitende Betrieb verließ 2010 das Gelände. Hinsichtlich der Nutzungen existierte zu Beginn der Konversion ein recht buntes Zusammenspiel aus den verschiedensten Branchen. Auf dem Schlachthof dominierten Zerlegebetriebe das Bild, einige Räumlichkeiten wurden auch von Künstlerinnen und Künstlern und kreativen Gewerbetreibenden und damit bereits im Sinne des künftigen Gebietskonzeptes genutzt. Auf dem Viehhof bestimmten zunächst noch vorwiegend Kfz-Betriebe das Bild, jedoch zeichnete sich ein Wandel bereits ab. Die Verlagerung des auf dem Viehhof ansässigen Autohauses in den Westen der Stadt bedeutete für viele der Kfz-Betriebe ebenfalls eine Einstellung des Betriebs oder die Verlagerung an einen anderen Standort. Eine umfassende Bestandsaufnahme attestierte dem Gebäudebestand bis auf wenige Ausnahmen einen schlechten Bauzustand. Marode Substanz, völlig veraltete technische Infrastruktur und Altlastenverunreinigungen waren nur einige der Unwägbarkeiten, mit denen sich die Projektverantwortlichen zu Beginn konfrontiert sahen. Ab 2007 setzte eine Phase reger Planungs- und Bautätigkeit ein. Nicht denkmalgeschützte Gebäude mit schlechter Bausubstanz, für die keine wirtschaftliche Nutzung möglich schien, wurden entfernt. Dem Abriss fi el auch die Großschlachthalle und spätere „Zschernitz-Halle“ zum Opfer, in der 2007 noch Kunstausstellungen stattfanden. Gleichzeitig begann man mit der Sanierung der historischen Bestandsgebäude. Aus ehemaligen Schlachthallen, Kühlhäusern und Stallgebäuden wurden Büros, Ateliers, Werkstätten und Gastronomieräume. Noch nicht sanierte Gebäude wurden teilweise als Atelierräume oder für Kunstveranstaltungen zwischengenutzt. Mit der wachsenden Zahl umgebauter Räume und neuer Mieterinnen und Mieter veränderte sich nach und nach das innere und äußere Erscheinungsbild des Alten Schlachthofs, vom unwirtlichen Industriegelände hin zu einem offenen und lebendigen Kommunikations- und Aufenthaltsort. Stadtplanungsamt | 25 GasGasGasGasGasGassGasG tsttsttsttsttsttsts ättättättätätää e, eee, e,e, ee FotFotFotFotFotFotto: o: oooo: o: karkarkarkarkarkarkkarlsrlslsrlsrlsssls uheuhuheuheuheheheu eheheheeu eu rfärfärfärfärfärfärfärfärfärfärfäächechechehhhhcheerrrr 26 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Das Leitbild Unter der Projektleitung der Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs-KG wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Kulturamt, der Wirtschaftsförderung und dem Verein ausgeschlachtet e. V. bei der Konversion des Alten Schlachthofes einige grundlegende Ziele verfolgt: Dazu gehören die Schaffung von Raum für Kreative und Kulturschaffende und einhergehend damit die Bündelung von vorhandenen Potenzialen sowie die Ermöglichung von Synergien auf dem Areal sowie mit dem städtischen Umfeld. Auch der öffentliche Raum wird den Nutzerinnen und Nutzern und den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt bereitgestellt – zum Aufenthalt, zur Begegnung, als Kommunikationsort. Durch ein neuartiges Verkehrskonzept entstand ein sogenannter shared space, in dem Fußgänger, Radfahrer und PKW-Fahrer gleichberechtigt sind und in dem Verkehrsfl ächen und Parkplätze als temporärer Veranstaltungsraum mit rauem Hofcharakter bespielt werden können. Ein weiterer Vorsatz war und ist das Betreiben einer nachhaltigen Stadtentwicklung durch die Umnutzung von bereits Bestehendem und der Ansiedlung von innovativen und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen. Der Alte Schlachthof Karlsruhe soll in erster Linie eines sein: eine Plattform, die die Nutzerinnen und Nutzer frei und kreativ gestalten und damit das Areal auf individuelle Art beleben können. Den geeigneten Rahmen hierzu gibt das gestalterische Grundkonzept vor, das in einem Gestaltungshandbuch festgehalten wurde. Dieses sieht vor, den Alten Schlachthof mit seinen charakteristischen Merkmalen so weit wie möglich zu erhalten und seine Identität durch gezielte Akzentsetzung zu unterstreichen. Die einzigartige Verbindung von Ästhetik und Funktionalität, die das Gelände auszeichnet, soll Raum für die eigene Interpretation der Nutzerinnen und Nutzer offenlassen. Der Alte Schlachthof und „Stadtumbau West“ Der Alte Schlachthof Karlsruhe konnte 2007 in das Bund- Länder-Programm „Stadtumbau West“ aufgenommen werden. Es war das erste Areal in diesem Städtebau-Förderprogramm in Karlsruhe. Der Förderzeitraum wurde während der Laufzeit bis Ende 2020 verlängert. Der Stadtumbau auf dem Areal wurde über diesen Zeitraum hinweg mit circa 2,3 Millionen Euro durch Bund und Land unterstützt. Weitere circa 1,6 Millionen Euro verbleiben bei der Stadt als Komplementärmittel. Zur Aufnahme ins Förderprogramm, das sich auf die Unterstützung von Kommunen bei der Bewältigung von Folgen des wirtschaftlichen und demografi schen Wandels konzentriert – mit dem Ziel einer städtebaulichen Qualitätsoffensive im Bestand – trugen folgende für den Schlacht- und Viehhof Karlsruhe festgestellten städtebaulichen Missstände bei: ein Funktionsverlust und eine fehlende Nutzungsstruktur nach Aufgabe der Nutzung als Schlacht- und Viehhof; eine zunehmende Verödung des Gebietes, die mangelhafte Bausubstanz, eine fehlende Verkehrsanbindung, der Mangel an öffentlichen Flächen, der hohe Anteil an versiegelten Flächen sowie die nicht vorhandene Einbindung des Gebiets in die Ost- und die Gesamtstadt. Stadtplanungsamt | 27 StrStrStrStraßeaßeaßeaßßenbanbababn hnthnthnthhnnn rasrasrassse se ssess in inin derder ehehemaemamamamm ligligigi enen SchSchSchccS laclacaclaca hthhthhthhthhausauausauu strstrstraßeaßeaßeaßeaßeße, F, F, FFotootootootoo: M: M: MMattattattt hiahiahiahiahiaas Ks KKapiapiapiapa cacacacca 28 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Planungsrechtliche und gestalterische Grundlagen Stadtplanungsamt | 29 Bebauungsplan „Schlachthof-Viehhof“, 31. Juli 2007: Stadt Karlsruhehtth srusrusrusrusrulsrlsrlsrlsrls 30 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Bebauungsplan „Schlachthof-Viehhof“ Grundlage für das planerische Konzept des Bebauungsplans bildete der Rahmenplan Karlsruhe-Südost, der 1993 als Ergebnis eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs zur Neuordnung von Karlsruhe-Südost entwickelt wurde. Gestalterische Basis des Bebauungsplans ist die Beibehaltung der städtebaulichen Struktur im Schlachthof und die Neustrukturierung des Viehhofs nach dem vorgefundenen Prinzip. Dieses wird bestimmt durch folgende vier Grundbestandteile: Größtmöglicher Erhalt der bestehenden denkmalgeschützten Mauer. Schaffung von Wegebeziehungen durch einzelne defi nierte Durchbrüche. Beibehaltung der Höfe. Neben der Nutzung zu Erschließungs- zwecken und als Parkierungszone sollen diese für eine fl exible Bespielung (zum Beispiel für Veranstaltungen) nutzbar sein sowie als Aufenthalts- und Kommunikationszonen dienen. Erhalt des historischen Baubestandes einerseits und Schaffung qualitätvoller Neubauten andererseits. Defi nition der Randzonen zwischen Gebäuden und den Höfen als sogenannte „Aurazonen“. Diese sollen als „Arbeitsfl äche im Freien“ und Verweilzonen dienen und die Nutzungen, die im Inneren stattfi nden, nach außen sichtbar machen. Alle wichtigen Vorgaben zum Umgang mit den Gebäuden und Flächen, zu Begrünung, Werbeanlagen, Geräuschkontingentierung und vieles mehr sind im Bebauungsplan verankert. Inhaltlich defi niert der Bebauungsplan das Baugebiet Schlachthof Viehhof im Wesentlichen als „Sondergebiet für Kulturnutzungen und hochwertiges und kulturnahes Gewerbe“. Gestaltungshandbuch Ergänzend zum Bebauungsplan wurde ein Gestaltungshandbuch als zusätzliches wesentliches Steuerungselement von der AG ASTOC/Feigenbutz erarbeitet. Darin sind weitere gestaltungsrelevante Aussagen zu wesentlichen Aspekten der Architektur und Außenraumgestaltung festgehalten. Es soll Verständnis für diese Regeln bei den Nutzern wecken, zur Zusammenarbeit animieren und gemeinsam mit dem Bebauungsplan die Qualität der Quartiersentwicklung sichern. Die Inhalte sind deshalb nicht restriktiv formuliert, sondern werden anhand von positiven Beispielen und Bildern veranschaulicht. Analog zum Bebauungsplan werden Grundgedanken zu den Themen „Öffentlicher Raum“, „Baukörper“, „Grün“, „Aurazonen“ und „Umgang mit dem Bestand“ skizziert und Impulse für Nutzungsmöglichkeiten gegeben. Stadtplanungsamt | 31 KühKüKühKühKühKKühKühKühlhahalhalhalhahalhalhalhalhah usus,us,us,us,us,us FoFoFoFoFoFoFoto:to:to:o:to:toto:oo:o:o:to:ooo:o::o MaMaMaMaMMaMaMaMMaMaM tthtthtthtthtthtthtthtthtththhthhht hhhiasiasiasasiasasiasiaiasiaiasaiasasaiaaaaiaaaiaiasassssa KaKaKaKaKaKaKKaKaKaKaaKaaKK picpicpicpicpicpicpicpicpicpicpiccpicpicipicipppicpicpicipiccpicaaaaaaaaaaaaaaa 32 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Öffentliche Flächen, Verkehr und Infrastruktur Neben den Gebäudesanierungen bedurfte es einer Neuordnung der Verkehrssituation und der Trennung zwischen öffentlichen und privaten Flächen. Zwischen 2012 und 2013 erfolgten dazu umfangreiche Erschließungsarbeiten und die Herstellung der öffentlichen Straßenfl ächen im Gebiet durch das städtische Tiefbauamt. Die bestehenden Gebäude erhielten neue Hausanschlüsse für die Versorgung mit Strom und Gas; einige Gebäude im westlichen Teil des Schlachthofs konnten an das örtliche Fernwärmenetz angeschlossen werden. Im Rahmen der Verkehrserschließung wurde das Areal außerdem an die Straßenbahntrasse Süd-Ost angegliedert, die inzwischen durch die ehemalige Schlachthausstraße verläuft und 2013 eingeweiht wurde. Mit zwei Haltestellen in unmittelbarer Nähe („Tullastraße/Verkehrsbetriebe“ und „Schloss Gottesaue/ Hochschule für Musik“) ist der Alte Schlachthof optimal an den ÖPNV angebunden. Ein im Rahmen der Konversion geschaffener Zwischenbau in der Gebäudegruppe 23 dient als Durchfahrt für den Radweg und schafft gleichzeitig die Verbindung zum Otto-Dullenkopf-Park und der benachbarten Musikhochschule im Schloss Gottesaue. Als weitere Bausteine wurden ein Leitsystem mit Orientierungstafeln und die Begrünung der Pfl anzbeete in den Höfen umgesetzt. Denkmalschutz Der Alte Schlachthof ist Kulturdenkmal nach §2 Denkmalschutz- gesetz. Zur Sachgesamtheit gehören alle bis 1945 errichteten Gebäude. Der Erhalt des historischen Baubestands ist wesentlicher Bestandteil des städtebaulichen Konzepts und gibt dem Areal sein unverwechselbares Gepräge. Die bauliche Umnutzung von ehemaligen Schlachthallen, Kühlhäusern und Tierställen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen möglichst weitgehender Substanzerhaltung und Herstellung neuer adäquater Nutzungsbedingungen. Hier galt es, denkmalverträgliche Lösungen zu fi nden, zum Beispiel bei der Herstellung neuer Fensteröffnungen, um dunkle Kühlräume in lichtdurchfl utete Arbeitsräume umzuwandeln. Gleichwohl waren teilweise auch Kompromisse nötig, etwa bei der Schaffung von Durchbrüchen in der denkmalgeschützten Mauer für die öffentliche Straßenführung. ErsErsErsErsrschlchlchlchließießießießungungungungunn auauauauauauaauauauf df df df ddf ddff ememm VieVieVieVieehhohhohhoohhof,f, f, f, FotFoFotFotFotoFotFotFoFo o:o:o:oo: karkarkarkarkkkarkarlsrllsrlsrlslsrrruheuheuheuheuhehuheeuheuheuheheherfärfärfärfärrfärrfär ääächeechecchchc rr Stadtplanungsamt | 33 SymSymSymymympppospospoposiiiumiiumuu 202000015,5,11 FoFootto:toto:to: kakarlsrlssrlslsruhruhruhruhru erferffächächerere 34 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Beteiligung und Quartierseinbindung Stadtplanungsamt | 35 BetBetttteieileilleileieililiguiguiguiguiguigiiguiiigiiiguiguigungsgsngngnngngnngng wwwworwwwwww kshopopop,oop FoFoto:to kakaarlsrlssslslslslssssrururuhruhruhruhruhurrr erferferfrferferfferferferffee fächächääcächächäcäcääääääächääääächeeererererrereeee Beteilliliguigui ngsngsngsgng wowowowooro kshk op, Foto: kkkkkkarlsruhu erfächer 36 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Beteiligung vor Beginn der Konversion bis heute Schon vor Beginn der Konversion des Schlachthofgeländes waren bürgerschaftliche Vertreterinnen und Vertreter an der Ideenfi ndung für die Zukunft des Areals beteiligt. Insbesondere Kunst- und Kulturschaffende aus der Stadt setzten sich für die Etablierung von kreativen Nutzungen auf dem Areal ein. Mit dem Zusammenschluss zur KreativParkOst AG 2003 organisierten sich diese Interessensvertreterinnen und -vertreter. Einige der Akteure waren schon auf dem Areal verankert bzw. hatten das Ziel, sich dort auch selbst niederzulassen. Auch das städtebauliche Wettbewerbsverfahren wurde von bürgerschaftlichen Akteuren begleitet: neben Vertreterinnen und Vertretern der Bürgervereine waren unter anderem Expertinnen und Experten der Kultur- und Kreativszene Karlsruhes eingebunden. 2010 gründete sich der Verein ausgeschlachtet e. V. als spartenübergreifender Zusammenschluss von Kulturinstitutionen, Unternehmen aus den Bereichen der Kreativwirtschaft, Künstlerorganisationen und freien Kulturträgern, die auf dem Schlachthofgelände ansässig sind. Der Verein machte es sich zum Ziel, Kunst, Kultur und Kommunikation im Alten Schlachthof zu fördern und sich für die Interessen der Mieterinnen und Mieter und Nutzerinnen und Nutzer des Geländes einzusetzen. Seit seiner Gründung fi nden regelmäßige Jour Fixe mit der Karlsruher Fächer GmbH, Kulturamt und Wirtschaftsförderung zum Austausch über das Geschehen auf dem Areal statt. Auch in die konzeptionelle Entwicklung von Gebäuden und bei architektonischen Wettbewerbsverfahren für Bauvorhaben auf dem Areal werden Vertreter des Vereinsvorstandes eingebunden. Seit 2016 hat der Verein außerdem einen beratenden Sitz im Aufsichtsrat der KFE. Der Austausch mit Interessensgruppen und potenziellen Nutzergruppen spielte auch bei der Konzeption des Gründerzentrums Perfekt Futur eine wichtige Rolle. In einem Workshop waren Studentinnen und Studenten dazu aufgerufen, ihre Ideen und Vorstellungen zu einem Gründerzentrum der Kultur- und Kreativwirtschaft darzustellen und ihre Bedürfnisse und Anforderungen an ein solches zu formulieren. Die Ergebnisse dieses Workshops fl ossen in die Konzeption zur Umnutzung der ehemaligen Schweinemarkthalle ein. Der Name „Perfekt Futur“ wiederum entspringt einem offenen Ideenwettbewerb für Studentinnen und Studenten kreativer und künstlerischer Studiengänge. Im Jahr 2015, zehn Jahre nach Beginn der Konversion, fand ein öffentliches Symposium unter dem Leitmotiv „Einblicke Ausblicke – Chancen und Herausforderungen für den Alten Schlachthof“ statt. Verschiedene Themenfelder – der Alte Schlachthof als Wirtschaftsstandort, die Nutzungsstruktur und Aspekte der Stadtplanung, Architektur und Gestaltung – wurden diskutiert und Handlungsempfehlungen für die Zukunft verfasst. Stadtplanungsamt | 37 Kunstausstellung in der r FleFlFleFl iscci hmhmhmaaaaaarktrktrkthalhalhalle,lele FoFoFF to:to:::o::o kakkakaakakkakkaaarlsrlsruhruherferffächächächerererr Schweiin gn gn gn gn gehaehaehaehaehabt!bt!bt!bt!bt! FoFoFoFoFotto:ttt karlsruhuhuhruhrruhrrruhherferferferferferferfächhchächächächächächächächächchherererererererererr 38 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Einbindung in das Stadtquartier und die Gesamtstadt Aus dem abgesperrten, undurchlässigen Areal von einst ist ein offener, ein öffentlicher Ort geworden – dies ist wohl die gravierendste Veränderung insbesondere für die Oststädterinnen und Oststädter, von denen sich viele noch an die gelegentlichen Straßensperrungen zum Viehübertrieb und an den Geruch, der von den Stallungen auf dem Schlacht- und Viehhof ausging, erinnern. Den Schlachthof selbst aber hatte bis zum Ende des Schlachtbetriebs kaum einer von innen gesehen. Heute ist der Alte Schlachthof nicht nur Treffpunkt für jene, die dort ihren Arbeitsplatz haben – große und kleine Veranstaltungsstätten, Cafés, Restaurants, eine Punk- und eine Weinbar bieten ein vielfältiges Angebot auch für Besucherinnen und Besucher. In den Aurazonen und Höfen zeigen viele Kreativschaffende zudem ihre Arbeit auch im Außenraum, ein Spaziergang über den Schlachthof lässt also Einblicke zu in die kreativen Schaffensprozesse, die dort stattfi nden. Noch weiter hinter die Kulissen blicken können Besucherinnen und Besucher am Tag der offenen Türen „ausgeschlachtet“ und an der Kulturnacht „Schwein gehabt“, die vom Verein ausgeschlachtet e. V. organisiert werden und abwechselnd einmal jährlich auf dem Areal stattfi nden. Als Ausstellungs- und Veranstaltungsort, besonders jedoch als Experimentierraum ist von Beginn der Konversion an die Fleischmarkthalle angelegt. Als Gemeinbedarfseinrichtung und Bürgerzentrum der besonderen Art liegt bei der Nutzung der Fleischmarkthalle das Hauptaugenmerk auf öffentlichen künstlerischen und kulturellen Veranstaltungen. Sie fungiert also als fl exibel nutzbarer Raum für unterschiedlichste Ideen und Veranstaltungskonzepte der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Fleischmarkthalle steht jedoch auch Hochschulen, gemeinnützigen Organisationen und Vereinen zur Verfügung und wird von solchen gerne und regelmäßig genutzt. Stadtplanungsamt | 39 FUXFUXFUXFUXFUXFUXFUXFUXFUFUXFUXFUXUXFUXFUXFUXFUXXFUXUXXXXUUXUXXUXFUX FeFeFFeFeFeeFeFeFeFeFeeFeFeFeFeeFeFeFeFeFeeeeeeeFestististististististististitististtstitstistititststtistststtstits gungungungungungungungugunungunungunggungugungunugunnguugugugggungg gs-gs-gggggggggg unund Ed Expap nsionsszentruruuuum, m, BBliBB ck ck vomvom MeMeesspssplatlatz az auf uf denennnden ehe eeeemaaaemaaaligligligligliggenenenennnne ViViVieieVieeVieeVieVieeVieeVieeeeehhhhhhhohhohoohhohhohhohohohohhhof,f,f,fff,f,fff, FFFoFotFotFotFotFotFoFFotFotoototFFFoF o:o:o:o:o:ooo:oo: BrBrBrBriiB iBrBriBrrBr gggggggidgggggggg a GGGGGonzonzonznznzonznznznznznzzzzzzzzzznznnzzonzzznznonzáleáleáleáleáleálleláleáleáleálelláleáleáleáleáleáleláleáleáleáleeáleáláleáleáleáleeáleeeáleleáleálá ssssssssssssssssssssssssssssss 40 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Gebäude (Auswahl) Stadtplanungsamt | 41 FleFleeisciscis hmahmamarktrktrkth lhalhallele nacnach Sh Sanian erung, Foto: N. 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Fortan diente sie als fl exibel nutzbarer Raum für unterschiedlichste Ideen und Veranstaltungskonzepte der Kultur- und Kreativwirtschaft und als zentraler Kommunikations- und Begegnungsort des Areals und der angrenzenden Stadtgebiete. Mit der Sanierung 2017 bis 2019 sollte die Fleischmarkthalle dauerhaft als Veranstaltungshalle für bis zu 400 Besucher verstetigt werden. Die Halle wurde dabei optisch nur wenig verändert, die Tragstruktur aus Gusssäulen und Gewölbedecken ist weiterhin sichtbar und prägt wesentlich den rauen Charakter des Hallenraums. Das Hauptaugenmerk der durchgeführten Maßnahmen lag auf der funktionalen Verbesserung. Diese beinhaltete insbesondere den Einbau einer Heizungs- und Lüftungsanlage und einer zweiten Verglasungsebene an den Hallenfenstern, um die Halle, anders als in der Vergangenheit, auch in den Wintermonaten nutzbar zu machen. Die Außenwände, Stahlstützen und Katzenläufe blieben unbehandelt. Ein neutraler Gussasphaltboden, der sich über die gesamte Halle erstreckt, vereinheitlicht und veredelt das Raumbild. Mittels zweier Öffnungen wurde die Fleischmarkthalle im Zuge der Sanierung auch mit der angrenzenden Wursterei verbunden. Durch die bauliche Verbindung der beiden Gebäude sind nicht nur Funktionseinrichtungen für die Veranstaltungshalle entstanden, sondern auch zwei Seminarräume, die unabhängig von der Fleischmarkthalle genutzt werden können. Als Gemeinbedarfseinrichtung und Bürgerzentrum der besonderen Art liegt bei der Nutzung der Fleischmarkthalle weiterhin das Hauptaugenmerk auf öffentlichen künstlerischen und kulturellen Veranstaltungen. Mit der Eröffnung und offi ziellen Einweihung der ehemaligen Fleischmarkthalle im September 2019 erhielten die KFG und die Stadt eine Auszeichnung des Landes für herausragende Stadtsanierung auf dem Areal des ehemaligen Schlachthofes (s. nebenstehendes Bild; Plakette: Städtebauförderung, „Stadt Bürger Dialog“ des Landes Baden-Württemberg). Ebenfalls in 2019 wurde die Fleischmarkthalle mit dem Hugo-Häring-Preis für vorbildliches Bauen ausgezeichnet. Die Jury würdigte mit dem Preis den „sensiblen Umgang mit der Bausubstanz und Geschichte und die kaum wahrnehmbare Integration neuer Elemente“. Seminarraumum in derder ehemaligigene WuWururssterei, Fotoo: N: N. K. K. Kazakov Übbebb rgaaaaaaaabebebebebebebebebebebebebbebeebebebebeeeebee ddddderderdederderderderdereddd AuAuAAAA szeeichchhnunn gg,g,g,g,g,gg,g,g,g,, FotFotFotFotototototFFotF tttFoFFFFFo o:o:o:o: o:oo:ooooo: oo: o StaStaStStStatStStttSSSSS dt dt t KarKa lsrsruheuheheeehhehhe Gebäude – Alter Schlachthof 13 Stadtplanungsamt | 43 AteAteAteAteAtetetelielielielielielieli rharharharharharharharhaaus,us,us,us,us,us,us,u FoFoFoFoFoFoFoFoto:to:to:to:toto:to: MaMaMaMaMMaMatthtthtthtthtthtthtthtthiasiasiasasasass KaKaKKKKK picpicpicpiciciccaaaaa FleeeFleFleFleleFleFleFleFleisciscisciscisciscisisciscscisci hmahmhhhhmahmahmahmahhm ktktrktrktkkthalh lh lh ll ellele unddundundd WWWuWuWW trstttrstereererei, iiii FotFotF tF tFoto:o:o NNNN.N KKazKazKazKK akoakokkakovv 44 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Alter Schlachthof 13 a Atelierhaus Anfang der 1980er Jahre erfolgte der Abriss der Schweineschlachthalle, da diese die notwendigen produktionstechnischen Anforderungen nicht mehr erfüllen konnte. An ihrer Stelle wurde westlich der Fleischmarkthalle als Nebengebäude ein Funktionsbau (ASH 13 a) errichtet, in dem sich zwei Zerlege- bzw. Fleischverarbeitungsbetriebe niederließen, die ihren Betrieb auch nach Stilllegung des Schlachthofs 2006 für einige Jahre fortführten. Aufgrund der großen Nachfrage nach Atelierräumen in Karlsruhe und dem Wunsch der Stadt, hochqualifi zierte Hochschulabgängerinnen und -abgänger künstlerischer Studienrichtungen in der Stadt zu halten, entstand die Idee, das Gebäude in ein Atelierhaus umzunutzen. Ziel der Planung war es, den Ist-Zustand des Gebäudes möglichst weitgehend zu erhalten. An der Gebäudestruktur, den Oberfl ächen innen und außen sowie an den Einbauten, wie zum Beispiel den Transportbahnen an den Decken, wurde so wenig wie möglich verändert. Dies entspricht dem grundsätzlichen Bestreben, den Gebietscharakter und die Geschichte jedes Gebäudes zu erhalten. Gleichzeitig trug man so dem Anspruch Rechnung, ein „Low-Budget-Projekt“ zu verwirklichen, welches das Ansetzen einer sehr geringen Miete für Kunstschaffende ermöglicht. Um eine ausreichende Belichtungssituation im Erdgeschoss zu schaffen, wurden die Nord- und Südfassade zu den Höfen hin geöffnet und großfl ächige Glasfronten eingesetzt. Neben ihrer Belichtungsfunktion dienen die Fassaden so auch als Präsentationsfl ächen für die Nutzerinnen und Nutzer der Atelierräume und ermöglichen Aus- und Einblicke. Im Obergeschoss waren nur geringfügige strukturelle Änderungen notwendig. Insgesamt entstanden im sogenannten „Atelierhaus“ acht verschieden große Atelierräume für künstlerische und kunsthandwerkliche Nutzungen. Seit April 2014 sind dort Kunstschaffende aus unterschiedlichsten Bereichen wie zum Beispiel Theatermalerei, Schmuckdesign oder Performancekunst tätig. 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Vertikale Gliederungselemente, Fenstergewände mit Zierquadern, dekorative Fassadenabschlüsse außen und gusseiserne Säulen als Tragelemente im Inneren verbinden den Schweinestall optisch mit den Nachbargebäuden Fleischmarkthalle und Großviehstall. An einen schmalen Mittelbau schließen sich traufseitig im Norden und Süden zwei große Räume mit hochliegenden Bogenfenstern an, in welche früher die Stallboxen integriert waren. Ziel der Planung war es, unter Beibehaltung der historischen Struktur eine Nutzung für zwei Großraumbüros zu ermöglichen. Hierfür war es notwendig, zusätzlich zu den bestehenden, hochliegenden Stallfenstern weitere Lichtöffnungen zu schaffen. Die neuen, größeren Fenster wurden unterhalb der historischen Stallfenster in selber Achse eingebaut; die Verwendung von dunklen Metallrahmen zeigt bewusst den Unterschied zu den historischen Fenstern mit Sandsteingewänden. Innenputzfl ächen und Böden mussten aufgrund der Kontaminierung mit Tierurin und sonstigen Gerüchen vollständig erneuert werden. An das traditionelle „Kalken“ von Stallwänden erinnert die reinweiße Farbgebung von Wänden und Decke. Durch den Einbau eines Boxensystems konnten notwendige Funktionsbereiche wie Sanitärbereiche, Teeküche oder Besprechungsraum in die neuen Büroeinheiten integriert werden, ohne den großzügigen Raumcharakter zu beeinträchtigen. Das Obergeschoss des Mittelbaus ist als Besprechungsbereich eingerichtet. Der Umbau des Gebäudes (verantwortet vom Architekten Matthias Tebbert, der als Teil der Bürogemeinschaft zwo/ elf auch Nutzer des Gebäudes wurde) wurde 2013 von der Architektenkammer Baden-Württemberg mit einem Preis für beispielhaftes Bauen (Kategorie: Bauen im Bestand) ausgezeichnet. Ebenso erhielt der Umbau die Hugo-Häring- Auszeichnung 2014 des BDA Kreisgruppe Karlsruhe. Der nördliche Teil des Gebäudes war mit eines der ersten Gebäude, welches im Rahmen des Stadtumbaus modernisiert/ umgebaut und gefördert wurde. Ebenfalls gefördert wurde der auf der gegenüberliegenden Straßenseite zur Schlachthausstraße hin liegende Gebäudeumbau und die Modernisierung des ehemaligen Großviehstalls Alter Schlachthof 47 auf dem ehemaligen Viehhofareal. Dieses Gebäude stellt hinsichtlich der Gebäudekubatur das Zwillingsgebäude zum Gebäude Alter Schlachthof 15 dar. 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Wenngleich als Pferdeschlachthaus errichtet, ist diese Nutzung für das Gebäude nicht dokumentiert. Auf Vorschlag der Karlsruher Häute- und Fettverwertungsgenossenschaft wurde das Gebäude unterkellert und dort ein Häutelager eingerichtet. Das Obergeschoss nutzte man durchgängig als Verwaltungsetage. 1953 erfolgten eine Instandsetzung und die Ausstattung mit elektrischen Winden. Zuvor war das Schlachten und die damit verbundenen Tätigkeiten Handarbeit. Ebenfalls in jüngerer Zeit wurden Vordächer und eine neue Glaseingangstüre im Norden ergänzt. In späteren Jahren nutzte die Fleischereigenossenschaft die Büroräume im Obergeschoss. Im Erdgeschoss waren Kühl- und Lagerräume untergebracht. Bis zur Sanierung 2014 wurden die früheren Büros unter anderem als Künstler- und Kleinkunstateliers zwischengenutzt. Wie in allen Bestandsgebäuden des Alten Schlachthofs sah das Sanierungskonzept einen möglichst behutsamen Umgang mit der historischen Bausubstanz vor. So blieben etwa die bestehenden, zum Teil rau anmutenden Wandoberfl ächen in weiten Teilen erhalten. Die Bodenbeläge sind in beschichtetem Gussasphalt, Linoleum sowie Bestands-Holzdielen ausgeführt. Teilweise wurden die Mietbereiche um neue Raummodule für die notwendigen Funktionsräume ergänzt. Im Obergeschoss zeugen noch einzelne Relikte wie Stahltresore oder eine Kassendurchreiche von der früheren Nutzung als Verwaltungsetage. Auch andere Elemente der historischen Ausstattung wie etwa Holz-Glas-Trennwände vom Treppenhaus zum Erdgeschoss und ersten Obergeschoss, Wandfl iesen und die Stahlfenster mit Öffnungsmechanismus blieben erhalten. Mit der Sanierung stehen insgesamt neun Mieteinheiten zwischen 40 und 300 Quadratmetern für Büro- und Ateliernutzungen zur Verfügung, die nach Abschluss der Umbaumaßnahmen 2019 von verschiedenen Kreativunternehmen bezogen wurden. Weitere Maßnahmen im Rahmen des Stadtumbaus Neben den beispielhaft dargestellten Umbau-/ Modernisierungsmaßnahmen konnte auf dem Areal eine Vielzahl von weiteren Gebäuden reaktiviert werden. So sind weiterhin die Gebäude der ehemaligen Kaldaunenwäsche (AS 21), die ehemaligen Kühlhäuser (AS 11), die ehemalige Großmarkthalle und Fettschmelze (AS 25) sowie das Remisengebäude (AS 23) Beispiele für einen gelungenen Stadtumbau auf dem Alten Schlachthofareal. Die Arbeiten im Gebäude des ehemaligen Kesselhauses (AS 01) sind derzeit noch im Gange. Der Plan auf Seite 62 gibt eine Übersicht über die Einzelgebäude, deren Lage und erfolgten Förderung. 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Sie unterscheidet sich mit ihren Anklängen an den Stil der Neuen Sachlichkeit von den historisierend und repräsentativ gestalteten Gebäuden der ersten Bauphase. Markant wirken die beiden Schiffe auf dem Flachdach der Halle, die der Belichtung und Belüftung dienen. Ein Sandsteinrelief über dem nördlichen Zugangstor mit einem Bauern, einem Viehhändler und vier Schweinen nimmt Bezug auf die anfängliche Gebäudenutzung. Ursprünglich besaß die Halle im Süden einen Vorbau mit Loggien. Vor 2006 diente die Schweinemarkthalle als Lagerhalle für die auf dem Viehhof ansässigen Kfz-Betriebe. Nachdem jahrelang nicht in die Bauunterhaltung investiert worden war, befand sich die Halle in einem solch schlechten Zustand, dass sie im Jahr 2000 trotz ihrer Einstufung als Kulturdenkmal zum Abbruch freigegeben wurde – der jedoch glücklicherweise nicht vollzogen wurde. Ein nicht denkmalgeschützter Anbau aus den 1960er-Jahren auf der westlichen Seite der Halle wurde 2007 rückgebaut. Ab 2007 entstanden erste Entwürfe für eine Umnutzung mit Blick auf eine künftige Funktion als Gründerzentrum. Von der Idee eines Raum-in-Raum-Konzepts aus gebrauchten Seefrachtcontainern galt es zunächst noch die zuständigen Entscheidungsgremien zu überzeugen. Im Rahmen einer Potenzialanalyse wurde im Juli 2010 der Bedarf eines Gründerzentrums für Kultur- und Kreativschaffende in Karlsruhe durch eine Studie des Fraunhofer ISI bestätigt. Um die Bedürfnisse und Anforderungen potenzieller Gründerinnen und Gründer schon in den Planungen umfassend berücksichtigen zu können, wurde im selben Jahr ein Nutzerworkshop veranstaltet, an dem Studierende und junge Absolventinnen und Absolventen verschiedener Karlsruher Hochschulen teilnahmen. 2011 schließlich beschloss der Gemeinderat die Umsetzung des Containermodells. Umbau- und Neubaumaßnahmen außerhalb des Stadtumbaugebietes Stadtplanungsamt | 53 PerPerPerPerPerPP fekfekfekfekekfekkkt Ft Ft Ft Ft Ftt Ft utuutuututuutuuuu r, rrr, r,r, rrr ©©©©©©Wo©Wo©©©©©©©W©©©©©© rksrkskshophoophop AAArArrchichitekturfotogrogrrogrrogrogrgrggggggg afiafififiafiafi afiafi aaafi afi fiaa e,ee,ee,eeeee,e,e,eeee, HocHocHocHocHocHocHocHocHocHocHoHoHocHoHHoHoHocH cHoH hschschschschhschsschschschhhhschhhschulhulhuhuhh lllh llhulhulh KKKKKe Ke Karlarlsrusruhe,he, Leeituitungng DirDirk Ak Altelt nkirch 54 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Umbau- und Neubaumaßnahmen außerhalb des Stadtumbaugebietes Alter Schlachthof 39 Perfekt Futur (ehemalige Schweinemarkthalle) Noch im selben Jahr wurde mit den umfangreichen Sanierungs- maßnahmen begonnen. Unter anderem waren eine komplette Dacherneuerung und eine Sanierung der Stahlbetonkonstruktion notwendig. Die historische Betonwabendecke konnte aus statischen Gründen nicht erhalten werden. Ebenfalls aufgegeben werden musste die südliche Vorhalle. Nach einem Abwägungsprozess verschiedener öffentlicher Belange wurde damit den bauordnungsrechtlichen Vorgaben zur Nachweisbarkeit von Stellplätzen Rechnung getragen. Mit dem Raumkonzept aus insgesamt 68 Seefrachtcontainern auf drei Ebenen entstanden kleinere und mittlere Arbeitseinheiten aus einem, zwei oder drei Containern. Die freien Flächen im Erdgeschoss sowie die Dachterrassen um und auf den Containern sind Bürobereich, Gruppenarbeitsplatz, Ruhe- oder Kommunikationsort, Ausstellungs- oder Präsentationsfl äche. Eine Containereinheit dient als Besprechungsraum. Die Container und Flächen wurden bewusst unmöbliert übergeben und eröffneten so den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung und Bespielung. Das Café im Eingangsbereich mit Außenbewirtungsfl äche ist zentrale Anlaufstelle und Treffpunkt für Nutzer und Gäste. Im April 2013 wurde das Gründerzentrum in der ehemaligen Schweinemarkthalle nach knapp anderthalbjähriger Umbauzeit feierlich eröffnet. Die ersten Gründerinnen und Gründer hatten ihre Container da bereits bezogen. Heute ist das „Perfekt Futur“ Standort für über 30 junge Firmen, die hier ihre ersten Schritte in die Selbständigkeit machen. Untrennbar mit der Entstehung von Perfekt Futur verbunden ist die Gründung des K³ Kultur- und Kreativwirtschaftsbüros. Das gemeinsame Büro von Wirtschaftsförderung und Kulturbüro des Kulturamtes der Stadt Karlsruhe wurde von städtischer Seite ins Leben gerufen, um Gründerinnen und Gründer zu begleiten und zu unterstützen. Das K³-Büro ist gemeinsam mit der Karlsruher Fächer GmbH für den Auswahlprozess für das Perfekt Futur zuständig und unterstützt darüber hinaus den Konversionsprozess auf dem Alten Schlachthof. 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Zu den bauzeitlichen Gebäuden, die nicht erhalten sind, gehört beispielsweise die ursprünglich zentral gelegene Großviehmarkthalle. Bei Übernahme des Areals und mit Abbruch einiger jüngerer Ergänzungsbauten verblieben auf dem Viehhoffl ügel entsprechend mehrere unbebaute Grundstücke, die nach der Konversion der Bestandsgebäude sukzessive bebaut werden. Drei Grundstücke wurden an private Investoren verkauft und bebaut (AS 45, AS 51-53). Für einige andere Grundstücke gab es Interessenten und Projektideen, die jedoch nicht umgesetzt wurden. Der Bebauungsplan enthält für Neubauprojekte zahlreiche gebietsspezifi sche Vorgaben, unter anderem für die architektonische Gestaltung und die Nutzung der Gebäude – Regularien, die nicht jeder Bauherr in seine individuellen Planungswünsche einzubeziehen bereit ist. Resultierend aus diesen Erfahrungen und den bisherigen Entwicklungen im Gebiet, steht der Gedanke, alle Grundstücke zwingend an Privatinvestoren zu veräußern, nicht mehr im Vordergrund. Stattdessen sind andere Projektideen in den Fokus gerückt, die von der Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs-KG als Bauherrin verwirklicht werden. Konzeptionell sollen die Gebäude eine Ergänzung zu den bereits verwirklichten Flächen und Nutzungen bilden. Nachdem der Neubau des FUX Festigungs- und Expansionszentrums 2019 fertig gestellt wurde, befi ndet sich derzeit das Kreativwirtschaftszentrum (KWZ) in der baulichen Umsetzung. Weitere Neubauprojekte, wie beispielsweise ein Erweiterungsbau auf der Grundstücksfl äche des Perfekt Futur, befi nden sich in der Planungsphase. TolTolTollhalhalhaus usus ErwErwErwErE eiteiteitterueruerueruurerungsngsngsgssngsnggsbaubaubaubaubauu F, F, FFotototo: MMMM: Mattatthiahias Ks Kapiapicaca Stadtplanungsamt | 57 FUXFUXFUX FeFeFestististit gungungung gs-ss unnund Ed Ed Expaxpaxp nsinsins onsonsonsn zenzee trur m, mm Fototo: Brigida Gonzáles RohRohRohRohRohRRRohRRRoRo baubaubaubaubaubabaua KrKrKrKrKrrKrreateateateateateata ivwivwivwivwivivwivwwirtirtirtirtrtrtirtrttschschschschschschchschschsc aftaftaftaftaftaftafta szeszeszeszeszeszentrntrntrntrntrntrtt um,um,um,um,m,um,um,um,m FoFoFoFoFoFoooto:to:to:to:toto:t kakakakakakarlsslrlsrlslsrlsrlsssruhruhuhhhhhruhruhruhruhruhuhruhuhruhuhhuhuhruhuhruhr herferferferferfrferferferferfeerfeerfeerferfeerferre ächäächächächächächächächächäächäcäcäcää erererererrer 58 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Umbau- und Neubaumaßnahmen außerhalb des Stadtumbaugebietes Alter Schlachthof 33 FUX Festigungs- und Expansionszentrum In unmittelbarer Nachbarschaft zum Gründerzentrum Perfekt Futur und dem Kulturzentrum Tollhaus setzt das FUX Festigungs- und Expansionszentrum die Reihe der Neubauten im Gebiet fort. Es ist der erste von der Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs-KG als Bauherrin in Auftrag gegebene Neubau. Das Gebäude richtet sich an Firmen, die für die Container im Perfekt Futur zu groß geworden sind, den Alten Schlachthof als liebgewonnene Nachbarschaft und kreativen Nährboden jedoch nicht verlassen möchten. Darüber hinaus bietet es weiteren jungen Unternehmen die Möglichkeit, Teil der Schlachthof- Gemeinschaft zu werden. Entworfen von der Birk Heilmeyer und Frenzel Gesellschaft von Architekten mbH aus Stuttgart, hebt sich das FUX durch eine moderne Architektursprache von den bestehenden Altbauten ab und fügt sich dennoch durch eine unaufdringliche und zeitlose Bauweise in das Gesamtensemble ein. Das Gebäude setzt zudem auf zukunftsweisende und nachhaltige Technik, um Ressourcen zu schonen. In hellen, lichten Räumen sind auf circa 3.300 Quadratmetern und fünf Stockwerken Büroeinheiten entstanden, die offen und fl exibel gestaltet sind und sich den Anforderungen junger Firmen anpassen, indem sie eine dynamische Nutzung zulassen. Kommunikationszonen und offene Räume im Loft- Charakter, die als Gemeinschaftsbereiche fungieren, unterstützen den Austausch zwischen den wachsenden Unternehmen. Sie bieten außerdem Platz für fi rmeneigene Veranstaltungen, Meetings oder Ausstellungen. Alter Schlachthof 57 Kreativwirtschaftszentrum Nach der Fertigstellung des FUX im April 2019 befi ndet sich in unmittelbarer Nähe derzeit das Kreativwirtschaftszentrum in der baulichen Umsetzung durch die Karlsruher Fächer GmbH & Co. Stadtentwicklungs-KG. Der Neubau bildet durch seine identische Kubatur nicht nur architektonisch einen direkten Anschluss zum Festigungs- und Expansionszentrum, sondern stellt auch hinsichtlich seines Nutzungskonzepts den nächsten Schritt in der Entwicklung der Nutzerinnen und Nutzer dar. Er soll in Zukunft einen vergrößerten Raumbedarf von Firmen abbilden, die schon seit Jahren auf dem Areal zu Hause sind und darüber hinaus Unternehmen beherbergen, die sich auf dem Alten Schlachthof neu niederlassen möchten. Als nordöstlicher Abschluss des Schlachthofareals wird das Gebäude zusammen mit dem Festigungs- und Expansionszentrum als repräsentative Adresse zum Messeplatz hin fungieren. Im Jahr 2017 wurde ein Planungswettbewerb (RPW) durchgeführt. Die Jury hat sich für den Entwurf der Architekten Steimle GmbH aus Stuttgart entschieden. Die Raumzuschnitte und Qualitäten entsprechen den Bedürfnissen von bereits etablierten Unternehmen. Entsprechend sind die Raumgrößen für die Büronutzung großzügig bemessen. Diese liegen zwischen 100 und 600 Quadratmetern, insgesamt werden neun Büroeinheiten realisiert. FUXF Festigungs-gs- unund Ed Expaxp nsionsonszenzentrutrum, m, FotFoto:o:: BriBrigidgida Ga onzáles Stadtplanungsamt | 59 SchSchlacl hththofmofmaueauueu r, FFoFototo: : karkarllsrlsrsruheuherfrfärfächer 60 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Kosten- und Finanzierungsübersicht Stadtplanungsamt | 61 Sanierung Alter Schlachthof, Maßnahmenübersicht, Stadt Karlsruhe/karlsruherfächer 0 25 50 m Abgrenzung Sanierungsgebiet (ca. 4,1 ha) kte/Zuschussbeträge ehem. Kesselhaus/Schweineschlachthaus 186.590 € Verwaltung (Teil) ehem. Direktorenhaus 10.250 € ehem. Kühlhäuser 670.580 € ehem. Schweinestall 248.080 € ehem. Filmhaus Nord 17.450 € Mitte/Süd 32.520 € ehem. Wursterei, Fleischmarkthalle (Gemeinbedarfseinrichtung) 784.070 € ehem. Fleischerei 84.400 € Durlacher Allee ho f Messplatz")P Stellplätze 36.000 € ehem. Remisengebäude 170.520 € ehem. Schlachthaus 487.110 € ehem. Seuchenschlachthaus 120.720 € ehem. Großviehstall 418.950 € ehem. Großmarkthalle (Geb. 2) 341.780 € Fettschmelze (Geb. 1) 31.840 € ehem. Kaldaunenwäsche, Salzlager 1.BA 187.040 € 2.BA 63.240 € !32( !72( !92( !74( !52( !12( , Heutige Nutzung: Haus der Produktionen , Heutige Nutzung: Kreativbüros (Film und Medien) , Heutige Nutzung: Kreativbüros , Heutige Nutzung: Kreativbüros Heutige Nutzung: Kreativbüros , Heutige Nutzung: Gastronomie, Technische Werkstatt , Heutige Nutzung: Kunsthandwerk, Kreativbüros , Heutige Nutzung: Ateliers für Kunsthandwerk , Heutige Nutzung: Kreativbüro , Heutige Nutzung: Gastronomie, Kreativbüros, Kunsthandwerk, Schlagzeugschule , Heutige Nutzung: Künstlerateliers , Heutige Nutzung: Veranstaltungsort , Heutige Nutzung: Kreativbüros 1 3 11 13a 13 15 17 Projekte/Heutige Nutzung/Zuschussbeträge 21 23 25 27 29 47 62 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Bund-Länder-Programm „Stadtumbau West“ (SUW) Alter Schlachthof Bewilligter Förderrahmen: 4,3 Millionen Euro Bewilligte Fördermittel: 2,6 Millionen Euro Die tatsächliche Gesamtförderung betrug rund 3,9 Millionen Euro. Hiervon wurden rund 2,3 Millionen Euro aus Städtebaufördermittel des Bundes/Landes bezuschusst; der Restbetrag von 1,6 Millionen Euro verblieb als Komplementärförderung bei der Stadt. Gesamtinvestitionsvolumen: circa 30 Millionen Euro  davon städtische Eigenkapitalausstattung KFE 5 Millionen Euro  Weitere Investitionen für Sanierungen über Bankdarlehen Stadtplanungsamt | 63 Duru chgchgangg zwwischenen KüKühlhhlhausaus und SSSSchwhhchch einesccchhhlah achtccc halle, Foto:o: StStadtadtadttplaplaplaplaplaalapplplpp nunnunnunnunnunnunnnunnunnn gsagsagsagsgsasamt mt mt mtmmmm KKKarK rlsrlsrs uhee 64 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Resümee Stadtplanungsamt | 65 UrbUUrbUrbUrbUrbrbU brbbbbrbbbbr ananananannannnnaaaaa Garararrrrrarrrarrdendendededededededeendendendenddededenddedennddeee inginginininngnginnngng vvovovovoov rrr Pr PPrr erferferfrffrfffrfektektektektktektekttektkt FuFuFuFuFuFuuF turtturtuurru F, FFFF, F, FFFFotootoototootototootoottootootoooto k: k: k: kkk: kkk: karlarlarlararararlararlarlararlarlararllrlrlaa srusrusrssrusrusrrusrsrss herhherherheheherherhhehehh fäcfäcfäcfäcfäcfäcächerheheherheh rrr 66 | Stadtumbau West 2007 – 2021 | Sanierung Karlsruhe | Alter Schlachthof Der Alte Schlachthof hat sich zum zentralen Inkubator der Kultur- und Kreativwirtschaft in Karlsruhe entwickelt – sein „kreatives Grundrauschen“ wirkt ins Quartier, in die Stadt und über die Stadtgrenzen hinaus. Als Gewerbegebiet der besonderen Art bietet der Alte Schlachthof heute Raum für alle Sparten der Kultur- und Kreativwirtschaft. Einem Areal, das durch das Aus seiner ursprünglichen Nutzung vor einer ungewissen Zukunft stand, wurde – ganz im Sinne von Stadtumbau West – durch einen offensiven, mutigen Umgang mit dem Bestand und ein durchdachtes städtebauliches und wirtschaftliches Konzept zu einem neuem Dasein verholfen. Der denkmalgeschützte Gebäudebestand – wenn auch zu völlig anderen Zwecken erbaut – spielte dabei aufgrund seiner hohen baulichen und gestalterischen Qualität eine entscheidende Rolle. Die ehemaligen Schlacht- und Markthallen, Verwaltungs- und Werkstattgebäude, Remisen und Ställe bieten eine atmosphärisch außergewöhnliche Hülle für ihre heute kreativen und kulturellen Nutzungen. Die Freifl ächen auf dem Viehhof – lange ungenutzt und verödet – bieten zudem das Potenzial, den Alten Schlachthof räumlich, konzeptionell und strategisch zu ergänzen und ihn so in seiner Eigenschaft als Gewerbegebiet mit Sondernutzung zu stärken und weiterzuentwickeln. Doch der Alte Schlachthof ist mehr als eine Bündelung von Arbeitsplätzen der Kultur- und Kreativbranchen – er hat sich zu einem Treffpunkt, zu einem integrierten Bestandteil des Quartiers entwickelt. Mit seinen Cafés und Restaurants, bei öffentlichen Veranstaltungen und Konzerten, an einem Tag der offenen Tür oder schlicht als Fuß- oder Radweg zum Otto-Dullenkopf-Park oder zum Park vor dem Schloss Gottesaue – der Alte Schlachthof steht, anders als in der Vergangenheit, den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt offen. Um all dies zu ermöglichen, brauchte es die Begleitung, die Unterstützung und die Überzeugung von vielen Seiten – das Bund-Länder-Programm Stadtumbau West war dabei ein wichtiger und verlässlicher Baustein. Stadtplanungsamt | 67
https://www.karlsruhe.de/securedl/sdl-eyJ0eXAiOiJKV1QiLCJhbGciOiJIUzI1NiJ9.eyJpYXQiOjE2ODc5NzEyOTcsImV4cCI6MzMyMTc2MjY0NTYsInVzZXIiOjAsImdyb3VwcyI6WzAsLTFdLCJmaWxlIjoiZmlsZWFkbWluL3VzZXJfdXBsb2FkLzA1X01vYmlsaXRhZXRfU3RhZHRiaWxkLzA1Ml9TdGFkdHBsYW51bmcvMl9TYW5pZXJ1bmcvMjEwNTA1X0Jyb3NjaHVlcmVfU3RhZHR1bWJhdV9XZXN0LnBkZiIsInBhZ2UiOjExNjd9.-J41XxomnNqBGCpRh2IapEWkXf3KRgUtKuBMdvJKU7g/210505_Broschuere_Stadtumbau_West.pdf