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Denkmaltag 2011 / Sakralbauten und Friedhöfe
Das Preußendenkmal (Anti-Revolutions-Denkmal) und andere Denkmäler der Revolutionszeit auf dem Alten Friedhof
Oststadt, Ostendstraße
Wer die Spuren der Badischen Revolution verfolgt und dabei den Alten Friedhof in der Karlsruher Oststadt besucht, wird schnell feststellen, was es hier nicht gibt: Grabstätten von Revolutionären sucht man ebenso vergebens wie ein Denkmal, das an die Kämpfer für Freiheit und Demokratie erinnert. Das bedeutet aber nicht, dass die Revolution von 1848/49 auf dem Areal zwischen Kapellen- und Ostendstraße, das von 1781 bis 1882 als Friedhof der Residenzstadt diente, nicht präsent wäre. Ganz im Gegenteil, denn am 23. Juli 1852, dem dritten Jahrestag der Kapitulation der Bundesfestung Rastatt und damit dem endgültigen Scheitern der Revolution, wurde auf dem Karlsruher Friedhof das bis dahin größte Denkmal der Badischen Landeshauptstadt eingeweiht. Der Entwurf für das Monument stammt von dem bekannten badischen Architekten Friedrich Eisenlohr, der mit dem neugotischen Baldachin ein beliebtes Stilelement aus der Denkmal-Architektur jener Zeit aufnahm.
Seinen weithin bekannten Namen „Preußendenkmal“ erhielt das Monument nicht nur, weil es an die 137 preußischen Soldaten erinnert, die bei der Niederschlagung der Revolution ihr Leben verloren, sondern auch aufgrund der Stiftung durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV.
Der Monarch selbst gab bei dem Bildhauer August Kiss nach eigenen Entwurfsskizzen eine Figurengruppe in Auftrag, die das tabernakelartige Bauwerk krönte.
Jedoch auch hier heißt es einmal mehr, aus den Lücken zu lesen, denn die Statue des Erzengels Michael im Kampf gegen den Lindwurm musste 1953 wegen Einsturzgefahr vom Dach des Denkmals entfernt werden. St. Michael, der deutsche Nationalheilige, der uns auch in der Figur des „Michels“ vielfach begegnet, ließ in seiner Karlsruher Version indessen keinen Zweifel an seiner Rolle aufkommen. Das preußische Wappen auf dem Brustpanzer des Engels verdeutlichte, dass der Lindwurm als das erfolgreich bekämpfte Böse die Revolution darstellen sollte. Zugleich wurde damit der Kampf gegen jene Kräfte, die sich gegen die gottgewollte Herrschaft aufgelehnt hatten, als gerecht legitimiert. Darin spiegelt sich das Weltbild von Friedrich Wilhelm IV. wider, für den die Revolution eine Bedrohung der göttlichen Weltordnung insgesamt bedeutete.
Nachdem das Preußendenkmal 1948 noch beinahe zum Schauplatz einer Erinnerungsfeier für die Revolutionäre geworden wäre, ehe man sich noch rechtzeitig seiner eigentlichen Intention entsann, präsentiert es sich heute als Torso. Die Figur des Erzengels wurde 1953 beim Abtransport vom baufälligen Dach zerstört, drei Jahre später verschwand auch das Marmorkreuz unter dem Baldachin. Eine Kopie der Michaelsstatue kann heute noch im Park des Schlosses Babelsberg bei Potsdam besichtigt werden, der zugehörige Brunnen trägt die Widmung „Zu Ehren der siegreichen Operationsarmee am Rhein im Jahre 1849“.
Nur wenige Schritte vom Preußendenkmal entfernt befindet sich ein weitaus bescheideneres Monument, das ebenfalls einen Bezug zur Badischen Revolution aufweist – und wiederum erst auf den zweiten Blick. Es handelt sich um das Grabmal des Diplomaten Johann Christoph Gustav von Struve. Sein Todesdatum 6. Mai 1828 lag zwar weit vor dem Aufstand der badischen Demokraten, doch war er der Vater von Gustav Struve, einem der bekanntesten Anführer der 1848er Revolution. Ob Gustav Struve nach der Rückkehr aus dem Exil das Grab seines Vaters besucht hat, ist nicht überliefert, jedoch dürfte der Anblick des benachbarten monumentalen Preußendenkmals für den überzeugten Republikaner schwer zu ertragen gewesen sein.
Darüber hinaus verdienen zwei weitere Grabstätten auf dem Alten Friedhof die Aufmerksamkeit des historisch interessierten Besuchers. In der Gruftenhalle am heutigen Nordrand des Friedhofs wurde Staatsminister Karl Friedrich Nebenius bestattet, und in der Gruft der Friedhofskapelle ruht sein Vorgänger Ludwig Georg von Winter. Beide Politiker zählten als Regierungschefs im Großherzogtum Baden zu den Liberalen. Ihr Wirken hat mit dazu beigetragen, dass Baden als „Wiege der Demokratie“ gilt, denn Nebenius war der Autor der Badischen Verfassung von 1818. Winters Name wiederum steht für das Pressegesetz von 1831, das die Zensur für die Erörterung badischer Fragen ganz aufhob und damit eine Sonderstellung im damaligen deutschen Bund einnahm.
Text: Georg Nowak-Hertweck, stattreisen Karlsruhe e. V.
Preußendenkmal 1852, Foto um 1907
August Kiss: Statue des Erzengels Michael, Aufstellung im Schlossgarten Babelsberg, Aufnahme um 1970
August Kiss: Statue des Erzengels Michael, Lithographie von Genrich 1852 aus dem Katolog der Gießerei Moritz Geiss
https://web1.karlsruhe.de/db/kulturdenkmale/archiv/dt2011/info.php%3Fid=1814.html
Karlsruhe: Stadtgeschichte
Blick in die Geschichte Nr. 95 vom 15. Juni 2012
Carlsruher Blickpunkte
Das jüdische Altersheim und Hospital
von Peter Pretsch
Als 1967 das Gebäude Kronenstraße 62 abgerissen wurde,
weil es im Zuge der Altstadtsanierung dem
Straßendurchbruch der Fritz-Erler-Straße weichen musste,
war wohl schon in Vergessenheit geraten, welche
Geschichte sich mit diesem Haus verband. Schon seit Mitte
der 1950er Jahre hatte nämlich hier das Polizeirevier
der Altstadt sein Domizil, das aus seinem ehemaligen
Dienstsitz im "Karlsruher Kreml", einem
Jugendstilgebäude mit Zwiebelturm in unmittelbarer
Nachbarschaft, hierhin gezogen war.
An die ursprüngliche Funktion des Gebäudes erinnerte noch
bis zum Abriss eine an der Hauswand angebrachte
Gedenktafel für den jüdischen Arzt Isaak Hochstädter,
die sich heute in den Sammlungsbeständen des
Stadtmuseums befindet. Im Herbst 2012 wird diese
aufwendig gestaltete Bildhauerarbeit in der
Stadtteilausstellung zur Geschichte des Dörfle im
Stadtmuseum präsentiert werden.
Hochstädter war Chef der Inneren Medizin im alten
Städtischen Krankenhaus am Lidellplatz von 1830 bis
1858. Er hatte zum einen als Mitglied der Jüdischen
Gemeinde Karlsruhe und später des Oberrats der Israeliten
Badens mit dafür sorgen können, dass das Israelitische
Hospital 1834 gebaut und finanziert wurde. Zudem erklärte
er sich bereit, in dem nahe gelegenen neuen Jüdischen
Hospital die Behandlung der Kranken gegen ein geringes
Entgelt zu übernehmen. Es war vor allem für die ärmere
Schicht der jüdischen Bevölkerung - Dienstboten,
Näherinnen, Putzmacherinnen unter anderen - gedacht. Es
ersetzte das alte jüdische Siechen- und Armenhaus, das im
18. Jahrhundert vor dem Rüppurrer Tor entstanden war.
Der israelitische Hospitalbau des 19. Jahrhunderts
entstand als klassizistischer zweistöckiger Bau noch in
der Tradition Weinbrenners und verfügte über zehn größere
und kleinere Zimmer, die jährlich mit 30 bis 40 Kranken
belegt waren. Außerdem hatte der Spitalverwalter hier
seine Wohnung, der gleichzeitig als Kostgeber und
Krankenwärter fungierte. Noch 1926 wird das
"israelitische Krankenhaus" als Teil des
"öffentlichen Gesundheitswesens" in Karlsruhe lobend
erwähnt. Damals scheint man aber schon den Anspruch auf
eine klinische Versorgung aufgegeben zu haben und das
gemeindeeigene Gebäude wurde an verschiedene Personen
vermietet. Hier lebte auch die Familie des
Holocaustüberlebenden Paul Niedermann, der seine
Erlebnisse in Publikationen und Vorträgen in
Kooperation mit dem Stadtarchiv Karlsruhe in jüngerer
Zeit einer breiten Öffentlichkeit überliefert hat.
Mitte der 1930er Jahren wurde das ehemalige jüdische
Krankenhaus als jüdisches Altersheim eingerichtet. Wie
viele Personen hier noch in der Zeit der
nationalsozialistischen Judenverfolgung
tatsächlich gewohnt haben, entzieht sich unserer Kenntnis.
Im "Gedenkbuch
für die Karlsruher Juden" sind 20 Personen aufgeführt,
die wohl von dieser ihrer letzten bekannten Adresse
zwischen 1940 und 1943 nach Gurs, Auschwitz und anderen
Orten deportiert wurden. Darunter befand sich auch der
ehemalige Fußball-Nationalspieler Julius Hirsch. Von
1946 bis 1949 war das Gebäude kurzzeitig Sitz der
Verwaltung der wieder im Entstehen begriffenen Jüdischen
Gemeinde und des Oberrats der Israeliten Badens, bis der
ehemalige Sitz dieser Institutionen in der Kriegsstraße
154 nach den Kriegsbeschädigungen wieder renoviert war
und bezogen werden konnte.
Mit der Altstadtsanierung entstand in unmittelbarer
Nähe des ehemaligen jüdischen Hospitals die
Heinrich-Hübsch-Schule an der neuen Fritz-Erler-Straße.
Der Blick der zahlreichen hier verkehrenden Autofahrer
nimmt womöglich den kleinen Platz mit Rundbänken und
Bäumen vor dem Schuleingang wahr, aber wohl kaum einer
verbindet damit die Erinnerung an eine ursprünglich
segensreiche Einrichtung, deren letzte Bewohner Opfer
der menschenverachtenden Vernichtungspolitik der
Nationalsozialisten geworden sind.
Dr. Peter Pretsch
Der Autor ist Leiter des Karlsruher Stadtmuseums im
PrinzMaxPalais.
×
Foto: StadtAK 8/PBS XV 26
Foto: StadtAK 8/PBS XV 26
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick95/altersheim
Karlsruhe: Stadtgeschichte
Blick in die Geschichte Nr. 95 vom 15. Juni 2012: Was soll aus dem Karlsruher Schloss werden?
Nach dem Ende der Monarchie 1918
von Leonhard Müller
2015 sollen die meisten Veranstaltungen zur
Jubiläumsfeier der Stadtgründung vor 300 Jahren in einem
großen Zirkel rund um das Schloss stattfinden - zu
Recht. Das Schloss war seit Beginn als Sitz des absoluten,
nach 1819 des konstitutionellen Monarchen, für zwei
Jahrhunderte der politische und kulturelle Mittelpunkt
der Geschichte Karlsruhes.
Die November-Revolution 1918 fegte die Fürstenherrschaft
hinweg. Am 10. November trat in Baden eine vorläufige
Regierung an, am 11. November bildeten sich Arbeiter- und
Soldatenräte, und es begann ein Ringen um neuen Formen der
Staatsgewalt. In Berlin, später in München kam es zu
blutigen Auseinandersetzungen, der
Spartakistenaufstand wurde durch das Militär
niedergeschlagen. Im milden politischen Klima Badens
fand außer der Episode einer kurzlebigen Räterepublik in
Mannheim solches nicht statt. Zwar gab es am 11. November
1918 eine Schießerei einer kleinen Gruppe am Karlsruher
Schloss, doch Regierung und Militär stellten alsbald
Ordnung her. Und auch die politischen Gegensätze waren in
Baden nicht so extrem, denn schon in der vorläufigen
Regierung arbeiteten Minister aus dem
sozialdemokratischen wie aus dem bürgerlichen Lager
zusammen. So auch in jenen Räten, die sich neben den
Arbeiter- und Soldatenräten bildeten, z.B. im Beamtenrat,
im Rat der geistigen Arbeiter, im Rat für Kunst und
Kultur.
Während in Berlin die Gewalt die Strassen beherrschte,
überlegte man in Karlsruhe, was aus dem Schloss nun werden
solle. Der Großherzog hatte sich nach
Zwischenaufenthalten für ein Palais in Freiburg
entschieden, seine Mutter Luise, die letzte Bewohnerin
des Schlosses, für die Insel Mainau. In der "Pyramide",
der Wochenschrift des "Karlsruher Tageblatts", konnte
man am 2. Februar 1919 lesen, welche Überlegungen den
Kunst- und Kulturrat bewegten.
Regierungssitz oder Volkshaus ?
Zunächst wird der Gedanke, das Schloss als
Regierungssitz zu nutzen, von vornherein abgelehnt. Die
neue Regierung könne nicht dem Volk "symbolisch in einer
feierlichen Residenz" gegenübertreten. Gleichzeitig
wendet man sich entschieden dagegen, dass das Schloss mit
"seinem hohen künstlerischen und kulturellem Wert
profanen Bedürfnissen dienstbar gemacht und zu nüchternen
Bürozwecken oder gar zu Massenwohnungen verwendet
wird."
Dagegen wird der Gedanke eines Volkshauses erörtert, "in
dem in den Stunden der Muße das Leben des Volkes sich
abspielt und durch Einrichtungen der Volksbildung und
-belehrung eine höhere Weihe erhält." Doch auch dieser
Einfall wird verworfen. "Die Räume, mit herrlichen
Gobelins bespannt, mit kostbaren Teppichen belegt, diese
Säle mit ihren Spiegeln und Kronleuchtern ..., sie sind
zum dauernden täglichen Aufenthalt vieler Menschen nicht
geschaffen, und diese Menschen würden sich nicht einmal
wohl und heimisch fühlen. Nur in feierlichen Stunden -
nicht zum Selbstzweck des Aufenthalts, sondern zum
höheren Zweck der Berührung mit einer geistigen Macht, der
Kunst - soll das Volk zu diesen Festräumen Zugang haben."
Für ein solches Volkshaus böte sich viel besser das
Erbgroßherzogliche Palais (heute Sitz des
Bundesgerichtshofs) an, "durch sein Lage, durch seine
Raumeinteilung, seine Nebengebäude und seinen Park in
hohem Maße dafür geeignet... ohne dass Kunstwerke zerstört
werden müssten. So scheint alles für die Verwendung des
Schlosse zum Museum zu sprechen."
Ein Museum
Der Rat warnt nun, Exponate aus allen Sammlungen hier
zusammen zu tragen. "Malerei und Graphik müssten im
wesentlichen im alten Galeriegebäude bleiben", denn wenn
man den Räumen schräges Oberlicht zuführen wollte, müsste
man Decken einschlagen und mit zerstörerischen Umbauten
wäre "die Einheit und Schönheit des Schlosses dahin.
Deshalb sei eine strenge Auswahl erforderlich." Was
Sammler und Gelehrte zu Studienzwecken dienen mag,
solle an anderen Stätten bleiben. "Nur das Beste aus aller
Kunst, aber auch das wahrhaft Anschauliche... darf hier
seinen Platz finden... Man müsste in einem Rundgang die
Entwicklungsformen der Prähistorie und Antike, des
Mittelalters, des Barocks, der Neuzeit nach einander
schauen können. ... Das also bereite Kunstwerk lasse man
aber nun mit dem Menschen, der es genießen soll, in
dauernder Nähe und Berührung sein; das heißt: man schaffe
im selben Bau Räume für die geistige Erziehung des
Menschen."
Diese Erziehung dürfe von anderer Kunst nicht getrennt
sein, "sondern Dichtung, Musik und Gedanke muss
gleichermaßen hier zum Volke sprechen; denn es geht um den
ganzen Menschen, nicht um einzelne seiner Sinne und
Gefühle, wenn er der Kunst teilhaftig werden soll."
Für eine solche "Volkshochschule" böten sich einige
große Säle an. Aber: "Wenn man dem Volke Kultur bringen
will, darf man es nicht vor Probleme stellen, wie es an
Universitäten üblich sein mag. Ein Plan muss die Einheit
des Zeit- und Weltbildes wahren. Die Lehrenden müssen das,
was sie lehren wollen, vorher austauschen, damit es in
Einklang stehe. ... Durch jene Einheit aber würde das Volk
aus seiner gesamten Geistesgeschichte das gewinnen, was
es bisher und gerade in Zeiten der Not, vergebens sucht:
Belehrung über den Sinn des Daseins, Richtungen für sein
Zukünftiges in Wirtschaft, Sitte, Recht Politik, wenn er
erst sein geistiges Gesetz im Leben der Vergangenheit
erkannt hat."
Zur Belehrung müsse das Erlebnis treten. Im Thronsaal, in
der Schlosskirche "könnte eine Gemeinde in anderer Weise
als im Konzertsaal zum Erlebnis der Musik vereint sein;
hier wäre auch die Kanzel, von der Dichtung und
Philosophie ... mit dem vollen Klang des Wortes zum
Volke sprechen könnte. … Die Idee des Museums und des
Volkshauses wären damit zu einer höheren Einheit
vermählt: wir würden das erste Volkskunsthaus haben,
eine alle Kunst und die Gesamtheit des Volks umschließende
geistige Residenz."
Der Sprachstil dieser Beschlüsse mag uns heute fremd
erscheinen, doch wer Publikationen aus den Jahren nach
1945 liest oder gar an den Diskussionen teilnahm,
versteht diese Fragen nach dem "Sinn des Daseins" auch
nach dem Ersten Weltkrieg. Im Februar 1919 galt zunächst
nur der Waffenstillstand, das Heer flutete in die
Heimat, ein Friedensvertrag stand noch bevor, aber
Elsass-Lothringen war schon besetzt, Forderungen nach
Gebietsabtretungen im Osten waren nicht neu, ja den
Bestand des Reiches galt es zu erhalten. Darum entschied
man sich so rasch für eine Wahl zur deutschen
Nationalversammlung, die in Weimar tagen sollte, dem
Zentrum der deutschen Klassik. Nicht anders sah man in
Karlsruhe im Strudel dieser Monate im kulturellen Erbe
einen Halt, in seiner Bildungskraft, im Verlangen nach
einem kulturellen Panorama voller Affinitäten der
einzelnen Kunstgattungen und damit zu einem neuen
Bewusstsein in einer sich wandelnden demokratischen
Gesellschaft. Max Weber schrieb später: "Wir fangen noch
einmal wie nach 1648 und 1807 von vorn an. Das ist der
einfache Sachverhalt. Nur dass heute schneller gelebt,
schneller gearbeitet und mit mehr Initiative gearbeitet
wird."
Hans Rott und das neue Badische
Landesmuseum
Schon am 21. November 1919 beschloss das neue badische
Ministerium des Kultus und Unterrichts die
Vereinigung der Sammlungen für Altertum und Völkerkunde
mit den Sammlungen des Kunstgewerbemuseums. Für das
Badische Landesmuseum hatte man als Direktor mit Hans
Rott eine bewährte, einfallsreiche Persönlichkeit
gewonnen, wissenschaftlich produktiv, organisatorisch
befähigt, mit klarem Konzept für die künftige Funktion
dieses Museums. Anschaulich schildert Rott bei der
Museumseröffnung am 31. Ju1i 1921 die Modalitäten. "Wohl
standen nach geraumer Zeit schon an die hundert Säle und
Zimmerchen im Schloss zur musealen Verfügung, doch nur
knapp anderthalb Dutzend mit dem früheren Schmuck der
Wände. ... In allen übrigen Zimmern waren Wandfüllungen
und -bespannungen, Vorhänge, Bildwerk samt Rahmen ...
Spiegel, Lüster und Konsultische verschwunden und in
anfänglich verzeihlichem Unverstand selbst sinnlos
losgerissen." Die Badezimmerchen, Teeküchen,
Spiegelkabinette sträubten sich gegen eine
Museumsordnung, doch man hatte das Beste versucht, um
"die äußere Anpassung an den Zweck, dem sie künftig dienen
soll, späterer Zeit zu überlassen."
Und zum Umzug: "Bisweilen zog der von Menschhand archaisch
fortbewegte Pritschenkarren feierlich vom alten
Sammlungsgebäude herüber, vorsichtig die lärmende
Kaiserstraße überquerend. Edle Madonnen und
Heiligenfiguren, bis zu einem halben Jahrtausend alt,
fuhren wie auf einem antiken Kultwagen über den
winterlichen Schlossplatz hinweg und verschwanden
hinter einem stummen Schlossportal, anfänglich noch
unwissend, ob sie in den Mauern einer Rokokoresidenz je
heimische werden könnten." Dem Eintretenden ruft Hans
Rott zu, er genieße "um seiner selbst und seines ethischen
Wertes, nicht um der Neuheit willen oder der Lust am
Sinnenwechsel: denn es sind die alten, ewig dauernden
Güter, die unser zerfahrenes, nach Neuwerten ruhelos
suchendes Eintagsgeschlecht überdauern werden."
Was könnte bei den Feiern zu Karlsruhes 300. Gründungstag
besser dienen, als Einkehr in eine geistige Residenz.
Dr. Leonhard Müller
Der Autor ist Historiker und lebt in Karlsruhe.
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Blick in den Saal des Landesmuseums mit der Türkenbeute um 1925. StadtAK 8/PBS oXIVa 1019.
Blick in den Saal des Landesmuseums mit der Türkenbeute um 1925. StadtAK 8/PBS oXIVa 1019.
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick95/schloss
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Friedrich I. Wilhelm Ludwig von Baden, um 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS I 134.
Inhaltsverzeichnis
1 Friedrich I. Wilhelm Ludwig von Baden
1.1 Quelle
1.2 Werk
1.3 Literatur
Friedrich I. Wilhelm Ludwig von Baden
Großherzog, * 9. September 1826 Karlsruhe, † 28. September 1907 Insel Mainau, ev., ∞ 1856 Luise von Preußen, Tochter des Prinzen von Preußen und späteren Kaisers Wilhelm I., 3 Kinder.
Als Sohn von Großherzog Leopold und Sophie von Schweden erhielt Friedrich I. eine sorgfältige Erziehung und eine militärische Ausbildung. In Heidelberg und Bonn studierte Friedrich I. bei den liberalen Professoren Ernst Moritz Arndt, Friedrich Christoph Dahlmann und Ludwig Häusser Geschichts- und Staatswissenschaften. 1852 übernahm er nach dem Tod des Vaters für den psychisch erkrankten Bruder Ludwig die Regentschaft, ab 1856 als Großherzog die Regierung.
Seine Innenpolitik war geprägt vom liberalen Gedankengut seiner Lehrer. Er setzte auf eine stärkere Integration und rasche wirtschaftliche Entwicklung. Mit der Osterproklamation von 1860 begann die „Neue Ära“, mit deren von der liberalen Landtagsmehrheit beschlossenen Reformen Baden zum „Musterländle“ avancierte: unter anderem 1862 Schaffung der Gewerbefreiheit und endgültige Gleichstellung der Juden sowie Amnestie für die Revolutionäre von 1848/49; 1863/64 Verwaltungsreform mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichtshof); 1904 Einführung des gleichen und direkten Wahlrechts für alle Männer; im Verlauf des in den 1850er-Jahren einsetzenden badischen Kulturkampfes Durchsetzung staatlicher Rechte im Bereich der Schulaufsicht, der Theologenausbildung und der Ordenstätigkeit, Einführung der Simultanschule an Stelle der Konfessionsschulen (1876) und der Zivilehe.
Außenpolitisch strebte Friedrich I. die Einheit Deutschlands unter der Führung eines liberalen Preußens an. Umso belastender empfand er die Teilnahme Badens im Krieg des Deutschen Bundes und Österreichs 1866 gegen Preußen. Höhepunkt seiner Bemühungen um die deutsche Einheit wurde sein Einsatz bei der Reichsgründung 1871 in Versailles als Vermittler zwischen seinem Schwiegervater und Otto von Bismarck und dem ersten Hoch auf den deutschen Kaiser im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles. Die konservative Politik des Reichskanzlers Bismarck hat er stets kritisiert, zumal nach 1871 der Einfluss der Bundesländer auf die Reichspolitik immer geringer wurde.
Besonderes Gewicht legte Friedrich I. auf die Förderung von Wissenschaft und Kunst: 1854 Gründung der Kunstschule für die Ausbildung von Malern (Akademie der bildenden Künste) unter der Leitung von Johann Wilhelm Schirmer sowie Einweihung des neuen von Heinrich Hübsch geplanten Hoftheaters, das bald eine Blütezeit erlebte; Verleihung der Hochschuleigenschaft für das Polytechnikum (1865), die sich 1902 ihm zu Ehren Fridericiana nannte; 1884 Gründung des Konservatoriums für Musik (Hochschule für Musik); 1873 Einweihung eines neuen Sammlungsgebäudes (Naturkundemuseum) am Friedrichsplatz mit der für die Öffentlichkeit zugänglichen Hofbibliothek.
Der zunehmende Antisemitismus war Friedrich I., der mit Moritz Ellstätter den ersten jüdischen Finanzminister ernannt hatte und mit Theodor Herzl Kontakt pflegte, fremd.
Wie überall im Land beging die Bevölkerung auch in Karlsruhe die Festtage des Großherzogs und des Hofes mit großer Anteilnahme, so auch die Trauerfeierlichkeiten und die Bestattung von Friedrich I. in der Grabkapelle (Mausoleum) im Fasanengarten. Der Friedrichsplatz in Karlsruhe wurde nach ihm benannt und die Friedrichschule in Durlach trägt seit 1913 seinen Namen. Ein vor dem Ersten Weltkrieg ihm zu Ehren geplantes Reiterstandbild auf dem Friedrichsplatz wurde nach 1918 nicht mehr realisiert.
Leonhard Müller 2012
Quelle
GLA, Hausarchiv.
Werk
Jugenderinnerungen 1826-1846, hrsg. von Karl Obser, 1921; Reden und Kundgebungen 1852–96, hrsg. von Rudolf Krone, 1901/03; Großherzog Friedrich I. von Baden und die deutsche Politik 1854-71, Briefwechsel, Denkschriften und Tagebücher, 2 Bde., bearb. von Hermann Oncken, 1927.
Literatur
Hans Georg Zier: Friedrich I., in: Neue Deutsche Biographie (NDB) Bd. 5, Berlin 1961, S. 490–492.
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Inhaltsverzeichnis
1 Hugo Schiff
1.1 Quellen
1.2 Werk
1.3 Literatur
Hugo Schiff
Rabbiner, Literaturwissenschaftler, * 28. November 1892 Hoffenheim, † 4. Mai 1986 Red Bank/New Jersey, jüd. ∞ 1919 Johanna Bodenheimer, kinderlos.
Hugo Schiff wuchs als Sohn eines Kantors und Kultusbeamten auf, besuchte das Gymnasium in Mannheim und studierte 1911-1913 in Heidelberg Philosophie, Philologie und Literaturwissenschaft. 1913 wechselte er an die Universität Breslau und besuchte daneben das Jüdisch-Theologische-Seminar (Rabbinerseminar). 1915-1918 diente er im Ersten Weltkrieg zunächst bis 1917 in einem Mannheimer Feldlazarett, dann bis Kriegsende hilfsweise als Feldgeistlicher an der Westfront. Danach führte er sein Studium in Erlangen weiter, wurde dort 1920 promoviert und beendete seine Studien in Breslau. Dort erhielt er 1923 die Rabbinerordination und trat dann die Stelle des Landrabbiners für Braunschweig an.
Zum 1. Juli 1925 wurde Schiff auf die vakante Rabbinerstelle der liberalen Israelitischen Religionsgemeinschaft in Karlsruhe berufen. Er gehörte zu den entschieden liberal denkenden Rabbinern, war Anhänger der Vereinigung für das liberale Judentum, 1928 badischer Delegierter der Weltunion für Progressives Judentum, wo er Kontakte in die USA knüpfen konnte. Die nach 1919 gegen Widerstände erfolgende Emanzipation jüdischer Frauen im Gemeindeleben trieb er in Karlsruhe kräftig voran. Größere Reibungen zwischen liberaler Gemeinde und orthodoxer Israelitischer Religionsgesellschaft gab es wegen des guten Auskommens mit seinem dortigen Kollegen Abraham Michalski und des engen Zusammenrückens beider Gemeinden nach 1933 nicht mehr.
1930 wurde er Mitglied im Oberrat der Israeliten Badens (Konferenzrabbiner). Die Ernennung eines zweiten Rabbiners 1932 bedeutete für Schiff eine deutliche Entlastung von seinen umfangreichen Aufgaben. Wie für einen Rabbiner üblich, waren er und seine Ehefrau aktiv in zahlreichen jüdischen Vereinen tätig, unter anderen als Vorstandsmitglied im Verein für jüdische Geschichte und Literatur und im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. 1933 richtete Schiff im früheren jüdischen Spital Kronenstraße 62 das Lehrhaus für die Jugend- und Erwachsenenbildung ein und war für den Oberrat auch verantwortlich für die Bildung im gesamten Land. Vermittelt wurden sowohl jüdische Traditionen als auch (Sprach-)Kenntnisse zur Auswanderung.
Nach der Reichspogromnacht 1938 kam er bis 29. November 1938 in das KZ Dachau, wo er bei der Einlieferung misshandelt wurde. Mit seiner Ehefrau emigrierte er im März 1939 in die USA, wo er in Alexandria/Virginia eine Anstellung als Rabbiner bekam. Dort wirkte er bis 1948 in Alexandria danach bis 1955 in Washington D.C. 1944-1959 nahm er neben verschiedenen Lehraufträgen eine Professur für jüdische Literatur und Kulturgeschichte an der Howard University in Washington D.C. wahr.
Jürgen Schuhladen-Krämer 2014
Quellen
American Jewish Archives in Cincinnati, Ohio (Nachlass); Persönlicher Lebenslauf (bis 1939) im Centrum Judaicum, Berlin; GLA 330/1086 (Passakte), 480/11611.
Werk
Ralph Waldo Emersons Gestaltung der Persönlichkeit. Versuch einer systematischen Darstellung aus seinen Werken, Univ. Diss. Erlangen 1920; Nathan Stein-Schrift. Arbeiten von Rabbinern Badens, hrsg. von Hugo Schiff, Karlsruhe 1938.
Literatur
Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, Karlsruhe 1988 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 8); Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern. Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich, Karlsruhe 1988 (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 9); Claus-Dieter Krohn (Hrsg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945, Darmstadt 1998; Michael Brocke/Julius Carlebach (Hrsg.): Biographisches Handbuch der Rabbiner, Teil 2, Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871 - 1945, bearb. von Katrin Nele Jansen unter Mitwirkung von Jörg H. Fehrs und Valentina Wiedner, Bd. 2, München 2009.
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Johann Baptist Tuttiné um 1885, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS III 1590.
Inhaltsverzeichnis
1 Johann Baptist Tuttiné
1.1 Quellen
1.2 Werk
1.3 Literatur
Johann Baptist Tuttiné
Maler, * 3. Juli 1838 Bräunlingen/Schwarzwald-Baar-Kreis, † 23. August 1889 Karlsruhe, kath., ledig.
Bereits mit 10 Jahren wurde Johann Baptist Tuttiné, Sohn eines Schusters, Vollwaise. Nach Abschluss der Dorfschule absolvierte Tuttiné, dessen zeichnerisches Talent früh aufgefallen war, 1852-1855 eine Lehre als Uhrenschildmaler in Vöhrenbach. Da er Maler werden wollte, arbeitete er danach in Furtwangen in einer Zifferblatt- und Blechschilderfabrik und belegte an der dortigen Uhrmacher- und Gewerbeschule Zeichenkurse. 1862-1866 und 1869-1871 studierte Tuttiné an der Großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe bei Ferdinand Keller und Hans Canon. Das Studium finanzierte er durch Zeichnungsarbeiten für eine Karlsruher Möbelfabrik und andere Auftragsarbeiten.
Ab 1871 lehrte Tuttiné Malerei an der Karlsruher Gewerbeschule und bezog im Jahr darauf ein Atelier an der Kunstschule, um als freischaffender Maler zu arbeiten. 1878/79 nahm er das Studium kurzzeitig wieder auf, wobei er durch seinen Lehrer Carl Hoff mit der Genremalerei in Kontakt kam und in diesem Stil mehrere Bilder mit Alltagsszenen der Bevölkerung des Schwarzwalds, insbesondere des Hotzenwalds, schuf. 1881 organisierte der inzwischen bekannte Genremaler im Auftrag der Stadt Karlsruhe anlässlich der Silberhochzeit des badischen Großherzogpaars Friedrich I. und Luise sowie der gleichzeitigen Heirat der badischen Prinzessin Victoria mit dem schwedischen Kronprinzen Gustav Adolf die Trachtenabteilung des Karlsruher Historischen Festzugs, wofür er 800 Teilnehmer mobilisierte. 1885 anlässlich der Hochzeit des Erbgroßherzogs Friedrich II. und seiner Frau, Prinzessin Hilda von Nassau, veranstaltete er einen noch größeren Trachtenumzug. Nach 1881 erhielt Tuttiné von Großherzog Friedrich I. den Auftrag, in drei Gemälden den Festzug zu überliefern. Fertigstellen konnte er vor seinem Tod sein bekanntestes Bild "Die goldene Hochzeit". Die beiden anderen malte dann Heinrich Issel.
Tuttiné unternahm zur Vorbereitung der Trachtenumzüge ausgedehnte Reisen durch das Großherzogtum, um die teilweise kaum noch getragenen Trachten und auch Hausgeräte der verschiedenen Landesteile zu studieren und zu sammeln. Diese wurden gemäß seiner testamentarischen Verfügung an die Großherzoglichen Sammlungen verkauft und befinden sich heute im Bestand des Badischen Landesmuseums.
Der Großherzog verlieh Tuttiné den Orden vom Zähringer Löwen Erster Klasse.
René Gilbert 2015
Quellen
GLA 56/1535, 60/1257, 440/Zug. 1984/88/121; N Rolf Kellner B 1-2.
Werk
Stubeninterieur im Schwarzwald, Ölgemälde 1875 (Privatbesitz); Die überraschten Spieler, Ölgemälde 1879 (Privatbesitz); Festzug der Badischen Landestrachten – Die goldene Hochzeit, Ölgemälde 1881 (Badisches Landesmuseum Karlsruhe); Der Abschied, Gouache 1885; Wirtshausszene, Ölgemälde 1886; Trachtenmädchen, Ölgemälde 1886 (alle drei Kelnhof-Museum Bräunlingen).
Literatur
Friedrich von Weech (Hrsg.): Johann Baptist Tuttine, in: Badische Biographien, Bd. 4, Karlsruhe 1891, S. 472-474; Lorenz Honold: Vom Hirtenbub zum Trachtenmaler – Johann Baptist Tuttiné, ein Baarmaler, der im Biedermeier Karriere machte, in: Schwarzwald-Baar-Kreis: Almanach 15 (1991), S. 228-230; Brigitte Heck: Festzug. Der Karlsruher Historische Festzug von 1881, Sigmaringen 1997 (= Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe Bd. 4); Stadt Bräunlingen (Hrsg.): Johann Baptist Tuttiné – biografische Skizzen, Bräunlingen 2009 (= Schriftenreihe der Stadt Bräunlingen Bd. 6).
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Gustav zu Putlitz mit seiner Frau 1878, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oIII 602.
Inhaltsverzeichnis
1 Gustav Heinrich Gans zu Putlitz
1.1 Quellen
1.2 Werk
1.3 Literatur
Gustav Heinrich Gans zu Putlitz
Hoftheaterintendant, * 20. März 1821 Retzin/Lkr. Prignitz, † 5. September 1890 Retzin, ∞ 1853 Elisabeth Gräfin von Königsmarck, 5 Kinder.
Gustav Heinrich Gans zu Putlitz entstammte einem alten märkischen Adelsgeschlecht. Er wuchs als ältester Sohn zunächst auf dem Gutsbesitz im engsten Kreis der Familie auf. Seine höhere Schulbildung absolvierte er 1834-1841 in Magdeburg im Alumnat des Klosters Unserer Lieben Frau. 1841-1846 folgte ein Jurastudium in Berlin und Heidelberg. Nach dem Examen leistete er seine Militärdienstzeit in Berlin ab, um danach bei der Regierung in Magdeburg eine diplomatische Laufbahn einzuschlagen.
Schon früh für das Theater und Literatur begeistert, begann er selbst Stücke und Gedichte zu schreiben. 1848 verließ er den Staatsdienst, widmete sich der Verwaltung des Gutes in Retzin und der Schriftstellerei. Sein großer Erfolg als Theaterautor führte 1863 zur Berufung als Leiter des Hoftheaters in Schwerin durch den Großherzog von Mecklenburg. 1867 wurde er für ein Jahr Hofmarschall beim preußischen Kronprinzen in Potsdam, war nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, in dem er Lazarette einrichtete und Liebesgaben an die Front brachte, Redakteur einer Zeitung in Berlin.
1873 übernahm Putlitz die Leitung des Karlsruher Hoftheaters. In den sechzehn Jahren seiner Intendanz gelang es, das auf Eduard Devrient folgende Tief des Theaters zu überwinden. Die Stücke von Putlitz, darunter viele Komödien, gehörten schon vor Beginn seiner Intendanz auch in Karlsruhe zum regelmäßigen Theaterprogramm. Mit Stücken wie "Rolf Berndt" (1879) war er einer der meistgespielten Autoren am Karlsruher Theater. Sein literarisches Werk diente seiner Zeit und ist heute vergessen.
Nach dem Tod seines Vaters 1888 nahm er den erblichen Sitz im Preußischen Herrenhaus ein. 1889 beendete er aus Altersgründen seine Tätigkeit als Intendant in Karlsruhe und zog sich auf das Familiengut nach Retzin zurück. Putlitz wirkte auch als Präsident des Deutschen Bühnenvereins, dessen Ehrenmitglied er kurz vor seinem Tod wurde. In der Umgebung seiner Heimat und in Berlin wurden mehrere Straßen nach ihm benannt. In der Karlsruher Südweststadt erhielt 1897 die Putlitzstraße seinen Namen.
Manfred Koch/Max Schlenker 2014
Quellen
Gustav zu Putlitz: Theater - Erinnerungen, Berlin 1874; Mein Heim, 1885 (Neuaufl. 2012).
Werk
Ausgewählte Werke, 6 Bde. Berlin 1872—1877, Ergänzungsband 1888; Lustspiele, 1850-55, Neue Folge 1869-72.
Literatur
Elisabeth zu Putlitz: Gustav zu Putlitz. Ein Lebensbild. Aus Briefen zusammengestellt und ergänzt, 3 Bde., Berlin 1894; W. Harder: Gustav zu Putlitz, in: Badische Biographien, Bd. 4, hrsg. von Friedrich von Weech, Karlsruhe 1891, S. 323-327; Monty Jacobs: Putlitz, Gustav Heinrich Gans Edler Herr zu, in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Bd. 53, Leipzig 1907, S. 155-160; Hansmartin Schwarzmaier: Von Richard Wagner zu Richard Strauss, in: Karlsruher Theatergeschichte, Karlsruhe 1982, S. 78-93.
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Joseph Pfister
Hofgartendirektor,* 8. Mai 1833 Reichartshausen im Rheingau, † 24. März 1895 Karlsruhe, kath., ∞ Karoline Müldig, 2 Kinder.
Der Sohn eines Schlossgärtners absolvierte nach dem Besuch der Lateinschule in Würzburg und Kitzingen eine Gärtnerlehre im königlichen Hofgarten zu Würzburg. Nach Abschluss der Ausbildung, während der er auch Botanik-Vorlesungen an der Universität Würzburg hörte, arbeitete Joseph Pfister ab 1850 in den herzoglich nassauischen Gärten zu Biebrich sowie in einer Gärtnerei bei Riga und in Gent. 1861 wurde er Geschäftsführer in der damals bedeutendsten deutschen Handelsgärtnerei Rinz in Frankfurt a. M. Nach Auflösung des Unternehmens 1863 übernahm Pfister die Leitung der Rothschildschen Gartenanlagen in Günthersburg, die er bis 1879 innehatte. Danach betrieb er eine eigene Blumen- und Pflanzenhandlung in Frankfurt a. M.
1882 erfolgte die Berufung zum Garteninspektor bei der Großherzoglichen Gartendirektion, 1884 übernahm er die Leitung der Hofgartendirektion, der er bis zu seinem Tod vorstand. Für seine Verdienste um die Gestaltung des Karlsruher Schlossgartens wurde Pfister das Ritterkreuz I. Klasse des Zähringer Löwenordens verliehen. Zudem erhielt er den Königlich-Preußischen Kronenorden III. Klasse.
Marco Wagner 2013
Quellen
Beilage zur Karlsruher Zeitung vom 27. März 1898, Nr. 86; Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe für das Jahr 1906, 22. Jg., Karlsruhe 1907, S.102.
Literatur
Friedrich von Weech/Albert Krieger: Badische Biographien, Bd. 5, Heidelberg 1906, S. 589 f.
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Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS III 328.
Leopold Ettlinger
Unternehmer, Stadtverordneter, * 24. Dezember 1844 Karlsruhe, † 7. Dezember 1912 Karlsruhe, jüd., ∞ 1870 Therese Stern, 3 Kinder.
Leopold Ettlingers Vater war der Gründer der Karlsruher Eisengroßhandlung L. J. Ettlinger. Nach dem Tod des Vaters übernahm er 1867 zusammen mit seinem Bruder Theodor den Betrieb in der Kronenstraße 24. Vor allem Leopold Ettlinger erweiterte die Firma in den folgenden Jahrzehnten zu einem überregional bekannten und erfolgreichen Unternehmen. Dieser wirtschaftliche Erfolg führte dazu, dass Ettlinger sowohl im Karlsruher als auch im gesamtbadischen Wirtschaftsleben führende Funktionen übernehmen konnte. So war er über vier Jahrzehnte Mitglied der Handelskammer Karlsruhe, in der er ab 1881 dem Führungsausschuss angehörte. Darüber hinaus gehörte er 21 Jahre lang dem badischen Eisenbahnrat an und bekam 1899 das Ehrenamt eines Handelsrichters übertragen.
Politisches Engagement für seine Vaterstadt zeigte Ettlinger durch seine 40 Jahre währende Mitgliedschaft in der Karlsruher Stadtverordnetenversammlung, deren geschäftsführendem Vorstand er mit einer dreijährigen Unterbrechung von 1893 bis zu seinem Tod angehörte. Außerdem beteiligte sich Ettlinger als Mitglied des Karlsruher Synagogenrats seit 1891 aktiv am Leben der Jüdischen Gemeinde. Zudem wurde er 1895 Abgeordneter der Landessynode und gleichzeitig Mitglied des Oberrats der Israeliten Badens.
Für seine Verdienste um die Stadt Karlsruhe erhielt Ettlinger den Orden vom Zähringer Löwen - Ritter Erster Klasse sowie die beiden von Großherzog Friedrich I. von Baden gestifteten Auszeichnungen Friedrich-Luisen-Medaille 1906 und die Regierungs-Jubiläums-Medaille 1902. Sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof an der Haid-und Neu-Straße.
René Gilbert 2015
Literatur
Robert Bender: Anna Ettlinger, in: Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, hrsg. von Heinz Schmitt, Karlsruhe 1988, 2. Aufl. 1990, S. 109, 138, 484.
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Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 14/13.
Karl Ludwig Freiherr von Lotzbeck
Kaufmann, Politiker, Ehrenbürger, * 20. Februar 1786 Lahr, † 18. Januar 1873 München, ev., verh., 1 Sohn.
Lotzbeck trat 1809 als Gesellschafter in das vom Vater 1774 in Lahr gegründete Tabakunternehmen „Lotzbeck, Gebrüder“ ein. Als sich der Vater 1818 zur Ruhe setzte, übernahm er mit dem Bruder Ferdinand Freiherr von Lotzbeck die Geschäftsführung. Schon nach kurzer Zeit zog er sich aus dem Unternehmen zurück, um sich verstärkt der Politik zuzuwenden. Als Abgeordneter der Zweiten Kammer für den Stadtkreis Lahr stellte er in der ersten Legislaturperiode der Badischen Ständeversammlung 1819 den Antrag auf Handelsfreiheit innerhalb Deutschlands und Schaffung eines deutschen Zollvereins. Bald übersiedelte er nach Augsburg und später nach München. 1826 erwarb er das Schloss Weyhern im oberbayerischen Egenhofen. Gemeinsam mit dem Bruder Ferdinand unterstützte er in den 1830er-Jahren großzügig die Errichtung einer Gewerbeschule in Karlsruhe, wofür ihm am 1. März 1834 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Karlsruhe verliehen wurde. Von 1834-1848 gehörte er als erblicher Reichsrat der Krone Bayern der Ersten bayerischen Kammer an. Vor allem als Förderer der Kunst und Wissenschaft machte er sich einen Namen. Seit 1962 erinnert im Stadtteil Grünwinkel die Lotzbeckstraße an das Wirken der beiden Brüder.
Katja Förster 2013
Literatur
Karl Ludwig Freiherr von Lotzbeck, in: Badische Biographien, Bd. 1, Heidelberg 1875, S. 30-31; Emil Baader: Ehrenbürger der Stadt Karlsruhe. Karl Ludwig und Ferdinand von Lotzbeck, Förderer der Karlsruher Gewerbeschule, BNN, 3. August 1961; Klaus Kaltenbach: Die Familie Lotzbeck (Teil 1), in: Der Storchenturm, Jg. 17, H. 10, 2007, S. 3-6.
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