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Version vom 14. November 2018, 14:54 Uhr von KarlsBot (Diskussion | Beiträge) (Setzen des DISPLAYTITLEs)(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied) Dollmätsch um 1840, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oIII 110. Inhaltsverzeichnis 1 Joseph Bernhard Dollmätsch 1.1 Quelle 1.2 Werk 1.3 Literatur Joseph Bernhard Dollmätsch Gastwirt, Oberbürgermeister, Mitglied der Ständeversammlung, * 22. März 1780 Karlsruhe, † 8. Mai 1845 Karlsruhe, ev., ∞ Johanna Ring, mindestens 11 Kinder. Dollmätsch stammte aus einer Gastwirtsfamilie, übernahm 1802 die väterliche Wirtschaft „Zum Rappen“ in der Langen Straße 99. Um 1818 verpachtete er sie und bezog das Haus Kronenstraße 19. Sein Onkel Ludwig Leonhard Dollmätsch führte die Gastwirtschaft „Zum römischen Kaiser” und versah das Amt des Stadtrechners. Dollmätsch übernahm am 23. Oktober 1808 die Stelle als Aktuar bei der Stadt, ab 14. Juni 1809 die Ratschreiberfunktion. 1809 entwickelte Dollmätsch für die Volkszählung in der Residenzstadt und in dem benachbarten Klein-Karlsruhe ein einheitliches Formular. Nach der Eingemeindung Klein-Karlsruhes 1812, bei der sich Dollmätsch führend engagierte, wurde er am 9. Dezember 1812 als Bürgermeister Wilhelm Christian Griesbach beigeordnet, der damit zum ersten Oberbürgermeister von Karlsruhe wurde. Diese Funktion übernahm Dollmätsch am 6. April 1816. 1812 hatte sich Dollmätsch mit Griesbach für die Etablierung einer Musikunterrichtsanstalt eingesetzt, die 1814 um eine Singanstalt erweitert, Vorläufer des Badischen Konservatoriums wurde. In seine Amtszeit fiel der Rathausneubau nach Plänen Friedrich Weinbrenners, den er 1825 beziehen konnte, ebenso die Einweihung der Wasserleitung von Durlach 1824, die erste moderne Wasserversorgung der Stadt. Die Gründung eines Schulfonds zur Verbesserung der städtischen Schulbildung 1829 ging ebenso auf seine Initiative zurück wie die Anlage der Pfandbücher. 1824 gehörte er unter anderen mit Johann Gottfried Tulla und Friedrich Weinbrenner der Kommission zum Bau eines nicht realisierten Rhein-Alb-Kanals an, der die Stadt mit dem Rhein verbinden sollte. Dollmätsch war von 1822-1828 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung. Er trat nicht sonderlich hervor, bemerkenswert ist aber sein Kommissionsbericht im Januar 1823 zur vorausgegangenen Motion des Liberalen Duttlinger „Über die Besserung der Juden“. Für seine regierungstreue Einstellung wurde er zum 18. September 1830 als Oberrevisor im Innenministerium in den Beamtendienst übernommen. 1824 erhielt Dollmätsch das Ritterkreuz des Zähringer Ordens und 1827 die Ernennung zum Kammerrat. 1960 wurde eine Straße in Karlsruhe nach ihm benannt. Jürgen Schuhladen-Krämer 2012 Quelle GLA 76/1654 (Dienerakte). Werk Feierliche Worte gesprochen bei der Einweihung des neuen Rathauses in der Residenzstadt Karlsruhe, den 28. Januar 1825, von Carl Baumgärtner, Stadt-Director und Bernhard Dollmätsch, Ober-Bürgermeister, Karlsruhe o. J. [1825]; Bernhard Dollmätsch (Hrsg.): Sämmtliche Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Anordnungen, welche in den Markgrafschaften und in dem Großherzogthum Baden über Gegenstände der Orts-Polizei seit dem Jahre 1712 bis 1832 erschienen sind, und nach den Bestimmungen des vierten Capitels der Gemeinde-Ordnung durch d. Bürgermeister vollzogen werden, Karlsruhe 1836. Literatur Susanne Asche: Residenzstadt - Bürgerstadt - Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zum Industrie- und Verwaltungszentrum 1806-1914, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe - die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 194-354, S. 204-206; Deutsches Biographisches Archiv, MF 247. Abgerufen von „https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php?title=De:Lexikon:bio-0003&oldid=584029“ Kontakt Impressum Datenschutzhinweise Login
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Version vom 16. Mai 2019, 12:54 Uhr von Stadtarchiv1 (Diskussion | Beiträge) (→‎Johannes Sembach)(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied) Johannes Sembach Gastwirt, Bürgermeister, * 5. März 1671 Karlsruhe, † 20. August 1720, ev., ∞ Maria Barbara, 1 Sohn Der am 24. März 1718 von 55 Bürgern gewählte erste Karlsruher Bürgermeister Johannes Sembach stammte aus Straßburg. Der Sohn eines Kaufmanns heiratete noch in Straßburg Maria Barbara Sembach, 1693 kam dort ein Sohn zur Welt. Wohl zwischen 1703 und 1710 zog die vermögende Familie nach Mühlburg, wo Sembach mit seiner Frau zwei Wirtshäuser betrieb. 1714/15 ließ sich Sembach in Durlach als Hintersasse nieder und wollte noch 1715 in Karlsruhe in der späteren Kronenstraße ein modellmäßiges Haus bauen. Stattdessen übernahm er wenig später die Waldhornwirtschaft in der Löwenkranz Gasse, heute Waldhornstraße, die bereits vor der Stadtgründung bestanden hatte und 1712 erstmals als „Golden Waldhörnle“, eine Schenke für Fuhrleute und Waldarbeiter, erwähnt ist. Sembach erweiterte 1717 das Gasthaus um ein daran stoßendes Eckhaus an der Waldhornstraße zur Langen Straße in der Nähe des Durlacher Tores. Die damals noch einzige Gaststätte in der jungen baden-durlachischen Residenz war ein Treffpunkt der Bürger. Die dadurch gewonnene Popularität Sembachs war sicher ein Grund, dass er 1718 der erste Bürgermeister der Stadt wurde. Er erhielt eine Besoldung von 45 Gulden im Jahr. In den Wirtshausräumen war in den Anfangsjahren der Stadt die Lateinische Schule zu Gast, hier wurden bis zur Fertigstellung eines eigenen Rathauses im Jahr 1728 etliche Ratssitzungen abgehalten. Welches Ansehen Sembach auch bei Hof genoss, zeigt die Übernahme der Patenschaft für seine Enkelin 1718 in der Schlosskapelle durch Markgraf Karl Wilhelm und dessen Gemahlin sowie durch weitere Mitglieder des Hofstaates. Sein Sohn Johannes und die Witwe führten nach dem plötzlichen Tod Sembachs am 20. August 1720 das Gasthaus zum Waldhorn noch fast vier Jahrzehnte weiter. Ernst Otto Bräunche 2018 Literatur Peter Pretsch: Biographie Johannes Sembach, in: Blick in die Geschichte Nr. 107 vom 19. Juni 2015, https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick107/sembach (Zugriff am 12. Februar 2018); ders.: Johannes Sembach. Der Bürgermeister, in: Karl Wilhelm 1679 – 1738, Große Landesausstellung Badisches Landesmuseum Karlsruhe vom 09.05. bis 18.10.2015, München 2015, S. 174-175. Abgerufen von „https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php?title=De:Lexikon:bio-0025&oldid=585883“ Kontakt Impressum Datenschutzhinweise Login
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Version vom 14. November 2018, 14:58 Uhr von KarlsBot (Diskussion | Beiträge) (Setzen des DISPLAYTITLEs)(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied) Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS III 1994. Hans Michael Frank Jurist, Generalgouverneur im Generalgouvernement Polen, * 23. Mai 1900 Karlsruhe, † 16. Oktober 1946 Nürnberg, kath., ∞ 1925 Maria Brigitte Herbst, 5 Kinder. Als Sohn eines Rechtsanwalts in Karlsruhe geboren, wuchs Hans Frank ab 1903 im bayerischen Rotthalmünster und seit 1908 ohne die Mutter, die den Vater verlassen hatte, in München auf. Nach dem Abitur studierte Frank in München, Kiel und Wien 1919-1923 Jura und wurde 1924 in Kiel promoviert. 1926 legte er das Staatsexamen ab und ließ sich als Anwalt nieder. Im Anschluss an die Niederschlagung der Münchner Räterepublik im April 1919 schloss sich der nicht mehr zum Kriegseinsatz Gekommene dem Freikorps des Franz Ritter von Epp und der Thule-Gesellschaft an, wurde 1919 Mitglied der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) und 1923 der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Als Rechtsanwalt avancierte er zum Verteidiger zahlreicher Nationalsozialisten, darunter Hitler in dutzenden Verfahren, gründete 1928 den Vorläufer des NS-Rechtswahrerbunds und galt als „Parteijurist“ der NSDAP. Bereits vor 1933 häufte Frank Ämter an, wurde 1930 Mitglied des Reichstags (MdR), 1933 kommissarischer bayerischer Justizminister und organisierte die Gleichschaltung. 1934 wurde er Reichminister ohne Geschäftsbereich. Mit Wirkung zum 26. Oktober 1939 wurde Frank Generalgouverneur der nicht vom Deutschen Reich annektierten, sondern besetzten Teile Polens (Generalgouvernement) mit Dienstsitz in Krakau. Trotz Konflikten mit Hitler um die Rolle der Justiz im Nationalsozialismus und persönlicher Feindschaft zu Heinrich Himmler und anderen im inneren NS-Führungszirkel behielt Frank auch nach 1942 seine Position. Seine antipolnische und menschenverachtende Herrschaft sowie Verantwortung für hunderttausendfachen Mord sorgten für seinen Ruf als „Schlächter von Polen“. Er war maßgeblich mitverantwortlich für die Ermordung von Juden in den Vernichtungslagern im Generalgouvernement. Am 4. Mai 1945 wurde er in seiner Villa nahe Neuhaus bei Schliersee von der US-Armee verhaftet, der er seine Tagebücher übergab, Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde Hans Frank am 1. Oktober 1946 schuldig gesprochen, zum Tod verurteilt und hingerichtet. Jürgen Schuhladen-Krämer 2013 Quelle Stanislaw Piotrowski (Hrsg): Hans Franks Tagebuch, Warschau 1963. Literatur Dieter Schenk: Hans Frank. Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur, Frankfurt a. M. 2006; Niklas Frank: Der Vater. Eine Abrechnung, München 1987. Abgerufen von „https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php?title=De:Lexikon:bio-0038&oldid=584052“ Kontakt Impressum Datenschutzhinweise Login
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Karlsruhe: Stadtgeschichte Blick in die Geschichte Nr. 106 vom 20. März 2015 × Titelseite des Geburtstagsgeschenks für Karlsruhe von 1815. Foto: Stadtarchiv Titelseite des Geburtstagsgeschenks für Karlsruhe von 1815. Foto: Stadtarchiv In Kürze wird die Origi­nal­aus­gabe des "Statis­ti­schen Gemäldes der Residenz­stadt Karlsruhe und ihrer Umgebun­gen" von 1815 auf der Seite mit den digitalen Angeboten des Stadt­ar­chivs Karlsruhe ins Netz gestellt. 100 Jahre Karlsruhe Ein Geburts­tags­ge­schenk mit Langzeit­wir­kung von Ernst Otto Bräunche "Die einge­tre­tene Epoche der ersten hundert­jäh­ri­gen Jubelfeyer unserer Residenz­stadt Karlsruhe giebt mir die angenehme Veran­las­sung, dem deutschen Publikum ein ausführ­li­che­res Gemälde derselben darzu­stel­len." So leitete Theodor Hartleben 1815 sein "Statis­ti­sches Gemälde der Residenz­stadt Karlsruhe und ihrer Umgebun­gen" ein. Obwohl es sich nicht um eine Geschich­te der noch jungen Stadt handelt, kann man dieses Werk als erste größere Gesamt­dar­stel­lung mit einem Schwer­punkt auf der Darstel­lung von Daten und Fakten über Karlsruhe bezeichnen. Theodor Hartleben Der am 24. Juni 1770 in Mainz geborene Verfasser Theodor Hartleben war zu diesem Zeitpunkt schon bei der Direktion des Neckar­krei­ses als Kreisrat bzw. Geheimer Rat tätig. Zuvor war der seiner Perso­nal­akte zufolge vor allem in eigenen Besol­dungs­an­ge­le­gen­hei­ten durchaus streitbare Jurist von 1793 bis 1795 Fürstlich Speye­ri­scher Hofrat und Amtmann der Stadt Deidesheim im Hochstift Speyer, ehe er an die Univer­si­tät Salzburg wechselte. 1803 zum Landes­di­rek­ti­ons­rat in Kurpfalz-Bayern und ordent­li­chen Professor des Staats­rechts und der Polizei­wis­sen­schaf­ten an der Univer­si­tät Würzburg ernannt, wurde Hartleben 1806 Landes­re­gie­rungs­rat in Sachsen-Coburg, ehe er 1808 eine Professur in dem inzwischen badischen Freiburg antrat. Seine fundierten Kenntnisse über Karlsruhe bekam er dann während seiner dreijäh­ri­gen Tätigkeit in der Kreis­di­rek­tion des Pfinz­krei­ses im benach­bar­ten Durlach. Von dort wurde er 1813 an die Direktion des Neckar­krei­ses nach Mannheim versetzt, wo er sein "Statis­ti­sches Gemälde" verfasste. Vorar­bei­ten hatte er aber schon in Durlach geleistet, als er dem Werk "den größten Theil seiner Erholungs­stun­den" widmete. Das Statis­ti­sche Gemälde von Theodor Hartleben, der nach der Scheidung von seiner ersten Frau schon wieder verhei­ra­tet war, als er in badische Dienste getreten war, hat also im Wesent­li­chen den Stand von 1813. Das Statis­ti­sche Gemälde der Residenz­stadt Karlsruhe Voller Empathie mit der Stadt beschei­nigt der Verfasser, dass Karlsruhe "der Epoche nah" sei, "wo man es nicht, wie in der jüngeren Zeit, nur eine schöne Hauptstadt, sondern vielmehr eine der schönsten Residenz­städte Deutsch­lands, mit der wenige einen Vergleich aushalten, wird nennen dürfen." Tatsäch­lich war Karlsruhe schon seit mehreren Jahren eine Stadt im Umbruch mit vielen Baustellen. Im Jahr 1771 waren die seit 1565 getrennten badischen Markgraf­schaf­ten Baden-Baden und Baden-Durlach nach dem Aussterben der baden-badischen Linie wieder vereinigt worden. Dieser Zusam­menschluss und erst recht der Aufstieg Badens zum Großher­zog­tum 1803/06 hatten unmit­tel­bare Auswir­kun­gen auf die Stadt und das Stadtbild. Aufgrund der Zunahme der Behörden, des damit verbun­de­nen Zuzugs aus Baden-Baden und der Verstär­kung des Militärs, aber auch durch andere neue Stadt­be­woh­ner stieg die Bevöl­ke­rungs­zahl deutlich an. 1815 wurden 15.128 Einwohner gezählt, womit sich die Zahl seit 1771 ungefähr verdrei­facht hatte. Mit dem Anwachsen der Bevöl­ke­rung war natürlich auch eine Zunahme der Bebauung verbunden. Lag die Zunahme der Gebäude in den ersten 50 Jahren durch­schnitt­lich bei 6,6 im Jahr, stieg sie zwischen 1765 und 1813 auf fast das Doppelte, auf 11,9 Gebäude, an. Die expan­die­rende Stadt beschreibt Hartleben in drei umfang­rei­chen Kapiteln. Ein knapper "Blick auf die Geschichte der Residenz­stadt Karlsruhe" beschei­nigt, dass sich "nur wenige grause, dagegen aber viele glückliche Ereig­nis­se" finden lassen. Schon Hartleben musste aber feststel­len, dass keine "geschrie­bene oder gedruckte authen­ti­sche Bestä­ti­gung der Muthma­ßun­gen von dem eigent­li­chen Grunde des Entste­hens" der Stadt zu finden sei, bis heute Anlass für allerlei Speku­la­tio­nen. Deutlich umfang­rei­cher fällt das Kapitel "Mathe­ma­ti­sche und physische Topogra­phie" aus, u. a. mit Infor­ma­tio­nen über die meteo­ro­lo­gi­schen und geolo­gi­schen Verhält­nisse, das Klima sowie die Straßen und Gebäude der Stadt. Das Hartle­ben­sche Urteil über die in der ersten Bauperiode bis zum Erlass einer neuen Bauordnung im Jahr 1754 entstan­de­nen Gebäude fällt eher zurück­hal­tend aus, denn es "waren verschie­de­ne Baumeister thätig, deren einige doch mehr in die Reihe der Werkmeis­ter als der Baukünst­ler zu zählen sind." Die Vorstel­lung der zweiten Epoche der Stadt­ent­wick­lung beginnt Theodor Hartleben mit einem Loblied auf den Markgrafen Karl Friedrich, den er an anderer Stelle als Friedrich den Weisen preist und der "in allem planmäßig handelnd", die "Nothwen­dig­keit schöner öffent­li­cher Plätze für Märkte und Messen, die Anlegung eines Kaufhauses, eines Rathauses in der Mitte der Stadt, in dessen Nähe sich zugleich humane Gefäng­nisse und Nieder­la­gen für die Apparate zu den Policey-Anstalten befinden" erkannt habe. Seinen Rundgang beginnt Hartleben mit den fünf Toren, dem Rüppurrer Tor, dem Mühlburger Tor, dem Linken­hei­mer Tor, dem Durlacher Tor und dem Ettlinger Tor. Seit 1764 waren die Planungen aufge­nom­men worden, die Stadt über die südliche Grenze, die Lange Straße, hinaus zu vergrößern. Als erste Radial­straße wurde die Kronen­straße 1765 als Neue Rüppur­rertor Straße, später Schwa­nen­straße durch Klein Karlsruhe verlängert, weitere Straßen folgten nach 1781. Neue Stadt­grenze war seit 1795/96 die Kriegs­straße, so genannt nach den auf ihr an der Stadt vorbei­zie­hen­den Truppen. Größere neue Straßen waren die Zährin­ger­straße (1809), vormals Querallee, die Erbprin­zen­straße (um 1800), die Stepha­ni­en­stra­ße (1814), vormals Grünwink­ler Allee, und die Akade­mie­straße (1812). Insgesamt zählt Hartleben 27 Haupt- und Neben­stra­ßen. Seit 1813 waren die Häuser, 940 an der Zahl, neu mit Hausnum­mern durch­ge­zählt worden. Positiv hob Hartleben hervor, "dass die Karlsruher längst über Vorurt­heile aufgeklärt, einen beträcht­li­chen Theil ihrer Wohnge­bäude mit Blitz­ab­lei­tern gesichert haben." Den größten Teil seines Werkes widmet der Verfasser der Statistik. Ausführ­lich beschreibt er den physischen, politi­schen, geistigen und kirch­li­chen Zustand der Einwohner sowie die bürger­li­che und kirchliche Verfassung. Blicke auf die Umgebungen, fünf Beilagen und zwei Anhänge - eine Übersicht der in Karlsruhe und der Region vorkom­men­den Flora sowie ein mit "Litte­ra­ri­sches Karlsruhe" überschrie­be­nes Verzeich­nis aller 1813 in Karlsruhe lebenden Schrift­stel­ler - beschlie­ßen das Werk. Der Dank der Stadt Karlsruhe Die Initiative dazu ging weder von staat­li­chen noch von städti­schen Insti­tu­tio­nen oder Personen, sondern eindeutig von dem Autor selbst aus. 100 Jahre nach der Stadt­grün­dung gab es andere Probleme, wie Friedrich von Weech in seiner 1895-1904 erschie­ne­nen Stadt­ge­schich­te schreibt: "Das Jahr 1815 wurde, als der letzte Tag des 'entschei­den­den, ewig denkwür­di­gen' Jahres 1814 sich zu seinem Ende neigte, feierlich einge­läu­tet. Mit dem Neujahrs­tag begann das Jubeljahr der Stadt Karlsruhe, von dessen Erbauung man im bevor­ste­hen­den Juni 100 Jahre zu zählen hatte. Niemand ahnte, daß dieser Monat neue kriege­ri­sche Entschei­dun­gen für den ganzen Weltteil bringen würde, hinter deren Bedeutung der Gedenktag der Erbauung Karlsruhes in wesenlosem Schein zurück­tre­ten mußte." In der Tat begann am 18. Juni 1815 die Schlacht von Waterloo. Wenn dieses erste große Karlsruher Stadt­ju­bi­läum dennoch nicht ganz folgenlos geblieben ist, so liegt dies an dem Buch des auch durch zahlreiche juris­ti­sche Publi­ka­tio­nen hervor­ge­tre­te­nen Theodor Hartleben. Obwohl die überaus lobende Darstel­lung des regie­ren­den Fürsten­hau­ses und vor allem die Widmung für Markgrä­fin Amalie Friederike, das "edle Vorbild für alle Gattinnen und Mütter", keinen Zweifel lassen, dass es dem Verfasser erst in zweiter Linie um die Stadt selbst und deren Einwohner und Verwaltung ging, wusste diese das Werk durchaus zu würdigen: Sie überreichte ein Geldge­schenk in Höhe von 12 Gulden, als Hartleben Bürger­meis­ter und Räten der Stadt am 7. Februar 1816 ein Exemplar seines Werkes schenkte. Für das Gegen­ge­schenk bedankte sich Hartleben artig: "Es wird mir eine der angenehms­ten Empfin­dun­gen seyn, wenn Euere Wohl- und Hoche­del­ge­boh­ren meine Wünsche für das schöne und gute Karlsruhe in dessen erstem Jubeljahre als Ausflüsse meiner Empfin­dun­gen aufnehmen und dem Gemälde einen Platz in Ihrem Archive gönnen." Dieses Archiv wurde erst 70 Jahre später gegründet, Theodor Hartleben und sein Werk haben im Stadt­ar­chiv aber bis heute den diesem ersten fundierten Überblick über die Stadt angemes­se­nen Platz. Dr. Ernst Otto Bräunche, Leiter Stadt­ar­chiv & Histo­ri­sche Museen, Stadt Karlsruhe
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick106/karlsruhe1815
Karlsruhe: Stadtgeschichte Blick in die Geschichte Nr. 107 vom 19. Juni 2015 × Friedrich Ostendorf.<br />StadtAK 8/PBS oIII 565 Friedrich Ostendorf.StadtAK 8/PBS oIII 565 × Friedrich Ostendorfs Grab auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe. Foto: privat Friedrich Ostendorfs Grab auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe. Foto: privat "Auf dem Felde der Ehre gefallen" Zum Gedenken an Friedrich Ostendorf von Hansmartin Schwarz­maier Auf dem Karlsruher Haupt­fried­hof befindet sich sein Grab, eigentlich ein dreitei­li­ges Monument. In der Mitte liegt die schwere Stein­platte, die es abdeckt, darauf eine Bronze­ta­fel mit den Lebens­da­ten des Verstor­be­nen: "Hier ruht Friedrich Ostendorf, Dr. Ing. h.c., Professor der Archi­tek­tur an der Techni­schen Hochschule Karlsruhe. Geboren zu Lippstadt den 17. Oktober 1871, gefallen als Kompa­gnie­füh­rer auf der Loret­tohöhe am 19. März 1915". Auf einer daneben­ste­hen­den Säule, auf der eine Blumen­schale steht, noch einmal: "Hier ruht Friedrich Joachim Ostendorf", Geburts- und Todesdatum. Und dahinter, vor der Fried­hofs­mauer, eine Relief­platte. Auf ihr sieht man zwei Genien, geflügelte antiki­sche Figuren, sie flankieren einen von Säulen begrenz­ten Innenraum, in dessen Mitte sich eine Brunnen­scha­le befindet. Die darunter stehende Inschrift ist ein latei­ni­sches Zitat aus Vitruvs Schrift "Über den Archi­tek­ten". INGENIUM und DISCIPLINA, so heißt es dort - und dies symbo­li­sie­ren auch die beiden Genien - , kennzeich­ne­ten den wahren Archi­tek­ten, denn sein von der Zucht strengen metho­di­schen Denkens (disci­pli­na) bestimmtes Handeln und sein erfin­de­ri­scher Geist (ingenium) seien untrennbar mitein­an­der verbunden. Mit diesen Worten hat die Karlsruher Hochschule ihren Kollegen geehrt, der dieses Idealbild als Künstler, als Gestalter und als Lehrer verkörpert habe. Man hatte den Leichnam des 14 Tage zuvor in Frankreich gefallenen und zunächst auf einem Krieger­fried­hof in Lens begrabenen Ostendorf nach Karlsruhe überführt, um ihn dort am 29. März 1915 in einem bereits beste­hen­den Famili­en­grab beizu­set­zen. Schon am Ort seines Todes hatte es eine bewegende Trauer­fei­er gegeben; viele seiner Schüler, die in seinem Front­ab­schnitt eingesetzt waren, hätten ihm dort das letzte Geleit gegeben, und dies wieder­holte sich in seiner Heimat­stadt. Einer von ihnen, der Leutnant Hans Schmidt, ein Karlsruher Architekt, beschreibt den Sturm­an­griff auf die feindliche Stellung am Loret­to­berg mit den überschwäng­li­chen Worten eines Helden­ge­dich­tes, als ob er nicht die mörde­ri­schen Kämpfe dieser Material- und Schlamm­schlach­ten an der Somme miterlebt hätte, und in der Heimat fand man ebenso bewegende Worte zum Helden­kampf eines Mannes, dessen Tod man als unersetz­li­chen Verlust beklagte. Heute, hundert Jahre danach, gibt uns dies Anlass darüber nachzu­den­ken, was man damit ausdrücken wollte. Der Architekt. Das unvoll­en­dete Werk eines Frühvollen­de­ten Den Karls­ru­hern braucht man Ostendorf nicht vorzu­stel­len. Den reprä­sen­ta­ti­ven Eingangs­platz der Garten­stadt in Rüppurr, die unmit­tel­bar vor dem Krieg nach seinen Plänen angelegt und von ihm künst­le­risch betreut worden war, hat man damals nach ihm benannt, 20 Jahre danach erhielt auch die auf den Osten­dorf­platz hinfüh­rende Straße seinen Namen. 1907 ist Ostendorf als ordent­li­cher Professor an die TH berufen worden, wurde bautech­ni­scher Referent im Badischen Finanz­mi­nis­te­rium, und so zeichnet er u.a. verant­wort­lich für den Neubau der Staats­schul­den­ver­wal­tung am Karlsruher Zirkel, der, 1913 fertig gestellt, den 2. Weltkrieg nahezu intakt überstan­den hat. Und auch sein eigenes Wohnhaus in der Weber­straße, in einem nach der Jahrhun­dert­wende erbauten Villen­vier­tel zwischen Moltke­straße und Haydnplatz, an dem die bedeu­tends­ten Archi­tek­ten der Stadt mitge­wirkt und ihre Spuren hinter­las­sen haben, lässt sich noch besich­ti­gen (S. Gerhard Kabierske, Blick in die Geschichte Nr. 83). Der vor 5 Jahren erschie­nene erste Band einer Schrif­ten­reihe des Südwest­deut­schen Archivs für Archi­tek­tur des KIT ist ihm gewidmet. Er ergänzt und erweitert das umfang­rei­che Schrifttum über Ostendorf, von dem, wie es dort heißt, noch so viel zu erwarten gewesen wäre und der doch ein reiches, fast möchte man sagen ein vollkom­me­nes Werk hinter­las­sen hat, das richtung­wei­send wurde. Dass ihm der Krieg einen Schluss­punkt setzte, dem Leben des Professors eine Wende gab, soll das Thema dieser Betrach­tung sein. Es ist bis dahin in den üblichen Bahnen eines hochbe­gab­ten jungen Mannes aus gut bürger­li­chem Hause verlaufen: Archi­tek­tur­stu­dium in Stuttgart, Hannover, Berlin, berufliche Tätigkeit als Architekt, Professur in Danzig und, wie gesagt, seit 1907 an der angese­he­nen Karls­ru­her Hochschule neben Hermann Billing, Joseph Durm, Max Läuger, Walther Sackur, dem Kunst­his­to­ri­ker Albrecht Ernst Brinckmann und anderen. Er hielt Vorle­sun­gen zur Geschichte der deutschen Kirchen- wie der deutschen Profan­bau­kunst, zur Geschichte des Möbels, zu Theorie und Praxis des Entwerfens. Sein großes Werk "Sechs Bücher vom Bauen" war im Entstehen; sein Kollege und Freund Walter Sackur, der den Krieg überlebte, sollte es weiter­füh­ren. Ihm verdanken wir den warmher­zigs­ten und einfühl­sams­ten Nachruf auf Ostendorf. Von allen gerühmt wird sein enges, ja vertrautes Verhältnis zu seinen Schülern, die ihn verehrten und liebten. Die Schüsse von Sarajewo haben diese akade­mi­sche Norma­li­tät beendet. "Zu den Fahnen geeilt" Ostendorf schreibt am 26. August 1914 an das Badische Kultus­mi­nis­te­rium: "…habe ich die Ehre mitzu­tei­len, daß ich mich als Offizier­s­stell­ver­tre­ter der mobilen Truppe zur Verfügung gestellt habe und daß ich infol­ge­des­sen verhindert bin, meine Vorle­sun­gen abzuhalten. Ich bitte daher, mich bis auf weiteres zu beurlauben und zugleich mir zu versichern, daß im Falle meines Todes die Ansprüche meiner Frau und meiner Kinder auf Pension derselben bleiben wie bisher". Ostendorf hat sich also als Reservist zum frühest möglichen Zeitpunkt freiwillig zu seiner Truppe gemeldet und dies nicht in der Stimmung einer nationalen Euphorie, sondern im Wissen um die Todes­ge­fahr, die ihm drohte. Der Karls­ru­her Stadt­pfar­rer Franz Rohde sagte es am Grabe: "Als der Verstor­bene in der Krieg zog, ist er nicht hinaus­ge­stürmt wie ein 19jähriger; er hat erst reiflich erwogen und dann getan, was ihm die heilige Pflicht gebot. Seinen Soldaten im Felde wurde er, wie einst seinen Schülern, ein Freund, ein Führer und ein leuch­ten­des Vorbild". Einge­tre­ten ist Ostendorf bei den Garde-Leibgre­na­die­ren, den 109ern, deren Kaserne in der Moltke­straße nur wenige Schritte von seinem Haus in der Weber­straße lag, neben der Kadet­ten­an­stalt. Unmit­tel­bar gegenüber lag auch das elterliche Wohnhaus des Karl von Babo (S. Blick in die Geschichte Nr. 101). Diesem, dem jungen Berufs­of­fi­zier, ist Ostendorf wenig später an der Front wieder begegnet. Doch dessen anfäng­li­che Kriegs­be­geis­te­rung wird man bei Ostendorf wohl nicht finden. Der 43jährige Vater von fünf Kindern, der schwer beschäf­tigte Hochschul­leh­rer hätte sich wohl, wenn er dies beantragt hätte, zurück­stel­len, vielleicht sich vom Wehrdienst befreien lassen können, wie es andere getan haben. Für Brinckmann, der sich als Kraft­fah­rer freiwillig gemeldet hatte, stellte die Fakultät den Antrag, ihn an der Univer­si­tät zu belassen, wo er Besseres leisten könne als bei der Truppe, was dann auch genehmigt wurde, um den Unterricht aufrecht erhalten zu können. Denn die meisten Kollegen Ostendorfs, der noch ältere Hermann Billing, der gleich­alt­ri­ge Walter Sackur und selbst der fast 60jährige, hochan­ge­se­hene Adolf v. Oechelhaeu­ser, sind "zu den Fahnen geeilt", und mit ihnen viele der Studenten, die hinter ihren Lehrern nicht zurück­ste­hen wollten. Diese Vorbild­funk­tion führte sie in einen Krieg, den sie wohl realis­ti­scher gesehen haben als ihre Schüler, freilich nicht mit den furcht­ba­ren Folgen, die sich schon im ersten Kriegsjahr abzeich­ne­ten. Ostendorf wurde, wie üblich, schon nach kurzer Zeit zum Leutnant befördert und bald danach auch zum Kompa­nie­füh­rer: der Verschleiß war groß, als die jungen Offiziere an der Spitze ihrer Einheiten in das feind­li­che Feuer liefen. Karl von Babo, der von Beginn an im Elsass und in Lothringen an der Front stand, berichtet am 10. September 1914 nach Hause: "12. Kompanie… Feldwebel, Oberbaurat, Professor und Leuchte der Wissen­schaft Ostendorf, ein sehr netter Herr, den wir alle sehr gern haben." Das Regiment befindet sich damals im lothrin­gi­schen Baccarat, einem hart umkämpften Ort, wo wenig später der badische Sozial­de­mo­krat und Abgeord­nete Ludwig Frank gefallen ist, auch einer von denen, die nicht geschont wurden und sich selbst nicht geschont haben. Wenig später, am 18. Oktober 1914, heißt es dann: "Wir sind also noch … in treuer Waffen­brü­der­schaft mit Leutnant Schmidt 12. Kompanie (s.o.), den frisch­ge­ba­cke­nen Leutnants Laubinger 9. und Ostendorf 12 (Kompanie). Gestern Abend haben wir hier unter der Erde den 44. Geburtstag Ostendorfs bei Huhn, Sekt und 1a Pfirsich­ku­chen gefeiert..." (es war der 43. Geburts­tag). 14 Tage später ist Karl von Babo gefallen. Viel ließe sich aus seinen Briefen zitieren, in denen er mit viel Galgen­hu­mor über Hunger und Entbeh­run­gen schreibt, über den Schlamm, der sie förmlich zudeckte, die Läuse, die sie quälten, Situa­tio­nen, die dem Jungen aus großbür­ger­li­chem Hause bisher fremd waren und der erst lernen musste, "mit den Fingern zu essen". So klingt es auch in einer Postkarte an, die Ostendorf am 27. September an die Frau seines Kollegen Theodor Rehbock, des späteren Rektors der TH, schrieb. Er bedankt sich für die Socken, die sie ihm geschickt hat und die ihm willkom­mene Wärme bescheren, Wärme auch im weiteren Sinne, denn er freut sich über alle Zeichen der Verbun­den­heit mit den Freunden in der Heimat. Diese Karte ist übrigens das einzige direkte Brief­zeug­nis aus Frankreich, das sich von Ostendorf erhalten hat. Doch die Realität erfahren wir auch aus der dicklei­bi­gen Regiments­ge­schichte der 109er: "Der Ausbau der Stellungen schritt trotz des unaus­ge­setz­ten Geschoß­ha­gels rüstig fort. Zum ersten Male wurden unter Leitung des Leutnants d.R. Ostendorf, seines Zeichens Professor und bekannter Architekt an der Techni­schen Hochschule Karlsruhe, damit begonnen, Unter­stände als minierte Stollen auszuheben. …". Auch der Ostendorf-Schüler und Leutnant Otto Stein, zuvor Karlsruher Bauprak­ti­kant, betreibt dieses Metier meister­haft. Welche Zynik: Der Architekt, der kurz zuvor eine pracht­volle Villa in Heidelberg erbaut hatte, wird nun seine Kenntnisse aufbieten müssen, um begehbare Graben­an­la­gen und Unter­stände im Schlamm der Champagne ausheben zu lassen. Bald danach wird er, der ein Buch über die Baukunst der Zister­zi­en­ser geschrie­ben hat, erleben, wie die Kapelle Notre Dame auf dem Loret­to­berg, wie das Schloss in Souchez zum Trümmer­hau­fen werden. Das Todes­kom­mando Das Stichwort "Loretto" kennzeich­net eine der grauen­haf­tes­ten Schlachten des Weltkriegs. Beim Vormarsch der deutschen Truppen zur Kanalküste konnten sie in Flandern eine Hügelkette besetzen, um die Loret­to­ka­pelle unweit von Lens, dem Etappenort dieses Front­ab­schnit­tes in der Indus­trie­land­schaft des Artois. Im sich anbah­nen­den Stellungs­krieg des Winters 1914 wurde das Gebiet mit Gräben, Unter­stän­den und Stollen ausgebaut, mit Stachel­draht befestigt und in der Folgezeit in erbit­ter­ten Kämpfen verteidigt. Ein kleiner Hügel, die sog. Kanzel­stel­lung, war jedoch in franzö­si­sche Hand zurück­ge­fal­len, und so erging der Befehl, diese strate­gisch wichtige Anhöhe, eine Schlüs­sel­stel­lung, müsse unver­züg­lich zurück­ge­won­nen werden, koste es was es wolle. Es war ein Todes­kom­mando, zu dem alle verfüg­ba­ren Kräfte in den Kampf geschickt wurden, und in der Regiments­ge­schichte liest man, "daß jeder, der es wagte, im feind­li­chen Feuerregen zur Kanzel anzustei­gen und gegen die sie krönende Feste anzustür­men, mit dem Leben abzuschlie­ßen hatte". Viele hätten am Nachmittag zuvor noch einen Gruß an die Lieben daheim gesandt. Hans Schmidt in seiner Schrift über die "Badischen Leibgre­na­diere bei Loretto" beschreibt den Kampf am 19. März in allen Details: Ostendorf sei an der Spitze seiner Kompanie in den feind­li­chen Kugel­ha­gel gestürmt und tödlich getroffen worden, ebenso wie die Leutnants der Nachba­r­ein­hei­ten. Der Totenfeier auf dem Friedhof in Lens, mit allem militä­ri­schen Gepränge, mit Musik und Ansprachen, widmet er ein eigenes Kapitel. Seine Formu­lie­run­gen um den Helden­kampf und erhabenen Tod für das Vaterland erheben sich zu Wagner'­schem Pathos und jeder der Redner nutzte sie aufs Neue; man liest sie heute mit Befremden wenn nicht mit Schaudern. Wir können hier abbrechen. Doch zwei Betrach­tun­gen sollten am Schluss stehen. Der Kanzel­sturm vom 19. März steht am Anfang einer eskalie­ren­den militä­ri­schen Offensive, in deren Folge in den kommenden Monaten mehr als 100 000 Soldaten auf beiden Seiten das Leben verloren. Auch im franzö­si­schen General­stab war man zu der Erkenntnis gekommen, das Hügelchen um die Loret­to­ka­pelle (165 m hoch) sei die Schlüs­sel­stelle der gesamten sich verfes­ti­gen­den Frontlinie, und so haben die Marschälle Joffre und Foch eine ganze Armee in den Tod geschickt, um im Verlauf mehrerer Monate einen Gelän­de­ge­winn von knapp 2 km verbuchen zu können. Diese sinnlose Strategie rat- und konzep­ti­ons­lo­ser Generäle wurde einem vermeint­li­chen Erfolg unter­ge­ord­net, der unzählige Todesopfer in Kauf nahm, sie sogar bei jedem Angriff einkal­ku­lierte. In den hehren Reden am Grabe Ostendorfs klingt dies nur an, und es hat noch lange gebraucht, bis man es auch ausspre­chen konnte. Doch man fühlte das Wissen um seine Todes­be­reit­schaft, die bei ihm markanter zu sehen ist als bei seinen jungen Studenten. Dies zu verstehen fällt uns schwer, und man hat den Jubel, mit dem die Soldaten in den Krieg gezogen sind, in Frage gestellt, das Deutsch­land­lied, mit dem die Studenten von Langemarck in den Tod gestürmt sein sollen. Doch wenn die Freunde Ostendorfs die Lauterkeit seines Charakters, die Unbedingt­heit seines Tuns rühmen, ihm auch im entsetz­lichs­ten aller Kriege Pflicht­er­fül­lung und vorbild­haf­tes Leben beschei­ni­gen, so sollte man dies nicht als Floskeln abtun. Dass man in Deutsch­land, ebenso wie auch im Nachbar­land Frankreich, glaubte, seine Genies, seine geistige Elite auf dem Schlacht­feld opfern zu müssen, dies kennzeich­net eine Tragödie ohnes­glei­chen, und es genügt nicht, nach hundert Jahren die Gedenktage der Toten würdig zu begehen. Schon am 26. September 1914 war der erst 27jährige August Macke in der Champagne gefallen (am selben Tag wie der Heide­dich­ter Hermann Löns), und sein Freund Franz Marc versuchte, die tiefe Erschüt­te­rung, die Trauer um den Tod des konge­nia­len jungen Malers in Worte zu fassen. Doch auch er, der Kriegs­geg­ner, hat als Offizier seine "vater­län­di­sche Pflicht" erfüllt, und so ist er, am letzten Tage bevor man ihn von der Front abrufen wollte, am 4. März 1916 bei Verdun gefallen. Dort ist Deutsch­lands Zukunft verblu­tet! Dr. Hansmartin Schwarz­mai­er Der Autor ist Historiker, Leiter des Badischen Generallan­des­ar­chivs Karlsruhe i.R. Lit.: Walter Sackur, Zum Gedächtnis an Friedrich Ostendorf (Berlin 1919). - Das 1. Badische Leib-Grenadier-Regiment Nr. 109 im Weltkrieg 1914-1918, bearb. von Rudolf von Freydorf (Karlsruhe 1927), insbes. S. 222 ff. mit Bildern. - Badische Leib-Grenadiere bei Loretto. Nach den Aufzeich­nun­gen von Leutnant Hans Schmidt hrsg. von Major a.D. Piper (1917). - Joachim Kleinmanns, Ostendorf. In: Bad. Biogra­phien NF Band VI (2011), S. 301 ff. mit weiterer Lit.- Gerhard Kabierske, Ein gebautes Manifest. Das Ostendorf-Haus in der Weber­straße 3. in: Blick in die Geschichte Nr. 83 vom 19. Juni 2009; desgl. in: Friedrich Ostendorf - Bauten und Schriften, hrsg. von Joachim Kleinmanns (Salzburg 2010), hier S. 29-44. - Herrn Kabierske habe ich für viele weiter­füh­rende Infor­ma­tio­nen zu danken. - H.Schwarz­maier, Briefe von der Front an die Karls­ru­her Heimat. in: Blick in die Geschichte Nr.101 vom 3. Januar 1914, darin zitiert die ungedruck­ten Briefe Karls von Babo, jetzt im GLA Karlsruhe. Dort auch die Personal- und Militärak­ten aller hier gen. Personen. - Franz Marc. Briefe aus dem Feld 1914-1916 (München 2014).
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick107/ostendorf
Karlsruhe: Stadtgeschichte Blick in die Geschichte Nr. 107 vom 19. Juni 2015 × Erster Karlsruher Stadtrechnungsband mit einer von Bürgermeister Johannes Sembach unterschriebenen Abrechnung. Stadtarchiv Karlsruhe R 1 Erster Karlsruher Stadtrechnungsband mit einer von Bürgermeister Johannes Sembach unterschriebenen Abrechnung. Stadtarchiv Karlsruhe R 1 × Gasthaus "Zum Laub", Kaiserstraße 16, um 1920. Foto: StadtAK 8/PBS oXIVe 1194 Gasthaus "Zum Laub", Kaiserstraße 16, um 1920. Foto: StadtAK 8/PBS oXIVe 1194 Biographie Johannes Sembach Im von Markgraf Karl Wilhelm im September 1715 erlas­se­nen Privi­le­gien­brief, der möglichst viele Menschen anlocken sollte, sich in der neuen Residenz Karlsruhe nieder­zu­las­sen, war auch festge­hal­ten worden, eine niedere Gerichts­bar­keit für das neue Gemein­we­sen einrichten zu wollen. Im März 1718 wollten 55 Bürger der jungen Stadt nun selbst eine Gemein­de­ord­nung geben, nachdem das Vorhaben ins Stocken geraten war und sie wählten den Waldhorn­wirt Johannes Sembach zu ihrem Bürger­meis­ter, von dem kein Porträt überlie­fert ist. Sembach war am 5. März 1671 in Straßburg als Sohn einer Kaufmanns­fa­mi­lie geboren und lutherisch getauft worden, wie jüngste Recherchen durch den Verfasser in den Straß­bur­ger Kirchern­bü­chern ergeben haben. Der Genealoge Armin G. Meyer fand weitere Daten zur Famili­en­ge­schichte heraus: Sembachs Vater Balthasar starb 1703. Vielleicht hatte der Sohn von ihm Vermögen geerbt. Sein Wegzug von Straßburg hing vielleicht aber auch damit zusammen, dass die Stadt 1681 durch Annektion franzö­sisch geworden war. Protes­tan­ten wurden zwar im Gegensatz zum übrigen Frankreich nach dem 1685 erlas­se­nen Edikt von Nantes dort weiter geduldet, durften aber keine öffent­li­chen Ämtern mehr bekleiden. 1693 war dem Ehepaar Johannes und Maria Barbara Sembach 1693 noch in Straßburg ein Sohn geboren worden. Wohl zwischen 1703 und 1710 zog die kleine Familie nach Mühlburg, wo Sembach mit seiner Frau zwei Wirts­häu­ser betrieb, wie es in den Mühlbur­ger Kirchen­bü­chern und einem Einwoh­ner­ver­zeich­nis überlie­fert ist. Im Vorfeld der Stadt­grün­dung von Karlsruhe zog Sembach mit seiner Familie 1714/15 von Mühlburg nach Durlach und wurde dort Hinter­sasse. Noch 1715 wollte sich Sembach in Karlsruhe in der späteren Kronen­straße ein modell­mä­ßi­ges Haus erbauen. Wenig später übernahm er jedoch die Waldhorn­wirt­schaft, damals die einzige Gaststätte in der neuen Residenz, die bereits vor der Stadt­grün­dung bestanden hatte und 1712 erstmals erwähnt wird. Der Schluss­stein des Gebäudes hat sich noch erhalten und ist heute im Karlsruher Stadt­mu­seum ausge­stellt. (siehe Blick in die Geschichte, Bd. 1, 1994, S. 282 ff.) Sembach erweiterte 1717 das Gasthaus um ein daran stoßendes Eckhaus an der Waldhorn­straße zur Langen Straße in der Nähe des damals dort noch befind­li­chen Durlacher Tores. Hier wurden in den Anfangs­jah­ren der Stadt die Latei­ni­sche Schule und die Ratssit­zun­gen abgehalten. Sembach selbst scheint mit seiner neuen Funktion als Bürger­meis­ter überfor­dert gewesen zu sein, denn seine mangelnde Zuver­läs­sig­keit bei der Führung der Stadt­rech­nun­gen wurde des Öfteren beklagt und er scheint auch keine Ratspro­to­kolle geführt zu haben. Obwohl anfangs hoch angesehen -bei der Taufe seiner Enkelin 1718 in der Schloss­ka­pelle waren als Paten der Markgraf und dessen Gemahlin und andere Mitglieder des Hofstaates anwesend-, wurde sein Tod am 20. August 1720 im Kirchen­buch nur noch lapidar erwähnt. Das Gasthaus zum Waldhorn wurde von seinem gleich­na­mi­gen Sohn und der Witwe noch fast vier Jahrzehnte weiter­ge­führt. Der Schwie­ger­sohn von Johannes Sembach junior, Heinrich Lung, erwarb die Wirtschaft 1758, riss sie ab und erbaute an ihrer Stelle eine neues der Bauordnung von 1752 entspre­chen­des zweistö­cki­ges Haus, "mit 12 Stuben, 6 Kammern, 23 Gastbetten und Stallungen für 24 Pferde". Auf dieses Gebäude wurde damals das Schild "Zum Drachen" übertragen. Im 19. Jahrhun­dert wurde es als Gasthaus zum Ritter betrieben und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun­derts war es das "Laub", von dem sich ein Foto im Stadt­ar­chiv erhalten hat. Nach Kriegs­zer­stö­rung und Wieder­auf­bau befindet sich an seiner Stelle heute das große Mietshaus Kaiser­straße 18 mit einer Buchhand­lung im Erdge­schoss. Dr. Peter Pretsch Der Autor ist Leiter des Karlsruher Stadt­mu­se­ums im Prinz-Max-Palais.
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Karlsruhe: Stadtgeschichte Blick in die Geschichte Nr. 109 vom 4. Dezember 2015 × Wohnhaus des Privatiers Hermann Kröncke, Jahnstraße 6-8, Grundriss des Erdgeschosses, 1883. StadtAK 8/BOA P93 Wohnhaus des Privatiers Hermann Kröncke, Jahnstraße 6-8, Grundriss des Erdgeschosses, 1883. StadtAK 8/BOA P93 × Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück des Gasthauses "Stadt Straßburg", Kaiserstraße 113, Fassadenansicht zur Kaiserstraße, 1880. StadtAK 8/BOA P462 Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück des Gasthauses "Stadt Straßburg", Kaiserstraße 113, Fassadenansicht zur Kaiserstraße, 1880. StadtAK 8/BOA P462 × Kälber- und Schweinemarkthalle des Schlacht- und Viehhofs, Durlacher Allee 62-66, Grund- und Aufriss der Südfassade, 1909. StadtAK 8/BOA P726 Kälber- und Schweinemarkthalle des Schlacht- und Viehhofs, Durlacher Allee 62-66, Grund- und Aufriss der Südfassade, 1909. StadtAK 8/BOA P726 × Perspektivische Ansicht der Häuserfront Stephanienstraße 94-96, Fassadenansicht, 1902. StadtAK 8/BOA P2073 Perspektivische Ansicht der Häuserfront Stephanienstraße 94-96, Fassadenansicht, 1902. StadtAK 8/BOA P2073 × Durlacher Schwimmbad, Plan der Gesamtanlage, Alte Weingartener Straße 40, 1947. StadtAK 8/BOA P4318 Durlacher Schwimmbad, Plan der Gesamtanlage, Alte Weingartener Straße 40, 1947. StadtAK 8/BOA P4318 Ein Projekt des Stadt­ar­chivs Karlsruhe Die Rettung histo­ri­scher Bauakten von Patrick Sturm Das Stadt­ar­chiv Karlsruhe widmet sich seit einigen Jahren der Erhaltung historisch wertvoller Bauakten. Seit Mai 2015 wird die Rettungs­ak­tion mit neuem Personal forciert. Ziel ist die dauerhafte Erhaltung der histo­ri­schen Karlsruher Bauakten. Dies betrifft sowohl den Archiv­be­stand als auch die Bauakten bis 1945 aus der laufenden Regis­tra­tur des städti­schen Bauord­nungs­amts. Maßnahmen zur Bestand­ser­hal­tung stehen dabei im Fokus. Zusätzlich werden Konzepte zur Überlie­fe­rungs­bil­dung, zur Erschlie­ßung und zur Nutzung erarbeitet. Somit handelt es sich um eine umfassende Maßnahme, die mehrere archiv­fach­li­che Dienst­leis­tun­gen verknüpft. Doch warum wird gerade Bauakten eine so große Bedeutung beige­mes­sen und weshalb sind sie in ihrem Bestand so stark gefährdet? Bauakten als Quellen histo­ri­scher Forschung Bauakten sind zentrale Bestände in jedem Kommu­nal­ar­chiv. Im Vergleich zu anderen Kommunen besitzt die ehemalige badische Residenz­stadt Karlsruhe eine ausge­zeich­nete Überlie­fe­rungs­si­tua­tion. Verschont von kriegs­be­ding­ten oder ander­wei­ti­gen Verlusten sind die histo­ri­schen Bauakten der Stadt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­derts fast vollstän­dig erhalten und bieten eine hervor­ra­gen­de Quellen­grund­lage für die Bearbei­tung eines breiten Spektrums an histo­ri­schen Frage­stel­lun­gen. Vor allem für die Bauge­schichte als einem zentralen Aspekt der Stadt­ge­schichte handelt es sich um aussa­ge­kräf­ti­ge Quellen. In gleicher Weise gilt dies für die Archi­tek­tur- und die Kunst­ge­schichte. Abgesehen von der Entstehung und Entwick­lung einzelner Gebäude ist die Genese stadt­bild­prä­gen­der Häuser­zei­len und Stadt­vier­tel aus den Unterlagen zu rekon­stru­ie­ren. Die Bauakten dokumen­tie­ren auch das Wirken namhafter Archi­tek­ten in Karlsruhe, so zum Beispiel Hermann Billing, Curjel & Moser oder Hermann Reinhard Alker. In diesem Kontext sind die Entwurfs­zeich­nun­gen von besonderem Interesse, geben sie doch Schlag­lich­ter auf geplante, aber nicht immer auch umgesetzte Bauvor­ha­ben, zeigen also Planungs­al­ter­na­ti­ven auf. Bauakten stellen damit oftmals die einzigen Zeugnisse für die Planung und Entstehung von Gebäuden dar. Handelt es sich in erster Linie um Quellen zum Bauwesen, geht der Infor­ma­ti­ons­ge­halt doch über Bauplanung und -ausführung sowie bauliche Angaben zu Gebäuden hinaus. Die Bauakten veran­schau­li­chen etwa die Inter­ak­tion zwischen den an einem Bauvor­ha­ben betei­lig­ten Akteuren - Bauherr, Architekt, Bauver­wal­tung. Auch lassen sich die Unterlagen zur Bearbei­tung von Frage­stel­lun­gen zur Besitz­ge­schichte, Wirtschafts- und Sozial­ge­schichte, Rechts­ge­schichte sowie Verkehrs­ge­schichte und nicht zuletzt zum Brand­schutz­we­sen gewinn­brin­gend nutzen. Zudem sind es wichtige Quellen für die Denkmal­pflege. Zentraler Inhalt der Bauakten ist das umfang­rei­che Planma­te­rial. Von Grund­ris­sen, über Schnitte und Aufrisse hin zu Außen­an­sich­ten und Situa­ti­ons­plä­nen findet sich ein breites Portfolio an illus­tra­ti­ven wie auch infor­ma­ti­ons­rei­chen Darstel­lun­gen. Zum Teil sind Details von Fenster­fron­ten, Toren, Schau­käs­ten und derglei­chen hervor­ge­ho­ben. Die Pläne visua­li­sie­ren, unter­strei­chen und ergänzen die schrift­li­chen Ausfüh­run­gen. Die Gefährdung des Quellen­be­stan­des Handelt es sich bei Bauakten um einschlä­gige Quellen für Forschun­gen zur Geschichte der Stadt Karlsruhe, so ist ihr Erhal­tungs­zu­stand vielfach sehr schlecht und ihr Bestand mitunter stark gefährdet. Die konti­nu­ier­li­che Nutzung durch Bauherren, Archi­tek­ten, Immobi­li­en­mak­ler oder Wissen­schaft­ler hat ihre Spuren vor allem bei den älteren Akten hinter­las­sen. So sind mecha­ni­sche Schäden in Form von Rissen und bestoßenen Rändern zu nennen. Von früheren Instand­set­zungs­ver­su­chen zeugen Selbst­kle­be­strei­fen, die sich allerdings negativ auf die Haltbar­keit des Papiers auswirken. Starke Schäden weisen die auf die Größe der Akten zusam­men­ge­fal­te­ten Pläne auf. Sie sind vielfach an den Faltstel­len einge­ris­sen oder bereits ausein­an­der­ge­bro­chen. In besonderem Maße ist das Perga­min­pa­pier angegrif­fen. Im Laufe der Jahrzehnte wurde es sehr brüchig, so dass viele Pläne nur noch in Einzel­tei­len vorliegen. Die älteren Bauakten haben sich zudem braun verfärbt, was auf den hohen Säure­ge­halt im Papier hinweist. Dadurch altert das Papier schneller und wird brüchig - ein Zerfallspro­zess ist im Gang. Maßnahmen zur Rettung der histo­ri­schen Bauakten Was wird getan, um die Bauakten zu retten? Ein erster Schritt war die Überfüh­rung der histo­ri­schen Bauakten aus dem städti­schen Bauord­nungs­amt in das Stadt­ar­chiv, die Anfang Oktober 2015 abgeschlos­sen wurde. Dort angekommen werden sie derzeit im Archivsys­tem Augias erfasst und in säurefreie Archiv­bo­xen verpackt. Nach Abschluss der anschlie­ßen­den Restau­rie­rungs- und Konser­vie­rungs­maß­nah­men erfolgt die dauerhafte Lagerung der Bauakten in den klima­ti­sier­ten Magazinen des Stadt­ar­chivs. Der hohe Säure­ge­halt im Papier erfordert eine Entsäue­rung der Bauakten. Bei dem hierzu einge­setz­ten Massen­ver­fah­ren wird der pH-Wert des Papiers in einen leicht basischen Bereich (pH 7,5-9,5) angehoben und ein sogenann­ter alkali­scher Puffer in das Papier einge­bracht. Die Behandlung verlang­samt den Alterungs­pro­zess des Papiers, der durch den hohen Säure­ge­halt beschleu­nigt wurde. Um weiteren Nutzungs­schä­den vorzu­beu­gen, werden die Bauakten digita­li­siert. Das alte, brüchige Papier und die Oberrand­hef­tung erschweren diesen Arbeits­gang. Liegen die Digita­li­sate vor, erfolgt die Einsicht­nahme künftig am Bildschirm. Dies erlaubt unkom­pli­zierte, ortsun­ab­hän­gige Recherchen. Auch lassen sich Repro­duk­tio­nen rascher anfertigen. Eine besondere Heraus­for­de­rung stellt die Restau­rie­rung der beschä­dig­ten Pläne dar. Die Archivare nehmen sie aus den Bauakten heraus und fädeln Platz­hal­ter ein. Restau­ra­to­ren setzen die mitunter in Einzel­teile zerbro­che­nen Pläne wieder zusammen und stabi­li­sie­ren stark angegrif­fene Stücke mit Japan­pa­pier. Nach der Restau­rie­rung werden die Pläne digita­li­siert. Aus Gründen der Bestand­ser­hal­tung kommen die Pläne nach der Restau­rie­rung nicht zurück in die Akten. Statt­des­sen werden sie in Karten­schrän­ken planlie­gend aufbewahrt. Mit der Übernahme einer Restau­rie­rungs­pa­ten­schaft kann jeder Inter­es­sierte die Rettung des kultu­rel­len Erbes der Stadt Karlsruhe unter­stüt­zen. Eine Patin/ein Pate wählt dabei eine oder mehrere Bauakten und/oder Pläne aus, und spendet für deren Instand­set­zung. Die Wahl kann auf das eigene Haus, den Firmensitz oder ein anderes beliebiges Gebäude fallen. Zur ersten Orien­tie­rung finden sich Infor­ma­tio­nen und eine Liste restau­rie­rungs­be­dürf­ti­ger Bauakten und Pläne im Internet (s.u.). Gerne kann man bei Interesse auch Vorschläge und Wünsche zu bestimmten Gebäuden äußern oder Fragen zu einer Paten­schaft an das Stadt­ar­chiv Karlsruhe richten. Projekt­in­for­ma­tio­nen und Präsen­ta­tio­nen Das Stadt­ar­chiv ist bestrebt, konti­nu­ier­lich über das Projekt und dessen Fortgang zu berichten. Ebenso ist es ein Anliegen, die Bauakten als wichtige Quellen für die Stadt­ge­schichte zu präsen­tie­ren und ihren histo­ri­schen Wert zu veran­schau­li­chen. Dazu dient der Inter­ne­t­auf­tritt www.karlsruhe.de/his­to­ri­sche­bau­ak­ten, wo die Bauakten vorge­stellt sowie Einblicke in das Projekt und die verschie­de­nen Arbeits­schritte gegeben werden. Aktuelles zum Projekt wird regelmäßig auf Facebook (www.facebook.com/karls­ruhe.stadt­ge­schich­te) gepostet. Ab September 2016 werden histo­ri­sche Bauakten in zwei Ausstel­lun­gen zu sehen sein. Als Teil der Sonderaus­stel­lung "Waren. Haus. Geschichte: Die Knopf-Dynastie und Karlsruhe" im Karlsruher Stadt­mu­se­um ist die Bauge­schichte des ehemaligen Kaufhauses der Familie in der Kaiser­straße - heute Karstadt - im Spiegel der Bauakten nachzu­zeich­nen. Weitere Einblicke in die inhalt­li­che und thema­ti­sche Vielfalt, aber auch zu den Erhal­tungs­maß­nah­men wird es in den Räumen des Vereins Archi­tek­tur­schau­fens­ter e.V. in der Waldstraße 8 geben. Mit Bauakten liegen aussa­ge­kräf­tige Quellen zu vielen stadt­his­to­ri­schen Frage­stel­lun­gen vor, die ausge­zeich­nete Nutzungs­mög­lich­kei­ten bieten. Das Stadt­ar­chiv Karlsruhe als Bewahrer des Gedächt­nis­ses der Stadt sichert mit dem Projekt "Rettung histo­ri­scher Bauakten" auch mit Unter­stüt­zung von Paten und Patinnen den einzig­ar­ti­gen Quellen­fun­dus zur Stadt- und Bauge­schichte. Wichtige Teile des kultu­rel­len Erbes der Stadt werden gerettet, für künftige Genera­tio­nen bewahrt und für die Nutzung zugänglich gemacht. Dr. Patrick Sturm, Stadt­ar­chiv Karlsruhe
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick109/bauakten
kurier_160617_030_HP_035 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge 1 Karlsruher stadthistorische Beiträge Nr. 111·17. Juni 2016 Johann Michael Ludwig Rohrer Von dem Baumeister, der in jüngster Zeit als „großer Meister kleiner Formen“ Würdigung fin- det, existiert kein zeitgenössisches Bild. Nur ein Fantasieportrait in einem Glasfenster des Ettlinger Rathauses von 1960 (s. o.) zeigt Rohrer bei der Übergabe seines Plans für den Wiederaufbau der St.-Martins-Kirche an Markgräfin Sibylla Augu- sta. Ihr und seit 1727 ihrem Sohn Ludwig Georg diente Rohrer 25 Jahre als Hofbaumeister und schuf in dieser Zeit einige der schönsten barocken Bauwerke des Landes Baden, in denen sich Anre- gungen der französischen Baukunst, des rö- mischen Hochbarock sowie des süddeutschen und Wiener Spätbarock finden. Geboren wurde Rohrer 1683 in Tissau in Nord- böhmen (heute Otro in-Tisová) als Sohn des Mül- ler-, Zimmer- und Brunnenmeisters Michael An- ton Roher, der im Dienst von Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg stand und an dessen Re- sidenz in Schlackenwerth (heute Ostrov nad Ohří) arbeitete. Er ging wohl bei seinem Vater in die Lehre und übersiedelte mit der ganzen Familie 1697 nach Rastatt. Der Grund dafür war, dass der Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, der Türkenlouis, mit seiner Ehefrau Sibylla Augusta, der Enkelin des Herzogs von Sachsen-Lauenburg, in seine Heimat zurückging, nachdem sich seine Hoffnung König von Polen zu werden, zerschla- gen hatte. Dort in Rastatt ließ er sich von Domeni- co Egidio Rossi eine neue Residenz bauen. Da es in Rastatt aber nicht genügend Handwerker gab, zog die gesamte Schlackenwerther Bauhütte, und damit auch die Familie Rohrer, nach Rastatt. Nach dem Tod des Türkenlouis 1707 übernahm die 32-jährige Markgräfin Sibylla Augusta die Re- gentschaft. Aus Kostengründen und wegen Ausei- nandersetzungen mit Rossi ernannte sie 1707 den erst 24-jährigen Rohrer zum neuen Hofbaumei- ster. In den darauf folgenden 25 Jahren verant- wortete Rohrer die Um- und Anbauarbeiten am Rastatter Residenzschloss, dem ältesten und zweitgrößten südwestdeutschen Barockschloss. Er plante das Lustschloss Favorite mit Park und Ere- mitage in Rastatt, die Kirche St. Valentin in Dax- landen (1715) sowie die Einsiedlerkapelle (1715), die Schlosskirche (1719 – 21) und die Pagoden- burg (1722) in Rastatt. 1723 – 1727 plante er – von Sibylla Augusta ausgeliehen – im Auftrag des Fürstbischofs von Speyer, Damian Hugo von Schönborn, in Bruchsal den Ausbau des Kammer- flügels des Schlosses, die Orangerien sowie das Damianstor und entwarf die ersten Pläne für das Corps de Logis. Ab 1728 plante der Baumeister für Sibylla Augusta in Ettlingen den Wiederaufbau sowohl des im pfälzischen Erbfolgekrieg zer- störten Ettlinger Schlosses wie der ebenfalls zer- störten St. Martinskirche. Deren Fertigstellung er- lebte Rohrer nicht mehr. Er starb in Ettlingen am 24. April 1732 und hinterließ seine Ehefrau Maria Franziska mit zwei 1711 und 1713 geborenen Söh- nen. Manfred Fellhauer 1683 – 1732 Foto: Stadtarchiv Fortsetzung Seite 2 Als im Sommer vor 80 Jahren in Spanien Militärs unter General Franco gegen die demokratisch ge- wählte Regierung putschen, machen sich „Spani- enkämpfer“ aus Deutschland auf den Weg – auch aus Karlsruhe. Die einen sitzen in Maschinen der Luftwaffe oder auf Dampfern wie der „Usamaro“ – in Zivil und getarnt als „Union Reisegesellschaft“, die anderen – oft schon aus ihrer Heimat vertrie- ben oder geflohen – kommen auf Bergpfaden über die Pyrenäen, als „Urlauber“ mit dem Zug von Pa- ris über Perpignan nach Barcelona, auf Fähren von Marseille über Mallorca ans Festland. Die einen sind Wehrmachtssoldaten mit Sold, Front-Zulage und Vorab-Beförderung, die anderen sind meist Arbeiter, Nazi-Gegner aus verschiedenen Par- teien, ab 1933 oft in „Schutzhaft“ im KZ Kislau. Terroristen und Waffen aus Karlsruhe für die Militär-Putschisten Aus Karlsruhe kommt der adlige und hochdeko- rierte Luft-Terrorist der Nazi-Söldner-Truppe „Le- gion Condor“, der am 26. April 1937 den Tod auf Guernika warf. Die Fregatte „Karlsruhe“ kreuzt vor der spanischen Küste, angeblich zum Schutz der dort lebenden Deutschen, tatsächlich aber als Teil der Seeblockade, um Lieferungen für die rechtmäßige Regierung Spaniens zu verhindern. Die Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken Karlsruhe, konkret das Zweigwerk Lübeck, liefert ab 1936 Patronen für die „Legion Condor“. Die anderen „Spanienkämpfer“ aus Karlsruhe Die Namen der Verteidiger der spanischen Re- publik aus Karlsruhe fehlen in ihrer Stadt. An ei- nen wird zwar erinnert, im Museum für Literatur am Oberrhein und im Stadt-Wiki Karlsruhe fehlt jedoch, was Carl Einstein ab 1936 gemacht hat, Karlsruhe – Spanien: (K)eine Erinnerung von Brigitte und Gerhard Brändle warum er so handelte und warum er in den Tod floh. Wäre er nicht Kunsthistoriker gewesen, wäre auch er vergessen gemacht worden wie die bisher namenlosen Antifaschisten, gehörten sie doch zum niederen Volk, waren Färber, Kraftfahrer, Mechaniker, Metallarbeiter, Schlosser und Schrei- ner, meist Facharbeiter, auch ein Meister. Einer hatte Jura studiert, aber auch er fiel der partiellen Amnesie anheim: Rechtsanwalt August Hoffmann ist erst ab 1945 als SPD-Stadtrat genannt. Bei den zwölf Jahren davor fehlt, dass er vor 1933 im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegen die NSDAP kämpfte, dass er 1936 in Spanien in der Fliegerstaffel André Malraux gegen die Putschis- ten kämpfte, dass er 1939 im Lager Gurs einge- sperrt war und die Nazis ihn 1943 über das Ge- fängnis Karlsruhe ins KZ Dachau verschleppten. Das Reichssicherheitshauptamt begründete die weitere „Schutzhaft“ mit: „… ist anzunehmen, dass Hoffmann aufgrund seiner marxistischen Ge- sinnung, die er durch aktive Teilnahme am span. Bürgerkrieg betätigt hat, seine Freiheit zu weite- ren staatsfeindlichen Umtrieben missbrauchen werde“. Über Gurs und Karlsruhe ins KZ Dachau ver- schleppen die Nazis auch Emil Hoffmann, Adolf Kempf und Eugen Seidt. Otto Schmuck überlebt Gurs und dann die vier Jahre Zuchthaus im Ge- fängnis Karlsruhe und im Zuchthaus Ludwigsburg. Fritz Birk ist nach 1942 im Zuchthaus Ludwigsburg und ab 1944 im KZ Flossenbürg eingesperrt. Motive der Spanienfreiwilligen: „gegen die NS-Gewaltherrschaft in Deutschland“ Eugen Seidt flieht 1935 nach Frankreich, bevor er ab 1936 bei den Internationalen Brigaden im Bataillon Edgar André kämpft und dann Kraftfah- rer im Sanitätsdienst wird. Nach der Befreiung schreibt er: „Ich habe auf der Seite der rechtmä- ßigen republikanischen Regierung in Spanien am Kampf gegen die NS-Intervention teilgenommen. Der Kampf gegen die von der NS-Regierung nach Spanien beorderte ‚Legion Condor‘ war zugleich ein Kampf gegen die Festigung der NS-Gewalt- herrschaft in Deutschland“. Seidt überlebt die La- ger Gurs und Le Vernet, die Gefängnisse Karlsru- he und Ulm und das KZ Dachau. Carl Einstein antwortet 1938 auf die Frage zu seinen Motiven: „Das ist die einzige nützliche Sa- che, die es zur Zeit gibt. Und weil ich die Monoto- nie eines faschistischen Europa nicht aushalten will. […] Ich bin gekommen, weil die Spanier das einzige Volk sind, das nicht erlaubt, dass es ver- kauft wird, obwohl alle Welt sich anstrengt, es zu verkaufen. […] Wir müssen diese Leute hier mit allen Mitteln verteidigen. Denn, wenn wir nach al- ledem hier noch in Freiheit schreiben und malen können, dann ist dies – wortwörtlich – nur dem spanischen Widerstand zu danken. Ich wusste von Anfang an, dass ich in Spanien meine eigene Ar- beit, die Möglichkeit, als freies Individuum zu denken und zu fühlen, verteidigen würde“. Ein- stein kämpft, obwohl Mitglied der KPD, in der Co- lumna Durruti der Anarchosyndikalisten. 1938 er- scheint die Broschüre „Die deutsche Intervention in Spanien“, in der er Waffenlieferungen für Fran- co aus Deutschland mit Dokumenten, Lieferschei- nen etc. nachweist – bisher weder übersetzt noch Der Karlsruher Spanienkämpfer Karl Ganz alias Kurt Bürger wurde 1946 SED-Abgeordneter im Landtag von Mecklenburg und kurz vor seinem Tod Ministerpräsident. (Briefmarke der DDR 1974) 4 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge Herausgeber / Redaktion: Dr. Manfred Koch Herstellung: Badendruck „Blick in die Geschichte“ online ab Nr. 61/2003 unter: www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/ blick_geschichte/ausgaben.de Vieles an Wegen und Straßen, an dem man achtlos vorübergeht, hat aufgrund eines hohen Kulturwertes eine eingehende Betrachtung ver- dient. Wegkreuze gehören zu diesen Kulturdenk- malen. Sie sind stille, eindrucksvolle in Stein ge- hauene Zeugnisse eines unerschütterlichen christ- lichen Glaubens früherer Generationen. Vor allem in Gegenden mit katholischer Bevölkerung war es Brauch, auf freiem Feld, an einer Wegkreuzung, einem Weg oder einer Straße Weg- oder Flur- kreuze aufzustellen. Die unterschiedlichsten Gründe bewegten die Menschen zur Errichtung. Oft dienten sie als Orientierung für Reisende, Wanderer und Pilger. 23 unter Denkmalschutz stehende Wegkreuze befinden sich heute im Stadtgebiet, neun davon sind im Stadtteil Daxlanden, dem ehemaligen Fi- scherdorf der katholischen Markgrafschaft Ba- den-Baden anzutreffen. Eines der eindrucksvolls- ten ist das am Ende der Lindenallee, Anfang der Valentinstraße bei der Einmündung in die Aga- thenstraße. Die Inschrift auf dem gekehlten So- ckel des Sandsteinkreuzes überliefert die Stifter und das Entstehungsjahr: „Sein Blut floß, und/ er starb o Mensch/ für deine Sünden/ errichtet/ von Johan Kutterer und/ dessen Ehefrau eine gebohr/ ne Litzerin 1795“. Die Balkenenden sind als Drei- pässe mit Engelsköpfen ausgebildet. Am Kreuzes- stamm findet sich ein Totenschädel mit gekreuz- ten Knochen. Der Schädel am Fuß des Kreuzes hat mehrfache Bedeutung: Zum einen weist er auf Golgota (Schädelstätte) hin. Andererseits soll er der Schädel Adams sein, wodurch gleichzeitig Je- sus als der „neue Adam“ erscheint, der den Tod besiegt. Nach einem Eintrag in den Daxlander Kirchen- büchern weihte Pfarrer Heil am 12. Juli 1795 das Kreuz, das ursprünglich bei der Appenmühle auf- gestellt war. Das Vikariat der Diözese Speyer in Bruchsal (Daxlanden gehörte zu diesem Zeitpunkt noch zur Diözese Speyer) verlangte von dem Bür- ger und Schwarzadlerwirt Johannes Kutterer, dass er zur Unterhaltung des Kreuzes 15 Gulden in den Heiligenfonds (alte Bezeichnung für den Kirchen- fonds) zahlen sollte. Kutterer weigerte sich und so ordnete das Vikariat an, das Kreuz „an einen son- stigen ehrbaren Ort“ verbringen zu lassen. Das mag der Grund sein, warum er das Kreuz bei der Appenmühle aufgestellen ließ. Dort war einst die Ziegelei des Schultheißen und Schwarzadlerwirts Hanns Martin Gartner, Großvater von Johannes Kutterer. In dieser Ziegelei wurden 1713 – 1715 die Backsteine und Dachziegel für den Bau der St.-Va- lentins-Kirche hergestellt. Wann man das Kreuz an den Hammweg versetzen ließ, ist nicht bekannt. Bis 1939 stand es auf dem Grundstück des Fuhrun- ternehmers Artur Kästel, Hammweg Nr. 31. Dort war es auch Station bei den Flurprozessionen. Das stark beschädigte Kreuz wurde 1968 von dem Karlsruher Künstler Tomas Jungvirt restau- riert und fehlende Teile in Lindursan-Beton er- gänzt. Heute, knapp 50 Jahre später ist das Kreuz erneut reinigungs- und sanierungsbedürftig. Carlsruher Blickpunkte Wegkreuz in Daxlanden von Manfred Fellhauer Foto: Stadtarchiv straße lieferten Büros auch Entwürfe, die heute Unverständnis hervorrufen. So hatten zum Bei- spiel die Architekten Willett und Bingler vorge- schlagen, den Schlosspark bis zum Adenauerring mit Wohnungen für 20 bis 25 000 Menschen zu be- bauen. Die Schlossruine sollte abgerissen werden und einem Hotel Platz machen. Letztendlich konnte diese Verirrung trotz eines Gemeinderats- beschlusses mit nur einer Gegenstimme gebannt werden. Für die Kaiserstraße entstand ein Bebauungs- plan, dessen Umsetzung wir heute in großen Tei- len sehen. Die Bauflucht der nördlichen Kaiser- straße blieb bestehen, während Neubauten auf der Südseite ab dem ersten Obergeschoß um sechs Meter zurückgerückt werden mussten. Da- für konnten beidseitig sechs Geschoße errichtet werden. Es war vor allem ein Kompromiss mit den Grundstückseigentümern. Die heute teilweise vorhandenen Aufsätze auf die flachen Vorbauten sind Bausünden späterer Jahre. Für die Markt- platzseite wurde mit den Kolonnaden aus ver- kehrlichen Gründen eine Sonderlösung erreicht. 1953 erfolgte, beginnend mit dem Bau Kaiserstra- ße 74 an der Nordseite des Marktplatzes eine auch für die weiteren Projekte verbindliche Änderung der Dachlandschaft. Anstatt des bis dahin vorge- sehenen Satteldaches musste ein Attikageschoss mit Flugdach gebaut werden. Eine Besonderheit waren die Lieferhöfe hinter den Hauptbaukörpern. Sie sollten der Ver- kehrsentlastung für die Kaiserstraße und einer un- gestörten Anlieferung dienen. Ab 2006 bemühte sich die Stadtplanung mit der Aufwertung dieser bis dahin vernachlässigten, für die Öffentlichkeit aber wertvollen Räume mit unterschiedlichem Er- folg. Ein Bauvorhaben am Schlossplatz entzündete 1954 wieder die Debatte zwischen den Richtungen „historisch anmutender Wiederaufbau“ oder „neue Architektur“. Im Januar fiel eine Wettbew- erbsentscheidung für den Neubau der Landeskre- ditanstalt im Sinne des neuen Bauens in dem vor- gegeben städtebaulichen Rahmen. Im März be- gann die Diskussion um die Frage „Wiederaufbau des Landratsamtes im Sinne Weinbrenners“ oder eines Neubaus. Vor allem der Bund Deutscher Ar- chitekten (BDA) verfocht eine zeitgemäße Archi- tektur. Bemerkenswert ist die damalige intensive Berichterstattung in der lokalen Presse. Verbreiterung der Rheinstraße mit noch abzureißenden Bauten (Bildmitte). Foto: Stadtarchiv Es folgte eine Art Wiederaufbau mit einem zu- sätzlichen Geschoss. Mit dem Auszug des Land- ratsamtes und der Nachfolgenutzung durch das International Department kam es zur Jahrtau- sendwende zu einem Umbau. Stadtumbau und Sanierung Nicht die Altstadt, das „Dörfle“, wurde das erste Sanierungsprojekt nach dem Krieg, sondern die Mitte Mühlburgs. Nach dem Projekt „Mühlburger Feld“ enthielt der zweite Teil der Planung für Mühlburg (1952) die Verbreiterung der großen Rheinstraße. Eine Verkehrsplanung mit dem Ziel einer leistungsfähigen Straßenverbindung nach Süden war damit Auslöser für den ersten größeren Stadtumbau in Karlsruhe. Die zahlreichen Kriegs- zerstörungen hinterließen Ruinen, deren Wieder- aufbau an derselben Stelle nicht der geplanten Neuordnung entsprochen hätte. Die Nordseite er- hielt eine durchgehende neue Bebauung mit fünf- geschossigen Wohn- und Geschäftsgebäuden an der zurückversetzten Bauflucht. Die Architektur ist typisch für eine innerstädtische Bebauung der 1950er Jahre. Der ehemalige Haltestellenpavillon am Entenfang vor dem aus derselben Zeit stam- menden Postgebäude ist ein gelungenes Beispiel dieses Stils. Die Atmosphäre der Rheinstraße leidet unter ih- rer Breite, der Funktion als Durchgangsstraße und einem fehlenden attraktiven zentralen Bereich. Die nun abgeschlossenen Umbaumaßnahmen im Rahmen des Sanierungsprogramms Soziale Stadt sowie die geplanten Vorhaben beim Entenfang werden zur weitern Aufwertung der Mitte von diesem Stadtteil führen. Ein besonderes, aber bisher wenig gewürdigtes Projekt verdient gerade heute eine besondere Be- achtung als Beitrag zur Quartiersentwicklung und Verbesserung des innerstädtischen Klimas. Ab 1953 wurde der Südstadt-Grünzug realisiert. Da- mit entstand eine Fuß- und Fahrradverbindung mit kleinen Parkanlagen und Spielplätzen vom Stadtgarten quer durch die dicht bebaute Süd- stadt bis zum neuen Quartier Südstadt-Ost. Die schrittweise Umsetzung dauerte bis in die 1980er Jahre. Es ist ein Beispiel für das Bohren dicker Bretter in der Stadtplanung. kurier 2 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge veröffentlicht, ein angesichts der aktuellen Rüs- tungsexporte gebotenes Reprint. Nach dem Sieg der Putschisten wird er 1939 im Lager Argelès in Südfrankreich interniert, kommt wieder frei, geht nach Paris, wird wieder eingesperrt, wahrschein- lich im Lager Bassens bei Bordeaux. Er weiß, was ihn wohl bald erwarten würde: „Man wird mich internieren, und französische Gendarmen werden uns bewachen. Eines schönen Tages werden es SS-Leute sein. Aber das will ich nicht. Je me fou- trai à l’eau. Ich werde mich ins Wasser werfen!“ Sein zweiter Selbstmordversuch ist erfolgreich: Am 7. Juli 1940 wird seine Leiche aus dem Fluss Gave de Pau bei Boeil-Bézing geborgen. Vom Hinterhaus in der Karlsruher Bahnhofstraße in das Schweriner Schloss Hinweise auf Karlsruher, die wie Einstein bei den Anarchisten kämpften, sind spärlich: Der See- mann Theodor Haag wird im französischen Wüs- tenlager Djelfa in Algerien von britischen Truppen befreit, die letzte Meldung vom Zimmermann Phi- lipp Urban stammt von 1939 aus Nîmes. Hermann Hertz, wie Einstein aus einer jü- dischen Familie stammend, überlebt; nach seiner Flucht 1938 in die USA fehlt jede Spur. Er war Mit- glied der Sozialistischen Arbeiter-Partei, einer lin- ken Abspaltung von der SPD. Bei der SPD sind August Hoffmann, Franz Deck und Johann Heinz. Die beiden Letztgenannten schließen sich in Frankreich der Résistance an, Deck überlebt, Heinz, Mitglied des Maquis Bir- Hakeim, wird 1944 von der NS-Wehrmacht er- schossen. Josef Eckl und Emil Maisch können aus Lagern bzw. Arbeitskompanien entkommen und sind in der Résistance gegen die Hitler-Truppen aktiv. Fast zwei Drittel der Spanienfreiwilligen aus Karlsruhe sind Kommunisten, die meisten auch Gewerkschafter. Alle mussten ab 1933 aus ihrer Heimat fliehen. Einer von ihnen ist Kurt Bürger, 1894 geboren als Karl Ganz. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie, in einem Hinterhaus in der Bahn- hofstraße wohnhaft. Als Schlosser wird er Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes. Ab Fe- bruar 1933 arbeitet er im Untergrund als „Kurt Bürger“ gegen die Nazis. Verrat aus den eigenen Reihen zwingt ihn zur Flucht. In der UdSSR ist er 1934 verantwortlich für die Veröffentlichung von Dokumenten und Berichten unter anderem aus dem KZ Dachau unter dem Titel: „Aus Hitlers Konzentrationslagern“. Die Schrift, illegal nach Nazi-Deutschland geschmuggelt, steht schnell auf der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ der Reichsschrifttumskammer. Ein Reprint dieses Zeugnisses des frühen Widerstands steht noch aus. 1936 ist er als „Karl Eiche“ zuerst beim Stab der Internationalen Brigaden in Alba- cete, dann kämpft er im Bataillon Edgar André. In seinem Tagebuch steht am 24. Februar 1937: „Ich denke an die Verbrechen der faschistischen Ban- diten in Albacete und Valencia. Wieder sind meist Frauen und Kinder ihre Opfer. Die faschistischen Flieger, die unbefestigte, friedliche Städte (meist in der Nacht) mit Bomben belegen, sind die feigs- ten Mordbuben in der Kriminalgeschichte aller Jahrhunderte. [...] Wehe dem Volk, das wehrlos ist gegenüber den Mächten der Reaktion“. Im April 1937 muss er wegen einer Erkrankung nach Paris. Nach einer Operation kehrt er 1938 in die UdSSR zurück. 1945 kommt Bürger aus dem Exil und ist von 1946 bis 1951 SED-Abgeordneter im Landtag von Mecklenburg. Am 20. Juli 1951 wählt ihn der Landtag zum Ministerpräsidenten, acht Tage später stirbt er nach einem Herzanfall. In der DDR erinnerte an ihn eine Briefmarke. Der Name Heinz steht auf einem Denkmal in den Cevennen, für Einstein gibt es in Boeil-Bézing ei- ne Gedenktafel. Sie und die anderen Spanienfrei- willigen harren der Wahrnehmung und noch mehr der Würdigung in Karlsruhe. Der Bomber-Pilot aus Karlsruhe war 1957 wieder integriert in sei- nem Metier, verabschiedet ihn doch die Bundes- wehr 1971 mit allen Ehren. Die anderen „Spanien- kämpfer“ müssen zum Teil bis 1975 um Entschädi- gungen streiten. 1996 verleiht die spanische Regierung auf ein- stimmigen Beschluss des Parlaments den Freiwil- ligen der Internationalen Brigaden in Anerken- nung ihrer Verdienste die spanische Ehrenbürger- schaft. 20 Jahre später fehlt ein solches Signal – nicht nur in Karlsruhe. Der abgebildete Plan der Karlsruher Innenstadt basiert auf dem bekannten von Weinbrenner he- rausgegebenen Stadtplan von 1822. Er zeigt de- tailliert den baulichen Zustand von 1826 mit den geplanten, erhaltenen, archivalisch erwiesenen, lediglich Weinbrenner zugeschriebenen und sei- nen zerstörten Bauten. Dies ergibt an einigen Stel- len Situationen, wo sich Gebautes und Geplantes unvereinbar überlagern. Die Visionen Weinbren- ners von seiner Stadt werden somit ebenso nach- vollziehbar wie die Spuren seines Schaffens im Karlsruhe unserer Tage. Die Achse Schloss-Ettlinger Tor Das bereits 1798 von Weinbrenner entworfene Haus Staatsrat Wohnlich am Rondell entsteht bis 1800 (zerstört), ebenfalls im Jahr 1800 baut Wein- brenner das Lusthaus im Markgräflich Hochberg- schen Garten (zerstört) dann das eigentliche Pa- lais, 1803 – 1814 (nach Kriegsverlusten verändert). 1801 baut Weinbrenner sein eigenes Haus am südlichen Ende der Schloss-Straße (Abbruch 1873). 1803 entsteht das Ettlinger Tor als monu- mentale Triumphpforte (Abbruch 1872). Ebenfalls 1803 der Entwurf eines herrschaftlichen Wohn- hauses im Nordosten des Rondells. Im Südwesten wird die Bebauung 1804 beschlossen durch Eck- haus und anschließendes Haus des Hofmetzgers Reuter, beide wohl von Weinbrenner (Abbruch nach 2000), sowie durch das mittig angelegte Haus des Schreinermeisters Stemmermann, 1809 (nicht erhalten). 1805 das Haus des Generals von Beck, Schloss-Straße 23 (nicht erhalten). Grundlage für die Planungen am Marktplatz ist der Plan von 1797. Der eigentliche Marktplatz, 70 x 65 Meter, wird gerahmt von eingeschossigen Boutiquen für Handwerker und Fabrikanten (nicht gebaut). Im Westen des Marktplatzes 1804 das Haus für Hoffaktor Kusel, Schloss-Straße 6 (er- halten), und 1812 das Haus für die Kaufleute Schmieder und Füsslin, Schloss-Straße 4 (wieder- aufgebaut). Östliche Platzwand ebenfalls Wein- brennerbauten: für den Zimmermeister Ludwig Weinbrenner, für den Hofjuwelier Dreßler, den Hofuhrmacher Schmidt, den Cafetier Meyer, Schloss-Straße 7 bis 13 (Wiederaufbauten). Im gleichen Block 1809 das nicht erhaltene Haus des Handelsmannes Weisinger, Lange Straße 135, und rückseitig 1811 das erhaltene Reformierte Pfarr- haus, Kreuzstraße 12. Nördlich des Marktplatzes 1815 das Gasthaus „Zum schwarzen Bären“, Gast- wirt Reuter, Lange Straße 70 (Abbruch nach 1920), und nach 1804 das Haus Vorderer Zirkel 13 des Hofagenten Seligmann, Entwurf wohl von Wein- brenner (zerstört). Der südliche verengte Teil des Marktplatzes, 45 x 90 m groß, wird von Rathaus und Stadtkirche beherrscht. Der Rathausbau be- ginnt 1805 mit dem Nordflügel, ab 1821 mit dem eigentlichen Rathausbau (mit Veränderungen er- halten). Bau der Evangelischen Stadtkirche 1807 bis 1816, der südliche Flügel des Gymnasiums schon 1803. Der Kirchenbau nimmt Elemente des antiken Tempels auf (nach Wiederaufbau erhal- ten). Der nördliche Flügel der Gymnasiumsbauten entsteht 1823 – 24. Lange Straße mit Zähringerstraße und angrenzenden Bereichen Dreigeschossige, zu beiden Seiten der Langen Straße 1806 geplante Kolonnaden, in den An- fangsfeldern Arkaden, sollten die Flucht der Häu- ser vereinheitlichen (nicht verwirklicht). 1820 wohl von Weinbrenner geplant das Haus Schlos- ser Rau, Lange Straße 128, (nicht erhalten), und 1809 vom Bauamt – Weinbrenner – geplant das Haus Kammerdiener Gebhard, Waldstraße 47 (nicht erhalten). Ein unausgeführter Entwurf Weinbrenners, wohl in der Langen Straße zwi- schen Herren- und Ritterstraße. 1813/14 das Mu- seum Ecke Lange Straße/Ritterstraße (1918 abge- brannt). 1811 Haus Kammerdiener Eichelgrau, Ritterstraße 18, und 1814 Haus Sattler Schmidt, Ritterstraße 20 (beide nicht erhalten). In der Zähringerstraße 45 plant Weinbrenner 1815 ein größeres Wohnhaus für die Handelsleute Schmie- der und Füsslin. 1826 am südlichen Ende als An- bau Haus Blechnermeister Beyer. Daneben, Zähringerstraße 47, 1815 das Haus Maurermeister Holb. Gegenüber, Zähringerstraße 66, das 1816 wohl von Weinbrenner gebaute Haus Kammerdie- ner Frech. Zähringerstraße 53 das 1827 wohl von Weinbrenner erbaute Haus Karoline und Friede- rike Häckher. Es folgt 1809 das Haus Lange Straße 58, Hofbedienter Kasten, und ebenfalls 1809 ge- genüber an der Kleinen Kirche, Kreuzstraße 11, das Haus Schnabel (beide nicht erhalten). Vor 1816 das Haus Adlerstraße 14, Bierbrauer Hem- berle, Ecke Lange Straße, 1816 gegenüber das Haus Weinwirt Eichelkraut, Lange Straße 119 und 1810 das wohl von Weinbrenner entworfene Haus Gürtlermeister Sollway, Adlerstraße 18 (alle drei Häuser erhalten). Die Synagoge ist der erste mo- numentale Bau Weinbrenners in Karlsruhe, 1798 errichtet (1871 abgebrannt). Das Haus Josef und Seeligmann Ettlinger Ecke Lange Straße / Kro- nenstraße 26, wird 1801 errichtet (nicht erhalten). An der Waldhornstraße 18 entsteht 1811 – 12 das Haus Staatsrat Fischer, 1815 daneben Nr. 20 Haus Einnehmer Bodmer (bis auf Reste nicht erhalten). Weiter südlich in der Waldhornstraße 30 / Ecke Lange Straße, das 1817 genehmigte Haus Han- delsmann Hirsch (Abbruch nach 1916), an der Ecke Zähringerstraße das wohl 1818 gebaute Haus Witwe Dollmätsch, Waldhornstraße 38 (Ab- bruch 1974). In der Zähringerstraße 1813 das wohl von Weinbrenner entworfenen Haus Apotheker Sommerschuh (Adresse Kronenstraße 21) als An- bau an ein Eckhaus, und 1811 das Haus Schlosser Müller, Zähringerstraße 2 (beide nicht erhalten). Nordwestliche Innenstadt Das Kanzleigebäude entsteht 1803, es wird nach Teilabbruch 1955 umgebaut. Das beherr- schende Gebäude am westlichen Schlossplatz ist das 1806 – 08 gebaute Theater (1847 abgebrannt). 1807 plant Weinbrenner eine Lehranstalt für Mi- neralogie und Botanik, sie wird nicht gebaut. Bau der Pflanzenhäuser im Botanischen Garten ab 1807 (nicht fertiggestellt). Die im Jahr 1809 ge- plante Erweiterung der Akademie wird nicht rea- lisiert. Im nordwestlichen Stadtbereich 1815 das Eckhaus Handelsmann Ettlinger, Innerer Zirkel 26 (erhalten) und das Eckhaus Postrat Braun, Linken- heimer-Tor-Straße 15 (nicht erhalten). Ebenfalls Linkenheimer-Tor-Straße die Wasser- und Stra- ßenbaudirektion 1828 nach Plänen Weinbrenners gebaut (zerstört). Südwestliche Innenstadt 1802 beginnt der Bau des Sommerschlösschens für Markgräfin Amalie im Erbprinzengarten, an der Südostecke des Gartens entsteht 1802 der Go- tische Turm, an der Südwestecke ein Vogelhaus. Verbindung zum nördlichen Gartenteil durch ei- nen unterirdischen Gang. Das 1804 gebaute Haus Witwe Kammerrat Lidell, Erbprinzenstraße 19 / Ecke Ritterstraße (teilweise erhalten). Weiter westlich am Ludwigsplatz das wohl von Wein- brenner für Posamentier Lang 1808 erbaute Eck- haus Erbprinzenstraße 33 / Ecke Kleine Herren- straße und Waldstraße (mit großen Verände- rungen erhalten), und das ebenfalls für Lang 1809 – 14 angebaute Haus Waldstraße 57a. Das Haus Erbprinzenstraße 22 entstand 1818 – 19 für den Hofmaler Kunz. Ein nicht ausgeführter Ent- wurf Weinbrenners ging voraus. Die Katholische Stadtkirche wird 1808 – 14 erbaut. Sie ist aus einem Quadrat entwickelt, die Mitte wird von einem überkuppelten Rundraum eingenommen. 1820 – 22 das Ständehaus (zerstört). Zwischen Herren- und Ritterstraße liegt der Garten der Ein Stadtplan in axonometrischer Darstellung Weinbrenner. Bauten und Projekte in Karlsruhe von Peter Thoma Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge 3 Stadtplan in axonometrischer Darstellung. Zeichnung: Peter Thoma Markgräfin Friedrich (Prinzessin Christiane) mit dem 1817 begonnenen Bau eines großen Palais, unter der Villa ein Durchgang, ein Arkadengang im Süden verbindet das Hauptgebäude mit dem Lusthaus an der Kriegsstraße, an der Nordseite ein Pflanzenhaus in neugotischem Stil (alle 1894 ab- gebrochen). Karlstraße Die Karlstraße ist eine wichtige Nord-Süd-Ver- bindung im Westen des Stadterweiterungsplans von 1812 und 1818. Weinbrenner baut die Infante- riekaserne 1804 – 1805. Südlich des Ludwigs- platzes plant er möglicherweise 1816 das Eckhaus Karlstraße 21 des Gastwirtes Groß, und 1813 – 1815 für Gastwirt Wichtermann Karlstraße 27 (beide nicht erhalten). 1822 baut am Karlstor, Karlstraße 47, Ecke Herrenstraße, Zimmermeister Küentzle sein Haus, ein Entwurf Weinbrenners wird nicht ausgeführt. Die Münze beschließt die Karlstraße im Norden, ihre Ausführung ab 1826 erlebt Wein- brenner nicht mehr. Nordöstliche und Südöstliche Innenstadt, Achse Fasanenstraße Das Eckhaus Innerer Zirkel 10, Hofbuchdrucker Müller, wird 1811 gebaut (nicht erhalten). Das Haus Spitalstraße 41, Regierungsrat Reinhard, entsteht 1813 (stark verändert erhalten). Die Churfürstliche Bauverwaltung wird 1806 westlich der Achse der verlängerten Fasanenstraße an der Langen Straße angelegt, aber nur teilweise ausge- führt und später abgebrochen. Östlich der Achse liegt die Kavalleriekaserne (Abbruch 1898). Drei kleinere Gebäude Weinbrenners im östlichen Be- reich der Innenstadt: der Fischmarkt hinter der Kleinen Kirche, die Suppenküche in der Spital- straße und die Leichenhalle. Zusammenfassung Weinbrenners Umgang mit dem städtischen Raum ist am Marktplatz zu sehen: Von Norden be- trachtet staffelt sich der Platz in Raumschichten nach Süden, den Kulissen eines Theaters vergleich- bar. Diese Raumschichten steigern sich in der Höhe von den niedrigen Boutiquen über die dreigeschos- sigen Lyzeumsbauten zur höheren Stadtkirche, die wiederum vom Turm überragt wird. Für den Be- trachter, der sich auf dieser Bühne bewegt, ergibt sich ein dramatischer Perspektivwechsel von nah zu fern, von niedrig zu hoch, der verwirrend und ir- rational auf ihn wirkt. Dies ist die Idee des Roman- tischen Klassizismus Weinbrenners. Literatur: Hea-Jee Im: Karlsruher Bürgerhäuser zur Zeit Friedrich Weinbrenners, Mainz 2004; Arthur Valdenaire: Friedrich Wein- brenner, Karlsruhe 1926. In der Online-Ausgabe wird eine Langfassung dieses Beitrags ver- öffentlicht. Am 4. April 1945 war für Karlsruhe mit dem Ein- marsch der Franzosen der Zweite Weltkrieg und die NS-Herrschaft faktisch zu Ende. Ein Erinnern an diesen, 70 Jahre zurück liegenden Tag wäre im Jubiläumsjahr 2015 nicht unpassend gewesen. 12 000 Menschen aus Karlsruhe hatten ihr Leben gelassen, an der Front oder bei den Bombardie- rungen. 60 000 lebten noch in Karlsruhe. Vor dem Krieg waren es noch 185 000 gewesen. 135 Luftan- griffe führten zur Zerstörung von circa 36 Prozent der Bausubstanz der damaligen Stadt. Von den 57 000 Wohnungen blieben nur 12 000 unbeschä- digt, 12 000 waren total zerstört. Die westliche In- nenstadt war stark in Mitleidenschaft gezogen. Neben der Trümmerbeseitigung und Schutträu- mung, der Reparatur der Infrastruktur und des Baubestandes war der Wiederaufbau der Innen- stadt als städtisches und regionales Zentrum von besonderer Wichtigkeit. Später erforderte der Wohnungsbau besondere Anstrengungen auch wegen der starken Zunahme der Bevölkerung durch die Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten. Die Schutträumung und der Wiederaufbau funktionierten in Karlsruhe relativ gut dank der Ende 1945 gegründeten „Aufräumungs-Arbeits- gemeinschaft-Karlsruhe“ (AAK) mit 35 Firmen des Baugewerbes. Die innere Stadt Wiederherstellung der alten städtebaulichen Ordnung oder der Bau einer neuen Struktur, wa- ren Fragen in vielen deutschen Städten unmittel- bar nach dem Krieg. Hannover und Kassel stan- den für eine neue Stadt. Münster und Freuden- stadt sind Beispiele für die generelle Beibehaltung des Stadtgrundrisses, der Parzellenstruktur und der lokalen Bautradition. Die teilweise noch funk- tionierende Stadttechnik unter der Oberfläche, in- takte Keller und die Eigentumsstruktur spielten ebenfalls eine Rolle. In der städtischen Denkschrift von 1946 „Karls- ruhe wird wieder aufgebaut“ hatte sich die dama- lige Stadtverwaltung grundsätzlich positioniert. Der Fächergrundriss und die Lage der Kaiserstra- ße als Rückgrat und Geschäftsstraße sollten beibe- halten werden. Ebenso wurde auf das baukünstle- rische Erbe der Stadt hingewiesen. Die ersten Überlegungen der Stadtplanung für den Wieder- aufbau fanden aber keine Zustimmung, weshalb der „Ideenwettbewerb zur Erlangung von Ent- würfen für die städtebauliche und architekto- nische Ausgestaltung der Kaiserstraße in Karlsru- he vom Marktplatz bis zur Hauptpost“ Ende 1947 ausgelobt wurde. Trotz der Beibehaltung des Strahlengrundrisses, des Marktplatz-Ensembles als „Denkmalinsel“ sowie der Lage der Kaiser- Stadtplanung nach dem Zweiten Weltkrieg (Teil 1) Karlsruhe wird wieder aufgebaut von Harald Ringler ku rie r 2 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge veröffentlicht, ein angesichts der aktuellen Rüs- tungsexporte gebotenes Reprint. Nach dem Sieg der Putschisten wird er 1939 im Lager Argelès in Südfrankreich interniert, kommt wieder frei, geht nach Paris, wird wieder eingesperrt, wahrschein- lich im Lager Bassens bei Bordeaux. Er weiß, was ihn wohl bald erwarten würde: „Man wird mich internieren, und französische Gendarmen werden uns bewachen. Eines schönen Tages werden es SS-Leute sein. Aber das will ich nicht. Je me fou- trai à l’eau. Ich werde mich ins Wasser werfen!“ Sein zweiter Selbstmordversuch ist erfolgreich: Am 7. Juli 1940 wird seine Leiche aus dem Fluss Gave de Pau bei Boeil-Bézing geborgen. Vom Hinterhaus in der Karlsruher Bahnhofstraße in das Schweriner Schloss Hinweise auf Karlsruher, die wie Einstein bei den Anarchisten kämpften, sind spärlich: Der See- mann Theodor Haag wird im französischen Wüs- tenlager Djelfa in Algerien von britischen Truppen befreit, die letzte Meldung vom Zimmermann Phi- lipp Urban stammt von 1939 aus Nîmes. Hermann Hertz, wie Einstein aus einer jü- dischen Familie stammend, überlebt; nach seiner Flucht 1938 in die USA fehlt jede Spur. Er war Mit- glied der Sozialistischen Arbeiter-Partei, einer lin- ken Abspaltung von der SPD. Bei der SPD sind August Hoffmann, Franz Deck und Johann Heinz. Die beiden Letztgenannten schließen sich in Frankreich der Résistance an, Deck überlebt, Heinz, Mitglied des Maquis Bir- Hakeim, wird 1944 von der NS-Wehrmacht er- schossen. Josef Eckl und Emil Maisch können aus Lagern bzw. Arbeitskompanien entkommen und sind in der Résistance gegen die Hitler-Truppen aktiv. Fast zwei Drittel der Spanienfreiwilligen aus Karlsruhe sind Kommunisten, die meisten auch Gewerkschafter. Alle mussten ab 1933 aus ihrer Heimat fliehen. Einer von ihnen ist Kurt Bürger, 1894 geboren als Karl Ganz. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie, in einem Hinterhaus in der Bahn- hofstraße wohnhaft. Als Schlosser wird er Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes. Ab Fe- bruar 1933 arbeitet er im Untergrund als „Kurt Bürger“ gegen die Nazis. Verrat aus den eigenen Reihen zwingt ihn zur Flucht. In der UdSSR ist er 1934 verantwortlich für die Veröffentlichung von Dokumenten und Berichten unter anderem aus dem KZ Dachau unter dem Titel: „Aus Hitlers Konzentrationslagern“. Die Schrift, illegal nach Nazi-Deutschland geschmuggelt, steht schnell auf der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ der Reichsschrifttumskammer. Ein Reprint dieses Zeugnisses des frühen Widerstands steht noch aus. 1936 ist er als „Karl Eiche“ zuerst beim Stab der Internationalen Brigaden in Alba- cete, dann kämpft er im Bataillon Edgar André. In seinem Tagebuch steht am 24. Februar 1937: „Ich denke an die Verbrechen der faschistischen Ban- diten in Albacete und Valencia. Wieder sind meist Frauen und Kinder ihre Opfer. Die faschistischen Flieger, die unbefestigte, friedliche Städte (meist in der Nacht) mit Bomben belegen, sind die feigs- ten Mordbuben in der Kriminalgeschichte aller Jahrhunderte. [...] Wehe dem Volk, das wehrlos ist gegenüber den Mächten der Reaktion“. Im April 1937 muss er wegen einer Erkrankung nach Paris. Nach einer Operation kehrt er 1938 in die UdSSR zurück. 1945 kommt Bürger aus dem Exil und ist von 1946 bis 1951 SED-Abgeordneter im Landtag von Mecklenburg. Am 20. Juli 1951 wählt ihn der Landtag zum Ministerpräsidenten, acht Tage später stirbt er nach einem Herzanfall. In der DDR erinnerte an ihn eine Briefmarke. Der Name Heinz steht auf einem Denkmal in den Cevennen, für Einstein gibt es in Boeil-Bézing ei- ne Gedenktafel. Sie und die anderen Spanienfrei- willigen harren der Wahrnehmung und noch mehr der Würdigung in Karlsruhe. Der Bomber-Pilot aus Karlsruhe war 1957 wieder integriert in sei- nem Metier, verabschiedet ihn doch die Bundes- wehr 1971 mit allen Ehren. Die anderen „Spanien- kämpfer“ müssen zum Teil bis 1975 um Entschädi- gungen streiten. 1996 verleiht die spanische Regierung auf ein- stimmigen Beschluss des Parlaments den Freiwil- ligen der Internationalen Brigaden in Anerken- nung ihrer Verdienste die spanische Ehrenbürger- schaft. 20 Jahre später fehlt ein solches Signal – nicht nur in Karlsruhe. Der abgebildete Plan der Karlsruher Innenstadt basiert auf dem bekannten von Weinbrenner he- rausgegebenen Stadtplan von 1822. Er zeigt de- tailliert den baulichen Zustand von 1826 mit den geplanten, erhaltenen, archivalisch erwiesenen, lediglich Weinbrenner zugeschriebenen und sei- nen zerstörten Bauten. Dies ergibt an einigen Stel- len Situationen, wo sich Gebautes und Geplantes unvereinbar überlagern. Die Visionen Weinbren- ners von seiner Stadt werden somit ebenso nach- vollziehbar wie die Spuren seines Schaffens im Karlsruhe unserer Tage. Die Achse Schloss-Ettlinger Tor Das bereits 1798 von Weinbrenner entworfene Haus Staatsrat Wohnlich am Rondell entsteht bis 1800 (zerstört), ebenfalls im Jahr 1800 baut Wein- brenner das Lusthaus im Markgräflich Hochberg- schen Garten (zerstört) dann das eigentliche Pa- lais, 1803 – 1814 (nach Kriegsverlusten verändert). 1801 baut Weinbrenner sein eigenes Haus am südlichen Ende der Schloss-Straße (Abbruch 1873). 1803 entsteht das Ettlinger Tor als monu- mentale Triumphpforte (Abbruch 1872). Ebenfalls 1803 der Entwurf eines herrschaftlichen Wohn- hauses im Nordosten des Rondells. Im Südwesten wird die Bebauung 1804 beschlossen durch Eck- haus und anschließendes Haus des Hofmetzgers Reuter, beide wohl von Weinbrenner (Abbruch nach 2000), sowie durch das mittig angelegte Haus des Schreinermeisters Stemmermann, 1809 (nicht erhalten). 1805 das Haus des Generals von Beck, Schloss-Straße 23 (nicht erhalten). Grundlage für die Planungen am Marktplatz ist der Plan von 1797. Der eigentliche Marktplatz, 70 x 65 Meter, wird gerahmt von eingeschossigen Boutiquen für Handwerker und Fabrikanten (nicht gebaut). Im Westen des Marktplatzes 1804 das Haus für Hoffaktor Kusel, Schloss-Straße 6 (er- halten), und 1812 das Haus für die Kaufleute Schmieder und Füsslin, Schloss-Straße 4 (wieder- aufgebaut). Östliche Platzwand ebenfalls Wein- brennerbauten: für den Zimmermeister Ludwig Weinbrenner, für den Hofjuwelier Dreßler, den Hofuhrmacher Schmidt, den Cafetier Meyer, Schloss-Straße 7 bis 13 (Wiederaufbauten). Im gleichen Block 1809 das nicht erhaltene Haus des Handelsmannes Weisinger, Lange Straße 135, und rückseitig 1811 das erhaltene Reformierte Pfarr- haus, Kreuzstraße 12. Nördlich des Marktplatzes 1815 das Gasthaus „Zum schwarzen Bären“, Gast- wirt Reuter, Lange Straße 70 (Abbruch nach 1920), und nach 1804 das Haus Vorderer Zirkel 13 des Hofagenten Seligmann, Entwurf wohl von Wein- brenner (zerstört). Der südliche verengte Teil des Marktplatzes, 45 x 90 m groß, wird von Rathaus und Stadtkirche beherrscht. Der Rathausbau be- ginnt 1805 mit dem Nordflügel, ab 1821 mit dem eigentlichen Rathausbau (mit Veränderungen er- halten). Bau der Evangelischen Stadtkirche 1807 bis 1816, der südliche Flügel des Gymnasiums schon 1803. Der Kirchenbau nimmt Elemente des antiken Tempels auf (nach Wiederaufbau erhal- ten). Der nördliche Flügel der Gymnasiumsbauten entsteht 1823 – 24. Lange Straße mit Zähringerstraße und angrenzenden Bereichen Dreigeschossige, zu beiden Seiten der Langen Straße 1806 geplante Kolonnaden, in den An- fangsfeldern Arkaden, sollten die Flucht der Häu- ser vereinheitlichen (nicht verwirklicht). 1820 wohl von Weinbrenner geplant das Haus Schlos- ser Rau, Lange Straße 128, (nicht erhalten), und 1809 vom Bauamt – Weinbrenner – geplant das Haus Kammerdiener Gebhard, Waldstraße 47 (nicht erhalten). Ein unausgeführter Entwurf Weinbrenners, wohl in der Langen Straße zwi- schen Herren- und Ritterstraße. 1813/14 das Mu- seum Ecke Lange Straße/Ritterstraße (1918 abge- brannt). 1811 Haus Kammerdiener Eichelgrau, Ritterstraße 18, und 1814 Haus Sattler Schmidt, Ritterstraße 20 (beide nicht erhalten). In der Zähringerstraße 45 plant Weinbrenner 1815 ein größeres Wohnhaus für die Handelsleute Schmie- der und Füsslin. 1826 am südlichen Ende als An- bau Haus Blechnermeister Beyer. Daneben, Zähringerstraße 47, 1815 das Haus Maurermeister Holb. Gegenüber, Zähringerstraße 66, das 1816 wohl von Weinbrenner gebaute Haus Kammerdie- ner Frech. Zähringerstraße 53 das 1827 wohl von Weinbrenner erbaute Haus Karoline und Friede- rike Häckher. Es folgt 1809 das Haus Lange Straße 58, Hofbedienter Kasten, und ebenfalls 1809 ge- genüber an der Kleinen Kirche, Kreuzstraße 11, das Haus Schnabel (beide nicht erhalten). Vor 1816 das Haus Adlerstraße 14, Bierbrauer Hem- berle, Ecke Lange Straße, 1816 gegenüber das Haus Weinwirt Eichelkraut, Lange Straße 119 und 1810 das wohl von Weinbrenner entworfene Haus Gürtlermeister Sollway, Adlerstraße 18 (alle drei Häuser erhalten). Die Synagoge ist der erste mo- numentale Bau Weinbrenners in Karlsruhe, 1798 errichtet (1871 abgebrannt). Das Haus Josef und Seeligmann Ettlinger Ecke Lange Straße / Kro- nenstraße 26, wird 1801 errichtet (nicht erhalten). An der Waldhornstraße 18 entsteht 1811 – 12 das Haus Staatsrat Fischer, 1815 daneben Nr. 20 Haus Einnehmer Bodmer (bis auf Reste nicht erhalten). Weiter südlich in der Waldhornstraße 30 / Ecke Lange Straße, das 1817 genehmigte Haus Han- delsmann Hirsch (Abbruch nach 1916), an der Ecke Zähringerstraße das wohl 1818 gebaute Haus Witwe Dollmätsch, Waldhornstraße 38 (Ab- bruch 1974). In der Zähringerstraße 1813 das wohl von Weinbrenner entworfenen Haus Apotheker Sommerschuh (Adresse Kronenstraße 21) als An- bau an ein Eckhaus, und 1811 das Haus Schlosser Müller, Zähringerstraße 2 (beide nicht erhalten). Nordwestliche Innenstadt Das Kanzleigebäude entsteht 1803, es wird nach Teilabbruch 1955 umgebaut. Das beherr- schende Gebäude am westlichen Schlossplatz ist das 1806 – 08 gebaute Theater (1847 abgebrannt). 1807 plant Weinbrenner eine Lehranstalt für Mi- neralogie und Botanik, sie wird nicht gebaut. Bau der Pflanzenhäuser im Botanischen Garten ab 1807 (nicht fertiggestellt). Die im Jahr 1809 ge- plante Erweiterung der Akademie wird nicht rea- lisiert. Im nordwestlichen Stadtbereich 1815 das Eckhaus Handelsmann Ettlinger, Innerer Zirkel 26 (erhalten) und das Eckhaus Postrat Braun, Linken- heimer-Tor-Straße 15 (nicht erhalten). Ebenfalls Linkenheimer-Tor-Straße die Wasser- und Stra- ßenbaudirektion 1828 nach Plänen Weinbrenners gebaut (zerstört). Südwestliche Innenstadt 1802 beginnt der Bau des Sommerschlösschens für Markgräfin Amalie im Erbprinzengarten, an der Südostecke des Gartens entsteht 1802 der Go- tische Turm, an der Südwestecke ein Vogelhaus. Verbindung zum nördlichen Gartenteil durch ei- nen unterirdischen Gang. Das 1804 gebaute Haus Witwe Kammerrat Lidell, Erbprinzenstraße 19 / Ecke Ritterstraße (teilweise erhalten). Weiter westlich am Ludwigsplatz das wohl von Wein- brenner für Posamentier Lang 1808 erbaute Eck- haus Erbprinzenstraße 33 / Ecke Kleine Herren- straße und Waldstraße (mit großen Verände- rungen erhalten), und das ebenfalls für Lang 1809 – 14 angebaute Haus Waldstraße 57a. Das Haus Erbprinzenstraße 22 entstand 1818 – 19 für den Hofmaler Kunz. Ein nicht ausgeführter Ent- wurf Weinbrenners ging voraus. Die Katholische Stadtkirche wird 1808 – 14 erbaut. Sie ist aus einem Quadrat entwickelt, die Mitte wird von einem überkuppelten Rundraum eingenommen. 1820 – 22 das Ständehaus (zerstört). Zwischen Herren- und Ritterstraße liegt der Garten der Ein Stadtplan in axonometrischer Darstellung Weinbrenner. Bauten und Projekte in Karlsruhe von Peter Thoma Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge 3 Stadtplan in axonometrischer Darstellung. Zeichnung: Peter Thoma Markgräfin Friedrich (Prinzessin Christiane) mit dem 1817 begonnenen Bau eines großen Palais, unter der Villa ein Durchgang, ein Arkadengang im Süden verbindet das Hauptgebäude mit dem Lusthaus an der Kriegsstraße, an der Nordseite ein Pflanzenhaus in neugotischem Stil (alle 1894 ab- gebrochen). Karlstraße Die Karlstraße ist eine wichtige Nord-Süd-Ver- bindung im Westen des Stadterweiterungsplans von 1812 und 1818. Weinbrenner baut die Infante- riekaserne 1804 – 1805. Südlich des Ludwigs- platzes plant er möglicherweise 1816 das Eckhaus Karlstraße 21 des Gastwirtes Groß, und 1813 – 1815 für Gastwirt Wichtermann Karlstraße 27 (beide nicht erhalten). 1822 baut am Karlstor, Karlstraße 47, Ecke Herrenstraße, Zimmermeister Küentzle sein Haus, ein Entwurf Weinbrenners wird nicht ausgeführt. Die Münze beschließt die Karlstraße im Norden, ihre Ausführung ab 1826 erlebt Wein- brenner nicht mehr. Nordöstliche und Südöstliche Innenstadt, Achse Fasanenstraße Das Eckhaus Innerer Zirkel 10, Hofbuchdrucker Müller, wird 1811 gebaut (nicht erhalten). Das Haus Spitalstraße 41, Regierungsrat Reinhard, entsteht 1813 (stark verändert erhalten). Die Churfürstliche Bauverwaltung wird 1806 westlich der Achse der verlängerten Fasanenstraße an der Langen Straße angelegt, aber nur teilweise ausge- führt und später abgebrochen. Östlich der Achse liegt die Kavalleriekaserne (Abbruch 1898). Drei kleinere Gebäude Weinbrenners im östlichen Be- reich der Innenstadt: der Fischmarkt hinter der Kleinen Kirche, die Suppenküche in der Spital- straße und die Leichenhalle. Zusammenfassung Weinbrenners Umgang mit dem städtischen Raum ist am Marktplatz zu sehen: Von Norden be- trachtet staffelt sich der Platz in Raumschichten nach Süden, den Kulissen eines Theaters vergleich- bar. Diese Raumschichten steigern sich in der Höhe von den niedrigen Boutiquen über die dreigeschos- sigen Lyzeumsbauten zur höheren Stadtkirche, die wiederum vom Turm überragt wird. Für den Be- trachter, der sich auf dieser Bühne bewegt, ergibt sich ein dramatischer Perspektivwechsel von nah zu fern, von niedrig zu hoch, der verwirrend und ir- rational auf ihn wirkt. Dies ist die Idee des Roman- tischen Klassizismus Weinbrenners. Literatur: Hea-Jee Im: Karlsruher Bürgerhäuser zur Zeit Friedrich Weinbrenners, Mainz 2004; Arthur Valdenaire: Friedrich Wein- brenner, Karlsruhe 1926. In der Online-Ausgabe wird eine Langfassung dieses Beitrags ver- öffentlicht. Am 4. April 1945 war für Karlsruhe mit dem Ein- marsch der Franzosen der Zweite Weltkrieg und die NS-Herrschaft faktisch zu Ende. Ein Erinnern an diesen, 70 Jahre zurück liegenden Tag wäre im Jubiläumsjahr 2015 nicht unpassend gewesen. 12 000 Menschen aus Karlsruhe hatten ihr Leben gelassen, an der Front oder bei den Bombardie- rungen. 60 000 lebten noch in Karlsruhe. Vor dem Krieg waren es noch 185 000 gewesen. 135 Luftan- griffe führten zur Zerstörung von circa 36 Prozent der Bausubstanz der damaligen Stadt. Von den 57 000 Wohnungen blieben nur 12 000 unbeschä- digt, 12 000 waren total zerstört. Die westliche In- nenstadt war stark in Mitleidenschaft gezogen. Neben der Trümmerbeseitigung und Schutträu- mung, der Reparatur der Infrastruktur und des Baubestandes war der Wiederaufbau der Innen- stadt als städtisches und regionales Zentrum von besonderer Wichtigkeit. Später erforderte der Wohnungsbau besondere Anstrengungen auch wegen der starken Zunahme der Bevölkerung durch die Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten. Die Schutträumung und der Wiederaufbau funktionierten in Karlsruhe relativ gut dank der Ende 1945 gegründeten „Aufräumungs-Arbeits- gemeinschaft-Karlsruhe“ (AAK) mit 35 Firmen des Baugewerbes. Die innere Stadt Wiederherstellung der alten städtebaulichen Ordnung oder der Bau einer neuen Struktur, wa- ren Fragen in vielen deutschen Städten unmittel- bar nach dem Krieg. Hannover und Kassel stan- den für eine neue Stadt. Münster und Freuden- stadt sind Beispiele für die generelle Beibehaltung des Stadtgrundrisses, der Parzellenstruktur und der lokalen Bautradition. Die teilweise noch funk- tionierende Stadttechnik unter der Oberfläche, in- takte Keller und die Eigentumsstruktur spielten ebenfalls eine Rolle. In der städtischen Denkschrift von 1946 „Karls- ruhe wird wieder aufgebaut“ hatte sich die dama- lige Stadtverwaltung grundsätzlich positioniert. Der Fächergrundriss und die Lage der Kaiserstra- ße als Rückgrat und Geschäftsstraße sollten beibe- halten werden. Ebenso wurde auf das baukünstle- rische Erbe der Stadt hingewiesen. Die ersten Überlegungen der Stadtplanung für den Wieder- aufbau fanden aber keine Zustimmung, weshalb der „Ideenwettbewerb zur Erlangung von Ent- würfen für die städtebauliche und architekto- nische Ausgestaltung der Kaiserstraße in Karlsru- he vom Marktplatz bis zur Hauptpost“ Ende 1947 ausgelobt wurde. Trotz der Beibehaltung des Strahlengrundrisses, des Marktplatz-Ensembles als „Denkmalinsel“ sowie der Lage der Kaiser- Stadtplanung nach dem Zweiten Weltkrieg (Teil 1) Karlsruhe wird wieder aufgebaut von Harald Ringler ku rie r Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge 1 Karlsruher stadthistorische Beiträge Nr. 111·17. Juni 2016 Johann Michael Ludwig Rohrer Von dem Baumeister, der in jüngster Zeit als „großer Meister kleiner Formen“ Würdigung fin- det, existiert kein zeitgenössisches Bild. Nur ein Fantasieportrait in einem Glasfenster des Ettlinger Rathauses von 1960 (s. o.) zeigt Rohrer bei der Übergabe seines Plans für den Wiederaufbau der St.-Martins-Kirche an Markgräfin Sibylla Augu- sta. Ihr und seit 1727 ihrem Sohn Ludwig Georg diente Rohrer 25 Jahre als Hofbaumeister und schuf in dieser Zeit einige der schönsten barocken Bauwerke des Landes Baden, in denen sich Anre- gungen der französischen Baukunst, des rö- mischen Hochbarock sowie des süddeutschen und Wiener Spätbarock finden. Geboren wurde Rohrer 1683 in Tissau in Nord- böhmen (heute Otro in-Tisová) als Sohn des Mül- ler-, Zimmer- und Brunnenmeisters Michael An- ton Roher, der im Dienst von Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg stand und an dessen Re- sidenz in Schlackenwerth (heute Ostrov nad Ohří) arbeitete. Er ging wohl bei seinem Vater in die Lehre und übersiedelte mit der ganzen Familie 1697 nach Rastatt. Der Grund dafür war, dass der Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, der Türkenlouis, mit seiner Ehefrau Sibylla Augusta, der Enkelin des Herzogs von Sachsen-Lauenburg, in seine Heimat zurückging, nachdem sich seine Hoffnung König von Polen zu werden, zerschla- gen hatte. Dort in Rastatt ließ er sich von Domeni- co Egidio Rossi eine neue Residenz bauen. Da es in Rastatt aber nicht genügend Handwerker gab, zog die gesamte Schlackenwerther Bauhütte, und damit auch die Familie Rohrer, nach Rastatt. Nach dem Tod des Türkenlouis 1707 übernahm die 32-jährige Markgräfin Sibylla Augusta die Re- gentschaft. Aus Kostengründen und wegen Ausei- nandersetzungen mit Rossi ernannte sie 1707 den erst 24-jährigen Rohrer zum neuen Hofbaumei- ster. In den darauf folgenden 25 Jahren verant- wortete Rohrer die Um- und Anbauarbeiten am Rastatter Residenzschloss, dem ältesten und zweitgrößten südwestdeutschen Barockschloss. Er plante das Lustschloss Favorite mit Park und Ere- mitage in Rastatt, die Kirche St. Valentin in Dax- landen (1715) sowie die Einsiedlerkapelle (1715), die Schlosskirche (1719 – 21) und die Pagoden- burg (1722) in Rastatt. 1723 – 1727 plante er – von Sibylla Augusta ausgeliehen – im Auftrag des Fürstbischofs von Speyer, Damian Hugo von Schönborn, in Bruchsal den Ausbau des Kammer- flügels des Schlosses, die Orangerien sowie das Damianstor und entwarf die ersten Pläne für das Corps de Logis. Ab 1728 plante der Baumeister für Sibylla Augusta in Ettlingen den Wiederaufbau sowohl des im pfälzischen Erbfolgekrieg zer- störten Ettlinger Schlosses wie der ebenfalls zer- störten St. Martinskirche. Deren Fertigstellung er- lebte Rohrer nicht mehr. Er starb in Ettlingen am 24. April 1732 und hinterließ seine Ehefrau Maria Franziska mit zwei 1711 und 1713 geborenen Söh- nen. Manfred Fellhauer 1683 – 1732 Foto: Stadtarchiv Fortsetzung Seite 2 Als im Sommer vor 80 Jahren in Spanien Militärs unter General Franco gegen die demokratisch ge- wählte Regierung putschen, machen sich „Spani- enkämpfer“ aus Deutschland auf den Weg – auch aus Karlsruhe. Die einen sitzen in Maschinen der Luftwaffe oder auf Dampfern wie der „Usamaro“ – in Zivil und getarnt als „Union Reisegesellschaft“, die anderen – oft schon aus ihrer Heimat vertrie- ben oder geflohen – kommen auf Bergpfaden über die Pyrenäen, als „Urlauber“ mit dem Zug von Pa- ris über Perpignan nach Barcelona, auf Fähren von Marseille über Mallorca ans Festland. Die einen sind Wehrmachtssoldaten mit Sold, Front-Zulage und Vorab-Beförderung, die anderen sind meist Arbeiter, Nazi-Gegner aus verschiedenen Par- teien, ab 1933 oft in „Schutzhaft“ im KZ Kislau. Terroristen und Waffen aus Karlsruhe für die Militär-Putschisten Aus Karlsruhe kommt der adlige und hochdeko- rierte Luft-Terrorist der Nazi-Söldner-Truppe „Le- gion Condor“, der am 26. April 1937 den Tod auf Guernika warf. Die Fregatte „Karlsruhe“ kreuzt vor der spanischen Küste, angeblich zum Schutz der dort lebenden Deutschen, tatsächlich aber als Teil der Seeblockade, um Lieferungen für die rechtmäßige Regierung Spaniens zu verhindern. Die Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken Karlsruhe, konkret das Zweigwerk Lübeck, liefert ab 1936 Patronen für die „Legion Condor“. Die anderen „Spanienkämpfer“ aus Karlsruhe Die Namen der Verteidiger der spanischen Re- publik aus Karlsruhe fehlen in ihrer Stadt. An ei- nen wird zwar erinnert, im Museum für Literatur am Oberrhein und im Stadt-Wiki Karlsruhe fehlt jedoch, was Carl Einstein ab 1936 gemacht hat, Karlsruhe – Spanien: (K)eine Erinnerung von Brigitte und Gerhard Brändle warum er so handelte und warum er in den Tod floh. Wäre er nicht Kunsthistoriker gewesen, wäre auch er vergessen gemacht worden wie die bisher namenlosen Antifaschisten, gehörten sie doch zum niederen Volk, waren Färber, Kraftfahrer, Mechaniker, Metallarbeiter, Schlosser und Schrei- ner, meist Facharbeiter, auch ein Meister. Einer hatte Jura studiert, aber auch er fiel der partiellen Amnesie anheim: Rechtsanwalt August Hoffmann ist erst ab 1945 als SPD-Stadtrat genannt. Bei den zwölf Jahren davor fehlt, dass er vor 1933 im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegen die NSDAP kämpfte, dass er 1936 in Spanien in der Fliegerstaffel André Malraux gegen die Putschis- ten kämpfte, dass er 1939 im Lager Gurs einge- sperrt war und die Nazis ihn 1943 über das Ge- fängnis Karlsruhe ins KZ Dachau verschleppten. Das Reichssicherheitshauptamt begründete die weitere „Schutzhaft“ mit: „… ist anzunehmen, dass Hoffmann aufgrund seiner marxistischen Ge- sinnung, die er durch aktive Teilnahme am span. Bürgerkrieg betätigt hat, seine Freiheit zu weite- ren staatsfeindlichen Umtrieben missbrauchen werde“. Über Gurs und Karlsruhe ins KZ Dachau ver- schleppen die Nazis auch Emil Hoffmann, Adolf Kempf und Eugen Seidt. Otto Schmuck überlebt Gurs und dann die vier Jahre Zuchthaus im Ge- fängnis Karlsruhe und im Zuchthaus Ludwigsburg. Fritz Birk ist nach 1942 im Zuchthaus Ludwigsburg und ab 1944 im KZ Flossenbürg eingesperrt. Motive der Spanienfreiwilligen: „gegen die NS-Gewaltherrschaft in Deutschland“ Eugen Seidt flieht 1935 nach Frankreich, bevor er ab 1936 bei den Internationalen Brigaden im Bataillon Edgar André kämpft und dann Kraftfah- rer im Sanitätsdienst wird. Nach der Befreiung schreibt er: „Ich habe auf der Seite der rechtmä- ßigen republikanischen Regierung in Spanien am Kampf gegen die NS-Intervention teilgenommen. Der Kampf gegen die von der NS-Regierung nach Spanien beorderte ‚Legion Condor‘ war zugleich ein Kampf gegen die Festigung der NS-Gewalt- herrschaft in Deutschland“. Seidt überlebt die La- ger Gurs und Le Vernet, die Gefängnisse Karlsru- he und Ulm und das KZ Dachau. Carl Einstein antwortet 1938 auf die Frage zu seinen Motiven: „Das ist die einzige nützliche Sa- che, die es zur Zeit gibt. Und weil ich die Monoto- nie eines faschistischen Europa nicht aushalten will. […] Ich bin gekommen, weil die Spanier das einzige Volk sind, das nicht erlaubt, dass es ver- kauft wird, obwohl alle Welt sich anstrengt, es zu verkaufen. […] Wir müssen diese Leute hier mit allen Mitteln verteidigen. Denn, wenn wir nach al- ledem hier noch in Freiheit schreiben und malen können, dann ist dies – wortwörtlich – nur dem spanischen Widerstand zu danken. Ich wusste von Anfang an, dass ich in Spanien meine eigene Ar- beit, die Möglichkeit, als freies Individuum zu denken und zu fühlen, verteidigen würde“. Ein- stein kämpft, obwohl Mitglied der KPD, in der Co- lumna Durruti der Anarchosyndikalisten. 1938 er- scheint die Broschüre „Die deutsche Intervention in Spanien“, in der er Waffenlieferungen für Fran- co aus Deutschland mit Dokumenten, Lieferschei- nen etc. nachweist – bisher weder übersetzt noch Der Karlsruher Spanienkämpfer Karl Ganz alias Kurt Bürger wurde 1946 SED-Abgeordneter im Landtag von Mecklenburg und kurz vor seinem Tod Ministerpräsident. (Briefmarke der DDR 1974) 4 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge Herausgeber / Redaktion: Dr. Manfred Koch Herstellung: Badendruck „Blick in die Geschichte“ online ab Nr. 61/2003 unter: www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/ blick_geschichte/ausgaben.de Vieles an Wegen und Straßen, an dem man achtlos vorübergeht, hat aufgrund eines hohen Kulturwertes eine eingehende Betrachtung ver- dient. Wegkreuze gehören zu diesen Kulturdenk- malen. Sie sind stille, eindrucksvolle in Stein ge- hauene Zeugnisse eines unerschütterlichen christ- lichen Glaubens früherer Generationen. Vor allem in Gegenden mit katholischer Bevölkerung war es Brauch, auf freiem Feld, an einer Wegkreuzung, einem Weg oder einer Straße Weg- oder Flur- kreuze aufzustellen. Die unterschiedlichsten Gründe bewegten die Menschen zur Errichtung. Oft dienten sie als Orientierung für Reisende, Wanderer und Pilger. 23 unter Denkmalschutz stehende Wegkreuze befinden sich heute im Stadtgebiet, neun davon sind im Stadtteil Daxlanden, dem ehemaligen Fi- scherdorf der katholischen Markgrafschaft Ba- den-Baden anzutreffen. Eines der eindrucksvolls- ten ist das am Ende der Lindenallee, Anfang der Valentinstraße bei der Einmündung in die Aga- thenstraße. Die Inschrift auf dem gekehlten So- ckel des Sandsteinkreuzes überliefert die Stifter und das Entstehungsjahr: „Sein Blut floß, und/ er starb o Mensch/ für deine Sünden/ errichtet/ von Johan Kutterer und/ dessen Ehefrau eine gebohr/ ne Litzerin 1795“. Die Balkenenden sind als Drei- pässe mit Engelsköpfen ausgebildet. Am Kreuzes- stamm findet sich ein Totenschädel mit gekreuz- ten Knochen. Der Schädel am Fuß des Kreuzes hat mehrfache Bedeutung: Zum einen weist er auf Golgota (Schädelstätte) hin. Andererseits soll er der Schädel Adams sein, wodurch gleichzeitig Je- sus als der „neue Adam“ erscheint, der den Tod besiegt. Nach einem Eintrag in den Daxlander Kirchen- büchern weihte Pfarrer Heil am 12. Juli 1795 das Kreuz, das ursprünglich bei der Appenmühle auf- gestellt war. Das Vikariat der Diözese Speyer in Bruchsal (Daxlanden gehörte zu diesem Zeitpunkt noch zur Diözese Speyer) verlangte von dem Bür- ger und Schwarzadlerwirt Johannes Kutterer, dass er zur Unterhaltung des Kreuzes 15 Gulden in den Heiligenfonds (alte Bezeichnung für den Kirchen- fonds) zahlen sollte. Kutterer weigerte sich und so ordnete das Vikariat an, das Kreuz „an einen son- stigen ehrbaren Ort“ verbringen zu lassen. Das mag der Grund sein, warum er das Kreuz bei der Appenmühle aufgestellen ließ. Dort war einst die Ziegelei des Schultheißen und Schwarzadlerwirts Hanns Martin Gartner, Großvater von Johannes Kutterer. In dieser Ziegelei wurden 1713 – 1715 die Backsteine und Dachziegel für den Bau der St.-Va- lentins-Kirche hergestellt. Wann man das Kreuz an den Hammweg versetzen ließ, ist nicht bekannt. Bis 1939 stand es auf dem Grundstück des Fuhrun- ternehmers Artur Kästel, Hammweg Nr. 31. Dort war es auch Station bei den Flurprozessionen. Das stark beschädigte Kreuz wurde 1968 von dem Karlsruher Künstler Tomas Jungvirt restau- riert und fehlende Teile in Lindursan-Beton er- gänzt. Heute, knapp 50 Jahre später ist das Kreuz erneut reinigungs- und sanierungsbedürftig. Carlsruher Blickpunkte Wegkreuz in Daxlanden von Manfred Fellhauer Foto: Stadtarchiv straße lieferten Büros auch Entwürfe, die heute Unverständnis hervorrufen. So hatten zum Bei- spiel die Architekten Willett und Bingler vorge- schlagen, den Schlosspark bis zum Adenauerring mit Wohnungen für 20 bis 25 000 Menschen zu be- bauen. Die Schlossruine sollte abgerissen werden und einem Hotel Platz machen. Letztendlich konnte diese Verirrung trotz eines Gemeinderats- beschlusses mit nur einer Gegenstimme gebannt werden. Für die Kaiserstraße entstand ein Bebauungs- plan, dessen Umsetzung wir heute in großen Tei- len sehen. Die Bauflucht der nördlichen Kaiser- straße blieb bestehen, während Neubauten auf der Südseite ab dem ersten Obergeschoß um sechs Meter zurückgerückt werden mussten. Da- für konnten beidseitig sechs Geschoße errichtet werden. Es war vor allem ein Kompromiss mit den Grundstückseigentümern. Die heute teilweise vorhandenen Aufsätze auf die flachen Vorbauten sind Bausünden späterer Jahre. Für die Markt- platzseite wurde mit den Kolonnaden aus ver- kehrlichen Gründen eine Sonderlösung erreicht. 1953 erfolgte, beginnend mit dem Bau Kaiserstra- ße 74 an der Nordseite des Marktplatzes eine auch für die weiteren Projekte verbindliche Änderung der Dachlandschaft. Anstatt des bis dahin vorge- sehenen Satteldaches musste ein Attikageschoss mit Flugdach gebaut werden. Eine Besonderheit waren die Lieferhöfe hinter den Hauptbaukörpern. Sie sollten der Ver- kehrsentlastung für die Kaiserstraße und einer un- gestörten Anlieferung dienen. Ab 2006 bemühte sich die Stadtplanung mit der Aufwertung dieser bis dahin vernachlässigten, für die Öffentlichkeit aber wertvollen Räume mit unterschiedlichem Er- folg. Ein Bauvorhaben am Schlossplatz entzündete 1954 wieder die Debatte zwischen den Richtungen „historisch anmutender Wiederaufbau“ oder „neue Architektur“. Im Januar fiel eine Wettbew- erbsentscheidung für den Neubau der Landeskre- ditanstalt im Sinne des neuen Bauens in dem vor- gegeben städtebaulichen Rahmen. Im März be- gann die Diskussion um die Frage „Wiederaufbau des Landratsamtes im Sinne Weinbrenners“ oder eines Neubaus. Vor allem der Bund Deutscher Ar- chitekten (BDA) verfocht eine zeitgemäße Archi- tektur. Bemerkenswert ist die damalige intensive Berichterstattung in der lokalen Presse. Verbreiterung der Rheinstraße mit noch abzureißenden Bauten (Bildmitte). Foto: Stadtarchiv Es folgte eine Art Wiederaufbau mit einem zu- sätzlichen Geschoss. Mit dem Auszug des Land- ratsamtes und der Nachfolgenutzung durch das International Department kam es zur Jahrtau- sendwende zu einem Umbau. Stadtumbau und Sanierung Nicht die Altstadt, das „Dörfle“, wurde das erste Sanierungsprojekt nach dem Krieg, sondern die Mitte Mühlburgs. Nach dem Projekt „Mühlburger Feld“ enthielt der zweite Teil der Planung für Mühlburg (1952) die Verbreiterung der großen Rheinstraße. Eine Verkehrsplanung mit dem Ziel einer leistungsfähigen Straßenverbindung nach Süden war damit Auslöser für den ersten größeren Stadtumbau in Karlsruhe. Die zahlreichen Kriegs- zerstörungen hinterließen Ruinen, deren Wieder- aufbau an derselben Stelle nicht der geplanten Neuordnung entsprochen hätte. Die Nordseite er- hielt eine durchgehende neue Bebauung mit fünf- geschossigen Wohn- und Geschäftsgebäuden an der zurückversetzten Bauflucht. Die Architektur ist typisch für eine innerstädtische Bebauung der 1950er Jahre. Der ehemalige Haltestellenpavillon am Entenfang vor dem aus derselben Zeit stam- menden Postgebäude ist ein gelungenes Beispiel dieses Stils. Die Atmosphäre der Rheinstraße leidet unter ih- rer Breite, der Funktion als Durchgangsstraße und einem fehlenden attraktiven zentralen Bereich. Die nun abgeschlossenen Umbaumaßnahmen im Rahmen des Sanierungsprogramms Soziale Stadt sowie die geplanten Vorhaben beim Entenfang werden zur weitern Aufwertung der Mitte von diesem Stadtteil führen. Ein besonderes, aber bisher wenig gewürdigtes Projekt verdient gerade heute eine besondere Be- achtung als Beitrag zur Quartiersentwicklung und Verbesserung des innerstädtischen Klimas. Ab 1953 wurde der Südstadt-Grünzug realisiert. Da- mit entstand eine Fuß- und Fahrradverbindung mit kleinen Parkanlagen und Spielplätzen vom Stadtgarten quer durch die dicht bebaute Süd- stadt bis zum neuen Quartier Südstadt-Ost. Die schrittweise Umsetzung dauerte bis in die 1980er Jahre. Es ist ein Beispiel für das Bohren dicker Bretter in der Stadtplanung. kurier blick1 blick2 blick3 blick4
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick111/HF_sections/content/1466588033098/ZZmmlW3uG3ixE1/Blick%20Nr.%20111.pdf
Karlsruhe: Stadtgeschichte Blick in die Geschichte Nr. 111 vom 17. Juni 2016 Ein Stadtplan in axono­me­tri­scher Darstel­lung Friedrich Weinbren­ner. Bauten und Projekte in Karlsruhe × Stadtplan in axonometrischer Darstellung. Zeichnung: Peter Thoma Stadtplan in axonometrischer Darstellung. Zeichnung: Peter Thoma von Peter Thoma Die bekannten Gebäude Weinbren­ners der Karlsruher Innen­stadt­ wer­den in axono­me­tri­scher Darstel­lung gezeigt. Die Begren­zung ­des Planes in Nord-Süd-Richtung durch Schloss-Ettlinger Tor, in West-Ost- Richtung durch Karlstraße-Achse Fasanen­straße. Grundlage ist der von Weinbren­ner heraus­ge­ge­bene Plan von 1822. In unserem Plan ist die Stadt des Jahres 1826 gezeichnet. Uns inter­es­siert die Vision Weinbren­ners von seiner Stadt; insofern sind nicht nur die gebauten, sondern auch die ledig­lich ­ge­plan­ten Werke wieder­ge­ge­ben. Dies ergibt an einigen Stellen ­Si­tua­tio­nen, wo sich Gebautes und Geplantes unver­ein­bar ­über­la­gern. Die geplanten, die erhaltenen, archi­va­lisch er­wie­se­nen und die lediglich zugeschrie­be­nen Gebäu­de Wein­bren­ners sind durch Detaildar­stel­lung gekenn­zeich­net, ebenso die zerstörten Bauten. Friedrich Weinbren­ner Friedrich Weinbren­ner wird 1766 geboren; die väterliche Zimme­rei ­be­fand sich vor dem Linken­hei­mer Tor, an der heuti­gen ­Aka­de­mie­straße. Studien­jahre führen ihn 1791 nach Berlin. 1792 reist er nach Rom, um die antiken Bauten zu studieren, 1797 kehrt er in seine Heimat­stadt zurück; er entwirft den Markt­platz und verwirk­licht die ersten Bausteine der neuen Stadt. Nach ­be­ruf­li­chen Erfah­run­gen in Straßburg und Hannover wird er von 1800 an in seiner Heimat­stadt wirken. Er entwickelt eine ei­gen­stän­dige Archi­tek­tur, die von klarer Geometrie und block­haf­ten Volumina gekenn­zeich­net ist; seine Sprache wird von der Antike und der Renaissance geprägt, ebenso von der fran­zö­si­schen Revolu­ti­ons­ar­chi­tek­tur. Weinbren­ner stirbt 1826 in seinem Haus. Seit 1958 wird der Sarkophag des großen Archi­tek­ten in der Gruft der Evange­li­schen Stadt­kir­che bewahrt. Der Spazier­gang Die Achse Schloss- Ettlinger Tor, Via tri­um­pha­lis In den ersten Jahren des 19. Jahrhun­derts wird zuerst das Ron­dell bebaut. Das bereits 1798 entworfene Haus Staats­rat Wohn­lich entsteht nun bis 1800, heute zerstört. Ebenfalls im Jahr 1800 baut Weinbren­ner das Lusthaus des Markgräf­lich Hoch­berg­schen Palais: ein Kuppelbau nach Palladio, zerstört. Das Palais für die Söhne der Reichs­grä­fin von Hochberg, wird 1803-1814 errichtet, ein Bauteil war schon ab 1801 entstanden, die Stallungen 1809. Nach Kriegs­ver­lus­ten in großen Teilen er­hal­ten, wurde das Gebäude teilweise abgebro­chen und umgebaut. 1801 - ein Jahr nach Amtsan­tritt - baut Weinbren­ner, nun als Bau­di­rek­tor, sein eigenes Haus am südlichen Ende der Schloss- Straße; später rückwär­tige Anbauten, die auch die Bauschu­le ­auf­nah­men. Der Abbruch erfolgte 1873. 1803 entsteht das Ett­lin­ger Tor als monumen­tale Trium­ph­p­forte und Abschluss der Via Trium­pha­lis, 1872 zerstört. Ebenfalls 1803 bearbei­tet Wein­bren­ner ein herrschaft­li­ches Wohnhaus im Nordosten des Ron­dells, das als Abfolge unter­schied­li­cher Bauideen gesehen wer­den kann, das Haus blieb Entwurf. Im Südwesten wird wird die Be­bau­ung des Rondells beschlos­sen durch Eckhaus und an­schlie­ßen­des Haus des Hofmetz­gers Reuter, 1804, beide wohl von Wein­bren­ner, beide nach 2000 abgebro­chen, sowie durch das mittig an­ge­legte Haus des Schrei­ner­meis­ters Stemmer­mann von 1809, nicht er­hal­ten. 1805 das Haus des Generals von Beck, Schloss-Straße 23, nicht erhalten. Grundlage für die Planungen am Marktplatz ist der Plan von 1804, der den Entwurf von 1797 präzisiert. Valdenaire, der Biogra­ph Wein­bren­ners, nennt den an der Langen Straße gelegenen Platz ­Markt­hof, den südlichen, zwischen den gegen­über­ge­stell­ten ­Ge­bäu­den der Kirche und des Rathauses Monumen­tal­platz oder Forum. Der eigent­li­che Marktplatz, 70 x 65 m groß, wird gerahm­t von einge­schos­si­gen Boutiquen für Handwerker und Fabri­kan­ten, ca. 55 x 55 m groß, nicht gebaut. Im Westen des Markt­plat­zes wer­den Häuser für private Bauherren errichtet: 1804 vollen­det ­der Architekt das Haus für Hoffaktor Kusel, Schloss-Straße 6, erhalten, und 1812 das Haus für die Kaufleute Schmieder und Füss­lin, Schloss-Straße 4, Wieder­auf­bau. Die östliche Platz­wan­d wird ebenso von Weinbren­ner­bau­ten beherrscht, Häuser für den Bruder, Zimmer­meis­ter Ludwig Weinbren­ner, für den Hofju­we­lier Dreß­ler, den Hofuhr­ma­cher Schmidt, den Cafetier Meyer, Schloss-Straße 7 bis 13, Wieder­auf­bau­ten. Im gleichen Block noch das nicht erhaltene Haus des Handels­man­nes Weisinger, 1809, Lange Straße 135, und rückseitig das erhaltene Refor­mier­te Pfarr­haus, 1811, Kreuz­straße 12. Nördlich des Markt­plat­zes das G­ast­haus "Zum schwarzen Bären", Gastwirt Reuter, Lange Straße 70, von 1815, Abbruch nach 1920, und das Haus Vorderer Zirkel 13 des Hofagenten Seligmann, nach 1804, Entwurf wohl Weinbren­ner, zerstört im 2. Weltkrieg. Der südliche, verengte, Teil des Markt­plat­zes, 45 x 90 m groß, wird von Rathaus und Stadt­kir­che ­be­herrscht. Der Rathausbau beginnt 1805 mit dem Nordflügel, erst 1821 wird die Grund­stein­le­gung zum eigent­li­chen Rathaus vor­ge­nom­men. Der Rathausbau ist, wenn auch mit zahlrei­chen ­Ver­än­de­run­gen, erhalten. Die Evange­li­sche Stadt­kir­che wird von 1807 bis 1816 errichtet, nachdem der südliche Flügel des Gym­na­si­ums schon 1803 entstanden war. Die christ­li­che Kirche ­nimmt Elemente des antiken Tempels auf, nach Wieder­auf­bau er­hal­ten. Der nördliche Flügel der Gymna­si­ums­bau­ten 1823-1824. Die Lange Straße mit Zährin­ger­straße und angren­zen­den ­Be­rei­chen Drei­ge­schos­sige, zu beiden Seiten der Langen Straße angeleg­te ­Ko­lon­na­den, in den Anfangs­fel­dern als Arkaden ausge­bil­det, sollten die Flucht der Häuser, die in Höhe und Bauart sehr un­ter­schied­lich waren, verein­heit­li­chen. Das Projekt von 1806, das sich von der Waldstraße bis zur Waldhorn­straße erstreck­t hätte, wurde nicht verwirk­licht. Haus Schlosser Rau, Lange ­Straße 128, 1820 wohl von Weinbren­ner erbaut, nicht erhalten, und Haus Kammer­die­ner Gebhard, Waldstraße 47, im Jahr 1809 vom Bauamt (F.W.) erbaut, nicht erhalten. In der Sammlung von Grund­plä­nen ist ein unaus­ge­führ­ter Entwurf Weinbren­ner­s ent­hal­ten; wir können den Entwurf in der Langen Straße zwischen Her­ren- und Ritter­straße verorten. 1813/14 entstand das Museum auf spitz­wink­li­gem Grundstück Ecke Lange Straße/ Ritter­straße, es brannte 1918 ab. 1811 Haus Kammer­die­ner Eichelgrau, Ritter­straße 18, und 1814 Haus Sattler Schmidt, Ritter­stras­se 20. Beide nicht erhalten. In der Zährin­ger­straße 45 plant Wein­bren­ner 1815 ein größeres Wohnhaus für die Handels­leu­te Schmie­der und Füsslin. 1826 am südlichen Ende als Anbau Haus Blech­ner­meis­ter Beyer. Daneben, Zährin­ger­straße 47 entsteht 1815 das Haus Maurer­meis­ter Holb. Gegenüber, Zährin­ger­straße 66, das 1816 wohl von Weinbren­ner gebaute Haus Kammer­die­ner Frech. Die Gruppe dieser Häuser wird auf der südlichen Seite durch das Haus ­Ka­ro­line und Friederike Häckher, Zährin­ger­straße 53, 1827 wohl von Weinbren­ner erbaut, beschlos­sen. Es folgt im östli­chen ­Be­reich das Haus Lange Straße 58, Hofbe­dien­ter Kasten, 1809, und ge­gen­über an der Kleinen Kirche, Kreuz­straße 11, das Haus Schna­bel, ebenfalls 1809, beide nicht erhalten. Vor 1816 wurde wird das Haus Adler­straße 14, Bierbrauer Hemberle, Ecke Lange ­Straße erbaut, 1816 gegenüber das Haus Weinwirt Eichel­kraut, Lange Straße 119, und 1810 das Haus Gürtler­meis­ter Sollway, Adler­straße 18, Entwurf wohl F. Weinbren­ner. Diese drei Häuser ­sind erhalten und zeigen die Qualität der Weinbren­ner­schen Eck­häu­ser. Die Synagoge ist der erste monumen­tale Bau Wein­bren­ners in Karlsruhe, 1798 errichtet. Valdenaire sieht in ihrer Archi­tek­tur eine "morgen­län­di­sche Romantik". Zerstört. Schräg gegenüber, Ecke Lange Straße, Kronen­straße 26, wird 1801 das Haus Josef und Seeligmann Ettlinger errichtet, nicht er­hal­ten. An der Waldhorn­straße 18 entsteht 1811-1812 das Haus ­Staats­rat Fischer, die rechte Hälfte eines Doppel­hau­ses; zusammen mit dem Haus Einnehmer Bodmer, Waldhorn­straße 20, von 1815, bildet es einen Hof, beide bis auf Reste nicht erhalten. Weiter südlich in der Waldhorn­straße 30, Ecke Lange Straße, das Haus des Handels­manns Hirsch, 1817 genehmigt, Abbruch nach 1916, an der Ecke Zährin­ger­straße das Haus Witwe Dollmätsch, Wald­horn­straße 38, wohl von Weinbren­ner 1818 gebaut, 1974 ­ab­ge­bro­chen. In der Zährin­ger­straße folgt das Haus Apothe­ker ­Som­mer­schuh (Adresse Kronen­straße 21), 1813, Entwurf wohl Wein­bren­ner, es besteht aus zwei giebel­stän­di­gen Bauten als Anbau an ein Eckhaus, und schließ­lich das Haus Zährin­ger­stra­ße 2, Schlosser Müller, 1811, beide nicht erhalten. Die Nordwest­li­che Innenstadt Das Kanzlei­ge­bäude entsteht 1803; nach Teilab­bruch fand 1955 ein Umbau statt. Das beherr­schende Gebäude am westli­chen Schloss­platz ist das Theater, das 1806-1808 an der Stelle des ab­ge­bro­che­nen mittleren Orange­rie­ge­bäu­des errichtet wird, abge­brannt. 1807 plant Weinbren­ner eine Lehran­stalt für Mi­ne­ra­lo­gie und Botanik vor dem alten Linken­hei­mer Tor; sie wird nicht gebaut. Mit dem Bau der Pflan­zen­häu­ser im Botani­schen ­Gar­ten wird 1807 begonnen, allerdings werden die Bauten nicht ­fer­tig­ge­stellt. In der Mitte der Reihe von drei Pflan­zen­häu­sern ist ein Zentralbau geplant. Die Gewächs­häu­ser von 1809, südlich da­von, stehen singulär in Weinbren­ners Werk; sie sind nach ­funk­tio­na­len Erfor­der­nis­sen konzipiert. Teile der Anlage zu einem früheren Zeitpunkt von Jeremias Müller gebaut. Nicht rea­li­siert die im Jahr 1809 geplante Erwei­te­rung der Akademie; das bestehende Gebäude wäre als Seiten­flü­gel in einer gedach­ten Dreiflü­gel­an­lage aufge­gan­gen. Im nordwest­li­chen Stadt­be­reich ­lie­gen zwei Wohnhäuser Weinbren­ners: das 1815 erbaute Eckhaus ­des Handels­manns Ettlinger, Innerer Zirkel 26, erhalten, und das Eck­haus des Postrates Braun, Linken­hei­mer-Tor-Straße 15, ebenfalls 1815, nicht erhalten. Die Wasser- und Stra­ßen­bau­di­rek­tion, zwischen Akademie- und Stepha­ni­en­straße, wird erst 1828 nach Plänen Weinbren­ners gebaut, zerstört. Die Südwest­li­che Innenstadt 1802 beginnt der Bau des Sommer­schlöss­chens für Markgrä­fin A­ma­lie im Erbprin­zen­gar­ten. Ein an die Villa rotonda angelehn­ter ­Ent­wurf mit einer Kuppel wurde nicht realisiert; im dann ­ge­bau­ten Sommerhaus sind die Dächer in der Höhe gestaffelt bis hin zu einem Turm mit Plattform. Zur Ritter­straße ist ein Hof mit Seiten­ge­bäu­den vorge­la­gert. An der Südostecke des Gartens er­rich­tet Weinbren­ner 1802 den Gotische Turm, an den später eine ­Ka­pelle angebaut wird, an der Südwe­ste­cke ein Vogelhaus, das heute trans­lo­ziert im Schloss­gar­ten das Weinbren­ner­denk­mal ­auf­nimmt. Verbindung zum nördlichen Gartenteil durch einen un­ter­ir­di­schen Gang. Das Haus Erbprin­zen­straße 19, Witwe des Kam­mer­ra­tes Lidell, Ecke Ritter­straße, wird 1804 gebaut, das Haus ist teilweise erhalten. Weiter westlich am Ludwig­s­platz ­be­fin­den sich zwei Häuser, wohl von Weinbren­ner, das 1808 er­baute Eckhaus des Posamen­tiers Lang, Erbprin­zen­straße 33, Ecke Kleine Herren­straße und Waldstraße; das Haus ist mit großen ­Ver­än­de­run­gen erhalten. Angebaut ist das Haus Waldstraße 57a, ebenfalls Bauherr Lang von 1809-1814; es ist im Äußeren er­hal­ten, zusammen mit Erbprin­zen­straße 33 bildet es eine Ein­heit. Das Haus Erbprin­zen­straße 22 entstand 1818-19 für den Hof­ma­ler Kunz. Ein nicht ausge­führ­ter Entwurf Weinbren­ners ging vor­aus. Die Katho­li­sche Stadt­kir­che wurde 1808-1814 erbaut. Sie ist aus einem Quadrat mit Kreuzarmen entwickelt, die Mitte wird von einem überkup­pel­ten Rundraum einge­nom­men; die Spannweite ist gleich der Höhe der Kuppel, ca. 30m. Das Thema des Panthe­ons wird zitiert. Mit den nicht gebauten Neben­ge­bäu­den wäre ­ver­mit­telnd eine Steigerung der Massen erreicht worden. 1820-1822 entstand das Ständehaus; ein zweige­schos­si­ger ­Bau­kör­per, Haupt­fassade zur Stephans­kir­che, die Ecke gerun­det ­be­tont. Zerstört. Zwischen Herren- und Ritter­straße liegt der Garten der Markgräfin Friedrich (Prin­zes­sin Chris­tia­ne) mit einem großen Palais, das nach der Villa rotonda konzipiert ist und 1817 begonnen wurde. Unter der auf einem künst­li­chen Hügel er­rich­te­ten Villa befindet sich ein Durchgang zu einem Weiher; ein Arkaden­gang im Süden verbindet das Haupt­ge­bäude auf zwei E­be­nen mit dem Lusthaus an der Kriegs­straße. Neben weite­ren Klein­ar­chi­tek­tu­ren an der Nordseite ein Pflan­zen­haus in neu­go­ti­schem Stil. Die Bauten wurden 1894 abgebro­chen. Die Karlstraße Die Karlstraße ist eine wichtige Nord- Süd- Verbindung im Westen der Stadt im Stadt­er­wei­te­rungs­plan von 1812 und 1818. Wein­bren­ner baute die Infan­te­rie­ka­serne 1804-1805 an der Stelle der späteren Hauptpost. Südlich des Ludwig­s­plat­zes das Eckhaus ­Karl­straße 21 des Gastwirtes Groß, mögli­cher­weise von Wein­bren­ner 1816 erbaut, und Karlstraße 27, Gastwir­t Wich­ter­mann, 1813-1815 erbaut, beide nicht erhalten. Am Karl­stor, Karlstraße 47, Ecke Herren­straße, das Haus der beiden ­Zim­mer­meis­ter Küentzle, 1822 von Küentzle gebaut. Dieses Haus ist erhalten. Dem ausge­führ­ten Entwurf ging ein Entwur­f Wein­bren­ners voraus, der im Plan darge­stellt ist. Die Münze ­be­schließt die Karlstraße im Norden; die Ausführung ab 1826 er­lebte Weinbren­ner nicht mehr. Die Nordöst­li­che und Südöst­li­che Innenstadt, Achse Fa­sa­nen­straße Das Eckhaus Innerer Zirkel 10, Hofbuch­dru­cker Müller, wird 1811 ­ge­baut. Nicht erhalten. Das Haus Spital­straße 41, Regie­rungs­rat Rein­hard, im Jahr 1813. Das Haus ist, stark verändert, erhalten. Die verlän­gerte Fasanen­straße ist die östliche Entspre­chung zur Karl­straße im Westen im nicht ausge­führ­ten ­Stadt­er­wei­te­rungs­plan. Die Churfürst­li­che Bauver­wal­tung wird 1806 westlich dieser Achse an der Langen Straße angelegt, aber nur teilweise ausgeführt und später abgebro­chen. Östlich der Achse liegt die Kaval­le­rie­ka­serne. Nach Weinbren­ners Entwur­f wer­den 1803-1807 Stallungen gebaut, der Vorderbau kam später hinzu, 1898 wurde die Kaserne abgebro­chen. Drei kleinere Gebäu­de Wein­bren­ners im östlichen Bereich der Innenstadt sein noch er­wähnt: der Fischmarkt hinter der Kleinen Kirche, die Sup­pen­kü­che in der Spital­straße und die Leichen­halle. Zusam­men­fas­sung Unser Plan zeigt die räumlichen Bezie­hun­gen der Bauten Wein­bren­ners unter­ein­an­der und zur Stadt. Kein Haus wird ohne den städte­bau­li­chen Kontext entworfen. Er verwebt das Haus mit Mauern und Höfen, in geschlos­se­ner Bebauung oder als Solitär mit dem Umfeld. Wein­bren­ners Umgang mit dem städti­schen Raum ist am Markt­platz zu sehen: Von Norden betrachtet staffelt sich der Platz in Raum­schich­ten nach Süden, den Kulissen eines Theater­s ­ver­gleich­bar, bis in die Unend­lich­keit. Diese Raumschich­ten ­stei­gern sich in der Höhe von den niedrigen Boutiquen über die drei­ge­schos­si­gen Lyzeums­bau­ten zur höheren Stadt­kir­che, die wie­derum vom Turm überragt wird. Für den Betrachter, der sich auf dieser Bühne bewegt, ergibt sich ein drama­ti­scher ­Per­spek­tiv­wech­sel von nah zu fern, von niedrig zu hoch, von eng zu weit, der verwirrend und irrational auf ihn wirkt. Dies ist die Idee des Roman­ti­schen Klassi­zis­mus Weinbren­ners. Ausge­wählte Literatur: Im, Hea-Jee: Karlsruher Bürger­häu­ser zur Zeit Fried­rich Wein­bren­ners, Mainz 2004 Valdenaire, Arthur: Friedrich Weinbren­ner, Karlsruhe 1926
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick111/weinbrenner
Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge 1 Karlsruher stadthistorische Beiträge Nr. 114·17. März 2017 Wilhelm Ludwig von Baden-Durlach Literarisch Interessierte in Karlsruhe wissen, dass die Dichterin Marie Luise Kaschnitz eine Ge- borene von Seldeneck war. Die mit der Geschichte des Karlsruher Brauwesens vertrauten Biertrinker kennen den Namen einer der ältesten Karlsruher Brauereien: von Seldeneck. Nur wenige aber wis- sen wohl, dass der Siegfried-Brunnen auf dem Richard-Wagner-Platz eine Stiftung von Wilhelm Rudolf von Seldeneck ist und das dortige Wohn- viertel mit der Seldeneckstraße auf dem vorma- ligen Seldeneck‘schen Freigut entstand. Das alles hat seinen Ursprung in einer nicht standesgemäßen Ehe des Wilhelm Ludwig von Baden-Durlach. Er war der jüngere Bruder des späteren Mark- grafen Karl-Friedrich. Ihr Vater, Erbprinz Fried- rich, verstarb kurz nach der Geburt von Wilhelm Ludwig (*14. Januar 1832). Da die Mutter Anna Charlotte an einer Gemütskrankheit litt, erzog Großmutter Markgräfin Magdalena Wilhelmine die beiden Prinzen in der Karlsburg in Durlach. Zur weiteren Ausbildung besuchten diese 1743 – 1745 die Académie Lausanne und reisten dann nach Paris und in die Niederlande. Während Karl Friedrich 1746 zur Übernahme der Regentschaft nach Karlsruhe zurückkehrte, blieb Ludwig Wil- helm beim Bruder seiner Mutter, Wilhelm Carl Heinrich Friso, dem späteren Erbstatthalter der Vereinigten Provinzen der Niederlande. Er be- gann eine Militärlaufbahn und wurde 1753 Statt- halter der niederländischen Provinz Gelderland mit Sitz in Arnheim. Außer in den Niederlanden weilte Ludwig Wil- helm seit den 1760er Jahren als Geheimer Rat und Oberstallmeister auch am Badischen Hof. Hier heiratete er 1765 – damals bereits Vater einer Tochter – mit Erlaubnis des Markgrafen die bür- gerliche Christine Schortmann, die 1740 in Balin- gen geborene Tochter eines Kastellans. 1766 kam ein Sohn zur Welt. In der Folgezeit entwickelte sich der Soldat in Mühlburg zum Unternehmer. Er begann Ländereien zu kaufen, gründete 1769 ei- ne Krappfabrik und 1770 eine erfolgreiche Bier- brauerei. Ziel dieses Engagements war es, auf dem ausgedehnten Grundbesitz ein Freigut für seine Gemahlin zu schaffen. Dies war die Voraus- setzung dafür, sie und damit auch die Kinder in den Adelsstand zu erheben. 1777 erhielt Christine Schortmann durch den Markgrafen als Freifrau von Seldeneck den Namen eines 1583 ausgestor- benen fränkischen Geschlechts. Als Wilhelm Ludwig am 17. Dezember 1788 starb, führte seine Frau die Brauerei und die Land- wirtschaft erfolgreich durch die kriegerischen Wirren der folgenden Jahre bis zu ihrem Tod 1804. Ihr Sohn Ludwig Wilhelm heiratete 1795 Auguste Adelheid Freiin von Bothmer. Mit ihren zehn Söh- nen wurden sie die Stammeltern eines weitver- zweigten adligen Familienclans. Manfred Koch 1732 – 1788 Foto: Stadtarchiv Fortsetzung Seite 2 In der Vorkriegszeit hat der damalige Karlsru- her Oberkantor Simon Metzger zahlreiche Texte und Noten aus dem Synagogengottesdienst hand- schriftlich festgehalten. Ein solches Buch hat Po- gromnacht, Flucht, Exil und mehrere Besitzer- wechsel überstanden und wird nunmehr im Stadt- archiv Karlsruhe verwahrt. Nach dem Novemberpogrom 1938 war offen- kundig, dass es unter den braunen Machthabern kein jüdisches Leben mehr in Deutschland geben würde. Die jüdischen Männer wurden ins KZ Dachau gesperrt. Niemand wusste, wie lang die Haft dauern würde. Nach einigen Wochen kam wieder frei, wer sich verpflichtete, das Land zu verlassen. Auch Simon Metzger erging es so. Im Februar 1939 ist seine Tochter Ilse mit Familie nach Luxemburg ausgewandert. „Meine Eltern aber glaubten, dass es ihre Pflicht sei, bei der Ge- meinde zu bleiben“, so schrieb Ilse Schwarz 1988 in einem Brief an Oberbürgermeister Gerhard Sei- ler. „Aber ungefähr ½ Jahr später wurde ihnen mitgeteilt sofort abzureisen, da man die Juden de- portieren würde. Da es ein Samstag war, wollte mein Vater nicht gehen, aber selbst der Rabbiner [Dr. Hugo Schiff] drängte sie zu gehen.“ Simon Metzger hatte von 1914 bis 1939 das Amt des Vorbeters und Religionslehrers der Israeli- tischen Gemeinde in der Kronenstraße inne. Si- mon und Marie Metzgers konnten im allerletzten Moment vor Ausbruch des Krieges zu Tochter und Schwiegersohn nach Luxemburg ausreisen. Im Juni 1941 verließ das Ehepaar endgültig Europa, per Schiff von Barcelona nach New York, zu ihrem Sohn Alfred in Queens. Ilse und Ernst Schwarz ka- men im August 1941 auf der gleichen Route nach. Die von deutschen Juden gegründete Congregati- on Emes Wozedek im New Yorker Stadtviertel Washington Heights beschäftigte Simon Metzger noch einige Jahre als Kantor an den Hohen Feier- tagen. Zeugnis jüdischer Kultur jetzt im Stadtarchiv Das Notenbuch des Karlsruher Oberkantors Simon Metzger von Christoph Kalisch Für die in Deutschland Verbliebenen wurde die Lage verzweifelt – im Oktober 1940 mussten über 900 jüdische Karlsruher/-innen den Weg nach Gurs antreten. Neben vielen anderen haben Si- mon Metzgers Schwager Eugen Bruchsaler, sein Kantorenkollege Siegfried Speyer und sein Amts- nachfolger Jakob Wechsler ihr Leben in den La- gern der Nazis in Osteuropa verloren. Herkunft und Werdegang Simon Metzgers Simon Metzger, 1878 als jüngster Sohn des Han- delsmanns Abraham Meyer Metzger und seiner Frau Jeanette (Jette) geborene Geismar in Non- nenweier – heute Schwanau – bei Lahr geboren, war zunächst Vorbeter, Religionslehrer und Schächter der Israelitischen Gemeinde in Sulz- burg im Markgräflerland. Er schloss die Ehe mit Marie Bruchsaler, Tochter des dortigen Hauptleh- rers Joseph Bruchsaler und der Berta geborene Baer. Später wechselte Kantor Metzger nach Bret- ten; die beiden Kinder Ilse und Alfred kamen dort 1908 beziehungsweise 1911 zur Welt. Im August 1914 übernahm er die Kantorenstelle bei der Ge- meinde Kronenstraße in Karlsruhe und wurde auch Religionslehrer an den Schulen der Stadt. Er diente als Soldat im Ersten Weltkrieg und kehrte im November 1918 nach Karlsruhe zurück. 1925, zum 50-jährigen Bestehen der von Josef Durm erbauten Synagoge in der Kronenstraße, wurde Metzger vom Synagogenrat zum Oberkan- tor ernannt. Als geschulter Tenor gab Simon Metz- ger auch Konzerte. Beispiele aus seinem Reper- toire sind in zeitgenössischen Zeitungsberichten erwähnt, so die traditionelle Sabbathymne „Lecha Dodi“ mit der Musik von Louis Lewandowski; ei- ne Arie aus Mendelssohns „Elias“ und die „Ke- duscha“, ein gesungenes Gebet aus der Liturgie, komponiert von dem christlichen Dirigenten, Chor- und Musikschulleiter Theodor Munz, der samstags in der Kronenstraße die Orgel spielte – jüdischen Organisten wäre es am Schabbat nicht erlaubt zu arbeiten. Bis um 1933 wohnte das Ehe- paar Metzger in der Kronenstraße 15 neben der Synagoge, die Jahre bis zur Auswanderung im Gemeindehaus Herrenstraße 14. Das handschriftliche Notenbuch Nach der „Kristallnacht“ im November 1938 be- mühte sich das Jüdische Wohlfahrtsamt, für we- nigstens ein Kind aus jeder Familie einen Pflege- platz in England zu organisieren. An Stelle seiner 14-jährigen Schwester gelangte so der bereits 18-jährige Bernhard (Efraim Ber) Färber im Früh- jahr oder Sommer 1939 in Sicherheit und ging später in die USA. Vater Josef Färber war wenige Wochen zuvor in sein Geburtsland Polen abge- schoben worden, Sylvia und die Mutter folgten dem Vater im Sommer 1939 nach Krakau. Beide Eltern kamen in Polen um, die Schwester über- lebte Auschwitz und zog später auch nach Ameri- ka. Nach seiner Schulzeit auf dem Karlsruher Humboldt-Realgymnasium – wo er vermutlich Si- mon Metzgers Schüler war – hatte Bernhard noch 1937 in Würzburg das Israelitische Lehrerseminar Oberkantor Metzger, wohl USA nach 1941. Foto: Leo Baeck Institute, New York 4 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge Herausgeber / Redaktion: Dr. Manfred Koch Herstellung: Badendruck „Blick in die Geschichte“ online ab Nr. 61/2003 unter: www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/ blick_geschichte/ausgaben.de Es ist das älteste Grab auf dem Karlsruher Hauptfriedhof, weit älter noch als die herrliche Parkanlage selbst: die Ruhestätte des ehemaligen Geheimrats Christian Dieterich Stadelmann. Ver- lässt man den herrschaftlichen Eingangsbereich des Friedhofes, den von Josef Durm gestalteten Campo Santo, durch den rechten Torbogen, steht der mächtige Sandstein etwas versteckt gleich links an der Außenmauer der Großen Friedhofs- kapelle. Einige Steinplatten führen zu dem Grab- mal, jedoch ist dies längst nicht der erste Bestat- tungsplatz Stadelmanns, sein Grab befand sich zeitweise auf jedem der christlichen Friedhöfe der Stadt. Christian Dieterich Stadelmann wurde am 28. April 1673 auf Schloss Altenburg – zu jener Zeit der Stammsitz der Herzöge von Sachsen-Alten- burg – im heutigen Thüringen geboren. 1694 trat Stadelmann in den Kriegsdienst, aus dem er vier Jahre später zurückkehrte, 1700 wurde er durch den damaligen Markgrafen Friedrich Magnus an den Badischen Hof nach Durlach berufen. Er war zunächst für die Erziehung des jüngsten Prinzen Christoph zuständig und leistete ab 1706 mit dem Erbprinzen Karl Wilhelm während des Pfälzer Erbfolgekrieges erneut Kriegsdienst. Nach dem Tod von Friedrich Magnus übernahm Karl Wil- helm die Regentschaft und beschloss bald, die Re- sidenz aus dem beengten Durlach in die Neugrün- dung Karlsruhe zu verlegen. Stadelmann, längst engster Vertrauten des Markgrafen, wurde 1713 zum Geheimen Rat ernannt. In dieser Funktion war er als Vertreter Badens beispielsweise 1714 bei den Friedensgesprächen nach dem Spa- nischen Erbfolgekrieg beteiligt. 1719 machte er besonders von sich reden, da er sich vehement ge- gen die Wünsche der katholischen Kirche – Bau eines eigenen Gotteshauses in der Lammstraße mit dazugehörigem Friedhof, das Recht auf die Abhaltung von Gottesdiensten, auf Glockenge- läut, auf öffentliche Prozessionen, auf den Bau eines kleinen Kapuzinerklosters und den Erhalt einer Fruchtbesoldung, eines Zehnten – aus- sprach. Stadelmann sah darin einen Verlust mark- gräflicher Herrschaft im eigenen Lande und sorgte somit indirekt dafür, dass statt der geplanten Kir- che ein Brunnenhaus mit Turm als Pendant zur Re- formierten Kirche entstand. Als der Geheime Rat starb, wurde er auf dem damaligen Friedhof bei- gesetzt. Der lutherische Gottesacker befand sich zu je- ner Zeit auf dem Gelände des heutigen Markt- platzes hinter der Concordienkirche. Dort wurde Stadelmanns Grab, schon mit dem noch heute er- haltenen Gedenkstein, angelegt. Da dieses Ge- lände der seit 1760 geplanten Stadterweiterung nach Süden im Wege lag, fanden die sterblichen Überreste des hochgeachteten Staatsdieners samt dem reich gestalteten Grabstein 1809 eine neue Ruhestätte auf einem neuen Friedhof. Der lag am Ende der östlichsten der Strahlenachsen, der Waldhornstraße, außerhalb der bisherigen Stadt- grenzen. Leider bot auch dieser Friedhof für die wachsende Stadtbevölkerung nicht ausreichend Raum, so dass schon 1874 an einem Feldweg nach Rintheim ein neuer Friedhof entstand, der erste kommunale Parkfriedhof Deutschlands. Der alte Friedhof an der heutigen Kapellenstraße blieb zu- nächst zwar noch bestehen, wurde aber im Laufe der Zeit durch die umliegende Bebauung einge- holt und stellenweise aufgelöst. Da es galt, die hi- storische Grabanlage Stadelmanns zu schützen, verlegte man sie 1890 an den heutigen Standort. Der große, rote Sandstein ist in klassizistischer Bauweise mit einer Grabtafel gestaltet, flankiert von Säulen, reichen Verzierungen, einer Giebel- bekrönung mit Sandsteinkreuz auf einem gestuf- ten Sockel. Besonders bemerkenswert ist dabei zweierlei: Zum einen, dass Stadelmann bereits zu Lebzeiten den Entwurf in Auftrag gegeben hat. Bis ins Detail plante er die Gestaltung seiner letz- ten Ruhestätte wie seiner Beerdigung und ver- fasste mit Ausnahme des Sterbedatums auch den Text der Inschrift mit seinem Lebenslauf auf der ornamental und mit Totenkopf symbolisch ge- fassten Grabtafel. Zum anderen, dass der letzte Satz, „Mein Tod ist nach verbeßerter Zeit erfolgt im Jahr 1740“, falsch ist. Im Generallandesarchiv sind von Stadelmann überliefert ein Testament vom 9. Mai und eine Verfügung über die Beerdi- gung vom 14. August 1743. Sein richtiges Todes- datum ist nach Recherchen von Johann Wilhelm Braun im Generallandesarchiv der 7. Mai 1744. Seinen Besitz – ein Haus am Zirkel und seine Bibliothek – verkaufte der unverheiratete Stadel- mann an die Regierung. Von dem Erlös gründete er eine Stiftung zur Förderung der Bildung armer Kinder und zum Erhalt seines Grabmals. 1963 wurde das Restguthaben für die Restaurierung der Grabanlage eingesetzt und die Stiftung auf- gelöst. Carlsruher Blickpunkt Das älteste Grabmal auf dem Hauptfriedhof von Simone Maria Dietz Foto: S. M. Dietz kommunalpolitischen Debatte und gutachter- lichen Stellungnahme über drei geplante Hoch- häuser begann 1965 die Bebauung. Die unkomplizierte Inanspruchnahme von lan- deseigenen Waldflächen für die Waldstadt zeigte den Weg für Siedlungserweiterungen. Im Falle von Oberreut war dies für die Stadt als Eigentü- mer von Waldflächen ähnlich wie für den Berg- wald noch einfacher. Gebaut wurde ab 1963 ohne Bebauungsplan, der erst 1967 Rechtskraft er- langte. Es folgte Ende der 1960er Jahre der Ab- schnitt „Mittelreut“. Bis 1970, dem Jahr der Vollendung dieser Etappe, wuchs die Ein- wohnerzahl auf über 5 700. Ab 1971 arbeite- te das Stadtplanungs- amt an einer neuen Planung für die Feldla- ge, ebenfalls mit dem Ziel einer höheren Ver- dichtung. Neben den genann- ten Siedlungen ent- stand die weitere Be- bauung des östlichen Beiertheimer Feldes, Heidenstücker-Nord, die Europa-Schule- Siedlung, das nörd- liche Knielingen (Su- detenstraße) sowie die Fortsetzung der Durla- cher Hangbebauung. Der Mieter- und Bau- verein setzte die Er- weiterung der bereits 1937 begonnenen Rheinstrandsiedlung in Daxlan- den neben den Aktivitäten im nördlichen Seldeneck‘schen Feld bis in die 1990er Jahre in großem Ausmaß fort. Zwei Baugebiete, die Baum- garten-Siedlung in Rüppurr und das Wohnquar- tier im Eichbäumle in der Waldstadt, verdienen auch heute noch eine überregionale Aufmerksam- keit als Muster für qualitätvollen und flächenspa- renden Siedlungsbau in der Stadt (siehe dazu Blick in die Geschichte Nr. 41). Die Baumgarten- Siedlung hat mit der gleichzeitig entstandenen Bergwaldsiedlung einige Gemeinsamkeiten wie jeweils nur einen Eigentümer der Flächen, die Siedlungsgröße, Ringerschließung, Wohnwege und die Kombination von Eigenheim und Ge- schosswohnungsbau. Dennoch übertrifft die „neue GAGFAH“ – die ab 1956 erbaute „alte“ liegt westlich der Herrenalberstraße – die Berg- waldsiedlung in vielen Belangen eines quali- tätvollen Städtebaus, insbesondere mit der flä- chenreduzierten Erschließung und Konzentration der Parkierung in gestalteten Bereichen sowie mit der konsequenten Verdichtung. Das relativ kleine Quartier Im Eichbäumle in der Waldstadt-Feldla- ge ist ein Ergebnis mit ähnlicher Zielsetzung wie die Baumgarten-Siedlung. Die Rheinstadt als ein neues Wohnquartier in der Burgau, heute Land- schaftsschutzgebiet, blieb auf dem Reißbrett. (Sie- he dazu: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadt- historische Beiträge 1993 – 1995, Karlsruhe 1998, S. 12 – 14). So reizvoll dieser „Baustein auf dem Weg zum Rhein“ erscheinen mag, so wenig würde er uns heute städtebaulich und architektonisch überzeugen. Der innerstädtische Wohnungsbau dieser Zeit entstand größtenteils als Hochhausarchitektur. Die „Richt-Wohnanlage“ nördlich des Durlacher Güterbahnhofs bestimmt die westliche Durlacher Stadtsilhouette. Das dritte Hochhaus der Volks- wohnung am Entenfang erreichte nicht mehr die Gestaltqualität des ersten Hauses. Eine ähnliche Gestaltung zeigt das Hochhaus des Mieter- und Bauvereins an der Durlacher Allee. An der süd- lichen Kaiserallee entstanden Ende 1960 zwei Hochhausscheiben und ein Laubenganggebäude sowie ein Bürohaus als eine innerstädtische Kon- version auf der Fläche der ehemaligen Brauerei Printz, erstaunlicherweise ohne Bebauungsplan. (Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe des „Blick in die Geschichte“) Der vom Gemeinderat im Juni 1961 nach ausführlicher Diskussion beschlos- sene Verkehrslinienplan. Foto: Bildstelle der Stadt Karlsruhe kurier 2 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge begonnen. Metzger überließ dem jungen Mann ein in den Dreißigerjahren eigenhändig geschrie- benes Notenbuch der liberalen jüdischen Liturgie des ganzen Jahres, eine Sammlung mit vielfach mehreren Melodien zum selben Text. Im Jahr 2015 kam dieses Manuskript mit dem Einbandtitel „Jüdische Gesänge“ aus einem New Yorker Anti- quariat wieder an seinen Entstehungsort und wur- de nun dem Stadtarchiv geschenkt. Das Buch ent- hält etwa 250 gesungen vorgetragene Gebete bzw. poetische Einschübe des Synagogen-Gottes- dienstes. Heute so in Deutschland kaum noch ge- bräuchlich, zeigen die Texte zu Kompositionen des späten 19. Jahrhunderts von Sulzer, Japhet, Ehrlich, Naumbourg oder Lewandowski und zu etlichen anonymen Melodien die in Westeuropa wohl ein Jahrtausend lang übliche, aschkena- sische Aussprache. Statt modernhebräisch „Schabbat“ klingt das wie „Schabbos“, „Scha- lom“ wie „Scholom“ oder „Scholaum“. Die Silben und ihre lautliche Färbung sind in lateinischer Umschrift wiedergegeben, nur die Überschriften in hebräischen Buchstaben. Das heute populäre Jiddisch spielte in Westeuropa übrigens kaum ei- ne Rolle, hat ganz andere Betonungsmuster – und wird in der Liturgie überhaupt nicht benutzt. Glücklich ergänzt wird diese Sammelhand- schrift durch weitere, auch im Internet zugäng- liche Noten aus dem Nachlass des 1955 in New York verstorbenen Kantors, die das Center for Je- wish History des dortigen Leo-Baeck-Instituts als Metzger Music Collection verwahrt (http://bit. ly/2njBoSM). Dort sind Kompositionen von Karls- ruhern wie Samuel Ru- bin, Paul Meyer, Theo- dor Munz überliefert. In der New Yorker Sammlung gibt es überdies ein numme- riertes, loses Blatt mit einer Gebetsmelodie für Chanukka, das zweifelsfrei aus dem hiesigen Notenbuch stammt – hier fehlen genau diese Seiten. Wenige Sachzeugen aus 300 Jahren jü- dischen Lebens in Karlsruhe haben Krieg und Rassenwahn über- standen. Im Foyer der heutigen Israelitischen Kultusgemeinde in der Knielinger Allee ist ein Fragment einer Toraro- lle aus der Kronenstra- ße ausgestellt. An ei- ner Wand finden sich dort Teile der Orgel, auf der Kantor Metzger jahr- zehntelang begleitet wurde. So kommt dem No- tenbuch, das im Stadtarchiv digital eingesehen werden kann (http://www.stadtarchiv-karlsruhe. findbuch.net, Suchbegriffe: Notenbuch Kalisch), eine besondere Bedeutung zu. Es gewährt Ein- blicke in Sprache, Melodik und Quellen des Kul- Bis zum Verbot durch die Nazis 1933 war der Arbeiter Turn- Sport-Bund (ATUS) eine der be- deutendsten Sportorganisation im deutschspra- chigen Raum. Ursprünglich 1893 als Gegenpol zu der immer mehr nationalistisch ausgerichteten Deutschen Turnerschaft (DT) als „Arbeiterturner- bund“ in Gera gegründet, begann in der Zeit der Weimarer Republik die Blütezeit des ATUS. Früh schlossen sich auch in Karlsruhe Arbeiter, die sich in den sogenannten bürgerlichen Vereinen der DT nicht zu Hause fühlten, zu einem Verein, nämlich zur „Freien Turnerschaft Karlsruhe“ (FT) zusam- men. Die Gründung des Vereins erfolgte am 24. April 1898 in der damaligen Karlsruher Gaststätte „Blume“. Trotz großer Vorbehalte seitens der Be- hörden und Untersagung jeglicher Jugendarbeit sowie der mehr oder weniger feindseligen Hal- tung der bürgerlichen Turnvereine nahm die FT eine positive Entwicklung. Schon beim zehnjähri- gen Jubiläum 1908 konnte eine informative Fest- schrift aufgelegt werden. Gründung und Entwicklung der Freien Turnerschaft bis 1933 Der Erste Weltkrieg bedeutete, wie bei allen Vereinen, auch für die FT einen tiefen Einschnitt. Der Turnbetrieb kam nahezu zum Erliegen. Durch die veränderten politischen Rahmenbedingungen nach 1918 nahm nicht nur die Dachorganisation ATUS eine rasante Entwicklung, auch auf ört- licher Ebene entfalteten sich die Mitgliedsvereine in zahlenmäßiger und sportfachlicher Hinsicht. Die FT erwarb 1919 ihre noch heute genutzte Sportanlage an der ehemaligen Linkenheimer Landstraße. Dank der ausgeprägten Opferbereit- schaft der Mitglieder konnte 1926 das Richtfest und am 21. Mai 1927 die Fertigstellung des Ver- einsheims, das heute noch in den Grundzügen be- steht, gefeiert werden. Die ideale Sportanlage begünstigte das rasch anwachsende Sportangebot der FT. Zwar war die Turnabteilung nach wie vor die tragende Säule des Vereins, aber als- bald wurden Abtei- lungen für Fußball, Handball, Leichtathle- tik und Wintersport ge- gründet, mit dem da- maligen Wassersport- verein Karlsruhe, der ebenfalls dem ATUS angehörte, wurden freundschaftliche Ver- bindungen gepflegt. In einer Ära, in der sich der Verein mitglieder- mäßig immer besser entwickelte – für den Turnbetrieb wurden in verschiedenen Karls- ruher Stadtteilen Un- tergruppen gebildet – und in sportlicher Hin- sicht eine Vielzahl von Erfolgen zu registrie- ren waren, fiel das Ver- bot des Vereins im Frühjahr 1933 und die Beschlagnahme der Platzanlage durch die Nazis. Die Familie von Hanne Landgraf (geb. Siebert), nachmalige Eh- renbürgerin der Stadt Karlsruhe und Landtagsab- geordnete, wohnte seinerzeit im Vereinsheim, da ihr Vater Karl Siebert die Kantine des Vereins be- trieb. In einem Bericht hat sie anschaulich geschil- dert, wie die rüpelhaften SA-Horden sich des Sportplatzes einschließlich aller Baulichkeiten be- mächtigten und die Familie Siebert aus der Woh- nung drängten. Von jetzt auf nachher hatte der Verein aufgehört zu existieren. Hans Schulenburg: Mitglied der Freien Turnerschaft und NS-Verfolgter Auch für Hans Schulenburg, seit frühester Ju- gend Mitglied der FT, in vielerlei Hinsicht als ak- tiver Turner und Turnwart mehrerer Turngruppen im Verein engagiert, bedeutete das Vereinsverbot eine Zäsur. Sein Vater war der bekannte Gewerk- schaftsfunktionär und Karlsruher SPD-Vorsitzen- de Gustav Schulenburg, der den NS-Schergen 1933 zunächst nach Frankreich entkommen konn- te, nach der Besetzung Frankreichs jedoch 1940 inhaftiert und nach längeren Gefängnisaufenthal- ten 1944 im KZ-Dachau umgekommen ist. Hans Schulenburg wurde am 16. Januar 1909 in Straß- burg, sein Vater war dort seinerzeit bei der Ge- werkschaft angestellt, geboren. Nach Kriegsende verzog die Familie Schulenburg nach Karlsruhe. Nach der Volksschule absolvierte Hans Schulen- burg 1923 – 1926 eine Lehre als Werkzeugmacher. Bereits während der Lehrzeit besuchte er die 1. Arbeiterolympiade 1925 in Frankfurt. Nach seiner Lehrzeit ging er, wie vielfach damals üblich, als Geselle auf Wanderschaft. Dadurch war er Teil- nehmer des 1. Österreichischen Arbeiter- Turn- und Sportfestes 1926 in Wien. Ebenso war er Be- sucher der Einweihungsfeier für die ATUS-Bun- desschule in Leipzig im Spätjahr 1926. Beim II. Bundesfest des ATUS 1929 in Nürnberg war Hans Schulenburg mit einer Turngruppe der FT aktiver Teilnehmer. Bei der trotz wirtschaftlicher Pro- bleme erfolgreichen 2. Arbeiterolympiade 1931 in Wien war der engagierte FT-Turnwart ebenfalls dabei und gewann nachhaltige Eindrücke. Die Flucht und die Gegnerschaft seines Vaters zum Nazi-Regime führten 1933 zur Arbeitslosig- keit von Hans Schulenburg. Er wurde inhaftiert und seine Wohnung mehrfach von der Gestapo durchsucht. 1935 wurde er trotz politischer Unzu- Pionier des Arbeitersports Die Freie Spiel- und Sportvereinigung Karlsruhe und Hans Schulenberg von Gernot Horn Hans und Hilde Schulenburg 1994 an ihrem 85. und 80. Geburtstag. Es gratu- liert Bürgermeister und Sportdezernent Norbert Vöhringer. Foto: Stadtarchiv tus der liberalen jüdisch-deutschen Vorkriegs- gemeinden und in – noch unerforschte – lokale Traditionen der untergegangenen Gemeinde Kro- nenstraße mit ihrem Vorbeter Simon Metzger, der, wie ein Zeitgenosse schrieb, in New York wie in Karlsruhe für sein jüdisches Wissen und seine schöne Stimme bekannt war. Auszug aus dem Notenbuch von Simon Metzger mit der Hymne „Adon Olam“ für den Morgengottesdienst, N. H. Katz. Foto: Stadtarchiv Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge 3 verlässigkeit an einen Rüstungsbetrieb nach Westheim (Kreis Schwäbisch Hall) delegiert. Dort verhalf er zusammen mit seiner Frau den inakti- ven Turnverein wieder zu beleben. Nach Kriegs- ende kehrte Hans Schulenburg mit seiner Familie nach Karlsruhe zurück. Wiedergründung der Freien Turnerschaft nach 1945 Unmittelbar nach seiner Rückkehr suchte er den Kontakt zu den noch lebenden FT-Mitglie- dern. Er gehörte zur Kommission, die dafür sorgte, dass am 18. Dezember 1945 im Gasthaus „Weißer Berg“ der ehemalige Verein „Freie Turnerschaft Karlsruhe“ wieder gegründet wurde. Da seitens der Besatzungsbehörden gegen die Verwendung der Bezeichnung „Turnen“ Bedenken erhoben wurden, gaben die etwa 100 anwesenden Grün- dungsmitglieder dem neu gegründeten Verein den Namen „Freie Spiel- und Sportvereinigung Karlsruhe (FSSV)“. Vorsitzender wurde zunächst Robert Geisser, ehe ihn von 1947 – 1952 der bereits erwähnte Karl Siebert ablöste. Mit Erfolg erwirkte die FSSV-Vorstandschaft bei den Amerikanern die rasche Rückgabe des Sportplatzes und des mittlerweile ramponierten Vereinsheimes. Die Geltendmachung der erlittenen allgemeinen Ver- mögensschäden zog sich indes bis Mitte der 1950er Jahre hin. Bereits am 17. März 1946 konnte die FSSV im Konzerthaus eine gut aufgenommene Turn- und Sportschau veranstalten. Ein weiterer Meilenstein in der Nachkriegszeit war die Einweihung der neu ausgebauten Sportanlage am 14. bis 16. Juni 1947 mit der nunmehrigen Bezeichnung „Parkringsta- dion“. In allen Sportabteilungen herrschte bald wieder ein reger Übungs- und Wettkampfbetrieb. Die Hand- und Fußballspieler wurden rasch in die Wettbewerbe der Fachverbände integriert, ebenso die Leichtathleten, die Turner und Faustballspie- ler. Der ehemalige Wassersportverein Karlsruhe schloss sich dem Verein an und begründete die Schwimmabteilung der FSSV. Höhepunkte für die von Hans Schulenburg geleitete Turnabteilung war die Teilnahme an den Badischen Landesturn- festen sowie später auch an Deutschen Turnfesten. Es entstand eine Wandergruppe und auch die ver- bliebenen Wintersportler wurden wieder aktiv. Mit überregionalen sportlichen Erfolgen glänz- ten vor allen Dingen die Leichtathleten und Schwimmer des Vereins. Sukzessive wurde das Parkringstadion einschließlich des Vereinsheimes mit den Sanitär- und Umkleideräumen erweitert und modernisiert, so dass die FSSV-Anlage von Fachverbänden als Wettkampfstätte begehrt war. Außergewöhnliche Verdienste beim Ausbau des Parkringstadions erwarb sich Rolf Landgraf, Ehe- mann von Hanne Landgraf, der von 1962 – 1981 als Vereinsvorsitzender amtierte. Die 1971 ge- gründete Tennisabteilung fand von Anbeginn re- gen Zuspruch und vervollständigte das vielseitige sportliche Angebot. Hans Schulenburg gründete zusammen mit sei- ner Frau Hilde 1974 die FSSV-Seniorenabteilung, in der durch die vielfältigen geselligen und kultu- rellen Aktivitäten zahlreiche ältere Vereinsmit- glieder eine „seelische Heimat“ fanden. Hans Schulenburg nutzte überdies die Vereinszeitung als Autor für historische Beiträge und hielt so bis zum seinem Tod am 2. September 2003 die Erinne- rung an die wechselvolle Vereinsgeschichte wach. In sportfachlicher Hinsicht konnte der Verein der- weil seine ursprüngliche Vielfalt nicht erhalten. Er hat sich jedoch seine Bedeutung in der Karlsruher Sportlandschaft bewahrt und darf sich mit Recht und voller Stolz als Pionier und Hüter der Traditi- onen des einstigen Arbeitersports betrachten. Der Abschnitt dieser, auch für Karlsruhe wich- tigen Zeit der räumlichen Entwicklung, erstreckt sich über die Zeit des anhaltenden deutschen Wirt- schaftswunders vom Beginn der 1960er Jahre bis zur wirtschaftlichen Stagnation in der ersten Hälfte der 1970er Jahre. Auch in Karlsruhe zeigen sich die Folgen dieser 15 Jahre in Relation zur Stadtgröße. Nach den Jahren der Reparatur der Kriegsschä- den, der Linderung des Wohnungsmangels und des Wiederaufbaus der Innenstadt wurde nun der Ausbau zur „Großstadt am Rhein und am Schwarzwald“ zum Leitthema, verkörpert durch die Politik des damaligen Oberbürgermeisters Klotz. Er erklärte 1963: „Es erfüllt uns alle mit Stolz, daß das Atom- und Ölzeitalter in Forschung und Produktion in unserer Stadt verankert wur- de.“ Der kommunale Gestaltungswille kommt zum Beispiel in der 1962 veranstalteten Ausstel- lung im Rathaus „Karlsruhe plant und baut für sei- ne Bürger“ zum Ausdruck. Gezeigt wurden unter anderem die Planungsabsichten für Straßenbahn- trassen in die Region, die Planung der Schloss- platztiefgarage als ein Projekt der Bundesgarten- schau 1967 sowie die Planung der Bergwaldsied- lung und der damalige Planungsstand für die Altstadtsanierung. Ein Leitplan für die motorisierte Stadt Die Karlsruher Stadtverwaltung sah sich wegen des neuen Bundesbaugesetzes von 1960 veran- lasst, einen Flächennutzungsplan aufzustellen. Das Engagement hielt sich aber in Grenzen, was unter anderem die Behandlung im Gemeinderat im Juni 1961 zeigt. Ohne Vortrag und Diskussion, als Anhängsel des Tagesordnungspunktes „Ver- kehrsgestaltung in der Stadt Karlsruhe“, wurde die Weitergabe einer kleinformatigen Fotografie (23 x 17 Zentimeter) des Plans an das Regierungs- präsidium beschlossen. Die Geringschätzung einer mittelfristigen generellen Leitplanung konnte nicht deutlicher demonstriert werden. Eine fun- dierte und öffentlich diskutierte Leitplanung, wie sie Mitte der 1920er Jahre mit dem Entwurf eines Generalbebauungsplans beispielhaft vorgelegt worden war, passte nicht in diese „Zeit des Ma- chens“. Projektorientierte Planung für den Woh- nungsbau und der Verkehr erfuhren die admini- strative und politische Zuwendung. Deshalb wa- ren der „Verkehrslinienplan“, eingeleitet mit zwei Vorträgen und die anschließende Diskussion in dieser Sitzung wesentlich wichtiger. Innenstadtna- he Tangenten im Norden, Westen und Süden, da- hin führende Radiale und ein Innenstadtring sollten das künftige Gerüst der Hauptverkehrs- straßen bilden. Zusätzlich wurde die Notwendig- keit einer westlichen Umfahrung Durlachs gese- hen. Der vorgesehene Ausbau der alten Kriegs- straße als Teil des Innenrings fand im Gemeinderat nur vereinzelt Kritik. Die Kriegsstraßen-Bauwerke Ettlinger Tor und Karls- tor standen 1965 bezie- hungsweise erst 1972 zur Verfügung. Positiv kann hierzu angemerkt werden, dass damit ab diesem Zeitpunkt die, anfangs nur probe- weise, Einführung der Fußgängerzone Kaiser- straße vom Marktplatz bis zum Europaplatz ermöglicht wurde. Der unbestrittene Bau der Südtangente begann im Westen mit dem An- schluss an die 1966 fer- tig gestellte Rhein- brücke, erreichte 1972 die Vogesenbrücke und 1975 das Bulacher Kreuz. Planungen für Grünflächen Die Grünflächenge- staltung gewann in Karlsruhe mit den Vor- bereitungen für die Bundesgartenschau 1967 an Einfluss. 1963 wurde wieder ein Gartenbauamt eingerichtet. Neben den Aufwertungen von Schlossgarten und Stadtgarten zum attraktiven Gartenschaugelände entstanden konzeptionelle Überlegungen zur Durchgrünung zusammen mit Fußwegeverbindungen. Die Aufwertung des Fuß- gängers in der Stadt als Verkehrsteilnehmer zeigte sich zum Beispiel durch den möglichst ver- kehrsfreien „grünen Weg“ vom Bahnhof bis zum Friedrichsplatz und vom Schlossplatz bis in den Hardtwald, nun ermöglicht durch das Großereig- nis 1967. Es begann die Realisierung von Lang- zeitprojekte wie der planungsrechtlich vorbereite- te Südstadt-Grünzug, ergänzt mit der Unterfüh- rung der Ettlinger Straße. Der Albwanderweg mit den Abschnitten des Albgrüns und den dahin füh- renden Wegen ist eine der großen Leistungen der Landschaftsplanung. Stadterweiterung für den Wohnungsbau Der Ausbau des Wohnungsangebotes hatte an- gesichts des fortbestehenden Wohnungsmangels und der bevorstehenden Umsiedlungen im Zuge der Altstadtsanierung weiterhin hohe Priorität. Zwar konnte der Neubau 1960 – 1969 mit 25 400 Wohnungen nicht ganz die Bauleistung der 1950er Jahre erreichen, blieb aber weit über der des nachfolgenden Jahrzehnts mit nur noch 15 000. Die Nachfrage fand ihre Deckung durch die Er- richtung neuer Siedlungen aber auch durch ein deutlich verringertes Einwohnerwachstum. War die Stadt 1961 – 1970 noch um knapp 14 000 Ein- wohner gewachsen, so verlor sie im alten Stadtge- biet 1971 – 1980 knapp 22 000 und hatte damit nur noch knapp 237 000 Einwohner gegenüber knapp 245 000 im Jahr 1961. Eine 1962 in Auftrag gege- bene Bevölkerungsprognose für 1980 hatte zwar geschätzte Zahlen zwischen 267 000 und 350 000 Einwohnern innerhalb des damaligen Stadtge- bietes angenommen, lag damit aber deutlich bis weit oberhalb der tatsächlichen Entwicklung. Die Stadt-Umland-Wanderungen zeigten auch in Karlsruhe ihre Wirkung. Nur dank der Eingemein- dungen 1972 – 1975 wies die Stadt 1980 noch ein Plus in der Bevölkerungsstatistik aus und sie ge- wann zugleich Potenzial für künftige Wohnbebau- ung. Die in den 1950er Jahren begonnenen Wohnge- biete in der heutigen Nordweststadt, in Rintheim und in der Waldstadt wuchsen weiter. War da der zeilenförmige Geschosswohnungsbau vorherr- schend, so wurden im Laufe der 1960er Jahre oft unterschiedliche Gebäudeformen wie Hochhaus, Scheibe und Reihenhaus kombiniert. Die Berg- waldsiedlung eröffnete den planerischen Reigen der neuen Baugebiete, gedacht als Stadtteil für vorwiegend leitende Angestellte des expandie- renden Wirtschaftsraumes. Das sich im städ- tischen Eigentum befindliche Hanggebiet war für 1 500 bis 2 500 Einwohner angedacht. Nach der Stadtplanung in Karlsruhe 1960-1975 (Teil 1) Vom Wiederaufbau zum Ausbau der Stadt von Harald Ringler Karlsruhe sah sich in den 1960er Jahren als aufstrebendes Wirtschaftszentrum am Oberrhein. Foto: Karlsruher Wirtschaftsspiegel 4/1962 ku rie r 2 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge begonnen. Metzger überließ dem jungen Mann ein in den Dreißigerjahren eigenhändig geschrie- benes Notenbuch der liberalen jüdischen Liturgie des ganzen Jahres, eine Sammlung mit vielfach mehreren Melodien zum selben Text. Im Jahr 2015 kam dieses Manuskript mit dem Einbandtitel „Jüdische Gesänge“ aus einem New Yorker Anti- quariat wieder an seinen Entstehungsort und wur- de nun dem Stadtarchiv geschenkt. Das Buch ent- hält etwa 250 gesungen vorgetragene Gebete bzw. poetische Einschübe des Synagogen-Gottes- dienstes. Heute so in Deutschland kaum noch ge- bräuchlich, zeigen die Texte zu Kompositionen des späten 19. Jahrhunderts von Sulzer, Japhet, Ehrlich, Naumbourg oder Lewandowski und zu etlichen anonymen Melodien die in Westeuropa wohl ein Jahrtausend lang übliche, aschkena- sische Aussprache. Statt modernhebräisch „Schabbat“ klingt das wie „Schabbos“, „Scha- lom“ wie „Scholom“ oder „Scholaum“. Die Silben und ihre lautliche Färbung sind in lateinischer Umschrift wiedergegeben, nur die Überschriften in hebräischen Buchstaben. Das heute populäre Jiddisch spielte in Westeuropa übrigens kaum ei- ne Rolle, hat ganz andere Betonungsmuster – und wird in der Liturgie überhaupt nicht benutzt. Glücklich ergänzt wird diese Sammelhand- schrift durch weitere, auch im Internet zugäng- liche Noten aus dem Nachlass des 1955 in New York verstorbenen Kantors, die das Center for Je- wish History des dortigen Leo-Baeck-Instituts als Metzger Music Collection verwahrt (http://bit. ly/2njBoSM). Dort sind Kompositionen von Karls- ruhern wie Samuel Ru- bin, Paul Meyer, Theo- dor Munz überliefert. In der New Yorker Sammlung gibt es überdies ein numme- riertes, loses Blatt mit einer Gebetsmelodie für Chanukka, das zweifelsfrei aus dem hiesigen Notenbuch stammt – hier fehlen genau diese Seiten. Wenige Sachzeugen aus 300 Jahren jü- dischen Lebens in Karlsruhe haben Krieg und Rassenwahn über- standen. Im Foyer der heutigen Israelitischen Kultusgemeinde in der Knielinger Allee ist ein Fragment einer Toraro- lle aus der Kronenstra- ße ausgestellt. An ei- ner Wand finden sich dort Teile der Orgel, auf der Kantor Metzger jahr- zehntelang begleitet wurde. So kommt dem No- tenbuch, das im Stadtarchiv digital eingesehen werden kann (http://www.stadtarchiv-karlsruhe. findbuch.net, Suchbegriffe: Notenbuch Kalisch), eine besondere Bedeutung zu. Es gewährt Ein- blicke in Sprache, Melodik und Quellen des Kul- Bis zum Verbot durch die Nazis 1933 war der Arbeiter Turn- Sport-Bund (ATUS) eine der be- deutendsten Sportorganisation im deutschspra- chigen Raum. Ursprünglich 1893 als Gegenpol zu der immer mehr nationalistisch ausgerichteten Deutschen Turnerschaft (DT) als „Arbeiterturner- bund“ in Gera gegründet, begann in der Zeit der Weimarer Republik die Blütezeit des ATUS. Früh schlossen sich auch in Karlsruhe Arbeiter, die sich in den sogenannten bürgerlichen Vereinen der DT nicht zu Hause fühlten, zu einem Verein, nämlich zur „Freien Turnerschaft Karlsruhe“ (FT) zusam- men. Die Gründung des Vereins erfolgte am 24. April 1898 in der damaligen Karlsruher Gaststätte „Blume“. Trotz großer Vorbehalte seitens der Be- hörden und Untersagung jeglicher Jugendarbeit sowie der mehr oder weniger feindseligen Hal- tung der bürgerlichen Turnvereine nahm die FT eine positive Entwicklung. Schon beim zehnjähri- gen Jubiläum 1908 konnte eine informative Fest- schrift aufgelegt werden. Gründung und Entwicklung der Freien Turnerschaft bis 1933 Der Erste Weltkrieg bedeutete, wie bei allen Vereinen, auch für die FT einen tiefen Einschnitt. Der Turnbetrieb kam nahezu zum Erliegen. Durch die veränderten politischen Rahmenbedingungen nach 1918 nahm nicht nur die Dachorganisation ATUS eine rasante Entwicklung, auch auf ört- licher Ebene entfalteten sich die Mitgliedsvereine in zahlenmäßiger und sportfachlicher Hinsicht. Die FT erwarb 1919 ihre noch heute genutzte Sportanlage an der ehemaligen Linkenheimer Landstraße. Dank der ausgeprägten Opferbereit- schaft der Mitglieder konnte 1926 das Richtfest und am 21. Mai 1927 die Fertigstellung des Ver- einsheims, das heute noch in den Grundzügen be- steht, gefeiert werden. Die ideale Sportanlage begünstigte das rasch anwachsende Sportangebot der FT. Zwar war die Turnabteilung nach wie vor die tragende Säule des Vereins, aber als- bald wurden Abtei- lungen für Fußball, Handball, Leichtathle- tik und Wintersport ge- gründet, mit dem da- maligen Wassersport- verein Karlsruhe, der ebenfalls dem ATUS angehörte, wurden freundschaftliche Ver- bindungen gepflegt. In einer Ära, in der sich der Verein mitglieder- mäßig immer besser entwickelte – für den Turnbetrieb wurden in verschiedenen Karls- ruher Stadtteilen Un- tergruppen gebildet – und in sportlicher Hin- sicht eine Vielzahl von Erfolgen zu registrie- ren waren, fiel das Ver- bot des Vereins im Frühjahr 1933 und die Beschlagnahme der Platzanlage durch die Nazis. Die Familie von Hanne Landgraf (geb. Siebert), nachmalige Eh- renbürgerin der Stadt Karlsruhe und Landtagsab- geordnete, wohnte seinerzeit im Vereinsheim, da ihr Vater Karl Siebert die Kantine des Vereins be- trieb. In einem Bericht hat sie anschaulich geschil- dert, wie die rüpelhaften SA-Horden sich des Sportplatzes einschließlich aller Baulichkeiten be- mächtigten und die Familie Siebert aus der Woh- nung drängten. Von jetzt auf nachher hatte der Verein aufgehört zu existieren. Hans Schulenburg: Mitglied der Freien Turnerschaft und NS-Verfolgter Auch für Hans Schulenburg, seit frühester Ju- gend Mitglied der FT, in vielerlei Hinsicht als ak- tiver Turner und Turnwart mehrerer Turngruppen im Verein engagiert, bedeutete das Vereinsverbot eine Zäsur. Sein Vater war der bekannte Gewerk- schaftsfunktionär und Karlsruher SPD-Vorsitzen- de Gustav Schulenburg, der den NS-Schergen 1933 zunächst nach Frankreich entkommen konn- te, nach der Besetzung Frankreichs jedoch 1940 inhaftiert und nach längeren Gefängnisaufenthal- ten 1944 im KZ-Dachau umgekommen ist. Hans Schulenburg wurde am 16. Januar 1909 in Straß- burg, sein Vater war dort seinerzeit bei der Ge- werkschaft angestellt, geboren. Nach Kriegsende verzog die Familie Schulenburg nach Karlsruhe. Nach der Volksschule absolvierte Hans Schulen- burg 1923 – 1926 eine Lehre als Werkzeugmacher. Bereits während der Lehrzeit besuchte er die 1. Arbeiterolympiade 1925 in Frankfurt. Nach seiner Lehrzeit ging er, wie vielfach damals üblich, als Geselle auf Wanderschaft. Dadurch war er Teil- nehmer des 1. Österreichischen Arbeiter- Turn- und Sportfestes 1926 in Wien. Ebenso war er Be- sucher der Einweihungsfeier für die ATUS-Bun- desschule in Leipzig im Spätjahr 1926. Beim II. Bundesfest des ATUS 1929 in Nürnberg war Hans Schulenburg mit einer Turngruppe der FT aktiver Teilnehmer. Bei der trotz wirtschaftlicher Pro- bleme erfolgreichen 2. Arbeiterolympiade 1931 in Wien war der engagierte FT-Turnwart ebenfalls dabei und gewann nachhaltige Eindrücke. Die Flucht und die Gegnerschaft seines Vaters zum Nazi-Regime führten 1933 zur Arbeitslosig- keit von Hans Schulenburg. Er wurde inhaftiert und seine Wohnung mehrfach von der Gestapo durchsucht. 1935 wurde er trotz politischer Unzu- Pionier des Arbeitersports Die Freie Spiel- und Sportvereinigung Karlsruhe und Hans Schulenberg von Gernot Horn Hans und Hilde Schulenburg 1994 an ihrem 85. und 80. Geburtstag. Es gratu- liert Bürgermeister und Sportdezernent Norbert Vöhringer. Foto: Stadtarchiv tus der liberalen jüdisch-deutschen Vorkriegs- gemeinden und in – noch unerforschte – lokale Traditionen der untergegangenen Gemeinde Kro- nenstraße mit ihrem Vorbeter Simon Metzger, der, wie ein Zeitgenosse schrieb, in New York wie in Karlsruhe für sein jüdisches Wissen und seine schöne Stimme bekannt war. Auszug aus dem Notenbuch von Simon Metzger mit der Hymne „Adon Olam“ für den Morgengottesdienst, N. H. Katz. Foto: Stadtarchiv Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge 3 verlässigkeit an einen Rüstungsbetrieb nach Westheim (Kreis Schwäbisch Hall) delegiert. Dort verhalf er zusammen mit seiner Frau den inakti- ven Turnverein wieder zu beleben. Nach Kriegs- ende kehrte Hans Schulenburg mit seiner Familie nach Karlsruhe zurück. Wiedergründung der Freien Turnerschaft nach 1945 Unmittelbar nach seiner Rückkehr suchte er den Kontakt zu den noch lebenden FT-Mitglie- dern. Er gehörte zur Kommission, die dafür sorgte, dass am 18. Dezember 1945 im Gasthaus „Weißer Berg“ der ehemalige Verein „Freie Turnerschaft Karlsruhe“ wieder gegründet wurde. Da seitens der Besatzungsbehörden gegen die Verwendung der Bezeichnung „Turnen“ Bedenken erhoben wurden, gaben die etwa 100 anwesenden Grün- dungsmitglieder dem neu gegründeten Verein den Namen „Freie Spiel- und Sportvereinigung Karlsruhe (FSSV)“. Vorsitzender wurde zunächst Robert Geisser, ehe ihn von 1947 – 1952 der bereits erwähnte Karl Siebert ablöste. Mit Erfolg erwirkte die FSSV-Vorstandschaft bei den Amerikanern die rasche Rückgabe des Sportplatzes und des mittlerweile ramponierten Vereinsheimes. Die Geltendmachung der erlittenen allgemeinen Ver- mögensschäden zog sich indes bis Mitte der 1950er Jahre hin. Bereits am 17. März 1946 konnte die FSSV im Konzerthaus eine gut aufgenommene Turn- und Sportschau veranstalten. Ein weiterer Meilenstein in der Nachkriegszeit war die Einweihung der neu ausgebauten Sportanlage am 14. bis 16. Juni 1947 mit der nunmehrigen Bezeichnung „Parkringsta- dion“. In allen Sportabteilungen herrschte bald wieder ein reger Übungs- und Wettkampfbetrieb. Die Hand- und Fußballspieler wurden rasch in die Wettbewerbe der Fachverbände integriert, ebenso die Leichtathleten, die Turner und Faustballspie- ler. Der ehemalige Wassersportverein Karlsruhe schloss sich dem Verein an und begründete die Schwimmabteilung der FSSV. Höhepunkte für die von Hans Schulenburg geleitete Turnabteilung war die Teilnahme an den Badischen Landesturn- festen sowie später auch an Deutschen Turnfesten. Es entstand eine Wandergruppe und auch die ver- bliebenen Wintersportler wurden wieder aktiv. Mit überregionalen sportlichen Erfolgen glänz- ten vor allen Dingen die Leichtathleten und Schwimmer des Vereins. Sukzessive wurde das Parkringstadion einschließlich des Vereinsheimes mit den Sanitär- und Umkleideräumen erweitert und modernisiert, so dass die FSSV-Anlage von Fachverbänden als Wettkampfstätte begehrt war. Außergewöhnliche Verdienste beim Ausbau des Parkringstadions erwarb sich Rolf Landgraf, Ehe- mann von Hanne Landgraf, der von 1962 – 1981 als Vereinsvorsitzender amtierte. Die 1971 ge- gründete Tennisabteilung fand von Anbeginn re- gen Zuspruch und vervollständigte das vielseitige sportliche Angebot. Hans Schulenburg gründete zusammen mit sei- ner Frau Hilde 1974 die FSSV-Seniorenabteilung, in der durch die vielfältigen geselligen und kultu- rellen Aktivitäten zahlreiche ältere Vereinsmit- glieder eine „seelische Heimat“ fanden. Hans Schulenburg nutzte überdies die Vereinszeitung als Autor für historische Beiträge und hielt so bis zum seinem Tod am 2. September 2003 die Erinne- rung an die wechselvolle Vereinsgeschichte wach. In sportfachlicher Hinsicht konnte der Verein der- weil seine ursprüngliche Vielfalt nicht erhalten. Er hat sich jedoch seine Bedeutung in der Karlsruher Sportlandschaft bewahrt und darf sich mit Recht und voller Stolz als Pionier und Hüter der Traditi- onen des einstigen Arbeitersports betrachten. Der Abschnitt dieser, auch für Karlsruhe wich- tigen Zeit der räumlichen Entwicklung, erstreckt sich über die Zeit des anhaltenden deutschen Wirt- schaftswunders vom Beginn der 1960er Jahre bis zur wirtschaftlichen Stagnation in der ersten Hälfte der 1970er Jahre. Auch in Karlsruhe zeigen sich die Folgen dieser 15 Jahre in Relation zur Stadtgröße. Nach den Jahren der Reparatur der Kriegsschä- den, der Linderung des Wohnungsmangels und des Wiederaufbaus der Innenstadt wurde nun der Ausbau zur „Großstadt am Rhein und am Schwarzwald“ zum Leitthema, verkörpert durch die Politik des damaligen Oberbürgermeisters Klotz. Er erklärte 1963: „Es erfüllt uns alle mit Stolz, daß das Atom- und Ölzeitalter in Forschung und Produktion in unserer Stadt verankert wur- de.“ Der kommunale Gestaltungswille kommt zum Beispiel in der 1962 veranstalteten Ausstel- lung im Rathaus „Karlsruhe plant und baut für sei- ne Bürger“ zum Ausdruck. Gezeigt wurden unter anderem die Planungsabsichten für Straßenbahn- trassen in die Region, die Planung der Schloss- platztiefgarage als ein Projekt der Bundesgarten- schau 1967 sowie die Planung der Bergwaldsied- lung und der damalige Planungsstand für die Altstadtsanierung. Ein Leitplan für die motorisierte Stadt Die Karlsruher Stadtverwaltung sah sich wegen des neuen Bundesbaugesetzes von 1960 veran- lasst, einen Flächennutzungsplan aufzustellen. Das Engagement hielt sich aber in Grenzen, was unter anderem die Behandlung im Gemeinderat im Juni 1961 zeigt. Ohne Vortrag und Diskussion, als Anhängsel des Tagesordnungspunktes „Ver- kehrsgestaltung in der Stadt Karlsruhe“, wurde die Weitergabe einer kleinformatigen Fotografie (23 x 17 Zentimeter) des Plans an das Regierungs- präsidium beschlossen. Die Geringschätzung einer mittelfristigen generellen Leitplanung konnte nicht deutlicher demonstriert werden. Eine fun- dierte und öffentlich diskutierte Leitplanung, wie sie Mitte der 1920er Jahre mit dem Entwurf eines Generalbebauungsplans beispielhaft vorgelegt worden war, passte nicht in diese „Zeit des Ma- chens“. Projektorientierte Planung für den Woh- nungsbau und der Verkehr erfuhren die admini- strative und politische Zuwendung. Deshalb wa- ren der „Verkehrslinienplan“, eingeleitet mit zwei Vorträgen und die anschließende Diskussion in dieser Sitzung wesentlich wichtiger. Innenstadtna- he Tangenten im Norden, Westen und Süden, da- hin führende Radiale und ein Innenstadtring sollten das künftige Gerüst der Hauptverkehrs- straßen bilden. Zusätzlich wurde die Notwendig- keit einer westlichen Umfahrung Durlachs gese- hen. Der vorgesehene Ausbau der alten Kriegs- straße als Teil des Innenrings fand im Gemeinderat nur vereinzelt Kritik. Die Kriegsstraßen-Bauwerke Ettlinger Tor und Karls- tor standen 1965 bezie- hungsweise erst 1972 zur Verfügung. Positiv kann hierzu angemerkt werden, dass damit ab diesem Zeitpunkt die, anfangs nur probe- weise, Einführung der Fußgängerzone Kaiser- straße vom Marktplatz bis zum Europaplatz ermöglicht wurde. Der unbestrittene Bau der Südtangente begann im Westen mit dem An- schluss an die 1966 fer- tig gestellte Rhein- brücke, erreichte 1972 die Vogesenbrücke und 1975 das Bulacher Kreuz. Planungen für Grünflächen Die Grünflächenge- staltung gewann in Karlsruhe mit den Vor- bereitungen für die Bundesgartenschau 1967 an Einfluss. 1963 wurde wieder ein Gartenbauamt eingerichtet. Neben den Aufwertungen von Schlossgarten und Stadtgarten zum attraktiven Gartenschaugelände entstanden konzeptionelle Überlegungen zur Durchgrünung zusammen mit Fußwegeverbindungen. Die Aufwertung des Fuß- gängers in der Stadt als Verkehrsteilnehmer zeigte sich zum Beispiel durch den möglichst ver- kehrsfreien „grünen Weg“ vom Bahnhof bis zum Friedrichsplatz und vom Schlossplatz bis in den Hardtwald, nun ermöglicht durch das Großereig- nis 1967. Es begann die Realisierung von Lang- zeitprojekte wie der planungsrechtlich vorbereite- te Südstadt-Grünzug, ergänzt mit der Unterfüh- rung der Ettlinger Straße. Der Albwanderweg mit den Abschnitten des Albgrüns und den dahin füh- renden Wegen ist eine der großen Leistungen der Landschaftsplanung. Stadterweiterung für den Wohnungsbau Der Ausbau des Wohnungsangebotes hatte an- gesichts des fortbestehenden Wohnungsmangels und der bevorstehenden Umsiedlungen im Zuge der Altstadtsanierung weiterhin hohe Priorität. Zwar konnte der Neubau 1960 – 1969 mit 25 400 Wohnungen nicht ganz die Bauleistung der 1950er Jahre erreichen, blieb aber weit über der des nachfolgenden Jahrzehnts mit nur noch 15 000. Die Nachfrage fand ihre Deckung durch die Er- richtung neuer Siedlungen aber auch durch ein deutlich verringertes Einwohnerwachstum. War die Stadt 1961 – 1970 noch um knapp 14 000 Ein- wohner gewachsen, so verlor sie im alten Stadtge- biet 1971 – 1980 knapp 22 000 und hatte damit nur noch knapp 237 000 Einwohner gegenüber knapp 245 000 im Jahr 1961. Eine 1962 in Auftrag gege- bene Bevölkerungsprognose für 1980 hatte zwar geschätzte Zahlen zwischen 267 000 und 350 000 Einwohnern innerhalb des damaligen Stadtge- bietes angenommen, lag damit aber deutlich bis weit oberhalb der tatsächlichen Entwicklung. Die Stadt-Umland-Wanderungen zeigten auch in Karlsruhe ihre Wirkung. Nur dank der Eingemein- dungen 1972 – 1975 wies die Stadt 1980 noch ein Plus in der Bevölkerungsstatistik aus und sie ge- wann zugleich Potenzial für künftige Wohnbebau- ung. Die in den 1950er Jahren begonnenen Wohnge- biete in der heutigen Nordweststadt, in Rintheim und in der Waldstadt wuchsen weiter. War da der zeilenförmige Geschosswohnungsbau vorherr- schend, so wurden im Laufe der 1960er Jahre oft unterschiedliche Gebäudeformen wie Hochhaus, Scheibe und Reihenhaus kombiniert. Die Berg- waldsiedlung eröffnete den planerischen Reigen der neuen Baugebiete, gedacht als Stadtteil für vorwiegend leitende Angestellte des expandie- renden Wirtschaftsraumes. Das sich im städ- tischen Eigentum befindliche Hanggebiet war für 1 500 bis 2 500 Einwohner angedacht. Nach der Stadtplanung in Karlsruhe 1960-1975 (Teil 1) Vom Wiederaufbau zum Ausbau der Stadt von Harald Ringler Karlsruhe sah sich in den 1960er Jahren als aufstrebendes Wirtschaftszentrum am Oberrhein. Foto: Karlsruher Wirtschaftsspiegel 4/1962 ku rie r Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge 1 Karlsruher stadthistorische Beiträge Nr. 114·17. März 2017 Wilhelm Ludwig von Baden-Durlach Literarisch Interessierte in Karlsruhe wissen, dass die Dichterin Marie Luise Kaschnitz eine Ge- borene von Seldeneck war. Die mit der Geschichte des Karlsruher Brauwesens vertrauten Biertrinker kennen den Namen einer der ältesten Karlsruher Brauereien: von Seldeneck. Nur wenige aber wis- sen wohl, dass der Siegfried-Brunnen auf dem Richard-Wagner-Platz eine Stiftung von Wilhelm Rudolf von Seldeneck ist und das dortige Wohn- viertel mit der Seldeneckstraße auf dem vorma- ligen Seldeneck‘schen Freigut entstand. Das alles hat seinen Ursprung in einer nicht standesgemäßen Ehe des Wilhelm Ludwig von Baden-Durlach. Er war der jüngere Bruder des späteren Mark- grafen Karl-Friedrich. Ihr Vater, Erbprinz Fried- rich, verstarb kurz nach der Geburt von Wilhelm Ludwig (*14. Januar 1832). Da die Mutter Anna Charlotte an einer Gemütskrankheit litt, erzog Großmutter Markgräfin Magdalena Wilhelmine die beiden Prinzen in der Karlsburg in Durlach. Zur weiteren Ausbildung besuchten diese 1743 – 1745 die Académie Lausanne und reisten dann nach Paris und in die Niederlande. Während Karl Friedrich 1746 zur Übernahme der Regentschaft nach Karlsruhe zurückkehrte, blieb Ludwig Wil- helm beim Bruder seiner Mutter, Wilhelm Carl Heinrich Friso, dem späteren Erbstatthalter der Vereinigten Provinzen der Niederlande. Er be- gann eine Militärlaufbahn und wurde 1753 Statt- halter der niederländischen Provinz Gelderland mit Sitz in Arnheim. Außer in den Niederlanden weilte Ludwig Wil- helm seit den 1760er Jahren als Geheimer Rat und Oberstallmeister auch am Badischen Hof. Hier heiratete er 1765 – damals bereits Vater einer Tochter – mit Erlaubnis des Markgrafen die bür- gerliche Christine Schortmann, die 1740 in Balin- gen geborene Tochter eines Kastellans. 1766 kam ein Sohn zur Welt. In der Folgezeit entwickelte sich der Soldat in Mühlburg zum Unternehmer. Er begann Ländereien zu kaufen, gründete 1769 ei- ne Krappfabrik und 1770 eine erfolgreiche Bier- brauerei. Ziel dieses Engagements war es, auf dem ausgedehnten Grundbesitz ein Freigut für seine Gemahlin zu schaffen. Dies war die Voraus- setzung dafür, sie und damit auch die Kinder in den Adelsstand zu erheben. 1777 erhielt Christine Schortmann durch den Markgrafen als Freifrau von Seldeneck den Namen eines 1583 ausgestor- benen fränkischen Geschlechts. Als Wilhelm Ludwig am 17. Dezember 1788 starb, führte seine Frau die Brauerei und die Land- wirtschaft erfolgreich durch die kriegerischen Wirren der folgenden Jahre bis zu ihrem Tod 1804. Ihr Sohn Ludwig Wilhelm heiratete 1795 Auguste Adelheid Freiin von Bothmer. Mit ihren zehn Söh- nen wurden sie die Stammeltern eines weitver- zweigten adligen Familienclans. Manfred Koch 1732 – 1788 Foto: Stadtarchiv Fortsetzung Seite 2 In der Vorkriegszeit hat der damalige Karlsru- her Oberkantor Simon Metzger zahlreiche Texte und Noten aus dem Synagogengottesdienst hand- schriftlich festgehalten. Ein solches Buch hat Po- gromnacht, Flucht, Exil und mehrere Besitzer- wechsel überstanden und wird nunmehr im Stadt- archiv Karlsruhe verwahrt. Nach dem Novemberpogrom 1938 war offen- kundig, dass es unter den braunen Machthabern kein jüdisches Leben mehr in Deutschland geben würde. Die jüdischen Männer wurden ins KZ Dachau gesperrt. Niemand wusste, wie lang die Haft dauern würde. Nach einigen Wochen kam wieder frei, wer sich verpflichtete, das Land zu verlassen. Auch Simon Metzger erging es so. Im Februar 1939 ist seine Tochter Ilse mit Familie nach Luxemburg ausgewandert. „Meine Eltern aber glaubten, dass es ihre Pflicht sei, bei der Ge- meinde zu bleiben“, so schrieb Ilse Schwarz 1988 in einem Brief an Oberbürgermeister Gerhard Sei- ler. „Aber ungefähr ½ Jahr später wurde ihnen mitgeteilt sofort abzureisen, da man die Juden de- portieren würde. Da es ein Samstag war, wollte mein Vater nicht gehen, aber selbst der Rabbiner [Dr. Hugo Schiff] drängte sie zu gehen.“ Simon Metzger hatte von 1914 bis 1939 das Amt des Vorbeters und Religionslehrers der Israeli- tischen Gemeinde in der Kronenstraße inne. Si- mon und Marie Metzgers konnten im allerletzten Moment vor Ausbruch des Krieges zu Tochter und Schwiegersohn nach Luxemburg ausreisen. Im Juni 1941 verließ das Ehepaar endgültig Europa, per Schiff von Barcelona nach New York, zu ihrem Sohn Alfred in Queens. Ilse und Ernst Schwarz ka- men im August 1941 auf der gleichen Route nach. Die von deutschen Juden gegründete Congregati- on Emes Wozedek im New Yorker Stadtviertel Washington Heights beschäftigte Simon Metzger noch einige Jahre als Kantor an den Hohen Feier- tagen. Zeugnis jüdischer Kultur jetzt im Stadtarchiv Das Notenbuch des Karlsruher Oberkantors Simon Metzger von Christoph Kalisch Für die in Deutschland Verbliebenen wurde die Lage verzweifelt – im Oktober 1940 mussten über 900 jüdische Karlsruher/-innen den Weg nach Gurs antreten. Neben vielen anderen haben Si- mon Metzgers Schwager Eugen Bruchsaler, sein Kantorenkollege Siegfried Speyer und sein Amts- nachfolger Jakob Wechsler ihr Leben in den La- gern der Nazis in Osteuropa verloren. Herkunft und Werdegang Simon Metzgers Simon Metzger, 1878 als jüngster Sohn des Han- delsmanns Abraham Meyer Metzger und seiner Frau Jeanette (Jette) geborene Geismar in Non- nenweier – heute Schwanau – bei Lahr geboren, war zunächst Vorbeter, Religionslehrer und Schächter der Israelitischen Gemeinde in Sulz- burg im Markgräflerland. Er schloss die Ehe mit Marie Bruchsaler, Tochter des dortigen Hauptleh- rers Joseph Bruchsaler und der Berta geborene Baer. Später wechselte Kantor Metzger nach Bret- ten; die beiden Kinder Ilse und Alfred kamen dort 1908 beziehungsweise 1911 zur Welt. Im August 1914 übernahm er die Kantorenstelle bei der Ge- meinde Kronenstraße in Karlsruhe und wurde auch Religionslehrer an den Schulen der Stadt. Er diente als Soldat im Ersten Weltkrieg und kehrte im November 1918 nach Karlsruhe zurück. 1925, zum 50-jährigen Bestehen der von Josef Durm erbauten Synagoge in der Kronenstraße, wurde Metzger vom Synagogenrat zum Oberkan- tor ernannt. Als geschulter Tenor gab Simon Metz- ger auch Konzerte. Beispiele aus seinem Reper- toire sind in zeitgenössischen Zeitungsberichten erwähnt, so die traditionelle Sabbathymne „Lecha Dodi“ mit der Musik von Louis Lewandowski; ei- ne Arie aus Mendelssohns „Elias“ und die „Ke- duscha“, ein gesungenes Gebet aus der Liturgie, komponiert von dem christlichen Dirigenten, Chor- und Musikschulleiter Theodor Munz, der samstags in der Kronenstraße die Orgel spielte – jüdischen Organisten wäre es am Schabbat nicht erlaubt zu arbeiten. Bis um 1933 wohnte das Ehe- paar Metzger in der Kronenstraße 15 neben der Synagoge, die Jahre bis zur Auswanderung im Gemeindehaus Herrenstraße 14. Das handschriftliche Notenbuch Nach der „Kristallnacht“ im November 1938 be- mühte sich das Jüdische Wohlfahrtsamt, für we- nigstens ein Kind aus jeder Familie einen Pflege- platz in England zu organisieren. An Stelle seiner 14-jährigen Schwester gelangte so der bereits 18-jährige Bernhard (Efraim Ber) Färber im Früh- jahr oder Sommer 1939 in Sicherheit und ging später in die USA. Vater Josef Färber war wenige Wochen zuvor in sein Geburtsland Polen abge- schoben worden, Sylvia und die Mutter folgten dem Vater im Sommer 1939 nach Krakau. Beide Eltern kamen in Polen um, die Schwester über- lebte Auschwitz und zog später auch nach Ameri- ka. Nach seiner Schulzeit auf dem Karlsruher Humboldt-Realgymnasium – wo er vermutlich Si- mon Metzgers Schüler war – hatte Bernhard noch 1937 in Würzburg das Israelitische Lehrerseminar Oberkantor Metzger, wohl USA nach 1941. Foto: Leo Baeck Institute, New York 4 Blick in die Geschichte, Karlsruher stadthistorische Beiträge Herausgeber / Redaktion: Dr. Manfred Koch Herstellung: Badendruck „Blick in die Geschichte“ online ab Nr. 61/2003 unter: www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/ blick_geschichte/ausgaben.de Es ist das älteste Grab auf dem Karlsruher Hauptfriedhof, weit älter noch als die herrliche Parkanlage selbst: die Ruhestätte des ehemaligen Geheimrats Christian Dieterich Stadelmann. Ver- lässt man den herrschaftlichen Eingangsbereich des Friedhofes, den von Josef Durm gestalteten Campo Santo, durch den rechten Torbogen, steht der mächtige Sandstein etwas versteckt gleich links an der Außenmauer der Großen Friedhofs- kapelle. Einige Steinplatten führen zu dem Grab- mal, jedoch ist dies längst nicht der erste Bestat- tungsplatz Stadelmanns, sein Grab befand sich zeitweise auf jedem der christlichen Friedhöfe der Stadt. Christian Dieterich Stadelmann wurde am 28. April 1673 auf Schloss Altenburg – zu jener Zeit der Stammsitz der Herzöge von Sachsen-Alten- burg – im heutigen Thüringen geboren. 1694 trat Stadelmann in den Kriegsdienst, aus dem er vier Jahre später zurückkehrte, 1700 wurde er durch den damaligen Markgrafen Friedrich Magnus an den Badischen Hof nach Durlach berufen. Er war zunächst für die Erziehung des jüngsten Prinzen Christoph zuständig und leistete ab 1706 mit dem Erbprinzen Karl Wilhelm während des Pfälzer Erbfolgekrieges erneut Kriegsdienst. Nach dem Tod von Friedrich Magnus übernahm Karl Wil- helm die Regentschaft und beschloss bald, die Re- sidenz aus dem beengten Durlach in die Neugrün- dung Karlsruhe zu verlegen. Stadelmann, längst engster Vertrauten des Markgrafen, wurde 1713 zum Geheimen Rat ernannt. In dieser Funktion war er als Vertreter Badens beispielsweise 1714 bei den Friedensgesprächen nach dem Spa- nischen Erbfolgekrieg beteiligt. 1719 machte er besonders von sich reden, da er sich vehement ge- gen die Wünsche der katholischen Kirche – Bau eines eigenen Gotteshauses in der Lammstraße mit dazugehörigem Friedhof, das Recht auf die Abhaltung von Gottesdiensten, auf Glockenge- läut, auf öffentliche Prozessionen, auf den Bau eines kleinen Kapuzinerklosters und den Erhalt einer Fruchtbesoldung, eines Zehnten – aus- sprach. Stadelmann sah darin einen Verlust mark- gräflicher Herrschaft im eigenen Lande und sorgte somit indirekt dafür, dass statt der geplanten Kir- che ein Brunnenhaus mit Turm als Pendant zur Re- formierten Kirche entstand. Als der Geheime Rat starb, wurde er auf dem damaligen Friedhof bei- gesetzt. Der lutherische Gottesacker befand sich zu je- ner Zeit auf dem Gelände des heutigen Markt- platzes hinter der Concordienkirche. Dort wurde Stadelmanns Grab, schon mit dem noch heute er- haltenen Gedenkstein, angelegt. Da dieses Ge- lände der seit 1760 geplanten Stadterweiterung nach Süden im Wege lag, fanden die sterblichen Überreste des hochgeachteten Staatsdieners samt dem reich gestalteten Grabstein 1809 eine neue Ruhestätte auf einem neuen Friedhof. Der lag am Ende der östlichsten der Strahlenachsen, der Waldhornstraße, außerhalb der bisherigen Stadt- grenzen. Leider bot auch dieser Friedhof für die wachsende Stadtbevölkerung nicht ausreichend Raum, so dass schon 1874 an einem Feldweg nach Rintheim ein neuer Friedhof entstand, der erste kommunale Parkfriedhof Deutschlands. Der alte Friedhof an der heutigen Kapellenstraße blieb zu- nächst zwar noch bestehen, wurde aber im Laufe der Zeit durch die umliegende Bebauung einge- holt und stellenweise aufgelöst. Da es galt, die hi- storische Grabanlage Stadelmanns zu schützen, verlegte man sie 1890 an den heutigen Standort. Der große, rote Sandstein ist in klassizistischer Bauweise mit einer Grabtafel gestaltet, flankiert von Säulen, reichen Verzierungen, einer Giebel- bekrönung mit Sandsteinkreuz auf einem gestuf- ten Sockel. Besonders bemerkenswert ist dabei zweierlei: Zum einen, dass Stadelmann bereits zu Lebzeiten den Entwurf in Auftrag gegeben hat. Bis ins Detail plante er die Gestaltung seiner letz- ten Ruhestätte wie seiner Beerdigung und ver- fasste mit Ausnahme des Sterbedatums auch den Text der Inschrift mit seinem Lebenslauf auf der ornamental und mit Totenkopf symbolisch ge- fassten Grabtafel. Zum anderen, dass der letzte Satz, „Mein Tod ist nach verbeßerter Zeit erfolgt im Jahr 1740“, falsch ist. Im Generallandesarchiv sind von Stadelmann überliefert ein Testament vom 9. Mai und eine Verfügung über die Beerdi- gung vom 14. August 1743. Sein richtiges Todes- datum ist nach Recherchen von Johann Wilhelm Braun im Generallandesarchiv der 7. Mai 1744. Seinen Besitz – ein Haus am Zirkel und seine Bibliothek – verkaufte der unverheiratete Stadel- mann an die Regierung. Von dem Erlös gründete er eine Stiftung zur Förderung der Bildung armer Kinder und zum Erhalt seines Grabmals. 1963 wurde das Restguthaben für die Restaurierung der Grabanlage eingesetzt und die Stiftung auf- gelöst. Carlsruher Blickpunkt Das älteste Grabmal auf dem Hauptfriedhof von Simone Maria Dietz Foto: S. M. Dietz kommunalpolitischen Debatte und gutachter- lichen Stellungnahme über drei geplante Hoch- häuser begann 1965 die Bebauung. Die unkomplizierte Inanspruchnahme von lan- deseigenen Waldflächen für die Waldstadt zeigte den Weg für Siedlungserweiterungen. Im Falle von Oberreut war dies für die Stadt als Eigentü- mer von Waldflächen ähnlich wie für den Berg- wald noch einfacher. Gebaut wurde ab 1963 ohne Bebauungsplan, der erst 1967 Rechtskraft er- langte. Es folgte Ende der 1960er Jahre der Ab- schnitt „Mittelreut“. Bis 1970, dem Jahr der Vollendung dieser Etappe, wuchs die Ein- wohnerzahl auf über 5 700. Ab 1971 arbeite- te das Stadtplanungs- amt an einer neuen Planung für die Feldla- ge, ebenfalls mit dem Ziel einer höheren Ver- dichtung. Neben den genann- ten Siedlungen ent- stand die weitere Be- bauung des östlichen Beiertheimer Feldes, Heidenstücker-Nord, die Europa-Schule- Siedlung, das nörd- liche Knielingen (Su- detenstraße) sowie die Fortsetzung der Durla- cher Hangbebauung. Der Mieter- und Bau- verein setzte die Er- weiterung der bereits 1937 begonnenen Rheinstrandsiedlung in Daxlan- den neben den Aktivitäten im nördlichen Seldeneck‘schen Feld bis in die 1990er Jahre in großem Ausmaß fort. Zwei Baugebiete, die Baum- garten-Siedlung in Rüppurr und das Wohnquar- tier im Eichbäumle in der Waldstadt, verdienen auch heute noch eine überregionale Aufmerksam- keit als Muster für qualitätvollen und flächenspa- renden Siedlungsbau in der Stadt (siehe dazu Blick in die Geschichte Nr. 41). Die Baumgarten- Siedlung hat mit der gleichzeitig entstandenen Bergwaldsiedlung einige Gemeinsamkeiten wie jeweils nur einen Eigentümer der Flächen, die Siedlungsgröße, Ringerschließung, Wohnwege und die Kombination von Eigenheim und Ge- schosswohnungsbau. Dennoch übertrifft die „neue GAGFAH“ – die ab 1956 erbaute „alte“ liegt westlich der Herrenalberstraße – die Berg- waldsiedlung in vielen Belangen eines quali- tätvollen Städtebaus, insbesondere mit der flä- chenreduzierten Erschließung und Konzentration der Parkierung in gestalteten Bereichen sowie mit der konsequenten Verdichtung. Das relativ kleine Quartier Im Eichbäumle in der Waldstadt-Feldla- ge ist ein Ergebnis mit ähnlicher Zielsetzung wie die Baumgarten-Siedlung. Die Rheinstadt als ein neues Wohnquartier in der Burgau, heute Land- schaftsschutzgebiet, blieb auf dem Reißbrett. (Sie- he dazu: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadt- historische Beiträge 1993 – 1995, Karlsruhe 1998, S. 12 – 14). So reizvoll dieser „Baustein auf dem Weg zum Rhein“ erscheinen mag, so wenig würde er uns heute städtebaulich und architektonisch überzeugen. Der innerstädtische Wohnungsbau dieser Zeit entstand größtenteils als Hochhausarchitektur. Die „Richt-Wohnanlage“ nördlich des Durlacher Güterbahnhofs bestimmt die westliche Durlacher Stadtsilhouette. Das dritte Hochhaus der Volks- wohnung am Entenfang erreichte nicht mehr die Gestaltqualität des ersten Hauses. Eine ähnliche Gestaltung zeigt das Hochhaus des Mieter- und Bauvereins an der Durlacher Allee. An der süd- lichen Kaiserallee entstanden Ende 1960 zwei Hochhausscheiben und ein Laubenganggebäude sowie ein Bürohaus als eine innerstädtische Kon- version auf der Fläche der ehemaligen Brauerei Printz, erstaunlicherweise ohne Bebauungsplan. (Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe des „Blick in die Geschichte“) Der vom Gemeinderat im Juni 1961 nach ausführlicher Diskussion beschlos- sene Verkehrslinienplan. Foto: Bildstelle der Stadt Karlsruhe kurier blick1 blick2 blick3 blick4
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick114/HF_sections/content/ZZn1Epk2AM2Zsa/ZZn1EpwNwR66Ed/Blick%20Nr.%20114opt.pdf